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Katharina Bock

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Katharina Bock Kommunikative Konstruktion von Szenekultur

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Katharina Bock

Kommunikative Konstruktion von Szenekultur Skateboarding als Sinnstiftung und Orientierung im Zeitalter der Digitalisierung

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Die Autorin

Katharina Bock, Jg. 1982, Dr. phil., ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Erziehungswissenschaft der Stiftung Universität Hildesheim. Ihre Forschungsin-teressen sind Jugend-, Szene- und Interaktionsforschung mit ethnographischen Methoden. Diese Arbeit wurde 2016 als Dissertation an der Stiftung Universität Hildesheim eingereicht.

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronische Systeme. Dieses Buch ist erhältlich als: ISBN 978-3-7799-3723-4 Print ISBN 978-3-7799-4736-3 E-Book (PDF) 1. Auflage 2017 © 2017 Beltz Juventa in der Verlagsgruppe Beltz · Weinheim Basel Werderstraße 10, 69469 Weinheim Alle Rechte vorbehalten Herstellung: Ulrike Poppel Satz: text plus form, Dresden Druck und Bindung: Beltz Bad Langensalza GmbH, Bad Langensalza Printed in Germany

Weitere Informationen zu unseren Autoren und Titeln finden Sie unter: www.beltz.de

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Inhalt

Einleitung 9

I. Allgemeiner Teil

Kapitel 1 Vergemeinschaftung in der Moderne 16 1.1 Posttraditionale Gemeinschaften 16 1.2 (Jugend-)Szenen 19 1.3 Körper- und sportfokussierte Gemeinschaften 22 1.4 Vergemeinschaftung im Zeitalter des Medienwandels 25

Kapitel 2 Zur Erschließung der kulturellen Bedeutungswelt der Skateszene 28 2.1 Symbolischer Interaktionismus 28 2.2 Kommunikative Konstruktion von Szenekultur 30

Kapitel 3 Der Untersuchungsgegenstand Skateszene 33 3.1 Szenehistorische Entwicklung 34 3.2 Zur Bedeutung von Medien in der Skateszene 37

II. Empirischer Teil

Kapitel 4 Untersuchungsdesign 42 4.1 Die ethnographische Forschungsstrategie 42 4.2 (Meine) Wege ins Feld 44 4.3 Datenerhebung 46 4.3.1 Sammlung (online-)medialer Inhalte 47 4.3.2 Ethnographische Gespräche 48 4.3.3 Teilnehmende Beobachtungen 49 4.3.4 Umgang mit forschungsethischen Fragen 53 4.4 Datenanalyse 54 4.4.1 Die Methode der ethnographischen Semantik 54

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4.4.2 Analyse von online-medialen Inhalten, Gesprächstranskripten, Gedächtnis-, Beobachtungs- und Partizipationsprotokollen 56

4.5 Dateninterpretation und -präsentation 60

Kapitel 5 Kommunikative Konstruktion von Szenekultur 63 5.1 „Skateboarding“ und der Prozess der Aneignung 63 5.1.1 Körper- bzw. bewegungsbezogenes Basiswissen 64 5.1.2 Online-medial artikulierte Aneignung 70 5.1.3 Das Probetraining 81 5.1.4 Der Aneignungsprozess bei „Anfänger“(innen) 89 5.1.5 Der „Contest“ 93 5.1.6 Der Aneignungsprozess bei Fortgeschrittenen und Profis 98 5.2 Aufs Spiel gesetzte Körper: „Skateboarding“

als Action- und Risikosport 105 5.2.1 Bewusste Selbstgefährdung und ihre Beweggründe 106 5.2.2 Online-medial artikulierte Risiken 116 5.3 „Skateboarding“ und die kommunikative Konstruktion

von Gemeinschaft 120 5.3.1 Abgrenzung zu Dritten 121 5.3.2 Formen von Ehrerbietung 123 5.3.3 Zugehörigkeit und Stilisierung 132 5.3.4 Formen interner Selektion 140 5.3.5 Online-mediale Artikulation von Gemeinschaft 154 5.4 Szenebezogene Handlungsmuster

zwischen Individualität und Gemeinschaftlichkeit 173

III. Schlussteil

Kapitel 6 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen 180 6.1 Szenespezifische Wissensbestände

und deren kommunikative Konstruktion 180 6.1.1 Wissen um Szenemedien und deren Inhalte 181 6.1.2 Leitideen der Szene 182 6.1.3 Körper- und Bewegungswissen 183 6.1.4 „Spot“-Wissen 186 6.1.5 Wissen in Verbindung mit der Kategorie „Skater“(in) 187 6.1.6 Wissen um den Gebrauch (non)verbaler Zeichen

und Interaktionsrituale 188

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6.2 Wirkungsweisen online-medialer Inhalte 189 6.2.1 Funktionen und Potenziale 189 6.2.2 Grenzen und negative Folgen 190 6.3 „Skateboarding“ – posttraditional oder schlicht modern? 193 6.4 Abschließende Worte 197

Anhang 200

Literatur- und Quellenverzeichnis 201

Danksagung 217

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Einleitung

Zu den Kennzeichen der Moderne gehören Phänomene, die vor allem unter den Begriffen Globalisierung und Individualisierung verhandelt werden (vgl. Hitzler 1998, S. 81). Dabei meint Globalisierung Ferchhoff (2011) zu-folge einen Prozess, mit dem die weltweite Vernetzung und Integration von Waren-, Transport-, Dienstleistungs-, Kapital-, Arbeits- und Informations-märkten einhergeht. Diese Vernetzung finde vor allem durch eine rasante Entwicklung, Beschleunigung und Verbilligung der weltweiten Transport- und Kommunikationsmittel statt. Globalisierung sei demnach ein Vorgang mit vielen Dimensionen – ökonomischen, arbeitsmarktbezogenen und ar-beitsorganisatorischen, ökologischen, zivilgesellschaftlichen, technischen, kulturellen, kommunikativen und medialen (vgl. Ferchhoff 2011, S. 74 ff.; dazu ausführlicher: Beck 1997). Wesentliche Treibkraft dieses Prozesses sind technologische, vor allem informationstechnische Innovationen (vgl. Ferchhoff 2011, S. 75). Damit wiederum verbunden ist ein Wandel im Me-dienbereich, den Begriffe wie Digitalisierung (Umstellung von analoger auf digitale Technologie), Konvergenz (Zusammenwachsen unterschiedlicher Medien und Geräte), Pluralisierung (Vervielfachung von Medien und End-geräten) und Diversifizierung (Spezialisierung medialer Nutzungsangebote im Rundfunkbereich und Internet) kennzeichnen (vgl. Hugger 2014, S. 13 f.). Die hier skizzierten Entwicklungen bringen sowohl neue Risiken als auch neue Freiheiten mit sich (vgl. dazu Beck 1986; Beck/Beck-Gerns-heim 1994). So wächst durch die weltweite Vernetzung der Medien-, Infor-mations- und Kommunikationsmärkte beispielsweise einerseits die Sorge um Cyberattacken, Datenverlust, Datenmanipulation und die Privatsphäre. Doch eröffnen die Entwicklungen im Online-Bereich gleichzeitig auch viel-fältige „neue sozio-technische Möglichkeitsräume“ (Hugger 2014, S. 14; dazu ausführlicher Abschnitt 1.4).

Parallel dazu hat mit der Moderne ein gesellschaftlicher Wandel einge-setzt, der massive Individualisierungsentwicklungen und damit die Auflö-sung vorgegebener sozialer Lebensformen zur Folge hat (vgl. Beck/Beck-Gernsheim 1994, S. 11). Indikatoren für solche Individualisierungseffekte sind:

„abnehmende Klassen- und Schicht-Orientierungen (also v. a. Freisetzung aus verinnerlichten Rollen, individuelle Lebensentwürfe), Vervielfältigung des Intim-Beziehungsverhaltens (d. h. häufige Partnerwechsel, Karriereorientierung), er-höhte biographische Mobilität (insb. vermehrte soziale Auf- und Abstiege, aber

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auch geographische ‚Wanderungen‘), Flexibilisierung der Orientierung im Be-rufsalltag (d. h. z. B. häufigerer Arbeitsplatzwechsel, ‚Umschulungen‘), veränder-tes Freizeit- und Konsumverhalten (insb. Sinnverlagerung aus der beruflichen in die Privatsphäre, wechselnde Orientierungen an mannigfaltigen Angeboten), Emanzipationsinteressen (v. a. an der Auflösung ‚feudaler‘ Beziehungsreste), Bezugsgruppen-Orientierung bei Lebensstil-Wahlen (sichtbar etwa am Boom von Selbsthilfe- bzw. Interessengruppen) und Sequentialisierung ideologischer Orientierungen (was mit dem Verlust von und Verzicht auf dauerhafte normati-ve Bindungen und dem Zugriff auf Deutungsangebote ‚nach Bedarf‘ einher-geht)“ (Hitzler 1998, S. 81; Hervorhebungen im Original).1

Dabei kommen auf den Einzelnen neue Anforderungen, Kontrollen und Zwänge zu „mit dem besonderen Aufforderungscharakter, ein eigenes Le-ben zu führen“ (Beck/Beck-Gernsheim 1994, S. 12). Dies bedeutet, dass Chancen, Gefahren oder Unsicherheiten der Biographie, die früher im Fa-milienverbund oder im Rückgriff auf soziale Klassen definiert waren, nun von den Einzelnen selbst wahrgenommen, interpretiert, entschieden und bearbeitet werden müssen. Dabei aber sind die Individuen, angesichts der hohen Komplexität der gesellschaftlichen Zusammenhänge, vielfach kaum in der Lage, die notwendig werdenden Entscheidungen fundiert zu treffen (vgl. Beck/Beck-Gernsheim 1994, S. 15). Die Verwirklichung individueller Lebensführung ist zudem entscheidend an ökonomische, soziale, kulturelle sowie mehr und mehr mediale Ressourcen und Kompetenzen geknüpft, über die nicht jedes Individuum ohne Weiteres verfügt (vgl. Ferchhoff 2011, S. 14 f.). Dies hat Auswirkungen nicht nur auf die Lebensführung des Ein-zelnen, sondern auch auf die Formen des Zusammenlebens. Angesichts von Überforderungssyndromen und des Nicht-Wählen-Könnens seien Flucht-bewegungen in Form einer Sehnsucht und Suche nach Bindung, Zusam-menschluss, Gemeinschaft, Idylle, Innerlichkeit, Mythologie und kollektiver Sicherheit unübersehbar (vgl. Ferchhoff 2011, S. 87). Keinesfalls abwegig scheine es daher,

„dass viele Menschen es leid sind, das gehetzte, globalisierte, individualisierte, flexibilisierte und anpassungsfähige Single-Individuum seiner passgenauen und marktgerechten Kapitalismus-Kompatibilität zu verkörpern. Sie sehnen sich nach und suchen Beziehungen, die Bestand haben. Glaube, Heimat und Fami-

1 Zu weiteren sozialstrukturellen Veränderungen moderner Gesellschaften lassen sich dar-über hinaus die Verrechtlichung immer weiterer Lebensbereiche, die Bildungsexpansion und Bildungsentwertung, die Auflösung der Normalarbeitsverhältnisse, die Erhöhung des durchschnittlichen Wohlstands, die Generalisierung des Gleichheitsgrundsatzes und die Erosion der relativen kulturellen Verbindlichkeit des Kleinfamilien-Modells zählen (vgl. Hitzler 1998, S. 81).

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lie sowie familienanaloge Konstellationen im Netzwerk von Gleichgesinnten insbesondere auch jenseits von spießig, kitschig und neokonservativ wären in diesem Lebensstilzusammenhang zu nennen“ (Ferchhoff 2011, S. 87).

Im Versuch, die Folgen massenhafter Emanzipation und Freisetzung zu be-wältigen und mit der Erfahrung der Entwurzelung und des Ausgebettetseins umzugehen, haben sich neue Vergemeinschaftungsmuster bzw. alternative Konzepte des Zusammenlebens und Miteinanderumgehens herausgebildet (vgl. Hitzler 1998, S. 84). Ein wesentliches Kennzeichen dieser neuen, auch als „posttraditional“ (Hitzler/Honer/Pfadenhauer 2008) bezeichneten, Ge-meinschaften besteht darin, dass sich ihre vergemeinschaftende Kraft nicht länger auf ähnliche soziale Lagen gründet, sondern auf ähnliche Lebenszie-le, Interessen und ästhetische Ausdrucksformen (vgl. Hitzler/Honer/Pfa-denhauer 2008, S. 8). Damit versprechen diese neuen Gemeinschaften den aus verbindlichen und verlässlichen Denk- und Verhaltensmustern freige-setzten Individuen eine zumindest relative Sicherheit und Fraglosigkeit des Umgangs miteinander dadurch, dass sie ihre je eigenen Interessen dort als gemeinsame veranschlagt finden (vgl. Hitzler/Honer/Pfadenhauer 2008, S. 30).

Selbstfindungs- und Vergemeinschaftungsprozesse aber bleiben im Me-dien- und Informationszeitalter nicht mehr länger auf soziale Interaktionen beschränkt (vgl. Vogelgesang 2010, S. 42). Vielmehr werden Individuen dazu veranlasst, zunehmend auch online nach Gleichgesinnten und alterna-tiven Vergemeinschaftungskonzepten zu suchen (vgl. Hugger 2010, S. 11) – und hierfür stelle das Internet einen „geradezu unüberschaubaren Möglich-keitsraum“ (Hugger 2010, S. 14) dar. In diesem Zusammenhang werden bislang vorrangig internetgenerierte Vergemeinschaftungsformen unter-sucht oder solche, zu deren Aufrechterhaltung und Strukturierung das In-ternet maßgeblich beiträgt (vgl. dazu Hugger 2010; 2014).

Daneben existieren Gemeinschaften, die zwar von den vielfältigen Mög-lichkeiten des Internets für Selbstfindung und Vergemeinschaftung Ge-brauch machen, die ihr Kerninteresse und die damit verbundenen Aktivitä-ten aber explizit auf „physisch-reale Räume“ (Hugger 2014, S. 13) ausrich-ten, die sie sich durch körpersportliche Bewegungen aneignen. Beispielhaft dafür sind sogenannte Trendsportarten wie Fallschirm- oder Bungeesprin-gen, Snow- oder das hier untersuchte Skateboarding, Parkour oder Sport-klettern. Aktivitäten wie diese gehören zu den Kernbestandteilen eines ei-genständigen Sportmodells, das sich routinemäßig auf die Erzeugung und Inszenierung riskanter Körperbewegungen spezialisiert hat (vgl. Bette 2003, S. 19) und damit, so die These, in besonderer Weise auf die Auswirkungen der Moderne reagiert.

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Zum Anliegen dieser Arbeit: Hier knüpft die vorliegende Arbeit an und befasst sich mit der Skateszene – einer Gemeinschaft, zu der angesichts ihrer Tradition und Popularität bis-lang wenig detaillierte soziologische Untersuchungen vorliegen. Offen ist, wie die Skaterinnen und Skater ihre Szenewirklichkeit und Relevanzen kommunikativ herstellen und differenzieren. Dies gilt insbesondere für die Ebene der Körperlichkeit, die ohnehin bisher eher vernachlässigt wird.2 Wie gezeigt werden wird, steht nicht nur das ‚Körperlich-sportliche‘ im Mittel-punkt des Interesses von Skaterinnen und Skatern, sondern auch eine „Hal-tung des Sich-Riskierens“ (Alkemeyer et al. 2003, S. 11).3 Ebenso vernach-lässigt erscheint die Verschränkung von Alltags- und Medienhandeln in diesen neuen Gemeinschaften.4 Die Skateszene ist eine überaus medienaffi-ne Gemeinschaft, in der Magazine, szenebezogene Webseiten und Plattfor-men, vor allem aber Skatevideos eine entscheidende Rolle als Wissensver-mittler und Multiplikatoren szenespezifischer Bedeutungen spielen. Auch hier bestehen Lücken. Zwar nimmt Buckingham (2009) die Bedeutung von Medien und den Umgang damit in einer Fallstudie zu den Funktionen des Produzierens von Skatevideos in den Blick; und auch Encheva/Driessens/ Vertraeten (2013) versuchen mit einer ethnographischen Analyse zu zeigen, wie Medien das Alltagshandeln unter anderem von Skatern beeinflussen. Dennoch ist offen, wie die Mitglieder der Skateszene ihre kulturelle Bedeu-tungswelt mit den Möglichkeiten des Internets herstellen und handhaben.

Die vorliegende Arbeit verfolgt das Ziel, zu einem tieferen Verständnis der Skateszene beizutragen und einen wichtigen Einblick in die Bedürfnisse nach Sinnstiftung und Orientierung heutiger Heranwachsender im Rahmen alternativer, insbesondere online-medial konstruierter, Vergemeinschaf-tungskonzepte zu liefern. Vor diesem Hintergrund lautet die forschungslei-tende, im weiteren Verlauf noch zu spezifizierende Frage wie folgt: Wie kon-struieren die Mitglieder der Skateszene ihre kulturelle Bedeutungswelt und welche Rolle spielt das Internet dabei?

2 Wie Gebauer/Alkemeyer (2001) feststellen, habe die Erfahrung von Teilhabe durch physi-sches Beisammensein und sozial geteilte Bewegungen über die sichtbaren Lebensstil-Ele-mente wie Kleidung oder Musikvorlieben hinaus wissenschaftlich bisher kaum Beachtung gefunden (vgl. Gebauer/Alkemeyer 2001, S. 125).

3 Vgl. dazu unter anderem die sportmedizinischen Untersuchungen skatespezifischer Ver-letzungen von Zalavras et al. (2005); Özelli (2008) und Lustenberger et al. (2010) oder die von der Szene selbst artikulierten Risiken auf Skateboardschule.de (o. J. d, o. S.).

4 Dies übrigens betrifft nicht nur die Skateszene, sondern kann auch den meisten anderen (Jugend-)Szenen attestiert werden.

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Zum Aufbau dieser Arbeit: Die vorliegende Untersuchung besteht aus drei Teilen – einem allgemeinen bzw. theoretischen (Teil I), dem empirischen (Teil II) und einem abschlie-ßenden (Teil III). Das erste Kapitel führt die erwähnten gesellschaftlichen Veränderungen im Hinblick auf Vergemeinschaftungsprozesse in der Mo-derne näher aus. In diesem Zusammenhang werden zunächst das Konzept der (Jugend-)Szenen5 (Hitzler/Bucher/Niederbacher 2001; Hitzler/Nieder-bacher 2010) und das der „Posttraditionalen Gemeinschaft“ (Hitzler/Ho-ner/Pfadenhauer 2008) vorgestellt. Anschließend wird die Bedeutung ‚kör-per- und sportfokussierter‘ Gemeinschaften erläutert. Danach werden die Potenziale, die der erwähnte Wandel im Medienbereich für Vergemein-schaftungen vorhält, dargestellt. Im zweiten Kapitel wird erläutert, was un-ter ‚kultureller Bedeutungswelt‘ und deren ‚kommunikativer Konstruktion‘ verstanden und wie diese mithilfe des Symbolischen Interaktionismus (Blu-mer 1981) erschlossen werden soll. Das dritte Kapitel stellt den Untersu-chungsgegenstand vor und führt damit in die Bedeutungswelt der Skateszene ein (Allgemeiner Teil I). Das vierte Kapitel stellt das Untersuchungsdesign vor. Das fünfte Kapitel – Kern der vorliegenden Arbeit – geht der Frage nach, wie die Mitglieder der Skateszene ihre kulturelle Bedeutungswelt ver-bal, nonverbal und in online-medialen Inhalten konstruieren. Die Darstel-lung erfolgt in vier Abschnitten: der erste widmet sich der Aneignung ‚skate-spezifischer Bewegungen‘, der zweite der Betrachtung von Skateboarding als Action- und Risikosport. Der dritte und vierte Abschnitt befasst sich mit Gemeinschaft-bildenden Handlungen von Szenemitgliedern (Empirischer Teil II). Das sechste Kapitel fasst die Untersuchungsergebnisse zusammen, diskutiert diese vor dem modernisierungstheoretischen Hintergrund und entlässt die Leser/innen mit einem Ausblick (Schlussteil III).

5 Die eingeklammerte Attribuierung ‚Jugend-‘ verweist einerseits darauf, dass Szenen nicht altershomogen sind, aber vorrangig von jungen bzw. juvenilen Menschen frequentiert werden (vgl. Hitzler/Niederbacher 2010, S. 21). Zudem ist in der Literatur sowohl von „Szenen“ als auch „Jugendszenen“ die Rede (vgl. dazu beispielsweise Hitzler 2008, S. 55).

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I. Allgemeiner Teil

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Kapitel 1 Vergemeinschaftung in der Moderne

Im Folgenden wird der theoretische Rahmen für neue Vergemeinschaf-tungsformen in der Moderne erläutert. In diesem Zusammenhang wird zu-nächst der Begriff „Posttraditionale Gemeinschaft“ (Hitzler/Honer/Pfaden-hauer 2008) entfaltet (Abschnitt 1.1) und danach das von Hitzler/Bucher/ Niederbacher (2001) sowie Hitzler/Niederbacher (2010) vorgelegte Szene-Konzept vorgestellt (Abschnitt 1.2). Im Anschluss daran wird die Bedeu-tung ‚körper- und sportfokussierter‘ Gemeinschaften und ihrer Aktivitäten erläutert (Abschnitt 1.3). Das Kapitel schließt mit einer überblicksartigen Zusammenschau der sozio-technischen Möglichkeiten im Online-Bereich und den damit verbundenen Potenzialen für Vergemeinschaftungsprozesse (Abschnitt 1.4).

1.1 Posttraditionale Gemeinschaften

Hitzler/Honer/Pfadenhauer (2008) vertreten die These von sich verändern-den Modi von Gemeinschaftsbildungen hin zu neuen, sogenannten „post-traditionalen Vergemeinschaftungsmustern“.1 Wie erwähnt, entwickeln sich diese alternativen Konzepte des Zusammenlebens und Miteinanderumge-hens bei dem Versuch, die Folgen massenhafter Emanzipation und Freiset-zung zu bewältigen und mit der Erfahrung der Entwurzelung und des Aus-gebettetseins umzugehen (vgl. Hitzler 1998, S. 84).

Der begriffliche Ursprung dieses Vergemeinschaftungskonzepts geht auf Ferdinand Tönnies (1979) zurück, der „Gemeinschaft“ und „Gesellschaft“ als dichotomes Begriffspaar etabliert. Erstere konstituiert sich durch eine gegenseitig gefühlte und gewollte Verbundenheit2:

„Wo immer Menschen in organischer Weise durch Willen miteinander verbun-den sind und einander bejahen, da ist Gemeinschaft von der einen oder der an-

1 Den Formen „posttraditionaler Vergemeinschaftung“ widmen sich unter anderem fol-gende Autor/innen: Hitzler (1998; 2008), Hitzler/Honer/Pfadenhauer (2008), Hitzler/Pfa-denhauer (2005), Pfadenhauer (2009a).

2 Diese Verbundenheit kann auf dreifache Art und Weise bestehen: verwandtschaftlich als „Gemeinschaft des Blutes“, nachbarschaftlich bzw. räumlich als „Gemeinschaft des Ortes“ oder freundschaftlich als „Gemeinschaft des Geistes“ (Tönnies 1979, S. 12 f.).

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deren Art vorhanden, indem die frühere Art die spätere involviert, oder diese zu einer relativen Unabhängigkeit von jener sich ausgebildet hat“ (Tönnies 1979, S. 12).

„Gesellschaft“ hingegen meine einen Kreis von Menschen, die wie in Ge-meinschaft, auf friedliche Art nebeneinander leben und wohnen, aber nicht wesentlich verbunden, sondern wesentlich getrennt sind. In einer Gesell-schaft, so Tönnies, sei jeder für sich allein; hier werde niemand etwas für den anderen tun und leisten, keiner dem anderen etwas gönnen und geben wollen, es sei denn um einer Gegenleistung willen (Tönnies 1979, S. 34).

Auf Tönnies Bezug nehmend, etabliert sodann Max Weber (1985) die Begriffe „Vergemeinschaftung“ und „Vergesellschaftung“ und mit ihnen vier Handlungstypen:

„‚Vergemeinschaftung‘ soll eine soziale Beziehung heißen, wenn und soweit die Einstellung des sozialen Handelns – im Einzelfall oder im Durchschnitt oder im reinen Typus – auf subjektiv gefühlter (affektueller oder traditionaler) Zu-sammengehörigkeit der Beteiligten beruht. ‚Vergesellschaftung‘ soll eine sozia-le Beziehung heißen, wenn und soweit die Einstellung des sozialen Handelns auf rational (wert- oder zweckrational) motiviertem Interessenausgleich oder auf ebenso motivierter Interessenverbindung beruht“ (Weber 1985, S. 21).

Doch wird bei Weber (1985) die Dichotomie zwischen der als subjektiv „af-fektuell“ oder „traditional“ empfundenen Zusammengehörigkeit in einer Gemeinschaft einerseits und der „wert-“ oder „zweckrationale“ Interessen verfolgenden Gesellschaft andererseits aufgehoben, denn „sehr selten ist Handeln, insbesondere soziales Handeln, nur in der einen oder der anderen Art orientiert“ (Weber 1985, S. 13):

„Die große Mehrzahl sozialer Beziehungen aber hat teils den Charakter der Ver-gemeinschaftung, teils den der Vergesellschaftung. Jede noch so zweckrationa-le und nüchtern geschaffene und abgezweckte soziale Beziehung (Kundschaft z. B.) kann Gefühlswerte stiften, welche über den gewillkürten Zweck hinaus-greifen. […] Ebenso kann umgekehrt eine soziale Beziehung, deren normaler Sinn Vergemeinschaftung ist, von allen oder einigen Beteiligten ganz oder teil-weise zweckrational orientiert werden“ (Weber 1985, S. 22).

Während bei Tönnies „Gemeinschaft“ und „Gesellschaft“ noch dichotom gedacht waren, begreift Weber „Vergemeinschaftung“ und „Vergesellschaf-tung“ also offenbar als ‚Pole eines Kontinuums‘.

Hier nun knüpft der Begriff „posttraditionale Gemeinschaft“ (Hitzler/ Honer/Pfadenhauer 2008) an und geht offenbar davon aus, dass solche For-mationen ihre Traditionen ,(allmählich) hinter sich lassen‘. Dabei aber han-

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delt es sich scheinbar um einen ‚tendenziellen‘, keinen ‚gänzlichen Verlust‘ an Traditionalität, weshalb eine solche Gemeinschaft wohl auch (noch) nicht als Gesellschaft zu bezeichnen ist. Im Gegensatz zu traditionalen Ge-meinschaften, in denen kohäsionssichernde Zwangsstrukturen entstehen und sich organisatorisch verfestigen, würden sich posttraditionale Gemein-schaften typischerweise dadurch konstituieren, dass sich individualisierte Akteure freiwillig und zeitweilig in soziale Formationen einbinden, die durch ein distinktives Wir-Bewusstsein gekennzeichnet sind (vgl. Hitzler/ Honer/Pfadenhauer 2008, S. 15). Anders als in traditionalen Gemeinschaf-ten, entscheide man sich hier weniger aufgrund solidaritätsstiftender ge-meinsamer Wertsetzungen für eine Mitgliedschaft; vielmehr bestehe Mit-gliedschaft im Bekenntnis zu den für diese Formationen typischen Zeichen, Symbolen und Ritualen (vgl. Hitzler/Honer/Pfadenhauer 2008, S. 13). Dies ermöglicht den individualisierten Akteuren die Befriedigung und das Ver-folgen eigener, „zweckrationaler“ (Weber 1985, S. 21) Bedürfnisse und In-teressen, dies jedoch innerhalb eines Kollektivs, das offenbar genau diese Vorlieben teilt. Zwar gehen mit der Gemeinschaft keine sozialen Zwänge und Verpflichtungen einher, dennoch gelten mehr oder weniger akzeptierte Relevanzen und Regeln, die eine zumindest relative Sicherheit und Verläss-lichkeit in Bezug auf das Miteinanderumgehen bieten. Dass es sich hierbei um eine „paradoxe Kombination von Individualität und Gemeinschaftlich-keit“ (Prisching 2008, S. 38) handelt, ist evident.

Wie aber lassen sich diese Paradoxien konkreter fassen? Vor dem Hin-tergrund von Tönnies’ (1979) Gegensatzpaar sozialer Beziehungen und We-bers (1985) Auffassung von sozialem Handeln als affektuell, traditional, wert- und/oder zweckrational motiviert, verwandelt Talcott Parsons (Par-sons/Shils 1962) die Begriffe Gemeinschaft und Gesellschaft in einen mehr-dimensionalen Eigenschaftsraum, der es ermöglicht, ein Objekt durch wi-dersprüchliche Bestimmungsgründe zu kennzeichnen (vgl. Scheuch 2003, S. 210).3 Soziale Beziehungen und soziales Handeln sind für Parsons an Be-dürfnisdispositionen, kulturellen Wertvorstellungen sowie sozialen Nor-men und Rollenerwartungen orientiert. Er geht davon aus, dass sich Han-delnde, um Situationen deuten zu können, an Objekten („other actors or physical or cultural objects“) (Parsons/Shils 1962, S. 54) orientieren. Dabei meint ‚Orientierung‘, dass diesen Objekten bestimmte Wertigkeiten zuge-

3 Die Erarbeitung dessen erfolgte teilweise in Zusammenarbeit mit Edward Shils. Hinter-grund war Parsons’ Feststellung, dass sich bestimmte soziale Rollenmuster, inbesondere Berufsrollen, nicht auf die von Tönnies’ (1979) etablierte Dichotomie anwenden lassen, weil manche Berufsrollen (die des Arztes beispielsweise) durch Widersprüchlichkeit (bei Ärzten: kaufmännisches Handeln versus Altruismus in Bezug auf Patienten) gekenn-zeichnet sind (vgl. Parsons/Shils 1962, S. 48 f. sowie Scheuch 2003, S. 209 f.).

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schrieben werden und daran wiederum bestimmte Erwartungshaltungen geknüpft sind. Objekte erfahren also jeweils unterschiedliche Zuschreibun-gen, in Bezug auf sie bestehen unterschiedliche Erwartungen und hieran richten Akteure dann die Ziele ihrer Handlungen (explizit oder implizit, be-wusst oder unbewusst) aus (vgl. Parsons/Shils 1962, S. 54). Je nach Hand-lungsziel wird die Wahl spezifischer Handlungsmuster notwendig. Weil aber Individuen ihr Handeln und ihre Erwartungen nicht nur an sich selbst, sondern auch an den Handlungen und Erwartungen anderer orientieren (vgl. Parsons/Shils 1962, S. 65), bestehen zwangsläufig Orientierungsdilem-mata. Problemlösung bieten hierbei fünf Dimensionen von Orientierungs- bzw. Handlungsmustern, die sogenannten „Pattern Variables“, zwischen denen sich Akteure entscheiden müssen, um die jeweilige Situation deuten und auf dieser Grundlage handeln zu können (Parsons/Shils 1962, S. 76).4 Tabelle 1 stellt diese dar. Hierbei sind der linken Seite jeweils die Kategorien zugeordnet, die Parsons/Shils (1962) aus dem Begriff Gemeinschaft entneh-men; auf der rechten Seite dagegen diejenigen, die gesellschaftliche Zustän-de, Situationen oder Beziehungen betreffen (vgl. Scheuch 2003, S. 210 f.).

Vor diesem Hintergrund wird im weiteren Verlauf herauszuarbeiten sein, welches das für die Skateszene bestimmende Muster ist.

1.2 (Jugend-)Szenen

Weil vor allem Heranwachsende besondere Bedürfnisse nach Orientierung, Sinnstiftung, individueller Freiheit und einem attraktiven Zusammensein mit Gleichgesinnten haben, herkömmliche Sozialisationsagenturen diesen Bedürfnissen jedoch immer weniger gerecht werden, spielen (Jugend-)Sze-nen eine bedeutsame Rolle (vgl. Hitzler/Niederbacher 2010, S. 14 f.; Hitzler

4 Die „Pattern Variables“ referieren auf drei, zueinander in wechselseitiger Beziehung ste-hende, Systeme, auf die hier nicht detailliert eingegangen wird (dazu ausführlich: Par-sons/Shils 1962, S. 110–158 (Persönlichkeitssystem); Parsons/Shils 1962, S. 159–189 (Kul-turelles System); Parsons/Shils 1962, S. 190–230 (Soziales System). Jedes Handlungsmuster ist damit durch persönliche Bedürfnisdispositionen oder Erwartungen, kulturelle Wert-vorstellungen sowie soziale Normen und Rollenerwartungen bestimmt (vgl. Parsons/Shils 1962, S. 79; Münch 2004, S. 65): „Als kulturelle Wertvorstellungen sind die Handlungs-muster symbolisch allgegenwärtige normative Muster für Handlungen mit einem relativ weiten Interpretations- und Anwendungsspielraum; als soziale Normen und Rollenerwar-tungen sind sie konkreter ausformuliert und auch verbindlicher für Akteure, die in einem sozialen System handeln; als persönliche Bedürfnisdispositionen zeigen sie sich in typi-schen Verhaltensmustern, die ein Individuum in typischen Handlungssituationen anzu-wenden pflegt“ (Münch 2004, S. 65).

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Tabelle 1: Pattern Variables (nach Parsons/Shils 1962)

In jeder Situation muss entschieden werden, …

1) ob man die Interessen, Ziele, Entscheidungen und Werte einer Gemeinschaft, deren Mitglied man ist, teilen (Kollektivitätsorientierung) oder ob man eigenen, persönlichen Interessen, Bedürfnissen und Er-wartungen den Vorrang geben möchte – ohne die Gemeinschaft einzubeziehen (Selbstorientierung) (vgl. Parsons/Shils 1962, S. 80 f. sowie Münch 2004, S. 65).

Kollektivitätsorientierung oder Selbstorientierung

2) ob man sein Handeln in Bezug auf ein Objekt konkret, zielbewusst oder spezifisch ausrichten möchte (Spezifität) oder ob man eine diffuse, unklare, unkonkrete Handlungsausrichtung bevorzugt (Diffusität) (vgl. Parsons/Shils 1962, S. 83).

Diffusität oder Spezifität

3) ob man eine unmittelbare Bedürfnisbefriedigung wünscht und damit ggf. Gefühlen umgehend freien Lauf lässt (Affektivität) oder ob man Bedürfnisse oder Gefühle (zunächst) zurückstellt, unterdrückt oder gar aufgibt (Affektive Neutralität) (vgl. Parsons/Shils 1962, S. 80).

Affektivität oder Affektive Neutralität

4) ob man seiner Neigung oder Präferenz für ein bestimmtes Objekt, dem man nahe steht oder zugehö-rig ist, und dessen gültigen Normen oder Werten folgt (Partikularismus) oder ob man universellen, allge-meingültigen Normen und Werten (moralische, kulturelle, gesellschaftliche oder Rechtsvorschriften) den Vorrang geben möchte (Universalismus) (vgl. Parsons/Shils 1962, S. 81 f.).

Partikularismus oder Universalismus

5) ob man sein Handeln in Bezug auf ein soziales Objekt an dessen Merkmalen ausrichtet (Eigentum/ Besitz, Geschlecht, Alter, Herkunft, bestimmte Zugehörigkeiten/Mitgliedschaften) (Zuschreibung) oder ob man sein Handeln in Bezug zu vom Objekt erbrachten Leistungen, dessen Fähigkeiten oder Qualifika-tionen setzt (Leistung/Performanz) (vgl. Parsons/Shils 1962, S. 82 f.).

Zuschreibung (von Qualitätsmerkmalen) oder Leistung/Performanz

2008, S. 55).5 Der Szene-Begriff geht zurück auf Gerhard Schulze (1992; 2005) und Hubert Knoblauch (1995). Für Schulze (1992; 2005) ist eine Sze-ne ein Netzwerk von Publika, das aus drei Arten der Ähnlichkeit entsteht: partielle Identität von Personen, von Orten und von Inhalten. Zudem habe eine Szene ein Stammpublikum, feste Lokalitäten und ein typisches Erleb-nisangebot (vgl. Schulze 2005, S. 463). Für Knoblauch (1995) sind Szenen Orte einer unmittelbaren, fokussierten Interaktion, die sich durch spezifi-sche Konstellationen, sozialräumliche Anordnungen und kommunikative Formen auszeichnen. Gemeinsamkeit werde hier aber nicht durch eine ge-genseitige Interaktion, sondern durch eine Gemeinsamkeit der Zeichen her-gestellt (vgl. Knoblauch 1995, S. 246). Dieses Zeichenrepertoire, so Knob-lauch (1995), reiche vom Musikgeschmack über den Kleidungsstil bis zur Sondersprache und Verhaltensstilen. Von unmittelbaren Kontexten würden sich Szenen damit durch ihre Typik unterscheiden – typische Schauplätze, typische kulturelle Zeichen und typische Formen unmittelbarer wie media-ler Kommunikation (vgl. Knoblauch 1995, S. 247).

5 Einen allgemeinen Überblick zur Szenen-Landschaft in Deutschland geben Hitzler/Bu-cher/Niederbacher (2001), Hitzler/Niederbacher (2010) sowie Hitzler (2008, S. 59 ff.).

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Vor diesem Hintergrund entwickeln Hitzler/Bucher/Niederbacher (2001) und Hitzler/Niederbacher (2010) ein Konzept, das für die Untersuchung der Skateszene geeignet scheint. Unter einer Szene verstehen Hitzler/Nie-derbacher (2010) ein Netzwerk, in dem sich unbestimmt viele beteiligte Personen und Personengruppen vergemeinschaften. In eine Szene werde man nicht hineingeboren oder hineinsozialisiert, sondern man suche sie sich aufgrund irgendwelcher Interessen selber aus und fühle sich in ihr eine Zeit lang mehr oder weniger zu Hause. Eine Szene, so Hitzler/Niederbacher (2010), weise typischerweise lokale Einfärbungen und Besonderheiten auf, sei jedoch nicht lokal begrenzt, sondern ein prinzipiell weltumspannendes Gesellungsgebilde. Zudem gebe es keine förmlichen Mitgliedschaften.6 Und auch die Ränder einer Szene würden verschwimmen, sodass ein problem-loser Zugang und ein ebenso problemloses Verlassen ermöglicht werde (vgl. Hitzler/Niederbacher 2010, S. 15 f.). Im Mittelpunkt des Interesses einer Szene, so die Autoren weiter, stehe ein zentrales Thema, aus dem geteilte Einstellungen, Motive und Ausdrucksmittel erwachsen und auf das die Ak-tivitäten ausgerichtet sind (vgl. Hitzler/Niederbacher 2010, S. 26).7 Auf ei-nen solchen thematischen Rahmen bezogen würden Szenemitglieder Sprach-gewohnheiten, bestimmte Einstellungen, Präferenzen, Handlungs- und Umgangsweisen8, Rituale sowie zum Teil erkennbare szenespezifische Out-fits teilen. Im Gebrauch dieser szenetypischen Symbole, Zeichen und Ritua-le würden Szenemitglieder nicht nur ihre eigene Zugehörigkeit, sondern auch ihre jeweiligen Deutungsmuster und damit die jeweilige Gemeinschaft als solche konstituieren, stilisieren und inszenieren (vgl. Hitzler/Niederba-cher 2010, S. 16 f.; 187; dazu auch Pfadenhauer 2010, S. 281).9

6 Auch wenn in Szenen keine förmlichen Mitgliedschaften bestehen, so möchte ich hier und im Folgenden dennoch von ‚Szenemitgliedern‘ sprechen. Die Entscheidung dafür er-folgt zugunsten einer geschlechtergerechten Sprache und erübrigt das fortwährende gram-matikalische Anpassen bei der von Hitzler/Bucher/Niederbacher (2001) und Hitzler/Nie-derbacher (2010) verwendeten Bezeichnung „Szenegänger“.

7 Bereits umfangreich bearbeitet worden sind in diesem Zusammenhang die Techno-Szene (unter anderem von Hitzler/Pfadenhauer 2001a, 2004b und 2009; Hitzler 2002; Kähler 2001; Pfadenhauer 2009a; 2009b) und Eventgemeinschaften (Gebhardt/Pfadenhauer 1999; Pfadenhauer 2000; Kirchner 2011). Einen umfassenden Einblick in die Subkultur der Rocker liefert zudem Cremer (1992). Weitere Publikationen zu konkreten Szenen fin-den sich zu HipHoppern (Schneider 1997), Gothics (Neumann-Braun/Schmidt 2008), Sportkletterern (Bucher 2000), religiösen Szenen oder Glaubensgemeinschaften (For-schungskonsortium WJT 2007; Hitzler/Pfadenhauer 2007).

8 Die Entwicklung besonderer Verhaltensweisen erfolge in der Regel beiläufig und diene grundsätzlich als Ressource zur Markierung von Zugehörigkeit, zur Selbstdarstellung und Wertschätzung durch Gleichgesinnte (vgl. Pfadenhauer 2010, S. 291).

9 Der Szene-Begriff sei jedoch nicht als modisches Synonym für jede Art von Jugendkultu-ren schlechthin zu verstehen, so Hitzler (2008). Auch weiterhin gebe es Subkulturen, ju-