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Z. Krebsforsch. 72, 226--239 (1969) Histochemische Untersuchungen der Cancerogenese in der Rattenleber nach Dauergaben yon Di~ithylnitrosamin H. FI~EDRIcH-FREKSA, W. G6SSNEg* und P. B(SRNER** Abteilung fiir physikalisehe Biologic des Max-Planek-Instituts fiir Virusforsehung, Tiibingen Pathologisches Institut*** der Universit~t Tiibingen Eingegangen am 20. Januar 1969 Histochemical Investigations o/Carcinogenesis in Rat Liver alter Continuous Appli- cation o/Diethylnitrosamine Summary. ~emale rats (Sprague-Dawley) were periodically injected with one of four doses (2.8 mg/kg to 14 mg/kg) of diethylnitrosamine. Almost all liver carcinomas that appeared after months lacked glucose-6-phosphatase as measured histoehemically. At all doses clearly deline- ated islands of cells without glueose-6-phosphatase were observed long before carcinomas appeared. These islands can be distinguished from normal hepatoeytes only histochemieally. The islands appear at all four doses levels after a total amount of diethylnitrosamine between 210 and 260 mg/kg has been administered. Thus, the first approximation is: C(~on~enU~Uon ) t(tame) ~ Oonst. Periodic histoehemical examination indicates that glycogen is accumulated in the islands lacking glucose-6-phosphatase. This glycogen is no longer responsive to fasting, but usually disappears, later; the cytoplasm becomes increasingly basophflie, after which cell divisions become more frequent. With the appearance of an atypical cell arrangement, the picture of the carcinoma is complete. Striking is the frequent appearance of islands in a 60 ~ sector around the central vein. Zusammen/assung: In 4 verschiedenen Dosierungen yon 2,8 mg/kg bis 14 mg/kg wurde an weibhehen Ratten (Sprague-Dawley) Diathylnitrosamin fortlaufend verabfolgt. Fast alle Lebereareinome, die naeh Monaten auftraten, waren histechemiseh frei yon Glueose-6-phos- phatase Aktivit~t. In allen Dosierungen entstanden lange vor dem Auftreten der Careinome Glueose-6-phosphatase-freie, seharf abgegrenzte Zellinseln, die nur histoehemiseh yon norma- len Hepatocy~en untersehieden werden kSnnen. Das Auftreten der Inseln erfolg~ in allen 4 Dosierungen bei einer Gesamtdosis zwisehen 210 und 260 mg/kg Diathylnitrosamin. In erster N~herung gilt also C(Ko=~o,) t(zelt) = const. Die fortlaufende histoehemisehe Untersuchung zeigt, dab sich in den Glueose-6-phospha- tase-freien Inseln Glykogen anhgu~% das durch Hunger nieht mehr mobflisiert werden' kann. Das Glykogen versehwindet moist spgter, das Cytoplasma zeigt erhShte Basophilie; erst jetzt sind h~ufiger Zellteilungen zu sehen, atypisehe Zellanorduung fritt auf und das Bfld des Carcinoms ist vollendet. Auff/~llig ist das h/~ufige Auftreten der Inseln in einem Sechstelsektor an der Zentralvene. Soft mi~ o~noerogonen Stoffen experimontell Krebs erzeugt werden kann, wh'd versueht, die Entstehung yon Tumoren yon Anfang an zu verfolgen. Es d~uert gewShnlieh viele Monate, bis die Krebsgesohwulst mit Sicherhei~ diagnostiziert * Prof. Dr. reed. W. G6SS~ER, Pathologisches Institut der Teehnischen Hochschule Miinehen (Klinikum reehts der Isar) und Institut fiir Biologie der Gesellsehaft fiir Stmhlen- forsehung, Abteilung fiir Allgemeine und Exloerimentelle Pathologic, Miinehen-Neuherberg. ** derzeitige Ansohrift: Dr. reed. P. :B6RlqEI~, 3000 Hannover, Frauenklinik im Kranken- haus Oststadt. *** ])irektor des Pathologischen Instituts war bei Ausfiihrung der Arbeit Prof Dr E. LETTERER.

Histochemische Untersuchungen der Cancerogenese in der Rattenleber nach Dauergaben von Diäthylnitrosamin

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Z. Krebsforsch. 72, 226--239 (1969)

Histochemische Untersuchungen der Cancerogenese in der Rattenleber nach Dauergaben yon Di~ithylnitrosamin

H. FI~EDRIcH-FREKSA, W. G6SSNEg* und P. B(SRNER**

Abteilung fiir physikalisehe Biologic des Max-Planek-Instituts fiir Virusforsehung, Tiibingen Pathologisches Institut*** der Universit~t Tiibingen

Eingegangen am 20. Januar 1969

Histochemical Investigations o/Carcinogenesis in Rat Liver alter Continuous Appli- cation o/Diethylnitrosamine

Summary. ~emale rats (Sprague-Dawley) were periodically injected with one of four doses (2.8 mg/kg to 14 mg/kg) of diethylnitrosamine. Almost all liver carcinomas that appeared after months lacked glucose-6-phosphatase as measured histoehemically. At all doses clearly deline- ated islands of cells without glueose-6-phosphatase were observed long before carcinomas appeared. These islands can be distinguished from normal hepatoeytes only histochemieally. The islands appear at all four doses levels after a total amount of diethylnitrosamine between 210 and 260 mg/kg has been administered. Thus, the first approximation is: C(~on~enU~Uon ) �9 t(tame) ~ Oonst.

Periodic histoehemical examination indicates that glycogen is accumulated in the islands lacking glucose-6-phosphatase. This glycogen is no longer responsive to fasting, but usually disappears, later; the cytoplasm becomes increasingly basophflie, after which cell divisions become more frequent. With the appearance of an atypical cell arrangement, the picture of the carcinoma is complete. Striking is the frequent appearance of islands in a 60 ~ sector around the central vein.

Zusammen/assung: In 4 verschiedenen Dosierungen yon 2,8 mg/kg bis 14 mg/kg wurde an weibhehen Ratten (Sprague-Dawley) Diathylnitrosamin fortlaufend verabfolgt. Fast alle Lebereareinome, die naeh Monaten auftraten, waren histechemiseh frei yon Glueose-6-phos- phatase Aktivit~t. In allen Dosierungen entstanden lange vor dem Auftreten der Careinome Glueose-6-phosphatase-freie, seharf abgegrenzte Zellinseln, die nur histoehemiseh yon norma- len Hepatocy~en untersehieden werden kSnnen. Das Auftreten der Inseln erfolg~ in allen 4 Dosierungen bei einer Gesamtdosis zwisehen 210 und 260 mg/kg Diathylnitrosamin. In erster N~herung gilt also C(Ko=~o,) �9 t(zelt) = const.

Die fortlaufende histoehemisehe Untersuchung zeigt, dab sich in den Glueose-6-phospha- tase-freien Inseln Glykogen anhgu~% das durch Hunger nieht mehr mobflisiert werden' kann. Das Glykogen versehwindet moist spgter, das Cytoplasma zeigt erhShte Basophilie; erst jetzt sind h~ufiger Zellteilungen zu sehen, atypisehe Zellanorduung fritt auf und das Bfld des Carcinoms ist vollendet. Auff/~llig ist das h/~ufige Auftreten der Inseln in einem Sechstelsektor an der Zentralvene.

Soft mi~ o~noerogonen Stoffen exper imonte l l K r e b s erzeugt werden kann , wh'd versueht , die En t s t ehung yon Tumoren yon Anfang an zu verfolgen. Es d~uer t gewShnlieh viele Monate , bis die Krebsgesohwuls t mi t Sicherhei~ d iagnos t iz ie r t

* Prof. Dr. reed. W. G6SS~ER, Pathologisches Institut der Teehnischen Hochschule Miinehen (Klinikum reehts der Isar) und Institut fiir Biologie der Gesellsehaft fiir Stmhlen- forsehung, Abteilung fiir Allgemeine und Exloerimentelle Pathologic, Miinehen-Neuherberg.

** derzeitige Ansohrift: Dr. reed. P. :B6RlqEI~, 3000 Hannover, Frauenklinik im Kranken- haus Oststadt.

*** ])irektor des Pathologischen Instituts war bei Ausfiihrung der Arbeit Prof�9 Dr�9 E. LETTERER.

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C~ncorogenese in der Rattenleber nach Dauergaben yon Di~thylnitrosamin 227

werden kann. Bis zu diesem Stadium besteht die Schwierigkeit, dal~ die prospek- riven Krebszellen, aus denen die Geschwulst entsteht, nicht klar unterschieden werden k6nnen yon solchen Zellen, die normal geblieben sin4 oder nur vorfiber- gehend Jmderungen aufweisen. Es ist mit der M6glichkeit zu rechnen, dab nicht alle Wirkungen des cancerogenen Stoffes verantwortlich ffir die Krebsentstehung sein mfissen. Der Stoff kSnnte auch toxische Wirkungen hervorrufen, die v611ig unabh~ngig yon der Cancerogenese sind.

Da nach allen unseren Kenntnissen die Umwandlung yon normalen Zellen in Carcinomzellen irreversibel ist, so scheint es sinnvoll, nach irreversiblen Ver- ~nderungen in den Zellen zu suchen, die schon vor der gesicherten Diagnose des Carcinoms vorhanden sind. Seit langem ist bekannt, dab in vielen Tumoren Enzym- defekte im Vergleich zum Ausgangsgewebe bestehen (G~v, wNsT~, 1954). Im letzten Jahrzehnt haben insbesondere MorRIS und I~To~ (vgl. PI~OT, 1966) die enzymati- schen Unterschiede yon experimentell erzeugten Lebertumoren bei Ratten im Vergleich zur normalen Leber untersucht. Das Ziel dieser Untersuchungen war, enzymatische Veri~nderungen, die nut in einem Teil der Carcinome a~tftreten, yon solchen abzugrenzen, die m6gllchst welt verbreitet sind (minimal deviation tumours). Keine der untersuchten enzymatischen Ver~nderungen konnte in allen Lebercarcinomen gefunden werden, so dab der Eindruck entstand, dal3 sie nur zuf~llige Begleiterscheinungen der Krebsentstehung sein k6nnten und dadurch an I_uteresse verloren.

Ein anderer Gedankengang fiihrte uns dazu, bestimmte Enzymdefekte zu untersuchen. Wir vermuteten, dab sie schon feststellbar sind, bevor die Tumoren exakt diagnostiziert werden k6nnen. Damit k6nnte es dann abet mSglich sein, die prospektiven Krebszellen wenigstens bei den Tumoren aufzufinden, bei denen solche Enzymddekte vorhanden shad.

WEB]~ und C~Tw~o (1955) fanden, dal~ in den meisten experimentell erzeug- ten Lebercarcinomen der Ratte die Glucose-6-phosphatase ~ehlt. Dieses Enzym schien uns zur Untersuchung besonders geeignet, weft es nach der Methode yon WAC~STE~ und MEIS~,L (1956) histochemisch in der einzelnen Leberzelle nach- gewiesen werden kann. Die Untersuchung ergab, dal~ lange vor dem Nachweis der Carcinome bei Ratten, die mit Di~thylnitrosamin behandelt wurden, inselartige Zellbereiche in der Leber auftreten, die frei yon Glucose-6-phosphatase sind (G6ss~v,~ u. F~I~D~ICH-F~]~sA, 1964). Die durch diese Beobachtung aufgeworfe- nell Fragen warden in den n~chsten Jahren gemeinsam mit P. B 6 ~ und G. PXeADOPVLV weiterbearbeitet und die Ergebnisse in dieser und der anschlieBenden Publikation dargestellt. Mittlerwefle warde diese Thematik auch yon anderer Seite aufgegriffen (Sc~v~,~ u. Kv~z]~, 1968). Diese Untersuchungen erg~nzen sich gut mit unseren, so dal] sich heute wohl eine theoretische Deutung der Can- cerisierung mit Di~thylnitrosamin geben lal~t (Schlul~ der 2. Arbeit).

Di~thylnitrosamin (D_;~---~A) warde aus verschiedenen Griinden als Cancerogen gewi~hlt. Der Zeitablauf der Krebsentstehung erfolgt bier bei exakter Dosierung und einem einheitlichen Rattenstamm besonders regelm~Big (D~vcK~EY u. SCH~hH~, 1962). Einen guten Beleg hierfiir bieten auch Versuche yon NI. F. R~- Zv, WSKY et al. (1966).

Mit einer erstaunlich geringen zeitlichen Streuung yon 4-20 Tagen um den Mittelwerb yon 160 Tagen sterben fast alle Versuchstiere an Carcinomen naeh der

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Ver~bfolgung einer Gesamtdos is von 800 • 100 mg Di~ thy ln i t rosamin . Die gro~e Pr~zis ion des Wirkungsablau~s be im Di s be ruh t wahrscheinl ich darauf , d~l~ es w~sserlSslich ist . Es wird deshalb schon 24 S td nach der Verab- folgung unwirks~m (MAGEE U. L~E, 1964). Die fe t t lSsl ichen Cancerogene, Azo- farbstoffe und Fluorene , h~ufen sich hingegen im Fe t tgewebe an, so dal~ be i ihrer W i r k u n g auch der schw~nkende F e t t g e h a l t der Versuchst iere ins Gewicht f~llt.

F a s t ~lle Carcinome en t s tehen aus H e p a t o c y t e n ; G~l lengangscarcinome s ind selten.

Methodik Versuchstiere. Weibliche Ratten vom Stamm Sprague-Dawley (Zentralinstitut ~fir Ver-

suchstierzucht, Hannover). Fiitterung mit Standard-Rattenfutter der Fa. Latz. Gewieht der Tiere bei Versuehsbeginn 150--250 g, Alter 3--5 Mon~te, ia den einzelnen Versuchsgruppen einheitlich.

Die Cancerogene wurden mit der Schlundsonde appliziert um eine exakte Dosierung zu erreichen.

Beriicksiehtigung der Tagesperiodik. TStung aller Versuehstiere zu einem einheitlichen Zeitpunkt - - 8 Uhr morgens - - zur Vermeidung yon Fehlern, die sieh aus der 24 Std-Periodik verschiedener Lebeffunktionen ergeben. Um 8 Uhr erreicht der Glykogengehalt der Ratten- leber des Tagesmaximum (HOr~GRE~, 1936; BA~GMAN~, 1959).

Sehnittherstellung. TStung der Tiere dutch Dekapitation in J~thernarkose. Entnahme von Gewebsstiieken yon etwa 1 • I em Grundfl&ehe bus beiden grof~en Leberlappen. Sofortiges Einfrieren dureh ausstrSmende Kohlens~ure. HersteUung yon Sehnitten im Kryostat naeh Dittes-I)aspiva bei - -20 ~ C. Sehnittdicke 10 ~. Ant~uen der Schnitte auf Deekgl&sehen. 17aeh Lufttrocknung Ausfiihrung folgender Reaktionen an Serienschnitten:

Histoehemische Nachweise: I. Glueose-6-phosphatase-Darstellung naeh WAOHST]~r~ und MEISEL (1956) : Zur besseren

Strukturerhaltung werden die Schnitte zun~chst I rain bei ~c 4 ~ C in 40/0 Formalin mit Zusatz yon 1% Caleium-Chlorid vorfixiert. An unfixierten Vergleiehspr&paraten warde geprfift, daI~ diese kurze Vorfixierung keinen EinfiuG auf die Enzymaktivit~t ausiibt. Inkubation 15 rain bei 37 ~ C, Inkubationsmedium und Glasger&te auf 37 ~ C vorgew~rmt. Entwieklung 2 min in H~S-ges~ttigtem Aqua dest. Eventuell Kernf&rbung mit H&malaun. Naehfixierung in 4% Formalin.

II . Glykogennaehweis. Fixierung yon Kryostatsehnitten in 100% Alkohol. ~lberziehen der Sehnitte mit einem dfinnen Celloidin-Film. Glykogendarstellung mit Perjods~ure-Sehiff- Reaktion. Kernf&rbung mit H&malaun. Entfernung des Celloidinfilms in 100~ Alkohol.

HI. Darstellung der Basophilie. Fixierung yon Kryostatsehnitten in C~moys Gemisch. F&rbung mit auf pH 4 gepufferter 0,5~ 0resylviolettlSsung. Differenziertmg in 100% Alkohol.

IV. Fettf&rbung mit Fettrot. Abseh~tzung der yon Glueose-6-phosphatase-Verlusten betroffenen Fl~ehen in Leber-

gewebssehnitten. Die Ausdehnung der Enzymverluste im Leberp~renehym wurde halbquantit~tiv bestimmt.

Die Beurteilung erfolgte mit Hflfe eines Foto-Oculars der Fa. Leitz. In dieses Ocular ist in einer viereckigen Gesichtsfeldbegrenzung ein Kreis eingezeiehnet, dessen Fl&cheninhalt etwa 5~ der Fl&ehe des Vierecks entspricht. Es ist leieht zu forgiven, wie o~t in einem ~estgelegten Gesiehtsfeld des einfache Fl&chenmaB des Kreises in den vorhandenen Enzymverlusten unter- gebracht werden kann.

Char~kterisierung der Glucose-6-phosphatase im histochemisehen Enzymtest. D~s yon uns untersuehte Zellenzym ist im histoehemisehen Enzymtest wohl in der Lage,

Glueose-6-phosphat, nicht jedoch Glucose-l-phosphat zu spalten. Der optimale Ablau~ der histoehemisehen Reaktion effolgt ira Bereieh pH 6--7. Bei pI~I 7,6 und pH 4,6 tr i t t eine vSllige Hemmung der Reaktion ein. Dutch einen ]ewefls 0,01 m Zusatz yon Calcium- und ~agnesium- ionen, yon JocIaeetat, ELaliumeyanid, Allox~n, 17~trium-Tetraborat ocler Blatriumeitrat zum Inkub~tionsmedium wird der histoehemisehe Reaktionsabla~d nieht beeinfluBt, ttinzufiigen yon ~]uorid (0,005 m), Cu++ (0,002 m) oder Zn ++ (0,00I m) zur Inkubationsfiiissigkeit hemmt

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Cancerogenese in der Rattenleber nach Dauergaben yon Di~thylnitrosamin 229

die histochemische Reaktion vSllig. Diese Eigensch~ften charakterisieren das nachgewiesene Enzym als Glucose-6-phosphatase (STAGY, 1956; G~ASSMAr 1956; DEANE, BAR~ET~ u. SELmMAN, 1957).

Ergebnisse Grunderscheinungen

Die Abb. 1 zeigt die Glucose-6-phosphatase Reak t ion an der Leber einer jungen gesunden R a t t e nach mehrs t i ind igem Hungern . Alle H e p a t o c y t e n weisen eine krgft ige dnnkle F~rbung durch Bleisulfid anti Es gibt also keine Leberpa renchym-

Abb. 1. Normale Rattenleber. Glucose-6-phospha~ase nach W~c~s~EI~ u. MEISEL; Kernf~rbung mit g~malaun. Vergr. : • 120

Abb. 2. Lebercarcinom. Dosierung: 20 Wochen 5 mg DXNA/kg, Gesamtdosis : 580 mg DANA/ kg; GI~6--P . ase/tt~m. Vergr.: • 120

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230 H. FI~IEDI~ICII-FI~]~KSA, W. G6ssg]~ und P. BS~g~:

zelle bei der nicht Glueose-6-phosphatase Aktivit/~t vorhanden w/~re. Die Enzym- aktiviti~t ist im Zentrum der Leberl/~ppchen etwas geringer als an der Peripherie. Unmittelbar nach Fiitterung einer Rat te hellt sieh der zentrale Tell noeh mehr auf, bis zum Verlust der Enzymaktivi t~t . Umgekehrt ist die histoehemisehe Reaktion naeh 18stiindigem Hungern verst/~rkt in Ubereinstimmung mit den makroehemi- sehen Befunden von LINKE (1962).

Die Abb. 2 stellt ein friihes Lebercareinom dar, naeh 20 Woehen Verabfolgung einer Gesamtdosis yon 580 mg/kg DANA. Der Tumor ist frei yon Glucose-6- phosphatase-Aktivit~t. Zu beaehten ist die seharfe Abgrenzung v o n d e r normal reagierenden Umgebung.

Die Abb. 3 zeigt eine Glueose-6-phosphatase-Aktivit/~t freie Inse], 8 Wochen nach der Verabfolgung einer Gesamtdosis yon 240 mg/kg pro Tier. Die Insel grenzt an eine Zentralvene. Wiederum ist die scharfe Abgrenzung gegentiber der Um- gebung hervorzuheben.

Abb. 3. Inse]n, frei yon Glucose-6-phosphagase Aktivitgt. Dosierung: 8 Wochen 5 mg DANA/ kg. G1.-6-P. ase/Hgm. Vergr. : 300 •

Zeitablau/ bei versehiedener Dosierung In 4 Versuchsreihen wurden insgesamt 78 weibliche Sprague-Dawley-Ratten

an 6 Woehentagen t~glich mit versehiedenen Tagesdosen DiaNA bis zum Auftreten yon Tumoren behandelt. Die einzelnen Dosierungen betrugen : 14 mg D~XlA/kg ; 8 mg DA----~A/kg; 5 nag D~------~A/kg und 2,8 DA------~A/kg. Die Tab. 1 gibt die Versuehs- anordnung wieder. In jeder Versuchsreihe ist mit I eingezeichnet, wann die ersten Inse]n auftreten. Von diesem Zeitpunkt an sind bei allen Tieren der Versuehs- reihen Inseln vorhanden. Am Ende der Versuchsreihe ist das Auftreten der Tumo- ren eingezeichllet (T). Als Kennzeichen dieses Stadiums kann Abb. 2 genommen werden, in der die ungeordnete Struktur deutlich ist.

Die Tabelle lgSt ersehen, dab bei den versehiedenen Versuehsreihen die Dosis, bei der die ersten Inseln auftreten, nur in geringem Mage variiert. Bei 2,8 mg

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Cancerogenese in der Rattenleber nach Dauergaben yon Dii~hylnitl~osamin 231

DXNA/kg : 200rag ; bei 5 r a g D A N A / k g : 210 mg; bei 8 m g DJ~NA/kg: 240 mg und bei 14 mg DJ(NA/kg : 255 rag. Dementspreehend is t das P r o d u k t aus Zei t und Konzen t r a t i on e inigermaSen kons tan t . Bei der ha lben t/ iglichen Dosis daue r t es ungefi~hr doppe l t so lange. Hingegen variier~ die Dosis bis zum Auf t re ten der Tu- moren sehr: in den verschiedenen Versuchsreihen yon 402 mg bei der ger ingsten t~gl iehen Dosis bis zu 1140 mg bei der hSchsten t~glichen Dosis. W e n n m a n hin- gegen die Zei t be t rach te t , die zwischen dem ers ten Auf t re ten der Inse ln und dem ers ten Auf t re ten der Tumoren vergeht , so is t der Unterseh ied viel geringer. Bei den beiden hSchsten Tagesdosen betri~gt diese Zeit 77 Tage und bei den anderen beiden Dosierungen 9], bzw. 84 Tage.

Tabelle I. Dosisverteilung yon D A'NA in den einzelnen Versuchsgruppen

2,8 mg DXNA/kg 5 mg DANA/kg 8 mg D-4NA/kg Versuchs- Gesamt- Zahl der Gesamt- Zahl der Gesamt- Zahl der dauerTage dosis/kg Tiere dosis/kg Tiere dosis/kg Tiere

14 mg DXNA/kg Gesamt- Zahl der dosis/kg Tiere

7 14 21 28 6~ 1 120 1 35 150 1 37 42 100 1 180 4 d9 210 1 4 56 135 1 240 7 63 265 2 70 170 1 300 3 77 84 200 1 2 360 5 91 98 235 2 420 4

105 112 265 1 490 2 119 126 300 1 133 140 335 1 580 T 1 168 402 T

48 1 85 96 2 170 1

145 2 255 1 1 193 2 336 1 240 1 2 420 1 257 2 285 3 500 1 337 2 380 1 430 1 477 1 832 1

620 1

770 T 2

1140 T 2

Histochemische Veri~nderungen der Leberparenchymzelle wghre~ut der Verabreichung niedriger Tagesdosen yon D ~ N A

Die bei der Veff i i t te rung yon D A N A in Tagesdosen yon 2,8 mg a n d 5 mg/kg KSrpergewieh t an R a t t e n auf t re tenden his tochemischen Ver~nderungen des Leber- pa renchyms kSnnen zusammen besehrieben werden. Die morphologisehen Befunde s t immen in beiden Versuchsgruppen fiberein. N u t der Ze i tpunk t , an dem die Ver- /~nderungen auf t re ten , is t je nach der Dosierung des Cancerogens unterschiedl ieh.

I n den ers ten Wochen der Cancerogeneinwirkung zeigt der his toehemische E n z y m t e s t in al len Absehn i t t en der Leber l i ippchen eine hohe Glueose-6-phospha- tase Aktiviti~t. Das enzymhis tochemische Gewebsbi ld en tspr ieh t vSllig dem von

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unbehandelten Ratten (Abb. 1). 18 sttindiges Hungern verst~rkt den Enzymgehalt der Leberzellen deutlieh. Alle Parenchymzellen sind in der Lage, Glykogen zu synthetisieren and im Hungerzustand v611ig abzubauen.

Nach mehrwSehigen Cancerogengaben (Tagesdosis 5 mg/kg : 7 Woehen; Tages- dosis 2,8 mg/kg: 12 Woehen) bemerkt man in der Umgebung yon Zentralvenen einzelne Parenehymzellen, in deren Cytoplasma keine Glucose-6-phosphatase naehgewiesen werden kann. Gleichzeitig finden sich aueh schon kleine Gruppen yon Leberzellen, die frei yon Glueose-6-phosphatase sind. Es ist uns nicht gelun- gen, eine Phase des Enzymverlustes in Einzelzellen yon einem darauffolgenden Stadium des Erseheinens enzymfreier Zellgruppen abzugrenzen. Der Enzymver- lust in Zellgruppen betrifft die zentralen Absehnitte einiger nebeneinander liegen- der Leberzellbalken. Die Zellen sind leieht gesehwollen, so dab die Sinusoide zwi- schen ihnen eingeengt ersCheint. Degenerative Vergnderungen an Kern und Plas- ma fehlen. Das /ibrige Lebergewebe zeigt eine unverminderte Enzymaktivit~t.

Der Schwund der Glucose-6-phosphatase erfaBt zun/tchst einen schmalen, dann breiteren Sektor eines Leberl/~ppehens (Abb. 4, 5, 3). Eine anfi~ngliehe konzen- trische Ausbreitung um Zentralvenen wttrde nicht beobaehtet. ErfaBt der Enzym- verlust zun~chst 10-20 Leberzellen, so sind es bald 100 oder mehr. Bei halb- quantitativer Beurteflung findet man sehlieBlieh 10 -15% des Parenehyms be- troffen.

Abb. 4. Verlust der GIucose-6-phosphatase Aktivitat in Leberze]lbalken. Gesamtdosis. 210 mg DANA/kg; F~rbung: Gl.-6-P.ase/H~im. ; Vergr. : • 625

In der Regel findet sich im Cytoplasma der Leberzellen, die ihre Glucose-6- phosphatase Aktivit/~t eingebiiBt haben, Glykogen. Nur selten sieht man Zellen, die frei davon sind. Im Hungerzustand kann dies Glykogen nieht mehr mobilisiert werden. Auch die Glueose-6-phosphatase karm dutch Hunger nicht mehr induziert werden. Offenbar verliert die Leberzelle mit dem Einsetzen des Enzymsehwundes die F~higkeit, das Glykogen in normaler Weise abzubauen.

Im Inselgewebe sind Mitosen sehr selten. So erfolgt die Ausbreitung der Glucose-6-phosphatase-freien Bezirke anseheinend durch Umwandlung yon wei- terem normalen Gewebe in Glucose-6-phosphatase-freie Zellen.

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Cancerogenese in der R~ttenleber n~ch Dauergaben yon Di~thylnitrosamin 233

Bei fortgesetzter Caneerogenverabreichung (Tagesdosis 5 mg D~NA/kg: 10 Woehen; Tagesdosis 2,8 mg DANA/kg: 16 Wochen) komm~ es z~ einer weiteren Ausbreitung des Glueose-6-phosphatase Sehwundes. Die Enzymverluste erstreeken sich jetzt nicht mehr lediglieh auf Segmente yon Leberlgppehen, sondern sie deh- nen sich um die Zentralvenen aus. Bis zu 40 % des Parenehyms k6nnen betroffen sein.

Abb. 5. Verlust der Glucose-6-phospha~ase Aktixrit~t in Leberzellbalken. Gesamtdosis: 210 mg D~NA/kg; G1-6-P. ~se/R~m. ; Vergr. : • 750

Im Bereich des Enzymverluste sind die Leberzellen sehr stark geschwollen, so dal3 die Sinusoide zwischen ihnen nieht mehr sichtbar sind. ])as Cytoplasma f~rbt sich nur entlang der Zellmembran in einem schmalen Saum an. Der Zelleib ist sehr stark vacuolisiert. Oft seheint der Zellkern in einem optiseh vSllig leren Raum zu liegen (Abb. 6 a). Eine m~13ige Vaeuolisierung finder sich auch im Cy~o- plasma Glucose-6-phosphatasehaltiger Leberzellen in der Umgebung des Enzym- verluste. Die Ursache des starken Vaeuolisierung und Schwellung der Leberzellen im Bereich des Glucose-6-phosphatase Sehwundes zeigt die Glykogendarstellung. Diese Zellen sind prall mit Glykogen geffillt (Abb. 6b).

Bei weiterer Ffitterung yon D~NA (Tagesdosis 5 mg DANA/kg : 14 Woehen; Tagesdosis 2,8 mg DANA/kg : 20 Wochen) sehwindet schlieBlich in vielen Glucose- 6-phosphatase-freien Parenehymzellen die dureh Glykogenspeieherung bedingte starke Vaeuolisierung des Cytoplasmas. Aueh die Schwellung der Leberzellen bildet sich zur/ick. Es finder sich nun ein verminderter Glykogengehalt dieser Zellen.

In diesem Stadium der Caneerogenese treten in den L~ppehenzentren, inmitten der enzymfreien Lebeszellen einzelne Grnppen eines neuen Zelltyps auf: kleine Zellen mit kleinem, hellem Kern und dichtem, vermehrt basophilem Cytoplasma (Abb. 7a). Zell- und Kerngr613e weehseln in emem gewissen AusmaB. Die Zellen sind frei yon Glueose-6-phosphatase und Glykogen (Abb. 7b). Sie liegen dieht gedr~ngt, jedoeh in Zellbalken angeordnet. So en~steht der EJndruek ehler ge- wissen Unruhe yon Zell- und Kernbfld. Die enzym- und glykogenfreien, vermehrt

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basophilen Zellengruppen vergrSBern sich rasch, Mitosen sind h~ufig. Die Ver- gnderungen dehnen sich schlieBlich fiber Antefle mehrerer aneinander grenzender Leberl~ppchen aus. Eine geringgradige Kernpolymorphie, die ste]lenweise mehr- reibige Anordnung der Zellen in den Leberzellbalken und die Aufhebung der

Abb. 6. Glykogenspeicherung in stark v~cuo]isiertem Cytoplasma. Gesamtdosis: 360 mg DANA/kg; Vergr.: • 750. a) G1-6-P. ase/Ham, b) PAS

L{tppchenarehitektur kennzeiehnen die zunehmende Atypie. Ein gegen das um- gebende Gewebe gerichtetes aggressives Waehstum fehlt. In ~bereinstimmung mit G~U~I)MASSr und SI~BU~G (1962) und OEgL~T (1963) betrachten wir diese basophilen Zellbereiche als Mierocareinome.

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Cancerogenese in der Rattenleber nach Dauergaben yon Di~thylnitrosamin 235

Abb. 7. Glucose-6-phosphatase Defekt, gesteiger~e Basophilie, Zellatypie. Gesamtdosis: 400 mg DANA/kg; Vergr. : • 625. a) G1-6-P. ase/H•m, b) Cresylviolett

A u/treten von Carcinome~

Kurze Zeit nach dem Auftreten der basophflen Zellgruppen finden sich schliel3- ]ich im Leberparenchym ~ypische Carcinome (Tagesdosis 5 mg DXNA/kg: 20 Wo- chen; Tagesdosis 2,8 mg DXNA/kg: 24Wochen). Wit sehen hepatocellul~re Carcinome mit in Balken und Schli~uchen angeordneten Zellen und solide, un- differenzierte Carcinome. Adenocarcinome und papill~r wachsende Carcinome wurden nicht gefunden. Fast alle yon uns beobachteten Tumoren waren frei yon G]ucose-6-phosphatase (Abb. 2).

In ausgedehnten Bereichen des Leberparenchyms um die Carcinome finden sich Glucose-6-phosphatase Verluste. Sie erfassen jetzt bis zu 59 % des Lebergewe- bes. Es ist durchaus nicht so, dal~ alle Bezirke des Leberparenchyms, die vom

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Enzymverlust betroffen sind, zu Careinomen umgewandelt werden. Die enzym- freien Leberzellen finden sich teilweise im Stadium der starken Vaeuo]i.sierung des Cytoplasmas, teilweise haben sie ihren Glykogengehalt sehon ver]oren. Da- neben sieht man Gewebsatypien versehiedener Ausdehnung. In der Li~ppchen- peripherie treten Zellgruppen mit einer kompensatoriseh gesteigerten Enzym- aktivit/~t auf. Die Analyse yon Serienschnitten zeigt, dub ira Endstadium der Cancerogenese viele der bisher besprochenen Ver/~nderungen des Leberparenchyms nebeneinander bestehen.

Regressive Vergnderungen konnten am Leberparenehym w~hrend der Cancero- genese kaum beobaehtet werden. Bisweilen bemerkt man Einzelzellnekrosen oder eine mitteltropfige Verfettung kleiner Zellgruppen. Eine mesenehymale Reaktion fehlt vSllig.

Histochemische Veriinderungen des Lebe~'parenchyms wi~hrend der Ver]iitterung hoher Tagesdosen yon D~;fNA

Bei Verf/itterung yon DANA an Ratten in Tagesdosen yon 8 mg/kg tritt am Leberparenehym auch reversible Verringerung der Glueose-6-phosphatase Aktivi- t~t um die Zentralvene auf (vg]. die folgende Arbeit). Im fibrigen treten zuns die gleichen histoehemisehen Vergnderungen auf, die bei niedrigeren Dosierungen gesehen wurden: Verlust der Glueose-6-phosphatase Aktivit/~t irn Cytoplasma kleiner Gruppen yon Leberzellen; Ausbreitung des Enzymsehwundes und Ent- stehung grSl?erer enzymfreie r Parenchyminseln an den Zentralvenen; Vaeuoli- sierung des Cytoplasmas der enzymfreien Leberzellen dureh Einlagerung von Glykogen. W~hrenddessen kommt es auch zu Parenehymnekrosen sowie zu einer immer st~rkeren mesenchymalen Reaktion in den Leberls und an den Periportaifeldern. Ab 8 Wochen treten naeh einer Dosierung yon 8 mg DANA/kg und mehr cirrhotische ]~ereiche in der Leber auf.

Bei sehr hohen Tagesdosen yon DANA (14 mg/kg) beginnen die enzymhisto- ehemisehen Ver/~nderungen in etwas abweichender Form. Naeh 3 Woehen treten in alien Absehnitten der Leberlgppchen einzelne Zelien und kleinste Gruppen yon Leberzellen ohne G]ueose-6-phosphatase auf. Uberhaupt zeigt das gesamte Paren- chym eine sehr unterschiedliche Enzymaktivit/~t. Neben Zellen mit hohem Enzym- gehalt liegen solche mit verminderter Glucose-6-phosphatase Aktivit/~t. Dadurch erhglt das Leberpa.renehym ein eigenartiges, mosaik~hnliches oder seheckiges Aussehen. ]3ereits naeh 6 Wochen hat sich das volle Bild einer Lebereirrhose ent- wickelt. In einzelnen Cirrhoseknoten lgl~t sich keine Glucose-6-phosphatase nach- weisen. In den cirrhotiseh vergnderten Lebern entstehen bei weiterer DANA- Ffitterm~g hepatocellulgre Carcinome. Diese Tumoren fanden wir frei yon Glucose- 6-phosphatase. Ihre Itistogenese wurde nieht verfolgt. Es ]iegt abet nahe, anzu- nehmen, dab sie sich aus dem Parenchym der Glueose-6-phosphatase-freien Cir- rhoseknoten entwiekelt haben.

Lokalisation der Inseln

Die Lokalisation der Inseln, etwa in einem Seehstel-Sektor an einer Zentral- vene, wie in Abb. 3 dargestellt, ist ein konstantes Vorkommnis. Als weiteren Beleg fiir viele geben wir bier Abb. 8, in der man sieben Sektoren unterseheiden

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Caneerogenese in der t~attenleber naeh Dauergaben yon Dii~thylnitrosamin 237

kann, in deren einem eine Insel gelegen ist und zwei weitere Inseln in zwei weiteren Sektoren angedeutet sind. Wir verweisen ferner auf den besonders hiibsehen Sektor eines Pentagons an einer ZentrMvene in der Arbeit yon B6~NE~ (1968).

Es liegt nahe, die sektoriMe Anordnung mit der yon R~PAPOaT (1954) be- sehriebenen arterie]len Versorgung des Leberls in Verbindung zu bringen.

Abb. 8. Inseln, frei yon Glucose-6-phosphatase Ak~ivit~t. Dosierung: 8 Wochen 5 mg DiaNA. kg, Gesamtdosis: 240 mg DJINA/kg; G1-6-P.ase/II~m. Vergr. : • 300

Gew6hnlich wird ein Seehstel-Sektor eines L/~ppehens, manehmM auch ein Sieben- tel- oder ein Ffinftel-Sektor, dureh einen Arterienzweig versorgt. F/Jr die weitere Diskussion werden Befunde ben6tigt, die in der folgenden Arbeit dargestellt sind. Sie mug deshMb ~uf den Schlug der ngehsten Arbeit versehoben werden.

Besprechung der Ergebnisse

Das wichtigste Ergebnis ist, dag die Inseln ohne Glucose-6-phosphatase Aktivi- ts Vorstufen der Glucose-6-phosphatase-freien Carcinome sind. Das wird durch eine lfickenlose Ubergangsreihe belegt, yon der wir hier nur die Folge der Abb. 4, 5, 3, 6, 7 und 2 wiedergeben konnten. Danach stellt sich das Geschehen folgender- magen dar: Nach Verabfolgung eines Dosis yon 200 mg Digthylnitroamin ent- stehen Inseln mit Verlust der Glueose-6-phosphatase Akt iv i t~ . Wenn man keine histochemisehe Spezialfgrbung anwendet, lassen sich die Zellen der Inseln yon

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normalen Hepatocyten nicht unterscheiden. Der immer wieder ausgesprochene Zweffcl, ob die Carcinome nach einer Nitrosaminbehandlung wdrklich aus Hepato- cyten entstehen (LEsc~ et al., 1968), ist grundlos. In der normalen Leber gibt es naeh mehrstfindigem Hungern keine Glucose-6-phosphatase-freien Hepatocyten, so dal~ es sieh aueh nieht um spezifische Stimulation solcher Zellen handeln kann. Da Gluccsc-6-phosphatase die letzte Stufe bei der Mobilisierung des Glykogens ist, bevor Glucose in die Blutbahn abgegeben wird, ist es verst~ndlich, dab sich a]s Folge des Glucose-6-phosphatase Verlustes Glykogen in den Zellen anhiiuft, das auch bei Hungern nicht abgegeben wird (vgl. Abb. 7 bei PAPADOPULC, 1967).

BANNASC~ (1967) hat bcsonders nachdrficklieh auf die Glykogenanh~ufung in Zellbereichen w~hrend der Cancerogenese hingewiesen und vermutet, da~ sie mit den yon uns (GSSSNE~ u. I~tCIEDRICH-FREKSA, 1964) entdeckten Glucose-6-phos- phatase-freien Inseln zusammenh~ngt. Die Abb. 6a und 6b geben den Bcweis daffir, da~ diese Vermutung richtig ist. Da indessen nicht alle, wenn auch die meisten Tumoren der Leber Glueose-6-phosphatase-frei sind, muI~ diese Erscheinung kein notwendiges Glied in der Carcinogenese sein (vgl. hierzu die n~chste Arbeit).

Die Glykogenanh~ufung ffihrt zu einer VergrSf~erung der Zellen, die als blasige Aufbl~hung erscheint, wenn keine spezifisehe Glykogen~iirbung gemaeht wird. I~aeh einigen Wochen verschwindet das Glykogen dann; vielleicht wird es auf dem Wege der normalen Glykolyse yon Glucose-6-phosphat fiber Fructose-l,6-di- phosphat zur Brenztraubens~ure abgebaut. Eigentfimlich ist, daI~ nach diesem Sehwund die Resynthese des Glykogens in der Zelle nicht mehr mSglich ist. Ob hier ein neuer Enzymdefekt in der Synthese des Glykogens hinzukommt oder eine andere RegulationsstSrung, bleibt zweffelhaft. Nach dem Verlust des Glykogens erscheinen die Zellen viel kleiner und das Cytoplasma wird bald verst~rkt baso- phil, wobei Zellteilungen einsetzen, unregelmi~Bige Anordnung der Zellen, aty- pisches Aussehen, so dab die Diagnose Carcinom unzweifelhaft wird.

Der hier geschilderte Verlauf stimmt fiberein mit den Untersuehungen yon SCHAv~ und Ku~zE (1968), die vorzugsweise Nueleosid-5'-triphosphatase-freie Inseln untersucht haben, die ebenfalls nach Di~thylnitrosamin-Gaben entstanden sind.

Bei dcr Darstellung der Dosisabhi~ngigkeit hat es sieh ergeben, dab das Auf- treten der Insein anni~hernd der l~egcl folgt, dal~ Konzentration �9 Zeit konstant ist, w~hrend das bei dem Erstauftreten der Tumoren nicht der Fall ist. Die folgende Arbeit (FtcIEDRICH-FREKSA, PAPADOPULU U. GOSSNEt~, 1969) zeigt, da6 fast alle Versuchstiere Carcinome bekommen, wenn man nach Verabfolgung yon 450 mg DANA die weitere Cancerogenzufuhr stoppt. Daraus ergibt sieh, da~ fast alle darfiber hinaus gegebene Menge fiberflfissig ist. Wenn man das in Betracht zieht, so wird die Gesamtdosis ffir das Auftreten der Carcinome auch nur zwischen 400 und 500 mg schwanken. Die zusammenfassende Diskussion fiber denMechanis- mus der Inselentstehung erfolgt am Ende der n~ehsten Arbeit.

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Cancerogenese in din' Rattenleber nach Dauergaben yon Dii~thylnitrosamin 239

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