103
Ländliche Entwicklung in Bayern Berichte Heft 73/1997

Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer

  • Upload
    others

  • View
    1

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer

Ländliche Entwicklung in Bayern

Beric

hte

Hef

t 73/

1997

Page 2: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer

IMPRESSUM

Schriftenreihe: Berichte zur Ländlichen Entwicklung © 1997ISSN 0943-7622, RB-Nr. 08/97/35

Herausgeber: Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und ForstenAbteilung Ländliche EntwicklungLudwigstraße 2, 80539 München

Schriftleitung: Josef Attenberger, Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und ForstenClaus Hager, Bereich Zentrale Aufgaben der Bayerischen Verwaltung für Ländliche Entwicklung

Gestaltung, Satz und Druck: Bereich Zentrale Aufgaben der Bayerischen Verwaltung für Ländliche Entwicklung

Diese Broschüre ist auf 100 % Altpapier gedruckt

Verschiedene Fachbeiträge

Zum Titelbild:

Eine wahrliche Pionierleistung vollbrachte der gebürtige und nach Amerika ausgewanderte Mittelfranke Gustav Weißkopf: nachweislich als erster Mensch und noch vor den Gebrüdern Wright legte er am 14. August 1891 mit seinem selbstgebauten Motorflugzeug eine 2700 mlange Strecke in der Luft zurück. An diese Pionierleistung erinnert in seiner Heimatstadt Leutershausen, Landkreis Ansbach, das genau 100 Jahre später anläßlich des Abschlusses der Ländlichen Entwicklungerrichtete Denkmal. Es erinnert aber auch an eine erfolgreiche Flur-neuordnung und Dorferneuerung in Leutershausen. Umfangreiche Maß-nahmen der Landentwicklung sowie des Bodenmanagements und der Bodenordnung haben dort zu einer enormen wirtschaftlichen Belebung geführt. Durch die damit ermöglichte Erweiterung, Auslagerung und Neuansiedlung von Gewerbe- und Industriebetrieben sind in Leuters-hausen insgesamt 300 neue Arbeitsplätze geschaffen worden.

Foto: deltapress, 1994

Page 3: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer

Inhaltsverzeichnis

Vorwort 5

Reinhold Bocklet, Bayerischer Staatsminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten

Verantwortung für den ländlichen Raum — Das Dorf zwischen Tradition und Fortschritt 7

Auszeichnung von Verfahren der Ländlichen Entwicklung 1995 / 96

• Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .«vom 10. August 1995 13

• Reinhold Bocklet, Bayerischer Staatsminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten

• Zur Rolle der Ländlichen Entwicklung bei der Zukunftsgestaltung Bayerns 15

• Pressespiegel(zur Auszeichnung der Verfahren Niedernkirchen, Schwebheim, Thalmässing und Wallersdorf) 19

Marianne Deml, Staatssekretärin im Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaftund Forsten, Mitglied des Kabinettsausschusses BayernOnline

Telekommunikation — Chancen für den ländlichen Raum 23

Prof. Dr.-Ing. Holger Magel, Leitender Ministerialrat, Leiter der Bayerischen Verwaltung für Ländliche Entwicklung

Gemeinsam werden wir es schaffen —Zur Rolle der im Vollzug der Verwaltungsreform eingesetzten Arbeitskreise 29

Rolf Richter, Präsident der Direktion für Ländliche Entwicklung Würzburg

Erhaltung der durch den Weinbau geprägten Kulturlandschaft durch Maßnahmen der Landentwicklung nach dem Flurbereinigungsgesetz in Bayern — eine Bilanz 33

Dr.-Ing. Michael Stumpf, Ministerialrat, Referent für Verfahren nach dem Flurbereinigungsgesetzim Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten

Internationale Jugendgemeinschaftsdienste (IJGD) in der Ländlichen Entwicklung 43

Kurt Hillinger, Bauoberrat, Referent an der Direktion für Ländliche Entwicklung Regensburg

Maßnahmen zur Integration Behinderter im Rahmen eines IJGD-Workcampsin der Dorferneuerung Lauterhofen 49

Jürgen Betz, Amtsrat, Sachbearbeiter im Referat Flurentwicklung und Landschaftsgestaltungim Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten

Verleihung des Europäischen Dorferneuerungspreises 1996 53

Berichte zur Ländlichen Entwicklung 73/1997 3

Page 4: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer

Dr.-Ing. Horst Karmann, Akademischer Direktor am Lehrstuhl für Bodenordnung und Landentwicklungder Technischen Universität München

Inhalte, Formen und Methoden der Ausbildung im Bereich der Ländlichen Entwicklung 55

Unif. Prof. Dr.-Ing. Richard Hoisl, Prof. Dr. Werner Nohl, Petra Engelhardt

Naturbezogene Erholung und Landschaftsbild — eine Zukunftsaufgabeder Ländlichen Entwicklung 71

Prof. Dr.-Ing. Holger Magel

Laudatio auf Ministerialdirektor Dr. iur. Friedrich Quadflieg 91

Bayerische Verwaltung für Ländliche Entwicklung — Aufgabenverteilung in derAbteilung E – Ländliche Entwicklung – im Bayerischen Staatsministerium fürErnährung, Landwirtschaft und Forsten 93

Nikolaus Hüser, Vorsitzender des Personalrates für den Bereich Ernährung und Landwirtschaft im Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten

Erfreulich lange »Verfahrenslaufzeit« für die Fußball- und Kegelfreunde! 97

Bisher erschienene Hefte in der Schriftenreihe »Berichte zur Ländlichen Entwicklung in Bayern« 101

4 Berichte zur Ländlichen Entwicklung 73/1997

Page 5: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer

Die Verwaltung für Ländliche Entwicklung befindetsich ebenso wie andere Verwaltungen im FreistaatBayern in einem Reformprozeß. Konkreter Anlaßhierfür ist der Ministerratsbeschluß vom 22. Juli letzten Jahres, der die Eckpunkte dieses Reform-prozesses vorgibt: Straffung der Verwaltung, Konzentration auf Aufgabenschwerpunkte undSchaffung klarer Zuständigkeiten sowie Verein-fachung der Verwaltung und Reduzierung vonStandards. Um dabei die Betroffenen zu Beteiligtenzu machen, sind alle Mitarbeiterinnen und Mit-arbeiter der Verwaltung für Ländliche Entwicklungaufgerufen, an der Umsetzung dieser Reformzieleaktiv mitzuwirken. Dies erforderte und erforderteinen erheblichen Personal- und Arbeitseinsatz,sowohl in der Abteilung Ländliche Entwicklung desStaatsministeriums als insbesondere auch bei dennachgeordneten sieben Direktionen für LändlicheEntwicklung.

Gleichwohl müssen — zum Wohle der Landwirte,Bürger und Gemeinden — auch die laufenden Dienst-geschäfte fristgerecht erledigt werden. Die Umset-zung der Reform darf nicht zu Lasten der vielenanhängigen Verfahren in Dorf und Flur führen. Ich danke allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern,daß dieser »Spagat« zwischen der Bewältigung derAlltagsarbeit und den zusätzlichen dienstlichen

Erfordernissen aufgrund des Reformprozesses so gut gelingt. Ein Indiz hierfür sind u. a. die in diesemBericht enthaltenen Beiträge zu »High-Lights« unserer Arbeit aus dem Jahre 1996, die — ohne Anspruch auf Vollständigkeit — einen Einblick in das breite Aufgabenfeld der Ländlichen Entwicklungheute in der Verwaltungspraxis und in der Wissen-schaft vermitteln. Eines haben fast alle diese Bei-träge gemeinsam — nur durch eine gute Bürger-arbeit und den Fleiß aller Mitarbeiterinnen und Mit-arbeiter an den Direktionen für Ländliche Entwick-lung sind die dargestellten Ergebnisse möglichgeworden. Dafür danke ich allen sehr herzlich. DieErgebnisse sollen auch Anreiz und Motivation seinfür den weiteren Einsatz zum Wohle der Menschenund Gemeinden im ländlichen Raum.

München, September 1997

Prof. Dr.-lng. Holger MagelLeiter der Bayerischen Verwaltungfür Ländliche Entwicklung

Berichte zur Ländlichen Entwicklung 73/1997 5

Vorwort

Page 6: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer
Page 7: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer

Verehrte Festgäste, sehr geehrte Damen und Herren!

Ich möchte mich ganz herzlich beim Markt Reis-bach, dem Träger dieser nunmehr schon ViertenBayerischen Tage der Dorfkultur, für die Einladungzu dieser heutigen Festveranstaltung bedanken.Manche von Ihnen hätten zu diesem Thema viel-leicht eher einen Vertreter des Kultusministeriumserwartet. Aber auch ein Staatsminister für Er-nährung, Landwirtschaft und Forsten fühlt sich beimThema Dorfkultur recht wohl und heimisch. Das hatgute Gründe, denn

1. diese Tage der Dorfkultur sind vor sechs Jahrenauf Initiative des damaligen Landwirtschaftsmini-sters Hans Maurer entstanden. Die zugrundelie-gende Idee, nämlich einer breiten Öffentlichkeitden eigenständigen Wert ländlicher Kultur wiederstärker bewußt zu machen, unterstütze ich nach-drücklich. Dorfkultur ist anders als Stadtkultur,ohne diese ersetzen zu wollen oder zu können. Sie hat ihre eigene Bedeutung. Sie ist direkt undmenschennäher als die Angebotskultur der Städte.

2. die Landwirtschaft hat große Bedeutung für dieKultur in unserem Lande. Dies zeigt sich schon imWort »Kultur« selbst. Das Wort »Kultur« in seinerursprünglichen Bedeutung — vom lateinischencolere (bauen, bebauen, pflegen) stammend —

steht für die Pflege des Bodens und der Land-schaft. Eine Aufgabe, für die seit jeher unsereLandwirte Verantwortung übernehmen und tra-gen. Vom Anfang der Seßhaftigkeit der Menschenan war es Auftrag der Bauern, den Boden urbarzu machen und mit Feldfrüchten zu bestellen,kurz gesagt: zu kultivieren. Auch steht außerFrage, daß das kulturelle Leben auf dem Landeseit jeher maßgeblich von bäuerlichen Traditionenund bäuerlichem Wirken bestimmt wird. In Jahr-hunderten harter Arbeit haben bäuerliche Fami-lien die Kulturlandschaft, die Bau- und Siedlungs-struktur sowie das Gemeinschaftsleben in denDörfern und im ländlichen Raum wesentlichgeprägt und auf diese Weise wichtige Bausteineländlicher und dörflicher Kultur gesetzt. Fast alles,was als typisch bayerisch gilt, hat seine Wurzelnim Dorf: Lieder, Tänze, Trachten, Speisen, Dorf-kirchen, Bauern- und Wirtshäuser.

Ich habe deshalb sehr gerne die Schirmherrschaftfür diese Veranstaltung übernommen, die — wie dasProgramm erweist — die vielfältigen Facetten undAusprägungen ländlicher Kulturarbeit am Beispieldes Marktes Reisbach und weit darüber hinaus auf-zeigen soll.

»Verantwortung für den ländlichen Raum — dasDorf zwischen Tradition und Fortschritt« — so dasThema, das Sie mir heute gestellt haben.

Berichte zur Ländlichen Entwicklung 73/1997 7

Reinhold Bocklet

Verantwortung für den ländlichen Raum — Das Dorf zwischen Tradition und Fortschritt *

* Festvortrag anläßlich der ViertenBayerischen Tage der Dorfkultur am 15. September 1996 in Reisbach

Page 8: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer

Das Dorf von gestern — nostalgisch verklärt!

Lassen Sie mich dazu mit einer ganz kurzen Rück-blende beginnen:

Die Dörfer von gestern werden von vielen Men-schen, besonders von Städtern, oft in nostalgischerVerklärung als eine heile Lebenswelt gesehen. Veran-staltungen mit Darbietungen historischer (ich sage:vergangener) Wirtschafts-, Lebens- und Arbeitswei-sen in den Dörfern finden in breiten Kreisen derBevölkerung großen Zuspruch. Aber war das frühertatsächlich die heile Welt?

Sicher, die Dörfer waren einst weitgehend autark— man könnte aber auch sagen, auf Gedeih und Ver-derb ausschließlich auf sich selbst angewiesen. Fastalle Lebensbedürfnisse — und das waren damals sehrbescheidene Bedürfnisse — konnten im Dorf selbsterfüllt werden: die Lebensmittelversorgung wardurch die Landwirte und die Metzger, Müller undBäcker im Ort sichergestellt — wenn es nicht, wie sooft, Mißernten gab! Die notwendigen handwerkli-chen Dienstleistungen wurden in der Regel über denörtlichen Schreiner, Schmied, Wagner, Sattler, Mau-rer, Schuster, Schneider etc. ausgeführt. Dazu kamenals sog. »Kopfarbeiter« der Lehrer und der Pfarrer, injüngerer Zeit evtl. auch der Tierarzt und der Allge-meinarzt.

Nur bei wenigen Gelegenheiten, z. B. bei ernsterErkrankung, zum Besuch einer höheren Schule (wasdie absolute Ausnahme war) oder zu einem Gerichts-termin mußte man das Dorf verlassen.

Dorfentwicklung nach heutigem Verständnis gabes nicht. Das Bauen im Dorf beschränkte sich imwesentlichen auf die Erhaltung und Weiterentwick-lung des Bestands. Der historische Dorfrand blieberhalten, da keiner der zahlreichen Taglöhner undBediensteten aus finanziellen Gründen an den Baueines eigenen Hauses auch nur denken konnte.Schon aus Kostengründen wurden beim Bauennatürliche Baumaterialen aus der nahen Umgebungverwendet.

Zum Leben im Dorf gehörten auch strenge Regeln,die Pflege von Tradition und Brauchtum und engesoziale Bindungen, über Nachbarschaft, Großfamilie,Vereine und Kirchen etc. Sie mußten beachtet wer-den, wollte man nicht zum Außenseiter in derGemeinschaft werden.

Die Gesellschaft im Dorf war vom Taglöhner überden Kleinhäusler bis zum Großbauern streng hierar-chisch gegliedert.

Die Geburt bestimmte im wesentlichen den Rangund den Lebensweg der Menschen im Dorf. DieMöglichkeiten zur Entfaltung der eigenen Persön-lichkeit waren stark eingegrenzt. Schwere körperlicheArbeiten waren für viele die Regel, ohne daß damitsichergestellt war, daß das zum Leben Notwendigeauch erarbeitet werden konnte. Besonders in derLandwirtschaft war der Arbeitsalltag äußerstbeschwerlich. Schicksalsschlägen durch Krankheit,Unwetter, Mißernten etc. war man oft hilflos ausge-liefert.

Das Dorf heute — vieles ist erreicht!

Diese Zeiten sind — Gott sei Dank — vorbei. Ineiner beispielhaften wirtschaftlichen Aufwärtsent-wicklung sind vor allem in den letzten 50 Jahrengerade auch in den Dörfern Verbesserungen in denLebens-, Wohn- und Arbeitsbedingungen erreichtworden, die niemand mehr missen möchte. DenkenSie z. B. an:

— die enormen Arbeitserleichterungen im Zuge derMechanisierung, vor allem auch in der Landwirt-schaft,

— die Schaffung qualifizierter Arbeitsplätze inzumutbarer Entfernung,

— die flächendeckende Versorgung mit Strom, Trink-wasser und Telefon,

— die weitestgehende Sicherstellung einer geregel-ten Müll- und Abwasserentsorgung,

— die Schaffung gleichwertiger Möglichkeiten derSchulbildung, auch an weiterführenden Schulen,in Stadt und Land,

— die Neugründung zahlreicher Universitäten undFachhochschulen und die Errichtung vieler neuerKrankenhäuser im ländlichen Raum,

— den allgemein gewaltig gestiegenen Lebensstan-dard, bei dem nur mehr ein stark gesunkener Teilunseres Einkommens für den unmittelbarenLebensunterhalt aufgewendet werden muß,

— die vor allem im ländlichen Raum für viele mög-lich gewordene Erfüllung des Traums vom Eigen-heim mit Garten.

In beinahe atemberaubender Weise ist es in Bay-ern gelungen, auch im ländlichen Raum den Über-gang zur Industriegesellschaft zu bewältigen — undwir stehen nun bereits vor einer neuen Etappe, demÜbergang zur Informationsgesellschaft.

8 Berichte zur Ländlichen Entwicklung 73/1997

Page 9: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer

Kultur ist auch vorrangige Aufgabe der Politik

Es ist die Aufgabe der Politik, diesen Wandel zurDienstleistungs- und Informationsgesellschaft nichtnur zu begleiten, sondern zu gestalten und Rahmen-bedingungen zu setzen, die eine zukunftsorientierteEntwicklung der ländlichen Räume ermöglichen undunterstützen.

Unser erster Bundespräsident Prof. Theodor Heusshat einmal behauptet:

»Mit Politik kann man keine Kultur machen.«

Ich teile diese, aus den Aufbaujahren der Bundes-republik stammende pessimistische Aussage nicht.Im Gegenteil: ich bin der festen Überzeugung, daßdie Kultur gerade heute als politische Aufgabe mitan vorderster Stelle stehen muß. Dies erfordert auchdas Kulturstaatsgebot des Art. 3 der BayerischenVerfassung: »Bayern ist ein Rechts-, Kultur- undSozialstaat«.

Das betonte auch Ministerpräsident Dr. EdmundStoiber beim Spatenstich für die Pinakothek derModerne, indem er darauf hinwies, daß »Deutschlandauf Dauer nicht Wirtschaftsmacht und beneideterSozialstaat bleiben wird, wenn es nicht gleichzeitigKulturnation ist. Die Kulturnation gilt es nach außenwie nach innen sichtbar zu machen.«

Dabei lebt Kultur von der Auseinandersetzungzwischen Tradition und Fortschritt. Kultur ist, aufeinen knappen Nenner gebracht, überall dort zuHause, wo sich der Mensch mit der Situation, in derer lebt, geistig auseinandersetzt und sie in unter-schiedlichen Ausdrucksformen zu bewältigen ver-sucht, d. h. wo Altes seinen Platz ebenso behaltenkann, wie Neuem eine Chance eingeräumt wird, sichzu entwickeln. Dies heißt aber auch, daß sturesBeharren auf Traditionen und herkömmlichen Struk-turen notwendigen sinnvollen Neuerungen nicht denWeg versperren darf. Stillstand heißt Rückschritt —dafür gibt es genügend historische Beispiele.

Sicher sind in den Jahren der enormen wirtschaft-lichen Aufwärtsentwicklung in unserem Land inmanchen Bereichen kulturelle Erfordernisse zu wenigberücksichtigt worden. Ich denke dabei z. B.

— an den Verlust an Baukultur durch Bauen ohneBeachtung der historischen Dorfstruktur sowieregionstypischer Baustile und Baumaterialien,

— an den Verlust von Gesellschaftskultur, weil es inmanchen Dörfern keinen Dorfplatz, kein Dorf-wirtshaus, keinen Kramerladen, kein Heim mehrgibt, wo sich die Dorfbewohner treffen können,

— an den Verlust an Sozialkultur, weil sich auf denDörfern die Großfamilien aufzulösen beginnen;zudem ist es oft schwierig, die Neubürger in denNeubaugebieten, die nur wegen des billigerenWohnens aufs Land gezogen sind, in die Dorf-gemeinschaft einzugliedern und

— an den Verlust an regionaler Identität durch dasVerschwinden bodenständiger Erzeugnisse — zumNachteil der heimischen Landwirte. Dies gilt z. B.auch für die Verwertung des heimischen Holzes.

Eine Politik, die sich der Kultur verpflichtet fühlt,muß auch dem zunehmenden Individualismus ent-gegenwirken. Damit meine ich ausdrücklich nicht dieheute jedem Bürger zugestandene Freiheit, seinenpersönlichen Lebensstil zu leben. Vielmehr geht esum den Trend, sich freizumachen von jeglichen Ver-pflichtungen gegenüber der Gemeinschaft, zugleichaber möglichst jede Verantwortung auf eben dieseGemeinschaft abzuwälzen.

Auch in den ländlichen Gemeinden gibt es dafürBeispiele, angefangen vom Winterdienst bei denStraßen und Wegen bis hin zur Kinderbetreuung undAltenpflege. Gelebte Dorfkultur heißt vielmehr, daßdie Bürger zusammenstehen und selbst Verantwor-tung für die Zukunftsgestaltung ihres heimatlichenLebensraumes übernehmen.

Kulturpolitische Zielsetzungen fördern Werte-wandel

Nach über 50 Jahren Aufbauleistung wird inunserem Land immer mehr Bürgern bewußt, daß esnoch andere Werte gibt als das Streben nach mate-riellem Wohlstand und persönlicher Unverbindlich-keit. Dazu zählen:

— die Nähe zur Natur und zu unseren natürlichenLebensgrundlagen,

— die Überschaubarkeit des Lebensraumes, die demWunsch nach Orientierung, Geborgenheit undIdentität entgegenkommt,

— gute nachbarschaftliche Beziehungen in einer klei-neren Gemeinschaft anstelle der Anonymität ineiner Massengesellschaft,

— Tradition und Heimatbindung anstelle von Gleich-macherei und Fremdbestimmung und

— Mitbestimmung bei der Gestaltung des heimat-lichen Lebensraumes anstelle von oben verord-neter Entscheidungen.

Berichte zur Ländlichen Entwicklung 73/1997 9

Page 10: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer

Die allenthalben registrierte Sinnkrise kann damiteiner aktiven, lebenbejahenden Suche nach neuemLebenssinn weichen; davon profitieren auch Kunstund Kultur.

Diesen Wertewandel begleiten und unterstützenwir auch durch unsere kulturpolitischen Zielsetzun-gen. Dabei wird Kultur nicht verordnet, sondern wirsetzen auf die Eigeninitiative der Bürger und derenBereitschaft zur Hilfe durch Selbsthilfe. Das BeispielReisbach und die Vierten Bayerischen Tage der Dorf-kultur zeigen, daß diese Hilfe zur Selbsthilfe ange-nommen wird. Ich bin deshalb nicht so pessimistisch,wie der Präsident des Verbands der BayerischenBezirke, der vor kurzem vor einer kulturellen Ver-ödung in unserem Lande gewarnt hat. Reisbachbeweist das Gegenteil.

Agrarpolitik fördert Dorf- und Landeskultur

Wir unterstützen mit einer landfreundlichen Politik das kulturelle Leben im ländlichen Raum.Eines der Markenzeichen der Agrarpolitik Bayerns istdas Bayerische Dorferneuerungsprogramm. DerMarkt Reisbach bietet mit seiner auf nationalerEbene bereits ausgezeichneten Dorferneuerung dafürein herausragendes Beispiel. Mit dem BayerischenDorferneuerungsprogramm wollen wir die Dörfer als lebendige Heimat mit eigenständigem Charaktererhalten und fortentwickeln. Im Mittelpunkt derDorferneuerung stehen die Menschen in diesemkonkreten Umfeld. Von ihrer Eigeninitiative undihrem Engagement hängt der Erfolg ab. Dazu bietenwir über die Direktionen für Ländliche Entwicklungund die Ämter für Landwirtschaft und Ernährungfachliche, planerische, organisatorische und auchfinanzielle Unterstützung an.

Dabei wollen wir auch die wirtschaftliche Situa-tion der Landwirte als wichtige Träger des gesell-schaftlichen Lebens im ländlichen Raum verbessern,z. B. durch strukturelle Hilfen, wie Zusammenlegungder Grundstücke, Wegebau, Hofstellenerweiterung.Diese Hilfen müssen aber künftig rascher und somitauch kostengünstiger erfolgen. Der Bayerische Ministerrat hat hierzu am 22. Juli dieses Jahres dieWeichen neu gestellt. Zudem soll die Landwirtschaftgestärkt werden durch

— die Abstimmung der Bauleitplanung auf die Inter-essenlage der landwirtschaftlichen Betriebe;

— eine gemeindeübergreifende Zusammenarbeit, z. B. zur Erarbeitung und Umsetzung regionalerMarketingkonzepte und

— durch die Schaffung von Zuerwerbsmöglichkeitenund Erwerbsalternativen für die landwirtschaft-lichen Betriebe.

Der Strukturwandel in der Landwirtschaft wird vordem Hintergrund der europäischen Rahmenbedin-gungen weitergehen. Wir wollen aber durch unsereMaßnahmen möglichst vielen landwirtschaftlichenBetrieben eine Chance zur Existenzsicherung bieten,weil wir nicht nur auf den Vollerwerbsbetrieb setzen,sondern die Betriebsformen des Voll-, Zu- oderNebenerwerbs gleichberechtigt behandeln.

Die Dorfernuerung soll außerdem Anstöße gebenfür regionstypisches Bauen bei Renovierungen, Neu-bauten und neuen Siedlungsgebieten. Ein besonderswichtiges Anliegen ist uns, daß wieder mehr heimi-sches Holz als natürlicher und regenerierbarer Bau-stoff verwendet wird.

Wir wollen auch die Nutzungsmöglichkeiten fürdie leerstehende Bausubstanz verbessern. Ortsbild-prägende, vor allem landwirtschaftliche Wohn- undWirtschaftsgebäude können nur dann in ihremBestand gesichert werden, wenn sie genutzt werden.

Auch die Grundversorgung im Dorf soll verbessertwerden, z. B. durch Wiedereinrichtung eines Dorf-ladens, einer Dorfwirtschaft, eines Jugend- oderBürgerheimes. Dabei geht es vor allem darum, solcheEinrichtungen nicht anzuheften, sondern eine selbst-tragende Entwicklung zu begünstigen, die diese Ein-richtungen auch ohne staatliche Hilfe am Lebenerhält.

Aber auch die Ökologie muß in der dörflichen undgemeindlichen Entwicklung ihren notwendigen Platzfinden:

— neue Techniken beim Bauen und die Verwendungnachwachsender Energiequellen tragen zurUmweltschonung und zur Energieeinsparung bei.

— eine dezentrale Entsorgung von Abwasser ent-spricht mehr den ländlichen Voraussetzungen.Deshalb wird für kleinere Ortschaften mit Erfolgauch die Anlage von Schilfkläranlagen angeregtund gefördert.

Das Leben auf dem Land ist nach wie vor eng ver-knüpft mit der Landwirtschaft. Deshalb gilt derenErhaltung und Stärkung unsere besondere Fürsorge.Wir wollen in der Dorferneuerung der maßgeblichenBedeutung der Landwirtschaft, nicht nur für denSchutz der natürlichen Lebensgrundlagen, Rechnungtragen. Die Anliegen der Landwirte müssen auchAnliegen aller Bürger und der Gemeinden sein.

10 Berichte zur Ländlichen Entwicklung 73/1997

Page 11: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer

Der wichtigste Baustein der Dorferneuerung aberist die Motivation der Bürger, sich für ihre Heimat,ihren heimatlichen Lebensraum zu engagieren, sichmit der dörflichen und gemeindlichen Vergangen-heit, Gegenwart und Zukunft auseinanderzusetzen.Der große Schweizer Erzähler und »Staatsschreiber«des Kantons Zürich, Gottfried Keller, hat bereits umdie Mitte des vorigen Jahrhunderts den sehr rich-tigen Satz geprägt:

»Keine Regierung und keine Bataillone vermögen Recht und Freiheit zu schützen, wo der Bürger nicht imstande ist, selbst vor die Haustüre zu treten und nachzusehen,was es gibt.«

Dies, meine sehr verehrten Damen und Herren, giltohne jede Einschränkung auch heute — und es giltfür unser Land, für unsere Städte, für jedes Dorf undfür jeden einzelnen Bürger.

Das nötige Wissen für eine zielgerichtete dörflicheWeiterentwicklung des heimatlichen Lebensraumesist den Bürgern aber nicht in den Schoß gelegt. ZurVorbereitung auf die Aufgaben der Ländlichen Ent-wicklung haben wir deshalb in Bayern eigens dreisogenannte Schulen der Dorferneuerung und Land-entwicklung ins Leben gerufen. Mit großem Erfolgtragen diese Einrichtungen inzwischen durch Semi-nare, Fortbildungsveranstaltungen usw. zur Informa-tion, Bildung und Motivation vieler Bürger über Fragen der dörflichen Entwicklung bei. Um die Semi-narkosten für die Teilnehmer in einem vertretbarenRahmen zu halten, habe ich erst kürzlich einerFörderung dieser Seminare auch aus EU-Mitteln(LEADER) zugestimmt.

Dank an die Veranstalter

Welche Erfolge mit Eigeninitiative und Engage-ment der Bürger möglich sind, dafür sind die Tageder Dorfkultur ein augenfälliger Beweis.

Ich danke daher allen, die zur Organisation dieserVierten Bayerischen Tage der Dorfkultur beigetragenhaben.

Mein Dank gilt insbesondere

— dem Markt Reisbach, an der Spitze Herrn Bürger-meister Josef Steinberger, für die Mühen derOrganisation,

— der Direktion für Ländliche Entwicklung Landau a. d. Isar und besonders Herrn Josef Reidl für dieUnterstützung der Marktgemeinde Reisbach beiden fachlichen Vorbereitungen,

— dem Bayerischen Landesverein für Heimatpflegefür die tatkräftige Unterstützung dieser Veran-staltung, vor allem auch bei der gestrigen Diskus-sionsrunde,

— dem Amt für Landwirtschaft und Ernährung Landau a. d. Isar für die Organisation im landwirt-schaftlichen Bereich,

— den vielen bayerischen und außerbayerischenGemeinden, die diesen Tagen der Dorfkultur inReisbach ein besondere Ausstrahlung verliehenhaben,

— der großen Anzahl von Mitwirkenden an den Ver-anstaltungen und Ausstellungen aus dem In- undAusland und

Berichte zur Ländlichen Entwicklung 73/1997 11

LandwirtschaftsministerBocklet (Mitte) und Finanz-

minister Huber (2. v. l.)besichtigen gemeinsam mit

Bürgermeister Steinberger(2. v. r.), Präsident Beer

(1. v. r.), Präsident derDirektion Landau a. d. Isarund MdB Max Straubinger

(1. v. l.), die Ausstellungder Künstlervereinigung

Isargilde im Kloster. Das imRahmen der Dorferneue-

rung renovierte Kloster-gebäude soll auch in

Zukunft für bürgerschaft-liche Aktionen und Kunst-

ausstellungen zur Ver-fügung stehen.

Page 12: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer

— ganz besonders allen Bürgerinnen und Bürgernvon Reisbach für die Gastfreundschaft, die Sie denGästen aus nah und fern erwiesen haben.

Diese Vierten Bayerischen Tage der Dorfkulturwerden deutlich machen, daß es sich für alle lohnt,im ländlichen Raum zu leben und ihn aktiv mitzu-gestalten. Dies ist auch ein Signal für die Zukunfts-gestaltung in anderen Gemeinden sowie für denländlichen Raum insgesamt und für die weitereEntwicklung unserer schönen bayerischen Heimat.

Allen Teilnehmern, Besuchern und Gästen wünscheich einen angenehmen Aufenthalt und interessanteVeranstaltungen und Gespräche bei den ViertenBayerischen Tagen der Dorfkultur in Reisbach.

12 Berichte zur Ländlichen Entwicklung 73/1997

Page 13: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer

München, den 10. August 1995: Die Maß-nahmen der Ländlichen Entwicklung helfen sowohlder Landwirtschaft als auch der ganzen ländlichenGesellschaft. Das erklärte Landwirtschaftsminister Reinhold Bocklet anläßlich der Auszeichnung dreiervorbildlicher Beispiele der Dorf- und Flurentwicklungmit einem Staatspreis von je 20 000,— DM. Nach denWorten des Ministers wurde in allen ausgezeich-neten Verfahren ein bedeutsamer Beitrag zur Erhal-tung einer standort-, umwelt- und marktgerechtenbäuerlichen Landwirtschaft bei gleichzeitiger Stär-kung der Identität des Dorfes und der umgebendenLandschaft geleistet.

Ausgezeichnet wurden

— das Gruppenverfahren zur Dorf- und Flurent-wicklung Aue, Schwimbach, Thalmässing,Markt Thalmässing, Lkr. Roth,

— das Zusammenlegungsverfahren Wallersberg,Stadt Weismain, Lkr. Lichtenfels und

— das Verfahren zur Dorf- und Flurentwicklung Niedernkirchen, Gemeinde Hebertsfelden, Lkr. Rottal-Inn.

Darüber hinaus erhielt das Zusammenlegungs-verfahren Schwebheim, Gemeinde Schwebheim, Lkr. Schweinfurt, einen Sonderpreis, der ebenfalls mit20 000,— DM dotiert ist.

Die vier Preisträger wurden aus über 150 in Fragekommenden Vorhaben ausgewählt.

Das Gruppenverfahren zur Dorf- und Flurent-wicklung Aue, Schwimbach, Thalmässing(Gesamtleitung: Direktion für Ländliche EntwicklungAnsbach) erhält die Anerkennung für vernetzte undgemeinschaftlich getragene Landentwicklungsmaß-nahmen im Bereich des Marktes, seiner Ortschaftenund umgebenden Feldfluren. Das bedarfsgerechte,naturnah ausgebaute Wegenetz und die der schwie-rigen Topographie optimal angepaßte Neuordnungder Grundstücke tragen nach den Worten vonMinister Reinhold Bocklet entscheidend zur Verbes-serung der landwirtschaftlichen Produktions- undArbeitsbedingungen und damit zur Stärkung einerunternehmerisch orientierten Landwirtschaft bei.Umfangreiche Maßnahmen für den Natur- undLandschaftsschutz unter Berücksichtigung extensiverBewirtschaftungsmethoden sowie die Realisierungvon Gewerbeansiedlungen durch Flächenausweisungim Rahmen von Bodenordnung und Landmanage-ment geben Perspektiven für zusätzliche Einkom-mensmöglichkeiten. Die umfassende Dorferneuerungin allen Ortsteilen hat die Lebensqualität entschei-dend verbessert und wirkt der Abwanderung entge-gen. Die Förderung gemeindeübergreifender Freizeit-einrichtungen und Erhaltung der vielfältigen Kultur-landschaft haben die Attraktivität des Gebietes alsErholungsraum im Nahbereich des Rothsees deutlichgesteigert.

Das Zusammenlegungsverfahren Wallersberg(Gesamtleitung: Direktion für Ländliche EntwicklungBamberg) wird für die rasche Verbesserung der wirt-

Berichte zur Ländlichen Entwicklung 73/1996 13

Page 14: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer

schaftlichen Situation der Haupt- und Nebener-werbsbetriebe in einem einfachen Neuordnungsver-fahren ausgezeichnet. Die vorbildliche Zusammen-arbeit aller am Verfahrensablauf Beteiligten ermög-lichte die schnelle Umsetzung der Verfahrensziele.Die deutliche Verbesserung der Agrarstruktur durchBodenordnung und bedarfsgerechte Erschließung ist,wie Minister Bocklet betonte, ebenso hervorzuhebenwie der Beitrag zur Verwirklichung des Schafbewei-dungskonzeptes »Nördlicher Frankenjura« zur Stabi-lisierung der Kulturlandschaft.

Im Verfahren zur Dorf- und Flurentwicklung Niedernkirchen (Gesamtleitung: Direktion für Länd-liche Entwicklung Landau a. d. Isar) wird eine mitbeispielhaftem Gemeinschaftsgeist der Gesamtbe-völkerung und in überschaubarer Zeit durchgeführteNeugestaltung von Dorf und Flur gewürdigt. Erhal-tungs-, Sanierungs- und Gestaltungsmaßnahmenhaben eine geordnete dorfgemäße Entwicklungunterstützt. Die Bodenordnung im Ort legte denGrundstein für viele private und öffentliche Vor-haben und eröffnete Betrieben neue Entwicklungs-möglichkeiten. Einfache und kostengünstige Ausbau-weisen beim Wegebau, eine zweckmäßige Bodenord-nung in der Flur und ergänzende Maßnahmen derLandespflege tragen den Interessen von Landwirt-schaft und Naturschutz gleichermaßen Rechnung.

Den Sonderpreis erhält das Zusammenlegungs-verfahren Schwebheim 3 (Gesamtleitung: Direktionfür Ländliche Entwicklung Würzburg) für ein unkon-ventionelles Neuordnungsverfahren zur Sicherungbäuerlicher Einkommen und für besondere, dankörtlicher Kompetenz einvernehmlich erzielte Beiträgezur Verbesserung des Naturhaushalts. Das Verfahrenzeigt auf eindrucksvolle Weise den Beitrag der Länd-lichen Entwicklung zur Erhaltung, Sicherung undWiederherstellung der Kulturlandschaft. Es wirddeutlich gemacht, so Minister Bocklet, wie über dieStabilisierung des Naturhaushaltes durch Realisie-rung von Maßnahmen des Naturschutzes und derLandschaftspflege die Arbeits- und Produktionsbe-dingungen für die Landwirtschaft verbessert undalternative Einkommenskombinationen ermöglichtwerden können. Hervorzuheben sind die absoluteFreiwilligkeit bei allen Maßnahmen sowie der Grund-satz, daß größtmögliche Akzeptanz Vorrang vor derOptimallösung hat. Wissen und Erfahrung der Land-wirte und Bürger wurden einbezogen. Die lang-jährige Aktivierung der Bevölkerung durch Führun-gen, Volkshochschulkurse und Informationsveran-staltungen sowie die organisatorische, personelleund finanzielle Unterstützung der Gemeinde sindbeispielhaft.

Auch die weiteren zur Prämierung vorgeschla-genen Verfahren stellen, so Minister Bocklet, her-vorragende Beispiele für die Entwicklung des länd-lichen Raumes in Bayern dar. Ehrenurkunden gehenan das Verfahren zur Dorf- und Flurentwicklung Kinding III, Lkr. Eichstätt, das Zusammenlegungsver-fahren Perchting, Stadt Starnberg, die Verfahren zur Flurentwicklung Stefling, Stadt Nittenau, Lkr. Schwandorf und Kitzingen, Stadt Kitzingen.

Die Verleihung der Staatspreise und des Sonder-preises durch Staatsminister Reinhold Bocklet undStaatssekretärin Marianne Deml wird im Jahre 1996erfolgen.

14 Berichte zur Ländlichen Entwicklung 73/1996

Page 15: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer

Der Anlaß, der uns heute zusammengeführt hat,ist ein eindrucksvoller Beweis dafür, daß bayerischeAgrarpolitik weit mehr ist als eine reine Sektorpolitikfür einen bestimmten Berufsstand. Andererseits wirddeutlich, wie flexibel und zeitgerecht das Instrumentder Ländlichen Entwicklung auch heute angewendetwerden kann. Um es gleich vorwegzunehmen: In derüberschaubaren Dorf- und Ortsflur hier in Niedern-kirchen ist es mit beispielhaftem Gemeinschaftsgeistund mit geringem Aufwand in wenigen Jahren ge-lungen, den Lebens- und Wirtschaftsraum fürzukünftige Erfordernisse vorzubereiten.

Ich freue mich deshalb, dieses vorbildliche Verfah-ren mit unserem Staatspreis auszeichnen zu können!Neben dem Leonhardiritt und dem »Ponzauner Wigg«ist dieses Ereignis ein weiteres Gütesiegel, das Nie-dernkirchen über den Landkreis hinaus bekanntmacht.

Die Ländliche Entwicklung ist für jeden einzelnenOrt, aber auch für Bayern insgesamt von großer Bedeutung.

Für die Bayerische Staatsregierung hat dieEntwicklung der ländlichen Räume daher einen sehrhohen Stellenwert. Sie ist seit jeher auch einSchwerpunkt der bayerischen Agrarpolitik. Zu einerplanvollen und zukunftsorientierten Entwicklungdieser Gebiete gibt es gerade im Flächenstaat Bayernkeine vernünftige Alternative.

Oberstes Ziel dieser aktiven staatlichen Struktur-politik — und dies gilt für alle Fachressorts — ist es,möglichst gleichwertige und gesunde Lebens- undArbeitsbedingungen in allen Teilräumen des Landeszu schaffen.

Zur Rolle der Ländlichen Entwicklung bei der Zukunftsgestaltung Bayerns

Für eine zukunftsorientierte Entwicklung ist aberHilfestellung nötig und zwar

— für die Landwirte und die Entwicklung IhrerBetriebe,

— für die Infrastrukturverbesserung und wirtschaft-liche Belebung in den ländlichen Gemeinden,

— für die Sicherung der natürlichen Lebensgrund-lagen sowie

— für die Wahrung der Eigentumsrechte an Grundund Boden.

Die Verwaltung für Ländliche Entwicklung besitztin der Flurneuordnung und Dorferneuerung einzig-artige Instrumente zur Umsetzung der vorgenanntenzentralen Ziele. Das Gütezeichen der Flurneuordnungund Dorferneuerung in Bayern ist dabei die weit-gehende Vernetzung aller Lebensbereiche, sowie dieChance, durch Bodenordnung bestehende Landnut-zungskonflikte zu entflechten. Dies ist auch nicht andie Größe und den Umfang eines Projektes gebun-den, was besonders deutlich hier in Niedernkirchenunter Beweis gestellt wurde.

Lassen Sie mich, bevor ich noch näher darauf ein-gehe, einige Worte zu den aktuellen Zielen der Länd-lichen Entwicklung sagen:

Hilfen für die Landwirtschaft

Der Strukturwandel in der bayerischen Landwirt-schaft wird sich vor dem Hintergrund der euro-päischen Rahmenbedingungen fortsetzen.

Die bäuerliche Landwirtschaft ist durch sinkendePreise und rückläufige Einkommen sowie durchstrukturelle Nachteile gegenüber anderen Regionender EU einem starken Anpassungsdruck ausgesetzt.Um diesem zu begegnen, sind mehr Zusammen-arbeit, strukturelle Verbesserungen und oftmals auchdie Erschließung von Einkommensalternativenerforderlich.

Dabei gilt es zunächst, das breit gefächerte Bera-tungsangebot der Landwirtschaftsverwaltung nochbesser zu nutzen. In Niedernkirchen wurden z. B.vom Amt für Landwirtschaft und Ernährung Eggen-felden und der Dienststelle Pfarrkirchen die zeit-gemäßen Anforderungen der acht landwirtschaft-lichen Betriebe an Dorf und Flur untersucht. ImMittelpunkt standen dabei die Erschließung, dieFlächenausstattung sowie die Gebäudesituation derBetriebe. Die entsprechenden Lösungsvorschlägewurden in die Planungen des Verfahrens eingebracht

Berichte zur Ländlichen Entwicklung 73/1997 15

Reinhold Bocklet

Zur Rolle der Ländlichen Entwicklung bei der ZukunftsgestaltungBayerns*

* Festrede anläßlich der Verleihung des Staatspreises an die Ländliche Entwicklung Niedernkirchen am 29. Juni 1996

Page 16: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer

und gefördert; denn entwicklungsfähige Betriebesind auch in Zukunft auf Grundstückszusammen-legung, Hofstellenerweiterung und eine ange-messene Wegerschließung angewiesen. Diese Maß-nahmen führen vor allem zu einer effizienterenArbeitserledigung sowie zu Einsparungen an Energieund Material.

Wichtig ist aber auch der Ausgleich zwischen denlandwirtschaftlichen Erfordernissen und den viel-fältigen ökologischen und infrastrukturellen Ansprü-chen an den ländlichen Raum. Verfahren nach demFlurbereinigungsgesetz schaffen wie kein anderesInstrument durch bauliche Maßnahmen, durch Land-bevorratung und insbesondere durch Maßnahmender Bodenordnung diesen Ausgleich.

Infrastrukturverbesserung und wirtschaftlicheBelebung in den ländlichen Gemeinden

Politik für den ländlichen Raum ist somit Politikfür alle seine Bewohner.

Zur Sicherung des Wirtschafts- und Arbeitsstand-ortes Bayern sind nicht nur spektakuläre Großpro-jekte in den Ballungsgebieten erforderlich. Ebensowichtig sind Maßnahmen der Infrastrukturverbesse-rung und Initiativen zur wirtschaftlichen Belebung inden ländlichen Gemeinden.

Es sind gerade die im ländlichen Raum vorherr-schenden kleineren und mittleren Unternehmen, diewesentlich zur Stabilisierung des Wirtschaftsstand-ortes Bayern beitragen. Zentrales Thema vielerStandortdiskussionen sind Infrastruktureinrichtun-gen und Flächenbereitstellung. Daneben erlangt einattraktives und gesundes Wohnumfeld zunehmendBedeutung.

Ich bin zuversichtlich, daß gerade die Maßnahmender Dorferneuerung dazu beitragen, diese Standort-faktoren zu verbessern und darüber hinaus denheimatlichen Lebensraum weiter aufzuwerten. Trotzfinanzpolitischer Zwänge bleibt daher die Dorf-erneuerung eine Schwerpunktaufgabe der bayeri-schen Agrarpolitik.

Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen

Bereits im ersten europäischen Naturschutzjahr1970 haben wir in Bayern im Gesetz zur Förderungder bayerischen Landwirtschaft die Erhaltung derKulturlandschaft zu einem Kernanliegen unsererAgrarpolitik gemacht.

Das Bedürfnis der Bürger nach intakten Lebens-räumen und einer nachhaltigen Sicherung dernatürlichen Lebensgrundlagen hat inzwischen starkzugenommen. Im Sinne der Forderungen der Welt-Umweltkonferenz 1992 in Rio nach mehr »Nachhal-tigkeit« stellen wir uns dieser Herausforderung.

Die Verwaltung für Ländliche Entwicklung istschon sehr früh auf diese Linie eingeschwenkt. Sieleistet heute neben der Verbesserung der Arbeits-und Produktionsbedingungen in der Landwirtschaftweithin anerkannte Beiträge zum Schutz unserernatürlichen Lebensgrundlagen .

Durch Landzwischenerwerb und Bodenordnungkönnen in den Verfahren

• Grünbestände gesichert,

• Biotope und Biotopverbundsysteme neu angelegt,

• Maßnahmen des Boden- und Gewässerschutzesermöglicht und

• Fachplanungen der Gemeinden und Dritter unter-stützt

werden.

Im Sinne einer neuen agrarökologischen Offensivemeines Hauses bleiben diese Schwerpunkte auch vordem Hintergrund geänderter finanzpolitischer Rahmenbedingungen bestehen!

In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, daßin Niedernkirchen knapp 25 % der Gesamtkosten inder Flurlage für Maßnahmen des Naturschutzes undder Landschaftspflege aufgewendet wurden. Dieseim Interesse der gesamten Gesellschaft liegendenMaßnahmen können aber nicht gegen den Willender Landwirte und Grundeigentümer, sondern nur imEinvernehmen mit diesen durchgeführt werden, wiedies hier vorbildlich geschehen ist.

Einige Anmerkungen zur Prämierungsaktion desStaatsministeriums

Wenn wir — wie heute in Niedernkirchen — Vor-haben der Ländlichen Entwicklung auszeichnen, soverfolgen wir damit im wesentlichen zwei Ziele:

Zum einen sollen über diesen zweijährigen undmit 20 000 DM dotierten Wettbewerb besondereLeistungen belohnt werden. Die vier Preisträger(3 Staatspreise, 1 Sonderpreis) wurden aus immerhinüber 150 in Frage kommenden Vorhaben ausge-wählt! Sichtbarer Ausdruck der Würdigung ist dieheutige Verleihung der Urkunden an mit dem Projekt

16 Berichte zur Ländlichen Entwicklung 73/1997

Page 17: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer

betraute Personen und die Einweihung der neuenApostelkapelle, die mit der Geldprämie errichtetwurde. Der dabei gezeigte Gemeinschaftsgeist prägtnicht nur dieses Bauwerk, sondern das Gemein-schaftswerk der Ländlichen Entwicklung Niedern-kirchen überhaupt.

Zum anderen sollen Vorhaben der Ländlichen Ent-wicklung öffentlichkeitswirksam nach außen darge-stellt werden. Von der Bewertungskommission wur-den diesmal bewußt Projekte vorgeschlagen, die alsbesonders treffende Antwort auf die gegenwärtigenHerausforderungen an Landwirtschaft und Gesell-schaft gelten können. Alle prämierten Vorhabenzeichnen sich durch eine hervorragende Zusammen-arbeit und eine zweckmäßige, bedarfsorientierte undkostengünstige Neugestaltung in Dorf und Flur aus.In allen Fällen wurden dabei wertvolle Hilfen für diebäuerliche Landwirtschaft gegeben. Daneben ent-sprechen die Maßnahmen sowohl arbeitswirtschaft-lichen als auch ökologischen und ästhetischenErfordernissen.

Bei den eingereichten Vorhaben ist deutlicherkennbar, daß sich die Direktionen für LändlicheEntwicklung — meinem Auftrag gemäß — verstärktbemühen, mit Hilfe einfacher Verfahren rasche undkostengünstige Antworten auf die Herausforderun-gen an Landwirtschaft und Gesellschaft zu geben.Die Entwicklung bedarfsgerechter und dabei mög-lichst schneller Lösungen ist das Gebot der Stunde.Unsere Bemühungen nach einem schlanken Staatmachen einen Stellenabbau von rund 25 % in dennächsten 10 Jahren bei der Verwaltung für LändlicheEntwicklung notwendig! Dies ist eine mehr als großeHerausforderung. Sie kann nur gemeistert werden,wenn neben der Wahl des richtigen, möglichst ein-fachen Verfahrenstyps auch die Grundsätze derFreiwilligkeit und gezielten Schwerpunktsetzungnoch mehr in den Vordergrund gerückt werden.Nach dem Motto »Freiwillig, aber nicht zufällig« darfaber dennoch die ganzheitliche Betrachtungsweisenicht aus den Augen verloren werden. Ich bin sicher,daß dies möglich ist, zumal die Verwaltung stetsinnovativ war und immer schon neue Wege aufge-schlossen beschritten hat.

Beispielhaftes Verfahren Niedernkirchen

Das Verfahren Niedernkirchen zeigt in eindrucks-voller Weise, welch gute Ergebnisse gelingen können,wenn sich Bürgerinnen und Bürger mit Gemein-schaftsgeist und Gemeinsinn um die Gestaltungihrer Heimat annehmen.

Lassen Sie mich dazu kurz zurückblicken:

Das Rottal ist seit Jahrhunderten von vielen kleinen Orten, Weilern und Einödhöfen gepägt. DieLandschaft ist hügelig und weist einen relativ hohenAnteil an Grünland auf. Dies hat dazu geführt, daßMilcherzeugung und Rindermast heute die wichtig-sten landwirtschaftlichen Produktionszweige sind.Die traditionell konservative Grundeinstellung derRottaler Bauern ist Ursache dafür gewesen, daß hier»die Flurbereinigung« lange Zeit keinen großenAnklang gefunden hat. Durch den Strukturwandel istseit den 80er Jahren das Interesse und die Notwen-digkeit von Bewirtschaftungsverbesserungen in derFeldflur jedoch enorm gestiegen. Besonders großesInteresse finden hier kleine, überschaubare Verfah-ren, die sich meist nur auf einen Ort beschränken.

Auch das Verfahren Niedernkirchen ist aussolchen Überlegungen heraus entstanden. Um dieNachteile der Flurzersplitterung und der kleinenFeldstücke gemeinsam mit ihren Nachbarn zu lösen,haben die beteiligten Landwirte nach Beratungdurch das Amt für Landwirtschaft und Ernährungzunächst den Wunsch nach einem freiwilligen Land-tausch geäußert. Aufgrund der Ergebnisse örtlicherErhebungen durch die Direktion für Ländliche Ent-wicklung und wegen der von der Gemeinde Heberts-felden beantragten Dorferneuerung wurde dasRegelverfahren als das geeignete Instrument aus-gewählt. Der Startschuß fiel 1987 .

Seitdem konnte Dank des beispielhaften Gemein-schaftsgeistes der gesamten Bevölkerung in nurwenigen Jahren und mit vergleichsweise bescheide-nem finanziellen Aufwand Bemerkenswertes ge-leistet werden:

• die Flurlagen sind erschlossen und die Wirt-schaftsflächen zweckmäßig eingeteilt,

• mehrere Hofstellen landwirtschaftlicher Betriebehaben erstmals eine ganzjährig befahrbareErschließung erhalten,

• neue Grünzüge verbinden nun Dorf und Flur,

• ökologisch wertvolle Flächen sind in erheblichemUmfang gesichert und auch neu geschaffenworden,

• die Bodenordnung im Ort legte den Grundsteinfür viele private und öffentliche Vorhaben und

• die Baumaßnahmen im Ort unterstützen die lokaleEntwicklung .

Dies eröffnete ortsansässigen Betrieben neueEntwicklungsmöglichkeiten und schuf klare undgesicherte Eigentumsverhältnisse für öffentliche

Berichte zur Ländlichen Entwicklung 73/1997 17

Page 18: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer

und private Grundstücke. Der großen Mitwirkungs-bereitschaft der betroffenen Grundeigentümergebührt besonderer Dank.

Im öffentlichen Bereich wurden 1,2 Mio. DMinvestiert. Daneben sind beachtliche 600 000 DMvon Privatpersonen investiert worden. Besondershervorzuheben ist dabei: 4 Maßnahmen dienen derVerbesserung von Wirtschaftsbetrieben und derUmnutzung leerstehender landwirtschaftlicherGebäude. Nicht zuletzt ist auch das neu geschaffeneBiergartenhäuschen als Beitrag zur Dorfkultur zuerwähnen.

Niedernkirchen zählt nur rund 100 Einwohner. Es ist heute wieder ein lebenskräftiger Ort mit einerReihe gesunder landwirtschaftlicher Betriebe, mitzwei Gasthäusern, mit Geschäften und Gewerbe-betrieben. Die Einheit von Dorf und Landschaft istaugenfällig geglückt.

Dieses hervorragende Ergebnis rechtfertigt vollaufdie Entscheidung, der Dorferneuerung und Flurent-wicklung Niedernkirchen eine der insgesamt drei inBayern vergebenen Auszeichnungen zu verleihen. Dieneue zeitgemäß gestaltete Zwölf-Apostel-Kapelle istkünftig ein weithin sichtbares Zeichen der beispiel-haften Gemeinschaftsleistung der Bürgerinnen undBürger von Niedernkirchen.

Dank und Anerkennung

Mein Dank und meine Anerkennung für die ge-leistete Arbeit gilt dabei zunächst allen Bürgerinnenund Bürgern von Niedernkirchen. Ihrem Sinn für denWert der Heimat und der Landschaft sowie ihremgroßen Engagement ist es in erster Linie zu ver-danken, daß dieses Gemeinschaftswerk so hervor-ragend gelungen ist. Eigentlich sind es die Bürgerin-nen und Bürger selbst, die wir heute auszeichnen.

Mein Dank gilt

— dem 1. Bürgermeister der Gemeinde Hebertsfel-den, Herrn Alfred Wollinger, für die beispielhafteZusammenarbeit,

— dem Vorsitzenden, dem örtlichen Beauftragtenund den Vorstandsmitgliedern der Teilnehmerge-meinschaft,

— der Direktion für Ländliche Entwicklung Landau a. d. Isar,

— dem Amt für Landwirtschaft und ErnährungEggenfelden und seiner Dienststelle Pfarrkirchen,

— allen weiteren beteiligten Fachbehörden, ins-besondere dem Straßen- und WasserbauamtPfarrkirchen und dem Landratsamt, dem Baye-rischen Bauernverband und den Naturschutzver-bänden und nicht zuletzt

— den an der Planung und Ausführung beteiligtenArchitekten, Ingenieuren und Fachfirmen.

Ganz besonders danken möchte ich noch denAbgeordneten des Bayerischen Landtages für dieBereitstellung der notwendigen Haushaltsmittel undihren Einsatz zur Entwicklung des ländlichenRaumes.

Abschließen möchte ich mit dem Dank an alleMusikanten und Vortragenden dieses Festaktes; siealle tragen zu einem eindrucksvollen und würdigenRahmen bei.

Schluß

Im Namen der Bayerischen Staatsregierungbeglückwünsche ich alle Teilnehmer und Beteiligtenzu diesem erfolgreich abgeschlossenen Verfahren derLändlichen Entwicklung. Allen Bürgern in dieserherrlichen nach wie vor bäuerlich geprägten Land-schaft wünsche ich für die Zukunft alles Gute, vorallem die Kraft und den Erhalt ihres Gemeinschafts-geistes für eine weiterhin segensreiche Entwicklungihrer Heimat.

18 Berichte zur Ländlichen Entwicklung 73/1997

Page 19: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer

Berichte zur Ländlichen Entwicklung 73/1997 19

S p i e g e l

r e s s ePP

Page 20: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer

20 Berichte zur Ländlichen Entwicklung 73/1997

Page 21: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer

Berichte zur Ländlichen Entwicklung 73/1997 21

Page 22: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer
Page 23: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer

Die Bayerische Staatsregierung hat 1994 mit derOffensive Zukunft Bayern ein in ganz Deutschlandeinzigartiges Innovationsprogramm gestartet. Auchin den Jahren 1997 bis 1999 werden wieder 2,3 Mrd. DM nationale Mittel aus den Privati-sierungserlösen gezielt in Zukunftsfelder der Wirt-schaft und die soziale Qualität Bayerns investiert.

Ein nicht unerheblicher Teil dieser Mittel fließt indie Initiative BayernOnline, die den Einsatz moder-ner Telekommunikation in Bayern beschleunigen soll.In der zweiten Tranche wird nun die Anwendung derTelematik, also das Zusammenspiel von Informa-tionstechnologie und Telekommunikation, besondersin den ländlichen Regionen Bayerns gefördert, umindividuelle Arbeit zu einem Gemeinschaftswerk zuvernetzen.

Angesichts der angespannten Lage auf demArbeitsmarkt wurde in der Regierungserklärung vom23. Mai 1996 als einer der Schwerpunkte im zweitenTeil der Offensive Zukunft Bayern das Beschäf-tigungsprogramm Bayern vorgestellt. Mit diesem Programm wird ein wesentlicher Beitrag zur Wirt-schafts- und Beschäftigungsförderung — vor allemin den Regionen — geleistet, die besondere Beschäf-tigungsprobleme haben.

Der Themenarbeitskreis »Telekommunikation imländlichen Raum« will durch das Operationelle Programm zur integrierten Nutzung der Tele-matik im ländlichen Raum zur optimalen Umset-zung dieser Initiativen beitragen. Damit werden diese Rahmenbedingungen systematisch zur Entwicklungdes ländlichen Raums genutzt, um alle Bürgerumfassend mit Informationen zu versorgen, Arbeits-plätze zu erhalten und zu schaffen und die Innova-tionskraft entscheidend zu verbessern.

Unter diesen Voraussetzungen können die länd-lichen Räume Bayerns ihre Leistungsfähigkeitsprunghaft verbessern. Insbesondere in Ziel-5b-Gebieten, in denen diese nationalen Mittel durchFördermittel der EU und des Bundes ergänzt werden,entsteht jetzt die Möglichkeit, das endogene Poten-tial wirksamer zu entfalten.

Im Rahmen der Initiative BayernOnline wurde imAuftrag des Ministerrates unter Leitung des Bayeri-schen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirt-schaft und Forsten der Themenarbeitskreis (TAK)»Telekommunikation im ländlichen Raum« ein-gerichtet. Die erste Sitzung fand am 30. 11. 1995statt. Die Teilnehmerzahl hat sich von anfangs 30 kontinuierlich auf 180 erhöht. In monatlichenPlenarveranstaltungen tauschten Unternehmer,Manager, Berater, Wissenschaftler, Landräte undBürgermeister ihre Erfahrungen bei der Umsetzungvon Projekten der Initiative BayernOnline aus.

Parallel dazu haben vier Arbeitskreise zu den Themen Informationstechnologie, Telematikanwen-dungen, Marketing und Telearbeit Pilotkonzepteerarbeitet. Vom 16. bis 18. April 1996 fand im KlosterBanz eine Klausurtagung statt, bei der die Arbeits-ergebnisse zu einem Gesamtkonzept verdichtetwurden. Sie sollen in einer Broschüre veröffentlichtwerden.

Alle Teilnehmer an den Veranstaltungen habenihre Arbeitszeit kostenlos zur Verfügung gestellt unddie Anfahrts- und Übernachtungskosten selbstgetragen. Die beteiligten Unternehmensvertreterübernahmen darüber hinaus auch Konzept- undMaterialkosten und präsentierten sich uneinge-schränkt offen, um die Ergebnisse qualitativ nochweiter zu verbessern. Das vorliegende operationelleProgramm basiert auf den Ergebnissen des Themen-arbeitskreises, der Beratungsleistung der Experten-gruppe der »Innovativen Bayern« und den Erfahrun-gen des Bayerischen Staatsministeriums fürErnährung, Landwirtschaft und Forsten bei derSchaffung von Einkommensalternativen im länd-lichen Raum und dem Aufbau von Telezentren.

Der ländliche Raum in Bayern

Nach dem Landesentwicklungsprogramm Bayern(LEP) wird Bayern insgesamt in zwei Gebietskatego-rien, Verdichtungsraum und ländlicher Raum, einge-teilt. Ca. 80 % der Fläche Bayerns zählt zur Kategorie

Berichte zur Ländlichen Entwicklung 73/1997 23

Marianne Deml

Telekommunikation — Chancen für den ländlichen Raum*)

*) Vortrag beim Fachgespräch »Telekommunikation — Chancen für Unternehmer« am 6. März 1997 im Schloß Schwarzenfeld

Page 24: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer

ländlicher Raum. Das operationelle Programmbezieht sich auf diesen Raum einschließlich derUntergruppierungen. Es schließt aber auch denVerdichtungsraum im Sinne einer partnerschaft-lichen Zusammenarbeit mit ein.

Bayerns Entwicklung vom Agrar- zum High-Tech-Land hat sich in den vergangenen Jahrzehnten kon-tinuierlich und erfolgreich vollzogen. Bayern istinnovationsfreudig und leistungsfähig. Mit den Ziel-5b-Gebieten ist aber auch definiert, wo die Förde-rung in Bayern ansetzen muß, um die räumlich undstrukturell benachteiligten Regionen an das Lei-stungsvermögen der anderen heranzuführen. Insbe-sondere der Mittelstand und die Landwirtschaftbrauchen gerade jetzt Unterstützung, um dem ver-stärkten internationalen Wettbewerbsdruck stand-halten zu können. Sie müssen regionale und lokaleLeistungsprofile entwickeln, ihr Innovationspotentialdurch eine integrierte Nutzung der Telematik vernet-zen und ihre Produkte national und internationalvermarkten.

Leitziel bayerischer Landesentwicklungspolitik istdie Erhaltung und Schaffung gleichwertiger undgesunder Lebens- und Arbeitsbedingungen in allenLandesteilen. Dabei kommt dem ländlichen Raumgegenüber den Verdichtungsräumen Entwicklungs-priorität zu. Innerhalb des ländlichen Raumes sollteTeilräumen, deren Entwicklung nachhaltig gestärktwerden soll, bei Planungen und Maßnahmen zurStärkung des ländlichen Raumes der Vorrang ein-geräumt werden.

Im »Plan für die Entwicklung des ländlichenRaumes« im Rahmen der EU-Strukturförderung 1994bis 1999 im Freistaat Bayern des Bayerischen Staats-ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und For-sten sind die Strategiekonzepte und Maßnahmenbeschrieben und durch die EU gebilligt. Ca. 70 % desnach dem LEP definierten ländlichen Raumesgehören zum sog. 5b-Fördergebiet.

Das operationelle Programm zur integrierten Nut-zung der Telematik im ländlichen Raum Bayerns sollauch die Umsetzung des operationellen Program-mes nach Ziel-5b unterstützen und ergänzen. Einezukunftsweisende und flächendeckende telematischeInfrastruktur soll auch die Umsetzung des OP-5bstärken. Die im Rahmen der Telematik entstehendenneuen Berufsfelder sollen bestehende Unternehmenstabilisieren und neue zukunftsorientierte Arbeits-plätze schaffen.

Durch die Vernetzung und Ergänzung der beidenoperationellen Programme können EU-Mittel diezur Verfügung gestellten Landesmittel ergänzen.

Die beiden Programme unterstützen damit auch dieim Rahmen des EAGFL, EFRE und des ESF entwickel-ten Maßnahmen.

Soweit Maßnahmen anderer Themenarbeitskreiseim ländlichen Raum (Schule, Bildung, Telemedizin,Wirtschaft usw.) umgesetzt werden oder diesenRaum einbeziehen, wird eine Vernetzung mit demOperationellen Programm über Fach- oder Verwal-tungsgrenzen hinaus angestrebt, um die Synergie-effekte der Telematik zu verstärken.

Die Vision

Durch die Initiative BayernOnline kann der länd-liche Raum für eine integrierte Nutzung der Tele-matik bis Ende 1998 das Hochschulnetz zum Orts-tarif nutzen. Es können sich dadurch kleine, selb-ständige, räumlich verteilte Unternehmen vernetzenund zu einem virtuellen Unternehmen zusammen-schließen, das um ein vielfaches leistungsfähiger istals die heutigen Einzelunternehmen.

Dieses virtuelle Unternehmen bietet vor allem dieChance zum Aufbau neuer Betriebe mit flexiblenArbeitszeiten und individueller Arbeitsplatzge-staltung, die sich von Anfang an alle Möglichkeitender Telematik nutzbar machen und auch inter-national agieren können. Es werden Telearbeitsplätzein ländlichen Gemeinden entstehen, die auch fürGroßbetriebe attraktiv sind, weil sie kostengünstigund hochproduktiv ausgelegt werden können. Dar-über hinaus wird sich eine Reduzierung des Ver-kehrsaufkommens einstellen. Damit können auch dieländlichen Regionen bestens auf die Globalisierungder Märkte und die dramatisch veränderte Arbeits-welt des dritten Jahrtausends vorbereitet werden.

Die Knoten des Netzwerkes

1. Bürgernetzvereine

Bürger in Gemeinden oder kleinen regionalen Ein-heiten schließen sich zu einer Initiative zusammenund gründen einen Bürgernetzverein. Sie betreibenden regionalen Netzknoten und ein lokales Informa-tionssystem. Der Netzknoten stellt sicher, daß jederBürger zum Ortstarif Informationen abrufenkann. Die durch den Betrieb entstehenden Kostenwerden von Sponsoren übernommen, die Informa-tionen selbst sind für den Bürger kostenlos. Dieregionalen Informationssysteme sind untereinanderüber das Telekommunikationsnetz verbunden.

24 Berichte zur Ländlichen Entwicklung 73/1997

Page 25: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer

Das Informationsnetz bietet darüber hinaus jedemBürger die Möglichkeit, sich in nationale und inter-nationale Netze einzuwählen und z. B. Informationenaus europäischen Datenbanken abzurufen.

2. Telezentren

Telezentren sind mittelständische Unternehmen,die durch ihre angestellten Mitarbeiter Aufträge vonregionalen und überregionalen Auftraggebern bear-beiten. Neben dem privaten Unternehmer solltenauch Gemeinden, Landkreise, Sparkassen oder inter-essierte regionale Partner Gesellschafter sein. Damitentsteht eine Private Public Partnership (PPP).

Je nach Größe und technischer Ausstattung desTelezentrums können auch bestehende Arbeitsplätzeaus den Verdichtungsräumen in das Zentrum ver-lagert werden und ganze Unternehmensteile großerund mittlerer Betriebe angegliedert sein. Denkbarund wünschenswert ist hier eine Einbeziehungungenutzter Gebäude in dörflichen Gemeinden,in denen auch Forschung, Entwicklung und Produk-tion stattfinden kann.

Telezentren sind untereinander zu einem virtuellen telematischen Leistungszentrum vernetzt und arbeiten eng mit den Bürgernetzvereinen zusammen.Sie können dadurch, unterstützt durch geeigneteSoftware, Arbeitsaufträge der Kunden gemeinsambearbeiten.

Jedes Telezentrum übernimmt eine spezielle fach-liche Funktion. So wird es z. B. Zentren für Marketingund Vertrieb geben, die die Akquisition von Auf-trägen übernehmen. Aufgaben wie Lohnabrechnung,Personalverwaltung oder Buchführung werden vonanderen Zentren durchgeführt. So entsteht einleistungsfähiges Netzwerk mit unterschiedlichenfachlichen Schwerpunkten, einer extrem flachenhierarchischen Struktur und überdurchschnitt-licher Innovationskraft.

3. Center of Competence (COC)

Experten und Expertenteams, die ihre Leistungenper Videoübertragung und Application Sharing indas Online-System des virtuellen Unternehmens ein-bringen, sichern die Beratungsqualität beim Aufbauund Betrieb des Netzwerkes. Sie bieten besondereDienstleistungen, wie z. B. Technologieberatung,Nutzung von geographischen Informationssystemenoder Projektmanagement an und rechnen nachArbeitsaufwand ab.

Durch die Möglichkeit der gemeinsamen tele-matischen Bearbeitung von aktuellen Problemenkönnen so Telezentren, Bürgernetzvereine, mittel-ständische Unternehmen und andere Teilnehmer imNetzwerk schnell, kostengünstig und qualitativhochwertige Leistungen von Spezialisten aus ganzBayern in Anspruch nehmen. Eine Einbindung derBayern Innovativ GmbH erscheint hier sinnvoll. Siebündelt und koordiniert den Technologietransfer inBayern und kann dadurch neue Impulse für das virtuelle Leistungszentrum setzen.

Die Schlüsselelemente des Telekommuni-kationsnetzes im ländlichen Raum

Die Basis für das durch BayernOnline realisierteBürgernetz, das Bestandteil des Bayernnetzes ist, istdas bayerische Hochschulnetz. Jeder Bürger imländlichen Raum soll dieses Datenübertragungsnetzzum Ortstarif bis Ende 1998 gebührenfrei nutzen können. Es ist die Voraussetzung für denAufbau von gut funktionierenden und konkurrenz-fähigen Unternehmen in einem leistungsfähigen,flächendeckenden und kostengünstigen Telekoope-rationsnetz. So werden die Nachteile einer räum-lichen Dezentralisierung von Unternehmensteilendurch leistungsfähige Kommunikationstechnikenkompensiert.

Ziel ist es, den Bürgern und Unternehmen dieInformationsangebote in mulitmedialer Form an-zubieten. Durch die Integration von Text, Sprache,Farb- und Bewegtbild in einem Gerät wird die Infor-mationsqualität und -dichte entscheidend erhöht.Der Endbenutzer soll mit einem multifunktionalenGerät alle Informationen entsprechend den jewei-ligen Anwendungsbedürfnissen verfügbar haben. Da bei multimedialen Angeboten wesentlich höhereInformationsmengen übertragen werden, muß dasflächendeckende Leitungsnetz entsprechend ausge-baut werden. Unter multimedialen Bedingungenbenötigt der Endnutzer, unabhängig ob privat oderkommerziell, eine ISDN-Verbindung, um effizientarbeiten zu können und dialogfähig zu sein.

Zur virtuellen Vernetzung multimedialer Anwen-dungen wird eine entsprechend leistungsfähigeSoftware (Groupware) benötigt, um bei wechseln-den Arbeitsorten sämtliche Unterlagen für die voll-ständige Bearbeitung eines Vorganges in digitalerForm verfügbar zu haben. Daraus ergibt sich, daßalle schriftlichen Dokumente (Grafik, Texte, Bilder)sofort digitalisiert und in entsprechende Daten-banken eingegeben werden müssen. Unternehmen,

Berichte zur Ländlichen Entwicklung 73/1997 25

Page 26: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer

die sich dieser Vorgehensweise bedienen, müssendeshalb auf eine leistungsfähige Groupware umstel-len, damit sie die Vorteile des Workflow-Manage-ment voll nutzen können.

Nach dem Konzept von BayernOnline sollen dieBürgernetzvereine die Bewohner der Region imUmgang mit den neuen Telekommunikations-technologien schulen und neben der Technik unddem unentgeltlichen Zugang zum Bayernnetz auchlokale Informationen kostenlos zur Verfügung stellen. Der Bürgernetzverein kann auch ein Telezen-trum mit dieser Aufgabe beauftragen, das den Aufbau und den Betrieb des Informationssystemsübernimmt.

Personal, das über die gesamte Laufzeit des Programmes in ausreichender Menge und Qualitätzur flächendeckenden Umsetzung von BayernOnlineeingesetzt werden kann, ist nur in Zusammenarbeitmit den regionalen Arbeitsämtern zu gewinnen.Dafür ist jedoch eine grundsätzliche Vereinbarungmit der Bundesanstalt für Arbeit notwendig, die vor allem die Möglichkeit eröffnet, alle Teilneh-mer am Arbeitsplatz telematisch zu trainieren. Unabhängig davon können durch eine berufsbe-gleitende Qualifizierung zusätzlich personelle Res-sourcen in begrenztem Umfang geschaffen werden.Die gemeinnützige Arbeitnehmerüberlassung(gAÜ) eröffnet die Möglichkeit, dieses Personal aufZeit für das operationelle Programm verfügbar zumachen.

Innovationsmanagement in lernendenRegionen

Mit dem operationellen Programm zur integrier-ten Nutzung der Telematik sollen zehn bis zwölfPilotregionen in Bayern in die Lage versetzt wer-den, alle lokalen Einzelaktivitäten zur Innovationsför-derung in Gesamtprojekten zu bündeln. Ziel ist es,die Einführung der Telematik nicht sektoral oderpunktuell durchzuführen. Auch aus Gründen derKosten und des Betreuungsaufwandes ist eine räum-liche und zeitliche Begrenzung notwendig. Zu einer lernenden Region schließen sich jeweils mehrereLandkreise zusammen. Diese Pilotregionen sinduntereinander vernetzt.

Alle Regionen Bayerns können sich für die Teil-nahme bewerben, wobei die Ziel-5b-Gebiete bevor-zugt berücksichtigt werden. Die Ballungsräumekönnen dann teilnehmen, wenn sie mit ländlichenPartnerregionen zusammenarbeiten.

Bei der Entwicklung dieser Regionen durch inte-grierte Nutzung der Telematik ist es zweckmäßig, dieführenden Hersteller auf diesem Gebiet in dieUmsetzung einzubinden.

Maßnahmen im Rahmen des Operatio-nellen Programms

Im Rahmen des Operationellen Programmeskönnen Entwicklungen in den nachfolgenden Maß-nahmenbereichen gefördert werden.

1. Integrierte technische Ausstattung von Pilotprojekten

In den einzelnen Pilotregionen sind jeweils vierbis fünf Projekte für lokale Informationssystememit Anbindung an das Hochschulnetz vorgese-hen. Die notwendige Hard- und Sofwareausstat-tung, Wartung, Anbindung von Übertragungslei-tungen an das Hochschulnetz, Aufwendungenfür Koordinierung, Vorbereitung, Prozeßbeglei-tung sowie sonstige Aufwendungen könnengefördert werden.

2. Bürgernahe Anwendungen im lokalen Informationssystem

Eine Reihe von Anwendungsbereichen wurdevom Themenarbeitskreis zur Umsetzung vorge-schlagen:

— Im Bereich Freizeit und Kulturveranstal-tungen (incl. korrespondierender Dienstlei-stungen) werden die automatisierte Zimmer-verwaltung für »Urlaub auf dem Bauernhof«mittels Direktbelegung durch einen Nachfra-ger und Direktfreigabe durch den Anbieteronline über ein lokales Informationssystem,Informationssäulen an Autobahnraststättenund andere öffentlich zugängliche Stellenebenso möglich sein, wie die Direktbuchungvon kulturellen Veranstaltungen (Ticketing),das Bezahlen mit der Chipkarte und derAusdruck der Eintrittskarte. Aber auch eingeographisches Informationssystem überlokale Einrichtungen, z. B. über Gaststätten,kleine mittelständische Unternehmen, kultu-relle Einrichtungen, Wander-, Reit- und Rad-wegenetze bis hin zu Informationen über diespezielle Fauna und Flora soll in diesemBereich entstehen.

— Als Einwohner-Bürgerservice und zurInformation über kommunale Service-leistungen sind Anwendungen wie die An-

26 Berichte zur Ländlichen Entwicklung 73/1997

Page 27: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer

und Ummeldung und Zulassung von Fahrzeu-gen ebenso vorgesehen wie die Möglichkeitfür die Bürger zur Kommunikation mit Sach-bearbeitern und zur Statusabfrage über Vor-gänge (z. B. Bauantrag, Bezahlung vonGebühren mit Chipkarte).

— Zur Wirtschaftsbrancheninformation undWirtschaftsförderung wird einerseits eineLogistiksoftware für die Direktvermarktungvon landwirtschaftlichen Produkten an denEndverbraucher bzw. Endabnehmer und dieBezahlung mit Chipkarte (z. B. LaDiS) ent-wickelt als auch ein System für regionaleWirtschaftsinformationen über kleine undmittlere Unternehmen im regionalen Bereich(in Abstimmung mit dem Pilotprojekt Mittel-standsinfo) und die Bereitstellung von Struk-turdaten und Informationen über Baugebieteund Gewerbeflächen usw.

— Zur Verbesserung der Verkehrsinformationwerden abrufbare Informationen von allenVerkehrsanbietern bereitgestellt. Auch zweiModellvorhaben »Bürgermobil« im ländlichenRaum sind geplant und über Telekommunika-tion sollen private und öffentliche Verkehrs-anbieter mit Abruftaxis so vernetzt werden,daß ein bürgerfreundlicher Verkehrsverbundentsteht, in Abstimmung mit dem PilotprojektVerkehrsinfo aus BayernOnline I.

— Als Initiative im Bereich Bildung sollen Infor-mationen über Qualifizierungs- und Bildungs-angebote im ländlichen Raum (Volkshoch-schulen, IHK, HWK, Erwachsenenbildungsträ-ger) und Telelearning für neue Qualifizierun-gen im Bereich Telekommunikation angebo-ten werden.

— Ebenso soll die Nahversorgung mit Nah-rungsmittel, anderen Produkte oder Energie,d. h. die Vermarktung von Produkten aus derRegion für die Region, durch Bestellserviceund Bauernläden usw. mit Unterstützung derLogistiksoftware verbessert werden.

— Durch Selbsthilfegruppen werden sozialeDienstleistungen sowie Kommunikation fürSenioren, Behinderte, Patienten und immobileMenschen angeboten, aber auch die lokalemedizinische Versorgung und die Verknüp-fung praktischer Arzt, Apotheke, Patient mitKliniken wird möglich.

— Durch Bürgerforen, Bürgerbefragung undBürgerkommunikation wollen wir die lokaleIdentität stärken. Auch ein Lokales Informa-

tionssystem für Lokalgeschichte, örtliche undregionale Kultur und Heimatkunde soll diesunterstützen.

— Über Informationssysteme Umweltschutzund Umweltdaten werden örtliche Informa-tionen über Schadstoffe, Naturschutz undAbfallberatung angeboten.

— Im Bereich der Bankanwendungen werdenmultifunktionale Chipkartenanwendungenmit elektronischer Unterschrift als Bonuskartein Eichstätt und Kempten (früher Rabatt-markensystem) mit »Clearingstelle« (Bürger-netzverein) angeboten. Dadurch soll wiederKaufkraft in die Orte zurückverlagert werden.

— Es sollen auch ca. 10 Telezentren entstehenmit jeweils 6 bis 10 Mitarbeitern, die zu virtuellen Unternehmen vernetzt werdensollen.

— Im Bereich der Wirtschaftsökologie ist dieVerknüpfung ökonomischer und ökologischersowie anderer Aspekte mit Wirtschaftsinfor-mationen für verschiedene thematische Fra-gestellungen geplant. Die notwendigen Soft-warepakete sind weitgehend vorhanden. Zielist es, die bei verschiedenen Behörden oderVerbänden vorhandenen Daten zu digitalisie-ren und in das System einzuspeichern.

Die Anwendungsbereiche sollen jeweils von einerPilotregion musterhaft entwickelt und dargestelltwerden, so daß sie in anderen Pilotregionen ohneumfassende Änderungen implementiert werden können. Die Förderung beinhaltet Aufwendungen fürProgrammierung, Anpassung und Komplettierungvon Software, Koordinierung, Vorbereitung, Aufbauder notwendigen Projektorganisation und Prozeß-begleitung.

3. Qualifizierung

Für die technische und organisatorische Installa-tion der Pilotprojekte in den Pilotregionen und derenVernetzung zu virtuellen Unternehmen mit Anknüp-fung an regionale, überregionale und internationaleInformationssysteme wird entsprechend qualifizier-tes Personal in mehreren Qualifizierungsstufenbenötigt. Gefördert werden Qualifizierungsmaßnah-men, Koordinierung, Vorbereitung, Arbeitsunterstüt-zung und Projektorganisation.

GesamteffekteInsgesamt werden im Rahmen des operationellen

Programmes zur integrierten Nutzung der Telematikim ländlichen Raum Bayerns Mittel in Höhe von

Berichte zur Ländlichen Entwicklung 73/1997 27

Page 28: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer

ca. 80 Mio. DM gebunden. Dies bedeutet, daß injeder Region ca. 8 Mio. DM zum Aufbau von lokalenInformationssystemen, Telezentren und Centers ofCompetence eingesetzt werden. Damit können dieQualifizierungsmaßnahmen für ein vernetztesSystem durchgeführt, virtuelle Unternehmen auf-gebaut und Arbeitsplätze geschaffen werden. DiePilotregionen stehen in einem konstruktiven Wettbe-werb untereinander und stellen auf der Basis vonBayernOnline ihre Leistungsfähigkeit weltweit dar.

Die Kosten pro Region verteilen sich auf die EU,den Bund sowie auf bayerische Mittel. Einen erheb-lichen Teil steuern auch die Kommunen, die Hard-und Software-Hersteller und private Investoren bei.Durch die Kombination der eingesetzten Mittel kön-nen insgesamt 600 Telearbeitsplätze geschaffen wer-den. Die Investitionen für jeden neu geschaffenenArbeitsplatz sinken durch diese Vorgehensweisedrastisch.

Jede Region ist selbst dafür verantwortlich, dieVoraussetzungen für die Teilnahme an dem operatio-nellen Programm zu erfüllen. Das Bayerische Staats-ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und For-sten übernimmt die aktive Betreuung als Partner derRegionen. Die Auswahl der zehn bis zwölf Pilotregio-nen erfolgt nach ökonomischen und soziostrukturel-len Daten. Pro Region sollen mindestens 60 Telear-beitsplätze geschaffen und die Möglichkeiten derPrivate Public Partnership ausgeschöpft werden. AlleAkteure sind im Application Sharing Verfahren mit-einander vernetzt.

Jede Region ist durch einen Projektkoordinatorvertreten. Die Zusammenarbeit der Regionen imoperationellen Programm zur integrierten Nut-zung der Telematik im ländlichen Raum Bayernswird von einem Projektteam der »Innovativen« ineinem COC koordiniert. Dieses Team ist nicht hierar-chisch vorgesetzt, sondern arbeitet gleichberechtigtund partnerschaftlich nach beschriebenen Arbeits-prinzipien.

Alle Leistungsträger in Bayern sind willkommenePartner im Projekt, wenn sie die Qualitätskriterien inder Zusammenarbeit mit dem Leistungsverbunderfüllen. Das StMELF als Projektleiter, die Experten-gruppe der »Innovativen« und das Steuerungsteamdefinieren diese Qualitätsanforderungen gemeinsam.

Das Projekt soll aufzeigen, daß durch die Kom-bination verschiedener Förder- und Finanzierungs-möglichkeiten unter einem gemeinsamen regionalenAnliegen überdurchschnittlich positive Ergebnisseerzielt werden können. Um dies zu erreichen, werden

unterschiedliche Teams von der Projektleitung einge-setzt. Sie sind für alle Teilnehmer gleichermaßen ver-fügbar.

Die Telekommunikation ist eine einmaligeZukunftschance für den ländlichen Raum und seineZukunft. Die ländlichen Regionen können ihre unver-zichtbare gesellschaftspolitische Ausgleichsfunktionaber nur dann erhalten, wenn es gelingt, unserenjungen Leuten in den ländlichen Regionen wiederneue Zukunftschancen zu geben. Die Telekommuni-kation ist dazu ein hervorragendes Instrument.

Um die Chancen jedoch zu nutzen, brauchen wir engagierte Unternehmer mit Pioniergeist. Wirbrauchen Offenheit, sowohl in der gesamten Gesell-schaft als auch bei den Unternehmen, Offenheit, dieneuen Technologien anzunehmen, sich mit ihnen zubeschäftigen und ihre Vorteile zu nutzen.

Im vor uns liegenden Informationszeitalter wirddie Telekommunikation einer der Erfolgsfaktorensein. Wenn wir daher den Zug in dieser Technologieheute versäumen, ist der Rückstand kaum mehr auf-zuholen. Die Folge wären weitere Arbeitsplatzver-luste und die Abwanderung von Unternehmen.

Die Bayerische Staatsregierung hat dies erkanntund mit ihrem Programm »Offensive Zukunft Bay-ern« Zeichen gesetzt und Unterstützung aus Privati-sierungserlösen angeboten. Nun gilt es für engagier-te Unternehmer, die gebotenen Möglichkeiten zunutzen für eine erfolgreiche Zukunft Ihres Unterneh-mens, für eine erfolgreiche Zukunft des ländlichenRaums und seiner Bewohner, ja zum Erfolg für ganzBayern.

28 Berichte zur Ländlichen Entwicklung 73/1997

Page 29: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebeMitarbeiterinnen und Mitarbeiter,

ich heiße Sie zu dieser heutigen, fast möchte ichsagen, historischen Zusammenkunft sehr herzlichwillkommen. Sie alle wissen, warum wir uns hierzusammengefunden haben. Sie wissen auch um daswichtigste Faktum unserer Verwaltungsreform: umdie erhebliche Reduzierung (25 %) unseres Personals.Diese Reduzierung muß zu Konsequenzen führen.Konsequenzen in dem Sinne, wie sie das Pferd Boxerin George Orwells berühmtem Roman »Farm derTiere« ergriffen hat, nämlich jetzt noch härter zuarbeiten, damit wir weitermachen können wiebisher — z. B. weiterhin losgelöst von Kapazitäts-überlegungen anzuordnen, nun halt vermehrt sog.einfache Verfahren und Dorferneuerung — meine ich nicht. Dies geht nicht auf bzw. nicht gut.

Wir müssen

1. Kapazität und Aufträge in Übereinstimmung brin-gen (dazu dient die bereits gestartete Verfahrens-bewertung, auf deren Ergebnisse wir gespanntwarten) und gleichzeitig

2. Inhalte und Form der Auftragserledigung überprü-fen, wo es möglich ist beschleunigen, jedenfallshinsichtlich der personellen Kapazitätsbindungdeutlich reduzieren. Daraus wollen und müssenwir Spielräume sowie Methoden für einfache undschnelle Verfahren in Dorf und Flur gewinnen.

Dies ist die fundamentale Herausforderung anuns!

Uns heißt, die Herausforderung richtet sich analle Bedienstete und MitarbeiterInnen des Unter-nehmens Verwaltung für Ländliche Entwicklung.Die Zeiten sind vorbei, wo man die Dinge »oben aus-geknobelt« und die vermeintlich richtige Lösung oderzumindest Losung »top-down« ausgegeben hat undnur noch dafür sorgen mußte, daß alle anderen denAnweisungen der großen Strategen folgen. Ich stim-me aus tiefster Überzeugung, und das ist auch dieMeinung des gesamten ministeriellen Teams Länd-liche Entwicklung, der Äußerung von Peter Senge,dem Bestsellerautor der »Fünften Disziplin«, zu: »DieSpitzenorganisationen der Zukunft werden sich

dadurch auszeichnen, daß sie wissen, daß man dasEngagement und das Lernpotential auf allen Ebenen einer Organisation erschließt.« Wir, d. h. dieLeitung der Verwaltung für Ländliche Entwicklunghier im Ministerium, bekennen uns zusammen mitden Präsidenten und Leitern der Direktionen zu die-ser Aussage und eindeutigen Aufforderung vonSenge. Wir setzen auf die Kompetenz und das Engagement all unserer Mitarbeiterinnen und Mit-arbeiter. Ich meine, daß dies eine einmalige, im übri-gen auch erstmalige Chance für uns ist, im Sinneeiner »lernenden Organisation« die eigene Zukunftgemeinsam schöpferisch zu gestalten. Dazu brau-chen wir eine uns verbindende Vision, wie sie z. B.die Landauer Kollegen so vorbildlich und anschaulichentwickelt haben, sowie ein Systemdenken, daseinschließt bzw. voraussetzt, daß wir vorbehaltlos,selbstkritisch und offen analysieren und erkennen,daß an entstandenen und bestehenden Schwierig-keiten nicht immer nur Widersacher »draußen«schuld sind, sondern sehr oft wir selbst — durchunser eigenes Handeln, durch unsere eigene Betrachtungsweise, Mentalität und Einstellung zuunseren Problemen.

In den nun gebildeten Arbeitskreisen (s. Anlage)sowie bei den gleichzeitigen Diskussionen an denDirektionen können wir elementare Überlebens-tugenden trainieren: Das Lernen im Team, die Kunstdes Dialogs und der Diskussion sowie die Förderungder Begeisterungs- und Lernfähigkeit der einzelnenMitarbeiter. Zur Lern- und Begeisterungsfähigkeitgehört unverzichtbar die Fähigkeit, die Realitätobjektiv zu erkennen. Wir alle müssen zur Kenntnisnehmen und wissen, daß mit dem Ministerrats-beschluß vom 22.07.1996 die Reform keineswegsschon gelaufen und abzuhaken ist, sondern nun erstbeginnt. Wir müssen wissen und beachten, daß derMinisterratsbeschluß uns zunächst nur eine Chance,eine große Chance gegeben hat. D. h., wenn wir dieErwartungen des Kabinetts und vor allem unsereseigenen Ministers bis zum Juni nächsten Jahresnicht erfüllen, wird es von neuem los- und womög-lich »grausamer« zugehen. Der nun anlaufendeinterne Reform- und Optimierungsprozeß läuft vorden interessierten Augen unseres Ministers und der

Berichte zur Ländlichen Entwicklung 73/1997 29

Holger Magel

Gemeinsam werden wir es schaffen —Zur Rolle der im Vollzug der Verwaltungsreform eingesetztenArbeitskreise *

* Einführungsrede am 17. September 1996 im Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten

Page 30: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer

Staatskanzlei ab! Wir sind in mehrfacher Hinsichtgehalten, konkrete und umsetzbare Ergebnisse vor-zulegen. Dazu brauchen wir Sie, liebe Kolleginnenund Kollegen, dazu haben wir die Arbeitskreisegeschaffen, dazu Sie ge- und berufen! Ich dankeIhnen sehr herzlich für Ihre Bereitschaft, diesen par-tizipativen und durchaus pionierhaften Weg mitzu-gehen, ja aktiv selbst zu gestalten. Ich sage es sehrdeutlich: Diese Arbeitskreise sind ein Eckpfeilerin unserer Reform, sie sind keine Alibiveranstal-tung, sondern entsprechen zutiefst unsererPhilosophie über eine partizipative Verwaltungs-führung und die Achtung der Kompetenz unsererMitarbeiterInnen.

Wenn ich von einem partizipativen Weg spreche,meine ich nicht nur, daß jeder von Ihnen seine Mei-nung einbringt im Sinne eines offenen Dialogs; ichschließe in diesen partizipativen Weg auch dieFähigkeit ein, ständig das eigene und das Denken deranderen zu reflektieren sowie fair und konstruktiv zuhinterfragen. Wir müssen fragen, ja hinterfragen,was bisher als unumstößlich, vielleicht sogar alssakrosankt galt, wir müssen auch an Aspekte denken,an die wir bisher möglicherweise überhaupt noch niein unserer täglichen Arbeitspraxis gedacht haben.Manches haben ja Kienbaum und der Oberste Rech-nungshof bereits angestoßen, bei weitem aber nichterschöpfend und detailliert. Es gibt also noch viel zutun — ich meine, daß wir dazu, auch dank der vor-züglichen Arbeit unserer Führungsakademie, einenStand des Selbstbewußtseins und der Selbstbeherr-schung erreicht haben, der es uns erlaubt, trotz not-wendiger und wegen erfolgter Selbstkritik erfolg-reich zu werden.

Ich bitte auch die anwesenden Personal-, Gewerk-schafts- sowie Berufsverbandsvertretungen ebensooffen und konstruktiv mitzuwirken im Sinne einesBündnisses für die Zukunft. Was wir jetzt tun, istetwas, was wir — auch ohne Druck von außen —selbst hätten tun müssen. Das Motto unseres Han-delns möchte ich so formulieren: »Von der Repara-turkultur zum Management des Wandels, derVeränderung.« Dies bedeutet Hinterfragen, generel-les In-Frage-stellen, kontinuierliche Suche nach Ver-besserungen und Prozesse der Veränderung. Gleich-wohl müssen wir dabei — denken Sie an meineÄußerung bezüglich der notwendigen objektivenWahrnehmung der Realität — gewisse politische,gesetzliche und sonstige Rahmenbedingungen, Forderungen und Begrenzungen beachten. Wir müs-sen vermeiden, daß unrealisierbare Vorschläge ent-wickelt oder gar Luftschlösser gebaut werden. DieEnttäuschung ist dann umso größer, wenn sie nichtweiterverfolgt werden können.

Aus dieser Sicht heraus bitte ich Sie, meine nach-folgenden Anmerkungen nicht als einengende Vor-gaben Ihrer Arbeit zu sehen, sondern als hilfreicheEckdaten, die Ihnen die Arbeit erleichtern sollen.Denken Sie bei Ihrer Arbeit an folgende Rahmen-bedingungen und Eckdaten für die Arbeit in den Projektgruppen:

1) Ministerratsbeschluß in toto, daraus beson-ders hervorgehoben:• Einführung von Methoden des Projektmanage-

ments inkl. Controlling

• Privatisierung (Auslagerung von Arbeits-schritten)

• Einstellung von Verfahren

• Schnittstelle zu den Ämtern für Landwirtschaftund Ernährung bei der Dorferneuerungdefinieren

2) Bayerisches Genossenschaftsprinzip ist zuerhalten

3) Kundenorientierung verstärken

4) Weitgehende Delegation von Verantwortungnach unten inkl. Delegation der Budgetverant-wortung

5) Bürgermitarbeit und Planungsqualität sind zuerhalten

6) Erfolgskontrollen vorsehen

7) Gesetzliche Vorgaben und haushaltsrechtlicheVorschriften beachten; Verwaltungsvorschriften,Richtlinien und Anweisungen können geändertwerden, ein Gesetz so einfach nicht;

8) Hoheitliche Vermessung inkl. Abmarkung könnennicht privatisiert bzw. verlagert werden.

Nun sind noch einige Ausführungen zu machenzur Arbeitsweise, d. h. zu den

»Spielregeln« für die Arbeitskreise

• Verantwortlicher Projektsteuerer des Reformpro-zesses im Ministerium und für die Direktionen istMR Dr. Fritzsche. Er ist Ihr Ansprechpartner.

• Die Mitglieder der Arbeitskreise sind weder »Ein-zelkämpfer« noch »Direktionsrepräsentanten«. Siesollen den Reformprozess auch in den Direktio-nen vorantreiben und das Meinungsbild der Be-schäftigten ihrer »Heimatdirektion« in die Arbeits-kreise einbringen. Direktionen und Direktionslei-tungen sind damit in die Pflicht genommen.

30 Berichte zur Ländlichen Entwicklung 73/1997

Page 31: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer

• Zwischenergebnisse der Arbeitskreise sind in derRegel an den Direktionen wieder zu diskutieren(Feedback).

• Die Arbeitskreise bestimmen den Leiter aus ihrerMitte. Sie sind für die Gestaltung der Arbeit imjeweiligen Arbeitskreis selbstverantwortlich(Moderation, Sitzungsdauer etc.). Die FÜAK stehtzu Beginn der Arbeitskreis-Arbeit zunächst maxi-mal zwei Tage pro Arbeitskreis für die nichtfach-liche Betreuung zur Verfügung. Weiterhin kannsie bei Bedarf eingeschaltet werden.

• Die Arbeitskreise erstellen, ausgehend von denausgehändigten Rahmenbedingungen sowiefachlichen Anregungen des Staatsministeriums,einen Themenkatalog mit Zeitplanung und Prio-ritätensetzung. Projektsteuerer Dr. Fritzsche isteinzubinden.

• Über Sitzungen der Arbeitskreise ist kein Ergeb-nisvermerk für Externe zu erstellen. Es bleibt denArbeitskreisen unbenommen, über die Sitzungeninterne Protokolle zu erstellen.

• Die Leiter der Arbeitskreise unterrichten unmittel-bar den Projektsteuerer. Dies gilt vor allem beiFragen von grundsätzlicher Bedeutung sowie beiAbstimmungsbedarf zwischen einzelnen Arbeits-kreisen. Gemeinsame Sitzungen der Arbeitskreis-leiter mit dem Projektsteuerer bzw. einzelnerArbeitskreise finden bei Bedarf statt.

• Die Leiter der Arbeitskreise können einzelneArbeitskreismitglieder sowie mit Zustimmung derjeweiligen Direktion und nach Unterrichtung desProjektsteuerers auch andere Angehörige unsererVerwaltung mit bestimmten Aufgaben der Zu-arbeit betrauen. Entsprechend können sie auchnach o. a. Abstimmung »Experten aus der Verwal-tung« zu einzelnen Sitzungen einladen.

• Die Arbeitskreise legen möglichst bis Jahresende1996 dem Projektsteuerer erste Ergebnisse vor.

• Die Beteiligung anderer Behörden, Organisationenund Verbände, wie z. B. des Bayerischen Bauern-verbandes, des Bayerischen Gemeindetages, derBayerischen Architektenkammer etc., erfolgt aufder Grundlage der Vorschläge der Arbeitskreisezur gegebenen Zeit durch das Staatsministerium;falls sie vorher notwendig werden sollte, bitte ichum Rücksprache mit dem Ministerium.

Berichte zur Ländlichen Entwicklung 73/1997 31

Page 32: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer

Arbeitskreis 1 (AK1)

»Verfahrensablauf —vorgezogene Bodenordnung«

AK-Mitglieder

BD Reinhold Geistmann DLE AnsbachTA Dieter Kohler DLE BambergBOR Harald-Manfred Mohr DLE Krumbach (Schw.)BOR Michael Kreiner DLE LandauTAR Christian Linhart DLE MünchenTAR Josef Braumandl DLE RegensburgTOAR Robert Wolf DLE Würzburg

Arbeitskreis 2 (AK2)

»Technische Verfahrendurchführung«

AK-Mitglieder

TAR Josef Leichs DLE AnsbachBD Horst Küffner DLE BambergTA Otto Mayer DLE Krumbach (Schw.)BR Werner Meier DLE Landau a. d. IsarTHS Konrad Springer DLE MünchenTAI Horst Stephan DLE RegensburgTHS Manfred Wolf DLE WürzburgTAR Helmuth Berger DLE München/BZA

Arbeitskreis 3 (AK3)

»Planungsabläufe und Planungsaufwand«

AK-Mitglieder

TAR Walter Leidenberger DLE AnsbachBD Gerhard Kaiser DLE BambergBD Lutz Riedel DLE Krumbach (Schw.)BOR Eberhard Sterzer DLE Landau a. d. IsarLtd. BD Rudolf Sieghart DLE MünchenBR Kurt Hillinger DLE RegensburgORR Emil Linke DLE Würzburg

Arbeitskreis 4 (AK4)

»Kosteneinsparung, Kontingentierung und Finanz-planung«

AK-Mitglieder

BD Friedr.-Wilh. Brumberg DLE AnsbachTAR Wilhelm Seidl DLE BambergBD Bernd Schölzchen DLE Krumbach (Schw.)BOR Alois Krausenböck DLE Krumbach (Schw.)BOR Roland Spiller DLE Landau a. d. IsarBR Erwin Igerl DLE MünchenBOR Klaus Bergbauer DLE RegensburgAng. Robert Huber DLE RegensburgBOR Horst Büttner DLE Würzburg

Arbeitskreis 5 (AK5)

»Dorferneuerung«

AK-Mitglieder

BD Heinrich Tischner DLE AnsbachAng. Dr. Christiane Schilling DLE BambergBOR Friedrich Bihler DLE Krumbach (Schw.)BD Willibald Parzinger DLE Landau a. d. IsarBOR Leonhard Rill DLE MünchenTA Ludwig Spiller DLE RegensburgBD Ulrich Hepping DLE WürzburgBOR Dr. Otto Hünnerkopf DLE WürzburgBOR Dr. Peter Jahnke DLE München/BZA

Arbeitskreis 6 (AK6)

»Landschaftsplanung«

AK-Mitglieder

BD Dietmar Wagner DLE AnsbachBOR Wolfgang Kießling DLE BambergBOR Ferdinand Bisle DLE Krumbach (Schw.)TAR Franz Meindl DLE Landau a. d. IsarBD Dr. Günther Aulig DLE München/BZABOR Dr. Martin Hundsdorfer DLE RegensburgTAR Armin Schmid DLE RegensburgBOR Robert Bromma DLE WürzburgLD Volker Michel DLE Würzburg

32 Berichte zur Ländlichen Entwicklung 73/1997

Anlage*

* Die von den AK-Mitgliedern gewählten Leiter sind fettgedruckt.

Page 33: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer

I. Historische Entwicklung fränkischer Wein-landschaften

Viele und oft die schönsten KulturlandschaftenSüd- und Mitteleuropas sind von alters her durchden Weinbau geprägt. In den Weinlandschaftennördlich der Alpen waren die Römer und später diechristianisierenden Mönche Bringer der Reben. Letzteres gilt insbesondere für das kleine Weinbau-gebiet Franken im nördlichen Bayern, wo die ersteschriftliche Erwähnung des Weinbaus in einerSchenkungsurkunde des Bistums Fulda aus demJahre 777 datiert.

In dieser fränkischen Region entlang der klimabe-günstigten Flußtäler des Maines und seiner Neben-flüsse hatten die Weinlandschaften ihre Wurzeln in

der kulturschaffenden Arbeit der Klöster. Darüberhinaus ist die Dynamik der Ausbreitung des Wein-baus für die Kulturlandschaft Frankens neben derChristianisierungsbewegung in der durch Zehent undFronarbeit geprägten frühmittelalterlichen Gesell-schaftsverfassung zu sehen. Klöster, Burgen, Schlös-ser, selbständige Dörfer und Städte bildeten seiner-zeit eine kulturelle und volkswirtschaftliche Sym-biose mit den die Arbeiten ausführenden Häckern.Franken war zum Ausgang des Mittelalters vorBeginn des 30jährigen Krieges das größte Weinbau-gebiet im Deutschen Reich und umfaßte damals eineFläche von mehr als 40 000 ha (Abb. 1). Klimaverän-derungen, Kriege, Seuchen, Hungersnöte, geänderteTrinkgewohnheiten, Arbeitskräfteverknappung inVerbindung mit der schweren körperlichen Arbeit imWeinberg führten dann jedoch zu einem rapiden

Berichte zur Ländlichen Entwicklung 73/1997 33

Rolf Richter

Erhaltung der durch den Weinbau geprägten Kulturlandschaft durchMaßnahmen der Landentwicklung nach dem Flurbereinigungsgesetzin Bayern — eine Bilanz *

Abb. 1: Phasen der Weinbauentwicklung in Franken seit 700

* Vortrag beim Internationalen Begrünungssymposium in Kaltern/Südtirol im September 1996

Page 34: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer

Rückgang der Weinbauflächen. Im 19. Jahrhundertwurden in Franken noch ca. 11 000 ha Rebflächenregistriert. 1959 war der Tiefpunkt erreicht. Nur noch2 300 ha bestockte Rebflächen existierten in diesemehemals klassischen deutschen Weinbaugebiet. Diebeiden Weltkriege, Rebkrankheiten wie beispielsweisedie Einschleppung der Reblaus sowie die schwereHandarbeit im Weinberg bei fehlenden Mechanisie-rungsvoraussetzungen waren die letzten Tiefschlägeder Neuzeit gegen dieses uralte Kulturgut »Weinbau«und seiner durch ihn geprägten Kulturlandschaftenin Franken. Heute wird in Franken auf einer Gesamt-fläche von rd. 6 200 ha wieder Weinbau betrieben(Abb. 2). Der Frankenwein dominiert erneut ganzeLandschaften, ernährt etwa 7 000 Winzer, ist für sieund den Fremdenverkehr ein wichtiger Wirtschafts-faktor und prägt das Gesicht zahlreicher Dorfland-schaften.

II. Bewertung der Qualität von Weinlandschaften

Wenn wir die durch den Weinbau geprägten Kulturlandschaften systematisieren wollen, so kanndies u. a. nach zwei unterschiedlichen Merkmalenvorgenommen werden:

Methode des Natur- und Landschaftsschutzes

So ist zunächst denkbar, die Differenzierung nachden wesentlichen Elementen einer Kulturlandschaft,nämlich nach dem Landschaftsbild, nach den Vege-tationsformen und nach der Architektur der Wein-orte vorzunehmen. So hat z. B. das Bayer. Landesamtfür Umweltschutz zwischen 1982 und 1985 eineflächendeckende Kartierung im Maßstab 1 : 5 000für alle noch nicht flurbereinigten WeinberglagenBayerns durchgeführt, um solche Kulturlandschaftenhinsichtlich der Ökologie und des visuellen Wertesder untersuchten Flächen beurteilen zu können.Damals wurden mehr als 340 Lagen kartiert, wovoninsgesamt mehr als 200 Lagen das Prädikat »wert-voll« bzw. »sehr wertvoll« erhielten. In diesen Flächenwaren neben nicht mehr weinbaulich genutztenFlächen 260 ha bewirtschaftete Rebflächen enthal-ten. Als Folge der Kartierung wurden mehrere ökolo-gisch besonders herausragende ehemalige Wein-berglagen unter Naturschutz gestellt. Häufiges Zielvon Unterschutzstellungen war es, seltene undgefährdete Pflanzenarten und deren Lebensräumedurch geeignete Maßnahmen zu erhalten oder derenBiotope zu verbessern. Eine Systematisierung dieserArt hat den Nachteil, daß sie die Arbeit des Winzersund eine zeitgemäße Entwicklung von Weinbergen in

34 Berichte zur Ländlichen Entwicklung 73/1997

Abb. 2: Entwicklung der Rebflächen in Bayern

Page 35: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer

den Hintergrund drängt, da die Landschaftsräumerückschauend, höchstens vielleicht noch nach derStatus-quo-Methode betrachtet werden.

Methode nach der weinbaulichen Nutzung

Gewähren Sie mir im Rahmen dieses Symposiumseine andere Systematisierung, nämlich eine Syste-matisierung nach dem Grad der Intensität der heu-tigen weinbaulichen Nutzung. Danach lassen sichdrei deutlich differenzierte Zustände der vom Wein-bau geprägten Kulturlandschaften abgrenzen:

1. Ehemals weinbaulich genutzte Flächen, heutevielfach brachgefallen und höchstens noch rudi-mentär, meist von Liebhabern oder Hobbywinzernweingärtnerisch auf Restflächen genutzt.

2. Moderne Produktionslandschaften des Weinbaus,abgestellt auf die heutige Arbeitstechnik derWinzer mit zeitgemäßen Rebsortenspiegeln, beigleichzeitiger Lösung der Daseinsvorsorge für dieBewohner in den Weindörfern.

3. Kulturhistorisch hochinteressante, arbeitstech-nisch meist nur noch durch tradierte Nutzungs-formen geprägte Kulturlandschaften des Wein-baus mit hohem denkmalpflegerischen Wert. DieBewirtschaftung dieser Lagen mit zeitgemäßenMethoden ist oft gar nicht, meist nur bedingtmöglich.

III. Ehemalige Weinlandschaften — heute ruderalgeprägt

Die ehemals weinbaulich genutzten Flächen, diezwischenzeitlich brachgefallen sind, nehmen in Fran-ken den größten Flächenanteil ein. Sie betragenzwischen rund 20 000 und 30 000 ha. Die Reliktedes ehemaligen Weinbaus sind allerorts an denSteilhängen der Flußtäler deutlich erkennbar.Vegetationskundlich handelt es sich dabei um die in Bayern seltenen Biotopverbünde der Trocken-rasengesellschaften mit den hierfür typischen, danur hier lebenden Tierformen. Sie stehen in der Regelunter dem Schutz des Bayerischen Naturschutzge-setzes und bedürfen deshalb keiner besonderen Aus-weisung als flächige Naturschutzgebiete. Von beson-derer Bedeutung sind dabei die im Wechsel auftre-tenden Bestände von noch — meist extensiv betrie-benem Weinbau, drieschgefallene Weinbergflächenmit ihren Mager- und Trockenrasenflächen, oft über-standen von dem früher in Franken bedeutendenStreuobst, von verbuschten Flächen, von Wacholder-beständen, bis hin zu lichten und lockeren Hoch-

waldflächen mit Vegetationsvorkommen derKüchenschelle, Knabenkräuter, Graslilien, Karthäuser-nelken, Blutstorchschnabel. Von wesentlicher Bedeu-tung dieses Typs der weinbaulich geprägten Kultur-landschaft sind darüber hinaus, neben den offenenund damit landschaftsprägenden ehemaligen Wein-bergflächen, frühere Attribute der Weinberge, wieHohlwege, Trockenmauem, Lesesteinriegel, Terrassen,aber auch alte Weinberghäuschen, Treppenanlagen,Bildstöcke, Kapellen und Kreuzwege anzutreffen.

Solche Kulturlandschaftsteile stehen heute häufigunter dem Schutz der Natur- und Landschafts-schutzgesetze. Zur Pflege und Erhaltung dieserLandschaftselemente einschließlich der darin einge-streut liegenden Weinberginseln gibt es in Bayernstaatliche Pflege- und Förderprogramme. Diese wer-den auf dem Wege des Vertragsnaturschutzes voll-zogen und kommen nur zur Anwendung in nichtflurbereinigten Lagen. 1994 wurden hierfür 827 Ver-träge auf einer Fläche von rd. 300 ha vereinbart. Indieser Fläche sind allerdings nur 90 ha Rebflächenenthalten. An Leistungen werden hierfür rd. 1,2 Mio.DM jährlich entgolten. Der Staat verlangt vom Win-zer konkret eine extensive Bewirtschaftung. Weiterist eine Düngung nur nach dem Ergebnis vonBodenanalysen zulässig; insektizidwirkende Spritz-mittel sind verboten, erlaubt ist lediglich die Anwen-dung einiger namentlich genannter Fungizide. Fernerwerden die Winzer verpflichtet, im Winter Bodenbe-grünung und im Sommer Bodenabdeckung vorzu-nehmen. Im Rahmen dieser Programme wird auchinnerhalb der Vertragsflächen die Sanierung vonTrockenmauem und Treppenanlagen gefördert. Fürdie nicht mit Reben bestandenen Flächen erstrecktsich die Förderung auf zeitlich fixierte Mahd sowieeine naturschonende Bewirtschaftung des Streu-obstbaues und gezielte Entbuschungsmaßnahmen.Zusammenfassend kann festgestellt werden, daßdiese für die Erhaltung von historischen Kulturland-schaften wichtigen Programme lediglich in der Lagesind, den Status-quo zu erhalten. Sie pflegen imwesentlichen Landschaftsbilder und Biotope in einermeist nachweinbaulichen Nutzungsform. Für denErtragsweinbau kommen sie heute in der Regel nichtin Frage.

IV. Moderne Kulturlandschaften des Weinbaus

Heute wird in Franken wieder auf einer Fläche vonetwa 6 200 ha Weinbau durch rd. 7 000 Winzerbetrieben. Nur wenige renommierte Weinbaubetriebewie z. B. die bekannten Spitäler aus Würzburg oder

Berichte zur Ländlichen Entwicklung 73/1997 35

Page 36: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer

der Staatliche Hofkeller sowie einige größere Selbst-vermarkter bewirtschaften größere Weinbauflächen.Geprägt ist der fränkische Weinbau durch Kleinst-besitz in der Wirtschaftsform des Neben- und Zu-erwerbs sowie der genossenschaftlich organisiertenKellerei und Vermarktungsform.

Für die Erhaltung und Fortentwicklung der durchweinbauliche Nutzung geprägten Kulturlandschaftwar es Aufgabe der Nachkriegsgeneration und wirdes Zukunftsaufgabe der kommenden Generationsein, die gegenüber anderen Weinbauregionenbestehenden örtlichen Struktur- und Marktproblemeständig neu zu lösen.

In den zurückliegenden Jahren war ein wesent-liches Instrument zur Lösung der Strukturproblemein der Außenwirtschaft der Betriebe die Weinberg-flurbereinigung. Seit 1954 in Erlach bei Markthei-denfeld die erste Weinbergflurbereinigung erfolg-reich abgeschlossen wurde, konnten zwischenzeitlichrd. 3 200 ha durch Maßnahmen nach diesem Gesetzneugeordnet werden. Ein nicht unwesentlicher Teilder Differenz zwischen den durch Weinbergflurberei-nigungsmaßnahmen neugeordneten Flächen zurtatsächlich heute bestockten Rebfläche ist in jenenGebieten anzutreffen, in denen zuvor Bodenord-nungsmaßnahmen oder private Flächenzusammen-legungen durchgeführt wurden. Insofern kann fest-gestellt werden, daß die Ausprägung der modernenWeinlandschaften in Franken dominant durch Wein-bergflurbereinigungsmaßnahmen oder als Folge vonFlurbereinigungsmaßnahmen beeinflußt wurde. Ferner können wir heute davon ausgehen, daß dieNeugestaltung der Weinberge durch Flurbereini-gungsmaßnahmen mit geringen Ausnahmen in

Franken abgeschlossen ist. Daher ist es durchausangebracht, eine Bewertung der Gestaltung der Kulturlandschaft durch Maßnahmen nach dem Flur-bereinigungsgesetz heute vorzunehmen. Es lassensich zeitlich drei Phasen unterscheiden:

Die erste Phase datiert zwischen den Jahren 1954bis Ende der 60er Jahre (Abb. 3). Vielfach mußtendamals die Technik der Bodenordnung und die Pla-nung geeigneter baulicher Anlagen erst neu ent-wickelt werden. Aus Kostengründen war oft einesehr enge räumliche Abgrenzung der Umlegungs-flächen erforderlich. Der Einsatz der das Land-schaftsbild besonders beeinflussenden Kräfte derMaschinen war hinsichtlich ihrer Leistungsfähigkeitebenfalls begrenzt. Bodenbewegungen wurden nurim unbedingt erforderlichen Umfang durchgeführt.Insofern wurden die traditionellen Weinlandschaftenauch nur behutsam verändert. Vielfach wurden auchseinerzeit noch Weinbergmauern in Steillagen neugebaut. Die Durchführung der Weinbergflurbereini-gung wurde im Konsens mit weiten Bevölkerungs-kreisen und insbesondere auch im Konsens allerbeteiligten Behörden des Natur- und Landschafts-schutzes durchgeführt, galt es doch das gefährdeteKulturgut »Weinbau« insgesamt in eine neue Zukunftzu führen.

Der staatliche Auftrag, der diesen frühen Verfah-ren zugrundelag, war das »Bayerische Programmzum Wiederaufbau des Weinbaus in Franken und zurBekämpfung der Reblausgefahr«. Der außer derMaßnahme »Flurbereinigung« hierin enthaltene Auf-gabenprogrammteil »Bekämpfung der Reblausge-fahr« in den meist schon brachgefallenen oder mitBuschflächen durchsetzten Weinberglandschaften

36 Berichte zur Ländlichen Entwicklung 73/1997

Abb. 3

Page 37: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer

wird heute vielfach übersehen. Und doch ist dieseAuflage gerade für die Gestaltung der Kulturland-schaft von besonderer Bedeutung. So war es schlichtund einfach aus Gründen der Reblausgefährdungstaatlicher Auftrag, die Wiederaufbauflächen soabzugrenzen, daß alle dazwischenliegenden Flächen,die noch mit wurzelechten Reben bestanden waren,gleichzeitig mit zu roden waren.

Auch bestand seinerzeit zwischen Behörden undWinzern darüber Konsens, daß Einzelbäume zur Vermeidung von Vogeleinfall, oder Baum- undHeckenbestände entlang von Weinbergen aus Grün-den des Frostschutzes und des Schutzes vor Kalt-luftströmen im Zuge der Bodenordnungsmaßnah-men tunlichst zu entfernen waren. Wesentliche Zieleeiner betriebswirtschaftlich orientierten Weinberg-flurbereinigung waren

— die äußere und innere Erschließung der Wein-lagen,

— die Regelung des schadlosen Wasserabflusses,

— die Rückhaltung des Bodenabtrages und vonHochwasser,

— die Sicherung der Weinorte unterhalb der Wein-berge vor ständig sich wiederholenden Über-schwemmungen und Erdrutschen,

— die Sicherung von Verkehrswegen vor Einwirkun-gen aus höher gelegenen Weinbergen.

Ferner waren im Interesse der Privatbetriebe eineVerbesserung der Mechanisierungsvoraussetzungen,das Reduzieren von Unterhaltungskosten bei Wein-bergsmauern, die Auswahl standortgerechter Reb-sorten, Klimaschutzmaßnahmen durch Gelände-bewegungen und Schutzpflanzungen an geeigneterStelle, die Schaffung von gemeinschaftlichen An-

lagen wie Kompostierplätzen, Spritzmittelfüllanlagen,die Ausweisung von Parkplätzen, Markierung vonLehrpfaden und Wanderwegen, der Bau von Unter-stellhütten und von Schutzhäusern Planungsinhalteder Neuordnung.

Eine für Franken ganz wesentliche Maßnahme imInteresse der Einzelbetriebe ist und war die Zusam-menlegung der von der Realteilung geprägtenBesitzstruktur zu möglichst gut geformten, größerenGrundstücken. Einherging mit all diesen Verbesse-rungsmaßnahmen eine umfassende Beratung undVorbereitung der Winzer auf die künftige Bewirt-schaftung. Hierbei spielten die Fragen der Weinberg-begrünung, der Humusanreicherung durch Einbrin-gen von Stroh sowie eine marktorientierte Rebsor-tenwahl eine bedeutende Rolle. Diese betriebswirt-schaftlich erforderlichen Veränderungen haben sichnatürlich auf die Kulturlandschaft ausgewirkt.

Die zweite und Hauptphase der Weinbergflurbe-reinigungen fiel in die Zeit zwischen den 70er bis indie frühen 80er Jahre. Diese Phase ist geprägt durchden Glauben, daß das weinbaulich wünschenswerteauch technisch machbar ist. In dieser Zeit entstan-den großzügige, zusammenhängend geplante Wein-berglandschaften (Abb. 4 a und 4 b). Durch Einsatzder verfügbaren Maschinentechnik konnten ganzeHänge und große Weinberglagen umgestaltet unddamit optimale Bedingungen für die Erschließung,die Wasserführung und den Klimaschutz aber auchfür eine rationelle Arbeit der Winzer ermöglicht wer-den. In einigen Fällen wurde dabei nicht immer aufdie Grenzen einer vertretbaren Umgestaltung geach-tet. So wurden teilweise flache Hangfußlagen, diefrüher dem Streuobstbau aus guten Gründen zuge-ordnet waren, im Rahmen der Spezialisierung derWeinbaubetriebe ebenfalls in die weinbauliche Pro-duktion mit einbezogen. Ähnliches gilt für die Aus-

Berichte zur Ländlichen Entwicklung 73/1997 37

Abb. 4 a Abb. 4 b

Page 38: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer

gestaltung der Hangkanten, die in Einzelfällen ausGründen einer vorteilhafteren Schlaglänge und derAusdehnung des Weinbaus mit in die Produktioneinbezogen wurden. Arbeitszeitverkürzungen vonfrüher 2 000 Stunden/ha in Steillagen auf etwa 500 Stunden/ha und Jahr waren respektable Neu-ordnungsergebnisse.

Die vollständige Erschließung der Weinlagen kannaber auch aus speziellen ökologischen Gründendurchaus ein wichtiger Schritt in die richtigeZukunft sein. Zum einen wurden mit der Weinberg-neuordnung häufig erstmals die arbeitstechnischenVoraussetzungen geschaffen, um die Humusversor-gung in den Weinbergen z. B. durch das Einbringenvon Stroh- oder Rindenmulch überhaupt zu ermög-lichen. Zum anderen wurden die Winzer durchErleichterung der Anfahrtsbedingungen erstmals indie Lage versetzt, Pflanzenschutzmaßnahmen nichtprophylaktisch vornehmen zu müssen, sondern denZeitpunkt abzuwarten, an dem der Einsatz unver-meidbar wird. Dann allerdings konsequent undschnell.

Diese Zeitphase der stark durch die Möglichkeitender Technik geprägten Bodenordnungsverfahren, fielin Franken zusammen mit einer schnellen Ausdeh-nung des Weinbaus und einer guten Nachfrage nachdem Produkt »fränkischer Wein« bei exzellentenPreisen. Die Auswirkungen dieser Flurbereinigungs-maßnahmen auf die Kulturlandschaft sind aus heu-tiger Sicht in einigen Aspekten nicht befriedigend.Die Landschaft wurde in Einzelfällen zu technischund manchmal auch zu monoton umgestaltet, selbstwenn auch solche Landschaftstypen einen besonde-ren Reiz auf den Betrachter ausüben können. Diegroßen technischen Projekte und ihre Auswirkungauf die Kulturlandschaft haben jedenfalls zu hefti-gen Kontroversen zwischen Winzern und Vertreterndes Natur- und Landschaftsschutzes sowie mitUmweltverbänden geführt.

Die damals einsetzende Umweltdiskussion leiteteletztlich zu der dritten Phase der Bodenordnungs-maßnahmen über, in eine Phase der Kompromissezwischen den technisch wünschenswerten Maßnah-men und den im Zuge der Konsensverhandlungdurchsetzbaren Maßnahmen. Diese dritte Phase derGestaltung von Kulturlandschaften durch Verfahrennach dem Flurbereinigungsgesetz in Franken beginntAnfang der 80er Jahre und dauert bis heute an. Siefällt darüber hinaus in eine Zeit des Preisverfalls desWeines, gewisser Überkapazitäten, des Neuanlagen-stops durch EU-Gesetze und einer ha-Höchstmen-genregelung in Deutschland. Parallel zu den durchden Weinmarkt gesetzten Rahmenbedingungen sindein geändertes Umweltbewußtsein in der Gesell-

schaft und insbesondere die scharfen Bedingungender Natur- und Landschaftsschutzgesetzgebung vongroßem Einfluß. Nach deutschem Recht ist der Bauvon Wegerschließungen und Wasserregulierungs-maßnahmen als Eingriff in den Naturhaushalt unddas Landschaftsbild zu bewerten. Sofern solcheMaßnahmen verzichtbar sind, sind sie zu unterlas-sen. Wo sie jedoch nicht vermieden werden können,sind sie durch geeignete Maßnahmen auszugleichen.Gleiches gilt für die Eingriffe in natürliche Beständeund Vegetationsgesellschaften. Der Planung vonzeitgemäßen Weinberganlagen geht deshalb heuteimmer eine detaillierte Landschaftsplanung voraus,in der die natürlichen Bestände erfaßt und bewertetwerden. Die vorgesehenen Maßnahmen werden hin-sichtlich ihrer Auswirkungen auf den Naturhaushaltund das Landschaftsbild bilanziert. Der Ausgleichvon Eingriffen erfolgt in der Regel durch Bereitstel-lung und geeignete Gestaltung von bisher landwirt-schaftlich oder weinbaulich genutzten Flächen sowiedurch Pflegemaßnahmen von anderen für denNaturhaushalt wertvollen Beständen oder durchUnterhaltung historischer Weinberganlagen, dieheute nicht mehr wirtschaftlich genutzt werden. AlsGesamtergebnis entstehen neuerdings stark geglie-derte Weinberglandschaften, die durchsetzt sind vonHecken und Krautstreifen oder naturnah gestalteteLandschaftsbestände am Rande der Weinberge,manchmal auch Vegetationsinseln in Weinbergenunter Erhalt und Sanierung von Elementen frühererWeinbergslandschaften. Die dadurch sehr aufwendigund kostenintensiv gewordenen Maßnahmen prägenfür die Zukunft die neu geschaffenen Kulturland-schaftsteile. Wegen der Höhe der Kosten und derteils offenen Fragen hinsichtlich einer langfristigenErhaltung finden sie nicht immer die Zustimmungdes praktizierenden Winzers. Neben der Senkung derProduktionskosten im Weinbau ist festzuhalten, daßzukünftig mehr Bedeutung auch auf »weiche« Stand-ortvorteile der Weinbauregion Franken gelegt wer-den muß. In Verbindung mit dem Weinbauverbandsehen wir dies insbesondere in einer Förderung desFremdenverkehrs, der Dorferneuerung unserer Win-zerorte und der Schaffung entsprechender Angebotefür den Kurzzeit- und Langzeittouristen. Daß hierbeieine vielfältige und interessant gestaltete Kultur-landschaft ein wesentliches Element darstellt, liegtauf der Hand. Im Vollzug eines langfristig verstande-nen Programms des Weinbauverbandes Frankensversuchen wir deshalb heute unter dem Stichwort»Erlebnislandschaft Weinfranken« all jene Maßnah-men im Rahmen von Flurbereinigungsmaßnahmennoch stärker zu unterstützen, die einem solchenweitgefächerten Neuordnungsauftrag entsprechen.

38 Berichte zur Ländlichen Entwicklung 73/1997

Page 39: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer

V. Denkmalwürdige Weinlandschaften

Das Weinbaugebiet in Franken ist u. a. auchgeprägt durch seine unterschiedliche geologischeEntstehung. Typisch sind neben den vorherrschendengeologischen Formationen des Muschelkalks undKeupers insbesondere die Buntsandsteinformationender Gebirgszüge von Spessart und Odenwald und dieUrgesteinsverwitterungsböden am westlichen Unter-main sowie Lößböden und Sandflächen z. B. in derMainschleife. Jede dieser Bodenarten hat typischeund unverwechselbare Formen der Kulturlandschafthervorgerufen. In Kenntnis der in Jahrhundertendurch die Winzer geschaffenen Weinlandschaftensowie durch ihre geologisch unterschiedlichen Aus-gangssituationen hat das Bayer. Landesamt fürDenkmalpflege sieben für fränkische Weinlandschaf-ten charakteristische Weinbergstypen definiert undin die Denkmalliste aufgenommen. Es handelt sichdabei um besonders markante, stark terrassierte,meist noch weinbaulich genutzte, grundsätzlichjedoch wenig durch technische Neuerungen verän-derte Weinberge, die z. T. exzellente Weine hervor-bringen (Abb. 5). Beispiele hierfür sind

— der durch Verwitterungsböden des Urgesteinsgeprägte Apostelgarten Michelbach,

— die durch ihre Sandsteinterrassen charakte-ristischen Weinbergslagen über Klingenberg,

— die sich über die Länge eines Kilometers hinzie-henden gemauerten Kalksteinwände des Hom-burger Kallmuths und

— der durch fischgrät-ähnliche Trockenmauerzügedes Muschelkalks im östlichsten WeinbaugebietFrankens gelegene Steinbacher Nonnenberg.

Verbunden mit der Pflege dieser für Frankenbedeutenden Kulturlandschaften ist für unsereGeneration — aber sicher auch für künftige Genera-tionen — das Problem zu lösen, wie aktiver Weinbaumit der Erhaltung der durch Weinbau geprägtenKulturdenkmäler in Einklang gebracht werden kann.Der Verfall von hunderten von ähnlich ausgeprägtenWeinlagen lehrt uns, daß ein »laissez faire« nicht dieLösung sein kann. Zwei wesentliche Aufgaben gilt eszu lösen:

Zunächst die äußerst kostenintensiven bautech-nische Erhaltung und Konservierung der historischenWege, Mauern und Entwässerungsanlagen (Abb. 6).

Berichte zur Ländlichen Entwicklung 73/1997 39

Abb. 5 Abb. 6

Page 40: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer

Und zweitens die Verbesserung der Arbeitsvorausset-zungen derart, daß moderne Menschen willens sind,sich der mühevollen, oft schwersten Handarbeit imWeinberg bei oft geringen Erträgen zu unterziehen.Hinzu kommt darüber hinaus als drittes Problem,daß in einigen der angesprochenen Weinlagenwegen fehlender zeitgemäßer Bewirtschaftungsvor-aussetzungen in den Weinbergen das Wissen umeine zeitgemäße Weinbautechnik auch im Kellernicht mehr ausreichend gegeben ist.

Die Verantwortlichen für den Erhalt dieser Wein-lagen stehen vor kaum zu lösenden Problemen. Ins-besondere führt die Lösung der zuvor genanntenunterschiedlichen Ausgangssituationen meist zunicht spannungsfrei zu vereinbarenden Gestaltungs-maßnahmen. Ohne Kompromißbereitschaft läßt sichdeshalb keine Lösung finden. Der fortschreitendeVerfall der Anlagen verlangt jedoch baldige Lösun-gen. Bei den vom Denkmalschutz ausgewähltenFlächen handelt es sich um den prozentual ver-gleichbar kleinsten Anteil der durch Weinbaugeprägten Kulturlandschaft. Es ist deshalb — aberauch wegen der symbolträchtigen Bedeutung dieserWeinlagen für den Erhalt der fränkischen Kultur-landschaft — auch im Interesse von Tourismus undMarketing erforderlich, die entsprechenden Mittelbereitzustellen.

Die Verwaltung für Ländliche Entwicklung ist sichdieser Verantwortung bewußt. Sie führt in Abstim-mung mit den Verantwortlichen der Winzer, denBehörden des Landschafts- und Naturschutzes sowiedem Landesamt für Denkmalpflege in vier der demDenkmalschutz zugeordneten Lagen Neuordnungs-verfahren nach dem Flurbereinigungsgesetz durch.Die hierbei zu erzielenden arbeitswirtschaftlichenVorteile für die Winzer müssen wegen der überge-ordneten denkmalpflegerischen Belange wesentlichgeringer ausfallen als in herkömmlichen Weinberg-lagen. Die entstehenden Kosten sind wegen derhohen Ausgaben für die Sanierung der alten Anlagentrotz der nur bedingt verbesserten Mechanisierbar-keit um ein vielfaches höher als bei üblichen Neu-ordnungsmaßnahmen. Der finanzielle Aufwand fürsolche Projekte ist nur zu vertreten, wenn

— es um denkmalpflegerisch besonders wertvolleAnlagen geht,

— einige nur wenige, exemplarische Maßnahmen für andere bereits verloren gegangene Wein-bergstypen erforderlich sind,

— konzentrierte Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmenmöglich sind,

— dafür ersatzweise andere Lagen von betriebswirt-schaftlich nicht zumutbaren Auflagen und Bedin-gungen freigestellt werden,

— es sich um Weinberge im Eigentum von Winzernhandelt, die dafür Gewähr bieten, daß der Wein-bau in diesen Lagen auch in Zukunft fortgesetztwird.

Für fränkische Verhältnisse sind bei den Be-mühungen um die Erhaltung der denkmalgeschütz-ten Kulturlandschaften folgende Maßnahmen erfor-derlich:

— Förderung der äußeren Erschließung der Wein-berge durch geeignete Wegebaumaßnahmen;

— Förderung der inneren Erschließung der Wein-berge durch Verbesserung der vorhandenenWegenetze und durch Neuschaffung von Trans-porthilfen, wie z B. durch Monorackbahnen;

— Förderung von Mauerbauten in der an alte Mau-erbautechniken angepaßten Bauweisen;

— Verbesserung der Wasserführungsanlagen inhistorische Ausprägungen;

— begrenzte Umwandlung von drieschen Wein-bergsflächen und überalterten Beständen in jungestandortgerechte Rebanlagen, um damit stabileBestände zu begründen, die auch von der näch-sten Winzergeneration angenommen werdenkönnen;

— Schaffung von Ausgleichsmaßnahmen für denNatur- und Landschaftsschutz zur Belebung derWeinberglandschaften;

— Förderungsmöglichkeiten unterschiedlicher Ein-zelmaßnahmen zur Verbesserung der Informationdes Bürgers über die Eigenart der Kulturland-schaften Frankens, deren Entstehung und dieSchwierigkeit der Erhaltung entsprechender An-lagen in der heutigen Zeit.

Entscheidend für den Erfolg dieser Arbeiten ist es,die Mitwirkung und Überzeugung der Winzer undder betroffenen Gemeinden zu gewinnen. In einigenFällen ist es zunächst erforderlich, benachbarte nichtdenkmalgeschützte Weinberge durch geeigneteMaßnahmen, wie Wegebau und andere Verbesserun-gen zuvor neu zu gestalten, um die betriebswirt-schaftliche Voraussetzungen dafür zu schaffen, daßauch unwirtschaftliche Teilflächen der gleichenBetriebe von den Winzern angenommen werden. Dabisher die Denkmalpflege für die Erhaltung der

40 Berichte zur Ländlichen Entwicklung 73/1997

Page 41: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer

angesprochenen Anlagen keine Mittel bereitgestellthat, wurden entsprechende Maßnahmen durchbayerische Mittel zur Erhaltung der Kulturlandschaftund des Bund-Länder-Programms zur Verbesserungder Agrarstruktur aus Mitteln der Ländlichen Ent-wicklung, bereit- oder in Aussicht gestellt.

Die Förderung von Maßnahmen in denkmalge-schützten Lagen ist dabei vom Grundsatz her so kal-kuliert, daß die Mehrkosten gegenüber wirtschaftli-chen Anlagen durch öffentliche Mittel aufgebrachtwerden, für gemeinschaftliche Anlagen wie z. B.Wegebau wurden die durch die Förderungsrichtlinieneingeräumten Höchstsätze ausgenutzt. Für verblei-bende Restbeträge konnten in der Regel die Gemein-den zur Mitfinanzierung gewonnen werden.

Vl. Ausblick

Die Kulturlandschaft in Franken hat sich im Laufeder Jahrhunderte stets den Erfordernissen derBewirtschaftung angepaßt. Eine Erhaltung der Land-schaft ist insofern auch an die Entwicklung desMarktes gebunden. Die moderne Industriegesell-schaft wird sich vielleicht einige wenige musealeWeinbergsflächen leisten können. Sie wird jedoch dieKulturlandschaft nur dann langfristig erhalten kön-nen, wenn dies im Einklang mit den Interessen derwirtschaftenden Weinbauern erfolgt. Hierzu ist auchin Zukunft eine Fortentwicklung der Kulturland-schaft notwendig. Der Wunsch, historische Land-schaftstypen auch in Zukunft zu erhalten, ist miteinem großen Aufwand an Arbeit, an Liebe zumWeinbau und letztlich auch an seinen wirtschaft-lichen Erfolg gebunden. Wir werden die durch Wein-bau geprägten Kulturlandschaften nur dann lang-fristig erhalten können, wenn wir den dort wirt-schaftenden Menschen zeitgemäße Bewirtschaf-tungsmöglichkeiten einräumen. Daß dies heute differenzierter gesehen werden muß, als noch vor 20 Jahren, ist aufgrund anderer Rahmenbedingun-gen selbstverständlich. Daß vergleichbare Arbeitenauch in Zukunft durchgeführt und sich dabei dieLandschaftsbilder weiter wandeln werden, ist fürmich ohne Zweifel.

Literaturverzeichnis

Breuer T., 1983 Denkmale des Weinbaues in Bayern,Bayer. Landesamt für Denkmalpflege,Denkmalpflegeinformationen Nr. 42,München

Ehrlicher H., 1996 Alte Weinberge — Kleinode der Natur,Umweltschutz im RegierungsbezirkUnterfrankenHeinz- Dieter Petzold Verlag, Sankt-Augustin

Herold A., 1984 Die Rebflurbereinigung in Thüngers-heim,Franken-Planung für eine bessereZukunft, Hans Car Verlag, Nürnberg

Leicht H., 1985 Geschichtlicher und geographischerÜberblick über den Weinbau in Fran-ken, Schriftenreihe des Bayer. Landes-amtes für Denkmalpflege, Denkmal-pflegeinformationen Nr. 42, München

Richter R., 1985 30 Jahre Weinbergflurbereinigung inFranken, Bocksbeutelkunde Nr. 70,Würzburg

Richter R., 1989 Landschaftsgestaltung und Weinbauim Wandel, Rebe und Wein Nr. 3,Weinsberg

Schenk W., 1992 Viticulture in Franconia along theRiver Main — Human and natural influences since AD 700Journal of Wine Research

Worschech R. / Weinland Franken, Echter Verlag,Weisensee B., 1985 Würzburg

Berichte zur Ländlichen Entwicklung 73/1997 41

Page 42: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer
Page 43: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer

Bei Verbänden, die sich mit völkerübergreifenderJugendarbeit befassen, stehen »Outdoor«-Aktivitätenbesonders hoch im Kurs. Arbeiten in Natur undLandschaft, möglichst noch mit Elementen aus Naturund Landschaft, sprechen die Jugendlichen an wiekaum andere Betätigungen und stellen somit eineideale Plattform für die Verbände dar. Arbeiten dieserArt fallen sowohl bei der Dorferneuerung als auchbei den Neuordnungsverfahren in der Flur mannig-fach an. Insofern ist es nicht verwunderlich, daß esseit längerer Zeit eine Zusammenarbeit zwischen derVerwaltung für Ländliche Entwicklung und Jugend-verbänden gibt.

Workcamps der Internationalen Jugendgemein-schaftsdienste (IJGD)

In den letzten Jahren hat sich die Zusammen-arbeit vor allem auf die IJGD, einen gemeinnützigenVerein und Träger internationaler Jugendarbeit kon-zentriert. Im Mittelpunkt der IJGD-Aktivitäten stehtdie Ausrichtung von jährlich etwa 120 Workcampsund Jugendwochen. Die Internationalität der Veran-staltungen wird durch die Kontakte der IJGD zu über30 Workcamp-Organisationen anderer Ländergewährleistet: Die Programme werden gegenseitigausgetauscht und das deutsche Veranstaltungsan-gebot somit weltweit bekanntgemacht.

In einem Workcamp treffen sich junge Menschenaus verschiedenen Ländern und Kulturkreisen inGruppen von 10—20 Personen; sie verbringen zweibis vier Wochen zusammen, um an einem gemein-nützigen Projekt mitzuarbeiten, um voneinander zulernen aber auch um Spaß zu haben. Die Teilnehmerbringen ihre Arbeitskraft ein; sie erhalten dafür zwarkeinen Lohn aber freie Unterkunft und Verpflegung.Die Gruppen nehmen für sich in Anspruch, so orga-nisiert zu sein, daß sie ihren Campalltag — insbeson-dere also Verpflegung und Freizeitaktivitäten —selbstverantwortlich übernehmen; dieser gemein-same Alltag trägt vielleicht noch mehr als diegemeinsame Arbeit dazu bei, die kulturellen Unter-schiede bewußt zu machen.

Gemeinde und Bürger — unverzichtbare Partnerfür die Workcamps

Bei allem Anspruch auf Selbständigkeit derJugendlichen blieben Workcamps ohne die Mitarbeit

interessierter Bürger Stückwerk oder kämen ohnedas Engagement aufgeschlossener Gemeinden garnicht erst zustande. Insofern werden zusätzliche Leistungen von der Gemeinde (z. B. bei der Freizeit-gestaltung) und Angebote der Ortsbewohner (z. B.zur Integration in das soziale und gesellschaftlicheLeben) von den Jugendlichen dankbar angenommen.

Nomineller Vertragspartner für die IJGD ist die fürdas Projekt der Ländlichen Entwicklung zuständigeTeilnehmergemeinschaft. Diese stellt in erster Liniedie Arbeit und die benötigten Finanzmittel bereit;aber bereits wenn es um Fragen von Unterkunft undVerpflegung geht, ist die Vor-Ort-Kenntnis derGemeinde sehr hilfreich. Daneben ist die Gemeinde— vor allem bei Dorferneuerungsprojekten — auchfinanzieller Partner der Teilnehmergemeinschaft unddeshalb ohnehin »mit im Boot«. Was die Teilnehmer-gemeinschaft als finanzieller Träger des Projekts zurLändlichen Entwicklung aber auch des Workcampsanbelangt, so ist sie gehalten, solche Arbeiten auszu-wählen, deren Erledigung durch die Jugendlichennicht mehr kostet als die Erledigung auf andereWeise. Diese Einschränkung besteht, wenngleich esviele Bezugsfälle gibt, die belegen, daß ein Work-camp unter Einbeziehung der örtlichen Bevölkerungauch einen ansehnlichen Beitrag zur Ländlichen Ent-wicklung leisten kann (s. nachfolgenden Beitrag Hil-linger).

Aktivitäten 1996 und Ausblick

Im Jahr 1996 nahmen mehr als 1 500 deutscheund ausländische Jugendliche an den IJGD-Work-camps teil. Auf Initiative der Bayerischen Verwaltungfür Ländliche Entwicklung hatten sich fünf örtlicheTeilnehmergemeinschaften und die dazugehörigenGemeinden mit insgesamt sechs Workcamps betei-ligt. Die Projekte waren in

— Ebelsbach, Lkr. Haßberge , Direktion für LändlicheEntwicklung Würzburg (Oster- und Sommer-ferien)

— Haidenaab, Lkr. Bayreuth, Direktion für LändlicheEntwicklung Bamberg (Sommerferien)

— Johannesberg, Lkr. Aschaffenburg, Direktion fürLändliche Entwicklung Würzburg (Sommerferien)

— Lauterhofen, Lkr. Neumarkt i. d. OPf., Direktion fürLändliche Entwicklung Regensburg (Sommer-ferien)

Berichte zur Ländlichen Entwicklung 73/1997 43

Michael Stumpf

Internationale Jugendgemeinschaftsdienste (IJGD) in der Ländlichen Entwicklung

Page 44: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer

— Nesselwang, Lkr. Ostallgäu, Direktion für Länd-liche Entwicklung Krumbach (Sommerferien).

Die Arbeiten waren weitaus überwiegend demBereich der Landschaftspflege zuzuordnen. Da selbstbeim einzelnen Workcamp auf Abwechslung Wertgelegt wurde, ergab sich über alle sechs Veranstal-tungen hinweg ein sehr vielfältiges Spektrum anTätigkeiten (s. Pressespiegel). Allgemein ist anzumer-ken, daß die Workcamps von der lokalen und regio-nalen Presse sehr interessiert und aufgeschlossenverfolgt wurden. Zahlreiche positive Berichte belegendies.

Die Aussichten, Workcamps im Zusammenhangmit Projekten der Ländlichen Entwicklung durchzu-führen, wird nicht unbeeinflußt bleiben von denstaatlichen Einsparbemühungen im allgemeinen undder Konzentration der Verwaltung für Ländliche Ent-wicklung auf Aufgabenschwerpunkte im besonderen.Bereits jetzt haben die mit der Betreuung der Work-camps befaßten Beschäftigten ein anerkennenswer-tes Maß an Freizeit für diese Aufgabe investiert. Esist zu hoffen, daß auch unter sich ändernden Bedin-gungen eine angemessene Förderung dieser Aufgabemöglich sein wird.

44 Berichte zur Ländlichen Entwicklung 73/1997

Page 45: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer

Berichte zur Ländlichen Entwicklung 73/1997 45

S p i e g e l

r e s s ePP

Page 46: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer

Berichte zur Ländlichen Entwicklung 73/199746

Page 47: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer

Berichte zur Ländlichen Entwicklung 73/1997 47

Page 48: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer

Berichte zur Ländlichen Entwicklung 73/199748

Page 49: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer

1. Ausgangssituation

Der Markt Lauterhofen liegt im nördlichen Land-kreis Neumarkt in der reizvollen Hügellandschaft desOberpfälzer Jura. Lauterhofen ist 776 erstmalsurkundlich erwähnt und damit der älteste Ort derOberpfalz. Während die Ortsteile der Gemeinde über-wiegend landwirtschaftlich ausgerichtet sind, wirdder Hauptort mit rund 1 700 Einwohnern geprägtdurch große Industriebetriebe, einen starken Sied-lungsdruck aus den nahe gelegenen Städten Neu-markt und Nürnberg und den Karlshof, eine Einrich-tung der Regens-Wagner-Stiftung. Der Karlshof, dasehemalige Lauterhofener Schloß, etwas abgesetzt amwestlichen Ortsrand gelegen, blickt auf eine wech-selvolle Geschichte zurück. Es diente unter anderemals Sanatorium, Lungenheilstätte und Flüchtlings-lager. Nach dem Zweiten Weltkrieg erwarb es dieRegens-Wagner-Stiftung Dillingen und richtete dortein Alten- und Behindertenwohnstift ein.

In vier Ortsteilen von Lauterhofen hatte 1980 dieDirektion für Ländliche Entwicklung RegensburgNeuordnungsverfahren eingeleitet, die sechs Jahrespäter um Dorferneuerungen erweitert wurden. ImJahr 1991, der Dorferneuerungsplan lag bereits vor,habe ich das Verfahren Lauterhofen als Vorsitzenderübernommen. Damals waren schon erste infrastruk-turelle Maßnahmen rund um den Karlshof ausge-führt, eine Einbindung der Bewohner des Karlshofesin der Dorferneuerung hatte bislang aber nicht statt-gefunden.

Die Bestandsaufnahme im Rahmen der Dorfer-neuerung hatte neben Defiziten bei der Durch-grünung des Ortes und der Notwendigkeit einer Verbesserung der Gewässerökologie der Lauteracheine schlechte Integration der Behinderten aus demKarlshof in die Dorfgemeinschaft aufgezeigt.

Die rund 200 körperlich und geistig behindertenMenschen aus dem Karlshof, die ganz allgemeinunzureichend in das Ortsleben integriert waren,orientierten sich, auch aufgrund mangelnder behin-dertengerechter Infrastruktur im Ort, vorwiegend indie Landschaft westlich des Karlshofes, kaum aber inden Ortskern.

Diese Situation nahm ich zum Anlaß, die in derDorferneuerung geplanten Maßnahmen mit derLeiterin des Karlshofes, Schwester Hildegard, auf dieNutzungsansprüche der Behinderten »abzuklopfen«und zu überlegen, wie die Behinderten — mit Hilfeder Dorferneuerung — künftig besser in das Orts-leben eingebunden werden könnten. Ergebnis derUnterredung, an der auch Bürgermeister HelmutNeumann teilnahm, war, daß alle bis dato neugestal-teten Straßen und Plätze und der neue Rathaus-zugang behindertengerecht ausgeführt wurden unduns Schwester Hildegard darüberhinaus eine rund 2 ha große innerorts gelegene Wiese zur Anlageeiner Begegnungsstätte Behinderter und Nicht-behinderter anbot.

Dieses Grundstück, ein als verbindendes Elementzwischen dem Ort und dem Karlshof gelegenerGrüngürtel, der vom Flüßchen Lauterach und demMühlbach eingerahmt wird, schuf die Möglichkeiteinen integrativen behindertengerechten Spielparkzu errichten. Auch die Renaturierung der Lauterach,die Öffnung des einmündenden, auf rund 100 m ver-rohrten Mühlbaches und die Neuanlage eines Land-schaftsteiches, der im 19. Jahrhundert noch existierthatte, konnten hier in einer Maßnahme zusammen-gefaßt werden.

Der Landschaftsarchitekt Richard Weidmüllererhielt den Auftrag, eine Planung für die sog. »Freizeitanlage« und die Gewässerrenaturierung zuerarbeiten. Diese wurde 1994 mit den Bürgern desOrtes, der Gemeinde und der Regens-Wagner-Stiftung abgestimmt. lm folgenden Jahr wurden die wasserbaulichen Arbeiten ausgeführt.

2. Workcamp

Das Angebot der Internationalen Jugendgemein-schaftsdienste in Bonn, im Sommer 1996 Work-camps mit verschiedenen Zielrichtungen, daruntereben auch soziale Projekte durchführen zu wollen,fiel genau in den Zeitraum, als wir uns überlegten,wie wir der Zielsetzung der Freizeitanlage, dort ver-schiedene Gruppen zusammenzuführen, bereits beider Umsetzung Rechnung tragen könnten undanhand eines Workcamps die Lauterhofener zu sensibilisieren und auf unser Ziel hinzuführen.

Berichte zur Ländlichen Entwicklung 73/1997 49

Kurt Hillinger

Maßnahmen zur Integration Behinderter im Rahmeneines IJGD-Workcamps in der Dorferneuerung Lauterhofen

Page 50: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer

Wir nahmen Kontakt mit der für Bayern zustän-digen Projektreferentin Dörte Feddersen in Bonn auf.Nach einer Besichtigung der Situation vor Ort undVorgesprächen mit der Teilnehmergemeinschaft, derGemeinde und der Regens-Wagner-Stiftung standdem Workcamp nichts mehr im Wege.

Auf die gemeinsam verfasste Ausschreibung imIJGD-Katalog 1996 (S. 48), von der wir uns besten-falls 15 Meldungen erhofften, meldeten sich 19 Teil-nehmer aus Bulgarien, Deutschland, Frankreich,Polen, Spanien, Tschechien und Weißrußland die alleauch tatsächlich anreisten.

Im Vorfeld des Workcamps bekam jeder Haushalteinen Informationsbrief an die Hand, in dem nebenInformationen zur Geschichte des Karlshofes dasProjekt selbst dargestellt war und der IJGD und ihreZielsetzungen vorgestellt wurden. Damit waren alleLauterhofener auf die bevorstehende Anwesenheitausländischer junger Menschen vorbereitet. Durchdie intensive Berichterstattung in den Printmedienvor und während des Workcamps war jeder, der sichdafür interessierte, auf dem Laufenden.

In den vierzehn Tagen vor der Anreise waren vieleorganisatorische Dinge zu regeln, so waren dieJugendlichen unter anderem gegen Arbeitsunfälle zuversichern, Feldbetten und Arbeitsgeräte zu besorgenund Ansprechpartner auf Seiten der Gemeinde, derHauptschule und der Regens-Wagner-Stiftung zubestimmen.

Schulleiter Direktor Moser stellte den 19 ange-reisten Jugendlichen im Alter zwischen 18 bis 26 Jahren in der Hauptschule einen abgeschlossenenFlügel mit Schlafsaal, Aufenthaltsräumen, Küche undDuschen zur Verfügung. Die Gemeinde besorgtejedem Teilnehmer ein Fahrrad für Ausflüge in dienähere Umgebung. Regens-Wagner-Stiftung undGemeinde stellten darüberhinaus je einen Kleinbusfür Versorgungs- und Vergnügungsfahrten zur Ver-fügung. Betreuung und Hilfe fanden die jungenLeute jederzeit bei Schuldirektor Moser, zweiGemeinderäten und Schwester Hildegard. Im Karls-hof konnte die Jugendgruppe mittags mit denBehinderten essen, die übrigen Mahlzeiten bereitetensie selbst zu. Für die Verpflegung, das Kochen undSauberhalten der Unterkunft waren im Wechseljeden Tag zwei aus der Gruppe verantwortlich.

Die Jugendlichen sollten im Rahmen ihres Arbeits-einsatzes die Fußwege mit den Treppenanlagenerrichten, den Spielbereich anlegen und die Geräteaufbauen. Es waren Pflasterarbeiten auszuführen,Sitzbänke aufzustellen, Rodungs- und Pflanzarbeiten

sowie die Sanierung einer Quelle durchzuführen undein Behindertenparcour mit Rollstuhlwippe anzu-legen.

Die Jugendgruppe, die gemeinsam mit Behinder-ten aus dem Karlshof und Schülern der 9. KlasseHauptschule arbeitete, wurde von einem Bauwartund einem Landschaftstechniker des Verbandes fürLändliche Entwicklung Regensburg fachlich betreut.Drei bis fünf Lauterhofener, zumeist Landwirteunterstützten die beiden Bauwarte dabei.

Die Jugendgruppe erbrachte die vereinbarten 25Wochenarbeitsstunden auf vier Tage verteilt, sodaßihnen ein verlängertes Wochenende für Ausflügeund gemeinsame Unternehmungen mit Lauterhofe-ner Jugendlichen zur Verfügung stand. Das Arbeits-pensum konnte mit Ausnahme der Quellsanierung,die aufgrund des schlechten Wetters verschobenwerden mußte, zum Abschluß gebracht werden.Neben anfänglichen Koordinationsproblemen — wastut man mit 17 Jugendlichen, 15 Schülern und 5Behinderten gleichzeitig auf der Baustelle? — undeinigen Schwielen an den Händen in der erstenWoche gab es keine nennenswerten Probleme. DieArbeiten wurden mit viel Engagement und zu unseraller Erstaunen fachgerecht und sehr sorgfältiggemacht. Wir hatten bei der Qualität der auszu-führenden Arbeiten mit Abstrichen und gegebenen-falls Nacharbeiten gerechnet, weil wir annehmenmußten, daß einige der Jugendlichen den Umgangmit Werkzeugen und handwerklichen Arbeiten nichtgewohnt sein würden.

Die Hauptzielsetzung, die sich die InternationalenJugendgemeinschaftsdienste selbst »aufs Banner'geschrieben haben, der »Abbau von Feindbildern undAufbau internationaler Kontakte«, kam bei all derArbeit aber nicht zu kurz. So konnten die Jugend-lichen mit Unterstützung der Veranstalter die StädteRegensburg, München und Nürnberg und mehrereVeranstaltungen besuchen. Die Berührungsängstewaren kleiner als gedacht, denn nach einer Wochewar die Gruppe in Lauterhofen schon in die traditio-nellen Feste im Ort integriert und fast täglich wur-den die Jugendlichen zu Grillabenden und Privat-feiern eingeladen. Im Rückblick scheint mir das Rah-menprogramm erheblich anstrengender gewesen zusein als das Arbeitsprogramm!

Zum Abschluß ihres dreiwöchigen Aufenthaltsbedankten sich die Workcampteilnehmer bei denLauterhofenern und allen, die ihren Aufenthaltermöglicht hatten, mit einem Grillfest. Der Abschiedam Abreisetag fiel vielen schwer, weil sich in dendrei Wochen einige Freundschaften entwickelt hat-

50 Berichte zur Ländlichen Entwicklung 73/1997

Page 51: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer

ten, die sicherlich zu einem Wiedersehen in Lauter-hofen oder anderswo in Europa führen werden.Mehrere Lauterhofener Jugendliche planen bereitsfür Sommer 1997 einen Besuch in Minsk, wo zweider Workcamplerinnen leben.

3. Kosten

Die Kosten für die Herstellung des Spielparks(ohne den Wasserbau) waren vom Landschaftsplanerunter der Annahme einer Ausschreibung und Verga-be der Gesamtleistung mit 234 TDM berechnet wor-den. Aufgrund der guten Erfahrungen mit Eigenlei-stungsarbeiten in der Dorferneuerung Lauterhofenund zur Reduzierung der geschätzten Ausbaukostenentschlossen wir uns, die Anlage in Eigenleistung zuerrichten (absehbare Ersparnis ca. 80 TDM).

Ein nach Abschluß der Bauarbeiten interessehal-ber durchgeführter Kostenvergleich ergab, daß dieAusführung in Kombination von Eigenleistung undWorkcamp, für das die Teilnehmergemeinschaft proPerson 480 DM an die IJGD zu zahlen hatte, tatsäch-lich zu einer weiteren Kostenersparnis geführt hat.

Die Maßnahme hat in der SchlußabrechnungKosten von 142 TDM verursacht; berücksichtigt mandie der Gemeinde zusätzlich entstandenen Kosten inHöhe von rund 2 TDM, so ergibt sich eine Summevon 144 TDM für die Freizeitanlage ohne den Was-serbau.

Die Jugendlichen haben in den drei Wocheninsgesamt 1275 Stunden für einen umgerechtenStundensatz von 7,15 DM gearbeitet — eine Mann-stunde im Eigenleistungsbetrieb kostet im Vergleich15,— DM. Die Arbeitsleistung der Jugendlichen istnach Aussage beider Bauwarte etwa mit 2/3 der einesüblicherweise im Eigenleistungsbetrieb eingesetztenLandwirtes anzusetzen. Damit arbeiteten die »Work-campler« in Lauterhofen um rund 3 600,— DM billiger als Eigenleister.

4. Einweihung der Anlage

Die Anlage wurde gleich nach ihrer Fertigstellunggut angenommen und zieht an den Wochenendenneugierige Besucher aus der näheren Region an. Mitder Anlage dieses Freizeitparks war aber in ersterLinie der Wunsch der Integration der Bewohner desKarlshofes und der übrigen Einwohner von Lauter-hofen verbunden. Deshalb war es Schwester Hilde-gard ein besonderes Anliegen, die Anlage mit einemgemeinsamen Fest Behinderter und Nichtbehinderter

einzuweihen und sie unter den Segen eines extradafür sanierten ehemaligen Friedhofskreuzes zustellen.

Am 29. September 1996 fand auf Einladung vonRegens-Wagner-Stiftung, Gemeinde und Teil-nehmergemeinschaft die Einweihung der Anlagestatt. Sie begann mit einem Gottesdienst, den dieLauterhofener und Behinderte aus dem Karlshofgemeinsam gestalteten.

Anschließend zogen die Festgäste unter Beglei-tung der örtlichen Musikkapelle zur Freizeianlage, woPfarrer Penkalla das Kreuz segnete und die Anlageweihte. Im Beisein hoher geistlicher Würdenträger,verschiedener Landtags- und Bundestagsabgeord-neter hielt, nach Grußworten des Monsignore Frießvon der Regens-Wagner-Stiftung, des Bürgermei-sters Neumann und des Gebietsabteilungsleiters Bullinger von der Direktion für Ländliche Entwick-lung, der designierte Landrat Albert Löhner die Fest-ansprache.

Nachmittags boten die Bewohner des Karlshofesden Kindem Kutschfahrten, eine Hüpfburg und ver-schiedene Spiele in der Freizeitanlage an. Erwach-sene konnten an Hubschrauberrundflügen teil-nehmen.

Mit der symbolischen Pflanzung von drei Bäumendurch Gemeinde, Regens-Wagner-Stiftung und Teil-nehmergemeinschaft und der Preisverleihung zumFotowettbewerb mit dem Motto »Leben am Bach«,der im Vorfeld der Einweihung ausgeschriebenwurde, fand das offizielle Programm seinenAbschluß.

Als Ausblick bleibt zu nennen, daß die Haupt-schule die Patenschaft für die renaturierten Bächeübernehmen will und Schuldirektor Moser aufgrundseiner guten Erfahrungen mit der Jugendgruppe derIJGD einen jährlichen Schüleraustausch mit einerungarischen Schule ins Leben rufen wird.

Mein Fazit des Workcamps: Für ein aufgeschlosse-nes Miteinander — sind es nun »Fremde«, Einhei-mische oder Behinderte — braucht es oft nur kleineAnstöße und wenn, als positiver Nebeneffekt, dieaktive Bürgerbeteiligung neuen Schwung erlangt, sohaben sich die viele Vorarbeit und der Einsatz aufalle Fälle gelohnt.

Berichte zur Ländlichen Entwicklung 73/1997 51

Page 52: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer
Page 53: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer

Ein würdiger Abschluß in wunderschönem fest-lichen Rahmen — dieses Kompliment erhielt der Freistaat Bayern von den Vertretern der Euro-päischen Arbeitsgemeinschaft Landentwicklung undDorferneuerung (ARGE) und Gästen aus ganz Europafür die Festveranstaltung zur Verleihung des Euro-päischen Dorferneuerungspreises 1996 am6. Dezember 1996 im Cuvilliés-Theater der MünchnerResidenz. Im Ambiente des schönsten Rokoko-Thea-ters der Welt ging dort im wahrsten Sinne des Wor-tes die Auszeichnung der Sieger des 4. EuropäischenDorferneuerungswettbewerbes über die Bühne (ersteDrehbühne Europas, 1896). Von Nordschweden bisItalien und von Luxemburg bis Ostungarn nahmen —zahlreich wie nie zuvor — insgesamt 26 Gemeindenaus 17 Mitgliedsländern und -regionen der ARGE andiesem Wettbewerb unter dem Motto »UmfassendeDorferneuerung« teil. Als Sieger des Wettbewerbsging die luxemburgische Gemeinde Beckerich hervor;der bayerische Vertreter, die Gemeinde Irsee im Land-kreis Ostallgäu, erhielt einen Sonderpreis.

Staatsminister Reinhold Bocklet würdigte in seinerFestrede vor 500 Gästen die großen Erfolge der 1989gemeinsam von Österreich und Bayern gegründetenEuropäischen ARGE Landentwicklung und Dorfer-neuerung. Er stellte die Dorferneuerung als einewichtige Schwerpunktaufgabe der bayerischenAgrar- und Landespolitik heraus und bezeichnete sieals unentbehrlich für die Entwicklung der ländlichen

Räume im Freistaat. Der große Erfolg der Dorf-erneuerung in Bayern liege — so Bocklet — darin,daß die Bürger dabei voll in die Planungen und Entscheidungen eingebunden sind und sich so mitden Maßnahmen zur Gestaltung ihres heimatlichenLebensraums identifizieren. »Das Dorf ist der wich-tigste Ansatzpunkt für eine zukunftsorientierte undmenschliche Entwicklung des ländlichen Raumes«,sagte Minister Bocklet wörtlich. Dabei sei eine ganzheitliche Betrachtung erforderlich, die von derVerbesserung der Agrar- und Infrastruktur bis hinzum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen reiche. Auch müsse regionale Entwicklungspolitikden ländlichen Raum in seiner Gesamtheit sehen.Dorf und Kulturlandschaft dürften nicht nur als Produktionsstandorte, sondern müßten in ersterLinie als Lebensraum für seine Bewohner gestaltetwerden. Integrierte Ländliche Entwicklung brauchedazu die umfassende Kooperation aller Beteiligten.Wichtigstes Ziel dabei bleibe die Existenzsicherungder bäuerlichen Familienbetriebe. Auch die Euro-päische Strukturpolitik setze inzwischen auf die integrierte ländliche Strukturpolitik für eine nach-haltige Landentwicklung. Sie müsse aber mehr alsbisher spezifische, regionale Eigenheiten berück-sichtigen.

Die Siegerehrung nahm der Vorsitzende derEuropäischen ARGE, Landeshauptmann Dr. ErwinPröll aus Niederösterreich, vor. Unter großem Beifall

Berichte zur Ländlichen Entwicklung 73/1997 53

Jürgen Betz

Verleihung des Europäischen Dorferneuerungspreises 1996

StaatsministerReinhold Bocklet vertratim Cuvilliés-Theater derMünchner Residenz den

Freistaat Bayern alsGastgeber und hielt

den Festvortrag

Page 54: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer

der Festgäste überreichte er Camille Gira, dem Bür-germeister der luxemburgischen GemeindeBeckerich, den Europäischen Dorferneuerungspreis1996. Prof. Matthias Reichenbach-Klinke, der Vorsit-zende der international besetzten Jury, beglück-wünschte die siegreiche Gemeinde und dankte ihrfür die zukunftsweisende Vorbildfunktion durcheinen umfassenden Ansatz des Entwicklungsprozes-ses, eine ökosoziale Gemeindepolitik auf der Basisintensiver Bürgerbeteiligung, die offensive Integra-

tion ausländischer Bevölkerungsgruppen sowie bei-spielhafte Renovierungen und Umnutzungen alterBausubstanz. Den Freistaat Bayern hat bei diesemWettbewerb 1996 die Marktgemeinde Irsee im Landkreis Ostallgäu vertreten. Sie wurde für beson-dere Leistungen im Umgang mit neuem Kulturbe-wußtsein auf dem Dorf, für das beispielhafte Niveauder Planungen und für die rechtliche Sicherung öko-logischer und dorfgemäßer Zielsetzungen mit einemder insgesamt 19 Sonderpreise ausgezeichnet..

54 Berichte zur Ländlichen Entwicklung 73/1997

Bürgermeister Rudolf Scharpf (rechts)nimmt vom Juryvorsit-zenden Prof. Reichen-bach-Klinke und demVorsitzenden der ARGE,Landeshauptmann Dr. Pröll (links), für Irseeden Sonderpreis in Empfang

Die Wettbewerbsteilnehmer:

1 Immenstaad, Baden-Württemberg 14 Perl-Sehndorf, Saarland2 Irsee, Bayern 15 Schönau-Berzdorf, Sachsen3 Blankensee, Brandenburg 16 Ditfurt, Sachsen-Anhalt4 Deutschkreutz, Burgenland 17 Tamsweg, Salzburg5 Alheim-Licherode, Hessen 18 Husa, Schweden6 Cartoceto, Prov. Presaro, Italien 19 Knezja vas, Slowenien7 St. Paul /St. Georgen, Kärnten 20 Emmelsbüll-Horsbüll, Schleswig-Holstein8 Bük, Komitat Vas 21 Burgau, Steiermark9 Beckerich, Luxemburg 22 Naturns, Südtirol

10 Katzelsdorf, Niederösterreich 23 Stepfershausen, Thüringen11 Vrees, Gem. Werlte, Niedersachsen 24 Waidring, Tirol12 Steinheim-Ottenhausen, Nordrhein-Westfalen 25 Telnice, Tschechien13 Erfweiler, Rheinland-Pfalz 26 Pusztamerges/Csongrad, Ungarn

Page 55: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer

1 Bildungswege in der BundesrepublikDeutschland

In der Bundesrepublik Deutschland teilt sich dieschulische Ausbildung nach einer 4-jährigen Grund-schule, die für alle Personen ab dem Lebensalter von6 Jahren Pflicht ist, in drei unterschiedliche Ausbil-dungsebenen: in die Hauptschulausbildung, in dieRealschulausbildung und in die Gymnasialaus-bildung. Je nach Bildungsziel kann einer dieser dreiAusbildungswege beschritten werden, wobei für dieAusbildungszeit in der Hauptschule (5 Jahre) oder inder Realschule (in Bayern 4 Jahre nach der 6. Jahr-gangsstufe der Hauptschule) oder von den Jahr-gangsstufen 5 bis 10 im Gymnasium (6 Jahre) jeweilsweiter die Schulpflicht besteht.

• Ausbildungsweg über die Hauptschule

Die 5-jährige Hauptschulausbildung endet mitdem sog. Hauptschulabschluß, der zur Berufs-ausbildung des jeweils gewählten Ausbildungs-berufes führt. Nach 3-jähriger Berufsausbildungund Berufsschule (der sog. beruflichen Lehrzeit)erfolgt der berufliche Ausbildungsabschluß.

Für eine berufliche Tätigkeit im Staatsdienst istnoch eine einjährige Vorbereitungszeit erforder-lich mit einer abschließenden Laufbahnprüfungfür den mittleren technischen Verwaltungsdienst,welche die Befähigung für die Beamtenlaufbahnim mittleren Dienst nachweist.

Andererseits ist nach dem beruflichen Ausbil-dungsabschluß, nach einer weiteren 2-jährigenpraktischen Tätigkeit, der Besuch einer 2-jährigenTechnikerschule möglich mit dem Abschluß alsstaatlich geprüfter Techniker.

• Ausbildungsweg über die Realschule

Nach der 6. Jahrgangsstufe der Hauptschule istder Übertritt in die Realschule möglich. Die 4-jährige Realschulausbildung endet mit demsog. Realschulabschluß, der einerseits unmittelbar

zur Berufsausbildung des jeweils gewählten Aus-bildungsberufes, andererseits über den Weg der2-jährigen Fachoberschule zur Fachhochschul-reife führt, die zum Studium an der Fachhoch-schule berechtigt.

Derzeit steht in Bayern eine Änderung der Real-schulausbildung in der Diskussion. Unmittelbarnach der Grundschulzeit soll sich eine 6-jährigeRealschulausbildung anschließen. Dieser von 4auf 6 Jahrgangsstufen erweiterte Realschul-Aus-bildungsweg wird bereits an verschiedenen aus-gewählten Realschulen erprobt.

Wird nach abgeschlossener Realschule der Wegüber eine 21/2-jährige Berufsausbildung undBerufsschule gewählt, steht nach einfachemAbschluß als Techniker bei einer weiteren 2-jäh-rigen praktischen Tätigkeit und 2-jähriger Tech-nikerschule wiederum der Abschluß als staatlichgeprüfter Techniker.

Es besteht aber auch die Möglichkeit, von dieserAusbildungsebene an einer bestimmten Stelle, d. h. bei gewissem Bildungsstand und ent-sprechender Leistungsvoraussetzung, in dienächsthöhere Ausbildungsebene einzutreten(siehe Abb. 1, S. 60), um zu einem höherenBildungsabschluß zu gelangen. Diese gewisseTransparenz besteht durch alle Bildungsebenenund ist als sog. »Zweiter Bildungsweg« kenn-zeichnend im deutschen Bildungssystem.

• Ausbildungsweg über das Gymnasium

In der höchsten Ausbildungsebene befindet sichdie Gymnasialausbildung, die von der Jahrgangs-stufe 5 bis 13 (in 9 Jahren) zum Abitur führt. Mitdieser uneingeschränkten Hochschulreife ist nacheinem berufsbezogenen Praktikum entweder dasStudium an der Fachhochschule oder an einerwissenschaftlichen Hochschule (Universität)möglich.

Das Studium an der Fachhochschule mit einerRegelstudienzeit von 8 Semestern bzw. das Studiuman einer wissenschaftlichen Hochschule mit einer

Berichte zur Ländlichen Entwicklung 73/1997 55

Horst Karmann

Inhalte, Formen und Methoden der Ausbildung im Bereich der Ländlichen Entwicklung*)

*) Vortrag im Rahmen des Symposiums »Umstrukturierung ländlicher Gebiete in Polen zur Anpassung an Standards der EuropäischenUnion« am 2. und 3. Dezember 1996 an der Landwirtschaftlich-Technischen Akademie (ART) Olsztyn (Polen)

Page 56: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer

Regelstudienzeit von 9 bis 10 Semestern endet mitder Diplomprüfung zum Dipl.-Ing. FH bzw. zum Dipl.-Ing. Univ.

Die Fachhochschulen vermitteln durch an-wendungsbezogene Lehre eine Bildung, die zu selbständiger Anwendung wissenschaftlicher Methoden in der Berufspraxis befähigt (Abs. 2 BayHSchG). Die Universitäten dienen da-gegen vornehmlich der Forschung und Lehre undverbinden diese zu einer vorwiegend wissenschafts-bezogenen Ausbildung (Art. 2 BayHSchG). Hoch-schulen dienen aber auch dem weiterbildendenStudium (Art. 3 BayHSchG).

Für eine berufliche Tätigkeit im Staatsdienst ist

• nach einem erfolgreichen Studium an der Fach-hochschule eine 11/2-jährige Vorbereitungszeiterforderlich mit einer abschließenden Laufbahn-prüfung für den gehobenen technischen Ver-waltungsdienst, welche die Befähigung für dieBeamtenlaufbahn im gehobenen Dienst nachweist,

• nach einem erfolgreichen universitären Studiumeine 2-jährige Vorbereitungszeit erforderlich miteiner abschließenden Laufbahnprüfung für denhöheren technischen Verwaltungsdienst, welchedie Befähigung für die Beamtenlaufbahn imhöheren Dienst nachweist.

Allerdings werden in Bayern künftig nur nochnach Bedarf in einem gewissen AuswahlverfahrenBewerber in die Vorbereitungszeit für den höherenStaatsdienst zugelassen (siehe Änderung der Ver-waltungsvorschriften zur Zulassungs-, Ausbildungs-und Prüfungsordnung für den höheren vermessungs-technischen Verwaltungsdienst und für den höherentechnischen Verwaltungsdienst für Ländliche Ent-wicklung (VermZAPO/hD) und zur Übernahme derPrüfungsteilnehmer in das Beamtenverhältnis aufProbe (VV VermZAPO/hD) vom 14. November 1996).

Die weiteren Ausführungen beschränken sich auf-grund der zu weitreichenden Thematik sowie desvorgegebenen zeitlichen Rahmens allein auf die uni-versitäre Ausbildung. Bezüglich der Fachhochschul-ausbildung sei hier auf die einschlägige Literaturverwiesen (z. B. GRUBER, 1996 und STREHLE et al.,1996).

In den wissenschaftlichen Hochschulen Uni Bonn,TU Dresden, UniBW München und TU München sindfür das Fachgebiet »Bodenordnung, Bodenwirtschaftund Landentwicklung« eigene Lehrstühle eingerich-tet. An den übrigen deutschen wissenschaftlichen

Hochschulen mit dem Studiengang Vermessungs-wesen wird die Ausbildung im Bereich der Länd-lichen Entwicklung in der Regel über externe Lehr-beauftragte aus der beruflichen Praxis der Ver-waltung und Wirtschaft abgedeckt.

2 Formen der universitären Lehre

Zwischen folgenden Formen der universitärenLehre im Bereich der Ländlichen Entwicklung kannunterschieden werden:

• Vorlesungen

Vorlesungen sind generell die klassische Form derVermittlung von theoretischen und methodischenGrundlagenkenntnissen. Gerade die Breite derfachlichen Anforderungen auf dem Gebiet derBodenordnung und Landentwicklung erfordertein entsprechend breitgefächertes fundiertesGrundfachwissen, wobei aufgrund der geradeauch hier gegebenen Informationsvielfalt daraufgeachtet werden muß, den Lehrstoff möglichstfreizuhalten von kurzlebigem Faktenwissen(HOISL, 1994).

• Übungen, Praktika im Gelände

Übungen und Praktika im Gelände ergänzenunmittelbar das durch die Vorlesungen vermit-telte Wissen. In den Übungen und Praktika (imGelände) werden ausgewählte Sachverhalte ver-tieft behandelt und Methoden möglichst mitBezug zur beruflichen Praxis beispielhaft an-gewendet, zum besseren Verständnis von analy-tischen Zusammenhängen des theoretischenGrundlagenwissens.

• Seminare

In Seminaren kann sich der Studierende, zwarunter Anleitung (soweit gewünscht und erforder-lich), so doch erstmals in einem gewissen selb-ständigen wissenschaftlichen Arbeiten üben. ImRahmen des Vertiefungsstudiums, beispielsweiseim sog. Geodätischen Seminar, behandelt jederinteressierte Teilnehmer jeweils ein fachlichesThema in Form eines Vortrages auf der Grundlageder in den Vorlesungen und Übungen erwor-benen Grundkenntnisse sowie unter Verwendungweiterer einschlägiger Fachliteratur und stelltsich anschließend der fachlichen Diskussion imKreise der Professoren, wissenschaftlichen Mit-arbeiter und teilnehmenden Studenten.

56 Berichte zur Ländlichen Entwicklung 73/1997

Page 57: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer

• Exkursionen

In Exkursionen erhält der Studierende direkt Ein-blick in die Arbeiten der beruflichen Praxis. DieseLehrveranstaltungen zielen hauptsächlich auf dasKennenlernen der Planung und Realisierung vonMaßnahmen zur Ländlichen Entwicklung in derÖrtlichkeit, z. B. in laufenden Verfahren nach demFlurbG oder nach dem Städtebaurecht.

• Betreuung von Diplomarbeiten

Durch die Betreuung von Diplomarbeiten kannder Studierende vielfach bereits Einblick in dieeigentliche wissenschaftliche Forschungsarbeitgewinnen und dies um so mehr, je enger dasThema der Diplomarbeit in eine wissenschaftlicheForschungsarbeit involviert ist.

• Einbindung von Studenten in Forschungs-projekte für eine berufsorientierte Ausbildung

Wissenschaftsbezogene Ausbildung durch Verbin-dung von Forschung und Lehre im Sinne desBayHSchG wird insbesondere auch dadurcherreicht, daß Studenten bereits während ihrerStudienzeit als Hilfskräfte an Forschungsprojek-ten mitarbeiten und dabei Erfahrungen sammelnkönnen für ihre spätere berufliche Tätigkeit.

• Kontaktstudiengänge für die berufliche Weiterbildung

Der Lehrstuhl für Bodenordnung und Landent-wicklung hat mehrmals Kontaktstudiengänge fürleitende Beamte der Verwaltung für LändlicheEntwicklung zur beruflichen Weiterbildung aus-gerichtet. Zunächst war die Veranstaltung jeweilsfachlich umfassend ausgelegt und erstreckte sichzeitlich über ein Semester mit den Zielsetzungen

— den Teilnehmern einen aktuellen Wissensstandauf breitester Basis zu vermitteln,

— die vorhandenen Kenntnisse aufzufrischen und dabei die bisherige Arbeitsweise einerkritischen Selbstprüfung zu unterziehen,

— die Fähigkeit, komplexe Zusammenhänge zuerkennen und jedes Problem in diese Zusam-menhänge einordnen zu können,

— die Notwendigkeit der Mitwirkung und Zusam-menarbeit mit benachbarten Fachdisziplinen zuverdeutlichen und letztlich

— die Fähigkeit zur selbständigen Weiterbildungzu stärken, um auch in weiterer Zukunft denrasch ändernden Entwicklungen leichter folgenund sich im notwendigen Umfang anpassen zukönnen (KARMANN, 1979).

In den letzten Jahren wurden einwöchige Weiter-bildungsveranstaltungen zu jeweils aktuellen abge-grenzten Themenbereichen durchgeführt, wie z. B.»Landespflege in der Flurbereinigung« (1991), »Trendsder Informationstechnik in der Ländlichen Entwick-lung« (1993) und »Projektmanagement in der Länd-lichen Entwicklung« (1995).

Als Form besonderer Lehrtätigkeit können nochgenannt werden:

— Wissenschaftliche und fachliche Beratung imRahmen der Projekt-Begleitung »Dorf- und Flur-entwicklung Kadiköy« zur beruflichen Weiter-bildung türkischer Fachleute (Experten-Tätigkeitin der Türkei).

— Unterstützung der Lehre durch Projekt-Seminarezur Dorf- und Flurentwicklung an der YILDIZTeknik Universität Istanbul (Türkei).

3 Inhalte und Methoden der Ausbildung

Der universitäre Studiengang Vermessungswesenmit einer Regelstudiendauer von 10 Semestern istbreit angelegt und umfaßt alle Tätigkeitsfelder desVermessungsingenieurs, u. a. auch den Bereich»Landentwicklung und Bodenordnung«. Durch dieBreite des Studiums sollen die Voraussetzungen füreine weitestmögliche berufliche Flexibilität ge-schaffen werden.

Ziel der universitären Ausbildung ist es, wissen-schaftliche Grundlagen und Methoden zu vermitteln.Die Ausbildung soll sowohl auf eine praktische Tätig-keit als auch auf eine grundlagen- und anwen-dungsorientierte Forschungstätigkeit vorbereitenund den Absolventen befähigen, selbständig wissen-schaftlich zu arbeiten und auf breitester Ebene zurWeiterentwicklung des Vermessungswesens beizu-tragen, d. h. auch bei der beruflichen Aufgaben-erfüllung im Bereich der Ländlichen Entwicklung innovativ und kreativ zu wirken.

Das Studium gliedert sich in das Grundstudium (4 Semester) und Hauptstudium (5 Semester) undbeinhaltet die Anfertigung einer Diplomarbeit (6 Monate). Das Hauptstudium ist wiederum unter-teilt in das Grundfachstudium und das Vertiefungs-studium, wobei hier in der Regel eine von fünf mög-lichen Vertiefungsrichtungen alternativ gewählt wirdund mit Lehrveranstaltungen aus weiteren zweiFachgebieten kombinierbar ist (siehe Auszug aus der Studienordnung für das Vermessungswesen der TUM, 1994, in Abb. 2, S. 61—63).

Berichte zur Ländlichen Entwicklung 73/1997 57

Page 58: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer

Aus dem Gesamt-Fächerkatalog gemäß Studien-ordnung und Studienplan für das Vermessungs-wesen ist in Abb. 3, S. 64 für den Ausbildungsbereichder Ländlichen Entwicklung bzw. Landentwicklungund Bodenordnung das fachrelevante Lehrangebotzusammengestellt, in dem fundiertes Grundlagen-wissen vermittelt wird bei Konzentration auf Theorie- und Methodenkenntnisse und unter Ver-zicht auf rasch veralterndes Faktenwissen im Sinneder dem Studium zugrunde gelegten Ausbildungs-intention (HOISL, 1994).

Diese im Grundstudium und Grundfachstudiumangebotenen Wissensgrundlagen (siehe z. B. die Lehrinhalte der Vorlesungsveranstaltungen »Grund-züge der Raumplanung« und »Bodenordnung undLandentwicklung« von Prof. HOISL in Abb. 3/1 undAbb. 3/2, S. 65) bilden als allgemeines Pflichtwissenzur »Landentwicklung« das Rüstzeug für das vertie-fende Studium in der Vertiefungsrichtung »Boden-ordnung und Landentwicklung«, das als sog.projektorientiertes Studium konzipiert ist. Projek-torientierung bedeutet hier, mit der angebotenenFächerpalette »Ausgewählte Kapitel der Bodenord-nung«, »Ausgewählte Kapitel der Landentwicklung«,»Dorfentwicklung« (Inhalte werden im Laufe desSommersemesters 1997 erstmals festgelegt), »Semi-nar zur Ländlichen Entwicklung«, »Wasserwirtschaftim ländlichen Raum«, »Ländlicher Wegebau«, »Grund-stückswertermittlung«, »Landnutzungsplanung ausökologischer und ökonomischer Sicht« etc. (sieheAbb. 3, S. 64 und dazu die einzelnen Lehrinhalte inAbb. 3/3 bis Abb. 3/10, S. 66—69) eine exemplarischeaber querschnittsorientierte Durchdringung desgesamten Wissensgebietes zu erreichen, die gleich-zeitig hinführt zur eigentlichen, seminaristischen,weitgehend bereits selbständigen Projektarbeit aneinem laufenden Verfahren zur Ländlichen Entwick-lung aus der Praxis (siehe Abb. 3 und dazu den Leh-rinhalt in Abb. 3/11, S. 70).

Neben der Aneignung von Fach- und Methoden-kompetenz können die Studierenden des Vermes-sungswesens und der Geographie (soweit sie hierdas Fach »Bodenordnung und Landentwicklung« alseine mögliche Nebenstudienrichtung gewählt haben)auch außerfachliche Fähigkeiten erwerben und —wenn sie das hierzu bereits im Grundstudium emp-fohlene Lehrangebot zu Psychologie, Personal-führung, Rhetorik, Management etc. (siehe Abb. 3, S. 64 ) genutzt haben — weiter üben und stärken.Möglichkeiten dazu sind im Vertiefungsstudiumgegeben durch freien Vortrag, durch kooperativeGruppenarbeit, durch Unterbeweisstellen von Ab-wägungsgeschick und Beurteilungsvermögen beialternativen Planungsvorgaben, durch »interdiszi-

plinäre« Zusammenarbeit als angehende Geodätenund Geographen sowie durch Präsentation von Teil-projekten und Projektalternativen vor örtlichen Fach-leuten und Gemeindevertretern (siehe z. B. die Lehr-inhalte der Seminare 1 + 2 »Ländliche Entwicklung«in Abb. 3/5, S. 67 und Abb. 3/11, S. 70 und dazu auchKÖLBEL et al., 1996 und MAGEL, 1997).

Mit dieser nach Inhalt und Methodik aufgezeigtenStudienausrichtung sollte sich jeder Hochschulab-solvent im späteren Berufsfeld nach einer gewissenEinarbeitungsphase mit souveräner Fachkompetenzbewegen können. Gerade bei der heute besondersangespannten allgemeinen Beschäftigungssituationund den steigenden beruflichen Anforderungenbezüglich der Bewältigung immer komplexer wer-dender Sachverhalte und Anpassung an stets völligneue Problemstellungen ist eine derartige akade-mische Ausbildung gefragt.

58 Berichte zur Ländlichen Entwicklung 73/1997

Page 59: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer

Literatur

ALLAN, A. L. (1989; Aktualisierung 1992)The Education and Practice of the Surveyor in the Private Sectorwithin the European Economic CommunityHrsg.: The Royal Institution of Chartered Surveyors, London

Bayerisches Hochschulgesetz (BayHSchG)in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. Dezember 1993GVBl S. 953, BayRS 2210-1-1-K

Gemeinsame Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministe-riums der Finanzen und für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 14. November 1996 zur Änderung der Verwaltungs-vorschriften zur Zulassungs-, Ausbildungs- und Prüfungsord-nung für den höheren vermessungstechnischen Verwaltungs-dienst und für den höheren technischen Verwaltungsdienst für Ländliche Entwicklung (VermZAPO/hD) und zur Übernahmeder Prüfungsteilnehmer in das Beamtenverhältnis auf Probe (VV-VermZAPO/hD)FMBl Nr. 18 vom 29. November 1996, S. 446

GRUBER, C. (1996)Berufsausbildung zum Vermessungsingenieur im Wandel— 2. Entwicklung an Fachhochschulen —Mitteilungsblatt DVW-Bayern, 48. Jg., Heft 3, S. 391—403

HOISL, R. (1994)Ausbildung im Studiengang Vermessungswesen an der Technischen Universität MünchenMitteilungsblatt DVW-Bayern, 46. Jg., Heft 1, S. 11—20

HOISL, R. (1996)Berufsausbildung zum Vermessungsingenieur im Wandel— 1. Entwicklung an Universitäten —Mitteilungsblatt DVW-Bayern, 48. Jg., Heft 3, S. 379—390

KARMANN, H. (1979)Kontaktstudium Flurbereinigung — ein Weg der effizienten FortbildungMitteilungsblatt DVW-Bayern, 31. Jg., Heft 3, S. 155—172und Materialiensammlung des Lehrstuhl für Ländliche Neuordnungund Flurbereinigung der TUM, Heft 4, 1980, S. 133—140(zugleich erschienen als Heft 33/1980 der Berichte aus der Flurbereinigung)

KÖLBEL, B., K. KUMMER, M. NELL, und D. SPERLING (1996)Management im VermessungswesenZfV, 121. Jg., Heft 10, S. 476—484

MAGEL, H. (1997)Einige Anmerkungen zur universitären Aus- und Weiterbildungin Bodenordnung und LandentwicklungFestschrift für Richard Hoisl.Materialiensammlung des Lehrstuhls für Bodenordnung undLandentwicklung der TUM, Heft 18, S. 109—114

STREHLE, J. et al. (1996)Studiengänge Vermessungswesen und Kartographie in BayernMitteilungsblatt DVW-Bayern, 48. Jg., Heft 1, S. 13—35

Studienordnung (einschl. Studienplan) für den universitärenDiplomstudiengang Vermessungswesen der Technischen Univer-sität München in der Fassung vom 23. Dezember 1994

Berichte zur Ländlichen Entwicklung 73/1997 59

Page 60: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer

60 Berichte zur Ländlichen Entwicklung 73/1997

Page 61: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer

Berichte zur Ländlichen Entwicklung 73/1997 61

Page 62: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer

62 Berichte zur Ländlichen Entwicklung 73/1997

zu Abb. 2

Page 63: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer

Berichte zur Ländlichen Entwicklung 73/1997 63

zu Abb. 2

Page 64: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer

64 Berichte zur Ländlichen Entwicklung 73/1997

Page 65: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer

Berichte zur Ländlichen Entwicklung 73/1997 65

Abb. 3/1: Lehrinhalte der Vorlesung »Grundzüge der Raumplanung« im IV. Semester

Abb. 3/2: Lehrinhalte der Vorlesungen mit Übungen »Bodenordnung und Landentwicklung 1 + 2«im V. und VI. Semester

Page 66: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer

66 Berichte zur Ländlichen Entwicklung 73/1997

Abb. 3/3: Lehrinhalte der Vorlesung und Übungen »Ausgewählte Kapitel der Bodenordnung« im VII. Semester

Abb. 3/4: Lehrinhalte der Vorlesung und Übungen »Ausgewählte Kapitel der Landentwicklung« im VIII. Semester

Page 67: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer

Berichte zur Ländlichen Entwicklung 73/1997 67

Abb. 3/5: Lehrinhalte der Seminarveranstaltung »Ländliche Entwicklung — Seminar 1« im VII. Semester

Abb. 3/6: Lehrinhalte der Vorlesung »Wasserwirtschaft im ländlichen Raum 2« im VIII. Semester

Page 68: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer

68 Berichte zur Ländlichen Entwicklung 73/1997

Abb. 3/7: Lehrinhalte der Vorlesung »Ländlicher Wegebau« im VII. Semester

Abb. 3/8: Lehrinhalte der Übung »Grundstückswertermittlung 2« im VII. Semester

Page 69: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer

Berichte zur Ländlichen Entwicklung 73/1997 69

Abb. 3/9: Lehrinhalte der Vorlesung »Landnutzungsplanung 1 (Ökologische Grundlagen)« im VII. Semester

Abb. 3/10: Lehrinhalte der Vorlesung »Landnutzungsplanung 2 (Landwirtschaftliche Grundlagen)« im VII. Semester

Page 70: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer

70 Berichte zur Ländlichen Entwicklung 73/1997

Abb. 3/11: Lehrinhalte der Seminarveranstaltung »Ländliche Entwicklung — Seminar 2« im VIII. Semester

Page 71: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer

Der sich seit einigen Jahren in der Landwirtschaftabspielende Strukturwandel zwingt in Gebieten mitungünstigen natürlichen Erzeugungsbedingungenviele, insbesondere kleinere landwirtschaftlicheBetriebe zur Aufgabe der Landbewirtschaftung. Dashat herbe sozio-ökonomische Konsequenzen, ziehtaber auch erhebliche Landschaftsveränderungennach sich. Andererseits zeigt sich im Freizeitverhal-ten der Menschen derzeit eine verstärkte Präferenzfür naturnahe Landschaft und heimatliche Umwelt.Dies läßt sich nicht zuletzt an der wachsendenBeliebtheit der Urlaubsform »Ferien auf dem Bauern-hof« sehr plastisch ablesen. Es wird deshalb davonausgegangen, daß gerade in Gebieten mit Gefahr fürstrukturell bedingte Flächenstillegungen für diebetroffenen Landwirte zusätzliche Wertschöpfungenüber ausgefeiltere landschaftliche Erholungsange-bote möglich sind. Das aber setzt neben anderemvoraus, gerade mit der Ressource Landschaftsbildpfleglich umzugehen, wozu wiederum die Landwirtevor Ort materiell und ideell besonders geeignet sind.

Um diese Zusammenhänge genauer untersuchenund für die Praxis wissenschaftlich fundierte Er-gebnisse liefern zu können, wurde daher einForschungsantrag formuliert, den das BayerischeStaatsministerium für Ernährung, Landwirtschaftund Forsten für förderungswürdig befand. So beauf-tragte der Bereich Zentrale Aufgaben der Direktionfür Ländliche Entwicklung München den Lehrstuhlfür Bodenordnung und Landentwicklung der Tech-nischen Universität München, in Arbeitsgemein-schaft mit der Werkstatt für Landschafts- und Frei-raumentwicklung Dr. Werner Nohl das Forschungs-projekt »Naturbezogene Erholung und Landschafts-bild — eine Zukunftsaufgabe der Ländlichen Entwick-lung« durchzuführen.

Das nun abgeschlossene Projekt besteht aus

• einem Handbuch mit dem Titel »NaturbezogeneErholung und Landschaftsbild«, in dem in 6 Teilendie wichtigsten Themenbereiche in Form praxis-orientierter Arbeitsunterlagen abgehandelt sind,

Berichte zur Ländlichen Entwicklung 73/1997 71

Richard Hoisl, Werner Nohl, Petra Engelhardt

Naturbezogene Erholung und Landschaftsbild —eine Zukunftsaufgabe der Ländlichen Entwicklung*

* Schlußbericht des Lehrstuhls für Bodenordnung und Landentwicklung der TU Münchenund der Werkstatt für Landschafts- und Freiraumentwicklung zum gleichnamigen Forschungsvorhaben

Page 72: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer

• Beispielsplanungen für zwei Untersuchungsge-biete, in denen die Daten, Informationen, Pla-nungsgrundsätze und Maßnahmenvorschläge desHandbuchs prototypisch und im Zusammenhangverprobt sind, und

• einem zusammenfassenden Schlußbericht, in demder konzeptionelle Ansatz des Projekts, die Vor-gehensweise der Bearbeitung, die Ergebnisse unddie während der Bearbeitung des Projekts auf-tretenden methodischen Probleme aufgezeigtsind.

Der Ansatzpunkt für das Gesamtprojekt ist dabeidie Aufwertung »durchschnittlicher« Landschaften zuErholungsgebieten mit attraktiven Natur- und Land-schaftserlebnissen. Dabei wird davon ausgegangen,daß in Gebieten, die für naturbezogene Erholungvorgesehen sind, nicht nur (noch) bestehende, in-takte Kulturlandschaften zu sichern und den Er-holungssuchenden erlebnismäßig zugänglich zumachen sind. Auch Flächen, auf denen im Zuge derBewirtschaftungsaufgabe mit erheblichen Land-schaftsbildveränderungen zu rechnen ist, können — so der Ansatz — unter bestimmten Bedingungennaturästhetisch ansprechend gestaltet werden. Diehier erlebbare neue »Erhabenheit« der Natur beruhtauf dem Reichtum und den scheinbaren Zufällig-keiten von Spontannatur und Wildwuchs; sie stelltneben der »Schönheit« der traditionellen Kulturland-schaft eine weitere landschaftsästhetische Grund-lage naturbezogener Erholung dar. So wird aufge-zeigt, wie in den vom Strukturwandel besondersstark betroffenen Gebieten bei entsprechender Land-schaftsbildpflege durch Einheimische ein attraktivesAngebot an naturbezogenen und zugleich umwelt-und sozialverträglichen Erholungsmöglichkeiten ent-stehen und damit eine Hilfe zur Existenzsicherungfür die ländliche Bevölkerung, insbesondere dieLandwirte gegeben werden kann.

Für das große Interesse am Zustandekommen dervorliegenden Arbeit und die Erteilung des For-schungsauftrags danken die Unterzeichner demBayerischen Staatsministerium für Ernährung, Land-wirtschaft und Forsten sowie der Direktion für Länd-liche Entwicklung München, insbesondere Herrn Dr. G. Aulig vom Bereich Zentrale Aufgaben. Dankgilt auch den Direktionen für Ländliche EntwicklungAnsbach und Würzburg, die bei der Auswahl derUntersuchungsgebiete und der Beschaffung vonDaten behilflich waren. Schließlich seien alle Perso-nen und Amtsstellen vor Ort, die uns mit projektrele-vanten Informationen und Daten versorgt haben,sowie die Professoren Ammer und Pfadenhauer fürdie Bereitstellung von Lichtbildern in unseren Dankeingeschlossen.

1 Einführung in das Forschungsprojekt

Bedingt durch die Agrarpolitik und die agrartech-nische Entwicklung befindet sich die Landwirtschaftin einem durchgreifenden Strukturwandel, der sichin den nächsten Jahren voraussichtlich noch ver-schärfen wird. Viele, vor allem kleinere Betriebe inGebieten mit ungünstigen natürlichen Erzeugungs-bedingungen werden die Bewirtschaftung aufgeben.Dies hat zum einen sozio-ökonomische Folgen, zumanderen werden damit auch erhebliche Landschafts-veränderungen, insbesondere eine Umstrukturie-rung der Flächennutzung verbunden sein. InGebieten mit günstigen natürlichen Erzeugungsbe-dingungen ist mit einer weiteren Steigerung derBewirtschaftungsintensität zu rechnen, während inGebieten mit ungünstigen natürlichen Erzeugungs-bedingungen viele Landwirte die Bewirtschaftungaufgeben werden, so daß mit einem vermehrtenAuftreten von Brachflächen und/oder Aufforstungenzu rechnen ist.

Gleichzeitig ist zu erwarten, daß mit einem weite-ren Anwachsen der Freizeit der Nutzungs- undZerstörungsdruck auf die klassischen Erholungsland-schaften zunimmt, nicht zuletzt weil in breitenBevölkerungskreisen ein Wertewandel hin zu wach-sendem Naturverständnis stattfindet, der die Nach-frage nach naturnahen Erholungsmöglichkeitenverstärkt. Hier sind es gerade die strukturschwachenGebiete, die als die landschaftlich attraktiveren imZuge der verstärkten Nachfrage nach naturnaherLandschaft — insbesondere der städtischen Bevölke-rung — für Erholung genutzt werden können.

Das Hauptanliegen des Forschungsprojekts»Naturbezogene Erholung und Landschaftsbild —eine Zukunftsaufgabe der Ländlichen Entwicklung«ist es, Strategien und Maßnahmen zur Verbesserungdes Landschaftsbildes in strukturschwachenAgrarlandschaften zu entwickeln, um auf dieseWeise naturbezogene Erholung als zusätzliche Ein-nahmequelle für die ländliche Bevölkerung zu för-dern. Es soll insbesondere aufgezeigt werden, wie dieLändliche Entwicklung über den Einsatz von land-schaftsbildverbessernden Maßnahmen den Fremden-verkehr im Sinne einer sanften Gebietsentwicklungfördern kann. Dabei werden drei Teilbereiche berührt,die sich gegenseitig beeinflussen:

• Zunächst soll mit der Aufbesserung des Land-schaftsbildes in bisher kaum von Erholungs-suchenden genutzten Kulturlandschaften ein Angebot an naturbezogenen Erholungsmög-lichkeiten geschaffen werden und damit denErholungsbedürfnissen großer Teile der Bevöl-kerung entgegengekommen werden.

72 Berichte zur Ländlichen Entwicklung 73/1997

Page 73: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer

• Zusätzlich soll der ländlichen Bevölkerung, insbe-sondere den Landwirten, durch die Förderungeines umwelt- und sozialverträglichen Fremden-verkehrs eine Hilfe zur Existenzsicherunggeboten werden. Die Erhaltung der Landwirt-schaft als landschaftsprägender Faktor wird aufdiese Weise unterstützt.

• Schließlich soll die Landschaft ästhetisch so aufgewertet werden, daß ihre natürlichen Lebens-grundlagen funktionsfähig und dauerhaft erhalten bleiben. Naturästhetisch organisierteLandschaft wird als Kapital für die Erholung gesehen, das möglichst weitgehend erhalten, bzw.verbessert werden soll.

Mögliche Zielgebiete sind in erster Linie struk-turschwache, landschaftlich eher durchschnitt-lich attraktive und in relativer Nähe zu denBallungsräumen (Quellgebiete naturbezogenerErholung) gelegene Gebiete, nicht jedoch die klas-sischen Erholungslandschaften.

Das Forschungsprojekt ist dabei als Pilotprojektzu verstehen, das Leitbilder für den Umgang mit inZukunft zu erwartenden gesellschaftlichen Entwick-lungen vorwegnimmt, um Leitbilder und Lösungs-möglichkeiten für künftige Probleme vorzuschlagen.

Die Ergebnisse des Forschungsprojekts werdenzum einen in verallgemeinerbarer Form in einempraxisorientierten Handbuch, zum anderen als prototypische Planungen in zwei konkreten Unter-suchungsgebieten dargestellt.

Der hier vorliegende Schlussbericht ist als eineArt »Reiseführer« gedacht. Hier wird auf einer »Meta-Ebene« beschrieben, welche Inhalte im Hand-buch und bei den Planungen behandelt werden(Ergebnisse, Kapitel 3) und wie diese zustandegekommen sind (Vorgehensweise, Kapitel 2). Aufdiese Weise wird dem Leser ermöglicht, die Punkte,die für ihn von Interesse sind, zu finden und in demjeweiligen Band genauer nachzulesen.

Der im Rahmen des Forschungsprojektes ent-wickelte konzeptionelle Ansatz, der als Grundlage fürdie Planungen sowie die im Handbuch beschriebe-nen Lösungsansätze und Maßnahmen dient, wirdaufgrund seiner Bedeutung für das gesamte For-schungsprojekt etwas ausführlicher behandelt.

Darüberhinaus ist es, insbesondere auch füranschließende Untersuchungen zu diesem Thema,von Interesse, welche methodischen Schwierigkeitensich im Laufe der Forschungsarbeit ergaben, und wiesie gelöst wurden. Diesen Problemen ist das Kapitel 4gewidmet.

2 Vorgehensweise

Basierend auf einer Literaturauswertung zu Konzepten alternativer Erholung und der Analysezweier Untersuchungsgebiete wird ein konzep-tioneller Ansatz für die Berücksichtigung natur-bezogener Erholungsformen bei der Neuordnung agrarisch genutzter Gebiete entwickelt.

Auf der Ziel- und Maßnahmenebene werden zum einen verallgemeinerungsfähige konkretePlanungsansätze und Lösungsvorschläge für dieästhetische Aufbesserung der Landschaft als Voraus-setzung für einen sozial- und umweltverträglichenErholungsverkehr entwickelt und in Form einesPlanungshandbuchs zusammengestellt.

Als Beispiele für eine planerische Gesamt-lösung unter Berücksichtigung aller im konkretenFall auftretenden Aspekte werden zum anderen dieim Handbuch entwickelten Lösungsansätze zusätz-lich anhand von Planungen in zwei Untersuchungs-gebieten verprobt.

2.1 Entwicklung eines konzeptionellenAnsatzes

Die Literaturanalyse befaßt sich in erster Linie mitVeröffentlichungen zum Thema »Sanfter Tourismus«bzw. sozial- und umweltverträgliche Erholung. Dabeiwurde geprüft, inwieweit die bestehenden Ansätzeals Grundlage zur Entwicklung einer eigenen Kon-zeption geeignet sind.

Darüberhinaus wurden weitere verwandte The-menbereiche, wie naturbezogenes Freizeit- undErholungsverhalten, mögliche Zielgruppen undQuellgebiete, Bedeutung des Landschaftsbildes/land-schaftsästhetische Grundlagen der Erholung, Bürger-beteiligung, ökologische Rahmenbedingungen, Wirtschaftsaspekte im ländlichen Raum u. a. aufge-arbeitet, da die bestehenden Konzepte zum »SanftenTourismus« viele benachbarte Aspekte einschließenoder anschneiden, die auch in einem konzeptionellenAnsatz, der die Landwirtschaft einbezieht, berück-sichtigt werden müssen. Die Analyse diente zusätz-lich auch als Grundlage für die Erstellung des Hand-buchs, das neben landschaftsästhetisch relevantenFragen auch ökonomische, sozio-kulturelle, ökolo-gische und andere Randbereiche behandelt.

Die Entwicklung des konzeptionellen Ansatzesbasiert desweiteren auf Erkenntnissen, die bei derAnalyse in den beiden Untersuchungsgebieten, ins-

Berichte zur Ländlichen Entwicklung 73/1997 73

Page 74: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer

besondere bei den Expertengesprächen, gewonnenwurden (s. a. 2.3: Planerische Verprobung in zweiGebieten). Dabei wurde versucht, die heute erkenn-baren gesellschaftlichen Trends in der Landwirtschaftund im Freizeitverhalten in einer Weise miteinanderzu verknüpfen, die für beide Seiten Vorteile bringtund darüberhinaus zu einer Verbesserung der land-schaftsästhetischen Situation in den betroffenenGebieten führen kann. Insbesondere wurden Leitzielebezüglich der drei Bereiche Landwirtschaft, Erholungund Landschaftsbild ausgearbeitet, wobei derHauptansatzpunkt für Ziele und Maßnahmenvor-schläge das Landschaftsbild ist. (Zu den Inhalten deskonzeptionellen Ansatzes vgl. Kapitel 3: Ergebnisse.)

2.2 Erstellung des Handbuchs

Das Handbuch Naturbezogene Erholung undLandschaftsbild ist als praxisorientierte Anleitungzur Stärkung der naturbezogenen Erholung durchgezielte Landschaftsbildaufbesserung in agrarstruk-turell schwachen Gebieten konzipiert. Es ist so auf-gebaut, daß es problembezogen bei der praktischenArbeit sowie als Nachschlagewerk benutzt werdenkann. Um dies zu erreichen, wurden einige gängigeHandbücher aus verschiedenen Wissensgebieten,insbesondere aus dem Bereich der räumlichen Planung, in methodisch-didaktischer Hinsicht analy-siert. Aus den Ergebnissen dieser Analyse wurdeschließlich der Aufbau des Handbuchs entwickelt.

Für die Arbeit am Handbuch wurde zunächst dereinleitende Teil bearbeitet, der als Einstieg in die Thematik eine Einführung in den Problemkreis,eine Erläuterung des dem Handbuch zugrunde-liegenden Konzepts sowie erste Planungs-grundsätze beinhaltet. Auf der Basis dieser Grund-sätze wurde daraufhin als Hauptteil des Handbuchseine systematische Abhandlung der wichtigstenLandschaftsbildtypen hinsichtlich ihrer ästhe-tischen Wirkung und ihrer Bedeutung für natur-bezogene Erholung, sowie Leitziele und Maß-nahmenvorschläge zur Entwicklung der Landschafts-bilder für naturbezogene Erholung erarbeitet.

Als weiterer wichtiger Themenbereich für naturbe-zogene Erholung wurde daraufhin die Ausstattungmit Erholungsinfrastruktur behandelt. Anschlie-ßend wurden zur Abrundung die weiteren Teile desHandbuchs erstellt.

Zur Bearbeitung der verschiedenen Themen-bereiche wurde auf folgende Grundlagen zurück-gegriffen:

• Literaturanalyse, vgl. Kapitel 2.1,

• Analyse spezieller Literatur zu den jeweils behan-delten Themen,

• Einbeziehung von aus der Planung gewonnenenErkenntnissen (vgl. Kapitel 2.3).

Die Textvorschläge wurden in Expertengesprächendiskutiert, um schließlich zu einem Konsens zugelangen. Bei der Behandlung der verschiedenenThemen wurde besonders darauf geachtet, denästhetischen Charakter der Fragestellungen her-vorzuheben und den Bezug zur naturbezogenenErholung herzustellen. Dafür mußten viele Aussagenaus der Literatur — die sich häufig auf ökologischeProbleme beziehen — überarbeitet werden (s. a. Kapitel 4). Die Inhalte des Handbuchs sind inKapitel 3.2 dargestellt und diskutiert.

2.3 Planerische Verprobung in zweiGebieten

Die planerische Verprobung besteht methodisch inder Entwicklung von prototypischen Beispiels-planungen. Gilt für das Handbuch, daß die erar-beiteten Strategien, Lösungsansätze und Maßnah-men in möglichst vielen Gebieten anwendbar seinsollen (Aspekt der Übertragbarkeit), so soll mit denBeispielsplanungen aufgezeigt werden, daß sichgebietsbezogen ausgewählte Lösungsansätze undMaßnahmen zu einer planerischen Gesamtlösungverbinden lassen, die zu den angestrebten Verbesse-rungen der Gesamtsituation im Untersuchungsgebietführt. Dabei wurden ein Naherholungsgebiet inunmittelbarer Nähe einer mittelgroßen Stadt und einUrlaubsgebiet im ländlichen Raum als häufig vor-kommende Gebietstypen ausgewählt.

Einen Überblick über das Vorgehen zeigt die Abb. 1. Genauere Erläuterungen zur Methodik findensich im Bericht zur Planung Prototypische Land-schaftsbildentwicklung für naturbezogene Erholung.

74 Berichte zur Ländlichen Entwicklung 73/1997

Page 75: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer

2.3.1 Leitbildentwicklung

Die Entwicklung des Leitbildes für die Planungerfolgte anhand einer Szenario-Methode. Für die dreiBereiche Landwirtschaft, Erholung und Landschafts-bild wurden zunächst mögliche Entwicklungslinienerarbeitet. Mit Hilfe einer Matrix wurden sodannzueinander passende Entwicklungslinien kombiniert,

um so drei möglichst gegensätzliche Szenarien derlandschaftlichen Entwicklung bezüglich der obengenannten Bereiche beschreiben zu können. An-schließend wurde ein Szenario ausgewählt, das fürdie Entwicklung naturbezogener Erholung besondersgeeignet erscheint. Dieses Szenario dient als Leitbildfür die Planung sowie als Grundlage für die Ablei-tung von Leitzielen und Planungsgrundsätzen.

Berichte zur Ländlichen Entwicklung 73/1997 75

ANALYSE VON ANGEBOT UNDNACHFRAGE

Bestandsaufnahme der Nachfrage:z. B. potentielle Zielgruppen, bevorzugte Erholungs-aktivitäten, gefragte Erholungsangeboteu. a.

Bestandsaufnahme des Angebots:z. B. landschaftliches Angebot, Angebot an kultur-historischen Sehenswürdigkeiten, Erholungsinfra-struktur, Veranstaltungsangebot u. a.

Bewertungen:• landschaftsästhetische Bewertung

• Bewertung der Erholungseignung

• Bewertung der ökologischen Empfindlichkeit

u. a.

ENTWICKLUNG EINES LEITBILDESbezüglich Landwirtschaft — Erholung — Landschaftsbild

Entwicklung von Szenarien und Entscheidung fürein Leitbild

Darstellung des Leitbildes»naturästhetisches Landschaftsbild«

Entwicklung von Leitzielen bezüglich der BereicheLandwirtschaft — Erholung — Landschaftsbild

PLANUNG

Entwicklung von Planungsgrundsätzen

Konzeptentwicklung bezüglich

— der Landwirtschaft

— der naturbezogenen Erholung

— des Landschaftsbildes

— der visuellen Wirkung des Raumes auf Makro-,Meso- und Mikroebene u. a.

Räumliche Konkretisierung der Konzeptvorschläge

— Flächennutzung

— Erschließung für die Erholung

— gestörte Bereiche

— ökologisch empfindliche Bereiche u. a.

Abb. 1: Planungsvorgehen

Page 76: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer

2.3.2 Bestandsaufnahme und Bewertungen

Bei der Bestandsaufnahme wurden zum einenlandschaftsbezogene Daten durch die Analyse vonKarten und Luftbildern erfaßt und durch Geländear-beit und Expertenbefragungen ergänzt. Zum anderenwurden sozio-ökonomische Daten (z. B. zu Erho-lungsnachfrage und -angebot, zum sozio-ökono-mischen und ökologischen Kontext u. a.) durchDokumentenanalyse und Expertenbefragung erfaßt.

Die Bewertung der Untersuchungsgebiete erfolgtezunächst hinsichtlich ihrer landschaftsästhetischenWirkung. Dafür wurden landschaftsästhetische Ein-heiten abgegrenzt und anhand der Kriterien Vielfalt,Naturnähe und Eigenartserhalt im Expertengesprächdurch Zuordnung von Punkten bewertet.

Die landschaftsästhetischen Einheiten wurden in ähnlicher Weise auch hinsichtlich ihrer ökolo-gischen Empfindlichkeit bezüglich der zu erwar-tenden Aktivitäten naturbezogener Erholung unter-sucht und bewertet.

Die Bewertung der Erholungseignung erfolgtedurch verbale Beschreibung der Situation hinsicht-lich erholungsrelevanter Aspekte, wie Verkehrsan-bindung, Veranstaltungsangebot, landschaftlicheAttraktivität u. a. In diese Beschreibung fließen dieErgebnisse der Bestandsaufnahme und auch derästhetischen und ökologischen Bewertungen ein.

Die Ergebnisse von Bestandsaufnahme und Be-wertungen wurden teils einzeln, teils als Synthesemehrerer thematischer Karten dargestellt (vgl. Prototypische Landschaftsbildentwicklungfür naturbezogene Erholung). Die wichtigstenErgebnisse wurden in Bestandsplänen für beideUntersuchungsgebiete zusammengefaßt.

2.3.3 Planung

Die Entwicklung planerischer Konzepte für diebeiden Gebiete erfolgte auf der Grundlage der ausdem Leitbild entwickelten Leitziele und Planungs-grundsätze und der Erkenntnisse aus Bestandsauf-nahme und Bewertungen bezüglich der drei BereicheLandwirtschaft, Erholung und Landschaftsbild. Umdie visuelle Wirkung der Landschaft besser erfassenzu können, wurde der Planung darüberhinaus eineabstrakte Gliederung der Landschaft in drei überein-anderliegende Ebenen (Makro-, Meso- und Mikro-Ebene) zugrundegelegt. Den drei Ebenen sind jeweilsverschiedene visuell erlebbare Bereiche der Land-schaft zugeordnet.

Auf der konzeptionellen Ebene wurden darüber-hinaus flankierende Maßnahmen, die im Konzept der naturbezogenen Erholung ebenfalls eine großeRolle spielen, formuliert (z. B. Förderung des öffent-lichen Verkehrs, alternative Vermarktungsformen für landwirtschaftliche Produkte, Urlaub auf demLande u. a.).

Die räumliche Konkretisierung der konzeptionellenPlanungen erfolgte mit Hilfe der Einteilung in Ebenen ausgehend von den landschaftlichen Groß-strukturen, bis hin zur Detailplanung.

Dabei wurden zunächst großräumige Flächennut-zungen abgegrenzt (betrifft überwiegend die Makro-Ebene), dann die Erschließung der Landschaft durchein Erholungswegenetz festgelegt (betrifft überwie-gend die Meso-Ebene) und schließlich Vorschläge fürdie landschaftliche Gestaltung der Flächen und derWegrandbereiche erarbeitet (betrifft überwiegend dieMikro-Ebene). Die flächenbezogenen Maßnahmenwurden in Plänen dargestellt sowie in einem Erläute-rungsbericht beschrieben.

3 Ergebnisse

3.1 Konzeptioneller Ansatz

Wie bereits in Kapitel 1 angedeutet, zielt der konzeptionelle Ansatz des Forschungsprojekts aufVerbesserungen in folgenden Bereichen:

• Verbesserung der Situation der Landwirtschaft,

• Verbesserung des Angebots naturnaher Erholungsmöglichkeiten,

• Verbesserung des Landschaftsbildes in durch-schnittlich attraktiven, strukturschwachen Gebieten.

Durch die heute sich abzeichnenden gesell-schaftlichen Trends einerseits in der Landwirt-schaft, andererseits im Freizeitverhalten der Bevöl-kerung ergeben sich nicht selten negative Wechsel-wirkungen bezüglich der drei Bereiche Landwirt-schaft, Erholung und Landschaftsbild:

Aufgrund des Strukturwandels in der Landwirt-schaft ist mit einer allgemeinen Nutzungssegrega-tion zu rechnen. In Gebieten mit ungünstigen natür-lichen Produktionsvoraussetzungen wird befürchtet,daß mit der Aufgabe der Landbewirtschaftung unddem Brachfallen vieler Flächen die Anziehungskraftder Landschaft für Erholungssuchende zurückgeht.Gleichzeitig wird in Gebieten mit günstigen natür-

76 Berichte zur Ländlichen Entwicklung 73/1997

Page 77: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer

lichen Erzeugungsbedingungen die Intensität derBewirtschaftung vermutlich zunehmen oder zumin-dest nicht zurückgehen. Auch werden neue Nutzun-gen hinzukommen, wie z. B. der Anbau nachwach-sender Rohstoffe. Intensiv bewirtschaftete landwirt-schaftliche Gebiete sind wegen Beeinträchtigungendes Landschaftsbildes und des Naturhaushalts sowiewegen direkter Störungen, wie Lärm- und Geruchs-belästigung für die Erholung kaum geeignet.

Mit einem weiteren Anwachsen der Freizeit ist zuerwarten, daß der Erholungsdruck auf stadtnahe,attraktive Landschaften zunimmt. Dieser Trend wirdverstärkt, weil sich das Natur- und Umweltbewußt-sein in breiten Bevölkerungskreisen schon seit Jahrenausbreitet und damit die Nachfrage nach natur-nahen Erholungsmöglichkeiten zusätzlich erhöht.Ein Anwachsen des Erholungsdrucks, insbesondereauf die noch relativ naturnahen Bereiche und dieklassischen Erholungslandschaften, bedeutet jedocheine ernsthafte Gefährdung dieser für die Erholungwertvollen Gebiete. Durch die negativen Auswirkun-gen des intensiven Tourismus auf Natur und Land-schaft kommt es aufgrund der Übernutzung zuerheblichen Beeinträchtigungen des Landschafts-bildes, wie z. B. ortsuntypische und großmaß-stäbliche Baustrukturen, Einrichtungen und sonstigesperrige Infrastruktur. Darüberhinaus entstehendurch vermehrte Freizeit und Freizeitaktivitäten auchökologische Belastungen, die ebenfalls Folgen fürdas Landschaftsbild nach sich ziehen.

Vor diesem gesellschaftlichen Hintergrund lassensich folgende wünschbare Entwicklungen her-leiten:

Eine Aufbesserung durchschnittlicher bisherzum Zweck der Erholung wenig aufgesuchter Kul-turlandschaften, die den wachsenden Naturbedürf-nissen der Bevölkerung entgegenkommt und einenBeitrag zur Entlastung der klassischen Erholungs-landschaften sowie sonstiger naturnaher Land-schaftsbereiche leistet.

Die Bereitstellung von Möglichkeiten zur Erwirt-schaftung eines Zusatzeinkommens für die Land-wirte durch die Erholungsnutzung der Landschaft.Dieses trägt insbesondere in strukturschwachenGebieten zu ihrer Existenzsicherung bei. Damit wirdden Landwirten ein Anreiz gegeben, durch scho-nende Nutzung und Pflege der Landschaft einenBeitrag zur Förderung der naturbezogenen Erholungsowie zur Erhaltung bzw. Entwicklung eines ästhe-tisch ansprechenden Landschaftsbildes zu leisten.

Die Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagendurch naturbezogene Erholung als wichtige Land-nutzung, wodurch eine wesentliche Aufwertungdes Landschaftsbildes erreicht, und auch Verbes-serungen unter ökologischen Gesichtspunktenerzielt werden.

Der Ansatzpunkt zur Förderung naturbezoge-ner Erholung ist das Landschaftsbild. Durch Maß-nahmen zur Aufbesserung des Landschaftsbildes solldie naturbezogene Erholung in bisher wenig für Erholung genutzten, aber mit einem entwickelbarenästhetischen Grundpotential ausgestatteten Gebieten gefördert werden. Dadurch wird den Land-wirten zugleich eine zusätzliche Einkommensquelleerschlossen. Durch die Möglichkeit, am Fremdenver-kehr zu profitieren, wird den Landwirten wiederumein Anreiz gegeben, durch landwirtschaftliche Nutzung und Pflege das Landschaftsbild im Sinneeiner Förderung der Erholungseignung zu pflegenund zu entwickeln (vgl. Abb. 2).

L = LandschaftsbildverbesserungE = Förderung der ErholungZ = Zusatzeinkommen für Landwirte

Abb. 2: Förderung der Landwirtschaft durch Land-schaftsbildverbesserung

Berichte zur Ländlichen Entwicklung 73/1997 77

Page 78: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer

Das Konzept der naturbezogenen Erholung wurdeu. a. auf der Grundlage von Ansätzen zum »SanftenTourismus« und anderen alternativen Erholungs-formen entwickelt. In Übereinstimmung mit diesenTheorien zielt die naturbezogene Erholung vor allemauf Umwelt- und Sozialverträglichkeit der Pla-nung in den Erholungsgebieten, wobei Sozialverträg-lichkeit sowohl bezüglich der Einheimischen als auch der Erholungssuchenden (Gesundheitsaspekt u. a.) gewährleistet sein soll. Stärker als bei den bis-her bekannten Ansätzen soll jedoch auch die Nut-zung des endogenen Potentials an Naturerleb-nismöglichkeiten und kulturellen Ressourcensowie die Nachhaltigkeit der Erholungsnutzungbetont werden.

Umweltverträglichkeit besagt im hier vorgestell-ten Konzept zum einen, daß die Landschaft naturnahund in behutsamer Weise für naturbezogene Erho-lung aufgebaut und entwickelt wird, und daß durchErholungsaktivitäten in der Landschaft Natur undUmwelt nicht oder wenig belastet werden. Zweitensist damit gemeint, daß Natur als Aktivkapital fürErholung in besonderem Maße genutzt wird. Letzt-lich soll durch behutsamen Umgang mit Natur undLandschaft sowie die Förderung umweltverträglicherErholungsaktivitäten die Nachhaltigkeit der Land-schaft gesichert werden.

Sozialverträglichkeit im Konzept der naturbe-zogenen Erholung bedeutet vor allem, daß durch dieAufwertung des Landschaftsbildes für Erholung eine Verbesserung des Lebensraumes für die Ein-heimischen erreicht wird. Dazu gehört, daß diesozio-kulturelle Identität der Einheimischen durchzurückhaltende Erschließung und Vermarktunggeschützt wird. Auf der anderen Seite bedeutet diesauch, daß die sozialen und kulturellen Ressourcen(endogenes Potential) des ländlichen Raumes auch

für die Gäste nutzbar gemacht werden und daß dieangebotenen Erholungsformen der physischen undpsychischen Gesundheit der Erholungssuchendenförderlich sein sollen.

Ziel des Konzepts der naturbezogenen Erholungist es also, die für den heutigen Tourismus beschrie-benen ökologischen und gesellschaftlichen Kostendurch Ausnutzung gesellschaftlicher Trends undBeschränkung auf bestimmte Zielgebiete in ökolo-gischen und gesellschaftlichen Nutzen umzu-wandeln.

Zielgebiete für naturbezogene Erholung sind inerster Linie landschaftlich durchschnittlich ausge-stattete Gebiete mit geschwächter landwirtschaft-licher Betriebsstruktur. Dies trifft vor allem auf dieAgrargebiete der Mittelgebirgsregionen undHügelländer zu. Dabei ist in verschiedenen Gebietenmit einer unterschiedlichen Problemstellung zu rech-nen. So gibt es zum einen Gebiete, die aufgrundihrer Armut an Landschaftsbildelementen nocherheblich aufgebessert werden müssen, zum anderengibt es Gebiete, die aufgrund ihres Strukturreichtumsbereits ästhetisch sehr hochwertig sind. Hier liegtdas Problem eher in der Erhaltung dieses attraktivenLandschaftsbildes, das im Zuge des landwirtschaft-lichen Strukturwandels ohne lenkende Eingriffe balderheblichen Veränderungen unterworfen wäre.

Weitere Ausführungen zum konzeptionellenAnsatz des Forschungsprojekts finden sich im Zwischenbericht (Kapitel 4) und im Handbuch (Teil I).Aus dem hier entwickelten Konzept zur naturbezoge-nen Erholung können, wie in der folgenden Abbil-dung dargestellt, Leitziele und Planungsgrundsätzebezüglich der drei Bereiche Landwirtschaft, Erholungund Landschaftsbild abgeleitet werden (vgl. auchHandbuch, Kapitel 2.2 und 3 sowie den Bericht zurPlanung, Kapitel 4.3 und 5.3).

78 Berichte zur Ländlichen Entwicklung 73/1997

Abb. 3: Monotone Wälder bedürfen einer auflockernden Wegraumgestaltung

Page 79: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer

3.2 Handbuch

Das Handbuch Naturbezogene Erholung undLandschaftsbild soll als praxisorientierter Leitfadenund Nachschlagewerk für alle Personen, Planungsin-stitutionen und Natur- und Umweltschutzverbändedienen, die mit Planung auf der Gemeinde- oder ver-gleichbarer Ebene befaßt sind und in diesem Bereichnaturnahe Erholung entwickeln wollen. Es wendetsich insbesondere an die Ländliche Entwicklung undan die Gemeindeverwaltungen, die sich in besonde-rem Maße als Durchsetzungsinstrumente zur Ver-wirklichung gemeindlicher Ziele eignen.

Als Anleitung zur Verbesserung des Landschafts-bildes in agrarstrukturell schwachen Gebieten mitdem Ziel, dort die naturbezogene Erholung zu fördern, enthält das Handbuch zum einen Hinweiseund Anregungen zur Gestaltung des Landschafts-bildes. Darüberhinaus wird versucht, einen um-fassenden Überblick zu geben und auf viele mit demThemenkreis »naturbezogene Erholung« zusammen-hängenden Aspekte einzugehen, wobei viele Rand-probleme nur angerissen werden können. Deshalbfinden sich im Handbuch an den entsprechendenStellen zusätzlich Angaben zu weiterführenderLiteratur.

Das Handbuch gliedert sich in sechs Teile, indenen unterschiedliche Themenbereiche abgehandeltwerden.

Teil I (LANDSCHAFTLICHER STRUKTURWANDELUND PLANERISCHE VORSORGE) enthält als Ein-führung in den Problemkreis zunächst einen Aufrißder gesellschaftlichen und regionalen Problematik,die den Hintergrund bilden, vor dem das Konzept dernaturbezogenen Erholung entwickelt wurde. Anschließend wird das Konzept der naturbezogenenErholung als das dem Handbuch zugrundeliegendeLeitbild vorgestellt und erläutert. Dabei werden insbesondere die zu erwartenden zukünftigen Land-schaftsbilder beschrieben. Zuletzt werden Leitzieleund erste Planungsgrundsätze für naturbezogeneErholung und Landschaftsbild formuliert.

Teil II befaßt sich mit den Themenbereichen ANGEBOT UND NACHFRAGE. Zunächst werdenregionale Aspekte der Nachfrage und potentielleZielgebiete untersucht sowie der Kreis der möglichenZielgruppen bestimmt. Die anschließende Analyseder Reisemittel, der Motivationen und Ansprüche derErholungssuchenden, der Erholungsaktivitäten, derUnterkunftsarten und der Aufenthaltsdauer erfolgtimmer unter dem Blickwinkel der naturbezogenenErholung. Auch werden — wenn nötig bereits hier —

Berichte zur Ländlichen Entwicklung 73/1997 79

Konzeptioneller Ansatz:Landschaftsbildverbesserung durchnaturbezogene Erholung in strukturschwachen Agrargebieten

Leitziele für die Landwirtschaft:Stärkung der Landwirtschaft als landschafts-prägender Faktor durch Förderung der Erholungsnutzung— Förderung kleiner und mittlerer Betriebe durch

Erschließung zusätzlicher Verdienstmöglichkeiten— Entwicklung ökologisch und ökonomisch nach-

haltiger Modelle für die Landwirtschaft— Förderung von Bewußtseinsbildung und

Managementqualität— Erhalt der sozio-kulturellen Identität der

Einheimischen— Gleichstellung der Interessen von Einheimischen

und Erholungssuchenden

Leitziele für die Erholung:Verbesserung des Angebots naturbezogenerErholungsmöglichkeiten— Erholungsangebot für verschiedene, insbeson-

dere distanzempfindliche Bevölkerungsgruppen— Selbstbestimmte, aktive Erholung— Förderung spontaner Erholungsaktivitäten

(aktive Naturaneignung)— Förderung verantwortungsbewußten Erholungs-

verhaltens— Förderung der Kontaktchancen zwischen

Einheimischen und Erholungssuchenden

Leitziele für das Landschaftsbild:Ästhetische Aufbesserung des Landschaftsbildesunter Berücksichtigung ökologischer, ökono-mischer u. a. Rahmenbedingungen— Entwicklung von Landschaftsbildern auf der

Grundlage der Nutzungen— Gezielte Spontanentwicklung in der Landschaft

(Erlebnis erhabener Natur) — »lesbare« Landschaft durch prägnanzstiftende

Gestaltung und den gezielten Zugang zu land-schaftlichen Schönheiten

— Verbesserung der Vielfalt und Naturnähe durchAnreicherung mit landschaftlichen Strukturenund Nutzungen

— Erhalt und Betonung der Eigenart durch Berück-sichtigung der typischen natürlichen und kulturellen Gegebenheiten und durch Milderungder Wirkung eigenartstörender Elemente

— Verbesserung der Raumwirkung in der Land-schaft durch Gliederung, Raumfolgen, Groß-vegetation

Page 80: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer

praxisbezogene Planungshinweise gegeben. Da eineAbgrenzung von Aktivitäten naturbezogener Er-holung gegenüber anderen »härteren« Erholungs-formen oftmals nicht einfach ist, werden zuletzteinige Übergangsbereiche zum »harten« Tourismusgenannt und Lösungsansätze für Problembereichevorgeschlagen.

Auf der Angebotsseite werden die Möglichkeiten— speziell der Landwirte — untersucht, mit einementsprechenden Angebot auf die Nachfrage nachnaturnahen Erholungsmöglichkeiten zu reagieren.Vorweg werden Grundsätze zur Angebotsgestaltungerläutert. Hierzu gehören die Diversifikation desAngebots, gegenseitige Ergänzung der verschiedenenAngebotsformen, Nutzung regionaler Ressourcen alsGrundlage des Angebots, Zusammenarbeit derAnbieter sowie Beratung und Weiterbildung derAnbieter.

Anschließend werden die verschiedenen Ange-botsformen beschrieben und hinsichtlich ihrerBedeutung für naturbezogene Erholung, den poten-tiellen Zielgruppen, ihrer wirtschaftlichen Bedeutungfür die Anbieter, den notwendigen Voraussetzungensowie der möglicherweise auftretenden Problemeund Konflikte analysiert und Lösungsvorschläge zurAngebotsgestaltung sowie zur Organisation undFinanzierung entwickelt. Mögliche Angebotsformensind: Urlaub auf dem Lande, Übernahme vonFührungen und Kursen durch Landwirte, gemein-schaftlich organisierte Angebote, wie z. B. Haustier-rassenparks, Angebote für Sport und Gesundheit,Direktvermarktung u. a. Wichtig ist in diesemZusammenhang insbesondere die Organisation undGestaltung der Vermarktung und Gästeinformation,der ein eigenes Kapitel gewidmet ist. Da bei naturbe-zogener Erholung i. d. R. die Einheimischen zugleichAnbieter von Erholungsmöglichkeiten sind, werdenan dieser Stelle auch mögliche Nutzungskonfliktezwischen Erholungssuchenden und ortsansässigerBevölkerung behandelt, wobei insbesondere die Bürgerbeteiligung als eine Möglichkeit, Konflikte zuvermeiden bzw. zu lösen, näher erläutert wird.

Als letzter Punkt in Teil II werden weitere alterna-tive Verdienstmöglichkeiten für Landwirte genannt,die nicht oder nur am Rande mit Erholung zu tunhaben. Aufgrund des Umfangs der Thematikbeschränkt sich das Handbuch hier auf eine Aufzäh-lung verschiedener Möglichkeiten und auf Hinweisezu weiterführender Literatur.

Teil III behandelt die für naturbezogene Erholungbedeutsamen infrastrukturellen EINRICHTUNGENIN DER LANDSCHAFT. Als einleitendes Kapitel wer-den zunächst einige grundsätzliche Überlegungen

zur Landschaft als naturbezogenem Erholungsraumsowie zur Erschließung der Landschaft für naturbe-zogene Erholungsaktivitäten vorangestellt.

Als wichtigste Elemente für die Erschließung wer-den sodann die verschiedenen Wegetypen in einerschematischen Form abgehandelt. Nach einer kurzenDefinition werden Leitziele für die Wegeführung und-gestaltung formuliert. Anschließend wird ihreBedeutung für naturbezogene Erholung und poten-tielle Probleme und Konflikte analysiert, um schließ-lich zu praktikablen Lösungsvorschlägen und Aus-führungshinweisen zu gelangen. Das Kapitel überWege wird mit speziellen Überlegungen zur Wege-führung in monotonen Landschaftsbereichen abge-schlossen (Wegechoreographie).

Die für naturbezogene Erholung ebenfalls sehrbedeutsamen Rast- und Schutzeinrichtungen, sowieAussichts- und Beobachtungseinrichtungen, Infor-mations- und Lehreinrichtungen, Parkgelegenheitenund Flächen für aktive Naturaneignung werden inähnlicher Weise wie die Wege besprochen. Dabeinehmen die Flächen für aktive Naturaneignung imRahmen der naturbezogenen Erholung eine beson-dere Stellung ein und werden deshalb etwas aus-führlicher behandelt.

Zum Abschluß von Teil III wird die Bedeutung derAnkunftsräume, die als Vermittler des ersten Ein-drucks besonders wichtig sind, diskutiert und Vor-schläge zu ihrer Gestaltung erarbeitet.

Teil IV befaßt sich mit Fragen zur LANDSCHAFTS-ÄSTHETIK. Zunächst werden in einem einleitendenTeil die landschaftsästhetischen Grundlagen erläutert(Bedeutung des Landschaftsbildes für naturbezogeneErholung, Landschaftsästhetische Grundlagen, Land-schaftsbild als Planungsgrundlage), wobei insbeson-dere die Wahrnehmung des Landschaftsbildes, sowieAspekte einer neuen »naturnäheren« Landschafts-ästhetik im Vordergrund stehen.

Aufgrund der besonderen Bedeutung der land-schaftlichen Eigenart für die Wahrnehmung derLandschaft und für naturbezogene Erholung (endo-genes Potential) wird sie in einem eigenen Kapitelabgehandelt, wobei neuere Entwicklungen (Brach-fallen größerer Flächen) besondere Beachtung fin-den. Der Brachflächen- und Aufforstungsproblematikist darüberhinaus ein weiteres Kapitel gewidmet.

Weiterhin werden potentielle Landschaftsbild-beeinträchtigungen im Bereich der visuellen, aku-stischen, olfaktorischen und taktilen Wahrnehmungangesprochen sowie Planungsansätze zum Umgangmit gestörten Landschaftsbereichen vorgestellt.

80 Berichte zur Ländlichen Entwicklung 73/1997

Page 81: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer

Am Ende von Teil IV erfolgt ein Exkurs zurAbgrenzung der Landschaftsästhetik gegenüber derLandschaftsökologie.

Teil V umfaßt den Hauptteil des Handbuchs. Hierwerden die häufigsten Landschaftsbilder hinsicht-lich ihrer Bedeutung für naturbezogene Erholungbehandelt (LANDSCHAFTSBILDER FÜR NATUR-BEZOGENE ERHOLUNG), wobei für analytischeZwecke eine Typenbildung der Landschaftsbildervorgenommen wird. Dabei werden Gewässerbilder,Waldbilder, Feld- und Wiesenflurbilder, Ortsrandbil-der, Straßenbilder und Erscheinungsbilder derAbbau- und Deponielandschaften als Hauptgruppenunterschieden. Ergänzend werden die Erscheinungs-bilder wertvoller Einzelobjekte, wie z. B. Gehölzstruk-turen, geomorphologischer oder baulicher Land-schaftsbestandteile behandelt.

Einleitend werden die Kriterien, mit deren Hilfe dietypischen Landschaftsbilder beschrieben werden, dis-kutiert, wobei die räumliche Wirkung, die in denlandschaftsästhetischen Untersuchungen der letztenJahre nur wenig behandelt wurde, ausführlichererörtert wird.

Anschließend werden die verschiedenen Land-schaftsbilder in systematischer Form nach folgen-dem Punktekatalog abgehandelt:

• Kurzbeschreibung

• Charakteristische Landschaftsbildelemente

• Auslöser räumlich-ästhetischer Erlebnisse (Präg-nanz, kleinräumige Wirkung, großräumige Wir-kung, ästhetische Wirkung, Seltenheitswert)

• Bedeutung für naturbezogene Erholung (sinnlicheNaturaneignung, körperliche Naturaneignung)

• Ästhetische und rekreative Defizite und Gefähr-dungen

• Leitlinien für naturbezogene Erholung und Land-schaftsbild

• Maßnahmenvorschläge (allgemeine Maßnahmenzur Förderung des Landschaftsbildes, Maßnahmenzur Förderung des landschaftsästhetischen Erleb-nisses, Maßnahmen zur Förderung der aktivenErholung)

In Teil VI werden schließlich PLANUNGSASPEKTENATURBEZOGENER ERHOLUNG erläutert.

Die Hinweise zur Planungsmethodik beinhaltenÜberlegungen zur Entwicklung von Leitbildern undKonzepten, zu Bestandsaufnahme und Bewertungenbezüglich ästhetischer Fragestellungen sowie zurEntwicklung des Landschaftsbildes für naturbezoge-ne Erholung. Auf Abhandlungen zur allgemeinen

Planungsmethodik wurde dabei bewußt verzichtet.Das Handbuch beschränkt sich gezielt auf Frage-stellungen aus den Bereichen Landschaftsästhetikund naturbezogene Erholung.

Bezüglich der Planungsinstrumente beschränktsich das Handbuch auf kurze Hinweise sowie eineAuflistung der gängigen Instrumente in Verbindungmit umfangreichen Literaturhinweisen.

Aufgrund der besonderen Bedeutung der Länd-lichen Entwicklung als Umsetzungsinstrument fürdas Konzept der naturbezogenen Erholung aufGemeindeebene folgen abschließend Hinweise zurKonzeptumsetzung im Rahmen der Ländlichen Entwicklung.

3.3 Planerische Verprobung in zwei Gebieten

Nach einem einleitenden Teil wird die Vorgehens-weise bei der Planung erläutert, wobei bereits dasLeitbild für naturbezogene Erholung sowie die wich-tigsten Leitziele entwickelt werden. Es folgt einekurze Beschreibung der Untersuchungsgebiete sowieder unterschiedlichen Gebietsproblematik.

Anschließend werden die Ergebnisse der Planun-gen für beide Gebiete in Form prototypischer Ent-wicklungsplanung nach einem einheitlichen Musterin Wort und Karte (M 1 : 10 000) dargestellt.Zunächst wird das Leitbild für naturbezogene Erho-lung in Bezug zu dem jeweiligen Untersuchungsge-biet regionalisiert. Es folgt eine kurze Zusammen-fassung der Ergebnisse aus Bestandsaufnahmeund Bewertungen.

Anschließend werden als erster PlanungsschrittKonzepte bezüglich der drei Bereiche Landwirtschaft,naturbezogene Erholung und Landschaftsbild sowiebezüglich der drei Ebenen räumlicher Zusammen-hänge (Makro-, Meso- und Mikro-Ebenen) ent-wickelt. Die wichtigsten Planungsgrundsätze, die fürbeide Untersuchungsgebiete gelten, sind in der nach-folgenden Übersicht dargestellt. Zur Umsetzung undErgänzung sind darüberhinaus flankierende Kon-zepte, vor allem in bezug auf Angebotsgestaltung,Verkehrsmittel u. a., notwendig, die das Gesamt-konzept abrunden. Um zu zeigen, wie die verschiede-nen Maßnahmen miteinander in Zusammenhangstehen wird die Vernetzung der verschiedenenKonzepte anhand einer Übersichtstafel dargestellt.

Bei der räumlichen Konkretisierung der Konzeptewerden zunächst großräumige Flächennutzungen(Makro-Ebene) festgelegt und Gestaltungsmaßnah-men für die verschiedenen Flächenkategorien vorge-

Berichte zur Ländlichen Entwicklung 73/1997 81

Page 82: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer

schlagen. Anschließend wird die Erschließung fürnaturbezogene Erholung sowie die Ausstattung mitEinrichtungen der Erholungsinfrastruktur behandelt.Zuletzt wird auf spezielle Probleme, wie die Land-

WICHTIGE PLANUNGSGRUNDSÄTZE

Land- und Forstwirtschaft

• großflächige Pflege des Landschaftbildes durchsinnvolle wirtschaftliche Flächennutzung,

• Naturnähere Flächennutzung — Nutzungsexten-sivierung bzw. Deintensivierung in Land- undForstwirtschaft,

• Anpassung der land- und forstwirtschaftlichenNutzung an die jeweiligen Standortvoraus-setzungen,

• Berücksichtigung der kulturhistorischen Eigenartdes Gebiets bei der Flächennutzung,

• Förderung eines vielfältigen Landschaftsbildesdurch die Flächennutzung,

• Berücksichtigung der Bedürfnisse der Erholungs-suchenden bei der Flächennutzung,

• Herausnahme größerer Bereiche der Landschaftaus der Nutzung, natürliche Sukzession.

naturbezogene Erholung

• Ausrichtung der Erschließung und Infrastruktur-ausstattung sowie des Angebots und der Ver-marktung auf die jeweils im Vordergrund stehen-de Erholungsform (Nah- bzw. Urlaubserholung),

• naturästhetische Aufbesserung der Landschaftals Voraussetzung für naturbezogene Erholung,

• ästhetische Aufbesserung bzw. Umgehen land-schaftsästhetisch gestörter Bereiche,

• keine Vorgabe fester Nutzungsabläufe — Flächenfür spontane Gestaltung, Angebot von Wege-alternativen,

• Ermöglichen aktiver Erholungsformen (aktiveNaturaneignung),

• keine einseitige Festlegung auf bestimmte Ziel-gruppen bei der Angebotsgestaltung,

• Schutz ökologisch besonders wertvoller undempfindlicher Bereiche vor Beeinträchtigungendurch die Erholungsnutzung,

schaftsbildverbesserung in gestörten Bereichen, denästhetischen Umgang mit ökologisch empfindlichenBereichen eingegangen: auch werden Sonderprojekte(Ökovermarktung, Skulpturenpark) erläutert.

• Erschließung (Wegeführung und Befestigung)nach funktionalen Gesichtspunkten in Abstim-mung auf die Aktivitäten naturbezogener Erholung sowie klimatische und edaphischeGegebenheiten,

• Nutzung vorhandener Wege und Infrastrukturfür die Erholung,

• Erhöhung der Erlebnisvielfalt in Wegeverlauf,

• Naturnahe und landschaftsgerechte Gestaltungvon Wegen und anderen Einrichtungen der Erholungsinfrastruktur.

Landschaftsbild

• Entwicklung der Landschaftsbilder auf derGrundlage langfristig wirtschaftlicher Nutzungen,

• Zulassen spontaner Entwicklungen in der Land-schaft (natürliche Sukzession),

• Verbesserung der »Lesbarkeit« prägnanter Strukturen und Nutzungen in der Landschaft,

• Verbesserung der landschaftlichen Vielfalt u. a.durch Neuschaffung belebender und gliedernderLandschaftselemente auch in intensiv genutztenBereichen,

• Verbesserung der Naturnähe, u. a. durchNeuschaffung naturnaher Bereiche und Land-schaftsbestandteile,

• Erhalt und Betonung der Landschaftseigenartdurch Berücksichtigung der typischen natür-lichen und kulturellen Gegebenheiten und durchMilderung der Wirkung eigenartstörender Elemente,

• Vorzug der Renaturierung vor der Neuschaffungvon Landschaftselementen,

• soweit möglich natürliche Entwicklung statt Pflege und Gestaltung,

• Einbindung der Dörfer in das Landschaftsbild.

82 Berichte zur Ländlichen Entwicklung 73/1997

Page 83: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer

3.3.1 Untersuchungsgebiet Ansbach (Naherholungsgebiet)

Nachfolgend werden die wichtigsten Konzepteund Maßnahmen bezüglich des Untersuchungsge-biets Ansbach aufgelistet. Weitere Maßnahmen undErläuterungen finden sich im Bericht zur Planung(Prototypische Landschaftsbildentwicklung fürnaturbezogene Erholung) sowie im zugehörigenEntwicklungsplan. Bei Naherholung können dieLandwirte in der Regel weniger direkt vom Fremden-verkehr, z. B. durch Übernachtungen, profitieren. Eswird daher vorgeschlagen, daß die Stadt Ansbach,als hauptsächlicher Nutznießer einer Entwicklungnaturbezogener Erholungsangebote für Naherho-lung, die vorgeschlagenen Maßnahmen finanziellfördert. Daneben wird auch die Entwicklung natur-bezogener Urlaubserholung im Naherholungsgebietnicht ausgeschlossen.

Flächenzuweisung für großflächige Nutzungen:

• Flächen für intensive landwirtschaftliche Nutzungauf den zusammenhängenden Hochflächen undflachen Hängen,

• absolute Grünlandnutzung (Mähwiesen) in denFluß- und Bachauen,

• weiteres Grünland (unbestimmte Grünlandnut-zung) an weniger steilen Hängen,

• extensive Beweidung durch Schafe an Steil-hängen,

• Aufwaldungen zur Verdeutlichung landschaft-licher und kulturell bedingter Großstrukturen(Wiedersichtbarmachen von Rodungsinseln,Verlängerung eines Wiesentals),

• Aufwaldungen zur Waldrandgestaltung,

• Ausweisung und Entwicklung von Sukzessions-flächen (Initialpflanzungen zur Steigerung derErlebniswirksamkeit).

Flächengestaltung:

• Gestaltung der Ackergebiete durch systematischePflanzung von Obstbaumreihen entlang vonWegen und Schlaggrenzen,

• Gestaltung von Grünlandgebieten durch land-schaftstypische Heckenpflanzungen (höhenlinien-parallel oder senkrecht zu den Höhenlinien),

• zusätzliches Einbringen von Landschaftsbildele-menten in Wegraumaufweitungen zur Ergänzungund Aufwertung vorhandener Landschaftsstruk-turen, zur Vernetzung vorhandener Strukturen,

als Gegengewicht oder zur Entschärfung vonStörfaktoren (insbesondere im Auenbereich derFränkischen Rezat),

• Offenhaltung der Steilhänge durch extensiveBeweidung (Schafe), gelegentliche Auflichtungvon Sichtschneisen an bewaldeten Steilhängen,

• langfristiger Umbau monotoner Kiefern- undFichtenforste in standortgerechte, vielfältigeMischbestände,

• in Sukzessionsflächen Einbringen von Initial-pflanzungen zur Förderung der Entwicklungabwechslungsreicher Landschaftsbilder.

Erschließung:

• Erschließung durch ein von Ansbach ausgehendesfingerförmiges Wanderwegenetz und Gestaltungund Kennzeichnung durch Alleebepflanzung,

• Verbindung der radialen Wanderwege zu Rund-wanderwegen, Gestaltung und Kennzeichnungder Querverbindungen durch Baumgruppen inregelmäßigen Abständen,

• dichteres Wanderwegenetz im Stadtrandbereich(Stadtrandzone ca. 2 km breit),

• Ausweisung eines ähnlich geformten, jedochweitmaschigeren Radwegenetzes, i. d. R. parallelzu Straßen,

• Ausweisung eines »Höhenpfades« entlang desstark gebuchteten Steilhanges am Wernsbach-und Zellbachtal,

• Vorschläge für über das Untersuchungsgebiethinausführende Reitwege ausgehend von Röshof,

• Erschließung landschaftlicher und kulturhisto-rischer Besonderheiten als Wanderziele,

• bevorzugte Erschließung der ästhetisch hoch-wertigen Bereiche.

Erholungsinfrastruktur:

• Anlage von Rastgelegenheiten entlang derWanderwege in mehr oder weniger regelmäßigenAbständen (max. Entfernung 5 km), sowie beiAussichtspunkten, anderen landschaftlichenBesonderheiten und bei Flächen für aktiveNaturaneignung,

• Ausweisung von Flächen für aktive Naturaneig-nung (spielerischer Umgang mit Naturmaterialienund -kräften) in verschiedenen Bereichen, insbe-sondere in ehemaligen Sandgruben und auf neu-geschaffenen Sukzessionsflächen,

Berichte zur Ländlichen Entwicklung 73/1997 83

Page 84: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer

• Anlage von Parkgelegenheiten nur sparsam undam unmittelbaren Stadtrand,

• Anlage von Spielwiesen nur in der Stadtrandzone,

• Anlage von Lagerflächen am Höhenpfad.

Landschaftsbildverbesserung in gestörten Bereichen:

• Schaffung eines ästhetischen Gegengewichtsdurch Einbringen vielfältiger, naturnaher Land-schaftselemente (z. B. im Tal der FränkischenRezat, bei Kreuzungspunkt mehrerer Hoch-spannungsleitungen),

• Aussparung stark gestörter Bereiche aus demWegenetz für Erholung, Umgehen (z. B. Staats-straße Ansbach-Rügland),

• Beseitigung der blockartigen Fichtenpflanzungenam Rand des Truppenübungsplatzes Urlas,

• Verbesserung des Landschaftsbildes in mono-tonen Ackergebieten und Kiefernforsten vgl.Flächennutzungen.

Ästhetischer Umgang mit ökologisch empfind-lichen Bereichen:

• Aussparung ökologisch empfindlicher Bereicheaus dem Erholungswegenetz,

• Neuschaffung bzw. Entwicklung und Erschließungvon Biotopstrukturen an anderer Stelle,

• z. T. Schutz durch Besucherlenkung (Bohlenstegam Salzweiher).

Sonderprojekt Ökovermarktung:

• Vermarktung von Produkten aus dem ökolo-gischen Anbau zur Schaffung eines besonderenErlebnisbereichs bei Egloffswinden (»Ökodorf«),

• in Verbindung mit der Einrichtung kunstgewerb-licher Betriebe mit Verkauf,

• Ergänzung durch ein attraktives gastronomischesAngebot und Einrichtungen für Kinder (naturnaheSpielbereiche, überdachte Spielräume, evtl. mitAufsichtsperson),

• zusätzlich Übernahme der Funktion eines Infor-mationszentrums,

• Schaffung von Anschlüssen an den ÖffentlichenPersonennahverkehr, insbesondere an denWochenenden, Einrichtung eines von Landwirtenbetriebenen Kutschenfahrdienstes von Ansbachaus,

• Pavillonbauweise, Anwendung siedlungsökolo-gischer Prinzipien.

3.3.2 Untersuchungsgebiet Oberaurach (Urlaubsgebiet)

Nachfolgend werden die wichtigsten Maßnahmenbezüglich des Untersuchungsgebiets Oberaurachaufgelistet. Weitere Maßnahmen und Erläuterungenfinden sich im Bericht zur Planung (PrototypischeLandschaftsbildentwicklung für naturbezogeneErholung) sowie im zugehörigen Entwicklungsplan.Die Problematik dieses Gebiets liegt weniger in derNotwendigkeit, landschaftsbildverbessernde Maß-nahmen zu ergreifen, sondern vielmehr in der Erhal-tung eines bereits sehr vielfältigen und naturnahenLandschaftsbildes bzw. in der Entwicklung eines ähnlich attraktiven Landschaftsbildes bei fort-schreitendem Strukturwandel.

Flächenzuweisung für großflächige Nutzungen:

• Flächen für intensive landwirtschaftliche Nutzungauf den relativ ebenen zusammenhängendenHöhenrücken beiderseits des Aurachtals, insbe-sondere im Norden,

• absolute Grünlandnutzung (Mähwiesen) in denFluß- und Bachauen, Wiederherstellung von Wiesentälern durch Herausnahme von Wald-flächen und Fichtenaufforstungen,

• Weidegebiete für Damwild im Anschluß an bestehendes Damwildgehege sowie in hängigen Bereichen mit ungünstigen natürlichen Produk-tionsvoraussetzungen,

• extensive Beweidung durch Schafe an Steil-hängen,

• Fortsetzung bzw. Ausweitung des extensivenObstbaus in Streuobstgebieten um die Dörfer Fatschenbrunn, Dankenfeld und Lembach,

• kleinteilige intensive Flächennutzung in den Dorfrandzonen (ca. 200 m breit) — zumeist gärtnerische Nutzung, jedoch keine feste Nutzungsvorgabe,

• Aufwaldungen nur geringfügig, meist zur Wald-randgestaltung,

• Ausweisung und Entwicklung größerer Sukzessionsflächen (Initialpflanzungen),

• Ausweisung von Flächen für Christbaumkulturenin zwei Bereichen.

84 Berichte zur Ländlichen Entwicklung 73/1997

Page 85: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer

Flächengestaltung:

• nur geringe landschaftsbildverbessernde Maßnahmen notwendig,

• Gestaltung der Ackergebiete durch Einbringenvon Feldgehölzen in mehr oder weniger regel-mäßigen Abständen, insbesondere entlang derWege und bei vorhandenen Ansätzen,

• langfristiger Umbau von Nadelholzforsten instandortgerechte Mischbestände,

• Gestaltung der Christbaumkulturen durch Ein-bringen gliedernder Elemente, breiter, insbeson-dere straßen-(weg-)seitiger Randstreifen undgroßer Solitärgehölze,

• in Sukzessionsflächen Einbringen von Initialpflan-zungen zur Förderung der Entwicklung abwechs-lungsreicher Landschaftsbilder.

Erschließung:

• Erschließung durch parallel verlaufende Tal- undHöhenwege:im Tal der Aurach Wander- und Radweg,(historischer) Höhenweg nördlich des Aurachtalsbevorzugt als Wanderweg,Höhenweg südlich des Aurachtals bevorzugt alsRadweg,

• Gestaltung der Talwege durch Alleen,

• Gestaltung der Höhenwege durch Feldgehölze inmehr oder weniger regelmäßigen Abständen,

• Verbindung der Dörfer durch einen Dörferrund-weg, Gestaltung und Markierung durch Einbrin-gen von Felsblöcken in Verbindung mit Solitär-gehölzen in regelmäßigen Abständen,

• Erschließung der Dorfrandzonen durch kürzereRundwege.

Erholungsinfrastruktur:

• Anlage von Rastgelegenheiten entlang der Wan-derwege in mehr oder weniger regelmäßigenAbständen (max. Entfernung 5 km), sowie beiAussichtspunkten, anderen landschaftlichenBesonderheiten und Flächen für aktive Natur-aneignung,

• Ausweisung von Flächen für aktive Naturaneig-nung (spielerischer Umgang mit Naturmaterialienund -kräften) in verschiedenen Bereichen, ins-besondere in Steinbrüchen und auf neuge-schaffenen Sukzessionsflächen,

• Anlage von Parkgelegenheiten nur sparsam amRand großer zusammenhängender Waldgebiete,

• Anlage von Spiel- und Lagerwiesen nur in denNahzonen am Dorfrand.

Landschaftsbildverbesserung in gestörtenBereichen:

• Schaffung eines ästhetischen Gegengewichtsdurch Einbringen vielfältiger, naturnaher Land-schaftselemente (z. B. bei der Freileitung im Ostendes Untersuchungsgebiets, im Tal der Aurach),

• Aussparung stark gestörter Bereiche aus dem Wegenetz für Erholung, Umgehen (z. B. Freileitung s. o.),

• Beseitigung von Fichtenpflanzungen in Wiesentälern,

• Ausweisung spezieller Bereiche für Christbaum-kulturen und Aufwertung durch Gestaltungsmaß-nahmen (Einbeziehung als erlebniswirksameSonderkulturen ins Wegenetz),

• Nutzung des Abbaugebiets bei Kirchaich alsbesondere gewerbliche Sehenswürdigkeit mit kulturhistorischem Bezug.

Ästhetischer Umgang mit ökologisch empfind-lichen Bereichen:

• Aussparung ökologisch empfindlicher Bereicheaus dem Erholungswegenetz,

• Neuschaffung bzw. Entwicklung und Erschließungvon Biotopstrukturen an anderer Stelle,

• z. T. Schutz durch Besucherlenkung (Talweg amRande des Naturschutzgebiets Tretzendorfer Weiher).

Sonderprojekt Skulpturenpark:

• Anbieten von Bildhauerkursen bzw. Einrichteneiner offenen Werkstatt für Urlauber für kreativesGestalten mit Stein in der Nähe des Steinbruchsbei Kirchaich,

• Bereitstellung einer Fläche zum Aufstellen undBearbeiten der Skulpturen, parkähnliche Gestaltung der Fläche,

• Ergänzung durch notwendige Infrastruktur-einrichtungen und gastronomischen Betrieb.

Berichte zur Ländlichen Entwicklung 73/1997 85

Page 86: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer

4 Methodische Probleme

4.1 Methodische Probleme bei der Entwicklung eines konzeptionellenAnsatzes

Angesichts der vielschichtigen Verknüpfungen zuanderen Themenbereichen, die durch das Themagegeben sind, war eine gewisse Beschränkung beider Auswahl der zu analysierenden Literatur unum-gänglich. Zur Entwicklung eines konzeptionellenAnsatzes wurde überwiegend Literatur verwendet,die sich mit dem Problemkreis »Sanfter Tourismus«befaßt.

Die Literatur zum Thema »Sanfter Tourismus« istbereits umfangreich und vielfältig. Sie reicht vongesellschaftlichen Theorien über praktische Tips undAnregungen für Anbieter und Nachfragende bis hinzu planerischen Lösungsstrategien. Viele der ausge-werteten Veröffentlichungen behandeln darüberhin-aus mehrere Themenbereiche zugleich, so daß einesystematische Einordnung erschwert wird.

Für die Entwicklung eines konzeptionellen Ansat-zes wurden, da sich die Aussagen der verschiedenenAutoren oftmals wiederholen, nur solche Veröffent-lichungen herangezogen, die das Thema »SanfterTourismus« in umfassender Weise behandeln. Relevante Aussagen aus anderen Veröffentlichungenwurden ergänzend verwendet.

Das Konzept der naturbezogenen Erholung rea-giert auf die sich bereits abzeichnende Entwicklungin der Landwirtschaft, daß nämlich viele Landwirtedie Bewirtschaftung aufgeben und ihre Flächen ver-pachten. So entsteht die Situation, daß in manchenGemeinden keine praktizierenden Landwirte mehr zufinden sind und die Flächen von externen Landwir-ten bewirtschaftet werden. Die ehemaligen Land-wirte sind jedoch zumeist noch Besitzer und Bewoh-ner der Hofstelle. Gerade hier gibt es ein Potentialleerstehender Bausubstanz, das für die Erholungaktiviert werden sollte. Deshalb wird im Konzept dernaturbezogenen Erholung nicht von Urlaub auf demBauernhof gesprochen, sondern von Urlaub aufdem Lande. Dieser Begriff ist weiter gefaßt undentspricht daher der tatsächlichen Situation im gesamten ländlichen Raum. Es werden alle Unter-kunftsformen eingeschlossen, die aufgrund ihrerGröße umweltverträglich sind, die sich in Konzep-tionen naturbezogener Erholung einbeziehen lassenund von denen erwartet werden kann, daß sie zurWertschöpfung der Bevölkerung vor Ort beitragen

(kleinere Campingplätze, Campingplätze an Bauern-höfen, Pensionen, Landhotels, aufgegebene Bauern-höfe u. a.).

4.2 Methodische Probleme bei der Erstellung des Handbuchs

Bei der Erstellung des Handbuchs zeigte sich, daßaufgrund des Umfanges des Themenbereichs an vielen Stellen Beschränkungen notwendig sind. Sowird eine Reihe von Randthemen nur angeschnittenund auf entsprechende Literatur verwiesen (z. B.zusätzliche Erwerbsquellen für Landwirte, Themen-bereich Siedlungsökologie u. a.).

Die systematische Abhandlung der verschiede-nen Landschaftsbildtypen (Teil V) bildet das Kern-stück des Handbuchs.

Die Notwendigkeit, Landschaftsbildtypen in syste-matischer Weise zu erfassen und eine Systematik derLandschaftsbilder zu entwerfen, ergab sich dabei erstim Laufe der Forschungsarbeiten. Zum einen ist dieSystematik eine Hilfe, die Fülle vorhandener Land-schaftsbilder in eine planerisch handhabbare Ord-nung zu bringen. Zum anderen hat sich bei der Bearbeitung des Themas gezeigt, daß eine plane-rische Auseinandersetzung mit Landschaftsbildernbisher nur für wenige Landschaftstypen vorliegt.Daher wird versucht, durch eine möglichst vollstän-dige Zusammenstellung von häufig vorkommendenLandschaftsbildtypen unter rekreativem und ästhe-tischem Blickwinkel eine Lücke zu schließen. Obwohldie hier verfolgte naturästhetische Betrachtung derLandschaftsbilder ökologische Überlegungen mit ein-bezieht, kann diese systematische Abhandlung deneigenen planerischen Ansatz und dessen Relevanzfür den landschaftlichen Lebensraum der Menschengut verdeutlichen.

Aufgrund des weitgehenden Fehlens von Literaturzur ästhetischen Betrachtung von Landschaftstypenwurden oftmals ökologisch motivierte Aussagen alsAnregungen aufgenommen und dann spezifischeAussagen und Maßnahmenvorschläge aus ästhe-tischer Sicht entwickelt.

Viele Landschaftsbildtypen, insbesondere dieanthropogen entstandenen (z. B. Abbau- und Deponielandschaften, Straßenbilder, bauliche Struk-turen u. a.), können in ästhetischer Hinsicht oftmalsvöllig verschieden wirken. Sie können je nach ihrerAusgestaltung sowohl eine positive als auch einenegative ästhetische Wirkung aufweisen. Bei diesenLandschaftsbildtypen wurden jeweils beide Möglich-keiten kurz beschrieben und diskutiert.

86 Berichte zur Ländlichen Entwicklung 73/1997

Page 87: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer

In Teil III des Handbuchs wird die Ausstattungder Landschaft mit Erholungsinfrastrukturbehandelt. Auch hier zeigte sich, daß neuere Literatur speziell zu diesem Thema sehr spärlich ist,insbesondere wird die Thematik kaum bzw. nichtexplizit unter ästhetischen Gesichtspunkten be-trachtet. Darüberhinaus erscheinen viele der in derLiteratur vorgeschlagenen Maßnahmen auf »norma-len« Tourismus zugeschnitten und sind damit füreine naturbezogene Erholung oft zu weitgehend.Deshalb mußten auch bezüglich den Erholungsein-richtungen viele Aussagen erst der naturbezogenenErholung angepaßt bzw. neue Maßnahmenvor-schläge entwickelt werden.

Die Problematik der naturbezogenen Erholungverdeutlichte bald, daß eine Ästhetik der traditionel-len Kulturlandschaft nicht ausreichend ist, auf dieProbleme des gegenwärtigen Strukturwandelsumfassend zu antworten. Um mit den zunehmendenSukzessionsflächen ästhetisch-planerisch umgehenzu können, wurde daher in Teil IV der Ästhetik-Ansatz um die Kategorie des Erhabenen ergänzt.Um die Eigenständigkeit des Ästhetikansatzes in der Planung zu verdeutlichen, wurde darüberhinaus dasVerhältnis von Landschaftsästhetik und Land-schaftsökologie in einem Exkurs zu klären versucht.

In Teil VI des Handbuchs werden Planungs-aspekte naturbezogener Erholung behandelt. Daes nicht Aufgabe des Handbuchs sein kann, einenumfassenden Überblick über die Planungsmethodikzu geben, werden in diesem Kapitel nur spezielleAspekte, die bei der Verbesserung des Landschafts-bildes für naturbezogene Erholung zu beachten sind,diskutiert. Insbesondere werden auch die Methodenerläutert, die bei den Beispielsplanungen zur Anwen-dung kamen.

4.3 Methodische Probleme bei der Planung

Bereits bei der Auswahl der Untersuchungs-gebiete tauchten methodische Probleme auf. Sosollten die Untersuchungsgebiete einer Reihe vonKriterien entsprechen, welche die Gebietsauswahlerheblich einschränkten (vgl. Bericht zur Planung).Insbesondere der Wunsch, Untersuchungsgebiete mitVerfahren zur Ländlichen Entwicklung in einemfrühen Stadium zu wählen, führte schließlich zurEinführung weiterer Gebietsalternativen, die geprüftwerden mußten, und schließlich eine teilweise Änderung des Gebietsauswahlverfahrens bewirkten.

Bezüglich der Bewertungen in den Unter-suchungsgebieten traten folgende Probleme auf:

Die Bewertung der ästhetischen Wirkung derLandschaft erfolgte auf der Grundlage land-schaftsästhetischer Einheiten. Bei der Abgrenzungdieser Einheiten ergab sich die Schwierigkeit, ästhe-tische Störfaktoren sowie ästhetische Besonderhei-ten der Gebiete (z. B. Ruine Lehrberg) zu erfassen.Grundsätzlich gibt es dafür zwei Lösungsmöglich-keiten. Zum einen können Bereiche, die im Einfluß-bereich von Störfaktoren oder ästhetischen Beson-derheiten liegen (visuell, akustisch oder olfaktorisch),durch die Bildung eigener landschaftsästhetischerEinheiten erfaßt werden. Diese Möglichkeit wurde inBezug auf die Störfaktoren angewandt.

Zum anderen können sie bei der Bewertung derErholungseignung als Einzelfaktoren berücksichtigtwerden. Diese Möglichkeit bietet sich vor allem beinur einmal auftretenden Faktoren an und wurde beider Planung in Bezug auf die ästhetischen Besonder-heiten angewandt.

Bei der Bewertung der Erholungseignung müs-sen sehr viele Einflußgrößen berücksichtigt werden.Es ist daher sehr problematisch, die Erholungseig-nung in einem stärker formalisierten Verfahren (ähn-lich wie die ästhetische Wirkung der Landschaft) zubewerten. Insbesondere erwies es sich als schwierig,bei der Bildung von Wertstufen zurückzuverfolgen,wie diese zustandegekommen sind. Deshalb erfolgtdie Bewertung der Erholungseignung in den Unter-suchungsgebieten durch verbale Beschreibung dereinzelnen Einflußgrößen (z. B. landschaftliche Eig-nung, Erschließung, Ausstattung mit Sehenswürdig-keiten u. a.). Diese weniger formalisierte Vorgehens-weise ermöglicht eine sehr viel anschaulichere Dar-stellung der Erholungseignung in den Gebieten.

Bei den Planungen wurden zunächst relativ allge-mein gehaltene Konzepte entwickelt, die anschlie-ßend räumlich konkretisiert wurden. Die konzep-tionelle Planung (Entwicklung von Zielen) beziehtsich dabei, wie in Kapitel 3.3 beschrieben, auf diedrei Bereiche Landwirtschaft, Erholung und Land-schaftsbild, sowie auf die Ebenen räumlich-ästhe-tischer Zusammenhänge (Makro-, Meso-, Mikro-Ebene). Auf der Maßnahmenebene wird jedoch oft-mals nicht nur einer dieser Bereiche oder Ebenenberührt, sondern mehrere, nicht selten sogar alle. So beeinflußt die landwirtschaftliche Flächennut-zung entscheidend das Landschaftsbild und auch dieErholung. Die Planung eines Wegenetzes hat eben-falls Einfluß auf alle drei Bereiche (Landwirtschaft,Erholung, Landschaftsbild), bezieht aber auch dieverschiedenen Ebenen räumlich-ästhetischer Zusam-menhänge ein (z. B. Sichtbarmachen der landschaft-

Berichte zur Ländlichen Entwicklung 73/1997 87

Page 88: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer

lichen Großstruktur auf der Makro-Ebene, Er-schließung von kleinflächigen Landschaftselementenauf der Mikro-Ebene). Daher war es notwendig,bereits bei den Planungsgrundsätzen sowie auf derEbene der räumlichen Konkretisierung diesesGliederungsschema auszuweiten. Die Entwicklungvon Planungsgrundsätzen und die räumliche Kon-kretisierung erfolgen nach eher gebietsbezogenenKriterien, wie Flächennutzung und Erschließung.

In beiden Untersuchungsgebieten stellte sich her-aus, daß potentiell ästhetisch hochattraktiveGebietsteile, nämlich die Talbereiche der FlüsseAurach bzw. Fränkische Rezat, durch Erschließung,Besiedelung und lineare Infrastruktur in ästhetischerHinsicht vergleichsweise stark entwertet sind. EinAusschluß aus dem Wegenetz für Erholung erschienin beiden Fällen unangebracht, da es sich darüber-hinaus um bestimmende geomorphologische Groß-strukturen handelt.

Deshalb wurde in beiden Untersuchungsgebietenstattdessen eine andere Möglichkeit des Umgangsmit Störfaktoren angewandt: Durch ästhetische Auf-besserung in der unmittelbaren Umgebung der Stör-quellen wird versucht, ein Gegengewicht zu setzen.In einer ästhetisch aufgewerteten Umgebung wer-den die störenden Auswirkungen nicht mehr so starkempfunden, kommt es teilweise zu einem Ausgleich.

5 Ausblick

Der Strukturwandel in der Landwirtschaft, vondem bei der Formulierung des Forschungsantragsausgegangen wurde, ist in vielen Teilen der Bundes-republik bereits weit fortgeschritten. Auch wennheute vermehrt Flächenstillegungen und groß-flächige Extensivierungen vorgenommen werden, sobesteht doch kein Zweifel, daß Landschaft auch inZukunft ein spezifischer Typus von Kulturlandschaftsein wird, deren Sicherung und Umbau an syste-matische Landbewirtschaftung geknüpft ist. In derOffenlandschaft wird dies nur mit Hilfe der Land-wirtschaft möglich sein, die es deshalb als wesent-lichen gestaltenden Faktor der Landschaft und damitder ländlichen Räume überhaupt zu erhalten gilt.

Die Schaffung von zusätzlichen Einkommensmög-lichkeiten für die Landwirte durch naturbezogeneErholung ist dabei nur eine von vielen Möglichkeiten,die sich aber gerade in den peripheren ländlichenRäumen, die oft noch ein erhebliches landschafts-ästhetisches Potential aufweisen, anbietet.

Dies gilt um so mehr, als auch die Förderungnaturnäherer Erholungsformen, die möglichst nichtmit weiten Reisewegen verbunden sind, heute einenhohen Stellenwert einnimmt (Schlagwort »SanfteErholung«). Freilich stellt derzeit die naturbezogeneErholung keine ernsthafte Konkurrenz zu attraktivenReiseangeboten dar. Der Urlaub auf dem Lande istvielmehr als Ergänzung und Erschließung einerneuen »Nische« anzusehen, wobei der augenblick-liche Trend zu kürzeren Mehrfachurlauben aufge-griffen wird.

Im Rahmen des Forschungsprojekts »Natur-bezogene Erholung und Landschaftsbild« dient alsAnsatzpunkt für die Förderung naturbezogener Erholung das Landschaftsbild, da es nach verschie-denen Untersuchungen bei der Wahl und Beurtei-lung des Urlaubsgebiets von herausragender undzunehmender Bedeutung ist. Es wird jedoch aus-drücklich nicht davon ausgegangen, die heute nochbestehenden und oftmals ästhetisch attraktiven, traditionellen Kulturlandschaften um jeden Preiserhalten zu wollen. Es ist stattdessen im Zuge derBewirtschaftungsaufgabe auf größeren Flächen miterheblichen Landschaftsbildveränderungen zu rech-nen, die jedoch zur Entwicklung eines naturästhe-tischen Landschaftsbildes beitragen können. Dabeimuß von einem neuen ästhetischen Verständnis ausgegangen werden, das, wie sich im wachsendenUmweltbewußtsein der Bevölkerung andeutet,zumindest in Ansätzen bereits vorhanden ist. ImHandbuch wurde daher versucht, diese ästhetischeWirkung der zu erwartenden Sukzessionsbereichemit dem Begriff einer »neuen Erhabenheit« der vomMenschen zwar geplanten, aber weitgehend un-beeinflußten Natur zu umschreiben. Zu dem neuenästhetischen Verständnis gehört auch, daß die Er-holung in der Landschaft in Zukunft neben demsinnlichen Naturgenuß vermehrt auch durch aktiveNaturaneignung geschieht. Der Wunsch nach Natur-erfahrung ersetzt zusehends das rein kontemplativeNaturerlebnis.

Es ist ein Hauptanliegen des Forschungsprojekts,zu zeigen, daß bei naturbezogener Erholung derFremdenverkehrssektor nicht als isolierter Wirt-schaftszweig, den es neu zu entwikeln gilt, betrach-tet werden kann. Naturbezogene Erholung bestehtnicht einfach daraus, die Belange der Einheimischenzu berücksichtigen; sie impliziert vielmehr, daß dielokale Bevölkerung von Anfang an in den Planungs-prozeß integriert wird und ihn mitträgt, so daßdurch die Förderung des Fremdenverkehrs auch eineVerbesserung der Lebensumwelt der Einheimischeneintritt.

88 Berichte zur Ländlichen Entwicklung 73/1997

Page 89: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer

Darüberhinaus wurde besondererWert darauf gelegt, die vorgeschla-genen Konzepte und Maßnahmen auf-einander zu beziehen, um ein reali-stisches, wirtschaftlich tragfähigesModell der Landschaftsbildentwicklungzu entwerfen (vgl. Bericht zur Planung,Kapitel 4.3.6 und 5.3.6: Vernetzung derKonzepte). Die »Pflege« der Landschaftmuß soweit wie möglich durchgewinnbringende Nutzung erfolgen,wobei auch die Erholung als Nut-zungsform gilt; eine Finanzierung überSubventionsprogramme sollte ausNachhaltigkeitsgründen nicht not-wendig sein.

Nur wenn die Erholungssuchendenund die ansässige Bevölkerung dasdurch naturbezogene Erholung vor-gegebene landschaftliche Leitbild mittragen und letztere eine gesichertewirtschaftliche Grundlage haben, können die gewünschten Entwick-lungen langfristig erreicht werden.Dabei sollte eine »Korrektur« des Leit-bildes jederzeit möglich sein, wennneue Erkenntnisse dies rechtfertigen.

Berichte zur Ländlichen Entwicklung 73/1997 89

Page 90: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer
Page 91: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer

Sehr geehrter Herr Ministerialdirektor,lieber Herr Dr. Quadflieg,

was nun folgt, wird Ihnen in den nächstenMonaten wohl noch vielfach widerfahren: gewürdigtund verabschiedet zu werden aus mehr oder wenigernahestehenden Institutionen, Verbänden, Organisa-tionen und aus Kreisen von Partnern, Verbündeten,Gleichgesinnten, ja Anhängern und Freunden.

Sie, lieber Herr Quadflieg, werden heute aus demKreis einer Organisation, besser einer Interessenge-meinschaft verabschiedet, die Sie wie nur wenigeandere aufgebaut und geprägt haben. Die deutscheFlurbereinigung in Bund und Ländern hatte ja immerschon das Glück, starke Persönlichkeiten an ihrerSpitze zu haben; ich selbst durfte z. B. unter einemWilhelm Abb meine ersten Sporen verdienen. StarkePersönlichkeiten in den Ländern brauchten undbrauchen ein starkes Pendant in Bonn. So war es ein Glück, daß der einflußreiche Herbert Schicke1967 den jungen tatkräftigen Diplomlandwirt undDr. iur. Friedrich Quadflieg vom westfälischen Lan-desamt in Münster zu sich ins Ministerium holte.Schnell wurde und war Dr. Quadflieg ein Begriff: Aufder Grundlage hoher Intelligenz und seiner Freudean dialektischer Diskussion erfaßte sein in Wort undSchrift unbändiges und unglaubliches Arbeitspen-sum und Arbeitstempo alle Brennpunkte und Her-ausforderungen, die sich der Flurbereinigung Endeder 60er/Anfang der 70er Jahre stellten:

• das Herauswachsen aus dem rein agrarischenAufgabenfeld hin zur ländlichen Raumordnung,

• die Verknüpfung mit der Bauleitplanung,

• die Prüfung der noch unbekannten Möglichkeitendes Städtebauförderungsgesetzes für die Dorf-erneuerung auf Grundlage des Flurbereinigungs-rechts,

• die notwendige Zuwendung der Flurbereinigungzu Naturschutz und Landschaftspflege,

• die Pflege des TG-Prinzips vor dem Hintergrundwachsender Bürgerbeteiligungstendenzen,

• der konsequente Einsatz des Instruments Unter-nehmensflurbereinigung zum Wohle der Grund-eigentümer und des Staates,

• der Ausbau agrarstruktureller Planungen als strategische Waffe der Agrarressorts gegenüberder wachsenden und einnehmenden Planungsflutanderer Ressorts usw.

Immer mehr wurde uns jungen Flurbereinigungs-ingenieuren Anfang der 70er Jahre bewußt, daß esda in Bonn einen Hoffnungsträger gab, der 1973 dieGeschicke der Flurbereinigung im BML in die Händegelegt bekam. Ich habe Sie, lieber Herr Quadflieg, niegefragt, welche Vision Sie hatten und welche Siefortan antrieb bei dem, bei Ihrem Meisterstück,nämlich bei der Neufassung des Flurbereinigungs-gesetzes von 1976. Vielleicht war es einfach so, daßSie der lebendige Gegenbeweis zu dem sein wollten,was die unvergessene Hilde Spiel einmal so aus-gedrückt hat: »Wenn man es hinnimmt, wie es ist,dann heißt das, daß man sein Land nicht mehr liebt!«Sie, lieber Herr Quadflieg, haben das Land, den länd-lichen Raum, seine Bauern und Bewohner geliebt. Siehaben Ihre reichen Gaben und Talente, leider undwohl unvermeidlich auch Ihre körperlichen Kräfteund Gesundheit ein- und aufs Spiel gesetzt, um dieFlurbereinigung so fortzuentwickeln, wie es IhrenVorstellungen entsprach und wie es die verändertenRahmenbedingungen erforderten, fortzuentwickelnzu einem wichtigen Landentwicklungsinstrument.Mit dem Gesetz von 1976 ist Ihnen dies gelungen,mit ihm haben Sie der dankbaren Praxis und derWissenschaft eine neue Welt aufgetan. So darf ichkurz in persönlichen Erinnerungen kramen undz. B. auf das erste bundesdeutsche Dorferneue-rungsseminar im März 1977 an der TU Münchenverweisen — kurz nach Inkrafttreten des novelliertenFlurbereinigungsgesetzes —, an dem Sie, HerrDr. Quadflieg, im Interesse und zum Wohle der Praxissich mit noch skeptischen Juristen und Hochschul-lehrern streiten mußten. Dies war aber nicht daserste und das letzte Mal! Mit Freude und Genug-tuung haben wir uns nachfolgend stets auf Ihr zwei-tes, allerdings (noch?) unvollendetes Meisterwerk —

Berichte zur Ländlichen Entwicklung 73/1997 91

Holger Magel

Laudatio auf Ministerialdirektor Dr. iur. Friedrich Quadflieg*

* Laudatio anläßlich der Plenumssitzung der ArgeFlurb am 13. Dezember 1996 in Suhl

Page 92: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer

aber auch hier gibt es ja historische Vorbilder —, denQuadflieg-Kommentar zum Flurbereinigungsgesetzgestürzt und gestützt, wenn es galt, den erreichteninhaltlichen Fortschritt bei der Dorferneuerung oderbei der Landentwicklungskompetenz gegenüberbeckmesserischen oder neidischen Einwänden zuverteidigen.

Sie, Herr Quadflieg, konnten sich — und das warauch Ihr großes Erfolgsgeheimnis — auf bewährteMitstreiter und Freunde in den Ländern verlassen,wie z. B. auf die »Ritterrunde« in Ihrem Ausschuß fürVerwaltung und Recht oder auf all die anderen Ausschüsse und Arbeitsgruppen der ArgeFlurb.So gelang in den 80er Jahren, als Sie längst zumUnterabteilungsleiter und als berufliche Krönung1989 zum Abteilungsleiter bestellt wurden, eineKonsolidierung der längst auch ökologisch orien-tierten Flurbereinigung, zu der sich dank Ihrem Ein-satz ab 1984 endgültig auch bundesweit die Dorf-erneuerung gesellte.

Eine neue juristische und verwaltungsmäßige Herausforderung war schließlich die Wiederver-einigung, über die wir glücklich waren und sind.Auch hier gaben Sie jede erdenkliche Unterstützung,ob dies nun rechtliche Begleitung bei neuen Gesetzesregelungen, Ihre Unterstützung derhandelnden Personen oder Ihr Einsatz bei der Über-leitung oder Neufassung von Förderprogrammen inden neuen Bundesländern waren. Sie waren, lieberHerr Quadflieg, nie der unsichtbare »Mister Flurberei-nigung« am fernen Schreibtisch in Bonn, sondern Sie gingen, allein schon gelegentlich getrieben vonleidenschaftlichem Jagdfieber, auch vor Ort, halfenin Projekten konkret, wo es notwendig war (z. B.auch im neuen fränkischen Seenland), und hattensogar Zeit, im niederbayerischen Urlaubsdorf in denSchreibpausen zum Kommentar sich mit den Ein-heimischen über die dortige Dorferneuerung und diebayerische Dorferneuerungsphilosophie zu unter-halten.

Betrachtet man Ihr berufliches Lebenswerk alleinfür die Flurbereinigung, Dorferneuerung und Länd-liche Entwicklung ist man darüber erstaunt unddavon beeindruckt, daß und wie Sie Kraft und Zeithierfür fanden und daneben sogar noch Energie freimachten für die Gründung der Deutschen Akademieder Forschung und Planung im ländlichen Raum,deren Vizepräsident Sie lange waren, und derenseinerzeitiger Gründung letztlich auch die gegen-wärtigen Länderakademien Ländlicher Raum ihreExistenz verdanken. Und Sie machten auch die Zeitfrei, aus Liebe zur Heimat und zum Thema jahrelang

Vorsitzender des Umlegungsausschusses in Coesfeldzu sein. Viele weitere Posten und Positionen könnteich noch nennen, muß sie aber weglassen.

Wir danken Ihnen, lieber Herr Quadflieg, für IhreLeistungen, für Ihren Einsatz zugunsten unseresBerufes und dieser ArgeFlurb, wir danken Ihnen auchdafür, daß Sie dafür gesorgt haben, daß Ihnen mitMinisterialrat Läpple und nun mit Dr. Thöne Persön-lichkeiten gefolgt sind, die aufgrund ihrer beruf-lichen Leistungen und ihres Charakters von uns allenhoch anerkannt waren und sind.

Wir danken Ihnen und zwar jeder einzelne Länder-vertreter für das, was Sie jedem Bundesland Gutesgetan haben. Sie waren und sind dem Freistaat Bayern aufgrund besonderer Umstände seit vielenJahren eng verbunden: das offizielle Bayern bedanktsich bei Ihnen ebenso wie die weiß-blauen Berufs-kollegen und Freunde.

Abschließend zitiere ich einen Mann, den wirDeutsche in Ost und West gleichermaßen schätzen,Johann Heinrich von Thünen. Er hat etwas gesagt,was ich, was unsere Runde unserem Scheidendemgerne mit auf den Weg geben möchten:

»Friede mit sich und der ganzen Welt, Liebe undAchtung so vieler — dies sind Güter, die schwerwiegen, wenn von Lebensglück die Rede ist und diefür manches Fehlende einen Ersatz geben können!«

Ad multos annos.

92 Berichte zur Ländlichen Entwicklung 73/1997

Page 93: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer

Berichte zur Ländlichen Entwicklung 73/1997 93

Bayerische Verwaltung für Ländliche Entwicklung

Aufgabenverteilung in der

Abteilung E - Ländliche Entwicklung —im Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten

(nach Geschäftsordnung vom 1. 10. 1995) *)

Leiter: Ltd. MR Prof. Dr.-Ing. Holger Magel

Vertreter: MR Jürgen SchulzeMitarbeiter: ORR Dr.-Ing. Albert Stark

Vorzimmer: VAe Marianne TrägerVAe Magdalena Scharl VAe Sonja Zollner (Z 7 und Abteilung E)

Grundsatzfragen der Abteilung

Organisation, Personalführung und Leitung der Bayerischen Verwaltung für Ländliche Entwicklung

Flurbereinigungsrecht

Vertretung des Staatsministeriums in der Bund-Länder-ArbeitsgemeinschaftFlurbereinigung (ArgeFlurb)

Zusammenarbeit mit den Universitäten, Hochschulen, wissenschaftlichen und fachlichenInstitutionen

Referat E 1 – Verfahren nach dem Flurbereinigungsgesetz

Referent: MR Dr.-Ing. Michael Stumpf

Vertreter: Ltd. MR Prof. Dr.-Ing. Holger Magel

Mitarbeiter: OAR Gerhard Wiedemann

a ) Arbeitsprogramme und Arbeitspläne der Direktionen für Ländliche Entwicklung

b) einfache Verfahrensarten, Sonderverfahren

c) Angelegenheiten der Verfahrensdurchführung, Fragen der Bodenordnung und derWertermittlung

d) Informationsarbeit zur Einleitung und Durchführung von Verfahren nach demFlurbereinigungsgesetz

*) Änderungen aufgrund des Ministerratsbeschlusses vom 22. Juli 1996 sind nicht berücksichtigt; die personelle Besetzung entspricht dem aktuellen Stand

Page 94: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer

94 Berichte zur Ländlichen Entwicklung 73/1997

e) Schriftenreihen der Verwaltung für Ländliche Entwicklung

f) Fachveranstaltungen, Vorbereitung der Prämierung von Verfahren nach dem Flurberei-nigungsgesetz

g) Behandlung von Eingaben zu Verfahren nach dem Flurbereinigungsgesetz

Referat E 2 – Flurentwicklung und Landschaftsgestaltung

Referent: MR Josef Attenberger

Vertreter: MR Dr.-Ing. Michael Stumpf

Mitarbeiter: AR Jürgen Betz

a) Naturschutz, Landschaftspflege und Agrarökologie im Zusammenhang mit derFlurentwicklung

b) Landschaftsplanung in der Ländlichen Entwicklung, Zusammenarbeit in Fragen derkommunalen Landschaftsplanung

c) Auswirkungen von Struktur- und Nutzungsänderungen auf die Landschaft

d) Fachbeiträge der Abteilung für die Öffentlichkeitsarbeit, Fachveröffentlichungen

e) Fachausstellungen

f) Wettbewerbe

g) Zusammenarbeit mit den Institutionen auf dem Gebiet der Landespflege

Referat E 3 – Dorf- und Regionalentwicklung

Referent: MR Jürgen Schulze

Vertreter: MR Josef Attenberger

Mitarbeiter: BOR Leonhard RillOAR Manfred Kiehnlein

a) Bayerisches Programm Ländliche Entwicklung, Verbindung mit den einschlägigen Programmen der Europäischen Kommission

b) Bayerisches Dorfentwicklungsprogramm (im Benehmen mit Referat B 4),Dorf- und Regionalentwicklung in Verfahren nach dem Flurbereinigungsgesetz

c) Fachangelegenheiten und Planungen zur Dorfentwicklung sowie Koordinierung mitanderen Fachplanungen

Page 95: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer

Berichte zur Ländlichen Entwicklung 73/1997 95

d) Raumordnung, Landes- und Regionalplanung sowie raumbedeutsame Planungen nachBundes- und Landesrecht (insbesondere Angelegenheiten der agrarstrukturellen Vor-planung) im Zusammenhang mit der Ländlichen Entwicklung, Angelegenheiten desLandesentwicklungsprogramms für die Abteilung E

e) Bauleitplanung und städtebauliche Maßnahmen in Verbindung mit der Dorf- undFlurentwicklung, Angelegenheiten der Baulandumlegung und der Grenzregelung

f) Denkmal- und Heimatpflege im Zusammenhang mit Dorf- und Flurentwicklung,Wettbewerb »Unser Dorf soll schöner werden«

g) Zusammenarbeit mit den Institutionen auf dem Gebiet der Dorfentwicklung und desWettbewerbs »Unser Dorf soll schöner werden«

Referat E 4 – Vermessung und Informationstechnik

Referent: MR Dr.-Ing. Hartmut Fritzsche

Vertreter: MR Hermann Schatt

Mitarbeiter: OAR Christian Beeskow

a) Angelegenheiten des Liegenschafts- und Vermessungswesens, Liegenschaftskatasterund Grundbuch

b) Informations- und Kommunikationstechnik, Vermessung, Fernerkundung,Kartographie und Reproduktionstechnik, Fachangelegenheiten des Datenschutzes

c) Technische Verfahrensdurchführung und technische Vorschriften

d) Fachtechnische Aus- und Fortbildung

e) Fachaufsicht über den Bereich Zentrale Aufgaben der Direktion für Ländliche Entwicklung München, Angelegenheiten der Forschung für die Abteilung E

f) Fachangelegenheiten des Haushalts der Direktionen für Ländliche Entwicklungeinschließlich Hochbaumaßnahmen, Kostenwesen

g) Projektsteuerung in der Ländlichen Entwicklung

Referat E 5 – Finanzierung und Ausbau

Referent: MR Hermann Schatt

Vertreter: MR Dr.-Ing. Hartmut Fritzsche

Mitarbeiter: BOR Roland SommerOAR Manfred Kiehnlein

Page 96: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer

96 Berichte zur Ländlichen Entwicklung 73/1997

a) Förderung der Verfahren nach dem Flurbereinigungsgesetz, Koordinierung mitanderen Förderprogrammen

b) Finanzierung der Vorarbeiten und der Ausführungskosten

c) Plan über die gemeinschaftlichen und öffentlichen Anlagen

d) Angelegenheiten des Ausbaus in der Ländlichen Entwicklung, landwirtschaftlicherWegebau außerhalb von Verfahren nach dem Flurbereinigungsgesetz, neue Technikenzum ländlichen Wegebau und Materialfragen

e) Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesen der Teilnehmergemeinschaften und derVerbände für Ländliche Entwicklung (VLE), Aufsicht über den Landesverband fürLändliche Entwicklung Bayern (LVLE Bayern)

f) Landerwerb durch Teilnehmergemeinschaften und Verbände für LändlicheEntwicklung

g) Berichtswesen für die Abteilung, Gesamtverkehrsplan Bayern

Abteilung Z - Zentralabteilung

Referat Z 7 – Fachangelegenheiten des Personals der Verwaltungfür Ländliche Entwicklung

Referent: MR Georg Wirth

Vertreter: zu a), b) und e) MR Josef Seidl;zu c), d) und f) ORR Karlheinz Wocher

Mitarbeiter: ORR Karlheinz Wocher OAR Wilhelm Kaltenegger

a) Fachangelegenheiten des Personals (im Benehmen mit Abteilung E)

b) Angelegenheiten der Personalplanung, Personalentwicklung

c) Ausbildungs- und Prüfungswesen für den Staatsdienst

d) Fortbildung

e) Zusammenarbeit mit den einschlägigen Verbänden und Organisationen

f) Mitwirkung in Ordensangelegenheiten

Page 97: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer

Die Politik fordert von der Ländlichen Entwicklungvehement kürzere Verfahrenslaufzeiten. Ungeachtetdavon macht sich eine »Teilnehmergemeinschaft« imJahre 111 der Ländlichen Entwicklung in Bayern unddes 100. Geburtstags von Altbundestrainer SepplHerberger auf den Weg zu ihrem 30jährigenJubiläum und zum Aufbruch ins nächste Jahrtau-send. Diese offizell nie gegründete aber sehr aktiveTeilnehmergemeinschaft könnte man wohl »Fußball-und Kegelfreunde der Bayerischen Verwaltung fürLändliche Entwicklung 1969« nennen. Sie gehtzurück auf eine Initiative der Personalratsvorsitzen-den der Direktionen für Ländliche Entwicklung inBayern. Maßgeblicher Impulsgeber war StephanGründel, der damalige Vorsitzende des Personalratesdes Flurbereinigungsamtes Bamberg. Die beteiligtenSportler zeigen damit seit 1969 ein hervorragendesStehvermögen; jedes Jahr aufs Neue pflegen sie denvor 28 Jahren in Bamberg inszenierten Anstoß undnutzen ihn zu sportlichem und geselligem Gemein-schaftsleben. Als amtierender Personalrat des Bayeri-schen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirt-

schaft und Forsten — Bereich Ernährung und Land-wirtschaft — bin ich gerne dem Wunsch der Ver-waltung für Ländliche Entwicklung nachgekommen,dies mit einem Beitrag in dem Ihnen vorliegendenBerichteheft zu würdigen. Ich danke und gratuliereallen aktiven Fußballern und Keglern und den für dieDurchführung des Turniers Verantwortlichen sehrherzlich. Gleichzeitig möchte ich damit auch denDank an die Veranstalter verbinden, daß die zustän-dige oberste Landesbehörde — das BayerischeStaatsministerium für Ernährung, Landwirtschaftund Forsten — seit dem 10. Fußball- und 13. Kegel-turnier dabei jederzeit herzlich willkommen war undist. Sicherlich hat dafür die sprichwörtliche Verbin-dung von Not und Tugend Pate gestanden. Nur mitder Fußballmannschaft des Ministeriums ist es auchheute noch möglich, die Vorrundenspiele in zweiVierer-Gruppen auszutragen. Nichts ändern konntenauch die Kegler des Ministeriums an den insgesamt17 Turniersiegen der Bamberger I. Mannschaft; wei-tere Siege blieben hier nur den I. Mannschaften vonAnsbach (viermal) sowie von Landau und Würzburg

Berichte zur Ländlichen Entwicklung 73/1997 97

Nikolaus Hüser

Erfreulich lange »Verfahrenslaufzeit«für die Fußball- und Kegelfreunde!

Die sechs »Flurer«-Fußballmannschaften der ersten Turnierrunde in Bamberg 1969; 1973 kamen die Kegler dazu.

Heute beteiligen sich am Turnier alle Direktionen für Ländliche Entwicklung und das Staatsministerium sowieseit 1996 ein Keglerteam aus Sachsen.

Page 98: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer

(je einmal) vorbehalten. Alle Ergebnisse der Ministe-rium-Teams zeigen daher im Vergleich zur Praxiseine doch deutlich auf dem Kopf gestellte Hierarchie.Die Zurückhaltung hält sich anscheinend zumindestbeim Sport in sehr engen Grenzen.

Wenn ich mir die nun schon sehr lange Turnier-tradition vor Augen führe, fallen mir natürlich sofortweltweit bekannte Namen bayerischer Fußballgrößenwie »Kaiser Franz« Beckenbauer, »Bomber« Gerd Mül-ler oder der Rekordnationalspieler Lothar Matthäusaus der »adidas- und PUMA-Stadt« Herzogenaurach,der Gewinn von Welt- und Europameisterschaftender deutschen Fußballnationalmannschaft, dieRegelreformen beim Abseits und für den Torwart, dieAblösung des Rekordmeisters 1. FC Nürnberg durchden 1. FC Bayern München und der Wandel des klas-sischen 32teiligen Lederballs zum heute üblicherenTangoball ein. Demgegenüber unverändert blieb undbleibt wohl immer für jeden Kegler die Krönungeines Schubs: Alle Neune!

Im Vergleich dazu erscheint eine andere Betrach-tung des Zeitraumes auf den ersten Blick zunächstunbedeutend; trotzdem liegt wohl hier die besondereStärke der »Flurer«. Sie haben es geschafft, entgegendem gesellschaftlichen Trend zu Individualsportartenwie Tennis, Squash oder Badminton Jahr für Jahr inden Traditions-Sportarten Fußball und Kegeln Mann-schafts- und Gemeinschaftsgeist zu pflegen. Stetswaren die Turniere ausgezeichnet organisiert. AlleTurniere fanden jeweils unter der Schirmherrschaftoder mit dem Segen des Bayerischen Landwirt-schaftsministers statt. Besonders herzliche Willkom-mensgrüße entboten immer die Stadtoberhäupterder jeweiligen Austragungsorte, in denen die Direk-tionen für Ländliche Entwicklung Ansbach, Bamberg,Krumbach (Schwaben), Landau a. d. Isar, München,Regensburg, Würzburg beheimatet sind. Nur durchHilfe zur Selbsthilfe in Eigenregie war es auch mög-lich, die Turniere jeweils zu aller Zufriedenheit aus-zurichten. Eine große Unterstützung waren dabeiimmer die mit einer Geldspende verbundenen Inse-rate der privatwirtschaftlichen Auftragnehmer in derLändlichen Entwicklung in den Festschriften.

Sicherlich werden auch weiterhin Entscheidungenüber Siege oder Niederlagen im Hinblick auf eineinoffizielle und hoffentlich nie abgerechneteGesamtbilanz (siehe Tabellen) — berechtigter- oderunberechtigterweise — heftig diskutiert. Dies gehörtdazu wie das Salz in der Suppe und gibt gleichzeitigAnsporn, im nächsten Jahr wieder erneut und nocherfolgreicher mitzumachen.

Im Moment sind die Mitarbeiter aller Verwaltun-gen in Bayern vom Leitbild-Fieber befallen oder vonReformprozessen betroffen; auch ist die Motivationstreng hinterfragt. Wer weiß, ob ich ohne diese Pro-zesse bzw. Fragen der Zukunft Gelegenheit gehabthätte, das Fußball- und Kegelturnier der BayerischenVerwaltung für Ländliche Entwicklung als Leistungan dieser Stelle zu würdigen?

Ich möchte alle Aktiven — insbesondere die derersten Stunde — sowie alle Freunde des Sportes unddie für die Vorbereitung der Turniere Verantwort-lichen ermutigen, ihrem Leitbild von Gemeinschafts-sinn durch gute Kameradschaft, Kollegialität sowieSport-, Team- und Offensivgeist auch künftig treu zu bleiben. Den Turnieren in der nunmehr 5. Rundewünsche ich vom bereits erfolgten Start in der UNESCO-Weltkulturerbestadt Bamberg bis zumAbschluß im Jahre 2003 in der Weltstadt mit Herzund Olympiastadt München viel Erfolg.

98 Berichte zur Ländlichen Entwicklung 73/1997

Page 99: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer

Berichte zur Ländlichen Entwicklung 73/1997 99

Fußballergebnisse 1969–1997

Page 100: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer
Page 101: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer

Berichte zur Ländlichen Entwicklung 73/1997 101

1/1966 *Flurbereinigung 1965, Flurbereinigung Schönberg II

2/1967 *Landwirtschaftsberatung und Flurbereinigung, Flurbereini-gung 1966, Luftbildmessung, Weinbergbereinigung,Kontenverbund, Zusammenwirken der Planungsträger

3/1968 *Arbeitsprogramm 1968 – 1975, Grundsatztermin, Schutz-pflanzungen, Naturschutz, Wirtschaftswegebau, Flurbe-reinigung 1967, EDV

4/1969 *Flurbereinigung 1968, Flurbereinigung Nördlingen

5/1969 *Flurbereinigung und Landschaftspflege

6/1970 *Flurbereinigung in der Hallertau, Flurbereinigung 1969

7/1970 *Ausarbeitung eines Flächennutzungsplanes

8/1970 *FlD Würzburg im neuen Gewande, Seminar Stadt- undDorferneuerung, selbstregistrierende Theodolite

9/1971 *Landschaftspflege und Flurbereinigung an den BeispielenGottsdorf, Großengsee, Gritschen, Hirschlach, Wiesen-felden, Ammerbach und Munningen

10/1971 *Flurbereinigung 1970, Flurbereinigung Mailing,Menschen- und Betriebsführung, Neuorganisation desStaatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft undForsten

11/1971 *Die moderne Flurbereinigung, 10 Beispiele (Faltblätter)

12/1972 *Prämierung von Flurbereinigungen 1971: Strullendorf,Krombach, Hirschlach, Michelsneukirchen

13/1972 *Städtebauliche Maßnahmen im Dorf, Flurbereinigung1971, Flurbereinigung in Verdichtungsgebieten,Flurbereinigung im Vorfeld Nationalpark,Grundstücksdatenbank, Flurbereinigung in Nordrhein-Westfalen, FlG-Kongress, Flurbereinigung Olang

* vergriffen

14/1973 *Fachtagung 1972: Flurbereinigung, eine gesellschaftspoli-tische Aufgabe

15/1973 *Baulandumlegung durch die Flurbereinigungsbehörde

16/1973 *Prämierung von Flurbereinigungen 1972: Schweinfurt-Süd, Gegenbach, Tagmersheim

17/1974 *Flurbereinigung im Vorfeld des Nationalparks Bayer. Wald,Flurbereinigung, eine gesellschaftspolitische Aufgabeunserer Zeit, Flurbereinigung 1972, Denkmalpflege,Almsanierung

18/1974 *Wertermittlung, Landwirtschaftliche Beratung,Flurbereinigung 1973, Nutzen-Kosten-Untersuchungen,Flurbereinigungsrecht, AVA-Jahrestagung, Erinnerungenan ein Arbeitsleben (Präs. a.D. Hermann)

19/1974 *Fachtagung 1974: Flurbereinigung, Hilfe für ländlicheProblemgebiete

20/1975 *Weinbergbereinigung in Bayern

21/1975 *Automation in der bayerischen Flurbereinigung

22/1975 *Prämierung von Flurbereinigungen 1973/74: ObereAltmühl, Postmünster-Rottspeicher, Pfreimd,Wildenranna/Thurnreuth, Handzell

23/1975 *Wegebau im Hochgebirge, Dorferneuerung, Flurbe-reinigung 1974, Flurbereinigungsverfahren nach§ 87 FlurbG, Verbände der Teilnehmergemeinschaften,Flurbereinigung in Spargel- und Hopfenanbaugebieten

24/1976 *Bayer. Agrarpolitik und Naturschutz, Geschichte derbayer. Flurbereinigung, Kemptener Vereinödungen,Landentwicklung in der Krise, Flurbereinigung 1975,Großmaschinen und Grundstücksgröße, TaschenrechnerHP-65

Bisher erschienene Hefte in der Schriftenreihe»Berichte zur Ländlichen Entwicklung in Bayern«

Page 102: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer

25/1976 *Forschungsvorhaben Hesselberg – Kurzfassung 1975

26/1977 *Prämierung von Flurbereinigungen 1975/76:Fraunberg-Thalheim, Hausen, Penting, Velburg

27/1977 *Flurbereinigungsrecht 1976/77 für Bayern

28/1977 *Naturschutz und Landschaftspflege, Flurbereinigungs-recht, Bundesnaturschutzgesetz, Bundesbaugesetz,Flurbereinigung 1976, Verfahren nach § 87 FlurbG,Landesentwicklungsprogramm, Besiedlung und Neuord-nung im Bayer. Wald, Dorferneuerung, Waldflurbereini-gung, Agrarstrukturelle Vorplanung

29/1977 *Kontaktstudium Flurbereinigung

30/1978 *Arbeitsgemeinschaft Flurbereinigung, Flurbereinigung imWandel, Flurbereinigung 1977, Agrarpolitik, Dorferneue-rung »Unser Dorf soll schöner werden«, Denkmalpflege,Untersuchung zur Erhaltung der Kulturlandschaft

31/1979 *Fachtagung 1978: Landentwicklung durch Flurbereinigung

32/1979 *Prämierung von Flurbereinigungen 1977/78:Hesselberg, Schwanberg, Bärnau

33/1980 *Kontaktstudium Flurbereinigung

34/1980 *Dr.-Ing. E.h. für MinisterialdirektorDr.-Ing. Wilhelm Abb

35/1980 *Flurbereinigung 1978, LandesflurbereinigungsverbandBayern, Flurbereinigungsverfahren aus Anlaß von Unter-nehmen, Flurbereinigung in Südtirol, Flurbereinigung inMittelgebirgslagen, Nachbarrecht in der Dorferneuerung

36/1980 *Unser Land erhalten und gestalten –Flurbereinigung in Bayern

37/1981 *Fachtagung 1980: Flurbereinigung und Umweltgestaltung

38/1981 *Prämierung von Flurbereinigungen 1979/80:Albertshofen, Heiligenstadt, Illertissen, Sindelsdorf

* vergriffen

39/1981 *Flurbereinigung und Gemeinde, Flurbereinigung 1979,Flurbereinigungsstatistik, Landesverschönerung in Bayern,Denkmalpflege und Dorferneuerung, Flurnamenforschung

40/1981Neue Entwicklungen in der Flurbereinigungstechnik

41/1982Bayerischer Flurbereinigungsbericht 1979/80

42/1982 *Gutachten Grundlagen zur Dorferneuerung – Kurzfassung

43/1982 *Niederalteich – ein Beispiel verdeutlicht die Anliegen derumfassenden Dorferneuerung

44/1982 *Leitfaden Dorferneuerung (LeitFDorfErn)

45/1983 *Groborientierung und Landtechnische Daten –Entscheidungshilfen für die Dorferneuerungsplanung

46/1983 *Fachtagung 1982: Flurbereinigung und Gemeinde

47/1983 *Prämierung von Flurbereinigungen 1981/82:Freystadt-Europakanal, Niederalteich-Hengersberg,Seßlach, Hahnbach-Süß

48/1983 *Bayerischer Flurbereinigungsbericht 1981/82

49/1983 *Abzug nach § 47 FlurbG

50/1984 *Flurbereinigung in erosionsanfälligen Gebieten, Sozial-geographische Auswirkungen der Dorferneuerung, dörfli-che Straßenraumplanung, Meinung der Landbevölkerungüber Flurbereinigung, Naturschutz in der Flurbereinigung

51/19841550 – 1880 Ländliche Neuordnung durch Vereinödung

52/1984Fachtagung 1984: Flurbereinigung und Landwirtschaft

53/1985Prämierung von Flurbereinigungen 1983/84:Hechlingen, Ratzenhofen, Sommerhausen-Erlach,Hemmersheim

54/1985Bayerischer Flurbereinigungsbericht 1983/84

102 Berichte zur Ländlichen Entwicklung 73/1997

Page 103: Ländliche Entwicklung in Bayern · • Pressemitteilung »Vorbildliche Dorf- und Flurentwicklungen ausgezeichnet . . .« vom 10. August 1995 13 • Reinhold Bocklet, Bayerischer

55/1985 *Landesentwicklungsprogramm Bayern, Flurbereinigung,Naturschutz, Dorferneuerung, Gemeinschaftliche Anlagen,Wegeunterhaltung, Wasserrückhaltung, Unternehmens-flurbereinigung, Darlehenskonditionen, Flurbereinigungs-informationssystem, Geschichtliches zur Flurbereinigung

56/1986»Wie sie Einödinen gemachet«Vereinödung im Kemptener Raum – ein Beitrag zurGeschichte der ländlichen Neuordnung durch Flurbereini-gung

57/1986Fachtagung 1986 München»100 Jahre Flurbereinigung in Bayern«

58/1987 *Prämierung von Flurbereinigungen 1985/86:Vorfeld Nationalpark-West, Bad Windsheim,Unterschleißheim III, Wurz

59/1987 *Bayerischer Flurbereinigungsbericht 1985/86

60/1988 *Flurbereinigung in den ausgehenden 80er Jahren;Möglichkeiten und Grenzen der Flurbereinigung zumAufbau eines Biotopverbundsystems; Waldflurbereini-gung; Dorfökologie; Einfluß der Hangneigung auf denWert landwirtschaftlicher Grundstücke; Umweltschutzund Landschaftsgestaltung; Die Verfahrensarten desFlurbereinigungsgesetzes; Bürgerbeteiligung in der Dorf-erneuerung; Auswirkungen der Dorferneuerung auf dieOrtsverbundenheit der Bewohner; Konzept für die Weiter-entwicklung der Datenverarbeitung der BayerischenFlurbereinigungsverwaltung

61/1989Prämierung von Flurbereinigungen 1987/88:Obernzenn, Unternzenn–Oberaltenbernheim, Unteralten-bernheim, Schottenstein–Welsberg, Freinhausen, Forstern

62/1989Fachtagung 1988 Würzburg»Flurbereinigung – Landwirtschaft – Umwelt«

63/1990Bayerischer Flurbereinigungsbericht 1987/88

64/1990Ausstellung »Dorf und Landschaft«

65/1990Fachtagung 1990 Passau»Ländliche Neuordnung – Dienst an Bürger und Heimat«

* vergriffen

66/1991Prämierung 1989/90:Absberg, Kammeltal-Süd, Illschwang, Nammering

67/1991 *Leitlinien und Perspektiven der Dorferneuerung in Bayernund Europa; Bilanz 10 Jahre Bayerisches Dorferneue-rungsprogramm; Erster Europäischer Dorferneuerungs-preis 1990; Agrarpolitik und Perspektiven für den ländli-chen Raum in den 90er Jahren; Bayerisches ProgrammLändliche Neuordnung; Betriebswirtschaftliche Vorteiledurch Ländliche Neuordnung; Kultur- und Erholungs-landschaft nach der Flurbereinigung; Dissertationen:Modell zur Auswahl von Gestaltungsmaßnahmen in derDorferneuerung; Computerunterstützte Neuverteilung;Landschaftsästhetik, Ökologie und Ökonomie in derLändlichen Neuordnung

68/1992Ländliche Neuordnung in Bayern 1989/90(Das Berichtsheft »Ländliche Entwicklung in Bayern1991/92« wurde vom Bereich Zentrale Aufgaben derBayerischen Verwaltung für Ländliche Entwicklung herausgegeben)

69/1993Fachtagung 1992 Bamberg»Ländliche Neuordnung im Zeichen der Nachbarschaft«

70/1994Fachtagung 1994 Ansbach»Ländliche Entwicklung dient Stadt und Land«

71/1996Ländliche Entwicklung in Bayern 1993/94/95

72/1997Fachtagung 1996 in Memmingen:»Ländliche Entwicklung der Zukunft«

Berichte zur Ländlichen Entwicklung 73/1997 103