16
2 49 Ist d4e Wirkung der elektrischem Gasreinigzcmg dem elektriscbn W4md m verdankem? Vow Walther Deutsch (Mit 3 Figuren) In einer ausfiihrlichen Experimentalarbeit von R. Laden- burg und W. Tietzel) ist diese Frage bejahend mit einer Entschiedenheit beantwortet worden, die meines Erachtens in einem groBen Widerspruch mit dem tatsachlich gebotenen Beobachtungsmaterial steht. Den SchluB dieser Arbeit bilden die Worte: ,,So wirken die rein elektrischen Krafte und die Wind- stromungen zusammen und erzeugen die iiberraschend schnelle und nahezu vollsfandige Entfernung der verschiedensten Staub- arten aus den stromenden Abgasen, die mit stetig wachsendem Erfolge in rielen industriellen gnlagen Verwendung findet, zugleich zum Nutzen der Betriebe und zum Heile der Anwohner." Da sonach die Frage, auf welchen physikalischen Er- sclieinungen diese bedeutsame Erfindung beruhe, von all- gemeinem Interesse ist, sol1 im folgenden vor allem versucht werden, zu entscheiden, ob der elektrische Wind denn nun wirklich mithilft, den elektrischen Reinigungsgrad einer solchen Gasreinigungsanlage zu verbessern. Es stehen einander zwei Auffassungen gegeniiber: 1. Die eine, von mir seit 1922 vertreten2), fa& die Wirkungen der Gasstromung und der Stromung durch elek- trischen Wind als eine allgemeine Durchwirbelung des Gases auf, die, statistisch bet,rachtet, den Abscheidungsvorgang im 1) R. Ladenburg Q. W. Tietze (Mitteiluug am dem KWI.), 2) W. Deutsch, Ann. d. Phys. [4] 68. S. 335. 1922. Ann. d. Phys. [5] 6. S. 581. 1930. Aden der Physik. 5. Folge. 9. 17

Ist die Wirkung der elektrischen Gasreinigung dem elektrischen Wind zu verdanken?

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Ist die Wirkung der elektrischen Gasreinigung dem elektrischen Wind zu verdanken?

2 49

Ist d4e Wirkung der elektrischem Gasreinigzcmg dem elektriscbn W4md m verdankem?

Vow W a l t h e r D e u t s c h

(Mit 3 Figuren)

In einer ausfiihrlichen Experimentalarbeit von R. L a d e n - bu rg und W. Tie tze l ) ist diese Frage bejahend mit einer Entschiedenheit beantwortet worden, die meines Erachtens in einem groBen Widerspruch mit dem tatsachlich gebotenen Beobachtungsmaterial steht. Den SchluB dieser Arbeit bilden die Worte:

,,So wirken die rein elektrischen Krafte und die Wind- stromungen zusammen und erzeugen die iiberraschend schnelle und nahezu vollsfandige Entfernung der verschiedensten Staub- arten aus den stromenden Abgasen, die mit stetig wachsendem Erfolge in rielen industriellen gnlagen Verwendung findet, zugleich zum Nutzen der Betriebe und zum Heile der Anwohner."

Da sonach die Frage, auf welchen physikalischen Er- sclieinungen diese bedeutsame Erfindung beruhe, von all- gemeinem Interesse ist, sol1 im folgenden vor allem versucht werden, zu entscheiden, ob der elektrische Wind denn nun wirklich mithilft, den elektrischen Reinigungsgrad einer solchen Gasreinigungsanlage zu verbessern.

Es stehen einander zwei Auffassungen gegeniiber: 1. Die eine, von mir seit 1922 vertreten2), fa& die

Wirkungen der Gasstromung und der Stromung durch elek- trischen Wind als eine allgemeine Durchwirbelung des Gases auf, die, statistisch bet,rachtet, den Abscheidungsvorgang im

1) R. L a d e n b u r g Q. W. T i e t z e (Mitteiluug am dem KWI.),

2) W. Deu t sch , Ann. d. Phys. [4] 68. S. 335. 1922. Ann. d. Phys. [5] 6. S. 581. 1930.

A d e n der Physik. 5. Folge. 9. 17

Page 2: Ist die Wirkung der elektrischen Gasreinigung dem elektrischen Wind zu verdanken?

250 W . Deutsch

positiven Sinne ebenso beeinflufit, wie im negativen, so daB man, ebenfalls wieder statistisch betrachtet, diesen StrSmungen nur die Rolle einer jederzeit gleichmaSigen Verteilung der Teilchen im Gasraum zuschreiben kana1)

Der Vorgang spielt sich dann so ab, als ob sich uber die ungeordnete, durch den elektrischen Wind hervorgerufene Bewegung der Staubteilchen, die gerichtete, von den elektro- statischen Anziehungen herriihrende Bewegung uberlagern wurde.

Diese Buffassung kann selbstverstandlich nur bei jenen Apparaten realisiert sein, die iihnlich konstruiert sind, wie diejenigen der elektrischen Gasreinigungstechnik, wiihrend z. B. bei der offenen Anordnung: Spitze-Platte diese Betrachtung ihren Sinn verlierL2)

2. Die zweite, in der kurzlich erschienenen Arbeit von R. L a d e n b u r g und W. T ie t ze 3, vertretene Auffassung be- streitet, daB die Stromung des elektrischen Windes die Ab- scheidung im gleichen MaSe begunstige, wie verhindere; die Begiinstigung iiberwiege bedeutend, so daS der Eindruck er- weckt wird, die Wirkung der elektrischen Gasreinigung sei in erster Linie dem elektrischen Wind zu verdanken.

Beiden Auffassungen gemeinsain ist die Spaltung der Bewegung in eine rein elektrische und in eine vom Wind ausgeloste, konvektive.

L a d e n b u r g und T ie t ze versuchten diese konvektive Bewegung genau zu messen und setzten die gefundenen teil- weise relativ hohen Geschwindigkeiten in Parallele mit den weit geringeren der elektrostatisch ausgelosten, S t o k e s schen Relativgeschwindigkeiten. Wahrend sie aber auf der einen Xeite die Potentialstromung der konvektiven Bewegung in den Kreis ihrer Betrachtung xogen , vergapen sie auf der anderen Seite die durch die elektrostatischen Krufte hervorgerufenen Relativbahnen der Staubteilchen innerhalb der Potentialstromung genauer xn verfolgen; sie stiitzen ihre Beweisfiihrung nur auf jenes Geschwindigkeitsverhaltnis, wahrend die Relativbewegung nur nllgemein angedeutet wird: ,,Der elektrische Wind kann die Teilchen nur bis in die Niihe der Wand befordern, hier

__ 1) W. Deutsch, Ann. d.Phys. [4] 68. S. 343. 1422. 2) W. Deutsch, Ann. d.Phys. [4] 76. S. 729. 1925. 3) R. Ladenburg u. W. T i e t z e , a. a. 0.

Page 3: Ist die Wirkung der elektrischen Gasreinigung dem elektrischen Wind zu verdanken?

Wirkung der elektrischen Gasreinigung usw. 251

warden die Teilchen unbedingt gebremst oder abgebogen werden wie die Windstromungen selbst, wie wir in § 4 sahen -- wenn sie nicht durch die elektrostatischen Krafte von der Wandelektrode angezogen und festgehalten wiirden.6'1) Hier beginnt aber das eigentliche Problem und es ist, selbst wenn alle Ergebnisse der Arbeit von L a d e n b u r g und T ie t ze den praktischen Verhdtnissen entsprechen wurden - wovon noch die Rede sein wird - aus diesen Ergebnisscn niemals der Xchlup zu ziehen, da8 die gunstigen Wirkungen der elektrischen Windstromung gegen die ungunstigen uberwogen.

Ein solcher SchluB wiirde von vornherein den praktischen Ergebnissen 2, von Laboratoriums- und Betriebsversuchen wider- sprechen, weil die ohne Mitwirkung des elektrischen Windes berechneten3) Abscheidungsmengen den gemessenen vollig gleichkommen und somit kein unerklarter Rest fur eine weitere physikalische Ursache iibrigbliebe".); mit anderen Worten : die elektrische Gasreinigung miiBte wirksamer sein, als sie in Wirklichkeit ist. DaB die SchluBweise von der haheren konvektiven Geschwindigkeit auf die bessere Abscheidung nicht stichhaltig sein kann, folgt schon aus der bekannten Er- scheinung 5 ) , daB der bei der Spitzenentladung entstehende elektrische Wind mitgefuhrte Staubteilchen zwar sehr rasch an die Plattenelektrode bringt, wo sie aber noch keineswegs abgeschieden werden; erst nachdem diese Staubteilchen lgngere Zeit radial langs der Plattenelektrode mit abnehmender Ge- schwindigkeit fortgeblasen worden sind , scheiden sie sich in einer ringformigen Zone ab.

Wenn nun auch die von L a d e n b u r g und T ie t ze an ihren Versuchsapparaten festgestellten Verhaltnisse keineswegs denen der Praxis entsprechen - fehlt doch beispielsweise der EinfluB der axiabn Gasgeschwindigkeit, der in der GroRen- ordnung von 1 m/sec liegt - so konnte man doch auf Grund der dort angegebenen Zahlen versuchen , eine plausible, den

1) R. L a d e n b u r g u. W. T ie t ze , a. a. O., S.612. 2) Ausgefuhrt im Laboratorium der Lurgi Apparatebau-Gesellschaft

3) W. Deu t sch , Ztschr. f. techn. Phys. [6] 9. S. 432. 1925. 4) W. Deu t sch , Ann. d. Phys. [5] 4. S. 827. 1930. 5) W. Deutsch , Ann. d. Phys. [4] 76. S. 729. 1925.

m. b. H., Frankfurt a. M.

17 *

Page 4: Ist die Wirkung der elektrischen Gasreinigung dem elektrischen Wind zu verdanken?

252 W. Deutsch

Kontinuitatsgesetzen gehorchende Annaherung fur die Stromungs- linien des elektrischen Windes anzusetzen und die zeitlich auf- einanderfolgenden Abscheidungen aus jeder Stromungslinie einzeln zu verfolgen. Es muB sich dann eine Abscheidungs- kurve: A = f ( t ) ergeben, die mit derjenigen zu vergleichen ist, die ohne Zusatzwirkung des elektrischen Windes zustande kommt. Dieser Vergleich sol1 im folgenden zunachst durch- gefuhrt werden:

Das Bild, das wir uns nach L a d e n b u r g und T ie t ze von der elektrischen Windstromung zu machen hatten, wird dadurch charakterisiert, da8: ,,nie zwei Glimmpunkte e i i , ander gegenuber auf beiden Seiten des Drahtes liegen und daB auf- einander nicht allzu dicht folgende Glimmpunkte im allgemeinen nicht untereinander liegen, sondern urn grosere Winkel langs des Drahtes gegeneinander versetzt sind, also stets so, daB der von einem Glimmpunkt ausgehende elektrische Wind die von dem anderen angesaugte Luftstromung (den ,,Sog6i moglichst wenig stort".I)

Jedem Glimmpunkt entspricht mithin ein scheibenformiger zylindrischer Raum, in dem sich - wir wollen voraussetzen unabhangig von den Nachbarscheiben - eine selbstandige ungestorte Potentialstromung ausbildet. Offenbar genugt es, die Abscheidung in einer einzigen solchen Scheibe zu betrachten und das Stromungsfeld darin zylindrisch anzunehmen.

Da wir den Verlauf der Stromungslinien nicht kennen und selbst, wenn es der Fall ware, die mathematische Durch- dringung sehr schwierig sein wiirde, so wollen wir das Striimungsbild idealisieren, dabei aber gewisse Werte L a d e n - bu rgs und T ie t zes zugrundelegen. wobei noch das Kon- tinuitatsgesetz erfiillt werden muB.

Demzufolge entstrome der Spitze in einem Winkelbereich von 2 a, der elektrische Wind und strome ihr mit entsprechend verminderter Geschwindigkeit im Winkelbereich 2 'ic - 2 wieder zu (Fig. 1). In Bnlehnung an L a d e n b u r g und T i e t z e seien folgende mittlere Zahlen genannt: Mittlere Geschwindig- keit des ausstromenden elektrischen qTindes etwa 30 cmjsec ; mittlere Geschwindigkeit des ruckstromenden Windes etwa

1) R. Ladenburg u. W. T i e t z e , a. a. 0.. S.607.

Page 5: Ist die Wirkung der elektrischen Gasreinigung dem elektrischen Wind zu verdanken?

Wirkung der elektrischen Gasreinigung usw. 253

' I , bis 1/8, also rund '1, davon d. i. 4 3 cm/sec. Daraus wiirde mit Riicksicht auf die Kontinuitat der Stromung folgen, daf3 der Einstromungswinkel im Mittel */, des Riickstromwinkels,

also etwa - = 45O betragen wiirde; nun wurde aber fiir

diesen Winkel, allerdings bei Verwendung eines einxigen Spriihpunktes, etwa der doppelte Wert gemessen.') Die beiden gemessenen Werte der Riickstromung und des Einstromwinkels wiirden demnach fur das hier angenommene Strijmungsbild

2?C 8

Fig. 1 Fig. 2

ejnander widersprechend sein; um sie auszugleichen sei ein

mittlerer Wert zwischen 45 und 90° mit &= 72O, also

cc, = 36 O angenommen; das oben erwahnte Verhaltnis zwischen Stromung und Riickstromung betragt also dann 4 : 1.

Jeder der vom Spriihpunkt S ausgehenden infinitesimalen Stromriihren (Fig. 2) d a mijge sich erst - dem Winkel d a gemaB - verbreitern, wobei die Geschwindigkeit, die bei X nnendlich groB ist, entsprechend bis zum Radius g auf den Wert ue absinkt:

5

il! r u =u,- e P

dann verlaufe die StrSmung langs eines im Querschnitt d g gleichbleibenden, kreisformigen, konzentrischen Kanals, worauf die Riickstromung entsprechend dem Winkelelement d /I erfolgt. Fur a = 0 ist auch g = 0 , fiir a = a1 ist g = r , gleich dem

1) R. Ladenbnrg u. W. Tie t ze , a. a. O., S. 601.

Page 6: Ist die Wirkung der elektrischen Gasreinigung dem elektrischen Wind zu verdanken?

254 W. Deutsch

Radius der augeren Elektrode. Wir machen die einfachste Annahme, namlich:

in der diese Grenzfalle enthalten sind und die besagt, daB der betreffende elektrische Windstrahl an der au6eren Elek- trode um so naher vorbeiflieflt, je mehr er sich der mittleren Spruhrichtung (cc = ccl) nahert.

Die sekundlich in einen Kana1 - wir betrachten in Zukunft nur die eine Halfte der Pig. 1 - einstrornende Gns- menge: (1 u d cc mu% gleich der den Querschnitt d g des Kanals sekundlich 'rnit der Geschwindigkeit u2 durchfliegenden Menge ug d (1 sein, woraus folgt :

und aus (2):

also ist die DurchfluBgeschwindigkeit in allen Kanalen dieselbe. In ahnlicher Weise wird die Geschwindigkeit u3 der Ruck- stromung gefunden; es ist:

oder:

(3) uz = U C c c l 7

Q a p u , = u 2 a g = uroc ldP

(4) Aus Fig. 2 ergibt sich:

fur a = 0 fur a = u1

ist j3 = 0 ist j3 = n - a 1'

Wir stilisieren den Vorgaiig wieder in der einfachsten TVeise derart, daB das Ruckstroniungsbild ein getreues , nur entsprechend gedehntes Abbild der Einstroniung ist! so da6 man hat:

(5) 7 6 - - a P = (+)a.

D a m folgt aus (4) und (2):

Im Augenblick t = 0 moge nun der gesamte Scheibenraum gleichformig erfullt sein von eingelagerten Schwebeteilchen

Page 7: Ist die Wirkung der elektrischen Gasreinigung dem elektrischen Wind zu verdanken?

Wirkung der elektrisehen Gasreinigung usw. 255

der Dichte 1 , d. h. der Flachenraum, den sie erfiillen, sei gleichzeitig ein MaB ihrer Menge. Sie stromen mit dem elektrischen Wind zunachst in die Kanale, werden diesen allmahlich senkrecht zu deren Langserstreckung durch die wirkenden elektrostatischen Krafte entzogen und scheiden sich nach einer gewissen Zeit an der Innenseite der Zylinder- wandung ab. Im allgemeinen wird auch ein gewisser Teil in die RiickstrGmung (p) gelangen und von dort noch ein oder niehrere Male der Einstromung (u) zugefiihrt werden; wir wollen jedoch hier die vereinfachende Annahme machen - die ja die zu berechnende Abscheidezeit noch verkiirzt - daB samtliche in die Kanale wandernden Schwebeteilchen von dort auch wirklich abgeschieden werden.

Zur Zeit t = 0 enthalt der Kanal ,,d@ die Menge: e (a + @) d e ; diese Menge muB zunachst abgeschieden werden; ist das geschehen, so kommt aus dem betreffenden Strom- rohrenreservoir (d a + d B) weiterhin sekundlich die Menge uz d Q

so lange zur Abscheidung, bis jenes Reservoir erschiipft ist; die Abscheidungsfunktion besteht demnach aus zwei Termen, von denen wir den ersten, die im Kanal d p zur Zeit t = 0 angehaufte Menge , ,,Fiillung" und den zweiten ,,NachfluW nennen wollen.

Die Fiillung wird abgeschieden nach einer Zeit t = EX,

WO c den mittleren Wert derjenigen Geschwindigkeit bedeutet, die den geladenen Teilchen vom elektrischen Feld entgegen dem Reibnngswiderstand des ruhend gedachten Gases erteilt werden:

(7)

IJmgekehrt sprechende

(8)

kommt nach der Zeit t der dem Winkel a ent- Kanalinhalt zur Abscheidung, wo:

a = a , ( 1 - + )

und zwar, - vgl. G1. (2), (5) und (8) - mit der Fullung:

d A = p ( c f + p ) d p n nx8a2

@I a1 = 9 a e a - = - a = - n r c (1 - F)~ a T .

Page 8: Ist die Wirkung der elektrischen Gasreinigung dem elektrischen Wind zu verdanken?

256 TY. Deutsch

Die gesamte Fullungsmenge, die bis zum Zeitpunkt 2 = 7 zur Abscheidung gelangt, ist demnach :

n

wobei sinngemah die Integrationsriclitnng von t bis zu der zuriickliegenden Zeit 0 zu erstrecken ist,

Die gesamte Fiillung ist demnach:

Nachdem die Zeit t verstrichen ist, gelangt der NachfluB mit einer sekundlichen Menge von ug d g = u, u1 d g = t u, d a zur Abscheidung und zwar nur solange, bis er erschopft ist; dieser NachfluB hat nach (5) und (2) die GroBe:

so daB die dem Stromfaden u entsprechende Erschopfungszeit :

(1 1')

betriigt; nach Ablauf der Zeit:

ist also der Sbscheidungsvorgang aus deni Stromfaden (a) beendet.

Bis Zuni Ablauf der Zeit t wiirde der NachfluB aus dem Stromfaden (a) auf die GroBe t u , t d u angewachsen sein, vorausgesetzt, das Reservoir wiirde diese Menge noch enthalten ; unter der gleiehen Voraussetzung betragt die gesamte aus dem rJachfluB his zur Zeit t abgeschiedene Nenge:

(1 3) R = r u , S ; d a = - - c a , u , 2 2 .

U

Im ganzen [Gl. (9) und (13)] verlauft also die Sbscheidung bis zum Zeitpunkt t folgendermafien:

sz n C 7 TI., c al (13) 11 = d + R = { 1 - (1 - q} + 2- t 2 .

9 S

Page 9: Ist die Wirkung der elektrischen Gasreinigung dem elektrischen Wind zu verdanken?

Wirkung der elektrischen Gasreinigung usw. 257

Die ersten Snzeichen der Erschopfung beyinnen zu einem Zeitpunkt, der dem Minimum der reohten Seite der G1. (12) entspricht :

(151

Die Sbscheidung ist ferner beeridet nach einer Zeit, die dem griiBtmoglichen Wert dieser Zeit T + t entspricht, also ent- weder fur a = 0 oder a = w , ; es ist mithin zu vergleichen:

r . n r t = - mit ty = ~

' c 2 ur al

Zur Auswertung der Ergebnisse ist noch der Begriff der ,,mittleren Geschwindigkeit des elektrischen Windes" notwendig; da in allen Teilen des Flachenelementes e (a, - a)d e die gleiche Gewhwindigkeit u herrscht, so ist diese mittlere Ge- sohwindigkeit, wie aus (1)'und (2) hervorgeht :

oder:

(1 7 )

Wir setzen nun Zahlenwerte ein; es ist:

rB 2 r 6

- u = urI, = 3 u , . 1))

-

7z urn = 30 cm/sec; u1 = -. r = 15 cm; c = 3 cm/secl). 5 '

Man erhalt:

u, = 10 cm/sec; u, = 2 n = 6,28 cm/sec, 144 = 23511 - (1 - 0,2t)3) + tmin = 5 (1 - +) = 3,33 see, tl = 5 sec; tz = 3,75 see;

Die Abscheidung ist daher nach

9,42 tz ,

> t . 2 . 5 see beendet.

1) W. Deu t sch , Ann. d. Phys. [5] 6. S. 837. 1930.

Page 10: Ist die Wirkung der elektrischen Gasreinigung dem elektrischen Wind zu verdanken?

258 W. Deutsch

Die Abscheidungsfunktion M ist in Fig. 3 dargestellt (a), wobei der Endwert = 354 mit dem Werte fur tmin an- 1 2 57

4

nahernd durch ein Kurvenstuck verbnnden ist.

T 300 %200

.h 9 $100

B

B

s 3 4 Zerf rn Sekunden - 2

a = Abscheidung ohne Beriicksichtigung des elektr. Windes b = mit 9 , 1 , 7’

c = aus ungeordneter Stromung

Fig. 3

Nun n-ollen wir mit diesem Vorsang vergleichen die rein elektrostatische Abscheidung ohne Beriickeichtigung des elek- trischen UTindes:

Die Menge des halbkreisformigen Flachenelementes der Dicke d g wird nach der Zeit:

t = - r - e C

an der Zylinderelektrode abgesdiieden ; umgekehrt kommt nach der Zeit t das durch Q gekennzeichnete Flachenelement zur Ab- scheidung, wo

(18) Q -- T - c t .

Die gesanite Abscheidung bis t ist claher: n

Page 11: Ist die Wirkung der elektrischen Gasreinigung dem elektrischen Wind zu verdanken?

Wirkuizg der elektrischen Gasreiniguq usw. 259

Mit den fruher benutzten Zahlenwerten ergibt dies [b): M e = 354 - 1,57 (15 - 3 t ) ' ,

te = 5 sec.

Die fast quantitative 'ijbereinstimmung der beiden Kurven mag als ein Zufall gewertet aTerden, was sich aber mit gro8er Deutlichkeit aus den beiden Kurven ergibt, ist die Tatsache, daB nur eine sehr eingehende Berucksichtigung des gesamten Stromungsverlaufes und der Relativbahnen der Schwebeteilchen ekn Urteil dariiber zulassen wiirde, ob der Absclieidungsvorgang durch den elektrischen Wind verzogert oder begunstigt wird.

Aus den Ergebnissen der Messungen L a d e n b u r g s und T ie t zes ist ein solches Urteil keineswegs herleitbar und die fdgenden Ausfiihrungen werden im Gegenteil dartun, da8 eine Begunstigung durch den elektrischen Wind auch aus anderen G.runden im hochsten Grade unwahrscheinlich ist.

Man stelle sich doch einmal die GroBenverhaltnisse einer elektrischen Gasreinigungskammer anschaulich vor: Das Gas dnrchstreicht sie in einer Reinigungslange von im Mittel 4,5 m rnit einer Geschwindigkeit von 1 m/sec und sie ist (im Gegen- satz zu der Versuchskammer L a d e n b u r g s und Tietzes) nicht an beiden Enden offen, sondern es fuhrt einerseits zum Gas- eintritt eine oft bis 100 ni lange Rohrleitung und der Gas- aiistritt erfolgt zumeist nicht ins E'reie, sondern in der weitaus uberwiegenden Zahl der Falle wiederum durch eine oft lange Rohrleitung zu anderen Apparaten; (das Kontinuitatsgesetz mu6 also im elektrischen Reiniger erfullt sein). Nehmen wir nun an, es befanden sich auf 1 m der Spriihlgnge 20 Spruh- punkte, so wurde das Gas snmt den in ihm enthaltenen Schwebeteilchen 20 ma1 in jeder Sekunde einem hochkompli- zierten Windstromungsvorgang iibergelagert, da es jede 20stel Sekunde eine andere Hauptstromungsrichtung hat! Und dabei sollte man nicht von einer allgemeinen, statistisch ungeordneten Durchwirbelung des Gases sprechen konnen? 1st es nicht gerade nach den Feststellungen Ladenburgs und T ie t zes wahrscheinlich, da8 der groste Bruchteil @/a) der 20 Stro- mungen in Sog-Gebiete fallt?

Versuche, die Windstromungen zu messen, die von einem einzigen Spruhpunkt von einem Draht ausgehen , oder solche,

Page 12: Ist die Wirkung der elektrischen Gasreinigung dem elektrischen Wind zu verdanken?

260 W. Deutsch

die durch a-Strahlen ausgelost werden, konnen fur die vor- liegende Frage nichts grundsatzlich Neues bringen; es inter- essiert ja gerade das Zusammenwirken der vielen, einander beeinflussenden Spitzen; daher bleiben von den vermeintlich beweiskraftigen Versuchen L a d e n b u r g s und T ie t zes einzig und allein diejenigen zur Diskussion iibrig, die sich mit mehreren Spriihpunkten befassen und die so ausgefuhrt wurden, daB die Bewegungen stark beleuchteter Rauchwolkchen in der Iioronaentladung einer elektrischen Filterkammer laugs einer gewissen Wegstrecke kinematographisch aufgenommen wurden : ,,Die gemessenen Geschwindigkeiten der Rauchteilchen sind im Durchschnitt 5-10 ma1 so gro6, wie . . . aus ihrer Maximal- ladung im Felde der Coronaentladung durch rein elektrische Krafte berechnet worden ist". ,,8llerdings ist die Geschwindig- keit der Rauchteilchen an einer bestimmten Stelle in der Kammer nicht stets dieselbe, sogar das Vorzeichen der Eichtung wechselt bisweilen". ,,Bei einem Strom von 28. low6 -4mp., der von dem 69 cm langen Draht zur Wand floB, . . . betrugen die gemessenen Geschwindigkeiten im Durchschnitt 20-30 cm/sec, die Einzelwerte schwankten zwischen 10 und 50 cmlsec" ,,Die Schwankungen der Windgeschwindigkeiten sind offenbar groRer als die geringe Gesehwindigkeitsabnahme zwischen Draht und Wand". ,,Uber die Vorgange innerhalb des letzten Zentimeters geben unsere Messungen keinen AufschluB. Bisweilen blieb die Rauchwolke von einem zum folgenden oder sogar bis zum iibernachsten Bild, d. h. wahrend 1/26 bzw. 'Ils sec, anscheinend am gleichen Platze, . . . bisweilen, allerdings selten, zeigten die Wolkchen Bewegung xurn Draht, wobei Geschwindigkeiten von 7 bis 15 cm/sec festgestellt werden konnten, bisweilen zeigten sogar zwei aufeinanderfolgende Bilder entgegengesetzt gerichtete Geschwindigkeiten der Rauchteilchen" (Versuche machten wahr- scheinlich, daB dies einem plotzlichen Wechsel der Starke oder Lage eines Glimmpunktes zugeschrieben werden kann).

Dies l) sind die wesentlichen, auf die Abscheidung beziig- lichen Versuchsergebnisse, auf die sich L a d e n b u r g und T ie t ze stutzen. -. - . . - . __ -

1) R. Ladenburg u. W. Tietee , a. a. 0. § 5 . 8. 602 u. ff.

Page 13: Ist die Wirkung der elektrischen Gasreinigung dem elektrischen Wind zu verdanken?

Wirkung der elektrischen Gasreinigung usw. 261

Abgesehen davon, daB sie nicht der Praxis entsprechen weil die Axialgeschwindigkeit unberiicksichtigt blieb, die durch- sohnittlich weitaus groBer ist als die gemessenen Geschwindig- keiten des elektrischen Windes, konnen diese Versuche weder uber das Stromungsbild und noch weniger iiber die Ab- soheidungsverhaltnisse eine genauere Aufklarung geben.

Zu alledem aber sind diese Versuche bei Stromstarken erhalten worden, die der Praxis nicht entsprechen, namlich bei etwa 4/,,0 mA pro Meter Drahtlange, wahrend bei gleicher Dimensionierung der Elektroden in der Praxis in den meisten Fallen eine Stromstarke von iiber ' I 2 mA auf- tritt. (Bei konstantem Gleichstrom, wie ihn der mechanische Drehstromgleichrichter liefert, sogar oft einige Milliampere pro Neter). Bei diesen Stromstarken zahlt der Spruhpunktabstand nicht mehr nach Zentimetern, sondern hochstens nach Milli- metern und eine kontinuierliche Lichthaut umzieht den Draht. Will man auch hier die Ladenburg - und Tietzeschen Vor- stellungen der nach Spruhpunkten geschichteten Stromungen beibehalten, so wiirde die Gasgeschwindigkeit von 1 m/ sec den Schwebeteilchen den Aufenthalt in einer Schicht nur wahrend etwa l/looo sec gestatten.

Die in elektrischen Gasreinigungsanlagen der Praxis beob- achteten Spriihvorgange und die Berucksichtigung der in Wirk- lichkeit auftretenden starken Gasstromungen hatten mi& bereits 1922 dazu gefiihrt, die Rolle des elektrischen Windes und der Gasstromung einzig und allein darin zu sehen, daB durch diese die Schwebeteilchen jederzeit gleichmaBig im Gase verteilt werden, so da13 die ortlichen Staubdichteunterschiede, die durch die elektrostatischen Abwanderungen erzeugt werden, stets ausgeglichen sind. Die Formulierung dieser Vorstellung ergab ein Exponentialgesetz fur die Dichteanderung langs des Reinigungsweges, das mit den praktischen Erfahrungen genau im Einklang ist. Besonders eindrucksvoll zeigt es sich bei Anlagen, die aus mehreren (z. B. 6) hintereinander geschalteten Einzelreinigern bestehen; die taglich anfallenden Staubmengen wsrden einzeln gewogen und ergeben deutlich die exponentielle Abnahme. Der gefundene Exponent steht in fjbereinstimmung mit den anderweitig festgestellten GroBen.

Wir konnen dieses Gesetz auch auf den auf S. 353 be-

Page 14: Ist die Wirkung der elektrischen Gasreinigung dem elektrischen Wind zu verdanken?

262 W. Peutsch

handelten Fall anwenden; es gilt dann fur den Innenradius r des iiukieren Zylinders wie friiher :

wahrend die Abnahme der pro Gingeneinheit auf den ganzen Querschnitt entfallenden Menge wahrend der Zeit d t :

ist. Es ist also:

oder :

- a n = Z r ~ t r e c . d t ,

d N = r 2 m d n

r2zCn = - 2 r m n c d t

' 7 C .. - T?, =n,e .

Die bis zum Augenblick t in einer Halfte niedergeschlagene Menge ist demnach: .

Unserer fruheren Annahme gemaI3 ist 9 = 354; somit:

Q = 354f1 - e - O ~ * ~ t .

Die Abscheidung aus einer ruhenden Gasinenge verlauft demnach praktisch meder nach Kurve a Fig. 2 (Abscheidung aus geordneter Stramung), noch nach Kurve b (Abscheidung ohne Stromung), sondern nach Kurve c (Abscheidung aus ungeord- neter Stromung). Die letztere liegt tiefer als die beiden anderen, weil sie bis t = 00 reicht, wahrend die ersteren bei t = 5 Sek. begrenzt sind. Auch dies ist in nbereinstimmung mit der Praxis, denn erfahrungsgema6 mu6 man eine Kammer, die 90 Proz. des Staubes niederschlagt, verdoppeln, verdrei- fachen usf., wenn man den Reinigungsgrad von 90 Proz. bzw. auf 99 Proz., 99,9 Proz. usf. steigern will.

Im vorstehenden ist mithin gezeigt, daB die Abscheidungs- wirkung in der Praxis nicht dem elektrischen Wind zu- zuschreiben ist und daB der letztere statistisch nur eine un- geordnete Bewegung der Schwebeteilchen hervorruft.

Es sei noch auf eine Gefahr bei der Sondenmessung hin- gewiesen: isolierte Glassonden, aus denen Rauch austritt, werden in der Tonenraumladung ebenfalls stark aufgeladen

1) W. D e u t s c h , Ann. d. Phys. (4) 68. S. 343. 1922.

Page 15: Ist die Wirkung der elektrischen Gasreinigung dem elektrischen Wind zu verdanken?

Wirkung der e1ektrischeTL Gasreinigung usw. 263

und erzeugen in ihrer Nahe in Gemeinschaft mit den Elek- troden eiu zusatzliches, nach der Sammelelektrode gerichtetes Feld, das unter UmstBnden die Geschwindigkeit der Schwebe- kijrper stark beeinflussen kann. I)

Zum SchluB sei noch auf die von L a d e n b u r g und Ti e tz e beriihrte Frage des Einflusses groBer Staubmengen auf den Entladungsvorgang etwas naher eingegangen; ich habe auf diesen EinfluB bereits 1928 hingewiesen: ,,Fur die Art der Abscheidung kommt es aber sehr auf die Menge der feinen Teilchen an, denn man muB berucksichtigen, daB fiir die Ausbildung des elektrischen Ionengleichgewichts und des elektrischen Stromes die Raumladung wesentlich ist. In einem reinen Gas gilt fur die Potentialfunktion bekanntlich die Poissonsche Differentialgleichung: A cp = - 4n E , wo E die ra,uniliche Dichtigkeit der ElektrizitM, die auf den Ionen sitzt, bedeutet. 1st nun auch noch der Staub elektrisch geladen, so besteht jene Raumladung E aus den beiden Anteilen Ionen- ladung und Staubladung ; fur den elektrischen Strom, der durch das Gas hindurchgeht, kommen aber nur die Ionen in Betracht, da sie eine iiberwiegend groBere Wanderungs- geschwindigkeit hesitzen. Durch Berucksichtigung dieser Tat- sache und der vorhin erwahnten Gleichung kann die Townsend- entladung und vor allem der Townsendstrom unter Umstanden stark modifiziert werden. Praktisch driickt sich das z. B. da- durch aus, daB bei einem MiBverhaltnis zwischen der Staub- menge und der erzeugten Ionenzahl, also z. B. bei zu ge- ringer Spannung, das Gas fast zu einem Nichtleiter una die Abscheidung schlecht wird. Durch richtige Bemessung der jeweiligen Spannung, der Lange des Apparates und der Qe- schwindigkeit kann man aber auch in diesen Fallen eine fast restlose Abscheidung erreichen." 2,

uber die naheren quantitativen Verhaltnisse, die sich auf Grund dieser eben angedeuteten Berechnung bereits gut iiber- sehen lassen und viele zunachst ratselhafte Erscheinungen,

1) Die Znhlenwerte auf S. 605 der Arbeit von Ladenburg und Tietze lassen eine deutliche Zunahme der Geschwindigkeit bei An- nii.herung der Sonde an die AuBenelektrode erkennen.

3) W. D e u ts c h , Verbands-Mitteilungen (Dresden) (23). H. 6. S. 63. 1928 (Vortrag in der deutschen Ges. f. techn. Phys.; Ortsgruppe Dresden).

Page 16: Ist die Wirkung der elektrischen Gasreinigung dem elektrischen Wind zu verdanken?

264 W. Deutsch. Wirkung der elektrischen Gasreinigung usw.

die in der Praxis auftreten, erklaren, sowie uber den ent- scheidenden Versuch, der seinerzeit diese Aufklarung brachte, denke ich demnachst ausfiihrlich berichten zu kijnnen.

Zusammenfassung

Die in elektrischen Gasreinigungsanlagen vom elektrischen Wind mitgerissenen Schwebeteilchen erfordern zu ihrer Ab- scheidung aus der Stromung des elektrischen Windes heraus etwa ebensoviel Zeit, als fiir ein ruhendes Gas ohne Mit- wirkung des elektrischen Windes. Dieser hat praktisch nur die untergeordnete Wirkung, die Schwebeteilchen jederzeit in gleichmagiger Verteilung zu erhalten.

F r a n k f u r t a. M., den 16. Februar 1931.

(Eingegangen 32. Februar 1931)