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Kurven in R 3 : Frenet-Kurven Wir betrachten mind. C 2 -regul¨ are Raumkurven (in S¨ atzen sind die Kurven meistens noch “glatter”), also den Fall c C 2 (I ; R 3 ). Def. Eine Frenet-Kurve ist eine parametrisierte Kurve c (t ), sodass c ′′ (t ) ur kein t I proportional zu c (t ) ist. Nicht-Bsp. Die Gerade ist keine Frenet-Kurve. Nicht-Bsp. Die Kurve c :[1, 1] R 3 , t t t 3 t 4 ist keine Frenet-Kurve, weil die zweite Ableitung in t = 0 gleich 0 ist. Bsp. Eine Schraubenlinie (Helix) im 3-dimensionalen Raum, gegeben durch c : R R 3 , c (t )= r · sin t r · cos t h · t (mit r > 0), ist eine Frenet-Kurve Bemerkung. Umparameterisierte Frenet-Kurve ist wieder eine Frenet-Kurve.

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Kurven in R3: Frenet-Kurven

Wir betrachten mind. C 2-regulare Raumkurven (in Satzen sind dieKurven meistens noch “glatter”), also den Fall c ∈ C 2(I ;R3).Def. Eine Frenet-Kurve ist eine parametrisierte Kurve c(t), sodass c ′′(t)fur kein t ∈ I proportional zu c ′(t) ist.Nicht-Bsp. Die Gerade ist keine Frenet-Kurve.

Nicht-Bsp. Die Kurve c : [−1, 1] → R3, t →

t

t3

t4

ist keine

Frenet-Kurve, weil die zweite Ableitung in t = 0 gleich 0 ist.Bsp. Eine Schraubenlinie (Helix) im 3-dimensionalen Raum,

gegeben durch c : R → R3, c(t) =

r · sin t

r · cos th · t

(mit r > 0),

ist eine Frenet-KurveBemerkung. Umparameterisierte Frenet-Kurve ist wieder eine

Frenet-Kurve.

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Das Frenet-Dreibein zu einer Frenet-Kurve

Sei c ∈ C 2(I ;R3) eine nach Bogenlange parametrisierte Frenet-Kurve.Wir konstruieren, fur jedes t ∈ I , eine orthonormale Basis (historisch:Dreibein) in R

3:

Der erste Vektor der Basis ist T (t) := c ′(t). Er hat nach denVoraussetzungen die Lange 1.

Der zweite Vektor der Basis ist ν(t) := 1|c′′(t)|c

′′(t). Er ist wohldefiniert,

weil c ′′(t) 6= ~0, und hat Lange 1 nach Konstruktion. Nach Lemma 1(Vorl. 2) ist er orthogonal zu c ′(t).

Lemma 1. Bei einer nach Bogenlange parametrisierten C2-glatten Kurve gilt: c′(t) ⊥ c′′(t).

(Obwohl ich Lemma 1 fur ebenen Kurven formuliert habe, ist die Aussage– und auch der Beweis – in allen Dimensionen gultig).

Zur Konstruktion des dritten Basisvektors verwenden wir das

Kreuzprodukt (Vektorprodukt). Definiere b(t) := c ′(t)× ν(t). Der

Vektor b(t) ist nach Konstruktion orthogonal sowohl zu c ′(t), als auch

zu ν(t) und hat Lange 1.

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Dreibein fur nach Bogenlange parametrisierte Kurven im Punkt c(t):

(c′(t), ν(t) := 1|c′′(t)|

c′′(t), b(t) := c′(t) × ν(t)).

Def. – Vorsetzung. Fur einen beliebigen Reprasentanten c derKlasse 〈c〉 wird das Dreibein durch Umparametrisierung aufBogenlange bestimmt:Ist c = c ◦ φ mit φ′ > 0 und |c ′| = 1 (Existenz und Eindeutigkeit:Satz 1), dann ist T (t) = T ◦ φ, ν(t) = ν ◦ φ und b(t) = b ◦ φ.

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Dreibein im Punkt c(t): (T (t) := c′(t), ν(t) := 1|c′′(t)|

c′′(t), b(t) := c′(t) × ν(t)).

Bsp. Dreibein fur HelixBsp.Wir betrachen die Helix, die durch c : R → R

3, c(t) =

r · sin t

r · cos th · t

gegeben ist, wo r > 0, h > 0 und r2 + h2 = 1,

sodass die Parametrisierung bereits |c ′(t)| = 1 erfullt

c ′(t) =

r · cos t−r · sin t

h

, ν(t) = 1r

−r · sin t

−r · cos t0

=

− sin t

− cos t0

, b(t) =

−h · cos th · sin t

r

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Krummung und Torsion von Raumkurven

Def. Sei c : I → R3, c ∈ C 3(I ;R3), eine nach Bogenlange parametrisierte

Frenet-Kurve.Wir definieren die Krummung als Funktion κ(t) := |c ′′(t)| und dieTorsion als Funktion τ(t) := 〈ν′(t), b(t)〉.

Bsp. Fur die Helix mit r2 + h2 = 1 gilt: c ′′(t) =

−r sin t

−r cos t0

, also κ = r , und

ν(t) =

− sin t

− cos t0

, b(t) =

−h · cos th · sin t

r

.

Dann ist ν′(t) =

− cos tsin t

0

und τ(t) = h.

Bemerkung. Nach Definition ist die Krummung immer positiv.

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Def. Sei c : I → R3 eine nach Bogenlange parametrisierte Frenet-Kurve.

Wir definieren die Krummung als Funktion κ(t) := 1|c′′(t)|

und die Torsion als Funktion τ(t) :=

〈ν′(t), b(t)〉.

Def. – Vorsetzung. Fur einen beliebigen Reprasentanten c derKlasse 〈c〉 wird die Krummung und die Torsion durchUmparametrisierung auf Bogenlange bestimmt: Ist c = c ◦ φ mitφ′ > 0 und |c ′| = 1, dann κ(t) = κ ◦ φ und τ(t) = τ ◦ φ.

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Frenet-(Serret)-Gleichungen

Satz 7 (Frenet-Gleichungen einer Raumkurve). Sei c ∈ C 3(I ;R3)eine nach Bogenlannge parametrisierte Frenet-Kurve mit Krummung κ(t)und Torsion τ(t). Dann erfullt das Dreibein (T , ν, b) von Spaltenvektorendas Differentialgleichungssystem

(T ′(t), ν′(t), b′(t)) = (T (t), ν(t), b(t))

0 −κ(t) 0κ(t) 0 −τ(t)0 τ(t) 0

(∗)

Man kann (T (t), ν(t), b(t)) als eine 3× 3-Matrix verstehen, derenSpalten die Vektoren T , ν, b sind:

A :=

T1(t) ν1(t) b1(t)T2(t) ν2(t) b2(t)T3(t) ν3(t) b3(t)

.

In der Matrix-Form sieht das Gleichungssystem (∗) wie folgt aus:

A′ = A

0 −κ(t) 0κ(t) 0 −τ(t)0 τ(t) 0

.

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(T′(t), ν

′(t), b

′(t)) = (T (t), ν(t), b(t))

0 −κ(t) 0κ(t) 0 −τ(t)0 τ(t) 0

(∗)

Eigentlich, ist (∗) ein System von 9 Differentialgleichungen:

T ′(t) = κ(t)ν(t), ν′(t) = −κT (t) + τ(t)b(t), b′(t) = −τ(t)ν(t). (∗∗)

Jede der obigen Gleichungen ist ein System von 3 Gleichungen. Die erstedieser Gleichungen lautet bspw.

T ′1(t) = κ(t)ν1(t),T

′2(t) = κ(t)ν2(t),T

′3(t) = κ(t)ν3(t).

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Beweis von Satz 7

A′ = A

0 −κ(t) 0κ(t) 0 −τ(t)0 τ(t) 0

wobei A :=

T1(t) ν1(t) b1(t)T2(t) ν2(t) b2(t)T3(t) ν3(t) b3(t)

.

Die Matrix A ist fur jedes t orthogonal: ATA = Id , weil dasSkalarprodukt der i-ten Spalte mit der j-ten Spalte fur i = j den Wert 1und fur i 6= j den Wert 0 hat, da die Basis (T , ν, b) orthonormal ist.Wir brauchen die folgende Aussage, die wir in beliebiger Dimensionbeweisen konnen, obwohl wir sie nur in Dimension 3 (und eventuell 2)benutzen werden.Hilfsaussage 1. Sei A(t) eine matrixwertige Funktion,A : I → Mat(n, n), die C 1-glatt ist und sodass fur jedes t die Matrix A(t)orthogonal ist. Dann gilt (fur jedes t ∈ I ): die Matrix ATA′ istschiefsymmetrisch, d.h. (ATA′)T = −ATA′.

Beweis. Da die Matrix A(t) orthogonal ist, gilt: ATA = Id . Wir leiten dieletzte Gleichung nach t ab: rechts steht die Nullmatrix, links wegen derProduktregel

(AT )′A+ ATA′ = (A′)TA+ ATA′ = (ATA′)T + ATA′.

Also ist (ATA′)T + ATA′ = 0 und folglich ist die Matrix ATA′

schiefsymmetrisch.

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A′ = A

0 −κ(t) 0κ(t) 0 −τ(t)0 τ(t) 0

wobei A :=

T1(t) ν1(t) b1(t)T2(t) ν2(t) b2(t)T3(t) ν3(t) b3(t)

.

Hilfsaussage. Sei A : I → Mat(n, n), sodass A(t) orthogonal ist. Dann ist die Matrix ATA′ schiefsym-metrisch.

Wir wenden die Hilfsaussage auf matrixwertige Funktion

A :=

T1(t) ν1(t) b1(t)T2(t) ν2(t) b2(t)T3(t) ν3(t) b3(t)

an. Die Matrix A(t) ist fur jedes t orthogonal,

wie wir es auf der letzten Folie bewiesen haben.Dann ist S := A(t)TA′(t) schiefsymmetrisch. Wir multiplizieren dieseGleichung mit der Matrix A(t) von links. Da A(t)A(t)T = Id ist,bekommen wir

A′(t) = AS .

Ein Vergleich dieser Formel mit der Aussage von Satz 7 zeigt, dass zuzeigen ist:

S =

0 −κ(t) 0κ(t) 0 −τ(t)0 τ(t) 0

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Zu zeigen: A′ = A

0 −κ(t) 0κ(t) 0 −τ(t)0 τ(t) 0

wobei A :=

T1(t) ν1(t) b1(t)T2(t) ν2(t) b2(t)T3(t) ν3(t) b3(t)

.

A′(t) = A(t)S(t) haben wir bereits gezeigt. Wir haben außerdem gezeigt, dass S schiefsymmetrisch ist.Wir mussen noch zeigen, dass

S =

0 −κ(t) 0κ(t) 0 −τ(t)0 τ(t) 0

Wir schreiben die Gleichungen A′ = AS in der folgenden Form um (vgl.Seite 8 und dort speziell die Formel (∗∗)):

T ′ = S11T+S21ν+S31b, ν′ = S12T+S22ν+S32b, b

′ = S13T+S23ν+S33b.

Da die Matrix S schiefsymmetrisch ist, ist S11 = S22 = S33 = 0 unddeswegen sieht die letzte Formel wie folgt aus:

T ′(t) = S21ν(t)+S31b(t), ν′(t) = S12T (t)+S32b(t), b

′(t) = S13T (t)+S32ν(t).

Aber wir wissen, dass T = c ′, also T ′ = c ′′, und dass c ′′(t) = κ(t)ν(t).Daher gilt S21 = κ und S31 = 0.

Die Matrix S sieht also wie folgt aus: S =

0 S12 S13κ 0 S230 S32 0

.

Da die Matrix schiefsymmetrisch ist, ist S12 = −S21 und S13 = −S31,

also S =

0 −κ 0κ 0 S230 S32 0

. Wir mussen noch zeigen, dass S32 = τ .

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Es ist S =

0 −κ 0κ 0 S230 S32 0

. Wir mussen noch zeigen, dass S32 = τ .

Wir stellen die Gleichung ν ′(t) = S12T (t) + S32b(t) der Definitionτ = 〈ν ′, b〉 gegenuber: Multiplizieren wir skalarν ′(t) = S12T (t) + S32b(t) mit b(t), so bekommen wir, wegen〈T , b〉 = 0 und 〈b, b〉 = 1, die gewunschte Bedingung τ = S32(woraus wegen der Schiefsymmetrie S23 = −τ folgt).

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Hauptsatz der Kurventheorie in Dimension 3

Satz 8. Seien κ, τ : [a, b] → R glatte Funktionen mit κ(t) > 0. Ferner seip ∈ R

3 und V ,U ∈ R3 seien zwei Vektoren mit |V | = |U| = 1 und

〈U,V 〉 = 0.Dann gibt es genau eine nach Bogenlange parametrisierte Frenet-Kurvec : [a, b] → R

3 mit folgenden Eigenschaften:• c hat als Anfangswerte c(a) = p, c ′(a) = V und ν(a) = U.•• die Krummungs- bzw. Torsionsfunktion von c ist die “vorgegebene”Funktion κ bzw. τ .

Bemerkung. Sie sehen wahrscheinlich sofort die Analogie mit Dim. 2:

Satz 4 (Hauptsatz der Kurventheorie in Dimension 2). Es sei κ ∈ C0([a, b],R) und p ∈ R2, v ∈ R

2 mit

|v| = 1. Dann gibt es eine nach Bogenlange parametrisierte ebene Kurve c ∈ C2([a, b],R2) mit Krummungκ und Anfangswerten c(a) = p, c′(a) = v . Diese Kurve ist eindeutig bestimmt.

Bsp. Die Helices haben konstante Krummung und Torsion. Weil ihreKrummung jeden positiven Wert, und die Torsion jeden Wert annehmenkann, ergibt sich aus dem Hauptsatz folgende Aussage: Jede Kurvekonstanter positiver Krummung und konstanter Torsion ist eine Helix(moglicherweise ist h = 0, d.h. die Helix ein Kreis).

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Beweis der Eindeutigkeit.

Einfachste Version des Satzes von Picard-Lindelof aus der Theorie der Differentialgleichungen: Wir betrachtenein Differentialgleichungssystem (auf unbekannten Funktionen u1(t), ..., un(t))

u′1(t) = f1(t, u1, ..., un)

.

.

.u′n(t) = fn(t, u1, ..., un)

(wobei die Funktionen f1, ..., fn bekannt sind; alle Objekte sind glatt vorausgesetzt). Ferner sei u1, ..., un ∈ R.Dann gilt: ∃! Losung u1(t), ..., un(t) mit Anfangsbedingungen u1(a) = u1, ...un(a) = un .

In unserem Fall haben wir bereits ein Differentialgleichungssystem: n = 9,die unbekannten Funktionen sind die Komponenten der Matrix

A =

T1(t) ν1(t) b1(t)T2(t) ν2(t) b2(t)T3(t) ν3(t) b3(t)

, und die Gleichungen sind

T ′1 (t) ν

′1(t) b′1(t)

T ′2 (t) ν

′2(t) b′2(t)

T ′3 (t) ν

′3(t) b′3(t)

=

T1(t) ν1(t) b1(t)T2(t) ν2(t) b2(t)T3(t) ν3(t) b3(t)

0 −κ(t) 0κ(t) 0 −τ(t)0 τ(t) 0

(also ist z.B. die erste unbekannte Funktion T1 und fur die Funktion f1aus dem Picard-Lindelof-Satz istf1(t,T1,T2,T3, ν1, ν2, ν3, b1, b2, b3) = κ(t)ν1 u.s.w.). Als AnfangsdatenT (a), ν(a), b(a) nehmen wir V ,U,V × U. Dann ist die Losung eindeutigund damit ist auch c ′(t) eindeutig. Außerdem ist dann auch

c(t) = p +∫ t

s=ac ′(s)ds =

p1 +∫

tac′1(s)ds

p2 +∫

tac′2(s)ds

p3 +∫

tac′3(s)ds

eindeutig.

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Beweis der Existenz.

Wir betrachten das Frenetsche Differentialgleichungssystem der 9 GDEauf 9 unbekannte Funktionen:

T ′1 (t) ν

′1(t) b′1(t)

T ′2 (t) ν

′2(t) b′2(t)

T ′3 (t) ν

′3(t) b′3(t)

=

T1(t) ν1(t) b1(t)T2(t) ν2(t) b2(t)T3(t) ν3(t) b3(t)

0 −κ(t) 0κ(t) 0 −τ(t)0 τ(t) 0

(∗)

Wie oben nehmen wir als Anfangsdaten:T (a) = V , ν(a) = U, b(a) = V × U. Dann liefert uns der Satz vonPicard-Lindelof die Existenz der Losung T (t), ν(t), b(t).

Wir mussen zeigen, dass eine (Frenetsche, nach Bogenlange

parametrisierte und in p beginnende) Kurve existiert, die

(T (t), ν(t), b(t)) als Frenet-Dreibein hat. In diesem Fall hat sie auch

automatisch das vorgegebene κ als Krummung und das τ als Torsion,

was auf der nachsten Folie erklart werden wird.

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Das Gleichungssystem ist in der Form “Matrix

T ′1 (t) ν

′1(t) b′1(t)

T ′2 (t) ν

′2(t) b′2(t)

T ′3 (t) ν

′3(t) b′3(t)

” gleich

“ Matrizenprodukt

T1(t) ν1(t) b1(t)T2(t) ν2(t) b2(t)T3(t) ν3(t) b3(t)

0 −κ(t) 0κ(t) 0 −τ(t)0 τ(t) 0

”. Die ersten 3

Gleichungen des Gleichungssystems entsprechen also der BedingungT ′(t) = κ(t)ν(t).

Die erste Spalte des Matrizenproduktes ist durch κν(t) gegeben, dieerste Spalte der Matrix links entspricht T ′(t). Wenn (T (t), ν(t), b(t))das Dreibein einer Kurve c ist, dann ist T (t) = c ′(t) und die GleichungT ′(t) = κ(t)ν(t) entspricht der Gleichung c ′′(t) = κ(t)ν(t). DieKrummung der Kurve ist |κ(t)ν(t)| = κ(t).

Um zu zeigen, dass die Torsion von c das vorgegebene τ ist, geht mananalog vor:Aus dem Gleichungssystem folgt zunachst ν′ = −κT + τb. NachDefinition ist die Torsion dann das Skalarprodukt〈ν′, b〉 = 〈−κT + τb, b〉 = τ , da T ⊥ b ist.

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Umkehrung der Hilfsaussage 1

Hilfsaussage 1. Sei A(t) eine matrixwertige Funktion A : I → Mat(n, n), die C1-glatt ist und sodass die Matrix

A(t) fur jedes t orthogonal ist. Dann gilt (fur jedes t ∈ I ): die Matrix ATA′ ist schiefsymmetrisch, d.h. (ATA′)T =

−ATA.

Hilfsaussage 2. Sei A(t) eine matrixwertige FunktionA : [a, b] → Mat(n, n), die C 1-glatt ist und sodass die Matrix ATA′ furjedes t schiefsymmetrisch ist, d.h. (ATA′)T = −ATA. Ferner sei die“Anfangsmatrix” A(a) orthogonal.Dann gilt (fur jedes t ∈ I ): die Matrix A(t) ist orthogonal, d.h.ATA = Id .Beweis. Wir betrachten die matrixwertige Funktion A(t)TA(t). IhreAbleitung ist

(ATA)′ = (AT )′A+ ATA′ = (A′)TA+ ATA′ = (ATA′)T + ATA′ = 0,

weil (ATA′)T schiefsymmetrisch ist.Dann ist die Matrix (A(t)TA(t)) eine konstante Matrix. Da sie in t = a

gleich Id ist, ist (A(t)TA(t)) ≡ Id und die Matrix A(t) ist orthogonal.

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Hilfsaussage 2. Sei A(t) eine matrixwertige Funktion A : [a, b] → Mat(n, n), die C1-glatt ist und sodass die

Matrix ATA′ fur jedes t schiefsymmetrisch ist. Ferner sei die “Anfangsmatrix” A(a) orthogonal. Dann gilt (furjedes t ∈ I ): die Matrix A(t) ist orthogonal.

Wir betrachten die Losung des Gleichungssystems

T ′1 (t) ν

′1(t) b′1(t)

T ′2 (t) ν

′2(t) b′2(t)

T ′3 (t) ν

′3(t) b′3(t)

=

T1(t) ν1(t) b1(t)T2(t) ν2(t) b2(t)T3(t) ν3(t) b3(t)

T

−1

0 −κ(t) 0κ(t) 0 −τ(t)0 τ(t) 0

(∗∗)

mit Anfangsbedingungen (T (a), ν(a), b(a)) = (V ,U,V × U) (das istnicht das Frenet-Gleichungssystem).Die Losung existiert nach dem Satz von Picard-Lindelof. Da die

schiefsymmetrische Matrix

0 −κ(t) 0κ(t) 0 −τ(t)0 τ(t) 0

in jedem Punkt gleich

T1(t) ν1(t) b1(t)T2(t) ν2(t) b2(t)T3(t) ν3(t) b3(t)

T

T ′1 (t) ν

′1(t) b′1(t)

T ′2 (t) ν

′2(t) b′2(t)

T ′3 (t) ν

′3(t) b′3(t)

ist und die Anfangsmatrix (mit

Spalten (V ,U,V × U)) orthogonal ist, muss nach Hilfssatz 2 fur jedes t

die Matrix

T1(t) ν1(t) b1(t)T2(t) ν2(t) b2(t)T3(t) ν3(t) b3(t)

auch orthogonal sein. Dann gilt:

T1(t) ν1(t) b1(t)T2(t) ν2(t) b2(t)T3(t) ν3(t) b3(t)

T

−1

=

T1(t) ν1(t) b1(t)T2(t) ν2(t) b2(t)T3(t) ν3(t) b3(t)

, und die Matrix

T1(t) ν1(t) b1(t)T2(t) ν2(t) b2(t)T3(t) ν3(t) b3(t)

erfullt das Frenet-Differentialgleichungssystem

T ′1 (t) ν

′1(t) b′1(t)

T ′2 (t) ν

′2(t) b′2(t)

T ′3 (t) ν

′3(t) b′3(t)

=

T1(t) ν1(t) b1(t)T2(t) ν2(t) b2(t)T3(t) ν3(t) b3(t)

0 −κ(t) 0κ(t) 0 −τ(t)0 τ(t) 0

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mit Anfangsbedingungen (T (a), ν(a), b(a)) = (V ,U,V × U).Wir fassen jetzt alle Bausteine der Beweises (dass die Losung derFrenetschen Differentialgleichungen (∗) von S. 15 orthogonal ist)zusammen: wir haben gezeigt, dass

◮ die Losung

T1(t) ν1(t) b1(t)T2(t) ν2(t) b2(t)T3(t) ν3(t) b3(t)

der Differentialgleichung (∗∗)

orthogonal ist,

◮ sie deswegen das Frenet-Differentialgleichungssystem (∗)erfullt (Seite 15),

◮ sie nach Konstruktion die richtigen Anfangsbedingungen(T (a), ν(a), b(a)) = (V ,U,V × U) erfullt.

Die Orthogonalitat der Losungsmatrix (T (t), b(t), ν(t)) ist damitbewiesen.

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Wir betrachten die Kurve c(t) = p +∫ t

s=aT (s)ds =

p1 +∫

taT1(s)ds

p2 +∫

taT2(s)ds

p3 +∫

taT3(s)ds

,

welche offensichtlich im Punkt p beginnt, und T (t) als ersten Vektor desDreibeins hat. Wir beweisen nun, dass die Kurve nach Bogenlangeparametrisiert ist, sie eine Frenet-Kurve ist und sie das Dreibein(T (t), η(t), b(t)) hat (= Losung der Gleichungssystem (∗)).Sie ist nach Bogenlange parametrisiert, weil derGeschwindigkeitsvektor T (t) ist und |T (t)| ≡ 1 erfullt, da T (t) eineSpalte einer Orthogonalmatrix ist.Der Vektor ν(t) ist die Normale, κ(t) ist die Krummung: Fur

c(t) = p +∫ t

s=aT (s)ds ist c ′′(t) = T ′(t). Die Gleichungen

(T ′(t), ν′(t), b′(t)) = (T (t), ν(t), b(t))

0 −κ(t) 0κ(t) 0 −τ(t)0 τ(t) 0

(∗)

implizieren nun, dass T ′(t) = κ(t)ν(t) gilt. Da ν(t) als Spalte derOrthogonalen Matrix die Lange 1 hat, ist ν(t) also die Normale und κ dieKrummung.

Da die 2te Ableitung von c nicht ~0 und zu c ′ orthogonal ist, ist die Kurve

eine Frenet-Kurve.

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Ende des Beweises von Satz 8

Die Binormale ist b(t). Die Binormale b(t) ist ein Vektor, der zuNormale und Geschwindigkeitsvektor orthogonal steht, die Lange 1 hat,und sodass die Basis (Geschwindigkeitsvektor,Normale, Binormale)positiv it.Der Vektor b(t) hat die ersten beiden Eigenschaften, weil die Matrix(T , ν, b) orthogonal ist, und die dritte Eigenschaft, weil sie fur t = a

erfullt ist und die Basis (T , ν, b) in jedem Punkt positiv- odernegativorientiert ist.

Da also die Basis (T (t), ν(t), b(t)) das Frenet-Dreibein der Kurve c ist

(und wie auf S. 16-17 erklart wurde), sind die Krummung und die

Torsion durch die vorgegebenen Funktionen κ(t) und τ(t) gegeben.

Damit ist Satz 8 bewiesen.

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Krummung/Torsion bei beliebigem Parameterwert

Auch bei einfacheren Kurven konnte die Berechnung von Krummung undTorsion nach der Definition eine schwierige Aufgabe sein, weil esschwierig sein kann, die Kurve nach Bogenlange umzuparametrisieren.Es gibt aber, wie in Dimension 2, eine Formel fur die Krummung undauch fur die Torsion in Dimension 3:

κ(t) =|c ′(t)× c ′′(t)|

|c ′(t)|3,

τ(t) =〈c ′(t)× c ′′(t), c ′′′(t)〉

|c ′(t)|4=

det(c ′, c ′′, c ′′′)

|c ′|4.

Man kann dies effektiv benutzen, um zwei Kurven c(t) und c(t) zu‘vergleichen’: Man berechne die Krummung und die Torsion und

betrachte die Bahnen der Kurven t 7→

(

κ(t)τ(t)

)

und t 7→

(

κ(t)τ(t)

)

.

Zwei Bahnen fallen zusammen, wenn die Kurven ‘gleich’ sind, d.h. wenn

die eine mittels Umparametrisierung und Bewegung in die andere

uberfuhrt werden kann.