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R. Karwetzky, Kraniome%rische und gnathometrische Auswirkungen usw. 221 Aus der Kieferorthopadisehen Abteilung (Leiter: Prof. Dr. R. Karwetzky) der Klinik fiir Zahn-, Mund- und Kieferkrankhei~en der Universit~t Miinster (Direktor: Prof. Dr. Dr. D. ttaunfelder) Kraniometrische und gnathometrische Auswirkungen bei der Zerebralparese im Kauorgan Yon R. Karwetzkyurn/II. Tielsch-Keuthen,Miinster ~Iit 10 Abbildungen Wenn yon dem Krankheitsbfld der Zerebralparese gesproehen wird, so ver- steht man darunter eine Gruppe pathologiseher Zust~nde mit teilweise reduzierter oder giinzlieh fehlender Muskelkontrolle. Die damit einhergehenden manigfaltigen Erseheinungsbilder werden durch eine andauernde, aber nicht fortsehreitende Sehgdigung des ,,unausgereiften" Gehirns verursaeht. Was die Bezeiehnung ,,un- ausgereift" angeht, so ist damit die Entwieklung der wesentlichen motorischen Steuerungsvorggnge gemeint. Sie ist in der Regel um das 6. Lebensjahr abgeschlos- sen. Erihhrungsgem~g kommen als Ursaehen ffir derartige Seh~digungen kompli- zierte Geburten, Frfihgeburten, Infektionskrankheiten der frfihkindliehen Phase, wie beispielsweise Enzephalitis, Keuehhusten, Meningitis u. a. in Frage. Die Zerebralparese l'~Bt sieh je naeh Art und Lokalisation der gestSrten Muskelmotorik in versehiedene Gruppen einteilen. Von einer spastischen oder hypertonen Form wird dann gesproehen, wenn Tonussteigerunge~ bestimmter Muskelgruppen, aueh im Kopfbereieh, anftreten. Typiseh ist ffir diese Gruppe ein verst~rkter Dehnungswidersgand. Er ist bei rasehen Bewegungefi stiirker, l~gt dann plStzlieh naeh und wird plastiseher (Tasehenmesserph~nomen). Naeh topographisehen Gesiehtspunkten unterteilt man in Para- oder Diplegie mit bloger Beteiligung der nnteren Extremitgten. Unter ttemiplegie ist der Be~ fall einer K6rperh~lfte zu verstehen. Die Monoplegie bezieht sieh auf den Befall einer Extremit~t. Am haufigsten wahrnehmbar ist die Tetraplegie mi.t dem Befall des gesamten ttaltungs- und Bewegungsapparates. Dabei lassen sieh isolierte Kopfbewegungen kaura durehfiihren, well aueh die gals- und giickenmuskulatur mit betroffen ist.

Kraniometrische und gnathometrische Auswirkungen bei der Zerebralparese im kauorgan

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Page 1: Kraniometrische und gnathometrische Auswirkungen bei der Zerebralparese im kauorgan

R. Karwetzky, Kraniome%rische und gnathometrische Auswirkungen usw. 221

Aus der Kieferorthopadisehen Abteilung (Leiter: Prof. Dr. R. Karwetzky) der Klinik fiir Zahn-, Mund- und Kieferkrankhei~en der Universit~t Miinster (Direktor: Prof. Dr. Dr. D.

t taunfelder)

Kraniometrische und gnathometrische Auswirkungen bei der Zerebralparese im Kauorgan

Yon R. Karwetzky urn/II. Tielsch-Keuthen, Miinster

~Iit 10 Abbildungen

Wenn yon dem Krankheitsbfld der Zerebralparese gesproehen wird, so ver- steht man darunter eine Gruppe pathologiseher Zust~nde mit teilweise reduzierter oder giinzlieh fehlender Muskelkontrolle. Die damit einhergehenden manigfaltigen Erseheinungsbilder werden durch eine andauernde, aber nicht fortsehreitende Sehgdigung des ,,unausgereiften" Gehirns verursaeht. Was die Bezeiehnung ,,un- ausgereift" angeht, so ist damit die Entwieklung der wesentlichen motorischen Steuerungsvorggnge gemeint. Sie ist in der Regel um das 6. Lebensjahr abgeschlos- sen.

Erihhrungsgem~g kommen als Ursaehen ffir derartige Seh~digungen kompli- zierte Geburten, Frfihgeburten, Infektionskrankheiten der frfihkindliehen Phase, wie beispielsweise Enzephalitis, Keuehhusten, Meningitis u. a. in Frage. Die Zerebralparese l'~Bt sieh je naeh Art und Lokalisation der gestSrten Muskelmotorik in versehiedene Gruppen einteilen.

Von einer spastischen oder hypertonen Form wird dann gesproehen, wenn Tonussteigerunge~ bestimmter Muskelgruppen, aueh im Kopfbereieh, anftreten. Typiseh ist ffir diese Gruppe ein verst~rkter Dehnungswidersgand. Er ist bei rasehen Bewegungefi stiirker, l~gt dann plStzlieh naeh und wird plastiseher (Tasehenmesserph~nomen).

Naeh topographisehen Gesiehtspunkten unterteilt man in Para- oder Diplegie mit bloger Beteiligung der nnteren Extremitgten. Unter ttemiplegie ist der Be~ fall einer K6rperh~lfte zu verstehen. Die Monoplegie bezieht sieh auf den Befall einer Extremit~t.

Am haufigsten wahrnehmbar ist die Tetraplegie mi.t dem Befall des gesamten ttaltungs- und Bewegungsapparates. Dabei lassen sieh isolierte Kopfbewegungen kaura durehfiihren, well aueh die gals- und giickenmuskulatur mit betroffen ist.

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222 Fortschritte der Kieferorthop~die Bd. 33 (1972) Hef~ 2

Von den Athetosen ist zu sagen, dab sie sich in eine dyskinetische Form und in die Choreoathetosen zergliedern lassen. Die erstgenalmte Form zeigt StSrungen im Bewegungsablauf mit eckigen und bizarren Bewegungen der Arme trod Beine. Jeder Versuch des Kindes, sich auf den Bewegungsablauf zu konzentrieren, ftihrt zu einer Intensivierung dieser verzerrten Bewegungen. Auch in den unbeteiligten Extremits und der mimischen Muskulatur lussen sich erhebliche Mitbewegungetl w~hrnehmem

Fiille

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Alter in Jahren

Abb. 1. AltersmgBige Verteilung der nntersuehten Patienten

Wesentlieh schneller und ausfahrender sind die Bewegungen bei der Choreo- athetose. Verstgrkte Reflexe und Muskelsloasmen treten im wesentlichen in der Streckmuskulat~r auf. Charakteristiseh ist das Auftreten betonter einseitiger St6rungen, die bei den Athetoikern fast ausnahmslos schwankende Bewegungen beim Gehen naeh sieh ziehen. Auch die beteiligte t talsmuskulatur zieht den Kopf in den abnormen Bewegungsablauf ein.

Als Ausdruek partieller Spastizitat der Lippen- und Wangenmuskulatur sind unterschiedlieh starke Spraehst6rungen abzuleiten.

Die selteneren Formen der Ataxie und des Tremors sind in der l~egel yon den Athetosen sehwer zu trennen; es fehlen allerdings die typischen bizarrenBewegungs- ablaufe.

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R. Karwetzky, Kraniometrisehe und gnathome~risehe Auswirknngen usw. 223

Was die zerebralparetisehen Sehgdigungen im Kopfbereieh angeht, so konnten wir festst, ellen, dab sie sieh als At~swirkungen yon Funktionsst6rungen gugern. Zu denken ist vor allem an den abwegige~ Tonus der mimisehen und der Kaumusku- latur.

Unseren eingehenden intra- und extraoralen Untersuehungen, der Registrie- rung der Muskelmotorik des gesamten Kauorgans unter besonderer Ber/icksiehti- gung der Zungenmuskutatur bez~glieh der Gr6Be und Motititgt folgte eine Funk- tionspriifung der Zahnreihen in Okklusion und Artikulation.

A]s Grundlage ftir diese Untersuehungen dienten uns Fernr6ntgenaufnahmen, die bei 150 Patienten im Al~er yon einem Jahr bis zu 17 Jahren angefertigt win'den (Abb. 1). Das Krankengut entstammt dem Spastikerzentrum der Orthopgdisehen Universitgtsklinik Mfinster.

Abb. 2. Tetral?legie mit St/Srnng aller Bewegungsablgufe

AnSerordentlich groB zeig~en sich die Sckwierigkeiten bei der Anfertigung auswertbarer FernrSntgenanfnahmen. Trotz Mler nur denkbaren I-IilfsmitteI waren aueh die kurzen Beliehtungszeiten yon 0,32 Sekunden fiir diese unrtthigen Pa- tienten noeh zu lang. Zufolge dieser Sehwierigkeiten konnten yon den 150 unter- suehten Patienten nut 74 Fernr6ntgenaufnahmen zur Auswertung herangezogen werden.

Was die Fi/infigkeit des Auftretens der zerebralparetisehen Erscheinungsformen angeht, so zeigte sieh, dab die Tetraplegie allein oder in Verbindung mit Athetosen bzw. Ataxien am hgufigsten wahrnehmbar ist (Abb. 2). Beziiglieh der ErSrterung des Einflusses det Zerebra[parese auf das Kauorgan hat es sieh als zweekmgBig erwiesen, nieht die einzelnen Patienten, sondern vielmehr das j eweilige AusmaB der Winkelvergnderungen abzuhandeln. Auf diese Art und Weise ist es mSglieh, dab Parallelen der Einzelfglle besser erfaBt werden k6nnen. Aus Grtinden der tJber- siehtliehkeit wurden die Winkelabwegigkeiten in Gruppen zu jeweils 40 zusammen- gefal3t.

Was den EinfluB der Kaumuskulatur auf den Einbau des Kauorgans im Sehgdel angehg, so zeigten sich die Inklinations* und Fazialwinkel unbedeutend vergndert (Abb. 3 und 4). Desha.lb t, ret, en die l~etropositaionen uncl die Anteinktiaationert

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224 Fortschritte der Kieferorthopgdie Bd. 33 (1972) Heft 2

Fiille

33

~0

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2~

24

t8

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9

V--1 - 2 0 -,~6 -4 - 8 ~~, 0 0 h. 8

Abweichung in Grad

Abb. 3, Faziaheinkelvergnderungen bei der Zerebralparese (NSe--NA = 85 ~

F~ille

- 4 g - t 2 - g -~

I

tl ,

o

18 f ~5

3

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Abweiehnng in Grad

Abb. 4. Inklii~ationswinkelvergnderungen (NSe--Pn = 85 ~

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t~. Karwetzky, I~d'aniome~rische und gnathomes Auswirkmlgen usw. 225

nur geringgradig vers~'&rkt fn Erseheinung, d. h., dab die gerade Rfiekgesiehtig- keig und die Gebigsehwenkung naeh vorn sieh in ihren Auswirkungen absehwgehen.

Ganz anders sind die funk~ionellen Einflfisse anf die Grundebenenwinkel zu beurteilen (Abb. 5). I)ie bier auswertbaren g2 FleA llaben gezeigt, dab die Kau- t~ulheit bei Spastikern iibeI:wiegt und deslaalb Winkelvergr61]erungen. um 16 ~ in Einzelt~llen aueh mehr (26 ~ keine Seltenheit dars~ellen. Die funktionelle Be- anspruehnng des Museulus pterygoideus medialis und des MuseuIus masseter sind ungenfigend, und deshalb unterbleibt eine regelreehte dreidimensionMe Engwiek- lung der Kiefer. Die Nahrung dieser Kinder war fiberwiegend yon breiiger bzw. pfirierter Konsi~tenz, so dag aueh die dabei positiven kauthl~ktionellen Einflfisse unwirksam bleiben.

F~lle

g

6

Ls

0 0 tr 8 42 46 20 2t~ 2~

Abweiehung in Grad

Abb. 5. Abweichungen des KiefergrundebenenMnkels (SpP--MP = 20 ~ :[: 5 ~

Vom Gonionwinkel ist zu sagen, dag er sieh mit zunehmendem Alter und der d amit einhergehenden vermehrten Inanspruehnahme des sieh entwickelnden Kauorgans ver&nder~. Der Gonionwinkel zeigt beim Neugeborenen ~Verte, die um 150 ~ zu suehen sind. Sie sinken bei Erwaehsenen auf 123 ~ naeh S e h w a r z ab. Z e h l e fand jedoeh ~Verte des Gonionwinkels, dis bei 130 ~ bis 134 ~ lagen. Was die Gonionwinkelver/inderungen bei unseren 72 auswertbaren Fernr6ntgenauf- nahmen yon Spastikerkindern angeht, so stellten wir lest,, dag alle F/~lle dem Nittelwert yon 1 2 3 ~ entsprachen oder fiber ibm lagen (Abb. 6).

Der Grund daffir ist bier in der gest6rten Irmervation der orofazialen Musku- latur zu suehen, deren kausale Zusammenh'~nge im Grundleiden der ZerebraL parese liegen. Aueh das Herabsinken des Unterkiefers als Ausdruek der gest6rten Nasenatmung tr&gt zusammen mit der unkorrekt funktionierenden InterkostM- aktivitgt, der gest6rten Igumpfmuskelfunktion und dem wenig ausgebildeten Diaphragma zur Vergr613erung des Gonionwinkels bei.

Alle yon uns untersuehten Spastiker liegen starke bis sehr starke Ruhe- sehwebelagen erkennen. Darfiber hinaus geht jede VergrSl3erung des Gonion- winkels mi~ einer Verkleinerung des ~u NP-PN einher. Die jeweils vorliegen- den positiven Werte ent, spreehen den negativen Veriinderungen des anderen Winkels. 15 Fortschritte der Kieferorthop~tdie tld. 33 I t . 2

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226 Fortschritte der Kieferorthopidie [Bd/33 (1972) Heft 2

Nicht unerw~hnt soll in diesem Zusammenhang die Zunge bleiben. S e h e n d e 1 hat 1903 Ms erster ausftihrlich auf die zungenbedingte Vergr6gerung des Unter- kiefers aufmerksam gemaeht. D e c k e r , K a n t o r o w i c z , K a r w e t z k y , K i r c h .

F~lle

32

28

24

2O

46

12

8

0 0 J. 8 "1"2 ~6 2 0 Abweiehung in Grad

Abb, 6. Gonionwinkel bei Patienten mit ZerebrMparese (MTi&IT2~= 123 ~ ]...d: 10 ~

--Zo - 4 b - , t2 - S

F~lle

Abweiehnng in Grad

Abb. 7. IrLterincisMwinke]vergndernngen (140 ~ ~ 5 o)

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ne r , K o r k h a n s , N e u m a n n ; P e t r i k , R h e i n w M d und andere haben sich mi t dem AnsmaB der Znngenanswirkungen auseinander gesetzt. T i e 1 s e h - K e n ~ h e n hat diesbezfig]iche Untersuehungen an zerebralparetisehen Kindern vorgenommen und anfgezeigt, dab Mle untersnchten Kinder in ihrem Kauorgan Zungenaus- wirkungen iniblge Znngengr6Be, Zungenlage oder Zungenfunktion zeigten.

Veto InterincisMwinkel daft gesagt werden, dab die Hglite aller Fglle (hier ge- langten 43 brauehbare FernrSntgen~ufnahmen zur Auswertung) mit den ermittel- ten Werten im ]3ereich der Spie]breite yon d= 5 ~ liegt. Die Abweiehungen naeh der positiven sowie negatfven Seite sind sehr unregelm/~l~ig und lassen keine Gesetz- m/~Gigkeiten erkennen (Abb. 7).

F~lle

I

2~

~0

12

- - -7 ~ i

Abweichung in mm

Abb. 8. L~ngenverteilungen des aufsteigenden Astes (bezogen auf NSe)

Schon bei der ~ul~eren Betrachtung der Patienten ist zu sehen, dM3 ein deut- lieher Untersehied zwischen dem II6henabstand der Frontz~hne und Molaren zur Unterkiefergl~ndebene, der im Regelfall 5:4 betr~gt, besteht.

Wesentlieh deutlieher ausgeprggt ist das Mfl~verhgltnis bei den yon uns unter- suehten Patienten. Es be~rggt 5:3, wobei die Molaren in vertikaler g ichtung stets eine Un~e:rentwieklung zeigen. Sicherlieh steht c~iese aueh mit den funktio- nellen ]Belastungen, die Zahne zeigten niemals vertikale Abrasionen, in ursaeh- ]iehem Zusammenhang.

Was die Lange des aufs~eigenden Astes angeht, so ermittelten wir, dab bei 7 Patienten regelrechte Werte vorlagen. Den 65 ~o der zerebralparetisehen Kinder rnit verkleinerten IVfeilwerten stehen 26% mit Verl'~ngerungen des aufsteigende~1 Astes bis zu 4ram entgegen (Abb. 8).

l~oeh klarer tritt die Unterentwieklung des Unterkieferk6rpers Jn Erseheinung. Wit begegneten ihr in 82 % der Falle. 15 % der Kinder wiesen dagegen Unterkiefer- Uberentwieklungen um geringe Werte auf (Abb. 9).

Ausnahmslos konnten wir feststellen, dal3 der Winke] A]~--SpP verk]einert war. AIS Griinde kamen daffir die UK-Riicklage, die sagittale ]~berentwieklung des Oberkiefers nnd die sagittale Unterentwicklung des Unterkiefers in Frage.

15"

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228 Fortsclu:itte der Kieferorthop~die Bd. 33 (1972) Heft 2

Ganz anders zeigten sich die sagitt~ten Werte ffir die Lgngen der Oberkiefer, denn bier ist deutlich ein ]~berwiegen der Pluswerte bei 57% der untersuchten Patienten erkennbar, die bei 4 his 8ram liegen. I%r 36% der Kinder zeigen an- deutungsweise Unterentwicklungen his zu 4ram (Abb. 10).

FKlle

--~ lao

I Y .... I t - -20 - 4 6 - 1 2 - - ~ 0 ~- 8 42,,

Abweichung in mm

Abb. 9. Lgngel~verteilung des UnterkieferkOrpers (bezogen ~uf N-Se)

F~lle

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2O

46

42

8

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, , , ! ---1 . . . .

- 8 - 4 o o g 8 t~- Abweichung in ram

Abb. 10. Lgnge~verteihmg des Oberkiefers bei Fgtienten nfit Zerebrglpgrese (bezogen guf ~-Se)

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Wie eingangs bereits erwg, hnt, k o m m t dem funktionellen Ztingeneinflul3 auf seine Umgebung eine erhebHche Bedeutung zu. Unseren Beobaehtungen zuiblge bestehen kausMe Zusammenhange zwisehen der Zungenlage und der Kiefergr6Be. Die:ses Abh~ngigkeitsverh~ltnis t r i t t bei der Itgnfigkeit der -(~berent~Jcklungen des Oberkiefers ebenso in Erscheinung, w i e bei der Unterentwicklung des Unter- kiefers. Je intensiver die StSrungen des antagonistischen VerhMtens im Bereieh der Kaumuskula~ur aui~reten, des~o starker werden die Zahnstellungen m ihrem naehbarlichen VerhM~en beeintr&ehtigt. Ganz empfindlich sind dann durch das AUsmag der Abwegigkei tenim Kauorgan die Funkt ionen der A tmung and Speisen- zerkteinerung gestSrt. Dar~ber hinaus ist ~ber ~uch ~n die parodonlbalen Seh~di: gungen Und die untersehiedliehen Engs tands tbrmen mit ihren Folgeerseheinun~en zu erinnern.

Die Behahdlungsnotwendigkei t ist gerade bei den zerebrMparetisehen Kindern augerordentIieh grog. Die Voranssetzungen fiiir eine Behandlungsanfnahme be- stehen jedoeh nut in den F/~llen; d{e ein wenig stark ausgepr/~gtes Grundleiden zu erkennen geben. I n der Vielzahl der F~lle sind wit aber gezwungen, u n s mi t Er : tblgen zufr ieden zu geben, die lediglich aus Symptomatisehen Magnahmen resul- tieren.

Zusammen~assnng

Die Auswertung der FernrSntgenaufnahmen yon Patienten mit einer Zerebralparese nach A. M. S chwarz hat ergeben, dab kraniometrisehe Vergndenmgen nicht charakteristisch wahrnehmbar wurden, wogegen sieh gnathometrische Abweichungen deutlieh zeigten:

I. VergrSgerung des Gonionwinkels. 2. VergrSl]ernng des Grundebenenwinkels. 3. Unterentwicklung des MolarenhShenstandes im Ober- und Unterkief~r. 4. SagittMe Yerkiirzung des Unterkiefers (82~ 5. SagittMe Verlgngerung des Oberkiefers (57~ 6. Verkiirzung des anfsteigenden Astes (65~

Summary

The ~nalysis of eephMometrie roentgenogramms of patients with cerebrM paresis with the method of A. IV[. Sehw~rz h~s proved that there is no characteristic changement in cranial growth. Otherwise facial growth showed clearly ibllowing changements :

1. Increase in gonion angle. 2. Increase in ~ngle between pMatal and m~ndibular plane. 3. Underdevelopement of molars highstand in both ja~s. 4. SagittM shortening of the mandible (82%). 5. Ssgittal extension of the maxilla (57~ 6. Shortening of the ramus of ~he mandible (65%).

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Anschr. d. Verf.: Prof. Dr. R. K a r w e t z k y , BI~D-44 Miinster, l~obert- Koch-Str~l]e 27a