Lernen, Mit Dem Wolf Zu Leben

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Lernen, Mit Dem Wolf Zu Leben

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  • Lernen, mit dem Wolf zu leben

    Leitfaden

    DIESER REPORTIST ERGEBNIS DER ZUSAMMEN-ARBEIT VON:

    2011

    INFORMATION

    Fragen aus Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Jagd und Tourismus

  • Zu den Autoren:Peter Srth, internationaler Studiengang zum Ing. Animal Management mit Schwerpunkt Wildtier-management, ffentlichkeitsarbeit und Politik.8 Jahre Forschung mit Wolf, Br und Luchs in Rum-nien; Mitgestaltung des kotourismus in Rumnien, Beratung in verschiedenen internationalen Filmprojek-ten. Langjhrige Erfahrung im Bildungsbereich; Expe-ditionsleiter; Autor diverser Artikel und eines Lern- und Erlebnisbuches zum Wolf fr Kinder. Dr. Christine Miller, Wildbiologin, Journalistin und Jgerin. Lebt und arbeitet im heimatlichen Tegernseer Tal, mitten im bayerischen Wolfslandkreis. Langjh-rige Forschungsarbeiten im Alpenraum, Neuseeland und England, vor allem an Schalenwild. Autorin von Fachbchern zu Wildtieren und Gamswild.Dr. Janosch Arnold, Wildbiologe und Jger. Beim WWF Referent fr europische Grosuger. Inter-nationale Forschungsarbeiten im Raubsugerbereich und universitre Lehrttigkeiten. Im Vorstand der Vereinigung der Wildbiologen und Jagdwissenschaftler Deutschlands e. V. Autor von diversen Fachartikeln zu wildbiologischen Themen.

    Impressum Herausgeber WWF DeutschlandStand Mrz 2011Autoren Dr. Janosch Arnold/WWF Deutschland ([email protected]), Dr. Christine Miller ([email protected]), Peter Srth ([email protected])Redaktion/Koordination Thomas Kberich/WWF DeutschlandLayout Thomas Schlembach/WWF DeutschlandProduktion Rainer Litty, Panda FrdergesellschaftDruck Druckhaus Berlin-Mitte GmbHGedruckt auf 100 % Recyclingpapier.

    Diese Broschre wurde gefrdert von der Gregor Louisoder Umweltstiftung.

    2 | Lernen, mit dem Wolf zu leben

  • InhaltVorwortEinleitung

    Wlfe Fakten zu Biologie, Verhalten, Lebensraum

    Mensch und Wolf Konfliktfelder und FragenWolf und ffentliche SicherheitWolf und LandwirtschaftWolf und JagdWolf und ForstwirtschaftWolf und TourismusWolf und Naturschutz

    Nachbar Wolf Wege zu einem MiteinanderWeiterfhrende Informationen und HintergrundmaterialLiteraturverzeichnis

    57

    9 38394452626468

    707778

    3

  • VorwortMitte der 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts ich war Student an einer amerikanischen Universitt hinterlie mir mein Professor fr Wildbio-logie, A. Starker Leopold, ein Rtsel, auf das ich ber Jahre keine Antwort fand. Er fragte mich, wie es mglich war, dass Wlfe in Lndern wie Italien und Spanien, mit ihren jahrtausendealten Stadtkulturen, berleben konn-ten. Im Riesenraum der USA, sdlich des 48. Breitengrades, waren sie doch in der kurzen Zeit seit der Besiedlung durch die Europer so gut wie ausge-rottet. Heute kenne ich die Antwort: Wlfe, Bren und Menschen hatten in Europa eine viele lngere Zeitspanne, miteinander leben zu lernen. In den Abruzzen in Sditalien gab es eine Einheit aus zwei- bis dreihundert Schafen, drei oder vier Hirten und vier bis sieben Hunden groe, weie Pastori Maremmani Abruzzesi, ausgerstet mit breiten Stachelhalsbndern zur Abwehr des Kehlbisses durch Wlfe. berall, wo Haustiere im Le-bensraum von Groraubtieren geweidet werden, sehen wir solche Formen der Schadensabwehr. Am wichtigsten sind dabei: Behirtung mit Hunden, nchtliches Pferchen oder Aufstallen. Mit der Ausrottung von Groraubtieren verschwanden die Traditionen der Schadensabwehr. Die Herden wurden grer, die Hirten weniger. Es kom-men schon mal 1.000 Schafe auf einen Hirten. Die bewhrten Htehunde verschwanden.

    Heute breiten sich die geschtzten Wlfe wieder aus in den Alpen, in Rumen mit unbehteten Schafen und Ziegen. Das kann nicht gut gehen. Neue Formen der Schadensabwehr sind gefragt unter Rckbesinnung auf alte Traditionen und unter Verwendung moderner Technik. Die kosten aber Geld. Lsungen sind in den neuen Bundeslndern einfacher zu finden, dort, wo die Behirtung von Herden auch heute noch gegeben ist. Ob Wlfe in Mitteleuropa in ihrem arttypischen Sozialverhalten, in Rudeln also, oder eher als versprengte Einzeltier leben knnen, ist heute noch nicht abzusehen. Hier muss noch einiges ausprobiert werden. Auch hier tun sich die neuen Bundeslnder mit ihrer geringeren Bevlkerungsdichte leichter als die Alpenlnder. Auf viele der aufgeworfenen Fragen versuchen die Au-toren dieser Broschre Antworten zu finden. Prof. Dr. Wolf Schrder,Professor fr Wildbiologie, Technische Universitt Mnchen

  • EinleitungDie vorliegende Broschre hlt Informationen und Erfahrun-gen bereit, die vor allem fr die Wlfe in Mitteleuropa und in den Alpen gelten. Denn Wlfe leben in Asien, Nordamerika, Europa und in den nrdlichen Regionen Afrikas. Vor diesem Hintergrund mssen wir gleich zu Beginn fragen: Den Wolf gibt es den berhaupt?

    Ebenso unterschiedlich wie ihre Lebensrume sind ihre Verhaltensweisen ihrer jeweiligen Umwelt und insbesondere den Menschen gegenber. Was wir ber den Wolf im hohen Norden Kanadas und Skandinaviens sagen knnen, muss nicht zwangslufig auch fr den im sdlichen Europa gelten. Die Erfahrungen aus groen Offenlandbereichen und weitlufigen, ehemali-gen Truppenbungspltzen, wie zum Beispiel in Ostdeutschland, lassen sich nicht ohne Weiteres bertragen auf die kleinrumigen Lebensverhltnisse in den Mittelgebirgen und Alpen. Und schlielich sollte man sich immer in Acht nehmen, das Verhalten der Wlfe zu pauschalisieren. Wie kaum ein anderes Wildtier sind Wlfe lernfhig und in der Lage, sich auf vernderte Situationen einzustellen.

    Wlfe sind durchaus das, was wir bei Menschen Individualisten nennen: Ihr Charakter und Verhalten, ihr wenn man so will Temperament ist Ergeb-nis der von den Eltern und Familienmitgliedern bertragenen Traditionen und Lebenserfahrungen. Bei aller Verschiedenheit sind zwei Verhaltens-muster typisch: Sie sind uerst vorsichtig und sehr neugierig.

    Landwirten, Forstleuten, Tourismustreibenden jener Regionen, die der Wolf als sein Zuhause betrachtet, ist unbehaglich zumute. Manche sind gar entsetzt. Daher ist es uns ein Anliegen, insbesondere die direkt Betrof-fenen gezielt mit Antworten auf Fragen zu versorgen, die so oder hnlich immer wieder aufkommen. Auf dem Weg dorthin stellen wir zunchst den Wolf, sein Verhalten und seine Bestimmungsmerkmale vor. Wer sich noch detaillierter informieren mchte, der sei auf den Anhang mit spezifischer Literatur zum Thema verwiesen. Grundstzlich soll diese Broschre allen Menschen als Informationsquelle dienen, um den neuen Nachbarn Wolf besser verstehen zu lernen.

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  • Mexikanischer Wolf (Canis lupus baileyi)

    Tundra-Wolf (Canis lupus albus)

    Iranischer Wolf (Canis lupus pallipes)

    Arktischer Wolf (Canis lupus arctos)

    Mackenzie River Wolf (Canis lupus mackenzii)

    Tibetischer Wolf (Canis lupus chanco)

    Taxonomie nach Wilson & Reeder 2005

    Arabischer Wolf (Canis lupus arabs)

    Europischer Grauwolf (Canis lupus lupus)

  • Teichgebiet bei Niederspree in der sdlichen Lausitz. Hier leben Wlfe und von hier aus nahm die Rckkehr der Wlfe nach Deutschland ihren Anfang

    Wlfe Fakten zu Biologie, Verhalten, Lebensraum

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  • Saarlooswolfhund

    Sibirischer HuskyTschechoslowakischer Wolfshund

    Wie sieht ein Wolf aus?Der Wolf ist etwa so gro wie ein Schferhund. Seine Frbung und sein Gewicht knnen je nach Vorkommen stark schwanken. Europische Wlfe haben keine so groe Farbvarianz wie die Kanadischen Wlfe. Typisch fr das Bauchfell sind Nuancen aus Hellbraun und Ocker. Auf dem Rcken dominieren dunkelbraune, mit Schwarz durchsetzte Haare. Aus der Distanz betrachtet, vermischt sich die Behaarung zu einem grauen Gesamteindruck.Das Tier ist hochbeinig, der Kopf ist breiter als der eines Hundes, die Augen sind leicht schrg gestellt, die Rute wird in entspannter Stimmung hngend getragen. In freier Wildbahn gilt ein zwlf Jahre alter Wolf schon als sehr alt. In Gefangenschaft knnen sie einige Jahre lter werden.

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  • Weiterfhrende Informationen ab Seite 77

    Kopf-/Rumpflnge Rde 110150 cm; Fhe 100125 cm

    Wolf

    Deutscher Schferhund

    dunkler Rckensattel

    lange Schnauze

    dunkle Stirn und Nasenoberseite

    gerader Rcken dreieckig, leicht abgerundetschrge Augen

    deutlich gezeichnete Maske

    Schnauze/Lefzen hell abgesetzt

    dunkle Rutenspitze; Rutenlnge 3050 cm

    helles Fell

    lange, hohe Beine

    Schulterhhe Rde: 7090 cm Fhe: 6080 cm

  • Woher kommen Wlfe?Im Leben eines jungen Wolfs kommt der Tag, an dem er sich auf den Weg macht und die Familie verlsst. Er begibt sich auf die Suche nach freiem Lebensraum und nach einem Partner zur Familiengrndung. Wanderungen ber 300 bis 500 Kilometer sind keine Seltenheit. Selbst ber 1.000 Kilome-ter von den Eltern entfernt werden noch Reviere gebildet. Auch erwachsene, ltere Wlfe begeben sich unter bestimmten Umstnden auf Wanderschaft. Beispielsweise dann, wenn eine Familie durch den Tod eines Elternteils auseinanderbricht.

    Aus folgenden vier Gebieten knnen Wlfe ganz Deutschland und die Alpen erreichen:

    Norditalien, Sdschweiz, franzsische Alpen

    Slowenien, Kroatien

    Karpaten (Westkarpaten: Slowakei/Tschechien)

    Polen, Ostdeutschland

    Rechts: Die Wolfspopulationen in Norditalien/Frankreich, auf dem Balkan, in der westlichen Slowakei/Tschechien und im Osten Deutschlands sind in den vergangenen 1030 Jahren gewachsen. Die Kreise umfassen den Wanderradius von 500 Kilometern aus den vier Quellge-bieten, die fr Deutschland und den Alpenraum am wichtigsten sind. Wlfe knnen in Deutsch-land durch natrliche Zuwanderung prinzipiell berall auftauchen. (auf Basis von Srth, 2010, unpubliziert.)

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  • 150 Anzahl der Wlfe

    Verbreitungsgebiet/Reproduzierende Wolfsvorkommen Einzelnachweise Wanderradius 500 km

    3002000

    ~130

    ~700

    ~80

    ~400~1000

    ~1200~400

    ~400

    ~100

    ~2000

    ~200~200~25

    ~20

    ~180

    600430

    350

    2501000

    650

    1000

    3000>18

    >50-80

    >8

  • Warum kommen Wlfe pltzlich zurck? Ursprnglich haben Wlfe mindestens die gesamte Nordhalbkugel der Erde besiedelt. Nur wir Menschen haben uns in noch unterschiedlicheren Lebens- rumen niedergelassen. Einst war Europa flchendeckend von Wlfen besiedelt. Alle heutigen Verbreitungslcken gehen auf die Ausrottung durch den Menschen zurck. Seit rund 30 Jahren wchst auf unserem Kontinent das Verbreitungsgebiet des Wolfs wieder. Die Rahmenbedingungen sind fr den groen Beutegreifer gnstiger geworden. Dafr gibt es einige Grnde:

    Die Einstellung der Gesellschaft anderen Lebewesen gegenber hat sich verndert.

    Als Folge gehen wir heute anders mit der Natur um. Wir schtzen Tier- und Pflanzenarten und versuchen die biologische Vielfalt zu erhalten.

    Entsprechende Gesetze untersttzen die Bemhungen.

    Der Wolf frher gezielt verfolgt ist heute international streng ge-schtzt.

    Die groen Wolfsvorkommen in Osteuropa wachsen, so dass die Tiere wieder nach Westen wandern.

    Die alten Wolfsbestnde in Italien und auf dem Balkan haben sich erholt. Von dort haben sich die Wlfe nach Norden bis an den Alpenrand ausge-breitet.

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  • Wlfe sind Teil unserer natrlichen Tierwelt. Die anpassungsfhigen Tiere brauchen keine Wildnisgebiete, um heimisch zu werden

  • Durch die Untersuchung bestimmter Genabschnitte, sogenannter Mikrosatelliten, lsst sich die gene-tische Distanz zwischen verschiedenen Tieren ermitteln. Eng beieinanderliegende Punkte deuten auf hnliche Genotypen und damit einen engen Verwandtschaftsgrad der Individuen hin. In der Abbildung sind Hunde grn, deutsche Wlfe aus Sachsen gelb, Wlfe aus den Karpaten wei und aus Nordpolen blau dargestellt. Eine vermutete Wolfsprobe aus Brandenburg stellte sich als Hund heraus (rote Mar-kierung). (aus: Ansorge et al. 2010)

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    1

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    -1

    Ach

    se 2

    (6,2

    3 %

    )

    Achse 1 (8,45 %)

    Wlfe aus Nordpolen

    deutsche Wlfe

    Hunde

    Karpaten-Wlfe

  • Was knnen genetische Untersuchungen ber die Herkunft der Wlfe sagen?Aus den Spuren, die der Wolf an gerissenen Beutetieren hinterlsst etwa Kot, Haare oder Speichelreste , kann dessen Erbsubstanz (DNA) ermittelt werden. Vorausgesetzt, die Probe ist frisch genug, lsst sich beispielsweise feststellen, ob es sich um einen Wolf handelt oder um einen Hund. Auch das Geschlecht des Tieres kann so ermittelt werden. Vergleicht man die ge-netischen Merkmale des als Wolf identifizierten Tieres mit Proben anderer Wolfsvorkommen, dann lsst sich aus den hufigsten bereinstimmungen auf das Herkunftsgebiet des Tieres schlieen. Auf diese Weise kann man die unterschiedlichen, so genannten genetischen Linien unterscheiden.

    Zum Beispiel besitzen alle Wlfe, die aus dem Raum Italien, Schweiz und Frankreich stammen, gemeinsame Merkmale, die sie als Angehrige der italienische Linie ausweisen. Wlfe, die aus Slowenien und Kroatien stammen, zhlen wir wegen der hnlichkeit ihrer gemeinsamen Merkmale zur sdosteuropischen Linie. Dergestalt weisen auch die Wlfe in den Kar-paten gemeinsame Merkmale auf, die sie von nordosteuropischen Wlfen differenzieren. Zur nordosteuropischen Linie zhlen jene Tiere, die in Ostpolen, Russland bis hoch nach Finnland vorkommen, und von der auch die schsischen Wlfe abstammen.

    Wie schnell knnen sich Wlfe ausbreiten?Wlfe sind ausgezeichnete, sehr ausdauernde Wanderer. Sie knnen ber ei-ne Woche umherziehen, ohne nennenswerte Nahrungsaufnahme und ohne dabei irgendwo aufzufallen. Innerhalb seines eigenen Reviers legt ein Wolf in einer Nacht leicht 20 bis 50 Kilometer zurck. Auf Wanderschaft ist er fhig, diese Distanz innerhalb von 24 Stunden zu verdoppeln. Beispielhaft fr die wlfische Wanderlust steht der deutsche Wolf Alan, der 2009 in zwei Monaten von Sachsen nach Weirussland lief.

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  • Nicht nur dichte Wlder, auch Almflchen im Gebirge, bieten Wlfen passenden Lebensraum

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  • Wie dicht leben Wlfe beieinander?Wlfe konzentrieren sich nicht auf kleiner Flche. ber ein Gebiet von 100 km bleibt die Wolfsdichte immer relativ gering. Eine Familie (ein Ru-del) nutzt und verteidigt ihr Familienterritorium. Ein fremdes Wolfsrudel wird innerhalb dieses Territoriums nicht geduldet und gemeinsam verjagt.

    Unter mitteleuropischen Bedingungen ist das Revier einer Familie etwa 150 bis 300 km gro. Die Reviergre hngt wesentlich von zwei Fakto-ren ab: dem Nahrungsangebot pro Rudelmitglied und dem Nutzungsgrad der Landschaft.

    Eine Wolfsfamilie besteht im Durchschnitt aus vier bis sechs Wlfen. Dazu gehren die beiden Elterntiere, die Jhrlinge und die aktuellen Wolfswelpen, die man blicherweise frhestens ab einem Alter von fnf bis sechs Monaten mitzhlen kann. Im Laufe eines Jahres schwankt die Familiengre stark: Einerseits berleben nicht alle Welpen, andererseits wandern die Ein- bis Zweijhrigen meist ab. Zur Sterblichkeitsrate bei Welpen liegen keine belastbaren Daten aus Europa vor. Geschtzt wird, dass zwischen 50 und 80 % der Welpen noch im ersten Lebensjahr ster-ben. Im Herbst und Anfang Winter zhlt eine Wolfsfamilie die meisten Mitglieder, im Frhjahr und Sommer die wenigsten.

    Jungwlfe verlassen meist im Alter von ein bis zwei Jahren die Familien. Sie machen sich auf die Suche nach einem freien Platz und einem Part-ner zur Familiengrndung.

    Wlfe passen ihre Reviergre dem zur Verfgung stehenden Nahrungs-angebot an. Bei groem Nahrungsangebot sind die Reviere kleiner, z. B. nur 150 km. Ist hingegen nur wenig Nahrung aufzutreiben, dann wird er sein Territorium auf 300 km oder noch weiter ausdehnen. Dabei spielt nicht nur die Gesamtmenge des Nahrungsangebots eine Rolle, sondern auch die Faktoren Erreichbarkeit und topografische Beschaffenheit. Reviere in Hochgebirgsregionen und mit vielen steilen und schroffen Hngen, also solche, die die Nutzung fr Wlfe erschweren, sind meist grer. Kleinere bis mittelgroe Siedlungen werden von einem Wolfsrudel in das Revier integriert.

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  • Sind Wlfe Einzelgnger?blicherweise leben Wlfe in einer Familie. Die Jungwlfe, die ihre Familie verlassen haben, leben so lange einzeln, bis sie eine eigene, neue Familie grnden knnen oder Anschluss an eine andere finden. Auch erwachsene Wlfe knnen als Einzelgnger angetroffen werden.

    Wie bildet sich ein Rudel bzw. eine Familie?Dazu gibt es verschiedene Mglichkeiten:

    Eine Wlfin und ein Wolfsrde begegnen sich, sind einander sympa-thisch was nicht zwangslufig der Fall sein muss , bleiben beisammen und zeugen Nachwuchs.

    Wenn eines der Elterntiere aus einem bestehenden Rudel z. B. altersbe-dingt ausfllt, durch Krankheit oder Unfall, wird ein neuer Wolf die freie Position bernehmen. Unter Umstnden bricht das Rudel auseinander.

    Zwischen Eltern und den eigenen Kindern oder zwischen neuen Wlfen, die einzeln oder zu zweit auf einen Familienverband stoen, knnen aggressive Kmpfe entstehen, bei denen sich neue Anfhrer durchsetzen knnen.

    Wie viele Welpen hat eine Wlfin?Ganz hnlich wie bei Hunden drei bis acht Welpen, im Durchschnitt fnf. Es knnen aber auch mal zehn Junge geboren werden.

    Die Paarungszeit ist im Februar. Ende April, Anfang Mai kommen die Welpen zur Welt. Die Wlfin bereitet in der Regel mehrere Hhlen vor. Ent-weder graben sie sie selbst, nutzen eine natrliche Hhle oder bernehmen die eines anderen Wildtieres. Werden die Wlfe von Menschen in der Hhle gestrt, ziehen sie mit ihren Welpen um. Die Welpensterblichkeit kann sehr hoch sein. Bei der Aufzucht der Jungen helfen alle Familienmitglieder mit.

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  • Wo halten sich Wlfe mit Nachwuchs auf?Wlfe bringen ihre Welpen in einer Hhle zur Welt. Das kann ein hohler Baum, eine Felsenhhle oder eine Erdhhle sein. In der Regel ziehen die Elterntiere schon in den ersten beiden Monaten wenigstens einmal um, manchmal mehrfach. Sobald die Welpen alt genug sind, nutzen sie einen so genannten Rendezvous-Platz. Dort glauben die Wlfe ihre Welpen in Sicherheit, so lange die Welpen noch zu jung sind, um die Eltern zu be-gleiten, aber schon zu gro, um sich mehrere Stunden in einer Hhle zu verstecken. An diesen Rendezvous-Pltzen warten und spielen die Welpen. Die brigen Mitglieder der Wolfsfamilie bringen die Nahrung dorthin. Mit zunehmender Gre und Mobilitt der Welpen verlagern die Wlfe im Sptsommer und Herbst den Ort immer fter.

    Ausgiebiges Spiel der Welpen schult beizeiten das Sozialverhalten

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  • Paarungszeit

    Soziale Rituale zwischen Wlfen sind ein tgliches Muss

    Bei ritualisierten Auseinandersetzungen bleiben in der Regel keine krperlichen Blessuren zurck

    Oben: Soziales Verhalten unter Wlfen: Eltern und ltere Geschwister passen auf den Nachwuchs auf Unten: Welpen sind uerst neugierig und lernen auch durch Beobachtung

  • Auf dem warmen, sonnigen Stein schmiegen sich

    Wlfe auch gerne eng zusammen

    ganz ohne Konflikte

    Wie ist die Sozialstruktur einer Wolfsfamilie beschaffen?Wlfe leben in einem Familienverband, der nicht so streng hierarchisch aufgebaut ist, wie oft beschrieben wird. Die strengen Rangordnungen ent-wickeln sich insbesondere in Gefangenschaften.Die Wolfsfamilie besteht aus folgenden Mitgliedern:

    den beiden Elterntieren, Mnnchen und Weibchen (Rde und Fhe),

    den Jungwlfen zwischen 12 und 24 Monaten,

    den Welpen, also den Wlfen im ersten Lebensjahr, und gelegentlich in Mitteleuropa aber eher selten aus noch einen oder mehreren weiteren erwachsenen Wlfen. Das knnen Jungwlfe sein, die bis zum 2. Jahr noch nicht abgewandert sind, oder andere erwachsene Wlfe, die unter-schiedlich stark in den Familienverband integriert sind. Fr die Gre und Zusammensetzung der Familie spielen in erster Linie die Gre der Beutetiere und in zweiter Linie die rumlichen Bedingungen eine Rolle. Wo die Hauptbeutetiere gro und wehrhaft sind (z. B. Elche), sind auch die Rudel im Durchschnitt grer als in Regionen, in denen hauptschlich leicht zu berwltigende Beute auf dem Speiseplan steht.

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  • Wie grenzen Wlfe ihr Revier ab?In erster Linie mit Geruch, also Markierungen mit Urin, Kot und Drsense-kreten. Auch akustisch durch Heulen werden Reviere gekennzeichnet.

    Wie unterhalten sich Wlfe?Noch ist nicht vollstndig erforscht, wie sich Wlfe untereinander verstndi-gen. Es gibt Krpersprache und Gesichtsmimik, an der unter anderem Augen, Ohren und Lippen beteiligt sind. Beides wird noch untersttzt durch die markante Fellfrbung im Kopfbereich. Sowohl die Krpersprache als auch die Anzahl der bekannten Ausdrucksformen der Mimik sind bei Wlfen deutlich hher entwickelt als bei Hunden. Auerdem unterhalten sich Wlfe ber eine breite Palette von Lautuerungen. Dazu gehren Heulen, Bellen, Knurren, Jaulen und Winseln. Der Geruch spielt ebenfalls eine wichtige Rolle.

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    100

    Haustiere/Nutztiere

    KleinsugerHasenartigeGmseMufflonWildschweinRehRothirsch Schalenwildgesamt

    Sachsen

    Polen

    Westliche Alpen (Italien/Frankreich)

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  • Was fressen Wlfe?Wlfe sind berwiegend Fleischfresser, als solche nehmen sie auch Aas auf. Im Sommer gnnen sie sich gerne eine Portion Obst.

    Grundstzlich fressen Wlfe das, was sie leicht erbeuten knnen. Ein altes, sehr junges oder krankes Tier ist weniger aufmerksam und leichter zu rei-en als gesunde, flinke und wehrhafte Tiere. Da der Wolf nicht nur berra-schen kann, sondern seine Beute auch hetzt, selektiert er automatisch die weniger vitalen, langsameren Tiere. Auerdem knnen Wlfe kranke Tiere riechen, bevor die Erkrankung fr den Menschen sichtbar wird. Der Angriff auf ein gesundes und starkes Tier stellt dagegen immer auch ein Risiko fr den Wolf dar. Das bedeutet aber nicht, dass nicht auch kerngesunde Tiere gerissen werden.

    Die Hauptbeutetiere fr die Wlfe Mitteleuropas sind:

    Rotwild, Rehe, Wildschweine;

    Gamswild, wenn erreichbar;

    kleinere Wildtierarten von Biber, Dachs, Hase, Waschbr bis zur Maus sowie kleinere Beutegreifer wie Fchse oder Marderhunde;

    Nutztiere, wenn diese nicht ausreichend geschtzt sind. Davon betroffen sind insbesondere Schafe und Ziegen, sehr selten ausgewachsene Rinder oder Pferde. Jedoch knnen Klber und Fohlen gefhrdet sein.

    Hunde, die frei herumlaufen, einer Wolfsspur folgen und auf Wlfe stoen, knnen von Wlfen gettet und gefressen werden. Hunde werden einerseits als Konkurrenten betrachtet und fallen andererseits auch ins Beutespektrum. Trotzdem, Wlfe reagieren auf Hunde individuell sehr unterschiedlich.

    Links: Die jeweils hufigste Schalenwildart eines Gebiets wird zur Hauptbeute des Wolfs. Die Tabelle zeigt die jeweiligen Anteile verschiedener Wildarten und Nutztiere in drei gut untersuchten Wolfspopulationen. (nach Daten aus: Jedrzejewski et al. 2000, Grazzola et al. 2007, Ansorge et al. 2010)

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  • Warum wird ein gerissenes Wildtier nicht komplett aufgefressen?Dafr kann es mehrere Grnde geben:

    Ein einzelner Wolf ist nicht in der Lage, mehr als zehn Kilo auf einmal zu fressen. Die meisten Beutetiere sind schwerer.

    Der Wolf wurde an der Beute gestrt.

    Manche Wlfe bevorzugen eher frische, selbst erlegte Beute.

    In seinem Revier sind ausreichend Nahrung und leicht erreichbare Beute-tiere vorhanden.

    Der Wolf kommt nicht zu den Resten seines Risses zurck, weil er gelernt hat, dass dort ein Mensch auf ihn lauern knnte.

    Oft handelt es sich bei den Halb-Fressern um besonders umtriebige Einzeltiere, in deren Revier kein Nahrungsmangel besteht. Lebt eine Wolfsfamilie in einem solchen Gebiet, bleibt in der Regel von einem Riss nicht viel brig.

    Wie jagen Wlfe?Die Jagdstrategien der Wlfe orientieren sich an Art und Charakter der Beute, der Gre des Rudels, dem Gelnde und gegebenenfalls noch anderen Umweltfaktoren. Schon bei der Suche nach mglichen Beutetieren knnen sich Wlfe aufteilen und parallel zueinander ziehen. Ein aufgestbertes Beutetier wird manchmal ber lange Strecken gehetzt. In besonders de-ckungsreichem Terrain setzen Wlfe auch auf den berraschungseffekt. Wo erforderlich, mobilisieren die Tiere ihre betrchtlichen Talente zu planungs-vollem, strategischem Vorgehen. Vermutlich gehrt dazu die Fhigkeit, die Beutetiere in eine ausweglose Situation zu treiben, um sie beispielsweise in steilem Gelnde zum Absturz zu bringen.

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  • Koordination und Arbeitsteilung bringen den Erfolg

    Auf der Jagd

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  • Wie ernhren sich Wlfe im Winter? Whrend die groen Pflanzenfresser in unseren Breiten im Winter einen Engpass erleben die Nahrung ist knapp, Fortbewegung im Schnee ist krftezehrend , geht es den groen Fleischfressern in dieser Zeit eher gut. Reh, Hirsch, Wildschwein, Hase und andere Beutetiere sind auch im Winter im Revier unterwegs. Wlfe knnen sich mit ihren groen Pfoten im Schnee oft schneller und weniger energieraubend fortbewegen als viele ihrer Beute-tiere. Allerdings halten die sich im Winter eher in Tallagen und oft in der Nhe von Siedlungen auf. Dort ist oft mehr Nahrung zu finden, dort liegt weniger Schnee als in den Hochlagen. Wlfe passen sich an das Verhalten ihrer Beutetiere an. Weil man im Schnee auch ihre Spuren besser findet, entsteht der Eindruck, dass Wlfe whrend der Winterzeit auf Nahrungs-suche in die Drfer kommen. Doch Wlfe durchqueren Siedlungen auch im Sommer. Nur hinterlassen sie dann weniger sichtbare Spuren.

  • Sind Wlfe nur nachts aktiv?Dort, wo es keine Menschen gibt, die dem Wolf nachstellen, sind Wlfe tag- und nachtaktiv. Ansonsten gehen die Tiere vor allem nachts und in der Dmmerung auf Jagd, manchmal auch im Schutz dichten Nebels.

    Warum tten Wlfe mehr als nur ein Tier?Wenn beispielsweise eine Schafherde von Wlfen panisch aufgeschreckt wird, aber keine Mglichkeit zur Flucht hat, vielmehr schockstarr verharrt oder herumrennt, dann reagieren Wlfe so instinktgesteuert, wie man das von anderen Beutegreifern (Hund, Wiesel) kennt. Die Beutetiere reizen den Wolf immer wieder zu seinem typischen Beute-Verhalten.

    Wie viel frisst ein Wolf pro Tag?Die Angaben in der Literatur schwanken stark. Sie reichen von 1,7 kg bis 10 kg Fleisch pro Tag. Ziehen wir deshalb die Ergebnisse einer zehn Jahre dauernden Untersuchung aus dem polnischen Bialowieza-Naturwaldreser-vat heran: Nach dieser Studie haben die Wlfe durchschnittlich etwa 5,3 kg Fleisch pro Tag und Wolf gefressen. Andere Studien rechnen mit einer tg-lichen Fleischration von etwa 23 kg zum berleben. Beutetiere bestehen aber nicht nur aus Fleisch, sondern auch aus Fell, Knochen und Innereien. Das alles addiert sich zu einem Gesamtgewicht, der Biomasse eines Tieres. Im Durchschnitt ermittelte die polnische Studie 7,7 kg Biomasse pro Tag und Wolf. Bei einer mittleren Beutetiermasse von 55 kg je Tier das ent-spricht etwa einem Rotwildkalb verzehrt ein Wolf im Laufe eines Jahres rund 40 Stck Rotwild-Einheiten. Diese Zahl schwankt natrlich, ist ab-hngig vom Gewicht der Beute, vom Gewicht des Wolfs, wie oft er gestrt wurde, wie viel Energie er verbraucht und was ihm an zustzlicher Nahrung vor die Nase kommt. Die 40 Stck findet der Wolf auf einer Flche von etwa 200300 Quadratkilometern. Das entspricht dann einem Wolfsriss-Faktor von rund 0,2 Stck je 100 Hektar pro Wolf.

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  • Gibt es fr Wlfe in Deutschland und den Alpen ausreichend Nahrung? Ja, denn Rehwild und Schwarzwild nehmen in Mitteleuropa zu und sind das ganze Jahr hindurch unterwegs. Auch andere wichtige Beutetierarten wie Rot- oder Gamswild sind in den Alpen das ganze Jahr ber innerhalb eines Wolfsterritoriums verfgbar, jedoch in lokal sehr unterschiedlichen Dichten. Vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis weit ins 20. Jahrhundert gerieten die meisten Beutetiere durch Menschen in starke Bedrngnis, verschwanden in verschiedenen Regionen gar ganz. Nun, mit der Zunahme der Wildbestnde, finden auch die Wlfe wieder natrliche Beute. In jedem Fall vergrern Wlfe ihr Territorium so weit, bis die Nahrungsbasis darin ausreicht.

    Welche Auswirkungen hat das Auftreten von Wlfen auf andere Wildtiere?Wlfe bemerken kranke Wildtiere frher und erbeuten sie weit effizienter als Jger. Mit dieser Fhigkeit knnen sie die Ausbreitung von Krankheiten reduzieren. So verhindern sie das Auftreten von Epidemien oder mindern zumindest deren Risiko. Denken wir an Schweinepest und Blauzungen-krankheit, so erahnen wir die mglichen wirtschaftlichen Konsequenzen.Beute, die der Wolf nicht an Ort und Stelle vollstndig vertilgt, dient an-deren Fleisch- und Aasfressern als Nahrung. Vor allem Geier, die in den Alpen unter zunehmenden Versorgungsproblemen leiden, knnen von der Anwesenheit des Wolfs profitieren.

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  • Sind Wlfe fr Menschen gefhrlich?Wlfe, die in freier Wildbahn aufgewachsen sind und dort leben, sind dem Menschen nach allen Erkenntnissen, die man weltweit gesammelt hat, nicht grundstzlich gefhrlich. Allerdings versteht unter gefhrlich nicht jeder das Gleiche. Deswegen lohnt ein Blick in die Statistik:

    In der EU leben etwa 15.000 Wlfe sowohl in sehr dnn besiedelten als auch in dicht besiedelten Regionen. Tglich gibt es Begegnungen zwischen Menschen und Wlfen. Die meisten bleiben dem Menschen unbemerkt. Statistisch gesehen tritt innerhalb von zehn Jahren weniger als ein tdlicher Unfall mit Wlfen in Europa auf. In einer wissenschaftlichen, sehr umfas-senden Recherche (Linnell et al. 2002) wurden weltweit Angriffe von Wlfen auf Menschen ber einen Zeitraum der vergangenen 400 Jahre zusammen-gefasst. Von 1950 bis 2000 wurden in Europa 59 Zwischenflle besttigt. Da-von waren in 38 Fllen die Wlfe an Tollwut erkrankt. Fnf dieser Angriffe endeten tdlich. Von den restlichen 21 Fllen endeten vier Angriffe tdlich, alle davon in Spanien. Die nicht auf Tollwut zurckzufhrenden Flle gehen fast ausnahmslos auf angeftterte, provozierte oder auf wie in Lettland und Litauen entlaufene und halbzahme Wlfe oder Wolfshybriden zurck.

    In Indien werden Wlfe deutlich hufiger auffllig. Die dortigen Lebensum-stnde, d. h. die groe Armut, sind dafr entscheidend verantwortlich. Die Wlfe finden wenig natrliche Beutetiere, haben aber immer wieder Zugriff auf menschliche Leichen.

    Obwohl whrend der vergangenen 30 Jahre die Wolfspopulation in Europa zugenommen hat, nahm die Zahl der Unflle mit Wlfen ab. In Rumnien, dem europischen Land mit der strksten Wolfspopulation (dort leben etwa 3.000 Tiere), gibt es nur wenige Berichte von Bissverletzungen zu denen es nur deshalb kam, weil Schfer versuchten, Wlfe zu erschlagen. Hinge-gen durchstreifen Wlfe in Rumnien regelmig Siedlungen, ohne dass es zu Zwischenfllen kommt. Auch in anderen Wolfsregionen durchstreifen die Wlfe regelmig Siedlungsbereiche.

    Ein Risiko besteht aber dann, wenn Wlfe gefttert werden und man sie auf diese Weise lehrt, um Futter zu betteln. Das kann gefhrlich werden. Darber hinaus sollte man davon ablassen, Wlfe zu verfolgen, um sie zu beobachten, Welpen zu suchen oder zu fotografieren. Auch kranke Tiere

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  • knnen gefhrlich werden. Vor allem in Osteuropa ist es noch nicht berall gelungen, die Tollwut zurckzudrngen. Jedoch gehren Wlfe nicht zu den Hauptbertrgern der Tollwut.

    Was mache ich bei Wolfsbegegnungen?Die wenigsten Menschen bemerken es, wenn Wlfe in ihrer Nhe sind. Selbst wenn die Tiere sich direkt an einem Wanderweg befinden, warten sie geduldig, bis die Menschen an ihnen vorbei gegangen sind. Grundstzlich gilt bei Wolfsbegegnungen der Rat, Ruhe zu bewahren. Denn whnt sich ein Wolf entdeckt, tritt er blicherweise die Flucht an.

    Es kommt vor, dass Menschen das Interesse von Wlfen erregen. Aufmerk-sam beobachten sie, was vor sich geht. Dabei lernen sie die menschlichen Siedlungsumgebungen kennen und welches Verhalten ihre eigene Sicherheit am besten garantiert. Wenn sie spren, dass man auf sie aufmerksam ge-worden ist, verziehen sie sich schnell und leise.

    Wolfsbegegnungen sind Glckssache Wlfe sind scheu

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  • Wieso gehen Wlfe in Siedlungen?Dringen Wlfe in Siedlungsbereiche ein, beginnt die angemessene Reaktion zunchst mit der Frage nach dem Warum. Kein Grund zur Sorge besteht, wenn Wlfe die Siedlungen nur zur Abkrzung ihrer Route durchqueren. Auf jeden Fall ist darauf zu achten, dass die Tiere nicht von offen zugngli-cher, potenzieller Nahrung angelockt werden. Sollte es dazu kommen, dass Wlfe Wildtiere in befriedeten Bezirken reien, dann sollte geprft werden, ob es sich dabei um Ausnahmen handelt oder ob sie ihre Beutetiere gezielt in der Nhe von Menschen suchen.

    Was sind verhaltensauffllige Wlfe?Genau beobachten sollte man jene Wlfe, die sich wiederholt bewusst und besonders auffllig Menschen nhern. Die Gefahr besteht, dass die Tiere krank sind oder gefttert wurden. Nhern sich hingegen die Tiere dem Menschen gezielt aggressiv, ist die Ttung legitim. Wie an anderer Stelle erwhnt, ist es grundstzlich nicht ungewhnlich, wenn Wlfe aus sicherer Entfernung oder aus ihren Verstecken heraus das Verhalten von Menschen beobachten so lange sie sich selbst unbeobachtet und sicher fhlen.

    Brauchen Wlfe groe, dichte Wlder in ihrem Lebensraum?Das Leben ist fr Wlfe einfacher und sicherer, wenn es in ihrem Lebens-raum groe, zusammenhngende Waldflchen gibt, insbesondere wenn auch Menschen in der Nhe siedeln. Doch auch von dieser Regel gibt es Ausnahmen, zum Beispiel in waldlosen Steppenlandschaften, Tundren oder groen landwirtschaftlich genutzten Gebieten von Spanien bis Sibirien.

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  • Knnen Wlfe in der Kulturlandschaft Mitteleuropas leben?Ja, das knnen sie. Wlfe sind den Umgang mit Menschen gewohnt. Wlfe kommen in Mitteleuropa praktisch in all ihren Revieren mit Menschen in Kontakt. In Mitteleuropa fhrt an Menschen kein Weg vorbei. Denn in den hier blichen Reviergren von 200300 km wird der Wolf fast immer auf Straen, Wege, Htten, Huser und Siedlungen treffen. Wie andere Wild-tiere auch werden Wlfe jede Art von menschlicher Infrastruktur in ihr Revier integrieren. Von daher ist es nicht ungewhnlich, wenn Wlfe in der Nhe von Siedlungen gesehen werden oder sie gar durchstreifen. Sie versuchen sich energiesparend fortzubewegen und bevorzugen die kurzen, hindernisfreien Strecken wie Waldwege, Kuhsteige oder Forststraen.

    Auch in intensiv genutzter Kulturlandschaft knnen groe Beutegreifer mit den Menschen leben

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  • Wie erkenne ich, ob ein Wolf in der Region ist?Die Interpretation von Spuren ist eine Kunst, ber die schon eine Reihe von Bchern geschrieben wurden. Einzig der gene-tische Fingerabdruck gilt als wirklich eindeutiger Beweis fr die Anwesenheit eines Wolfs. Alle anderen Hinweise und Spu-ren liefern nur Indizien. Deshalb weisen wir hier nur auf einige der wichtigsten Merkmale hin.

    Spuren und Hinweise:

    Pfotenabdruck (erwachsene Tiere): Zehengnger mit 4 sichtbaren Zehenballen und Krallenspuren, 913 cm lang, rundlich gestreckt. Sehr symmetrisch an-geordnete Zehen. Die Verwechslung mit dem Abdruck einer Hundepfote lsst sich nicht vllig ausschlieen.

    Schrittlnge: Sie kann stark variieren und ist von Motivation, Gre, Geschwindigkeit des Wolfs sowie Geflle, Untergrund und anderen Faktoren abhngig. Eine eindeutige Unterscheidung zum Hund ist auch hier nicht mglich.

    Spurverlauf: Wlfe haben eine relativ schmale Brust und tendieren dazu, sehr eng geschnrt zu laufen. Mit der hinteren Pfote treten Wlfe oft sehr genau in den Trittsiegel der vorderen Pfote. Im Winter laufen Wlfe gerne in einer Reihe, przise in der Spur des Vorgngers. Das erschwert es, die Anzahl der Tiere festzustellen. ber groe Distanzen laufen sie sehr zielstrebig, ohne stndig nach links oder rechts von der Spur abzuweichen.

    Einzelner Pfotenab-druck, Idealbild

    Typischer gerader Spurenverlauf

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  • Riss: Anhand der Verletzungen am Krper des Beute-tiers, den Spuren drum herum und der Art und Weise, wie von dem Tier gefressen wurde, kann man den Ver-ursacher verhltnismig sicher zuordnen. Vollstndige Gewissheit erreicht man aber nur mit der Untersuchung von genetischem Material dem genetischen Finger-abdruck zum Beispiel von Speichelspuren am Riss oder dem Kot, den man zumeist in der Umgebung des Risses finden kann.

    Kot (Losung): Der Kot lsst sich zumeist relativ gut einem Wolf zuordnen, so lange es keine verwilderten Hunde in der Umgebung gibt, oder Hunde, die sich ebenfalls von Wildtieren (oder Haustieren) ernhren. Aus frischem Kot lassen sich auch Zellen der Darm-schleimhaut, sogenannte Epithelzellen, gewinnen, die man genetisch untersuchen kann, um Herkunft und Geschlecht des Wolfs zu bestimmen.

    Aussehen: Selbst fr erfahrene Experten, die schon oft Wlfe gesehen haben, ist es schwer, einen Wolf als solchen mit absoluter Sicherheit auf den ersten Blick zu identifizieren. Es gibt Hunde, die Wlfen sehr hnlich sehen. Die Art und Weise, wie sich ein Wolf bewegt und verhlt, liefert Anhaltspunkte fr den erfahrenen Wolfskenner. Ein Wolf bewegt sich in der Regel leichtf-iger, gradliniger und zielstrebiger als ein Hund. Seine Reaktionsgeschwindigkeit ist deutlich hher. Nur schon lnger verwilderte Hunde, sofern sie einen dem Wolf hnlichen Krperbau besitzen, bewegen sich hnlich.

    Weiterfhrende Informationen ab Seite 77

    Reste gerissenes Reh

    Kot mit vielen Haaren

    Wolf

    Deutscher Schferhund

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  • Mensch und Wolf Konfliktfelder und Fragen

  • Wolf und ffentliche SicherheitDem Wolf eilt ein schlechter Ruf voraus, wenn es um die Fra-ge geht, ob er dem Menschen gefhrlich ist. Viele Geschichten stammen aus Gebieten, in denen Kriege und Seuchen tobten. Unter solchen Umstnden konnte der Wolf auch in Siedlungs-nhe oder an Kriegsschaupltzen Beute unter Menschen ma-chen. Hinweise, dass die ffentliche Sicherheit durch Wlfe gefhrdet ist, gibt es nicht. Unflle jedoch sind bei einer Ver-kettung von mehreren ungnstigen Faktoren in sehr seltenen Fllen nicht ausgeschlossen.

    Sind grere Wolfsrudel, also groe Familienverbnde, gefhrlicher fr Menschen als kleinere?

    Nein, dafr gibt es in keinem Wolfsgebiet Hinweise. Alle untersuchten Un-flle aus den vergangenen Jahren waren Einzelflle und hatten ihren Grund nicht in der Gruppengre der Wlfe.

    Ist es fr Kinder noch sicher, allein im Wald zu spielen?Ja, das machen Kinder anderer Regionen, in denen Wlfe leben, auch. Um das Risiko von Unfllen zu minimieren, sollten dennoch einige Verhal-tensweisen im Zusammenleben mit den Wildtieren beherzigt werden. Das heit: kein Nachlaufen hinter Wlfen, kein Aufsuchen von Wurfhhlen oder Anfttern von Wlfen. Solche Vorsichtsmanahmen gelten aber auch fr den Umgang mit anderen Wildarten, die wehrhaft sind (Wildschweine) oder Krankheiten bertragen knnen (Fuchs).

    Mssen die Waldkindergrten geschlossen werden?Nein.

    Sind die Schulwege, vor allem zu abgelegenen Ortsteilen, noch sicher?Ja. In anderen EU-Lndern mit vielen Wlfen mssen Kinder oft lange We-ge mitten durch Wlder und Wiesen gehen, ohne dass es zu Zwischenfllen kommt.

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  • Mssen wir damit rechnen, dass Wildunflle im Straenverkehr zunehmen?Dafr gibt es keine Anhaltspunkte. Bei einer Hetzjagd von Wlfen kann es vorkommen, dass das Wild ber Straen gedrngt wird. Auf diese Weise kann es zu Unfllen kommen. Statistisch fallen diese Unflle als Einzelflle aber nicht ins Gewicht. Eher ist die Dichte von Schalenwild (Reh, Rotwild und Wildschweine) fr die Hufigkeit von Wildunfllen verantwortlich.

    Wenn mehr gerissene Tiere im Wald und auf Almen liegen bleiben, kann das zu Seuchen bei Mensch und Tier fhren?Dafr gibt es keine Hinweise ganz im Gegenteil! Untersuchungen aus der Slowakei belegen, dass Wlfe mit ihrer Anwesenheit zur effektiven Eindm-mung bestimmter Wildkrankheiten (zum Beispiel Schweinepest) beitragen. Dagegen stehen die strengen Regeln der EU-Hygieneverordnung zurzeit auf dem Prfstand, da sie die groen und kleinen Aasfresser in Europa schwer getroffen haben.

    Sind Campingpltze in Gebieten mit Wlfen noch sicher?Ja. Nur muss man auch hier auf die konsequente Beseitigung frei herumlie-gender Nahrungsreste achten und darf Wlfe nicht anfttern.

    Werden Veranstaltungen, zum Beispiel Volksfeste, Wlfe anziehen, weil da viel Abfall herumliegt?Nein, das sind einmalige Ereignisse, und deren Mll wird schnell beseitigt.Als Regel Nummer 1 im Wolfsgebiet gilt auch hier: kein absichtliches oder unabsichtliches Fttern, an das sich Wlfe gewhnen.

    Mssen die Kommunen Sicherheitswarnungen herausgeben oder Schulungen anbieten?Sicherheitswarnungen fr Hundebesitzer und Landwirte sind sinnvoll, fr die Allgemeinheit aber nicht notwendig. Wichtig hingegen sind Information und Fortbildungsveranstaltungen auf allen Ebenen.

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  • Von Wolfsrissen profitieren auch andere Arten

    Gnsegeier (Gyps fulvus)

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  • Knnen Wlfe Krankheiten bertragen, die auch fr den Menschen gefhrlich sind?Nur die Tollwut knnte von Bedeutung sein. Deutschland ist tollwutfrei und in den Nachbarlndern treten gelegentlich Tollwutflle auf. Auerdem zh-len Wlfe in den Tollwutgebieten nicht zu Haupttrgern der Krankheit das sind auch in Wolfsgebieten Fchse.

  • Wolf und LandwirtschaftWlfe fressen auch Nutztiere. Landwirte gehren zu den Ersten, die die Anwesenheit von Wlfen deutlich spren. Wel-che Folgen hat das fr die Viehhaltung und vor allem fr die Almwirtschaft? Welche Lsungen gibt es?

    Ist Weidevieh auf den Almflchen sicher vor Angriffen des Wolfs?Nein, nicht ohne entsprechende Sicherungsmanahmen.

    Werden erwachsene Khe oder Pferde von Wlfen gerissen?Das kann vorkommen, ist aber selten. Je mehr Rinder und je weniger ande-re Beutetiere es gibt, desto grer ist die Gefahr.

    Muss ich damit rechnen, dass meine Tiere weite Strecken vor dem Wolf flchten?Ja. Einzelne Schafe knnen einige Kilometer von der Herde getrennt werden.

    Reagiert Weidevieh panisch, wenn sich Wlfe in der Nhe aufhalten?Ja, Schafe und Ziegen geraten in Panik, wenn der Wolf angreift. Bei Rindern ist das seltener zu beobachten und hngt stark von der Erfahrung der Tiere ab, der Zusammensetzung der Herde (Klber, Jungvieh oder ausgewachsene Rinder) und in gewissem Ausma auch von der Rasse. Auch Pferde knnen bei Angriffen von Wlfen panisch reagieren. Immer hngt die Reaktion von der Erfahrung mit Wlfen ab. Esel hingegen sind sehr wachsam und wehrhaft.

    Muss ich mit mehr Abstrzen und Verletzungen bei meinen Tieren rechnen?Ja, wenn die Weidetiere nicht ausreichend geschtzt sind.

    Kann der Stress durch Wlfe bei trchtigen Schafen, Ziegen, Khen oder Stuten zum Verwerfen (Totgeburt) fhren?Ja. Der Stress eines Tieres kann beim Angriff eines Wolfs (genauso wie dem eines Hundes) zum Verwerfen fhren.

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  • Kann der Wolf Krankheiten auf mein Weidevieh bertragen?Die Tollwut kann bertragen werden. Sie kommt aber in Mitteleuropa nicht mehr vor. Auch die Viren der Aujeszkyschen Krankheit (Pseudotoll-wut) kann der Wolf theoretisch auf Weidevieh bertragen. Hauptvirentr-ger sind Schweine. Theoretisch msste sich ein Wolf an einem infizierten Wildschwein als Beutetier anstecken und, noch bevor er selbst meist innerhalb weniger Tage daran eingeht, die Erreger bertragen.

    Da die Krankheit anzeigepflichtig ist und die Viehbestnde in Deutschland, sterreich und der Schweiz frei von der Krankheit sind, ist die bertragung durch den Wolf eher hypothetisch. Die Rinderkokzidiose (Klberdurchfall) wird durch Einzeller hervorgerufen, die in der Natur hufig vorkommen. Die Ansteckung auf der Weide erfolgt direkt durch Dauerformen der Parasi-ten auf der Weide. Fr die Verschleppung dieser Erreger kommen praktisch alle Wildsuger infrage.

    Wird das Vieh durch den stndigen Stress anflliger fr Krankhei-ten und schwcher?Bei stndigem Stress wre das der Fall. Wolfsangriffe fhren aber nicht zu andauerndem Stress, sondern nur zu akuten Stress-Spitzen. Einzelne Attacken auf eine Viehherde werden sich vermutlich auch nicht auf deren Entwicklung und Krpergewicht auswirken. Dafr gibt es bisher jedenfalls keine Belege. Gezielte Untersuchungen dazu stehen noch aus.

    Auf manchen Almen werden auch Geflgel oder Haustiere, zum Beispiel Katzen, gehalten. Geht das berhaupt noch, wenn der Wolf in der Gegend ist?Ja, mit entsprechendem Schutz. Vor allem nachts sollten die Tiere nicht frei und ungesichert bleiben. Katzen knnten einem Wolf zum Opfer fallen, wenn sie sich nicht schnell genug auf einem Baum oder Gebude in Sicher-heit bringen. Allerdings zhlen Katzen nicht zu den bevorzugten Beutetie-ren von Wlfen.

    Kann ich Weidevieh auf der Alm oder im Tal berhaupt noch nachts drauen lassen?Nur mit entsprechender Sicherung.

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  • Sind die Tiere auf der Weide auch tagsber in Gefahr?Ja, insbesondere bei schlechter Sicht, also bei Nebel, starkem Regen oder whrend der Dmmerung.

    Gibt es Almen, die nicht mehr bewirtschaftet werden knnen, wenn der Wolf auftaucht?Eigentlich nicht. Denn mit entsprechendem Personalaufwand und Schutz-manahmen kann man Bergweiden auch dann bewirtschaften. Wird der damit verbundene Aufwand indes dem betroffenen Almbauern allein aufge-brdet, kann das dessen landwirtschaftlichen Betrieb so belasten, dass sich eine Almbeweidung im Einzelfall nicht mehr rechnet.

    Ist die Iglu-Haltung von Klbern im Freien unproblematisch?Fr eine zuverlssige Beurteilung reichen dazu die Erfahrungen nicht aus. In jedem Fall mssen die Klber in einer gut gesicherten und fr Wlfe un-zugnglichen Box mit Auslauf untergebracht sein. Zustzlich kann man die Iglus mit einem mobilen Elektrozaun sichern.

    Locken Almhtten Wlfe an?Nein. Jedoch sollte dafr Vorsorge getroffen werden, den Wolf nicht in Ht-tennhe auch nicht versehentlich mit Futter zu locken.

    Knnen Wlfe in Almhtten einbrechen, zum Beispiel nachts?Das ist sehr unwahrscheinlich. Entscheidend ist, dass die Wlfe nicht ange-fttert werden.

    Kann ein Wolf oder ein Rudel den Senner angreifen?Auch aus typischen Wolfsgebieten sind dazu keine Flle bekannt sieht man von den in Teil 1 geschilderten Ausnahmen ab (kranke Wlfe oder Attacken bei versuchter Ttung von Wlfen).

    Sind Kinder sicher, wenn sie auf der Alm bernachten oder spielen?Ja, siehe dazu auch Wolf und ffentliche Sicherheit.

    Was mache ich, wenn ich einen Wolf an einem verletzten oder gerissenen Stck begegne?In der Regel wird der Wolf fliehen. Grundstzlich sollte man sich zurck-ziehen und den Riss melden.

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  • Ungeschtzte Schafe sind leicht zu machende Nahrung fr den Wolf. Diese wie andere Nutztiere brauchen ausreichend Schutz

    Nutztiere mssen ausreichend geschtzt werden. Die obere Grafik zeigt schematisch die Funktionsweise eines Elektrozauns. Die unterste Litze sollte nicht weiter als 20 cm vom Boden entfernt sein. Eine Spannung von 4.000 V, 5 J sollte nicht unterschritten werden. Bodenunebenheiten und Landschaftsstrukturen wie Wasser-grben mssen ausgezunt werden. Ein Elektrozaun muss straff gespannt und die Bodenve-getation kurz gehalten werden, um Spannungsabfall zu vermeiden. Der Zaun sollte tglich kontrolliert werden.

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  • Stehen Wildtiere an Ftterungen, in Gehegen oder, wie hier, in einem Wintergatter in grerer Dichte zusammen, macht sie das fr den Wolf interessant

  • Wie verhalte ich mich, wenn ich einen Wolf im Stall, in der Htte oder in einer Scheune berrasche?Diese Situation wre hchst ungewhnlich. Wichtig ist in diesem Fall, sich zurckzuziehen und dem Wolf eine Fluchtmglichkeit anzubieten. Anschlie-end sollte genau geprft werden, wie es zu dieser Situation gekommen ist. Der entsprechende Wolf muss im Auge behalten werden.

    Schleichen sich Wlfe in die Stlle im Tal?Nein, aber im Prinzip knnen hnliche Situationen entstehen wie auf einer Alm. Wlfe scheuen sich grundstzlich davor, geschlossene Rume zu betre-ten. Deswegen ist es auch fast unmglich, Wlfe mit Kastenfallen zu fangen, selbst mit Futterangebot. Ganz anders verhalten sich dagegen Luchse, Bren oder Fchse.

    Wenn ein Wolf in ein Wildgatter einbricht, bringt er dann alle Tiere um?Es kann vorkommen, dass mehrere Tiere gettet werden. Dass alle Tiere einem Angriff zum Opfer fallen, ist eher unwahrscheinlich es sei denn, es sind nur wenige Tiere in einem kleinen Gatter untergebracht.

    Wenn sich Tiere in panischer Angst im Gatter verletzen, weil sie zum Beispiel gegen den Zaun rennen, werden auch diese Verluste entschdigt?Es bedarf eines krperlichen Nachweises fr entsprechende Entschdi-gungszahlungen. Vergleichbar wird das in den Bundeslndern geregelt, wenn ein Hund in ein Gatter eindringt.

    Wer ersetzt mir den Schaden und bernimmt das Einfangen, wenn die Tiere in Panik aus einem Gatter ausbrechen?Hier gilt: keine Entschdigung fr Schden am Gatter. Auch das Einfangen muss der Halter selbst bernehmen. In solchen Fllen werden die gleichen Regelungen wie bei wildernden Hunden angewandt.

    Bin ich fr ausgebrochene Tiere oder auch fr die Folgen des in Pa-nik flchtenden Viehs haftbar, wenn dann Unflle oder Wildschden entstehen?In solchen Fllen muss die entsprechende Haftpflichtversicherung des Nutztierhalters die Schden regeln. Die Versicherungsvertrge sollten in jedem Fall beim Auftreten des Wolfs auf solche Risiken hin geprft werden.

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  • Gibt es eine Entschdigung fr den Nutzungsausfall auf der Alm, wenn die Tiere frher heimgetrieben werden mssen?Zwar wurden die zustzlichen Futterkosten bisher erstattet, jedoch scheint es notwendig, alle entsprechenden Kompensationen noch einmal zu ber-prfen bzw. realistisch und praxisgerecht zu gestalten. Das System sollte einvernehmlich angepasst werden.

    Gibt es Kompensationen fr den Personal- und Materialaufwand beim Einfangen versprengter Tiere auf Weiden?Bisher sind die Folgekosten, zum Beispiel auch die Anreise des Tierarztes zur Fleischbeschau, noch nicht befriedigend und ausreichend geregelt.

    Knnen Herdenschutzhunde helfen, Angriffe durch Wlfe zu ver-hindern?Ausgebildete Herdenschutzhunde bieten Schafherden guten Schutz. Die Hunde mssen jedoch sorgfltig ausgebildet und betreut werden. Damit die Hunde kein Fehlverhalten entwickeln, mssen sie immer wieder von erfah-renen Personen kontrolliert werden.

    Wer bernimmt die Kosten fr Anschaffung, Unterhalt, Pflege und Versicherung von Herdenschutzhunden?Eine zufriedenstellende, praktikable Lsung sollte in den betroffenen Re-gionen erarbeitet werden. Grundstzlich ist der Einsatz von Herdenschutz-hunden erst bei greren Schafherden sinnvoll.

    Knnen Herdenschutzhunde im Winter problemlos auf dem Bauern-hof gehalten werden?Grundstzlich ja. Aber die Hunde sollten mit den Schafen zusammen gehal-ten werden und bei erfahrenen Hundehaltern leben.

    Knnen Herdenschutzhunde in touristisch stark genutzten Gebieten eingesetzt werden?Grundstzlich ja, wenn man vernnftig und sachkundig mit den Hunden umgeht und sie fachmnnisch auf ihre Arbeit vorbereitet wurden. Wichtig ist auch, dass die Hunde den Kontakt mit anderen Hunden, mit Touristen, Kindern oder Mountainbikern gewohnt sind.

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  • Knnen Esel in einer Schafherde Wlfe abschrecken?Esel sind sehr wachsame und wehrhafte Tiere mit einer natrlichen Abnei-gung gegenber allen Hundeartigen. Wenn sich eine Herde an die Anwesen-heit von Eseln gewhnt hat, warnen die Esel frhzeitig vor Beutegreifern oder wildernden Hunden. Als Abschreckung gegenber Hunden, Luchsen und Wlfen haben sich Esel bewhrt. Allerdings lassen sich Wlfe von Eseln nicht so leicht angreifen wie Hunde. Esel haben beim Schafsschutz mehr eine alarmierende als abwehrende Funktion.

    Herdenschutzhunde bewachen ihre Herde und sind in der Lage, Wolfsangriffe abzuwehren

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  • Wolf und JagdJger haben sich bei ihrem Tun an den Wildtieren zu orientie-ren. Taucht ein neuer Mitbewohner im Revier auf, wird sich zwangslufig etwas fr Wildtiere und Jger ndern. Einige Fragen dazu kann man heute schon gut beantworten, bei ande-ren fehlen noch Erfahrungswerte.

    Werden nur schwache und kranke Tiere vom Wolf gerissen?Nein. Der Wolf nimmt, was leicht geht. Deshalb werden kranke und schwache Tiere auch einen Groteil der Beute ausmachen aber eben nicht ausschlielich.

    Spezialisiert sich der Wolf auf eine bestimmte Sorte Wild?Normalerweise nicht und wenn doch, dann meist nur kurzfristig. Ausnah-men knnen Wildtiere sein, die wenig natrliche Abwehrstrategien besit-zen, zum Beispiel Muffelwild.

    Kann der Wolf auch kapitale, gesunde und alte Tiere tten und verletzen?Ja, wenn die Umstnde dem Wolf entgegenkommen.

    Wird gerissenes Wild auf die Abschussplanung angerechnet?Die gefundenen Risse gelten als Fallwild und werden in der Statistik als solches gefhrt. Gibt es Wlfe in einer Region, sollte in Zukunft bereits beim Aufstellen der Abschussplanung ein bestimmter Anteil von Wolfsris-sen bercksichtigt werden. Bei der Hhe dieser Wolfs-Quote orientiert man sich am besten an Erfahrungen aus anderen, vergleichbaren Revieren.

    Erhalte ich Schadensersatz fr vom Wolf gerissenes Wild?Nein, Wildtiere gelten nach dem Jagdgesetz als herrenlos und gehren niemandem. Der Jger hat ein Nutzungsrecht. Er kann daraus keinen Eigentumsanspruch geltend machen.

    52 | Lernen, mit dem Wolf zu leben

  • Wird sich der Zuwachs des Bestandes ndern, wenn der Wolf in der Gegend ist? Muss ich dann auch meine Abschussplanung anpassen? In den Anfangsjahren, als die Wlfe begannen, in Sachsen heimisch zu werden, haben sich die Strecken von Rot-, Reh- und Schwarzwild gegenber dem Stand vor dem Auftauchen der Wlfe nicht verringert. Untersuchungen mit besendertem Rotwild und Wlfen sind derzeit im Gange. Das ist auch in anderen Habitaten unter Umstnden ntig. Der Abschussplan sollte die Anwesenheit und die Risse durch groe Beutegreifer bercksichtigen.

    Ttet der Wolf seine Beutetiere immer sofort oder haben verletzte auch eine Chance zu entkommen?Das hngt vom Jagdgeschick des Wolfs und von der Strke des Beutetieres ab. Ein entkommenes, verletztes Wildtier wird von Wlfen weiter verfolgt. Steht das Wild dicht gedrngt, zum Beispiel in einem Gatter, knnen die Tiere auch nur verletzt werden.

    Bin ich bei verdchtigen Spuren zur Nachsuche verpflichtet?Nein, das regeln die Wlfe selbst. Die Aufgaben des Jagdschutzes ver-pflichten den Jger nicht dazu.

    Wird es mehr verwaiste Klber und Kitze geben, wenn der Wolf in der Nhe ist?Gut mglich. Diese Tiere haben aber auch ein greres Risiko, selbst den Wlfen zum Opfer zu fallen.

    Muss ich gerissenes Wild entsorgen und alle Risse melden?Gerissenes Wild sollte nicht entsorgt werden. Die Wlfe knnen davon noch fressen und mssen nicht erneut Beute machen. Gerissene Nutztiere ms-sen jedoch in der betreffenden Region gemeldet und zurzeit noch nach der EU-Hygieneverordnung entsorgt werden. nderungen zur Untersttzung von Beutegreifern und Aasfressern werden aber derzeit verhandelt.

    Jagen Wlfe auch nachts, wenn das Wild eigentlich Ruhe haben sollte?Ja. In von Menschen besiedelten Gebieten gehen Wlfe vor allem nachts und bei der Dmmerung auf Jagd.

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  • Kann der Wolf Standwild aus meinem Revier in Nachbarreviere treiben?Ja, zumindest vorbergehend. Untersuchungen zu dieser Fragestellung sind ntig.

    Sind Zhlungen, die ich im Frhjahr mache, im Herbst noch brauch-bar, oder ist das Wild, beunruhigt durch den Wolf, stndig auf gro-er Flche unterwegs?Eine Anpassung des Systems zur Bestandsermittlung und Abschussplanung ist wohl notwendig. Die Reviergre der Wlfe ist um ein Vielfaches grer als die seiner verschiedenen Beutetierarten. Vernderungen bei Zuwachs und Sterblichkeit kann man in der Gewhnungsphase des Wildes eventuell erwarten. Auch in dieser Frage besteht noch Untersuchungsbedarf.

    Gegen drei Wlfe hat das junge Wildschwein, ein so genannter berlufer, kaum eine Chance

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  • Wird es durch den Stress, den der Wolf verursacht, mehr Fallwild und Winterverluste geben?Das ist mglich. Die Wlfe verursachen keinen allgemeinen Dauerstress bei Wildtieren, nur bei den gerade bejagten Tieren fr relativ kurze Zeit whrend Hetze und Angriff. Wlfe sind dem allgemeinen Gesundheits-zustand des Wildbestands eher frderlich. Natrliche Verluste whrend des Winters werden wohl sinken. Wlfe befrdern die natrliche Auslese. Das wird dazu beitragen, dass sich Krankheiten langsamer und seltener ausbreiten. Die genannten Einflsse bedrfen in jedem Fall noch weiterer Untersuchungen.

    Darf ich in der Notzeit Wild fttern, oder lockt das den Wolf an?Fest installierte Ftterungen knnen Wlfe anziehen. Die Ftterung sollte sich so weit wie mglich auf absolute Notzeiten beschrnken, damit nicht groe, dauerhafte Wildkonzentrationen Wlfe in Versuchung fhren.

    Kann man den Wolf von Winterftterungen fernhalten?Nein. Man kann bis zu einem gewissen Grad verhindern, dass Wlfe in ein Wintergatter dringen, sie aber nicht von einer offen zugnglichen Winter-ftterung fernhalten.

    Kann ich weiterhin Wild mit einer Kirrung anlocken oder zieht das nur den Wolf an?Eine Kirrung ist nur ein kurzfristiges und geringes Futterangebot. Ob die Wlfe im Lauf der Zeit lernen, Kirrungen auszunutzen, ist ungewiss, aller-dings nicht unmglich. Das drfte von der Art und Hufigkeit der Kirrung abhngig sein.

    Wenn das Wild nicht zur Ftterung zieht, weil es Angst vor dem Wolf hat, werden dann Schden im Umfeld steigen?Das ist mglich, jedoch mageblich abhngig von den waldbaulichen Struk-turen und anderen Faktoren, wie etwa Ruhezonen. Deshalb sind auch in dieser Frage gewisse Anpassungen notwendig.

    Muss der Revierpchter und Jger fr erhhte Wildschden zahlen?Zurzeit ist es fr den Gesetzgeber unerheblich, warum der Wildschaden entstanden ist (Hauptbaumarten, Waldstruktur, Strungen). Bevor nicht gut belegte Erkenntnisse aus entsprechenden Untersuchungen vorliegen, sollten die Beteiligten flexibel reagieren.

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  • Was passiert, wenn der Wolf in ein Wintergatter eindringt? Bleibt er dann, bis er alle Stcke gerissen hat?Nein, es knnten aber mehrere Tiere gerissen oder verletzt werden. Das ist von der Gre des Gatters, der Anzahl der Tiere und den Versteck- und Fluchtmglichkeiten des Wildes abhngig. Wintergatter lassen sich aber relativ wolfssicher gestalten.

    Wenn sich die Tiere in panischer Angst im Gatter verletzen, erhalte ich dafr Entschdigung?Bei Wildtieren in einem Wintergatter gilt das gleiche Recht wie bei Wild-tieren auerhalb des Gatters: keine Entschdigung fr Wolfsrisse. Bei Gattertieren in einem normalen Wildgatter mit Eigentumsansprchen der Besitzer knnen einzelne Bundeslnder andere Regelungen treffen.

    Sollte das Wild aus einem Wintergatter ausbrechen, treten sicher Wildschden auf. Muss ich die zahlen?Nach bisher gltiger Regelung ist das der Fall. Entsprechende Anpassungen und flexible Reaktionsmglichkeiten wren aber in den Wolfsgebieten sinnvoll.

    Werden Wildschden zunehmen, wenn der Wolf im Revier ist?Dafr liegen noch keine gesicherten Erkenntnisse vor. Zwar laufen erste Untersuchungen in Sachsen. Doch vor Verallgemeinerungen sollte man sich hten, da sich die Bedingungen hinsichtlich Waldstruktur, Wilddichte und Schadensdefinitionen stark unterscheiden.

    Kann ich bei einer Nachsuche noch meinen Hund schnallen (selbst-stndig dem Wild nachsetzen lassen) oder riskiere ich dessen Tod?Auf kurze Distanz ist es eher unwahrscheinlich, dass der Hund dem Wolf begegnet. Trifft der Hund nach langer Hetze und weit entfernt vom Hun-defhrer beim gestellten oder toten Tier auf Wlfe, wird er verjagt oder angegriffen. Das Risiko fr Hunde ist erhht.

    Wird das Wild schwieriger zu bejagen?Das ist mglich, insbesondere in der Anpassungsphase des Wildes und in Abhngigkeit der Revierverhltnisse. Ob die Jagd schwieriger wird, hngt auch davon ab, wie bisher gejagt wurde und ob der Jger bereit ist, seine Bejagungsweise zu ndern und anzupassen. Erfahrungen und Untersuchun-gen fr mitteleuropische und alpine Verhltnisse fehlen noch, sollten aber dringend begonnen werden.

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  • Wird das Wild heimlicher, wenn Wlfe im Revier sind?Das kann sein, insbesondere in der Gewhnungsphase. Fr die Lebens-rume in Mitteleuropa fehlen aussagekrftige Daten dazu, wie sich die Beutetiere verhalten, wenn Wlfe zugegen sind. In Sachsen sind erste Un-tersuchungen gerade im Gange.

    Wird sich der Brunftverlauf beim Schalenwild verndern?Die Brunftpltze bei Rot-, Stein- und Gamswild richten sich nach den guten Einstnden* des weiblichen Wildes. Daher ist denkbar, dass es zu Vern-derungen kommen kann. Bisher gibt es aus den Regionen, in denen diese Wildarten zusammen mit dem Wolf vorkommen, keine eindeutigen Beob-achtungen. Die mnnlichen Akteure bei der Brunft sind unter normalen Umstnden zu gro und wehrhaft, um von Wlfen angegriffen zu werden. Wenn Rotwild die Freiflchen der Wlfe wegen meidet, kann das zu einer heimlicheren, stilleren Brunft fhren.

    Wildtiere stellen sich mit der Zeit auf die Anwesenheit von Wlfen ein. Auch Jger mssen sich entsprechend anpassen

    * Unter Einstand einem Ausdruck aus der Jgersprache versteht man das Gebiet, in dem sich ein Wildtier aufhlt

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  • Wird die Jagd aus Ansitz oder Kanzel noch mglich sein oder fngt mir der Wolf alles vorher weg?Die Jagd von Ansitz oder Kanzel wird weiterhin mglich sein. Diese Form der Jagd wird auch in anderen Regionen mit Wolfspopulationen praktiziert. Die jagdlichen Infrastrukturen sind in Deutschland und sterreich sehr gut ausgebaut. Gewisse Anpassungen an Standort, Strategie und Zeitaufwand knnten allerdings die Folge sein.

    Wie gefhrlich sind Drckjagden fr die Durchgeh-Treiber und die Hunde?Fr die Treiber ist das ungefhrlich, es sei denn, sie treiben einen Wolf in die Enge oder greifen ihn an. Trifft der Hund beim weitrumigen, eigen-stndigen Jagen auf Wlfe, kann das fr ihn kritisch werden. Je mehr Menschen sich im Gebiet aufhalten (Drckjagd), desto hher ist die Wahr-scheinlichkeit, dass sich die Wlfe zurckziehen.

    Lassen sich Drckjagden noch durchfhren oder muss ich damit rechnen, dass das Wild nur hochflchtig unterwegs ist?Drckjagden werden auch in anderen Regionen mit Wolfsbestand durch-gefhrt.

    Kann es sein, dass sich Wild bevorzugt in befriedeten Bezirken (z. B. Ortschaften) einstellt, um dort vom Wolf sicher zu sein?Nein, weil Wlfe die Wildtiere auch dort bejagen wrden. Es kann aber bei einer Hetzjagd vorkommen, dass das flchtige Wildtier aus Versehen in befriedete Bezirke flchtet und dort vom Wolf gestellt wird, zum Beispiel an einem Hindernis.

    Wenn ich den Abschuss nicht erfllen kann, muss ich dann trotzdem mit Sanktionen rechnen?Nach der bisherigen Regelung ohne Wolf, ja. Deshalb sollte der Abschuss-plan entsprechend angepasst und zumindest in der Anpassungsphase des Wildes flexibel gehandhabt werden.

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  • Der Wolf ist eine international geschtzte Tierart. Kann man mir die Jagdausbung in meinem Revier einschrnken, gar untersagen, weil die Jagd den Wolf in Mitleidenschaft zieht?Das knnte sein, wenn die Jagdausbung das Leben der Wlfe tatschlich beeintrchtigen wrde. Zum Beispiel muss im Bereich der Wurfhhle zur Zeit der Jungenaufzucht jede Strung vermieden werden. Ansonsten wird der Wolf durch die Jagd nicht nachhaltig beeintrchtigt.

    Mssen Pachtvertrge neu verhandelt werden, wenn der Wolf in mein Revier einwandert?Der Pachtvertrag wird durch das Auftauchen des Wolfs nicht auer Kraft gesetzt. Auch Krankheiten oder Naturkatastrophen verndern das laufende Pachtverhltnis nicht, da es sich immer um natrliche Vernderungen im Revier handelt und die Pacht keinen Anspruch auf Jagderfolg beinhaltet. Bei Neuverhandlungen wird sich unter Umstnden ein neuer (hherer oder niedrigerer) Marktwert bilden.

    Auch jetzt, wo der Wolf zurck ist, hat die Jagd Berechtigung und Zukunft

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  • Ziehen Gebiete mit hoher Wilddichte Wlfe an?Wlfe breiten sich in der Flche aus. Eine hohe Wildtierdichte fhrt nicht zu einer lokalen Anhufung von Wlfen. Die Reviergren von Wlfen werden bei grorumig hoher Wilddichte eher kleiner als in nahrungs-rmeren Gebieten. Innerhalb eines Reviers wirken Konzentrationen von Beutetieren, Schafherden oder Futterangeboten auf Wlfe sicher attraktiv und beeinflussen wahrscheinlich deren rumliches Verhalten. Genaue Untersuchungen dieser Fragen sind fr mitteleuropische und alpine Ver-hltnisse notwendig.

    Knnen Wlfe berhhte Bestnde von Reh-, Rot-, Gams- und Schwarzwild (Schalenwild) reduzieren?Bisher gibt es keine Hinweise darauf, dass Wlfe die Dichte eines Wild-bestandes dauerhaft reduzieren. Weder in der Lausitz noch in Slowenien oder der Slowakei wurde ein direkter Zusammenhang zwischen Schalen-wilddichte, Jagderfolg und Wolfsvorkommen gesichert dokumentiert.

    Richtig ist allerdings, dass das Wild seine Einstnde, Rckzugsflchen und sein Verhalten ndern kann. Ansonsten sind die Gegebenheiten in den Ge-bieten so verschieden, dass sie nur schwer miteinander zu vergleichen sind und Verallgemeinerungen sich verbieten. Hingegen knnen Wlfe lokale Wildkonzentrationen eines Gebietes vermutlich dauerhaft verndern. Auch hier gibt es noch mehr Fragen als Antworten.

    Wird im Sommer bei niedrigen Wilddichten vermehrt Weidevieh gerissen?Ja, wenn das Weidevieh unzureichend geschtzt ist. Wlfe nutzen bei geringem Beuteangebot auch Mll und Lebensmittelreste, wenn diese zu-gnglich sind. Verndert sich das zahlenmige Verhltnis zwischen Wlfen und Wildtieren und der landwirtschaftlichen Nutzung so wird in einigen Regionen vermutet , wchst die Neigung der Wlfe, sich ersatzweise am Weidevieh schadlos zu halten. Wenn Weidevieh fr Wlfe nicht zugnglich ist, werden sie ihr Territorium entsprechend vergrern.

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  • Rehwild ist im Bergwald fr den Wolf zwar eine regelmige, aber untergeordnete Beute

  • Wolf und ForstwirtschaftAuch Waldarbeiter und Forstleute bewegen sich im Lebens-raum des Wolfs. Deshalb sollten eventuelle Einflussfaktoren geprft werden.

    Muss ich mit Einschrnkungen meiner forstwirtschaftlichen Aktivitten rechnen, wenn der Wolf in meinem Wald auftaucht? Zum Beispiel im Winter oder beim Zaunbau?Zwar handelt es sich beim Wolf um eine so genannte FFH-Art*, die als sol-che einen hohen Schutzstatus geniet. Einschrnkungen sind aber nicht zu erwarten. Die bliche land- und forstwirtschaftliche Nutzung einer Flche ist aber gesetzlich nicht eingeschrnkt, wenn dort Wlfe leben. Beim Bau von Zunen sollte man darauf achten, dass nicht die Welpen in ihrem Wurf-bau eingezunt werden.

    Wird es hufiger zu Wildschden kommen, wenn der Wolf hier lebt?Das ist mglich, aber von der jeweiligen Waldstruktur sowie anderen Faktoren (Wildarten, Strungen) abhngig. Zu den mageblichen Faktoren zhlen das natrliche Nahrungsangebot frs Wild und die Waldzusammen-setzung. Genauere Untersuchungen sind hier notwendig.

    Wenn meine Flchen wegen des Wolfs keinen Pchter finden, bekom-me ich dann eine Entschdigung?Hohe Wildschden und geringe jagdliche Erlse knnen den Wert eines Reviers verringern. Bei Anpassung der Schadensregelung werden unzumut-bare Belastungen des Pchters verhindert. Fr gravierende Einbuen bei der Jagdstrecke gibt es in den alten Wolfsgebieten keine Hinweise. Deshalb ist nicht zu erwarten, dass sich die Situation fr Pchter wie auch fr Ver-pchter entscheidend ndert.

    Wer wird den Abschuss erledigen, wenn die Flchen nicht mehr ver-pachtet werden knnen?Diese Frage ist in den Bundeslndern zum Teil verschieden oder gar nicht geregelt. Sollten entsprechende Flle auftreten, wie sie beispielsweise bei hohen Schwarzwildschden befrchtet werden, mssen neue Wege und Verantwortlichkeiten geschaffen werden zum Beispiel durch den Aufbau einer Wildhut nach dem Vorbild der Schweizer Kantone.

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  • Kann der Pchter die Pacht krzen, wenn der Wolf durch sein Revier zieht?Nein. Das Auftreten von Wlfen gilt nicht als hinreichender Grund, um einen bestehenden Pachtvertrag zu verndern oder vorzeitig zu kndigen. Die bertragung des Jagdrechts an einen Pchter beinhaltet nicht die Garantie fr bestimmte Jagderfolge.

    Wie sicher ist ein Waldarbeiter, wenn er allein unterwegs ist?Sicher, so lange die Wlfe nicht angefttert werden. Wlfe neigen sogar dazu, ihre Welpen und Hhlen nicht gegenber Menschen zu verteidigen. Lieber warten sie ab, bis Gelegenheit ist, um die Welpen in ein neues Versteck zu bringen.

    Wolf und Forstwirtschaft hier sind noch einige Fragen zu beantworten

    *FFH ist die Abkrzung fr die EU-Richtlinie Flora-Fauna-Habitat, die zum Ziel hat, die Artenvielfalt in den EU-Staaten durch den Erhalt der natrlichen Lebensrume sowie wild lebender Tiere und Pflanzen zu sichern

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  • Wolf und TourismusLandschaft und Natur sind die Geschftsgrundlage des regionalen Tourismus. Entsprechend betrifft eine neue, medienwirksame Wildart wie der Wolf auch den regionalen Tourismus.

    Sind Wanderer, Spaziergnger auf Wegen durch Wlfe gefhrdet?Nein. Die Gefahren, die Wanderern, Mountainbikern oder Tourenskifah-rern durch Wlfe drohen, sind sehr gering. Das zeigt sich in allen bekannten Wolfsgebieten Europas.

    Knnen wir noch Veranstaltungen abseits von Drfern oder Siedlun-gen gefahrlos anbieten?Ohne Vorbehalte: Ja.

    Sind wir haftbar, wenn wir einen Wanderweg ausweisen und be-schildern, auf dem sich dann ein Unfall mit dem Wolf ereignet?Die Wahrscheinlichkeit, dass sich auf Wanderwegen Unflle mit Wlfen er-eignen, ist extrem gering. Eine Verkehrssicherungspflicht ist nicht gegeben.

    Geocaching ist recht populr. Darf man das noch bedenkenlos ver-anstalten?Die Wlfe wie auch alle anderen Wildtiere sollten in ihren Rckzugs-gebieten und vor allem whrend der Zeit der Welpenaufzucht nicht gestrt werden. Geocacher haben daher in den betroffenen Gebieten nichts zu suchen. Das Verstecken von Nahrung besonders in der Nhe von Wurf- hhlen knnte berdies durchaus zu unerwnschten Begegnungen mit Wlfen fhren.

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  • Sollen wir unsere Gste auf die Gefahr durch Wlfe hinweisen beispielsweise in Prospekten, auf unserer Website oder auf Hinweis-schildern?Auf eine Gefhrdung fr frei herumlaufende Hunde sollte hingewiesen werden. Die Bereitstellung allgemeiner Informationen ber Verhaltenswei-sen und den Umgang mit den regional heimischen Wildtieren ist berdies immer wnschenswert.

    Von Wlfen droht keine direkte Gefahr. Aber generell sollte gelten: kein Freizeitspa dort, wo sich Wildtiere aufhalten. Freizeitsport gehrt auf ausgewiesene Wege und Pltze. Bewegen sich Menschen abseits von Wegen und Pisten durch Rckzugsflchen fr Wildtiere, knnen sie umgekehrt zur Gefahr fr Wildtiere werden.

    Touristische Regionen, in denen Wlfe leben, haben nichts zu befrchten, aber interessierte Gste zu gewinnen

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  • Kann es sein, dass wir bestimmte Wege oder Routen sperren mssen, weil dort der Wolf gestrt werden knnte?Nein.

    Mssen wir damit rechnen, dass Gste, vor allem mit kleinen Kin-dern, unsere Region meiden werden?Das kann in der Anfangsphase der Fall sein, wenn den Gsten und Ein-heimischen nicht frhzeitig sachliche, gute Information und Aufklrung angeboten werden.

    Gibt es andere Regionen, die hnlich stark touristisch genutzt und erschlossen sind, und in denen es Wlfe gibt?Ja, erfolgreicher Tourismus in Wolfsregionen ist mglich. Das belegen viele Beispiele aus der Hohen Tatra in der Slowakei, aus touristisch attraktiven Gebieten Sloweniens und aus gut erschlossenen Regionen der rumnischen Karpaten. Allerdings ist die touristische Nutzung eines Gebiets nie flchen-deckend, sondern konzentriert sich zumeist in bestimmten Zonen. Ein Wolfsterritorium reicht darber hinaus. Fhlt sich der Wolf durch tou-ristischen Rummel massiv gestrt, wird er sich in solchen Regionen nicht ansiedeln, sondern allenfalls durchziehen.

    Lsst sich nicht aus der Anwesenheit von Wlfen auch touristisches Kapitel schlagen?Auf jeden Fall. Denn kein Zweifel: Fr Angebote wie Wolfswanderungen oder Spurenlesen werden sich viele interessierte Besucher finden. Der Wolf bietet dem regionalen Tourismus ein zustzliches, attraktives Allein-stellungsmerkmal. Keinesfalls jedoch sollten Wlfe fr Wanderungen oder Beobachtungen gezielt angelockt oder angefttert werden. Auch das Aufspren von Wlfen anhand frischer Fhrten ist grob fahrlssig. Dagegen sind gute, fachlich kompetente Angebote rund um die Leitart Wolf eine ausgezeichnete Chance, um auf die Bedrfnisse auch anderer Wildarten hinzuweisen und bei den Besuchern Verstndnis fr den verantwortungs-vollen Umgang mit der Natur und einer traditionsreichen Kulturlandschaft zu wecken.

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  • Aus der Anwesenheit groer Beutegreifer lsst sich auch im Alpen-raum touristisches Kapital schlagen

  • Wolf und NaturschutzDer Wolf ist eine geschtzte Tierart. Seine Prsenz wird nicht ohne Einfluss bleiben auf das Artengefge und die Beziehungen zwischen den Tierarten untereinander. In der Regel und das wre wnschenswert wird sich das System ausbalancieren. Es ist Aufgabe des Naturschutzes, sich mit allen mglichen Konsequenzen zu beschftigen.

    Hat der Wolf Einfluss auf seltene Arten, zum Beispiel Bodenbrter wie Raufuhhner?Das ist im Einzelfall mglich. Allerdings gehren auch Fuchs, Waschbr oder Marderhund zum Beutespektrum des Wolfs. Groe Fleischfresser kn-nen so den Druck kleiner Beutegreifer auf ihre Beutearten mindern helfen, so dass sich wohl positive und negative Auswirkungen die Waage halten. Auf seltene Tierarten kann sich der Wolf nicht spezialisieren, sie werden immer nur eine Zufallsbeute bleiben.

    Kann der Wolf Arten zum Aussterben bringen?Lokal ja, wenn es sich um Arten handelt, die entsprechend ihrer Natur nicht an die Anwesenheit von Wlfen angepasst sind oder in Lebensrumen angesiedelt wurden, in denen sie ihr natrliches Sicherheitsverhalten nicht ausben knnen zum Beispiel das Muffelwild.

    Sind Naturschutzgebiete besonders attraktiv fr den Wolf?Sie sind meistens zu klein, um Wlfe anzuziehen. Sie knnen aber als wichtige Ruhegebiete dienen, zum Beispiel fr Wurfhhlen oder als Rendezvous-Pltze. Auch eignen sie sich als sichere Trittsteine zwischen entfernt liegenden Lebensrumen. Groe, beruhigte Gebiete besitzen sicher hohe Attraktivitt. Ntig sind aber noch andere Attribute, damit sie die Ansprche befriedigen, die der Wolf an seinen eigenen Lebensraum stellt.

    Frdert der Wolf seltene Tierarten?Das ist mglich, wenn er die kleineren Beutegreifer wie Fuchs, Marderhund oder Goldschakal in Schach hlt. Insgesamt erhht der Wolf die Biodiversi-tt einer Region.

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  • Was geschieht mit FFH*- und Almflchen, wenn die Schafhaltung in kritischen Gebieten aufgegeben wird?Die dafr zustndigen Behrden und Organisationen der einzelnen Lnder sind verpflichtet, dafr zu sorgen, dass die Flchen in ihrem schutzwrdi-gen Zustand erhalten bleiben. Dazu mssen praktikable Lsungsvorschlge und Alternativen erarbeitet werden.

    Kann die Koppelhaltung das Artenspektrum der Flche verndern?Ja, je nach Anzahl der Schafe pro Quadratmeter und der Weidedauer auf einer umzunten Flche.

    Drfen Wlfe in Gefahrensituationen gettet werden?Nur dann, wenn sich Menschen in einer akuten Gefahrensituation befinden. Ansonsten braucht es fr die Ttung von Wlfen eine Sondergenehmigung und grndliche Prfung.

    Die bedrohten Raufuhhner knnten sogar von der Anwesenheit des Wolfs profitieren das zeigen Erfahrungen aus anderen Regionen

    * FFH steht fr Fauna-Flora-Habitat, einer Naturschutzrichtlinie der Europischen Union

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  • Nachbar Wolf - Wege zu einem Miteinander

  • Die von der Rckkehr der Wlfe verursachten Kosten sind nicht gleichmig auf alle Schultern verteilt. Whrend einige gleichgltig mit den Schultern zucken werden, beklagen Be-troffene Schden und erleiden Verluste. Sie verlieren Vieh, mssen Bewirtschaftungsformen ndern. Andere knnen sich uneingeschrnkt ber die Rckkehr des groen Beutegreifers freuen. Langfristig haben Wildtiere nur dann eine Chance, in Frieden mit uns zu leben, wenn wir bereit sind, unseren Le-bensraum mit ihnen zu teilen. Das berleben der heimgekehr-ten Tiere setzt unser aller Akzeptanz voraus und den Wunsch, alle mit den Folgen einhergehenden Kosten solidarisch zu tra-gen. Damit Kosten und Nutzen eines Wildtieres, sei es Wolf oder Rothirsch, gleichberechtigt auf viele Schultern verteilt werden, und keine Gruppe einseitig die Last dafr zu tragen hat, mssen Rahmenbedingungen geschaffen und Weichen gestellt werden.

    Auf drei Ebenen ist entsprechendes Handeln notwendig:

    Offene, ehrliche und kompetente Information und Kommunikation auf allen Ebenen.

    Aufbau effektiver Strukturen fr Sofortmanahmen in betroffenen Regionen.

    Entwicklung langfristiger Manahmen, die uns dazu verhelfen, auch zuknftig flexibel zu reagieren.

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  • Information und Kommunikation transparent, offen, ehrlich

    Unabhngige, fachliche Informationen und Bildungsangebote zum Thema Wolf (und zu anderen Wildtieren) mssen leicht zugnglich sein.

    Im Rahmen des Managementplans sollen detaillierte Bewertungskrite-rien fr unterschiedliche Verhaltensmuster von Wlfen aufgestellt und ffentlich gemacht werden.

    Auf berregionaler Ebene werden Gesprchs- und Beratungsrunden mit Vertretern aller Beteiligten ins Leben gerufen.

    Diese Arbeitsgruppen mssen zielorientiert arbeiten und von einer un-abhngigen, kompetenten und erfahrenen Person geleitet und moderiert werden (zum Beispiel von Mediatoren oder Wissenschaftlern).

    Die Arbeitsgruppe legt auf der rechtlich gegebenen Basis Leitlinien fr den Umgang mit dem Wolf (und anderen groen Beutegreifern) fest und benennt mglichen Untersuchungsbedarf.

    Die Leitlinien sind fr alle politischen Gremien (von der Kreisebene bis hin zu den Ministerien) verpflichtend.

    Die behrdlichen Zustndigkeiten mssen bereits im Vorfeld geklrt sein. Der Wille zur Umsetzung und Zusammenarbeit muss auf allen Ebenen gleichermaen bestehen.

    In den betroffenen Regionen sind kompetente, akzeptierte und unabhn-gige Ansprechpartner in hauptamtlicher Funktion zu etablieren.

    Diese regionale Anlaufstelle informiert und bert zu allen Fragen rund um den Wolf. Sie kann bei Sofortmanahmen in Anspruch genommen werden und leitet aufkommende Fragen und Handlungsbedarf in der Region auch an bergeordnete Stellen und Arbeitskreise weiter.

    Die Kompetenzen der Anlaufstelle sind klar zu regeln. Sie sollten sich an bewhrten Strukturen, zum Beispiel denen der Schweiz, orientieren.

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  • Sofortmanahmen praxisgerecht, schnell, unbrokratisch

    In den betroffenen Regionen sollen schnellstmglich adquate Prventiv-manahmen zur Vorbeugung von Schden durchgefhrt werden.

    Zum Beispiel die wolfssichere Verbauung von Wildgattern.

    Manahmen zum Schutz von Weidevieh und Pferden.

    Etablieren einer Anlaufstelle (1 Telefonnummer/1 Tag maximale Wartezeit).

    Information und Beratung ber mgliche Kompensationen und Hilfestel-lung bei der Beantragung entsprechender Kompensationen.

    Anpassung und unbrokratische Aktualisierung von Kompensations-zahlungen, zum Beispiel nicht nur fr Risse, sondern auch fr Aborte, Verletzungen, erhhten Aufwand beim Suchen von Tieren, Verlust von ausgebildeten Jagdhunden.

    Die ffentlichkeit und Interessengruppen mssen eingebunden werden. Offene Kommunikation ist das A und O im Wolfsmanagement 73

  • Rotwild und Wlfe sind seit Tausenden von Jahren aufeinander eingespielt

  • Langfristige Manahmen vorausschauend und flexibel

    Anpassung des Weidesystems von gefhrdetem Viehbestand.

    Anpassung der Jagd und im Umgang mit Wildtieren.

    Anpassung der Pflegemanahmen von Schutzgebieten, die durch eine extensive freie Schafhaltung organisiert werden.

    Anpassung von Pflegemanahmen in steilen Gebirgsregionen, um weiter-hin Erosions- und Lawinengefahren einzudmmen und Lebensrume zu erhalten.

    Begleitende Forschung in allen betroffenen Bereichen.

    Begleitende Bildungsarbeit:

    Das Thema Umgang mit groen Beutegreifern wird in die Ausbildung von Land- und Forstwirten, Jgern und Berufsjgern aufgenommen.

    Die Bedeutung von und der Umgang mit groen Beutegreifern wird in der schulischen Ausbildung der nchsten Generationen integriert.

    Monitoring: Verbreitung, Raumnutzung und Verhalten der Wlfe werden berwacht, Risse und Schadensflle laufend protokolliert. Dabei wird nicht nur auf das Melden zuflliger Beobachtungen gewartet, sondern gezielt entsprechende Spuren und Daten erhoben. Wildbiologen bleiben hierzu in stndiger Kommunikation und Zusammenarbeit mit Jgern, Forstarbeitern und Landwirten in der Region.

    Wildbiologische Raumplanung: Im Hinblick auf die Beutetiere des Wolfs, vor allem auf Rotwild, das ohne Wintergatter berleben soll, ist eine ent-sprechende Planung von Ruhe- und Nutzungszonen durch den Menschen sinnvoll.

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  • Weiterfhrende Informationen und HintergrundmaterialRechtlicher Schutzstatus des WolfsDerzeit sind 372 Tier- und Pflanzenarten (u.a. der Anhnge I und II) in den Arten-Datenbanken der Flora-Fauna-Habitatrichtlinie (FFH) erfasst. In Anhang II der Richtlinie werden Tier- und Pflanzenarten genannt, deren Habitate durch Schutzgebiete geschtzt werden sollen. Die Artikel 12 bis 16 der FFH-Richtlinie enthalten die Bestimmungen zum Artenschutz. Hierunter fallen Manahmen fr ein strenges Schutzsystem fr die Tier- und Pflanzenarten in Anhang IV (Art. 12, Art. 13 FFH-Richtlinie), Manahmen zur Regelung der Entnahme und Nutzung der Tier- und Pflanzenarten in Anhang V (Art. 14) sowie Bestimmungen zum Fang und Transport von Arten der Anhnge IV und V (Art. 15). Den genauen Wortlaut der Richtlinie und die entsprechenden Gesetze auf EU- und Bundesebe-ne finden Sie auf folgenden Websites:www.ffh-gebiete.de/eur-lex.europa.eu/LexUriServ/site/de/consleg/1992/L/01992L0043-20070101-de.pdfbundesrecht.juris.de/bnatschg_2009/index.html

    Das Bayerische Landesamt fr Landwirtschaft hlt Informationen ber den Schutz von Weide-tieren auf seiner Website bereit: www.LfL.bayern.de/herdenschutz

    ManagementplneBrandenburg (wird gerade berarbeitet). Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern besitzen aus-gearbeitete Managementplne fr den Umgang mit dem Wolf. Bayern besitzt eine Stufe I eines Managementplans, die den Umgang mit zu- und durchwandernden Einzeltieren regelt, an Stufe II fr die Situation mit standorttreuen, wenigen Tieren wird gearbeitet.Niedersachsen hat 2010 ein Konzept Wolf vorgestellt, in dem Grundstze und Manahmen zum Umgang mit dem Wolf erlutert werden. Das Land Thringen plant derzeit die Erstellung eines Managementplans. Ebenfalls besitzt das Land Schleswig-Holstein ein Positionspapier zum Wolf.

    Informationen ber die Situation der Wlfe in Mitteleuropa und im Alpenraum werden auf folgenden Seiten laufend aktualisiert:www.life-coex.netwww.kora.ch/sp-ois/wolf-ois/index.htmwww.wolfsregion-lausitz.de

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    Abbildungen: Cover: Jan Noack; S. 4: Armin Hofmann; S. 6: Jan Noack; S. 8: Wikimedia Commons (7x), rka Maov; S. 9: Axel Gomille; S. 10: iStock (2x), Fotolia (o.r.); S. 11: iStock, Fotosearch; S.15: Kosinscy; S. 18: iStock, Fotosearch; S. 21: R. Wittek/ArcoImages; S. 22: iStock, G.Delpho/WILDLIFE, G. Kopp, iStock, Wild Wonders of Europe/Sergey Gorshkov/WWF; S. 23: iStock; S 27: Armin Hofmann; S. 29: Armin Hofmann; S. 33: Jan Noack; S. 35: Kosinscy; S. 36: Kathrin Merkel, Staffan Widstrand/WWF; S. 37: Peter Srth, Armin Hofmann, Fotosearch; S. 38: iStock; S. 41: iStock; S. 42: Jan Noack; S. 47: Staffan Widstrand/WWF; S. 48: Engelbert Holzner; S. 51: Freitag/Krummheuer; S. 54: Wild Wonders of Europe/Sergey Gorshkov/WWF; S. 57: iStock; S. 59: iStock; S. 61: Fred F. Hazelhoff/WWF-Canon; S. 63: iStock; S. 65: Andreas Beckmann/WWF-Canon; S. 67: Peter Srth; S. 69: iStock; S. 70: Armin Hofmann; S. 73: Peter Srth; S. 74: iStock; S. 76: Jan Noack

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  • Unser Ziel

    wwf.de

    Wir wollen die weltweite Zerstrung der Natur und Umwelt stoppen und eine Zukunft gestalten, in der Mensch und Natur in Harmonie miteinander leben.

    Der WWF und die Wlfe

    Der WWF setzt sich dafr ein, dass Wlfe, als selbstverstndlicher Teil unserer heimischen Fauna, ihren Platz in unserer Natur finden. Da Wlfe enorm anpas-sungsfhig sind, was die Ansprche an den Le