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Flüssigkeitsmotoren DOI: 10.1002/ange.201104261 Komplexe Formen und Dynamik von Dichlormethan-Tropfen** VȖronique Pimienta,* Michŕle Brost, Nina Kovalchuk, Stefan Bresch und Oliver Steinbock* Es gibt ein wachsendes Interesse an synthetischen chemi- schen Systemen, die in der Lage sind, eigenstȨndig FormȨn- derungen und Bewegungen auszufɒhren. [1] Wichtige Bei- spiele umfassen feste Objekte wie katalytische Au/Pt-Nano- stȨbchen, [2] mechanisch (re)agierende, durch oszillierende Reaktionen angetriebene Gele, [3, 4] und flɒssige Systeme, in denen Eigenbewegung durch OberflȨchenspannungsgradi- enten induziert wird. [57] Die letztgenannte Klasse von Sys- temen umfasst Arbeiten ɒber Iod/Iodid-haltige Ȕltrçpfchen auf GlasoberflȨchen in wȨssrigen Lçsungen von Stearyltri- methylammoniumchlorid [8] sowie Tropfenbewegung auf Al- kylsilan-behandelten SiliciumoberflȨchen mit rȨumlichen BenetzungsverȨnderungen. [9] Trçpfchenbewegung an Luft-Wasser-GrenzflȨchen wird ɒblicherweise durch den Marangoni-Effekt hervorgerufen, der durch Temperatur- oder Konzentrationsgradienten be- dingt ist. [10] Ein typisches Beispiel sind Pentanoltrçpfchen auf einer WasseroberflȨche, die abhȨngig vom Trçpfchenvolu- men erratische oder unidirektionale Bewegungen ausfɒhren und dementsprechend sehr unorganisierte Formen von Trçpfchenspaltung zeigen. [11] Diese Spaltung kann von der Millimeterskala bis hinunter zu nanoskaligen Micellen auf- treten. [12] Hier untersuchen wir die Dynamik von wassergesȨttigten Dichlormethantrçpfchen (CH 2 Cl 2 , 25 mL) auf wȨssrigen Ce- tyltrimethylammoniumbromid(CTAB)-Lçsungen. Abbil- dung 1 zeigt ein qualitatives Phasendiagramm, das die ma- kroskopische Dynamik im CH 2 Cl 2 /CTAB-System in AbhȨn- gigkeit von der Reaktionszeit und der Tensidkonzentration beschreibt. Die Daten sind reprȨsentativ fɒr den jeweils vierten und fɒnften zugefɒgten Tropfen. Das Diagramm zeigt die Vielzahl von komplexen Trçpfchenformen und -dynami- ken, die von uns als die signifikantesten identifiziert wurden. Fɒr jede Konzentration haben wir die Dynamik von fɒnf aufeinander folgenden Tropfen studiert. Im Allgemeinen zeigen diese Dichlormethan akkumulierenden Experimente keine erkennbaren Unterschiede, jedoch weisen die vierten und fɒnften Trçpfchen Abweichungen von ihren VorgȨngern wȨhrend der spȨten Phase des Auflçsens auf. Diese verȨn- derte Dynamik Ȩhnelt typischerweise dem Verhalten von Tropfen geringfɒgig grçßerer CTAB-Konzentration. Die Lebenszeit der Dichlormethantropfen variiert syste- matisch zwischen 20 und 90 s. Diese große Spanne ist haupt- sȨchlich in Ɛnderungen der Induktionsperiode zu Beginn begrɒndet, wȨhrend der die Trçpfchen stationȨr sind und einen kreisfçrmigen Rand haben. Komplexe PhȨnomene treten nur fɒr Tensidkonzentrationen oberhalb eines kriti- schen Wertes [CTAB] krit. 0.25 mmol L 1 auf. In Abwesen- heit von Tensiden oder unterhalb von [CTAB] krit. verbreitern sich die Trçpfchen ɒber eine grçßere FlȨche und lçsen sich schnell (< 15 s) – ohne bemerkenswerte makroskopische Ef- fekte – auf. Fɒr Tensidkonzentrationen nahe [CTAB] krit. (linke Spalte in Abbildung 1) sind die anfȨnglichen Dichlor- methantrçpfchen relativ flach. Außerdem beobachten wir, dass die WasseroberflȨche um das Trçpfchen einen schei- benfçrmigen Film trȨgt. Die makroskopische Dynamik um- fasst einige nacheinander ablaufende Phasen: WȨhrend der ersten Phase zerbricht die Kante des Filmes in kleine Trçpf- chen, die kontinuierlich ausgestoßen werden und schnell verschwinden. Anschließend bewegt sich der Tropfen abrupt weg vom Zentrum des Filmes und mançvriert vor und zurɒck entlang einer nahezu stationȨren Line. WȨhrend dieser late- Abbildung 1. Qualitative Beschreibung der Evolution im CH 2 Cl 2 /CTAB- System bei fɒnf Konzentrationen des Tensids CTAB. Die typische Le- bensdauer des sich auflçsenden Trçpfchens betrȨgt zwischen 20 und 90 s. Die Zeitachse ist nicht skaliert, sondern betont die Abfolge cha- rakteristischer ZustȨnde. Pfeile deuten in die Rotationsrichtungen der Tropfen um deren geometrisches Zentrum. Der Doppelpfeil zeigt an, dass sich der Tropfen vor und zurɒck entlang einer festen Linie bewegt. Die Grçße der Bildausschnitte betrȨgt jeweils 13 ň 13 mm 2 . [*] Prof.Dr. V. Pimienta, Dr. M. Brost UPS, IMRCP, UniversitȖ de Toulouse 118 route de Narbonne, 31062 Toulouse Cedex 9 (France) E-Mail: [email protected] S. Bresch, Prof. Dr. O. Steinbock Department of Chemistry and Biochemistry Florida State University, Tallahassee, FL 32306-4390 (USA) E-Mail: [email protected] Dr. N. Kovalchuk Institute of Biocolloid Chemistry 42, Vernadsky av., 03142 Kiev (Ukraine) [**] Wir danken David Villa (SPI-FR BT) fɒr die Gegenlicht-Fotografie (Abbildungen 2 e,f und S1) und Jean-Claude Micheau fɒr Diskus- sionen. Wir danken außerdem dem CNES und der UFR PCA der UniversitȖ Paul Sabatier fɒr die finanzielle Unterstɒtzung. O.S. wird unterstɒtzt von der National Science Foundation (Fçrdernr. CHE- 0910657 und DMR-1005861). Hintergrundinformationen zu diesem Beitrag sind im WWW unter http://dx.doi.org/10.1002/ange.201104261 zu finden. A ngewandte Chemi e 10917 Angew. Chem. 2011, 123, 10917 –10920 # 2011 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

Komplexe Formen und Dynamik von Dichlormethan-Tropfen

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Page 1: Komplexe Formen und Dynamik von Dichlormethan-Tropfen

Fl�ssigkeitsmotorenDOI: 10.1002/ange.201104261

Komplexe Formen und Dynamik von Dichlormethan-Tropfen**V�ronique Pimienta,* Mich�le Brost, Nina Kovalchuk, Stefan Bresch und Oliver Steinbock*

Es gibt ein wachsendes Interesse an synthetischen chemi-schen Systemen, die in der Lage sind, eigenst�ndig Form�n-derungen und Bewegungen auszuf�hren.[1] Wichtige Bei-spiele umfassen feste Objekte wie katalytische Au/Pt-Nano-st�bchen,[2] mechanisch (re)agierende, durch oszillierendeReaktionen angetriebene Gele,[3,4] und fl�ssige Systeme, indenen Eigenbewegung durch Oberfl�chenspannungsgradi-enten induziert wird.[5–7] Die letztgenannte Klasse von Sys-temen umfasst Arbeiten �ber Iod/Iodid-haltige �ltrçpfchenauf Glasoberfl�chen in w�ssrigen Lçsungen von Stearyltri-methylammoniumchlorid[8] sowie Tropfenbewegung auf Al-kylsilan-behandelten Siliciumoberfl�chen mit r�umlichenBenetzungsver�nderungen.[9]

Trçpfchenbewegung an Luft-Wasser-Grenzfl�chen wird�blicherweise durch den Marangoni-Effekt hervorgerufen,der durch Temperatur- oder Konzentrationsgradienten be-dingt ist.[10] Ein typisches Beispiel sind Pentanoltrçpfchen aufeiner Wasseroberfl�che, die abh�ngig vom Trçpfchenvolu-men erratische oder unidirektionale Bewegungen ausf�hrenund dementsprechend sehr unorganisierte Formen vonTrçpfchenspaltung zeigen.[11] Diese Spaltung kann von derMillimeterskala bis hinunter zu nanoskaligen Micellen auf-treten.[12]

Hier untersuchen wir die Dynamik von wasserges�ttigtenDichlormethantrçpfchen (CH2Cl2, 25 mL) auf w�ssrigen Ce-tyltrimethylammoniumbromid(CTAB)-Lçsungen. Abbil-dung 1 zeigt ein qualitatives Phasendiagramm, das die ma-kroskopische Dynamik im CH2Cl2/CTAB-System in Abh�n-gigkeit von der Reaktionszeit und der Tensidkonzentrationbeschreibt. Die Daten sind repr�sentativ f�r den jeweilsvierten und f�nften zugef�gten Tropfen. Das Diagramm zeigtdie Vielzahl von komplexen Trçpfchenformen und -dynami-ken, die von uns als die signifikantesten identifiziert wurden.

F�r jede Konzentration haben wir die Dynamik von f�nfaufeinander folgenden Tropfen studiert. Im Allgemeinenzeigen diese Dichlormethan akkumulierenden Experimentekeine erkennbaren Unterschiede, jedoch weisen die viertenund f�nften Trçpfchen Abweichungen von ihren Vorg�ngernw�hrend der sp�ten Phase des Auflçsens auf. Diese ver�n-derte Dynamik �hnelt typischerweise dem Verhalten vonTropfen geringf�gig grçßerer CTAB-Konzentration.

Die Lebenszeit der Dichlormethantropfen variiert syste-matisch zwischen 20 und 90 s. Diese große Spanne ist haupt-s�chlich in �nderungen der Induktionsperiode zu Beginnbegr�ndet, w�hrend der die Trçpfchen station�r sind undeinen kreisfçrmigen Rand haben. Komplexe Ph�nomenetreten nur f�r Tensidkonzentrationen oberhalb eines kriti-schen Wertes [CTAB]krit.� 0.25 mmol L�1 auf. In Abwesen-heit von Tensiden oder unterhalb von [CTAB]krit. verbreiternsich die Trçpfchen �ber eine grçßere Fl�che und lçsen sichschnell (< 15 s) – ohne bemerkenswerte makroskopische Ef-fekte – auf. F�r Tensidkonzentrationen nahe [CTAB]krit.

(linke Spalte in Abbildung 1) sind die anf�nglichen Dichlor-methantrçpfchen relativ flach. Außerdem beobachten wir,dass die Wasseroberfl�che um das Trçpfchen einen schei-benfçrmigen Film tr�gt. Die makroskopische Dynamik um-fasst einige nacheinander ablaufende Phasen: W�hrend derersten Phase zerbricht die Kante des Filmes in kleine Trçpf-chen, die kontinuierlich ausgestoßen werden und schnellverschwinden. Anschließend bewegt sich der Tropfen abruptweg vom Zentrum des Filmes und mançvriert vor und zur�ckentlang einer nahezu station�ren Line. W�hrend dieser late-

Abbildung 1. Qualitative Beschreibung der Evolution im CH2Cl2/CTAB-System bei f�nf Konzentrationen des Tensids CTAB. Die typische Le-bensdauer des sich auflçsenden Trçpfchens betr�gt zwischen 20 und90 s. Die Zeitachse ist nicht skaliert, sondern betont die Abfolge cha-rakteristischer Zust�nde. Pfeile deuten in die Rotationsrichtungen derTropfen um deren geometrisches Zentrum. Der Doppelpfeil zeigt an,dass sich der Tropfen vor und zur�ck entlang einer festen Liniebewegt. Die Grçße der Bildausschnitte betr�gt jeweils 13 � 13 mm2.

[*] Prof. Dr. V. Pimienta, Dr. M. BrostUPS, IMRCP, Universit� de Toulouse118 route de Narbonne, 31062 Toulouse Cedex 9 (France)E-Mail : [email protected]

S. Bresch, Prof. Dr. O. SteinbockDepartment of Chemistry and BiochemistryFlorida State University, Tallahassee, FL 32306-4390 (USA)E-Mail : [email protected]

Dr. N. KovalchukInstitute of Biocolloid Chemistry42, Vernadsky av., 03142 Kiev (Ukraine)

[**] Wir danken David Villa (SPI-FR BT) f�r die Gegenlicht-Fotografie(Abbildungen 2e,f und S1) und Jean-Claude Micheau f�r Diskus-sionen. Wir danken außerdem dem CNES und der UFR PCA derUniversit� Paul Sabatier f�r die finanzielle Unterst�tzung. O.S. wirdunterst�tzt von der National Science Foundation (Fçrdernr. CHE-0910657 und DMR-1005861).

Hintergrundinformationen zu diesem Beitrag sind im WWW unterhttp://dx.doi.org/10.1002/ange.201104261 zu finden.

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10917Angew. Chem. 2011, 123, 10917 –10920 � 2011 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

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ralen Oszillationen bewirkt jede Richtungs�nderung denAusstoß einer Reihe kleinerer Trçpfchen. Nach einer Weilebeginnt der Tropfen sich stetig entlang eines kreisfçrmigenOrbits, grçßer als sein eigener Durchmesser, zu bewegen.Schlussendlich versiegt die gesamte Bewegung, der Tropfenwird wieder kreisfçrmig, wird kleiner und verschwindet.

Bei einer Tensidkonzentration von 0.5 mmolL�1 (zweiteSpalte in Abbildung 1) durchlaufen die Dichlormethantrop-fen eine �hnliche Sequenz von Bewegungsmustern. Aller-dings beginnt die Bewegung mit den vorher erw�hnten late-ralen Oszillationen und geht anschließend zur Trçpfchenro-tation �ber. Die rotierenden Tropfen stoßen dabei Trçpfchenaus, die Muster formen, welche Fibbonacci-Spiralen �hneln.Bei 1 mmol L�1 (dritte Spalte) pulsiert der urspr�nglicheTropfen periodisch, und seine Kante wird gut durch konzen-trische Kreise mit oszillierendem Radius beschrieben. W�h-rend dieser pulsierenden Bewegung verteilt sich der umge-bende Film periodisch und nahezu gewaltsam �ber grçßereDistanzen (siehe auch Abbildung 2a–d). Nahe der maxima-

len Ausdehnung zerbricht die Kante des Filmes in einen Ringaus typischerweise 20–30 Trçpfchen und produziert w�hrenddes Zur�ckprallens Muster, die an Entnetzungsstrukturenerinnern. Die Periode dieses phasengekoppelten Prozesses ist0.6–1 s. Anschließend transformiert sich der Tropfen in einegestreckte Struktur mit zwei scharfen Spitzen. Diese Strukturrotiert in eine zuf�llige, aber normalerweise konstante Rich-tung. Sp�ter bilden sich zus�tzliche Spitzen und kreierenasymmetrische Tropfenformen, die sich oft in rotierendeTropfen mit drei oder manchmal vier Spitzen umwandeln.Wir beobachten auch �hnliche Strukturen bei [CTAB] =

10 mmol L�1 (vierte Spalte); jedoch sind keine pulsierendenTropfen vorhanden, und Rotation dominiert diesen mittlerenKonzentrationsbereich.

F�r die hçchste Konzentration in Abbildung 1 zeigenDichlormethantropfen weder Pulsieren noch Rotation, habenaber einen polygonalen Rand, der einige kleine Spitzen auf-weist. Diese Spitzen bewegen sich unregelm�ßig entlang derTropfengrenzlinie und f�hren Ver�nderungen der Tropfen-gestalt herbei (Abbildung 2 e). Ein einzelnes kleines Trçpf-chen wird in radiale Richtung ausgestoßen, wenn zwei Spitzenkollidieren (Abbildung 2 f). �ber diesen Mechanismusdurchlaufen polygonale Tropfen sukzessive Transformationenhin zu einfacheren geometrischen Strukturen wie Sechsecken,F�nfecken und zum Schluss Quadraten.

In unseren Experimenten ist die Struktur mit l�ngsterLebensdauer der rotierende zweiarmige Tropfen. Abbil-dung 3a–d zeigt, dass die Tropfenform im Wesentlichenkonstant w�hrend seiner Bewegung bleibt. Wir charakteri-sierten seine translationale Bewegung durch Berechnung desgeometrischen Zentrums des „Mutter“-Tropfens und maßendie Rotation um seinen Mittelpunkt unter Verwendung einerKreuzkorrelationsmethode (siehe Hintergrundinformatio-nen). Die erhaltenen Daten (Abbildung 3e) zeigen, dass derTropfen 30 Rotationen im Verlauf von 15 s bei einer stetigenRotationsfrequenz von 1.9 Hz ausf�hrt. Gleichzeitig be-schreibt sein Zentrum eine scheinbar unregelm�ßige Trajek-torie (Einschub in Abbildung 3e), deren Ausdehnung deut-lich kleiner ist als die Grundfl�che des Tropfens. W�hrenddieser bemerkenswert stabilen Rotation schleudert derTropfen kleinere Trçpfchen von seinen Spitzen, mit Fre-quenzen von bis zu 30 Hz. Die Trajektorien dieser Trçpfchensind in Abbildung 3 f dargestellt (dunkle Punkte). Jedes„Tochter“-Trçpfchen bewegt sich ungef�hr 4 mm, flacht ge-ringf�gig ab, und zerf�llt anschließend in einige noch kleinereTrçpfchen (helle Punkte in Abbildung 3 f), die manchmalunter Bildung einer vierten (detektierbaren) Generationaufplatzen. Man beachte, dass die zweite Trçpfchengenerati-on radial ausgestoßen wird. Daher treibt der Trçpfchenaus-stoß weder die Rotationsbewegung an, noch tr�gt er in ir-gendeiner Form dazu bei.

Die Kombination aus Verdampfung, Lçsung und Tensid-transfer im CH2Cl2/CTAB-System[14] macht dieses hochemp-findlich f�r oberfl�chenspannungsgetriebene, thermische[15]

und lçslichkeitsbezogene[16] Marangoni-Instabilit�ten.[17] Indiesem Kontext sind die �berg�nge zwischen den unter-schiedlichen Tropfenformen eng verbunden mit der Bildungdes umgebenden Filmes und seiner horizontalen Ausdeh-nung. Der Film wird durch die Verteilungsf�higkeit vonCH2Cl2 kontrolliert, die mit zunehmenden Konzentrationenvon CTAB und CH2Cl2 abnimmt.[18, 19] Dementsprechendwerden thermische Effekte bei geringen Tensidkonzentra-tionen beg�nstigt und sind daher wahrscheinlich die Ursacheder lateralen und konzentrischen Tropfenoszillationen sowieder assoziierten Trçpfchenmuster. F�r qualitativ �hnlicheBenetzungsbedingungen sind Marangoni-Effekte auch be-kannt daf�r, den Selbstantrieb von Anilintropfen zu indu-zieren.[20] Deren Bewegung wird durch eine induzierte oderzuf�llige Asymmetrie des ausgebreiteten Filmes initiiert. Dieresultierende Unausgewogenheit der Oberfl�chenspannung

Abbildung 2. a–d) Bildsequenz eines fr�hen, pulsierenden Tropfenmus-ters, beobachtet bei [CTAB] =1 mmolL�1. Schnelles, periodisches Ex-pandieren stçßt konzentrische Ringe kleiner Trçpfchen ab. Diese Ringehaben komplizierte interne Strukturen (Bild c). e, f) Emission eines ein-zelnen Trçpfchens von einem nicht rotierenden polygonalen Tropfenbei [CTAB] = 30 mmolL�1. Die spitzen Deformationen bewegen sichentlang der Grenzlinie des Tropfens, kollidieren (e) und stoßen einTrçpfchen nach oben aus (f). Die Fotos in (e) und (f) sind Transmissi-onsbilder der von hinten beleuchteten Probe. Bildfeld und Zeit zwi-schen den Bildern: 20 � 20 mm2, 67 ms (a–d) und 15 � 19 mm2, 111 ms(e, f).

Zuschriften

10918 www.angewandte.de � 2011 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Angew. Chem. 2011, 123, 10917 –10920

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wird weiter verst�rkt und durch die Auflçsung des Filmeshinter dem sich bewegenden Tropfen aufrechterhalten. Der-selbe Mechanismus kçnnte die Muster der lateralen oszillie-renden und kreisenden Bewegungen in unseren Experimen-ten erkl�ren. Diese Erkl�rung eignet sich allerdings nicht f�rdie beobachteten Ver�nderungen der Filmgrçße und dieBildung der kleinen Trçpfchenmuster.

Bei hçheren CTAB-Konzentrationen ist die Verteilungs-kraft von CH2Cl2 klein, und die Tropfen sind kompakter.Unter solchen Bedingungen wird erwartet, dass die Lçslich-keits-Marangoni-Instabilit�t das System dominiert und daherein Hauptfaktor in der beobachteten Tropfenrotation seinsollte. Diese Interpretation wird weiterhin durch unsere Be-obachtung eines Paares von Konvektionszellen innerhalb des

Tropfens bei mittleren CTAB-Konzentrationen gest�tzt(siehe Abbildung S1 in den Hintergrundinformationen).Diese Zellen nehmen ungef�hr gleiche H�lften des Tropfensein, organisieren Fl�ssigkeitsbewegung an der Luft/Wasser-Grenzfl�che und werden nicht bei geringer Konzentrationfestgestellt. Ihr schwacher optischer Kontrast entsteht durchspontane Emulsionsbildung, hervorgerufen durch Tensid-transfer, die sehr typisch an Wasser/�l-Grenzfl�chen ist.[18]

Zusammenfassend haben wir gezeigt, dass Dichlorme-thantropfen, die auf einer w�ssrigen CTAB-Lçsung schwim-men, eine �berraschende Vielzahl von Formen und Bewe-gungsmustern entwickeln kçnnen. Die zugrundeliegendeModenauswahl ist sehr empfindlich gegen�ber den experi-mentellen Bedingungen, einschließlich der Konzentrationvon CH2Cl2 in der w�ssrigen Phase und Gasphase. Trotzdieser Einschr�nkung haben wir verschiedene neue dynami-sche Zust�nde wie symmetrisch-pulsierende Tropfen, mehr-armige Rotoren, und polygonale Tropfen identifiziert. DieseFormen sind ausreichend stabil, um Dutzende Rotations- undPulsationszyklen zu durchlaufen oder, im Falle des polygo-nalen Tropfens, komplizierte Dynamiken Ihrer Spitzen zuvollziehen. Gekoppelt an diese formerzeugenden Prozesse istdie Emission von sehr kleinen, aber makroskopischenTrçpfchen. Diese kçnnen lineare Trajektorien beschreibenund in einer kaskadenartigen Mode aufspalten. W�hrendbereits fr�her �ber lineare Tropfenbewegung in anderenSystemen berichtet wurde, die ebenfalls den Marangoni-Effekt aufweisen, ist dieser gut organisierte kaskadierendeZerfall eine zus�tzliche Neuheit. Diese �berraschendenPh�nomene in einem scheinbar einfachen System m�ssen inBeziehung zur spezifischen Wahl der chemischen Kompo-nenten stehen. Im Unterschied zu vielen anderen schlechtwasserlçslichen organischen Lçsungsmitteln hat CH2Cl2

einen sehr niedrigen Siedepunkt und eine große Dichte.�hnliche Ph�nomene beobachteten wir im �brigen bei Ex-perimenten mit dem Tensid C18TAB, allerdings nicht mit(dem nicht-ionischen) Brij35.

ExperimentellesAlle verwendeten Chemikalien sind von analytischer Qualit�t. Ce-tyltrimethylammoniumbromid (CTAB; Aldrich, � 99 %) und Di-chlormethan (Aldrich, HPLC-Qualit�t) wurden unver�ndert einge-setzt, wie gekauft. Das Wasser ist ultrarein (spezifischer Widerstand> 17 MWcm). Alle Experimente werden bei Raumtemperaturdurchgef�hrt. Die CTAB-Lçsung (25 mL) wird in einen zylindrischenBeh�lter (Durchmesser 70 mm) gef�llt, und ein einzelner 25-ml-Tropfen CH2Cl2 wird vorsichtig mit einer Pipette auf der Oberfl�cheder Lçsung platziert. Das System wird anschließend mit einer Glas-platte abgedeckt, um einen Stoffaustausch zwischen der Gasschicht�ber der Fl�ssigkeit und der Umgebung zu reduzieren. Es wird mitweißem Licht beleuchtet, und der Schatten des schwimmenden lin-senfçrmigen Tropfens wird von oben mit einer Videokamera aufge-nommen. Man beachte, dass die Dichten von CH2Cl2 (1.33 gmL�1)und wasserges�ttigtem CH2Cl2 hçher sind als die Dichte vonWasser.[13] Die Lçslichkeit von Dichlormethan in Wasser betr�gt13 gL�1, was einem Volumen von 250 mL in 25 mL entspricht.

Die Reproduzierbarkeit des Experimentes wird durch S�ttigender organischen Fl�ssigkeit Dichlormethan mit Wasser erhçht. DieseProzedur wurde bei allen Experimenten und hier dargestellten Datenangewendet. Die Lçslichkeit von Wasser in CH2Cl2 betr�gt 2 gL�1 bei

Abbildung 3. a–d) Bildsequenz eines rotierenden, zweiarmigen Dichlor-methantropfens bei [CTAB] =6.8 mmolL�1. Der zeitliche Abstand zwi-schen den Bildern betr�gt 210 ms. Blickfeld: 9 � 9 mm2. e) Rotations-winkel eines �hnlichen Tropfens in Abh�ngigkeit von der Zeit und diezugehçrige lineare Anpassung (graue Linie). Der Einschub zeigt eine21 s lange Trajektorie des geometrischen Mittelpunktes des Tropfens.Skalierungsbalken: 1 mm. f) Schnappschuss eines rotierenden zweiar-migen Tropfens bei [CTAB] =6.8 mmolL�1. �berlagert sind Trajektoriender Tochtertrçpfchen (dunkle Punkte), die direkt durch den Mutter-tropfen ausgestoßen wurden, und Trçpfchen der dritten Generation(helle Punkte), die durch Spaltung der Trçpfchen der zweiten Generati-on entstehen. Beobachtungszeitintervall : 770 ms; Blickfeld:17 � 17 mm2.

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10919Angew. Chem. 2011, 123, 10917 –10920 � 2011 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.angewandte.de

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25 8C, die von CH2Cl2 in Wasser 13 gL�1 (153 mmolL�1), was einemGesamtvolumen von 0.25 mL in 25 mL Wasser und daher dem�quivalent von zehn unserer Dichlormethantropfen entspricht. DieLçslichkeit von CTAB in Wasser betr�gt 15 gL�1 (41 mmolL�1). DieAufteilung von CTAB zwischen der w�ssrigen und der CH2Cl2-Phasebevorzugt deutlich die organische Fl�ssigkeit.[14] Die kritische Mi-cellenkonzentration von CTAB in reinem Wasser betr�gt0.8 mmolL�1 (gW/A = 30.2 mNm�1), allerdings wird in der Gegenwartvon CH2Cl2 eine �l-in-Wasser-Mikroemulsion gebildet und die kri-tische Aggregationskonzentration auf 0.1 mmolL�1 (gW/A =61.5 mNm�1; gW/O = 1 mNm�1) verringert. Die Mikroemulsion be-einflusst auch die Lçslichkeit und Lçsungskinetik von CH2Cl2 inWasser.

Ein typischer Satz von Experimenten umfasst f�nf Konzentra-tionen von CTAB. F�r jede Konzentration wurde die Dynamik vonf�nf aufeinanderfolgenden Tropfen studiert. Wir reproduzierten dieseGruppen von 25 Experimenten einige Male und an verschiedenenTagen. Die generelle Reihenfolge von Mustern wird immer beibe-halten. Die Daten in Abbildung 1 stammen vom vierten und f�nftenwiederholten Durchlauf. Ergebnisse, die bei der unteren und oberenKonzentrationsgrenze erhalten wurden, sind am besten reproduzier-bar.

Eingegangen am 20. Juni 2011Online verçffentlicht am 28. September 2011

.Stichwçrter: Fl�ssigkeiten · Marangoni-Effekt ·Nichtgleichgewichtsprozesse · Selbstbewegung · Tenside

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[18] J. T. Davies, E. K. Rideal, Interfacial Phenomena, AcademicPress, New York, 1963.

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Zuschriften

10920 www.angewandte.de � 2011 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Angew. Chem. 2011, 123, 10917 –10920