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17 Sozialausgaben Österreichs Hans Steiner Leiter der Abteilung Grundlagen- und Forschungsangele- genheiten im Bun- desministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz 1. Wesentliche Merkmale 18 2. Sozialausgaben nach „Funktionen“ 20 2.1 Sozialausgaben für ältere Menschen 22 2.2 Invaliditätsleistungen für Personen im Erwerbsalter 24 2.3 Leistungen bei Arbeitslosigkeit 25 2.4 Familienleistungen 26 3. Geld- und Sachleistungen 26 4. Finanzierung der Sozialausgaben 27 5. Sozial- und Gesundheitsausgaben nach Geschlecht 27 6. Sozial- u. Gesundheitsausgaben nach Altersgruppen 30 7. Szenario zur Entwicklung der Sozialausgaben bis 2030 31 Auszug aus WISO 4/2010 Institut für Sozial- und Wirtschaftswissenschaften Volksgartenstraße 40 A-4020 Linz, Austria Tel.: +43(0)732 66 92 73, Fax: +43 (0)732 66 92 73 - 2889 E-Mail: [email protected] Internet: www.isw-linz.at

Leiter der Abteilung Grundlagen- und Forschungsangele-

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Sozialausgaben Österreichs

Hans Steiner

Leiter der Abteilung Grundlagen- und Forschungsangele-genheiten im Bun-desministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz

1. Wesentliche Merkmale 18

2. Sozialausgaben nach „Funktionen“ 20 2.1 Sozialausgaben für ältere Menschen 22 2.2 Invaliditätsleistungen für Personen im Erwerbsalter 24

2.3 Leistungen bei Arbeitslosigkeit 25 2.4 Familienleistungen 26

3. Geld- und Sachleistungen 26

4. Finanzierung der Sozialausgaben 27

5. Sozial- und Gesundheitsausgaben nach Geschlecht 27

6. Sozial- u. Gesundheitsausgaben nach Altersgruppen 30

7. Szenario zur Entwicklung der Sozialausgaben bis 2030 31

Auszug aus WISO 4/2010

Institut für Sozial- und WirtschaftswissenschaftenVolksgartenstraße 40A-4020 Linz, Austria

Tel.: +43(0)732 66 92 73, Fax: +43 (0)732 66 92 73 - 2889 E-Mail: [email protected]: www.isw-linz.at

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1. Wesentliche Merkmale

Österreich zählt zu den gut entwickelten Wohlfahrtsstaaten. Im Jahr 2008 wurden 28,4 % der jährlichen wirtschaftlichen Wertschöpfung über öffentliche Umverteilung für soziale und gesundheitsbezogene Leistungen1 ausgegeben. Dieser Prozentsatz liegt knapp über dem EU-Durchschnitt.

2009 ist die Sozialquote deutlich über den langjährigen Durchschnitt auf 30,8% angestiegen. Wesentliche Ursachen sind der krisenbe-dingte starke Rückgang des BIP und die höheren Aufwendungen für arbeitslose Personen. Die Sozialquote wird ab 2010 wieder rückläufig sein.

Die Hälfte der Sozialausgaben sind Leistungen für ältere Menschen (v.a. Direkt- und Hinterbliebenenpensionen, Pflegegelder und Ausgaben für Betreuungseinrichtungen), ein Viertel entfällt auf die Gesundheitsversorgung, ein Zehntel auf Familienleistungen, 8% auf invaliditätsbedingte Leistungen für Personen vor dem Pensionsalter und 6% auf Arbeitslosen- und Arbeitsmarktleistungen.

70% der Sozialleistungen stehen als Geldleistungen und 30% als Betreuungs- und andere Sachleistungen zur Verfügung. Im EU-Vergleich überwiegen in Österreich Geldleistungen.

Mehr als die Hälfte aller Geldleistungen (55%) sind sozialversiche-rungsrechtliche Leistungen, 18% Beamtenpensionen, 14% univer-selle Leistungen (v.a. Kinderbetreuungsgeld, Familienbeihilfen, Pflegegeld) und weniger als 5% bedarfsgeprüfte Leistungen (v.a. Sozialhilfe, Notstandshilfe, Ausgleichszulage).

Bei einer Gesamtbetrachtung aller Sozialsysteme erfolgt die Finan-zierung zu jeweils mehr als einem Drittel über Arbeitgeberbeiträge und Zuwendungen aus den Budgets der Gebietskörperschaften und zu mehr als einem Viertel über Beiträge der Versicherten. Im EU-Vergleich tragen in Österreich die versicherten Personen einen höheren Anteil und die staatlichen Zuwendungen einen geringeren Anteil zur Finanzierung der Sozialsysteme bei.

Von den Sozialausgaben entfällt ca. jeweils die Hälfte auf Frauen und auf Männer. Frauen sind bei Sozialleistungen, die von der Er-

Sozialquote 2008 28,4 % ...

... 2009 krisen-bedingt stark

gestiegen

55 % sozialversi-cherungsrechtli-che Leistungen

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werbskarriere abhängig sind, deutlich schlechter gestellt, während sie bei den universellen Leistungen v.a. wegen ihrer höheren Le-benserwartung bei Gesundheits- und Pfl egeleistungen und wegen der einseitigen Aufteilung der Kinderbetreuung beim Kinderbetreu-ungsgeld einen höheren Anteil erhalten.

Für die Sozialquote ausschlaggebende Faktoren sind die demo-grafi sche und wirtschaftliche Entwicklung sowie leistungskürzende bzw. leistungsverbessernde politische Maßnahmen. Die Sozialquote bewegte sich im Zeitraum 1995 bis 2008 zwischen dem Niedrigstwert von 28% (2007) und dem Höchstwert von 29,6% (2003). In Phasen hohen Wirtschaftswachstums lag die Sozialquote unter 29% und in Phasen niedrigeren Wachstums über 29%.

Mit Ausnahme des Krisenjahres 2009 hat sich das reale jährliche Wachstum der Sozialausgaben seit den 90er-Jahren spürbar ver-ringert. Es betrug in der ersten Hälfte der 90er-Jahre im Jahres-durchschnitt real 4,5%, in der zweiten Hälfte 1,9% und von 2000 bis 2008 1,6%.

Entwicklung der Sozialausgaben und der Sozialquote 1990 – 2009

1) preisbereinigt mit Verbraucherpreisindex; Statistik Austria2) durchschnittliche reale jährliche Steigerung von 1990 bis 19953) durchschnittliche reale jährliche Steigerung von 1995 bis 20004) durchschnittliche reale jährliche Steigerung von 2000 bis 2008

Quelle: für Sozialausgaben: Statistik Austria, BMASK: ESSOSS-Datenbank Sozi-alausgaben; für BIP: Statistik Austria

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ausschlaggeben-de Faktoren für Sozialquote

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Die seit 1995 angefallenen demografi ebedingten Mehrkosten wurden durch sozialpolitische Akzentverschiebungen und durch kostendämpfende Konsolidierungsmaßnahmen (niedrige oder keine Anpassungen bei den Pensionen, Pfl egegeldern und anderen Sozialleistungen) ausgeglichen. So konnte die Sozialquote trotz eines steigenden Anteils älterer Menschen bis 2008 innerhalb einer Schwankungsbreite längerfristig konstant gehalten werden. Szena-rien zeigen, dass die Alterung höchstens einen moderaten Anstieg der Sozialquote bis 2030 bewirken wird. Finanz-und Wirtschafts-krisen stellen eine viel größere Belastung der Sozialsysteme dar.

2. Sozialausgaben nach „Funktionen“

Die Sozialleistungen werden zunächst nach generellen Sozialrisken unterschieden. Die Darstellung basiert auf den in der ESSOSS- Systematik angeführten „Funktionen“ (Alter, Hinterbliebene, Ge-sundheit etc.)2

1) Die prozentuelle Veränderung wurde mit nicht gerundeten Zahlen berechnet.2) u.a. ein Teil der Sozialhilfeleistungen, Wohngelder, Stipendien3) Die Gesamtsumme ist kleiner als die Sozialausgaben insgesamt, weil bestimmte

Ausgabentypen (v.a. Verwaltungsaufwand) hier nicht aufscheinen

Quelle: Statistik Austria, BMASK: ESSOSS-Datenbank Sozialausgaben

Finanz- und Wirtschaftskrisen

größere Belas-tung als Demo-

grafi e

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Die Sozialausgaben für ältere Menschen sind von 1995 bis 2009 am stärksten angestiegen. Die Ausgabensteigerungen für Gesundheit entsprechen etwa den durchschnittlichen generellen Ausgabenstei-gerungen. Bis 2008 war der Anstieg der Ausgaben für Arbeitslosen-leistungen unterdurchschnittlich, aufgrund des Krisenjahres 2009 jedoch überdurchschnittlich. Unterdurchschnittlich angestiegen sind die Ausgaben für Hinterbliebene, Invalidität und Familie.

Seit 1995 hat sich der Anteil der Sozialausgaben für ältere Menschen (Ältere und Hinterbliebene) an den Gesamtausgaben von 46% auf 49% erhöht, während sich der für Personen unter 60/65 um insgesamt 3% Prozentpunkte verringert hat. Diese Akzentverschiebung bei den Sozialausgaben zwischen den Altersgruppen entspricht in etwa den demografischen Veränderungen. Das Sozialsystem in seiner Gesamtheit hat also bisher flexibel auf die Alterungstendenzen in der Gesellschaft reagiert. Trotz Alterung der Gesellschaft sind die Sozialausgaben von 1995 bis zum Jahr 2008 langsamer als das BIP angestiegen.

Im Folgenden wird die Entwicklung der Sozialausgaben in den Funktionen Alter, Invalidität, Arbeitslosigkeit und Familie detaillierter dargestellt.

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trotz Alterung der Gesellschaft sind Sozialausgaben langsamer als BIP gestiegen

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2.1 Sozialausgaben für ältere Menschen

1) Die prozentuelle Veränderung wurde mit nicht gerundeten Zahlen berechnet.2) für über 60/65-Jährige, gesetzliche Pensionsversicherung3) bei langer Versicherungsdauer, Korridorpension, Langzeitversicherte, Schwer-

arbeiterpension, Gleitpension4) für über 60-Jährige, öffentliche Rechtsträger5) für über 65-Jährige, Kriegsopferversorgung und andere Sozialentschädigungs-

leistungen6) für über 60/65-Jährige, Arbeitsunfallversicherung7) für 1995 Schätzung8) v.a. ambulante und stationäre Dienste; Zeitreihenbruch im Jahr 2000; es werden

deshalb keine Werte für prozentuelle Veränderungen angeführt9) u.a. Sachleistungen der Versorgungsgesetze, Sonderruhegeld, Gebührenbefrei-

ungen für SeniorInnen10) ohne Überweisungen zwischen den Sozialschutzsystemen

Quelle: Statistik Austria, BMASK: ESSOSS-Datenbank Sozialausgaben

Mehr als die Hälfte der Leistungen der Funktion Alter entfallen auf normale Alterspensionen der gesetzlichen Pensionsversicherung (inkl. Invaliditätspensionen für über 60/65-Jährige), mehr als ein Fünftel auf Ruhebezüge (Beamtenpensionen) und nur mehr 7% auf vorzeitige Alterspensionen. Jeweils 5% sind Betriebspensionen und Pfl egegelder. Die Ausgaben der Länder und Gemeinden für mobile und stationäre Dienste für ältere Menschen machen 4% der Gesamtausgaben in der Funktion Alter aus. Von 1995 bis 2009 haben sich am stärksten die Aufwendungen der Länder und Gemeinden für mobile und stationäre Altendienste erhöht (exakte Veränderungsraten sind jedoch aufgrund geänderter Erfassungsweisen nicht möglich).

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Mehr als verdoppelt hat sich das Volumen an Betriebspensionen. 2009 entfallen auf Betriebspensionen knapp 5% aller Rentenleis-tungen für ältere Menschen.

Die Aufwendungen für normale Alterspensionen (inkl. Invaliditäts-pensionisten über 60/65) in der gesetzlichen Pensionsversicherung stiegen überproportional, dies v.a. aufgrund der demografischen Veränderungen. Die Zahl der über 65-Jährigen nahm von 1995 bis 2009 um über 20% (von 1,2 Mio. auf 1,5 Mio.) zu. Die moderaten gesetzlichen jährlichen Pensionserhöhungen wirkten sich im Ge-gensatz dazu kostendämpfend aus.

Während die Ausgaben für vorzeitige Alterspensionen bis 2000 noch überproportional zugenommen haben, ist seit 2000 aufgrund der Pensionsreformen das Gegenteil der Fall. Inflationsbereinigt wurde 2009 weniger für die gesamten vorzeitigen Alterspensionen (inklusive Korridor-, Schwerarbeit- und Langzeitversichertenpensi-onen) als im Jahr 2000 aufgewendet. Die politischen Initiativen zur Eindämmung der Frühpensionen in ihrer Gesamtheit hinterlassen seit 2000 deutlich kostendämpfende Spuren.

Ausgaben für vorzeitige Alters-pension rück-läufig

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2.2 Invaliditätsleistungen für Personen im Erwerbsalter

Hier werden nur Invaliditätsleistungen für unter 60/65-Jährige dargestellt.1) Die prozentuelle Veränderung wurde mit nicht gerundeten Zahlen berechnet.2) Gesetzliche Pensionsversicherung; die vorzeitige Alterspension wegen gemin-

derter Arbeitsfähigkeit läuft aus.3) Pensionen öffentlicher Rechtsträger für Personen unter 60 Jahren4) Arbeitsunfallversicherung5) Schätzung für 1995, deshalb wird keine prozentuelle Änderung von 1995 bis

2009 ausgewiesen

Quelle: Statistik Austria, BMASK: ESSOSS-Datenbank Sozialausgaben

Das Ausgabenwachstum bei den Invaliditätsleistungen für Personen im Erwerbsalter konnte merklich gebremst werden. Von 1995 bis 2009 stiegen die invaliditätsbedingten Ausgaben mit 33% deutlich langsamer als die gesamten Sozialausgaben an.

Bei einer Gesamtbetrachtung der verschiedenen Invaliditätspen-sionen für unter 60/65-Jährige (Invaliditätspensionen für unter 60/65-Jährige, vorzeitige Alterspensionen wegen geminderter Arbeitsfähigkeit und „Invaliditätspensionen“ der Beamten für unter 60-Jährige) ist seit dem Jahr 2000 sogar ein Rückgang der Ausgaben feststellbar. Die weit verbreitete Ansicht, der vorzeitige Übertritt in den Ruhestand wegen gesundheitlicher Beeinträchtigung nehme zu, widerspricht der realen Entwicklung.

Die Ausgaben für Pfl egegelder des Bundes und der Länder für unter 60-Jährige stiegen deutlich langsamer als die gesamten Sozialausgaben.

keine Zunahme in Ruhestand

wg. gesundheitli-chen Problemen

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Die stärksten Ausgabensteigerungen sind im Rahmen der Behin-dertenhilfe der Länder und Gemeinden zu verzeichnen.

2.3 Leistungen bei Arbeitslosigkeit

1) Die prozentuelle Veränderung wurde mit nicht gerundeten Zahlen berechnet.2) die abgeschaffte vorzeitige Alterspension wegen Arbeitslosigkeit und die Son-

dernotstandshilfe, weiters die Kurzarbeitsbeihilfe, Schlechtwetterentschädigung und Arbeitsmarktförderung der Bundesländer

3) ohne Überweisungen zwischen den Sozialschutzsystemen

Quelle: Statistik Austria, BMASK: ESSOSS-Datenbank Sozialausgaben

Bis 2008 stiegen diese Leistungen langsamer als die gesamten Sozialausgaben. Dies änderte sich mit dem Krisenjahr 2009. 2009 musste fast eine Mrd. EUR mehr für Arbeitslosenleistungen und be-schäftigungspolitische Maßnahmen als 2008 aufgewendet werden. Seit 1995 kam zu einer deutlichen Verschiebung von reinen Einkom-mensersatzleistungen zu aktiven und aktivierenden Maßnahmen. Die Aufwendungen für aktivierende Maßnahmen (inkl. Behinder-tenmilliarde) erhöhten sich um mehr als das Dreifache. Ihr Anteil an allen Ausgaben in der Funktion Arbeitslosigkeit verdoppelte sich von 1995 bis 2009 von 19% auf über 40%.

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Verschiebung hin zu aktivierenden Maßnahmen

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2.4 Familienleistungen

1) Familienlastenausgleichsfonds (FLAF) und Familienbeihilfen-Selbstträge-schaft, öffentliche Hand. Beim FLAF werden hier nur die v.a. sozial induzier-ten (nicht die bildungsbezogenen) Leistungen erfasst.

2) Das KBG ersetzt seit 2002 das Karenzgeld.3) gesetzliche Krankenversicherung4) Familienlastenausgleichsfonds (FLAF)5) ohne Überweisungen zwischen den Sozialschutzsystemen6) Die prozentuelle Veränderung wurde mit gerundeten Zahlen berechnet.

Quelle: Statistik Austria, BMASK: ESSOSS-Datenbank Sozialausgaben

Die Aufwendungen für Familien sind von 1995 bis 2008 mit 54% langsamer als die gesamten Sozialausgaben angestiegen. Ein wesentlicher Grund dafür ist die abnehmende Zahl von Personen unter 19 Jahren (um knapp 5% weniger seit 1995).Die höchsten Anstiege gab es bei den nichtmonetären Leistungen der Länder und Gemeinden. Die Ausgaben für die Jugendwohlfahrt verdoppelten sich und die für Kinderbetreuungseinrichtungen stiegen um über 150%. Dennoch ist der Anteil der Aufwendungen für diese nichtmonetären Leistungen an den gesamten Familien-leistungen mit einem Fünftel im Vergleich zu anderen EU-Staaten noch immer gering.

3. Geld- und Sachleistungen

Bei einigen schützenswerten Lebenssituationen hängt es von den gesellschaftspolitischen Leitbildern ab, ob z.B. die öffentliche

höhere Anstiege bei nichtmonetä-

ren Leistungen

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Unterstützung für den Betreuungsbedarf von Kindern oder pflege-bedürftigen Personen eher durch Geldleistungen an die betroffenen Personen und Haushalte oder eher durch öffentliche Zuschüsse für die Betreuungseinrichtungen abgedeckt werden soll. Meistens handelt es sich um eine Kombination beider Leistungstypen, doch werden in den EU-Staaten unterschiedliche Prioritäten gesetzt. Verglichen mit den nordischen und Benelux-Staaten setzt Österreich mehr auf direkte Geldleistungen an die Betroffenen.

Trotz des starken Anstiegs der Ausgaben für ambulante und statio-näre Altendienste macht der Anteil der nichtmonetären Leistungen in der Funktion Alter nur 4% aus. Bei den Funktionen Familien und Invalidität beträgt der Anteil der Sachleistungen jeweils ein Fünftel, bei der Arbeitslosigkeit – wenn auch Geldleistungen mit einem spezifischen Verwendungszweck als Sachleistungen angesehen werden – ca. 40% und bei der Gesundheit 83%.

Insgesamt entfallen in Österreich 70% der Sozialausgaben auf Geldleistungen. Bei einer Betrachtung der Sozialsysteme im enge-ren Sinn (d.h. ohne Gesundheitsleistungen) entfallen auf Geldleis-tungen 89%. In den beiden letzten Jahrzehnten kam es zu einem geringfügigen Anstieg des Anteils an nichtmonetären Leistungen.

4. Finanzierung der Sozialausgaben

Bei einer Gesamtbetrachtung aller Sozialsysteme wurden 2009 33% durch Budgetmittel der Gebietskörperschaften, 34% durch ArbeitgeberInnenbeiträge, 27% durch Versichertenbeiträge und 4% durch Sozialbeiträge des Staates als Arbeitgeber finanziert.

Die Finanzierungsstruktur blieb seit 1995 weitgehend unverändert.Im EU-27-Vergleich tragen in Österreich die Versicherten stärker und der Staat weniger zur Finanzierung der Sozialsysteme bei, während der Arbeitgeberanteil gleich hoch ist.

5. Sozial- und Gesundheitsausgaben nach Geschlecht

Bei den Sozialleistungen, die an das Erwerbsleben gekoppelt sind, führen die (frühere bzw. gegenwärtige) unterschiedliche Erwerbs-einbindung und Einkommenshöhen von Männern und Frauen zu deutlich geringeren Sozialleistungen der Frauen. Die höhere

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Österreich setzt eher auf direkte Geldleistungen

70 % der Sozi-alausgaben sind Geldleistungen

EU-Vergleich: in Österreich tragen Versicher-te stärker zur Finanzierung bei

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Lebenserwartung und das frühere Pensionsanfallsalter haben bei Frauen trotz einer generell geringeren Erwerbseinbindung eine höhere Zahl an Bezieherinnen von Direktpensionen (Alters- und Invaliditätspensionen) in der gesetzlichen Pensionsversicherung zur Folge. Die niedrigere durchschnittliche Direktpension der Frauen (ca. 60% von jener der Männer) ergibt aber dennoch für Frauen ein wesentlich geringeres Gesamtvolumen an Direktpensionen (9,7 Mrd. EUR für 865.000 Frauenpensionen und 14,2 Mrd. EUR für 770.000 Männerpensionen).

1) Leistung 14-mal jährlich inkl. Zulagen und Zuschüsse2) Von Statistik Austria werden für den Allgemeinen Einkommensbericht des Rech-

nungshofes die jährlichen Lohnsteuerdaten von BeamtInnen im Ruhestand mit Informationen zur Zahl der BeamtInnen im Ruhestand aus dem Datenbestand des Hauptverbandes der SV-Träger verknüpft. Das Gesamtvolumen wird v.a. bei Frauen überschätzt, da auch Personen sowohl mit Ruhebezügen als auch Pensionen der gesetzlichen PV aufscheinen.

3) Leistung 12-mal jährlich4) alters- und geschlechtsspezifi sche Aufteilung, entnommen einer Studie des IHS

über Altersprofi le bei den Gesundheitsausgaben; Wien 20105) inkl. Zuschuss zum KBG6) Ca. 80% der Sozialausgaben sind erfasst.

Quellen: BMASK, Statistik Austria, Hauptverband der österreichischen Sozialversi-cherungsträger, IHS (Riedel M., Röhrling G.: Altersprofi le der öffentlichen Gesund-heitsausgaben, Wien 2010)

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Werden die Hinterbliebenenpensionen hinzugerechnet, die überwie-gend auf Frauen entfallen, verringert sich der Unterschied jedoch spürbar. Die Gesamthöhe aller an Frauen ausbezahlten Pensionen in der gesetzlichen Pensionsversicherung beträgt 13,6 Mrd. EUR. Für die Pensionen der Männer werden insgesamt 14,4 Mrd. EUR aufgewendet.

In der Arbeitslosenversicherung beträgt der Anteil der Frauen an den Gesamtleistungen 37%. Ursachen sind die geringere Gesamtzahl an weiblichen Arbeitslosen (v.a. aufgrund der niedrigeren Erwerbsein-bindung) und die mit den niedrigeren Löhnen einhergehenden nied-rigeren Pro-Kopf-Arbeitslosengeld- und Notstandshilfeleistungen.

Auf 3,4 Mio. Frauen über 19 Jahre entfällt für die direkt und indirekt (Hinterbliebenenpensionen) erwerbsbezogenen Sozialtransfers ein Volumen von 18,4 Mrd. EUR. Im Durchschnitt erhielt eine über 19-jährige Frau somit im Jahr 2008 erwerbsbezogene Sozialtransfers in der Gesamthöhe von ca. 5.400 EUR. Die geringere Gesamtzahl der über 19-jährigen Männer (3,2 Mio.) kann insgesamt dennoch ein höheres Volumen an erwerbsbezogenen Sozialtransfers (21,7 Mrd. EUR) als Frauen lukrieren. Dies entspricht einer um über 20% höheren durchschnittlichen Pro-Kopf-Leistung (6.800 EUR).

Die universellen Transfers sind v.a. familien-, pflege- und gesund-heitsbezogene Leistungen. Aufgrund der höheren Lebenserwar-tung der Frauen entfallen auf sie ein überdurchschnittlicher Anteil der Pflegegeldleistungen (66%) und der Gesundheitsleistungen (54%). Da wegen der vorherrschenden geschlechtsspezifischen Rollenaufteilung die Betreuung von Kleinkindern überwiegend von Frauen wahrgenommen wird, erhalten sie 96% der Kinderbetreu-ungsgeldleistungen.

Bei einer Gesamtbetrachtung der erwerbsbezogenen und universel-len Leistungen erhält ein Mann im Durchschnitt insgesamt um 7% höhere Leistungen als eine Frau. Wegen der höheren Zahl älterer Frauen ist jedoch der auf alle Frauen entfallende Gesamtbetrag an Sozialtransfers und Gesundheitsleistungen in etwa gleich hoch wie die auf alle Männer entfallende Summe.

bei Arbeitslo-senversicherung beträgt Frauen-anteil 37 %

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6. Sozial- u. Gesundheitsausgaben nach Altersgruppen

Die durchschnittlichen jährlichen Sozial- und Gesundheitsausgaben für eine Person in Österreich betragen im Jahr 2009 ca. 10.000 EUR. Auf ein Kind bzw. einen Jugendlichen entfallen durchschnittlich jährlich 5.400 EUR, auf eine Person im erwerbsfähigen Alter 5.300 EUR und auf einen älteren Menschen 32.300 EUR. Die durchschnitt-lichen Pro-Kopf-Sozial- und Gesundheitsausgaben für eine ältere Person entsprechen somit etwa dem sechsfachen Betrag, der für Personen unter 65 Jahren aufgewendet wird.

Altersspezifi sche Pro-Kopf-Sozialausgaben 2009, in EUR

1) Mit Ausnahme der vorzeitigen Alterspensionen werden alle Aufwendungen der Funktion Alter der Gruppe 65+ zugeordnet.

2) Alle Aufwendungen der Funktion Invalidität werden den 20- bis 64-Jährigen zugeordnet.

3) Aufteilung aufgrund der Altersstruktur von BezieherInnen von Hinterbliebenen-pensionen in der gesetzlichen PV. 1% der Aufwendungen für Hinterbliebenen-pensionen werden den bis 19-Jährigen, 17% den 20- bis 64-Jährigen und 82% den über 60/65-Jährigen zugeordnet.

4) Aufteilung nach Altersgruppen gemäß einer Studie des IHS von Riedel/Röhrling über die Altersprofi le der öffentlichen Gesundheitsausgaben, Wien 2010

5) 10% der Funktion Arbeitslosigkeit werden den bis 19-Jährigen und 90% den 20- bis 64-Jährigen zugeordnet.

6) Alle Familienleistungen – abgesehen vom Kinderbetreuungsgeld und Wochengeld und die Hälfte der Stipendien – werden den bis 19-Jährigen zugeordnet.

7) u.a. Wohngelder, Sozialhilfe, Flüchtlingsbetreuung; jeweils die Hälfte wird den 20- bis 64-Jährigen und den über 65-Jährigen zugeordnet.

8) Da in den Funktionen die Verwaltungsausgaben (und andere Aufwendungen) nicht aufscheinen, sind die Zahlen mit dem Faktor 1,03 erhöht worden. Laut ESSOSS machen die Verwaltungsausgaben ca. 3% der gesamten Sozialausgaben aus. Aufgrund der Rundungen bei der Darstellung entsprechen die Gesamtzahlen nicht exakt den Summen der Einzelzahlen.

Quelle: Statistik Austria, BMASK: ESSOSS-Datenbank Sozialausgaben; eigene Berechnungen

durchschnittliche jährliche Sozi-

al- und Gesund-heitsausgaben

ca. 10.000 EUR pro Person

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7. Szenario zur Entwicklung der Sozialausgaben bis 2030

Die Zahl der über 65-Jährigen wird sich aufgrund der aktuellen Prognose von Statistik Austria bis 2030 um die Hälfte erhöhen und ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung wird von ca. 17% auf 24% ansteigen.

Gäbe es bereits im Jahr 2009 die erwartete Bevölkerungszahl und die Altersstruktur von 2030, würden sich auf Basis der altersspezi-fischen Pro-Kopf-Ausgaben des Jahres 2009 die Sozialausgaben 2009 von 84,5 Mrd. EUR um ein Viertel auf 106 Mrd. EUR erhöhen. Gemessen am BIP von 2009 würde die Sozialquote von 30,8% auf 38,6% ansteigen. Diese Sichtweise ist aber vollkommen ungeeig-net, um die zukünftigen Herausforderungen sinnvoll darzustellen.

Die Alterung ist ein kontinuierlicher Prozess. Die Zahl älterer Men-schen (über 65 Jahre) wird laut Prognosen bis 2030 im langjährigen Durchschnitt um 33.000 Personen jährlich ansteigen. Dies erfordert alterungsbedingte Zusatzkosten von ca. 1 Mrd. EUR bzw. 0,3% bis 0,4% des BIP pro Jahr.

Die demografische Entwicklung ist jedoch nur ein Faktor für die Abschätzung der Sozialquote. Politische Eingriffe in das Sozial-wesen (Leistungsverbesserungen und Leistungseinschränkungen) und vor allem das Ausmaß des Wirtschaftswachstums und der Beschäftigungsentwicklung sind weitere wesentliche Bestimmungs-größen. Es ist davon auszugehen, dass die BIP-Wachstumsraten auf längere Sicht deutlich über den demografisch bedingten jährlichen Zusatzkosten für die Sozialsysteme liegen werden und die Beschäftigungsquote der älteren Menschen weiterhin spürbar zunehmen wird.

Die Wirtschaftsforschungsinstitute und EUROSTAT gehen von rea-len jährlichen BIP-Wachstumsraten in der Höhe zwischen1,5% und 2% bis 2030 aus (in den letzten 20 Jahren lag das jährliche reale Wachstum bei 2,4%). Ca. ein Viertel bis Fünftel des zu erwartenden jährlichen BIP-Wachstums wird zur Bedeckung der steigenden alte-rungsbedingten Mehrkosten in den Sozialsystemen erforderlich sein.

Im Folgenden werden Annahmen zur wirtschaftlichen Entwicklung und zum nicht demografiebedingten Wachstum der Sozialausgaben

Sozialausgaben Österreichs – Hans Steiner

demografische Entwicklung nur ein Faktor für Sozialquote

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Sozialausgaben Österreichs – Hans Steiner

(= die über die demografi ebedingten Mehrkosten hinausgehenden Mehraufwendungen bei den Sozialausgaben) getroffen und die Auswirkungen auf die Sozialquote dargestellt. Es wird bei diesen Szenarios also angenommen, dass so wie bisher auch in Zukunft die Finanzierung der alterungsbedingten Mehraufwendungen für Soziales und Gesundheit vor allem im Rahmen der wohlfahrts-staatlichen Systeme erfolgen wird (und nicht auf private Systeme ausgelagert wird) und dass darüber hinaus auch die öffentlichen Sozialleistungen für die gesamte Bevölkerung in einem gewissen Ausmaß real ansteigen werden.

Szenarios zur Sozialquote 2030

1) Rechenbeispiel bei angenommenem BIP-Wachstum von 2% und jährlichem Anstieg der Sozialausgaben (zusätzlich zu den demografi ebedingten jährlichen Mehrkosten von ca. 0,3% bis 0,4% des BIP) um 1,2%: BIP 2009 = 100. BIP 2030 = 100 x 1,0221 = 152. Sozialausgaben 2009 = 30,8. Wegen der demogra-fi ebedingten Mehrkosten steigen sie bis 2030 auf 38,6. Es gibt ein zusätzliches Wachstum der Sozialausgaben um 1,2% jährlich: 38,6 x 1,01221 = 49,6. 49,6 dividiert durch 152 ergibt für 2030 eine Sozialquote von 32,6%.

Die hier getroffenen Annahmen sind sehr vorsichtig. Sie gehen von einem ge-ringeren BIP-Wachstum als von 1990 bis 2008 und von einem höheren Anstieg der nicht alterungsbedingten Sozialausgaben als in der Periode 2000 bis 2008 aus. Das reale BIP-Wachstum von 1990 bis 2008 betrug jährlich 2,4%. Der nicht demografi ebedingte reale Anstieg der Sozialausgaben betrug seit 2000 jährlich im Durchschnitt ca. 1%.

Quelle: eigene Berechnungen

Steigen die Sozialausgaben zusätzlich zum demografi ebedingten Mehraufwand im selben Ausmaß wie das BIP, dann würde die So-zialquote 2030 38,6% betragen. Eine solche Annahme ist jedoch vollkommen unrealistisch. Seit 1995 sind die nicht alterungsbeding-ten Sozialaufwendungen deutlich geringer als das BIP angestiegen. Wird die Entwicklung des letzten Jahrzehnts fortgeschrieben und dabei angenommen, dass neben der Abdeckung der demografi e-

seit 1995 alte-rungsbedingte Sozialaufwen-

dungen wesent-lich geringer

gestiegen als BIP

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bedingten Mehrausgaben die Sozialausgaben um einiges geringer als das BIP steigen werden, so wird sich die Sozialquote innerhalb einer Generation trotz des alterungsbedingten Mehraufwandes nur in einem geringen Ausmaß erhöhen.

Erhöht sich in den nächsten Jahrzehnten das reale BIP jährlich um durchschnittlich 2%, dann wird bis 2030 die Sozialquote trotz der demografisch bedingten Mehraufwendungen und einer darüber hinausgehenden Steigerung der Sozialausgaben von z.B. jährlich 1,2% in moderater Form um 1,8 Prozentpunkte auf 32,6% anstei-gen. Auch ein niedrigeres Wirtschaftswachstum von z.B. 1,5% wird innerhalb der nächsten 20 Jahre keinesfalls zu einem sprunghaften Ansteigen der Sozialquote führen. Es wird dann um 4 Prozentpunkte höher sein als 2009.

Diese Szenarien stehen in Widerspruch zur oft vorgebrachten Skepsis, die Alterung der Gesellschaft stelle die Finanzierung des Wohlfahrtsstaates vor unlösbare Probleme. Die pessimistischen Befunde stützen sich nur auf demografische Größen. Sie lassen aber die zu erwartende wirtschaftliche Entwicklung, den Anstieg der Beschäftigungsquote älterer Menschen und die bereits getätigten Konsolidierungen im Sozialbereich außer Acht.

Diejenigen, die den Sozialstaat krankjammern, ihn als nicht nach-haltig bezeichnen und mehr private Pensions-, Gesundheits- und Pflegevorsorge propagieren, betreiben eine sich selbst erfüllende Prophezeiung. Die privaten Pensions- und Gesundheitsfonds sind als einflussreiche Akteure auf den Finanzmärkten mit ihren riskanten Veranlagungen mit verantwortlich dafür, dass die Realwirtschaft eingebrochen ist, die staatlichen Sozialsysteme mit hohen krisen-bedingten zusätzlichen Ausgaben belastet worden sind und die Sozialquote 2009 sprunghaft angestiegen ist.

Die größte Gefahr für die Finanzierbarkeit der wohlfahrtsstaatlichen Systeme ist keinesfalls die demografische Alterung. Die fatalen Fol-gen des aufgeblähten und weitgehend unkontrollierten Finanzsektors auf die Realwirtschaft bekamen besonders die wohlfahrtsstaatli-chen Systeme zu spüren. Der krisenbedingte rasante Anstieg der Sozialquote von 28,3% auf 30,8% in nur einem Jahr ist um einiges höher als der zu erwartende Anstieg der Sozialquote infolge der demografischen Zusatzkosten innerhalb der nächsten 20 Jahre.

Sozialausgaben Österreichs – Hans Steiner

Sozialquote: wirtschaftliche Entwicklung und Beschäftigungs-quote ist mitzu-denken

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Anmerkungen1. In einer EU-Verordnung wird das „Europäisches System der Integrierten Sozial-

schutzstatistik“ (ESSOSS) definiert. ESSOSS-Sozialausgaben sind demgemäß öffentliche und betriebliche Ausgaben im sozialen Bereich mit einem Umvertei-lungscharakter. Private Ausgaben, Anspar- und Lebensversicherungssysteme, private Zuzahlungen und Selbstbehalte und betriebliche Sozialleistungen ohne Umverteilungscharakter gelten nicht als ESSOSS-Sozialleistungen. Weiter werden Abgrenzungen zu anderen öffentlichen Systemen (z.B. zu den nicht primär sozial induzierten steuerlichen Umverteilungen, öffentlichen Bildungsausgaben, Wohnbauförderungen etc.) gemacht. Die öffentlichen Ge-sundheitsausgaben sind jedoch inkludiert. Die Sozialausgaben sollen brutto ausgewiesen werden, d.h. inklusive die für Sozialleistungen vorgeschriebenen Einkommenssteuerleistungen, wie v.a. bei den Pensionen. Bei der Ermittlung der Gesamtsozialausgaben werden die intergovernmentalen Transfers zwischen den Sozialsystemen (z.B. zwischen ALV, FLAF, PV und KV) abgezogen, um Doppelzahlungen zu vermeiden.

Auf der Homepage des BMASK sind in detaillierter Form die im Auftrag des BMASK von Statistik Austria erhobenen Sozialausgaben, Definitionen und zeitliche Änderungen bei der Erfassung abrufbar (siehe: www.bmask.gv.at/cms/site/liste.html?channel=CH0182).

2. - Alter: alle sozialen Geld- und Sachleistungen (ausgenommen Gesundheit- und Hinterbliebenenpensionen) für über 60/65-jährige Personen

- Hinterbliebene: die Hinterbliebenenpensionen der verschiedenen Sozial- systeme für alle Altersgruppen (auch für Personen über 60/65 Jahre)- Gesundheit: die öffentlichen Gesundheitsausgaben für alle Altersgruppen- Invalidität: die invaliditätsbedingten Sozialleistungen für Personen im er-

werbsfähigen Alter (die entsprechenden Leistungen für über 60/65-Jährige scheinen in der Funktion „Alter“ auf)

- Familie/Kinder: die sozialen Geld- und Sachleistungen für Kinder und Jugendliche (ohne bildungsbezogene Leistungen) und Familienleistungen für Eltern

- Arbeitslosigkeit: die mit bestehender und drohender Arbeitslosigkeit in Zusammenhang stehenden Sozialleistungen (nicht nur Leistungen der Arbeitslosenversicherung)

- Andere Leistungen: v.a. ein Teil der Ausgaben, die der Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung dienen, wie z.B. sozial induzierte Wohnbeihilfen, offene Sozialhilfe (ein Großteil der bedarfsorientierten Leistungen scheint jedoch bei den anderen Funktionen auf)

Sozialausgaben Österreichs – Hans Steiner

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Lohnpolitik, soziale Sicherheit, Arbeitsmarkt und Arbeitslosigkeit, Arbeit und Bildung,Frauenpolitik, Mitbestimmung, EU-Integration - das sind einige der Themen, mit denen sich WISO bereits intensiv auseinander gesetzt hat.

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