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H. G. Jacobs, S. Lehnert, Ergebnisse nach Zungenteilresektionen bei Ratten 429 Aus der Kieferchirurgischen Abteilung der Klinik und Poliklinik fiir Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten der Universit~it G6ttingen (Direktor" Prof. Dr. Dr. Th. K i r s c h) und der Poliklinischen Abteilung fiir chirurgische Zahrr-, Mund- und Kieferheilkunde der Klinik und Poliklinik ftir Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten der Universit~it Bonn (Direktor: Prof. Dr. Dr. S. L e h n e r t) Klinische und histologische Ergebnisse nach Zungenteilresektionen bei Ratten Von H. G. Jacobs, GiJttingen, und S. Lehnert, Bonn ~ Mit 9 Abbildungen Zur Beurteilung von Zungenteilresektionen als alleinigen oder zus~itzlichen therapeutischen Eingriff bei Dysgnathien haben wir die Frage nach eventueller Regeneration der Zungenmuskulatur nach einem solchen operativen Eingriff in den Mittelpunkt unserer tierexperimentellen Untersuchungen gestellt. Eine vollst/indige regenerative Wiederherstellung der ursprfinglichen Zun- genform wiirde die operative ZungenverkIeinerung als tiberfltissig und wider- sinnig ersche~nen tassen, Der Bewegungsapparat der Zunge besteht histologisch au.s einem regel- m/il~ig gebauten Gefiige quergestreifter Muskulatur. Das lockere intermusku- 1/ire Bindegewebe enth/ilt vielfach Fettgewebsl/ippchen, ferner Driisenpakete. Die Zungenbinnenmuskulatur bildet ein dreidimensionales Gitter von Muskel- fasern, unter denen Muskelspindeln vorkommen (B a r g m a n n 1956). Den Begriff der Regeneration definiert Sandritter (1967) als ,Bildung von organspezifischem Ersatzgewebe". Geht eine Gewebsstruktur zu- grunde, so kann sie nach R o t t e r und L a p p (1958) von iiberlebenden, angrenzenden Zellen regeneriert werden. Wir danken Herrn Prof. Dr. A. H a s s e I b 1a t t und Herrn Akad. Oberrat Dr. H. d a I R i vom Pharmakologischen Institut der Universit~it G6ttingen ftir ihre freundliche Unter- sttitzung. Wir danken Herrn Prof. J. L i n z b a c h vom Pathologischen Institut der Universit/it G6ttingen fiir die Erstellung und Befundung der histologischen Pr~iparate. Der Zahn~irztekammer Niedersachsen soll an dieser Stelle fiir ihre finanzielle Unter- sttitzung zur Durchftihrung der dargelegten Untersuchungen gedankt werden.

Klinische und histologische Ergebnisse nach Zungenteilresektionen bei Ratten

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H. G. Jacobs, S. Lehnert, Ergebnisse nach Zungenteilresektionen bei Ratten 429

Aus der Kieferchirurgischen Abteilung der Klinik und Poliklinik fiir Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten der Universit~it G6ttingen (Direktor" Prof. Dr. Dr. Th. K i r s c h) und der Poliklinischen Abteilung fiir chirurgische Zahrr-, Mund- und Kieferheilkunde

der Klinik und Poliklinik ftir Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten der Universit~it Bonn (Direktor: Prof. Dr. Dr. S. L e h n e r t)

Klinische und histologische Ergebnisse nach Zungenteilresektionen �9 bei Ratten

Von H. G. Jacobs, GiJttingen, und S. Lehnert, Bonn ~

Mit 9 Abbildungen

Z u r Beur te i lung von Z u n g e n t e i l r e s e k t i o n e n als a l l e in igen o d e r zus~itzlichen the rapeu t i schen Eingr i f f be i D y s g n a t h i e n h a b e n wi r d ie F rage nach e v e n t u e l l e r R e g e n e r a t i o n de r Z u n g e n m u s k u l a t u r nach e i n e m solchen o p e r a t i v e n Eingr i f f in den M i t t e l p u n k t u n s e r e r t i e r e x p e r i m e n t e l l e n U n t e r s u c h u n g e n ges te l l t .

Eine vol l s t / ind ige r e g e n e r a t i v e W i e d e r h e r s t e l l u n g de r u r sp r f ing l i chen Z u n - g e n f o r m wi i rde d ie o p e r a t i v e Z u n g e n v e r k I e i n e r u n g als t iberf l t i ss ig u n d w i d e r - s inn ig ersche~nen tassen,

Der B e w e g u n g s a p p a r a t de r Z u n g e b e s t e h t h i s to log i sch au.s e inem rege l - m/il~ig g e b a u t e n Gef i ige q u e r g e s t r e i f t e r M u s k u l a t u r . Das lockere i n t e r m u s k u - 1/ire B i n d e g e w e b e enth/ i l t v ie l fach Fe t tgewebs l / ippchen , f e r n e r D r i i s e n p a k e t e . Die Z u n g e n b i n n e n m u s k u l a t u r b i l de t e in d r e i d i m e n s i o n a l e s G i t t e r von M u s k e l - fasern , u n t e r d e n e n M u s k e l s p i n d e l n v o r k o m m e n (B a r g m a n n 1956).

D e n Begr i f f de r R e g e n e r a t i o n de f in ie r t S a n d r i t t e r (1967) als , B i l d u n g von o rganspez i f i schem E r s a t z g e w e b e " . G e h t e ine G e w e b s s t r u k t u r zu- g runde , so k a n n sie nach R o t t e r u n d L a p p (1958) von i i b e r l e b e n d e n , a n g r e n z e n d e n Ze l l en r egene r i e r t we rden .

Wir danken Herrn Prof. Dr. A. H a s s e I b 1 a t t und Herrn Akad. Oberrat Dr. H. d a I R i vom Pharmakologischen Institut der Universit~it G6ttingen ftir ihre freundliche Unter- sttitzung.

Wir danken Herrn Prof. J. L i n z b a c h vom Pathologischen Institut der Universit/it G6ttingen fiir die Erstellung und Befundung der histologischen Pr~iparate.

Der Zahn~irztekammer Niedersachsen soll an dieser Stelle fiir ihre finanzielle Unter- sttitzung zur Durchftihrung der dargelegten Untersuchungen gedankt werden.

430 Fortschritte der Kieferorthop~idie 36 (1975) 429--442

Nach H a m p e r 1 (1960) geht der Ersatz verlorengegangenen Gewebes, die Regeneration, yon den Zellen aus, die innerhalb des ver~inderten Bezirkes noch ,normal" geblieben sind, zum anderen Teil oft yon denjenigen der unmittel- baren Umgebung. Relativ einfach ist die Regeneration dann, wenn unter gleich- artigen Zellen nur e i n z e 1 n e zugrundegehen. Durch Teilung benachbarter Zellen werden ausgefallene Elemente ersetzt. Viel lebhafter muf~ jedoch die Regeneration sein, wenn gr~51~ere Abschnitte der Gewebe zerst~Srt oder reseziert worden sind. Durch die regeneratorische Wucherung ent.stehen dann zahlreiche neue Zellen, die den Defekt ausf/illen und sich in ihm zu einern Gewebe an- ordnen, das grot~e ~hnlichkeit mit der Urspr~inglichen Struktur aufweist.

Aber nicht immer endet die Regeneration mit der Bildung eines vollkomme- nen Ersatzes. Embryonale oder junge Gewebe regenerieren viel ausgiebiger als fertig ausgebildete Strukturen. Grunds/itzlich ist zu sagen, dat~ die F~ihigkeit eines Gewebes zum Aufbau eines der Regel.struktur funktionell und gestaltlich ad~iquaten Regenerates umso geringer ist, je h/Sher und spezifischer seine Zellen entwickelt und ausdifferenziert sind. Die Regeneration ist weiterhin abh~ingig yon der Ern~ihrung bzw. der Blutversorgung des Gewebes und seiner ungest6r- ten Innervation.

An der Regeneration der quergestreiften Skelett- und somit auch der Zun- genmu.skulatur nach Durchtrennung oder Resektion ist nach H a m p e r 1 (1960) hie die quergestreifte Substanz, sondern nur das Sarkoplasma der Mus- kelzellen beteiligt. Es bilden sich kolbige Anschwellungen, die zahlreiche Kerne enthalten und oft Riesenzellen ~ihnlich sind (sog. Muskelknospen) sowie schmale Fasern. Diese Fasern bleiben jedoch in der Regel rudiment~ir, vereini- gen die Muskelenden nicht miteinander und erhalten nur undeutliche Quer- streifung. Defekte in Muskulatur werden daher haupts/ichlich durch Binde- gewebe verschlossen.

Im anatomisch-pathologischen Sinn ist die Regeneration durchaus als grund- s~itzlich positiv aufzufassende Gewebsreaktion anzusehen. Im weiteren Verlauf nach einer durchgef/ihrten Zungenteilresektion zur Beeinflus.sung von Dysgna- thien ist aber das Auftreten einer derartigen Muskelregeneration nicht er- w/inscht. Man mag entgegenhalten, dal~ eine Regeneration schon aus dem Grund nicht eintreten wird, weil nach der/iblichen Schnittf~ihrung nach einer Zungenteilresektion glatte Wundr~inder aneinanderliegen und keine Gewebs- defekte oder Nekrosen erkennbar sind. Im histolog~schen Sinn wird man aber Blutansammlungen zwischen diesen Wundfl~ichen mit sp~teren Resorptions- erscheinungen, Ausbildung eines Granulationsgewebes und das Auftreten yon Gewebsregeneraten nicht ganz verhindern k~Snnen, die dann eventuell auch klinisch-makroskopisch ins Auge fallen k6nnen.

Tierexperimentelle Untersuchungen zu dieser Fragestellung wurden bereits yon B e c k e r (1966) durchgefiJhrt. Bei 3 Ratten im Alter von 35 Tagen wurde eine Keilresektion im Bereich der Zungenspitze vorgenommen. Eine Unter- suchung der Tiere 4 Wochen nach der Operation hatte ein ,,teilweises Nach-

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wachsen" der verkiirzten Zungen gezeigt, das aber nicht in Met]werten ange- geben wurde.

B e c k e r und V (51 k e 1 (1972) berichteten spater/iber tierexperimentelle Untersuchungen bez~iglich der Wachstumswirkung von Zungen.

Material und Methodik

Ziel unserer tierexperimentellen Untersuchungen war es, im Anschlul~ an operative Zungenverkleinerungen die eventuelle Regenerati6n der Zungen- muskulatur durch klin~sch-makroskopische Messungen und durch hi,stologische Untersuchungen im Resektionsbereich zu objektivieren bzw. auszuschlie~en.

Fiir unsere Untersuchungen standen 40 Ratten zur Verfi/gung. Bei den Ratten unterscheidet man zwischen der wilden norwegischen und der wei~en albinotischen Ratte (C o h r s, J a f f e und M e e s e n 1958). Wir verwende- ten die weit~en Ratten, die in grot~en amerikanischen Versuchsserien aus dem Wistar Institute als Stamm ,Wistar /TNO/W 70 SPF" geziichtet wurden, yon denen wir nur gleichaltrige m~innliche Tiere nahmen. Wir erhielten die Ratten am 40. Lebenstag und fi/hrten nach 2 Tagen Umgebungsgew6hnung die Zun- genkeilresektionen durch.

Die Operationen wurden jeweils in intraperitonealer Narkose mit Nembutal (35 mg/kg K6rpergewicht) durchgef/ihrt. So wurde bei 20 Ratten die Zungen- verkleinerung im Sinne einer Keilresektion nach R h e i n w a I d (1957) vor- genommen, wobei die Basis des Keils an der Zungenspitze lag. Auf die Anle- gung von B u r o w'schen Dreiecken im Bereich des Zungenr/ickens nach B e c k e r (1966) konnten wir wegen der kleinen anatornischen Verh~iltnisse verzichten, ohne dat~ es dadurch zur F~iltelung des Gewebes gekommen ist.

Nach Auflage einer gleichschenkligen Metallschablone (Basis 4 mm, Schenkel 6 mrn lang) (Abb. 1) resezierten wir jeweils m6glich.st gleichgrot~e Muskelkeile. Der Schnitt wurde vertikal durch die Masse der Zungenmuskulatur gef/ihrt. Mit Hilfe von Suprarenin konnte in allen F~illen eine gute Blutstillung erzieh werden. Nach jeweils 2 Muskeln~ihten mit Catgut (3 X0) wurden die Resek-

J I

0 10 Abb. 1. Gleichschenkliger Ma~stab zur gleichm/i~igen Zungenteilresektion bei Ratten;

Angabe in mm

432 Fortschritte der Kieferorttiop~idie 36 (1975) 429--442

Tabelle I. Trockengewicht des dutch Keilresektion entfernten Zungenanteils bei Ratten im Alter von 42 Tagen in mg

10,5 10,6 7,9 7,8 8,1 8,0 7,8 7,9 7,6 7,7 6,0 5,9 7,2 7,0 6,1 6,3 4,0 4,3 5,6 5,3

Durchschnitt: 7,1

Abb. 2. Zungenriicken einer 42 Tage alten Ratte

tionsfl~ichen de r Z u n g e n m i t Dexon-N~ih t en (2 X 0) - - jewei ls i n s g e s a m t 5 N~ihte versch lossen . D a s T r o c k e n g e w i c h t des ke i l r e s ez i e r t en Zungenan t~ i l s w u r d e b e s t i m m t

(Tab. I) ; es b e t r u g durchschni t t l ich 7,1 rag.

H. G. Jacobs, S. Lehnert, Ergebnisse nach Zungenteilresektionen bei Ratten 433

Tabelle II. Klinische Ausmessung der Zungen von Ratten im Alter yon 42 Tagen trans- versal anterior, transversal posterior und sagittal in mm

transversal anterior transversal posterior sagittal

6,0 7,0 17,0 6,0 7,0 17,5 6,0 7,0 17,5 6,0 6,2 16,8 5,5 7,5 16,8 6,0 6,9 17,0 5,0 6,9 17,5 5,0 6,9 16,5 5,5 7,0 16,7 5,5 7,0 17,0

Durchschnitt : 5,65 Durchschnitt: 6,94 Durchschnitt : 17,03

Tabelle III. Trockengewicht der Zungen yon Ratten ira Alter yon 42 Tagen in mg

103,8 95,9 99,3 99,9 99,7 99,2 98,9 99,9 98,6

100,1

Durchschnitt: 99,53

Um einen Ausgangswert hinsichtlich Zungengewicht und Zungenl~inge zu diesem Zeitpunkt zu erhalten, wurden zus~itzlich 10 Ratten im Alter von 42 Tagen get6tet. Die Zungen wurden im Bereich des Foramen caecum durch ver- tikale Schnittf/ihrung reseziert; Abb. 2 zeigt den R/Jcken einer Rattenzunge, der die eindeutige Lage des Foramen caecum veranschaulicht und dokumentiert, dat~ in diesem Bereich eine relativ exakte Resektion durchgefiJhrt werden kann.

In Tab. II wird da.s klinische Ausmat~ der Rattenzungen im Alter von 42 Tagen gezeigt; die durch.schnittlichen Mat]e waren demnach folgende: anteriore Breite (1 mm hinter der Zungenspitze) = 5,65 mm, posteriore Breite (an der Resektionsfl~iche) = 6,94 mm und L~inge (Zungenspitze bis Foramen caecum) = 17,03 mm.

Das Trockengewicht dieser Zungen (Tab. III) betrug durchschnittlich 99,53 mg; im Vergleich zu Tab. I wurde demnach bei unserer Keilresektion durch- schnittlich 7 ~ des Zungengewebes entfernt.

Von den 20 operierten Ratten wurden 10 Ratten jeweils im Abstand von

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7 Tagen get/Stet, um den Heilungsverlauf im Bereich der Zungenspitze nach der Zungenverkleinerung feingeweblich zu unter.suchen.

Die anderen 10 operierten Ratten wurden erst im Alter von 119 Tagen, das entspricht 77 Tage nach der Operation, get~Stet. Wir w~ihlten diesen Zeitpunkt, da die Ratten jetzt als ausgewachsen anzusehen .sind; dies best~itigten auch die t~iglichen Gewichtskontrollen, wonach jetzt keine Zunahme mehr feststellbar war, so dan auch das Zungenwachstum als abgeschlossen betrachtet werden konnte.

Es standen uns weitere 10 Ratten zu klinischen Vergleichen zur Verfiigung, bei denen kein Eingriff vorgenommen worden ist.

Ergebnisse der klinisdaen Untersuchungen

Der prim~ire Heilungsverlauf war bei allen operierten Ratten komplikations- los. Die Dexonn~hte waren 9 bis 10 Tage nach der Operation resorbiert und die Operationswunden im Bereich der Zungenspitzen jeweils ohne Dehiszenz prim~ir verheilt.

Im Alter von 119 Tagen wurden sowohl 10 operierte Tiere, also 77 Tage nach dem Eingriff, als auch 10 Kontrolltiere gettStet.

Die Zungen dieser 20 Ratten wurden wiederum im Bereich des Forarnen caecum durch vertikale Schnittfiihrung reseziert.

In Abbildung 3 werden zum direkten klinischen Vergleich eine operativ ver- kleinerte und eine nicht operierte Zunge nebeneinander gezeigt.

Die anschliet~end durchgefiihrten klinisch-metrischen Untersuchungen sollen

Abb. 3, Vergleich yon je einer Zunge mit und ohne Teilresektion bei Aufsichtprojektion, Alter der Ratten 119 Tage

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die unterschiedlichen Mal~e der operierten und der nicht operierten Zungen objektivieren.

In Tabelle IV wird die anteriore Breite 1 m m hinter der Zungenspi tze auf- gefiJhrt. Die durchschnittliche anteriore Breite der Zungen 77 Tage nach Teil- resektion betrug 6,35 mm, die der nicht operier ten Zungen 7,10 ram. Dieser Unterschied ist mit einem t -Wer t von 2,83 signifikant bei ei.ner Irrtum, swahr- scheinlichkeit von 2 %.

In Tabelle V wird die posteriore Breite an der Resektionsfl~iche im Bereich des Foramen caecum dargelegt. Die durchschnittliche posteriore Breite der Zun- gen 77 Tage nach Teilresektion betrug hier 8,95 ram, die der Zungen ohne Operat ion 10,20 mm. Dieser Unterschied ist statistisch nicht signifikant.

In Tabelle VI wird die L~inge der Zungen v o n d e r Zunger~spitze bis zum Foramen caecum aufgefiJhrt. Die durchschnittliche L~inge der Zungen 77 Tage nach Teilresektion betrug 18,95 ram, die der nicht resezierten Zungen 22,40

Tabelle IV. Klinische Ausmessung der Zungen transversal anterior in mm

ohne Zungenteilresektion mit Zungenteilresektion

7,0 6,5 7,0 5,0 7,0 7,5 7,0 6,0 7,0 6,0 7,0 5,5 7,0 7,0 7,0 7,0 7,0 7,0 8,0 6,0

Durchschnitt: 7,10 Durchschnitt: 6,35 Differenz: 0,75 t-Wert = 2,83 p~2 ~

Tabelle V. Klinische Ausmessung der Zungen transversal posterior in mm

ohne Zungenteilresektion mit Zungenteilresektion

11,0 9,0 10,5 8,0 11,0 9,0 11,0 9,0 10,5 9,0

9,5 9,0 9,5 9,0 9,5 9,0 9,5 9,5

10,0 9,0

Durchschnitt: 10,20 Durchschnitt: 8,95 Differenz: 1,25 t-Wert ---- 1,25 nicht signifikant

436 Fortschritte der Kieferorthop~idie 36 (1975) 429--442

Tabelle VI. Klinische Ausmessung der Zungen sagittal in mm

ohne Zungentei l resekt ion mit Zungentei l resekt ion

22,0 18,0 22,0 18,5 22,0 19,5 22,5 18,0 22,0 19,5 24,0 19,0 23,0 19,0 22,0 19,5 22,0 19,5 22,5 19,0

Durchschnitt : 22,40 Durchschnitt : 18,95 Differenz: 3,45 t -Wer t = 12,8 p ~ l ~

Tabelle VII. Trockengewicht der Zungen in mg

ohne Zungentei l resekt ion mit Zungentei l resekt ion

200,1 154,3 176,5 174,5 189,2 166,1 186,8 171,7 175,3 168,0 181,8 167,9 190,0 167,1 192,2 175,6 188,8 166,1 182,3 168,1

Durchschnitt : 186,30 Durchschnitt : 167,94 Differenz: 18,36 t -Wert = 5,4 p ~ l ~

ram. Dieser Unterschied ist mit einem t-Wert von 12,8 statistisch signifikant bei einer Irrtumswahrscheinlichkeit yon 1 % .

Augerdem wurde das Trockengewicht dieser 20 Zungen mit der Analysen- waage bestimmt (Tab. VII). Das durchschnittliche Trockengewicht der Zungen 77 Tage nach Teilresektion betrug 167,94 mg und das der Zungen 9hne Opera- tion 186,30 rag. Dieser Unterschied ~st mit einem t-Wert yon 5,4 statistisch sig- nifikant bei einer Irrtumswahrscheinlichkeit yon 1 % .

Ergebnisse der histologischen Untersuchungen

Von 10 Ratten mit operativer Zungenverkleinerung wurde je eine im Ab- stand yon 7 Tagen (die erste Ratte am 7. postoperativen Tag, die zweite Ratte am 14. Tag etc.) get6tet. Die Zungen wurden im Bereich des Foramen caecum

H. G. Jacobs, S. Lehnert, Ergebnisse nach Zungenteilresektionen bei Ratten 437

Abb. 4. L~ingsschnitt dutch Zungenspitze einer Ratte 7 Tage nach Zungenverkleinerung, Vergr61~erung 40:1, HE-F~irbung

Abb. 5. Ausschnittsvergr61~erung yon Pr~iparat wie in Abb. 4, Vergr6flerung 100:1, HE-F/irbung

dutch vertikale Schnittf~ihrung reseziert. Hiervon wurden horizontale Gewebs- schnitte angefert igt und H~imatoxilin-Eosin gef~irbt.

In Abbi ldung 4 wird der Bereich der Zungenspi tze 7 Tage nach durchgefiihr-

438 Fortschritte der Kieferorthop~idie 36 (1975) 429--442

Abb. 6. L~ingsschnitt durch Zungenspitze einer Ratte 28 Tage nach Zungenverkleinerung, Vergr~Sflerung 40:1, HE-Fgibung

Abb. 7. Ausschnittsvergr~t~erung yon Pr~iparat wie in Abb. 6, Vergrtil~erung 100:1, HE-Fiirbung

ter Zungenverkleinerung bei 40facher Vergr/51~erung gezeigt. Es findet sich im medialen Operationsbereich eine intakte verdickte Epithelschicht (ca. 10 Zell- lagen) ohne basale Papillenformation. Das subepitheliale Gewebe besteht aus Bindegewebe entsprechend einer sog. , fr ischen Narbe" und ist insgesamt fast

H. G. Jacobs, S. Lehnert, Ergebnisse nach Zungenteilresektionen bei Ratten 439

Abb. 8. L~ingsschnitt durch Zungenspitze einer Ratte 70 Tage nach Zungenverkleinerung, Vergr6~erung 40:1, HE-F~irbung

keilf6rmig in die angrenzende praexistente Muskulatur eingelagert. Es besteht au.s reichlich Fibrozyten, kleinen Gef~it~en und vielen Mastzellen. Reaktive Ver- ~inderungen an der randst~indigen Muskulatur sind nicht festzustellen. Die Muskelzellen erscheinen im Grenzbereich ,,wie abgeschnitten". Abbildung 5 demonstriert diesen Befund bei st~irkerer Vergr6t~erung.

In Abbildung 6 wird der Bereich der Zungenspitze einer Ratte 4 Wochen nach Zungenteilresektion demonstriert. Es findet sich wieder eine intakte, ver- dickte Epitheldecke ohne basale papill~re Formation. Das .subepitheliale Ge- webe besteht in diesem Bereich wieder aus Bindegewebe mit Fibrozyten und Mastzellen; der Gef~i~anteil ist geringer. Reaktionen an der randst~indigen Muskelschicht sind nicht feststellbar. Tief in diesem narbigen Bindegewebe findet sich eine fast kreisrunde Ver/inderung, die bei st~irkerer Vergr6t~erung in Abbildung 7 besser zu erkennen ist. Es handelt sich um eine halbmondf6rmig angelagerte Epithelschicht mit Fliissigkeitssekretion, die dem histologischen Bild einer Epidermoidzyste entspricht. Die Epitheleinlagerung in das Binde- gewebe ist m6glicherweise wahrend der Operation erfolgt.

In Abbildung 8 wird der Bereich der Zungenspitze einer Ratte 70 Tage nach der Operation gezeigt. Die Epithelschicht ist etwas schmaler geworden (ca. 7 bis 8 Zellagen). Das subepitheliale Gewebe entspricht im ehemaligen Opera- tionsbereich einer ,alten Narbe", ist nahezu gef~it~los und enth~ilt kollagene Fasem. Die gesamte bindegewebige Schicht ist wesentlich schmaler ausgebildet. Zellinfiltrationen entzfindlichen Charakters k6nnen nicht gefunden werden. Auch hier finden sich einige versprengte Epithelreste im subepithelialen Ge- webe (st~irkere Vergr6t~erung in Abbildung 9). Regenerative Ver~inderungen an der randst~indigen Muskulatur sind auch hier nicht festzustellen.

440 Fortschritte der Kieferorthop~idie 36 (1975) 429--442

Abb. 9. Ausschnittsvergr6f~erung yon Pr/iparat wie in Abb. 8, Vergr6t~erung 100:1, HE-F~irbung

Diskussion der Ergebnisse

Die klinisch-metrischen Ergebni~sse unserer tierexperimentellen Unter- suchungen bei Ratten ergaben, daf~ nach Abschlut~ der Wachstumsperiode an Zungen nach operativer Verkleinerung im Alter von 42 Tagen gegenfiber nicht operierten Zungen eine klinisch objektivierbare, bleibende Verkleinerung fest- stellbar war.

In der Breitenau.sdehnung der Zungen (Tab. IV und V) war dieser Unter- schied weniger evident. Besonders auffallend war jedoch die unter.schiedliche L~inge mit einer starken Verkiirzung der operierten Zungen (signifikant bei einer Irrtumswahrscheinlichkeit yon 1 0/~). Die durchschnittlichen Trocken- gewichte (Tab. VII)differierten in/ihnlich statistisch signifikanter Weise.

Die bei 10 weiteren Ratten nach Zungenteilresektion durchgefiihrten histo- logischen Reihenuntersuchungen mit festge.setztem zeitlichen Abstand zeigten den typischen Ablauf der Entstehung und Ausbildung eines Narbengewebes im Resektionsbereich. Regenerative Prozesse von seiten der randst~indigen, pr~iexistenten Muskulatur zur l~lberbrtickung der bindegewebigen Zwischen- .schicht bzw. zur Ersatzlieferung der operativ entfernten Mu.skelmasse konnten in keinem Pr~iparat gefunden werden. Auch eine kompensatorische funktio- nelle Hypertrophie der angrenzenden Muskelpartien konnte ausgeschlossen werden.

Diese Untersuchungen zeigen im Tierversuch, dab nach operativer Zungen- verkleinerung nicht fiber eine regenerative Wiederherstellung der randst~indi- gen Muskulatur mit der Entwicklung der urspriinglichen Zungenform und

H. G. Jacobs, S. Lehnert, Ergebnisse nach Zungenteilresektionen bei Ratten 441

Zungengr (5 t ]e zu r e c h n e n ist. A l l e o p e r i e r t e n Z u n g e n b l i e b e n auch nach A b l a u f

d e r W a c h s t u m s p e r i o d e k l e i n e r als d ie n i ch t o p e r a t i v v e r k l e i n e r t e n . U n s e r e f e i n g e w e b l i c h e n U n t e r s u c h u n g e n bes t~ i f igen d ie F e s t s t e l l u n g , dat~

D e f e k t e in d e r M u s k u l a t u r haupts~ichl ich y o n B i n d e g e w e b e v e r s c h l o s s e n w e r -

d e n u n d d a m i t e ine r e g e n e r a t i v e W u c h e r u n g d e r r a n d s t ~ i n d i g e n M u s k u l a t u r k l in i sch u n d h i s t o l o g i s c h zu ve rnach l~ i s s igen i s t (s. b. H a m p e r 1 1960) . N a c h A n s i c h t v o n L i n z b a c h g i b t es o h n e h i n k e i n e ech te R e g e n e r a t i o n d e r q u e r -

g e s t r e i f t e n S k e l e t t m u s k u l a t u r , b e s t e n f a l l s r e a k t i v e V e r ~ i n d e r u n g e n i m S i n n e v o n k o l b i g e n A n s c h w e l l u n g e n an d e n Wundf l~ i chen d e r M u s k e l s c h i c h t .

Zusammenfassung

Die Zungenteilresektion kann nur dann als therapeutische Maf~nahme bei der Behand- lung yon Progenien und offenen Bissen als erfolgversprechend angesehen werden, wenn es nicht nach der operativen Verkleinerung zu einer Regeneration der Zungenmuskulatur mit Wiederherstellung der ehemaligen Form und Gr6t]e kommt. Anhand yon tierexperimen- tellen Untersuchungen konnten wir nach Teilresektionen yon Rattenzungen eine Regene- ration der Zungenmuskulatur durch klinisch-metrische und feingewebliche Untersuchungen ausschliel~en und von dieser Seite aus bei entsprechender Indikationsstellung den Wert der operativen Zungenverkleinerung objektivieren.

Summary

In the treatment of prognathism and open anterior bite the partial resection of the tongue can only be considered successful as a therapeutic measure if a regeneration of the lingual muscles with a return to the former shape and size does not take place after the surgical resection.

By means of partial resection of the tongues of rats we could exclude a regeneration of the lingual muscles by clinical, linear and cellular examinations. From this point of view we could show the importance of surgical resection of the tongue in selected cases.

R~sum~

La r6section partielle de la langue, consid6r6e comme un moyen th6rapeutique dans le traitement de la prognathie inf6rieure et de la b4ance vraie, peut constituer un succ~s, si apr6s l'op6ration, elle n'est pas suivie d'une r6g6n6ration de la musculature linguale redon- nant forme et grandeur primitive ~ cet organe.

Par l 'exp6rimentation animale, les auteurs ont pu d6montrer h l 'aide de recherches clini- ques, m6triques et tissulaires qu'une telle r6g6n6ration musculaire ne se produisait pas apr~s glossotomie chez le rat.

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Strafge 5, Pr iv . -Doz. Dr. Dr. H. G. J a c o b s , 34 G6 t t ingen ,