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Grundzüge des Rechts für Architektur Herbst 2016 ‚Skript‘: Module 09 Gérard Hertig (ETH Zurich) www.hertig.ethz.ch Haftpflichtrecht

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Grundzüge des Rechts für Architektur

Herbst 2016 ‚Skript‘: Module 09

Gérard Hertig (ETH Zurich) www.hertig.ethz.ch

Haftpflichtrecht

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Beispiel 1: Haftung Mit den Freunden Kurt und Mario verabredet sich

Susanne an einem Abend zum Biertrinken am Zürichsee.

Mario klettern spasseshalber auf einen Baum, worauf erherunterfällt und bewusstlos liegen bleibt.

Kurt und Susanne können sich Marios Abwesenheit nicht erklären und gehen nach Einbruch der Dunkelheit nach Hause.

Mario wird kurz darauf von einem Passanten gefunden.

Nach einem Spital- und Rehabilitationsaufenthalt kann Mario entlassen werden, wird jedoch sein Leben Sprachschwierigkeiten haben.

I. Allgemeines II. Schaden III. Kausalität & Widerrechtlichkeit IV. Verschulden V. Sonderfälle

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Beispiel 1: Haftung Schaden− Behandlungs- und Heilungskosten− Folgeprobleme durch Sprachschwierigkeiten (Vergütungsausfall etc.)− Seelischer Schaden Kausalzusammenhang− Verhalten kann nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der

allgemeinen Lebenserfahrung dazu beitragen, dass Schäden wie Marios Verletzung entstehen oder vergrössert werden.

Widerrechtlichkeit− Art. 128 StGB → wenn einem Menschen, der in unmittelbarer

Lebensgefahr schwebt, nicht hilft, obwohl es ihm den Umständen nach zugemutet werden könnte

Tragen Susanne und Kurt Schuld am eingetretenen Schaden?− Unklar. Bier getrunken− Selbstverschulden M? − Sind K und S noch zurechnungsfähig ?

I. Allgemeines II. Schaden III. Kausalität & Widerrechtlichkeit IV. Verschulden V. Sonderfälle

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I. Allgemeines

I. Allgemeines II. Schaden III. Kausalität & Widerrechtlichkeit IV. Verschulden V. Sonderfälle

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Vertragliches Haftpflichtrecht− Schadenersatzanspruch aufgrund der Missachtung

vertraglicher Pflichten

− Beispiele:• Leistungsverzögerung führt beim Besteller zu Gewinnausfall• Fehlerhaftes gekauftes Ersatzteil beschädigt Produktionslinie

Ausservertragliches Haftpflichtrecht− Schadenersatzanspruch aufgrund einer unerlaubte Handlung

des Schädigers → Vor dem Schadenseintritt besteht kein Rechtsverhältnis zwischen den betroffenen Parteien

− Beispiele: • Autofahrer fährt Fussgänger an• Hund beisst kleines Kind

I. Allgemeines II. Schaden III. Kausalität & Widerrechtlichkeit IV. Verschulden V. Sonderfälle

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Prüfungsschema, ob Ersatzanspruch besteht

− Pflichtverletzung

• Vertragsverletzung

• Ausservertragliche Pflichtverletzung (Widerrechtlichkeit)

− Schaden

− Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Schaden

− Verschulden

• Teilweise wird Verschulden vermutet, teilweise hat Schuldner dann Exkulpationsmöglichkeit

I. Allgemeines II. Schaden III. Kausalität & Widerrechtlichkeit IV. Verschulden V. Sonderfälle

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Funktionen des Haftpflichtrechts− Kompensation des Schadens des Geschädigten

• Wiederherstellung des schadensfreien Zustandes

− Verhaltenssteuerung der Schädiger• Präventive Funktion des Haftpflichtrechts. Aber: Keine Straffunktion (anders als im amerikanischen Haftpflichtrecht

mit „punitive damages“)? Abschreckungsfunktion kommt hauptsächlich dem Strafrecht zu

Zunehmende Prägung durch Fallrecht („case law“)− Ex post Wirkungen− Ex ante Wirkungen Im Folgenden: ausservertragliches Haftpflichtrecht

I. Allgemeines II. Schaden III. Kausalität & Widerrechtlichkeit IV. Verschulden V. Sonderfälle

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Allgemeine Haftungsnorm

Spezialvorschriften− Strassenverkehrsgesetz, Eisenbahnhaftpflichtgesetz,

Elektrizitätsgesetz, Kernenergiehaftpflichtgesetz, Luftfahrtgesetz, Produktehaftpflichtgesetz, etc.

Art. 41 Abs. 1 Obligationenrecht

Wer anderen widerrechtlich Schaden zufügt, sei es mit Absicht, sei es aus Fahrlässigkeit, wird ihm zum Ersatze verpflichtet.

I. Allgemeines II. Schaden III. Kausalität & Widerrechtlichkeit IV. Verschulden V. Sonderfälle

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II. Schaden

I. Allgemeines II. Schaden III. Kausalität & Widerrechtlichkeit IV. Verschulden V. Sonderfälle

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Personenschaden− Tötung →

• Bestattungskosten (Art. 45 Abs. 1 OR)• Kosten der versuchten Heilung und Arbeitsunfähigkeit (Art. 45 Abs. 2

OR)• Versorgerschaden (Art. 45 Abs. 3)• Beispiele

• Tötung einer unterstützungspflichten Person (Ehepartner, Eltern, Geschwister, Lebensgefährte)

• Berechnung der hypothetischen Unterstützungsleistungen

− Körperverletzung → auch psychische Schäden(Depressionen, Traumata, Konzentrationsschwächen)• Kosten der Arbeitsunfähigkeit (Art. 46 Abs. 1 OR)• Heilungs-, Pflege- und Betreuungskosten (Art. 46 Abs. 1 OR)• Beispiele

Prothesen, Haushalthilfe, entgangene Sozialversicherungsbeiträge

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Sachschaden− Beschädigung, Zerstörung oder Verlust− Ersatzfähige Kosten

• Reparaturkosten• Ersatz des Minderwertes, Erhöhte Aufwendungen• Neuanschaffungskosten, Entgangener Gewinn• Tiere: Keine Sachen, jedoch entsprechend

behandelt Behandlungs- und Heilungskosten Nutztiere: Ersatz des wirtschaftlichen Ausfalls Haustiere: Ersatz des Affektionswertes

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Genugtuung für immateriellen Schaden− Nicht direkt in Geld messbar− Nur bei gesetzlicher Grundlage − Insbesondere schwere Persönlichkeitsverletzung

• Leib und Leben (Beispiel: Amputation der Finger eines Violinisten)• Körperliche Integrität (Beispiel: Unfruchtbarkeit eines Jugendlichen)• Freiheit (Beispiel: Ungerechtfertigte Untersuchungshaft)• Ehre (Beispiel: Schwere Rufschädigung)

− Fälle, in denen kein Schadenersatz gewährt wird• Blosse Schmälerung des Lebensgenusses• Leichte Beeinträchtigung des wirtschaftlichen/sozialen

Ansehen• Entgangene Chancen, Frustrationsschäden

Beispiel: Tourist verpasst Pauschalurlaub, da er aufgrund eines Staus auf der Autobahn seinen Flieger verpasst

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Beispiel 2: SchadenFrau F ist auf dem Weg zu einer Theaterveranstaltung und wird dabei von Skater S, der mit seinem Skateboard auf dem Gehweg fährt, umgefahren.

F bricht sich das Bein.

F möchte von S Ersatz der medizinischen Kosten, Ersatz der Kosten ihres einwöchigen Arbeitsausfallsund Ersatz der Eintrittskarten für das Theater, da sie und ihr Ehemann aufgrund des Unfalls die Vorstellung verpasst haben.

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Beispiel 2: Schaden

Nur die Kosten der medizinischen Behandlung und des Arbeitsausfalls.

Die Kosten für die Eintrittskarten muss S nicht ersetzen; diese wurden schon vor dem Unfall gebucht, die Kosten für die Eintrittskarten wurden daher nicht kausal durch den Unfall verursacht.

Der blosse entgangene Theatergenuss ist nicht ersatzfähig.

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Schadensberechnung− Differenztheorie

• Der Schaden ist die Differenz zwischen dem gegenwärtigen Vermögensstand (nach der Verletzung) und dem Stand, den das Vermögen ohne das schädigende Ereignis hätte

− Unfreiwillige Vermögensverminderung als• Verminderung der Aktiven.

Beispiel: Verlust einer Sache• Vermehrung der Passiven.

Beispiel: Spitalrechnung• Entgangener Gewinn. Beispiel: Keine Ernte, da der Nachbar

den Mähdrescher zerstört hat− Schadensminderungspflicht− Keine Berechnung möglich: Schätzung → Richter

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III. Kausalität & Widerrechtlichkeit(Pflichtverletzung)

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Kausalität− Wirkungszusammenhang zwischen Ursache und Schaden− Natürlich und adäquat

Natürlicher Kausalzusammenhang− Jedes Ereignis, das nicht hinweg gedacht werden kann, ohne dass

der Schadenseintritt entfiele− Logische und naturgesetzliche Betrachtungsweise

Adäquater Kausalzusammenhang− Oft mehrere natürliche Ursachen− Rechtlich relevant = Ausschluss untypischer Kausalketten− Adäquanzformel:

„.. nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der allgemeinen Lebenserfahrung an sich geeignet …, den eingetretenen Schaden zu bewirken.“

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Widerrechtlichkeit− Verletzung eines absoluten Rechts (Erfolgsunrecht)

• Persönlichkeitsrechte (Leib und Leben, Freiheit, Ehre, Privatsphäre)• Dingliche Rechte (Eigentum, Besitz, beschränkte dingliche Rechte)• Immaterialgüterrechte (Urheberrecht, Patentrecht, Markenrecht etc.)

− Verletzung von Schutznormen (Verhaltensunrecht)• Vermögensstrafrecht (Veruntreuung, Diebstahl, Hehlerei etc.)• Gesellschaftsrecht (Pflichten von Kontrollstellen)• Vertrauensmissbrauch (Art. 2 ZGB – Vertrauenshaftung)

− Keine Rechtfertigung des Eingriffs• Notwehr/Notstand (Art. 52 Abs. 1 und 2 OR)• Einwilligung des Verletzten

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IV. Verschulden

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VorsatzTäter kennt die Rechtswidrigkeit seines Handelns − Absicht

Strebt die Folge bewusst an− Eventualvorsatz

Will den Erfolg nicht, nimmt ihn aber bewusst in Kauf

Fahrlässigkeit−Pflichtwidrige Sorgfaltsverletzung−Täter lässt bei der Ausübung seiner Tätigkeit die

gebotene Sorgfalt in pflichtwidriger Weise ausser Acht

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Ausnahme: Einfache Kausalhaftung− Verschulden wird vermutet

− Milde Kausalhaftung• Entlastungsmöglichkeit durch Sorgfaltsbeweis• Beispiele

Geschäftsherrenhaftung und Tierhalterhaftung

− Scharfe Kausalhaftung• Keine Entlastungsmöglichkeit• Beispiele

Werkeigentümerhaftung, Grundeigentümerhaftung, Produktehaftpflichthaftung

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Beispiel 3: Geschäftsherrenhaftung (siehe auch BGE 97 II 221)

Baumeister T hat den Auftrag der Gemeinde Z einen Graben zu erstellen. T erkundigt sich bei S (Leiter des Gemeindewasserwerkes) nach

Leitungen auf die er stossen könnte. S liess T einen Plan mit den eingezeichneten Leitungen zukommen S. verlangte von T, dass er vor der Erstellung des Grabenstückes

durch Sondierschlitze die Lage des Elektrokabels ermittle. T liess die Arbeiten zur Erstellung des Grabens durch Hilfsperson H

erstellen. H durchschlug mit dem Presslufthammer ein Zementrohr und beschädigte das darin liegende Elektrokabel. Es stellte sich heraus, dass auf dem Plan der Elektrokabel nicht

eingezeichnet war. Dadurch entstand einen Schaden von CHF 150’000 aufgrund

Stromausfülle im Betrieb von K.

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Beispiel 3: Geschäftsherrenhaftung (siehe auch BGE 97 II 221)

Schaden: nur weil T sich auf einen Plan verliess auf welchem eine Leitung nicht eingezeichnet war. Waren nach den Umständen weitere Massnahmen

geboten (Sorgfaltspflicht)?1. Freilegung der Kabelschächte und/oder

2. H. aufmerksam mache, dass er beim Graben möglicherweise auf Elektrokabel stossen würde und daher sehr vorsichtig vorzugehen hätte

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Beispiel 4: Haftung für Tiere (siehe auch BGE 131 III 115)

Der 5-Jährige L spielte mit einer Spielgefährtin in einem benachbarten Haus. Als seine Mutter ihn telefonisch anwies nach Hause zu

kommen, machte er sich ohne Begleitung auf den rund 200m langen Heimweg. Ein Teil seines Heimwegs grenzt an eine Wiese auf welcher die

Pferde von X weideten. Die Wiese war durch einen Elektrozaun, der 124cm über dem Boden befestigt war, eingegrenzt. L begab sich auf die Wiese zu den nur wenige Meter von der

Strasse entfernten Tiere, wo ihn ein ausschlagendes Pferd am Kopf traf. Durch ein Hirntraume erlitt er irreversible Schäden. Die Eltern

von L klagten gegen X auf eine Zahlung von CHF 150’000.

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Beispiel 4: Haftung für Tiere (siehe auch BGE 131 III 115)

Der Tierhalter kann sich nicht darauf berufen, das allgemein Übliche an Sorgfalt aufgewendet zu haben. Vielmehr hat er nachzuweisen, dass er sämtliche objektiv

notwendigen und durch die Umstände gebotenen Massnahmen getroffen hat. Die konkreten Sorgfaltspflichten richten sich in erster Linie nach

geltenden Sicherheits- und Unfallverhütungsvorschriften. Die Beratungsstelle für Unfallverhütung in der Landwirtschaft

hat Empfehlungen für die Haltung der Pferde herausgegeben, die für Pferdeweiden Umzäunungen mit einer Mindesthöhe von 150cm sowie mehrere gut sichtbare Bänder oder Holzlatten vorsehen. Diesen Empfehlungen kam X nicht nach → Verletzung der

Sorgfaltspflicht

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Beispiel 5: Werkeigentümerhaftung(siehe auch BGE vom 11. Dezember 2012 4A_562/2012)

Motorradfahrer Y wurde auf einer Kantonalstrasse von einem aus der Felswand herabstürzenden Stein am Kopf getroffen und verstarb am Unfallort

Der Kanton hat die Felswand seitlich der Kantonsstrasse wöchentlich kontrolliert und Steine eines gewissen Ausmasses an die zuständige Stelle weitergeleitet. Kleinere Steine hat es dabei nicht berücksichtigt.

Die Kläger brachten hervor, dass der Kanton nie das Gefährdungspotential an der Unfallstelle systematisch und umfassend analysiert habe und kleinere Steine nicht gemeldet hatte.

Kanton N hätte somit nicht alles Zumutbare unternommen, um die Steinschlaggefahr im Bereich der Unfallstelle zu bannen.

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Beispiel 5: Werkeigentümerhaftung(siehe auch BGE vom 11. Dezember 2012 4A_562/2012)

Zu berücksichtigen ist, ob die Beseitigung allfälliger Mängel oder das Anbringen von Sicherheitsvorrichtungen− technisch möglich ist und − die entsprechenden Kosten in einem vernünftigen

Verhältnis zum Schutzinteresse der Benützer/Zweck des Werks stehen.

Strassen müssen so angelegt und unterhalten sein, dass sie den Benützern hinreichende Sicherheit bieten. Im Vergleich zu anderen Werken dürfen bezüglich Anlage

und Unterhalt von Strassen nicht allzu strenge Anforderungen gestellt werden (das Strassennetz kann nicht in gleichem Mass unterhalten werden wie zum Beispiel ein einzelnes Gebäude).

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Beispiel 6: Grundeigentümerhaftung(siehe auch BGE 104 II 15)

Gemeindeverband X, mit Zweck der gemeinsamen Wasserversorgung für Gemeinden X und Y, ist Eigentümer der Grundwasserfassungen im Berner Seeland. Die Z AG liess grosse Mangen in Sickerbecken geleitetes

Abwasser versickern. Die Gemeinden X und Y reichten Schadenersatzklage

gegenüber Z AG ein:− Das Grundwasser sei in ihrem Gebiet durch die versickerten

Abwässer von Z verschmutzt worden und − aufgrund dessen mussten sie eine neue Wasserfassung

erstellen.

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Beispiel 6: Grundeigentümerhaftung(siehe auch BGE 104 II 15)

Aktivlegitimation− Lehre und Rechtsprechung: auf das nachbarliche

Verhältnis beschränkt

− Nachbar: jeder, der als Eigentümer oder Besitzer eines Grundstückes von den beanstandeten Immissionen betroffen wird.

− Entsprechend sind die Gemeinden X und Y aktivlegitimiert.

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Beispiel 7: Haftung aus Billigkeit(siehe auch BGE 102 II 226)

Landwirt K verkaufte dem Architekt F das Grundstück X.

K teilte dem Architekt F in der Folge mit, er betrachte den Vertrag wegen Hitzeschocks, Alkoholeinflusses und teilweiser Invalidität als unverbindlich.

Die Vormundschaftsbehörde beantragte die Entmündigung von K, worauf K unter Beiratschaftgestellt wurde.

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Beispiel 7: Haftung aus Billigkeit(siehe auch BGE 102 II 226)

Der Kaufvertrag wurde aufgrund des geistigen Zustands von K. als nichtig befunden

Das Bundesgericht erachtete den Entscheid K zu einem Schadenersatz in der Höhe von CHF 52’600 (von einem Gesamtschaden von CHF 105’200.—) zu verpflichten, als angemessen.

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Beispiel 8: Mitverschulden(siehe auch BGE vom 26. April 2005 5C.61/2004)

Über den Gemeindeschreiber W wurden Gerüchte über Unregelmässigkeiten laut, worüber auf der Bezirksanzeiger X berichtete.

In den Berichten ging es um Straftaten im Zusammenhang mit Schwarzgeld und Geldwäscherei.

W klagte gegen X aufgrund einer Persönlichkeits-verletzung.

Gewisse Beweise würden darauf hinweisen, dass WAngriffsflächen geboten hat bzw. polarisiert habe und in einzelnen Fällen ein von Amtspersonen nicht tolerierbares Auftreten an den Tag gelegt habe.

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Beispiel 8: Mitverschulden(siehe auch BGE vom 26. April 2005 5C.61/2004)

Gem. Art. 44 OR kann das Gericht die Ersatzpflicht ermässigen oder gänzlich von ihr entbinden, falls Umstände, für welche der Geschädigte einstehen muss, auf die Entstehung oder die Verschlimmerung des Schadens eingewirkt oder die Stellung des Ersatzpflichtigen sonst erschwert haben.

Nach dem Grundgedanken dieser Vorschrift muss der Geschädigte den Schaden selbst tragen, soweit er ihn selbstverantwortlich mitverursacht hat.

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Beispiel 8: Mitverschulden(siehe auch BGE vom 26. April 2005 5C.61/2004)

In casu kann kein schweres, den adäquaten Zusammenhang unterbrechendes Selbstverschulden angenommen werden.

Auch ein gewöhnliches Selbstverschulden, dass gegenbenfalls die Haftung reduzieren könnte, ist nicht zu erblicken.

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V. Sonderfälle: Mehrheit von Akteuren und Ansprüchen

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Verhältnis Schädiger, Geschädigtem und Versicherung

Schädiger Geschädigter

Versicherung Versicherung

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Geschädigter ist versichert− Im Innenverhältnis kann der Geschädigte bei

seiner Versicherung Ersatz verlangen

− Im Aussenverhältnis geht der Schadensersatz-anspruch des Geschädigten gegen den Schädiger auf die Versicherung über

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Schädiger ist versichert− Im Aussenverhältnis muss der Schädiger dem

Geschädigten den Schaden ersetzen

− Im Innenverhältnis kann der Schädiger bei seiner Versicherung Ersatz verlangen

−Ausnahme: Direktanspruch des Geschädigten gegen den Versicherer des Schädigers; Versicherer hat dann Regressanspruch gegen den Geschädigten (z.B. Haftpflichtversicherung im Strassenverkehr)

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