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ARCH 139 WOHNSIEDLUNGENWerkzeitschrift der Eternit AG Mai 2005
3 Wohnüberbauung Häberlimatte, Zollikofen Burkard, Meyer Architekten, Baden
7 Wohnüberbauung Zwängiwiese, Zürich Kuhn Fischer Partner Architekten AG, Zürich
10 Mehrfamilienhaus an der Forchstrasse, Zürich Arcoop, AG für Architektur, Wohn- und Städtebau, Zürich
13 Überbauung Wohnen am Hang, Zürich Schwamendingen Zoelly Rüegger Holenstein Architekten AG, Erlenbach
17 Wohnüberbauung Ninck-Areal, Winterthur Beat Rothen, Winterthur
20 Wohnungsbauten auf dem ehemaligen Landsitz Pommier, Genève Me.Col, Metron und Collectif d’architectes bbbm
24 Wohnüberbauung Allmendstrasse, Meiringen Ruch Architekten, Meiringen
26 Wohnüberbauung Breitfeld, Frauenfeld Kräher, Jenni und Partner AG, Frauenfeld
Nachruf
28 Willy Guhl (1915–2004): Designer von Eternit-Klassikern
Innenbau
29 Cabaret Voltaire in Zürich: Körperhafte Einbauten Rossetti + Wyss, Zürich
Swissbau 2005
32 Aufsehenerregender Messestand der Eternit AG Cadosch & Zimmermann, Zürich
ARCH139 WOHNSIEDLUNGEN
ARCH 139 WOHNSIEDLUNGEN 1
Thema Wohnsiedlungen
Wohnen interessiert. Nicht nur die Wohnatmosphäre,
der Wohnungsgrundriss, die Ausstattung oder der Preis.
Auch das Gebäude selbst, seine Lage und Orientierung,
sein Charakter, das Erscheinungsbild der Fassaden und
viele weitere Aspekte stossen auf reges Interesse, das nicht
abzunehmen scheint. Die Bedingungen, unter denen
neuer Wohnraum entsteht, sind natürlich einem steten
Wandel unterworfen. Die Lebensgewohnheiten ändern
sich, die Formen des Zusammenlebens auch, und die
Wohnwünsche richten sich nach dem Zeitgeist. Dement-
sprechend werden immer wieder passende Gebäudetypen
und -formen entworfen.
Was ist eine Wohnsiedlung? Es geht um die Ansiedlung
von Wohnraum: Nicht um das individuelle Errichten von
Einfamilienhäusern, vielmehr um das planmässige Erstel-
len mehrerer Wohnungen oder Wohnhäuser. Das Wort
«Wohnsiedlung» bedeutet aber keine bestimmte Haus-
grösse und bestimmt keine spezifische Gebäudeform. We-
der Miete noch Eigentum sind damit festgelegt. Es gibt
verschiedenste Siedlungformen: Reihenhäuser, Hangsied-
lungen, Hochhäuser, Wohnblöcke, in Zeilen oder Clus-
tern angeordnet. Wohnsiedlungen entstehen gegenwärtig
in den Städten wie auf dem Land, vor allem aber wird in
den Agglomerationsgebieten neu gebaut; dabei werden
die Einzugsgebiete der Städte immer weiter gefasst.
Wohnsiedlungen stellen eine sinnvolle Bauform dar, da
sie sparsam mit Grund und Boden umgehen. Sie sind
dichter gebaut als freistehende Einfamilienhäuser. Sie ver-
wirklichen nicht die Vorstellungen einzelner Bewohner,
sondern reagieren auf die Wünsche der angestrebten Mie-
ter- oder Käuferschaft. Sie entsprechen den kollektiven
Bedürfnissen der Gesellschaft.
Die Welt dreht sich schnell, die Geschehnisse jagen sich. ARCH
möchte in Ruhe zurückblicken, Gebautes betrachten und analysieren.
ARCH soll dreimal jährlich erscheinen – eine regelmässige Periodi-
zität wird angestrebt. Wir präsentieren beispielhafte Bauwerke,
bei denen Faserzement zur Anwendung kam. Dabei wollen wir themati-
sche Schwerpunkte setzen. Das Thema dieses ARCH-Heftes sind
Wohnsiedlungen. Ausserdem berichten wir über Aktualitäten in der
Baubranche, soweit sie mit der Firma Eternit AG in Zusammen-
whang stehen.
Die Ausstellung «Eternit Schweiz – Architektur und Firmenkultur seit
1903», die das Institut gta an der ETH gezeigt hatte und die anschlies-
send auf Tournee durch die ganze Schweiz ging, fand im Februar/
März eine würdige letzte Präsentation im Kunsthaus Glarus. An ins-
gesamt sieben Stationen hatten die zahlreichen Ausstellungs-
besucher Gelegenheit, die Geschichte der Eternit AG und Architektur
mit Faserzement näher kennen zu lernen. Das dazugehörige Buch mit
vielen beispielhaften Bauten ist weiterhin im Buchhandel erhältlich.
Das Haus an der Spiegelgasse mitten im Zürcher Niederdorf hat
eine aufregende Geschichte. Während des Ersten Weltkriegs erfand
ein Kreis von Künstlern hier eine neue Kunstauffassung, die sie
Dada nannten. Das damalige Cabaret Voltaire erfuhr nun eine Revitali-
sierung, es findet hier – zwischen Kunst und Café – wieder ein
ideenreicher Austausch statt. Den Innenausbau mit Eternitplatten kon-
zipierten die jungen Architekten Rossetti + Wyss. Sehen Sie Seite 24.
Als die Nachricht vom Tode Willy Guhls Ende letzten Jahres in den
Zeitungen stand, trauerten alle Freunde und Nutzer seiner zahl-
reichen Kreationen. Sicher war er einer der bedeutendsten Gestalter
hierzulande. Seine kreative Schöpfungskraft hatte er auch für einige
Gebrauchsgegenstände aus Faserzement genutzt. Guhl initiierte
damit die materialgerechte Formgebung für Gartenprodukte und Mö-
bel bei der Eternit AG. Den Nachruf finden Sie auf Seite 29.
An der Swissbau, im Januar in Basel, fiel ein Stand besonders ins
Auge: die Eternit AG und swisspor hatten mit zwei benachbarten
Messeständen einen gemeinsamen, wirksamen Auftritt. Die expressive
Architektur der doppelgeschossig begehbaren Stände erregten Auf-
merksamkeit. Die lange Bar und das Café zogen die Messebesucher in
Scharen an, so dass ein reger kommunikativer Austausch stattfand.
Mehr zum Messestand und seinen Besuchern auf Seite 32.
Zu diesen Neuigkeiten finden Sie Beiträge am Schluss des Heftes.
Das Hauptthema vorliegender ARCH-Ausgabe sind allerdings Wohn-
siedlungen, wir präsentieren wiederum eine Reihe beispielhafter
Bauten. Lesen Sie weiter und sehen Sie selbst!
Michael Hanak
Kunst- und Architekturhistoriker, Redaktion ARCH
Editorial
2
Auffallend ist, dass Häuser von Wohnsiedlungen häu-
fig mit Faserzementplatten verkleidet werden. Welche Zu-
sammenhänge bestehen also zwischen dem Wohnungs-
bau und den Baumaterialien? Ein menschenfreundlicher,
wohnlicher Ausdruck in der Aussenansicht ist entschei-
dend. Der Aussenraum vor und zwischen den Häusern
soll benutzerfreundlich wirken. Den Materialien und ih-
ren Oberflächen kommen im Wohnungsbau besondere
Bedeutung zu, zumal die visuellen und haptischen Qua-
litäten sehr emotional bewertet und beurteilt werden.
Die Wohnüberbauung Häberlimatte in Zollikofen
nördlich von Bern erreicht mit dem Spiel unterschied-
licher Fassadenmaterialien und verschiedener Farbwerte
eine anziehende Kraft. Der architektonische Ausdruck, so
die Architekten Burkard, Meyer, setze sich klar ab vom
üblichen Reihenhausschema und suche Käufer mit geho-
benem Wohnanspruch. In die parkartige Umgebung setz-
ten die Architekten einfache, quaderförmige Baukörper in
einer frei gestaffelten und versetzten Anordnung. Decken-
stirnen in Sichtbeton und dazwischen eingefügte hochfor-
matige Faserzementplatten bilden gleichsam den regel-
mässigen, ruhigen Hintergrund für die verspielteren Fas-
sadenteile. Wandscheiben aus Beton sowie Brüstungen
und Schiebeläden aus transluzentem Fiberglas erhielten
unterschiedliche Farbtöne. Diese Palette von Bauteilen
unterschiedlicher Beschaffenheit erlaubt es, den Wohn-
blöcken Abwechslung und Individualität zu verleihen.
Bei der Wohnüberbauung Ninck-Areal in Winterthur
handelt es sich um verschiedengestaltige Bauvolumen, die
auf die disparate Umgebung reagieren und miteinander in
spannende räumliche Beziehungen treten. Wiederum
strukturieren Betonsimse vor den Geschossdecken die
hinterlüfteten Fassaden. Und wiederum sorgen verschie-
denfarbige Fassadenelemente für Abwechslung. Architekt
Beat Rothen, der einige Erfahrungen im Siedlungsbau ge-
sammelt hat, arbeitete hierfür mit dem Künstler Thomas
Rutherfoord zusammen. Die geschosshohen Schiebelä-
den aus eloxiertem Aluminium lassen sich vor die Fenster-
flächen oder vor die Fassadenpaneele aus hellgrau-blauem
Faserzement rücken, und verleihen den strengen Bauku-
ben ein verspieltes Aussehen.
Für die Wohnsiedlung Zwängiwiese in Zürich war
ebenfalls das Farbkonzept für das angestrebte Erschei-
nungsbild mitverantwortlich. Kuhn Fischer Partner, aus-
gewiesene Profis für kostengünstige Wohnsiedlungen,
wollten die Erschliessung offen und kommunikationsför-
dernd ausbilden und sie zum gemeinsamen Hofraum hin
hervorheben. Daher gestalteten sie die Nischen der Trep-
penhäuser und Zugangspodeste rot, im Kontast zur sonst
neutral weissen Aussenhaut der Baukuben.
Die umfangreichen Genfer Wohnbauten Pommier
unterscheiden zwischen dem Bezug nach aussen zur um-
gebenden Stadt und nach innen zum halb offenen Hof-
raum. Zeichnen sich die äusseren Fassaden durch vor-
springende Balkone aus, so stellen die Hofseiten mit
grossformatigen Faserzementtafeln ihre Flächigkeit zur
Schau. Die Komposition der hofseitigen Fassadenbeklei-
dung verleiht dem kollektiven, halb öffentlichen Aussen-
raum Strenge und Leichtigkeit zugleich.
Die Wohnhäuser am Hang, so betitelt wegen ihrer
Hanglage in Zürich Schwamendingen, ersetzen kleintei-
lige Vorgängerbauten mit vorwiegend familienfreund-
lichen Wohnungen. Auf an den Hang geschobenen So-
ckeln in Beton stehen die drei Baukörper, die teils weiss
verputzt, teils mit dunkelgrauen Eternitplatten bekleidet
sind.
Das Mehrfamilienhaus an der Forchstrasse in Zü-
rich entstand, von Arcoop entworfen, in einem urbanen
Kontext, steht es doch an einer der meistbefahrenen Aus-
fallstrassen. Das Haus grenzt sich gegen die Strasse mit ei-
ner Aussenwand aus Sichtbeton ab, die anderen drei Fas-
saden zur ruhigen Seite hin sind mit hellen Platten beklei-
det. Das Haus folgt dem Südhang mit einer Abtreppung
und die Wohnungen öffnen sich mit grossen verglasten
Partien zu den Terrassen.
Mit den beiden letzten Beispielen kommen Einfami-
lienhaussiedlungen auf Grund ihrer Dachlösungen zur
Darstellung. An den Doppelhäusern an der Allmend-
strasse in Meiringen wurde das minimal geneigte Pult-
dach gestalterisch mit dem Aufbau des ganzen Dachge-
schosses verbunden. Der zurückgesetzte Dachaufbau ist
mit Faserzement umhüllt, die Hauptgeschosse sind ver-
putzt.
Bei den Häusern der Siedlung Breitfeld in Frauenfeld
wurden die Pultdächer am unteren Ende nach unten ge-
krümmt und gehen abgerundet in die Fassade über. Als
Resultat ergibt sich eine Materialeinheit zwischen Fassade
und Dach. mh
In der zeitgenössischen
Architektur werden
Materialien bevorzugt,
die durch ihre Ober-
flächenbeschaffenheit
und Farbigkeit emo-
tionale Werte erzielen.
ARCH 139 WOHNSIEDLUNGEN 3
Wohnüberbauung Häberlimatte, ZollikofenStrenge Einheit, reiche Vielfalt
Der Richtplan der Wohnüberbauung Häberlimatte in
Zollikofen basiert auf einem mehrstufigen Wettbewerb,
den die Generalunternehmung Marazzi AG 1995 gemäss
den Vorgaben der Gemeinde ausgeschrieben hatte. Das
nun in der Realisation befindliche Siegerprojekt der Bade-
ner Architekten Burkard, Meyer sieht insgesamt 13 ein-
fache, zwei- bis viergeschossige Zeilen vor, deren lineares
Siedlungsmuster durch einen fliessenden Grünraum mit
Rasenflächen, Bäumen und einem Teich kontrastiert wird.
Geplant sind Geschosswohnungen und Reihenhäuser –
alles in allem 142 Einheiten, die bis 2006 gebaut werden
sollen. Im Frühling 2004 haben Burkard, Meyer die erste
Etappe der Überbauung fertiggestellt: vier Baukörper mit
grosszügigen Geschosswohnungen von 3 1⁄2 bis 6 1⁄2 Zim-
mern, die dem Minergie-Standard genügen.
Von besonderem Interesse ist die Auseinandersetzung
der Architekten mit einem für den Siedlungsbau zentralen
Thema: der ausgewogenen Dosierung von Vielfalt und
Einheitlichkeit. Damit eine Überbauung als zusammen-
hängendes Ensemble wahrgenommen werden kann, ohne
in Monotonie zu versinken, muss die Spannung zwischen
der individuellen Gestaltung bestimmter Elemente und
der Uniformität des Ganzen stets aufrecht erhalten wer-
den. Der Entwurf von Burkard, Meyer ermöglicht genau
4
dies – und zwar sowohl auf der Ebene des einzelnen Hau-
ses als auch der gesamten Siedlung: Aussen liegende
Schiebeläden, die von den Bewohnerinnen und Bewoh-
nern nach Bedarf geöffnet oder geschlossen werden kön-
nen, gelegentlich versetzte Fenster und ein verspieltes
Farbkonzept sorgen für belebende «Störungen» der stren-
gen äusseren Gestalt.
Obwohl die vier Neubauten unterschiedliche Woh-
nungen, Eingangsbereiche und Treppenhäuser beherber-
gen, sind ihre Fassaden nach dem gleichen Prinzip aufge-
baut. Die Westseite besteht aus den geräumigen Veranden
der Wohnungen. Im Osten, Norden und Süden sind die
Häuser mit hochformatigen, geschossweise gespannten
Faserzementplatten bekleidet; das immer wiederkehrende
Modul bildet einen ruhigen Raster. Die Fenster nehmen
ebenfalls die Höhe eines ganzen Geschosses ein. Die De-
ckenstirnen und der Sockel sind mit Sichtbeton ausge-
zeichnet und fungieren als horizontale Gliederung. Der
hellgraue Sichtbeton, die dunklen Fensterrahmen und das
in der Masse anthrazitfarbig durchgefärbte Faserzement
bilden einen sorgfältig gestalteten, zurückhaltenden
Hintergrund, vor dem sich ein einfaches, aber raffiniertes
Farbenspiel entfalten kann: Drei Farben – Sonnengelb,
Limonengelb und Orange – werden jeweils einem Bauteil
– den Betonelementen der Veranden, den Schiebeläden
beziehungsweise den Brüstungen der Fenster und Veran-
den – zugeordnet. Bei jedem Haus können die drei Far-
ben und die drei Bauteile neu kombiniert werden, wo-
durch eine grosse Variationsbreite innerhalb des gleichen
Systems entsteht.
Eine weitere Besonderheit stellt das Material der Schie-
beläden und Brüstungen dar. Verwendet wurden Gitter
aus glasfaserverstärktem Kunststoff (Fiberglas), die mit ei-
ner Reinharzschicht gegen das Ausbleichen durch Ultra-
violettlicht geschützt sind. Bei den Brüstungen sind die
Gittermaschen offen; weil die Stege vier Zentimeter tief
sind, wird aber dennoch – vor allem in der Schrägsicht –
ein guter Sichtschutz gewährleistet. Die Schiebeläden wei-
sen auf der Innenseite des Gitters eine dünne Deckschicht
auf und erlauben somit keinerlei Durchsicht. Der Kunst-
stoff ist jedoch bei beiden transluzent: Die Schiebeläden
und Brüstungen dienen als optische Abschirmung und
Verschattung, ohne zu verdunkeln; sie generieren durch
ihre Überlagerung immer wieder neue Farb- und Lichtef-
fekte. Zudem stellt dieses im Bauwesen noch eher unge-
wohnte Material neue Bezüge und Differenzierungen her.
Einerseits sind Fiberglas wie auch Faserzement hybride
Materialien, bestehend aus Fasern und einer ursprünglich
Die Architekten setzten
sich mit einem für den
Siedlungsbau zentralen
Thema auseinander:
dem Gleichgewicht
zwischen individueller
Gestaltung und ver-
bindender Uniformität.
ARCH 139 WOHNSIEDLUNGEN 5
5
Vor dem Hintergrund
des hellgrauen Sichtbe-
tons und des dunklen
Faserzements entfaltet
sich das raffinierte
Farbenspiel der Schie-
beläden und Brüstun-
gen aus Fiberglas.
EG 1:750
6
Standort Häberlimattweg, Zollikofen
Bauherrschaft Prevista Anlagestiftung, Zürich
Architektur Burkard, Meyer Baden
Landschaftsarchitektur Graf. Riedi AG, Bern
Totalunternehmer Marazzi Generalunternehmung AG,
Muri
Bauzeit 2000–2004 (Wettbewerb 1995)
Fassadenbau F. Wicki Dach- und Fassadenbau AG,
Flühli
Fassadenmaterial Swisspearl® Carat Anthrazit 7020
flüssigen, nun gebundenen Masse; dennoch sind die bei-
den optisch und haptisch kaum vergleichbar und werden
durch den unmittelbaren Kontrast veredelt. Andererseits
sind der Beton der Veranden und das Fiberglas der Gitter
in den gleichen Tönen durchgefärbt, wobei durch die
unterschiedlichen Materialeigenschaften subtile Farbnuan-
cierungen entstehen. Zu den potenziellen Kombinationen
der drei Bauteile und drei Farben kommen also jene der
drei Materialeigenschaften – fest, transluzent, durchbro-
chen – hinzu.
In Anbetracht dieser Möglichkeiten ist es bedauerlich,
dass die Architekten dieses Konzept nicht weiter ausloten
konnten: Die weiteren Etappen der Siedlung realisiert der
Generalunternehmer im Alleingang – in einer konventio-
nellen Bauweise. Judit Solt
Detail 1:20
ARCH 139 WOHNSIEDLUNGEN 7
Wohnüberbauung Zwängiwiese, ZürichWeisse Baukörper, rote Erschliessungsbereiche
Architekt Walter Fischer stellt sofort klar, dass der Woh-
nungsbau eines der Spezialgebiete des Büros Kuhn Fischer
Partner ist. In der langen Reihe der realisierten Wohnsied-
lungen befinden sich einige, die weitherum die Aufmerk-
samkeit auf sich zogen und diese Bauaufgabe mitprägten:
der Brahmshof in Zürich, ein Hofhaus mit kommunika-
tionsfördernden Laubengängen; die Siedlung Leimatt in
Oberwil bei Zug, bei der Sparsamkeit zu einer Reduktion
auf das Wesentliche führte; das Werk in Uster, wo die
Häuser mit Passerellen miteinander verbunden sind; oder
Limmat-West in Zürich, eine langgestreckte, entlang einer
Innenstrasse entwickelte Überbauung mit dichter Nut-
zungsmischung.
Die Siedlung Zwängiwiese, aus einem Projektwettbe-
werb auf Einladung hervorgegangen, schöpft aus diesen
Erfahrungen und führt viele Ideen fort. Grundzüge wie
8
die gemeinsamen Aussenräume, die Erschliessung über
Laubengänge oder das reduzierte architektonische Voka-
bular wurden übernommen. Auch bei der Materialisie-
rung zeigt die Zwängiwiese das bewährte Spektrum der
Siedlungsarchitekten, bei dem immer wieder Faserzement
einen entscheidenden Anteil hat.
Die Wohnsiedlung Zwängiwiese besteht aus zwei iden-
tischen Baukörpern: langgestreckte, dreigeschossige Qua-
der mit ost-west-orientierten Wohnungen, ohne Balkone.
Sie stehen spiegelbildlich am gemeinsamen Hofraum, auf
den sich die eingezogenen, aber offenen Treppenhäuser
richten. Dieser zweiseitig gefasste gemeinsame Aussen-
raum bildet das Herzstück der Siedlung. Der halb be-
grünte, halb asphaltierte Platz, unter dem sich die Tiefga-
rage befindet, definiert gleichzeitig einen präzisen Sockel,
auf dem die beiden Häuser stehen.
Bei dieser Siedlung entschieden sich die Architekten
wiederum für eine Aussenverkleidung mit Faserzement-
platten. Hochformatige, geschosshohe Tafeln kamen zur
Anwendung. Um farblich nahe an der benachbarten
Werkbundsiedlung Neubühl zu bleiben, sollten die Fassa-
den beinahe weiss sein. Für die Aussenhaut wählten sie
daher ein neutrales, abgetöntes Elfenbeinweiss. Die Bau-
volumen werden um die Tiefe der Erschliessungspodeste
bei den Treppen eingeschnitten; diese Nischen sind mit
Platten in einem roten, warmen Farbton verkleidet. Der
farbliche Kontrast zeichnet den offenen Zugangsbereich
aus.
Die Anordnung von je zwei Wohnungen an einem Er-
schliessungspodest, das zugleich als Loggia dient, ermög-
licht Flexibilität, indem die Wohnungsgrössen angepasst
werden können. Ausserdem lässt sich der in der ganzen
Tiefe durchgehende Wohn-Essraum um das angrenzende
Zimmer vergrössern.
Die Bauträgerschaft wünschte eine Siedlung mit hohen
sozialen, ökologischen und formalen Qualitäten. Die
zwei präzis geschnittenen und positionierten Baukörper
mit der weissen Aussenhaut und dem roten Innenleben
gehen auf all diese Aspekte ein. Michael Hanak
Standort Erligatterweg 63–73, Zürich
Bauherrschaft Genossenschaft Neubühl, Zürich
Architekten Kuhn Fischer Partner Architekten AG,
Zürich; Mitarbeit: R. Cotti, W. Stuber
Bauzeit 1998–2000 (Wettbewerb 1997)
Fassadenbau Ohnsorg & Gadola AG, Cham
Fassadenmaterial Swisspearl® Carat Elfenbein 7090
und Swisspearl® Natura Spezialfarbe Korallit K 1301
Die Aussenbekleidung
besteht aus geschoss-
hohen, elfenbein-
weissen Faserzement-
platten, für die offenen
Treppenhäuser wurde
ein warmer Rotton
gewählt.
ARCH 139 WOHNSIEDLUNGEN 9
Diese Wohnhäuser
profitieren von den
langjährigen Erfahrun-
gen des Architektur-
büros im Siedlungsbau:
Mit gemeinsamen Aus-
senräumen, Erschlies-
sungen über Lauben-
gänge und einer redu-
zierten Materialisierung
wird eine hohe Wohn-
lichkeit erreicht.
Grundriss 1:500
Schnitt 1:500
Detail 1:20
10
Mehrfamilienhaus an der Forchstrasse, ZürichGrobmaschige Hülle an Schutzmembran
Als der Architekt Ueli Marbach 1990 in einer Vortrags-
reihe des Bauamtes II der Stadt Zürich auf Einladung von
Stadträtin Ursula Koch zu Formen wünschenswerter
Stadtentwicklungen Stellung nahm, ahnte er wohl kaum,
dass er Jahre später eine Art Schlüsselparzelle im Sinne der
von ihm vertretenen postmodernen Stadt bebauen sollte.
Anlass der Diskussionsrunden war die bevorstehende Re-
vision des Zonenplans. Im Gegensatz zum damals gülti-
gen Gesetz, das auf den Wertvorstellungen der architekto-
nischen Moderne gründete – Leitbild war der freistehende
Baukörper, möglichst umflossen von «frischer Luft» und
«organischem Grün» – votierte Marbach für Vorstellun-
gen, wie sie etwa Bernhard Hösli, ein Schweizer Lehr-
meister der Nachkriegszeit, vertrat, wenn er sagte, dass
die Stadt als Hohlraum beginne, nämlich als Marktplatz,
Forum oder Agora. Die Polis sei ursprünglich nicht ein
Den Strassenlärm
schirmt eine betonierte
Schallschutzwand ab,
die übrigen Fassaden
sind mit hellen Eternit-
platten vor hinterlüfte-
tem Backsteinmauer-
werk ausgeführt.
Standort Forchstrasse 146, Zürich
Bauherrschaft Ueli Marbach, c/o Arcoop, Zürich
Architekten Arcoop, AG für Architektur, Wohn- und
Städtebau, Zürich
Bauzeit 2002–2004 (Planung 2000–2002)
Kaufpreis pro Eigentumswohnung 1,3 bis 1,6
Millionen Schweizer Franken
Verleger Fassadenplatten Diethelm Fassadenbau AG,
Hermetschwil-Staffeln
Fassadenmaterial Swisspearl® Carat Elfenbein 7090
ARCH 139 WOHNSIEDLUNGEN 11
Die Wohnungen
sind mit Terrassen und
Wintergärten nach
Süden ausgerichtet.
Haufen bewohnbarer Häuser, sondern ein Ort des bür-
gerlichen Zusammentreffens.
Marbach plädierte für das teilweise (Wieder-) Herstel-
len des Strassenraums als rue corridor, deren seitliche Be-
grenzung beidseits möglichst geschlossene Häuserzeilen
gewähren sollen. Eine derart geschlossene Bebauung be-
dingt grundsätzlich hohe Dichten, ein weiteres Charakte-
ristikum der wiederentdeckten Urbanität. Nun sollen und
können jedoch nicht alle Strassen zu einer rue corridor
werden. Welche Strassen also sind zu schliessen, welche
nicht? Der Brite Kevin Lynch sprach sich beispielsweise
dafür aus, vor allem stark befahrene Verkehrsadern als
identitätsstiftende Strassenräume und somit als Orte des
öffentlichen Lebens zu gestalten. Das räumliche Schlies-
sen von verkehrsreichen Strassen hat zudem den Vorteil,
die dahinterliegenden Wohnbereiche – zumindest ansatz-
weise – vom Lärm der Strasse abzuschirmen. In Zürich
war es das Büro Arcoop, das mit dem 1984 realisierten
Wohn- und Geschäftshaus Manessehof ein frühes Beispiel
gab, wie man städtebaulich und architektonisch auf Lärm
reagieren kann.
Auch das jüngst bezogene Mehrfamilienhaus des Büros
Arcoop grenzt gegen Norden an eine Hauptverkehrsader;
die Forchstrasse ist eine der wichtigen Ausfallachsen Zü-
richs. Gegen Süden stösst die Parzelle an die Hammer-
strasse, eine relativ ruhige Wohn- und Quartierstrasse.
Weiter südlich erstreckt sich das Naherholungsgebiet des
Wildbach-Tobels. Zwischen den beiden Strassenniveaus,
deren Höhenkoten gut zehn Meter auseinander liegen,
haben die Architekten ein südorientiertes Terrassenhaus
eingespannt, das im unteren Bereich auf einem Sockelbau
aufsitzt. Die oberen sechs Geschosse beherbergen sechs
12
Etagenwohnungen und ein Studio. Der Innenausbau und
die Aufteilung der grosszügigen, zwischen 130 m2 und
190 m2 messenden Wohnungen konnte von den Käufern
grossenteils selbst bestimmt werden. Im Fussgängerbe-
reich gegen die Forchstrasse ist ein Einrichtungsgeschäft
eingemietet. Im Sichtbeton-Sockel sind Neben- und Kel-
lerräume der Wohnungen sowie eine Garage unterge-
bracht.
Die Fassade an der Forchstrasse ist als Lärm-Schutz-
membran ausgebildet: ein viergeschossiges Zweischalen-
mauerwerk mit innerer Backsteinschale und äusserem la-
siertem Betonschild. Sie wird von kleineren, stehenden
Lochfenstern und der verglasten Ladenfront im Eingangs-
geschoss geprägt und von einem Dachgeschoss mit Lu-
karne bekrönt. Auch die Lücke zum Nachbarhaus im
Westen schliesst ein Betonschild, hier mit quadratischen
Öffnungen und dahinterliegenden Loggien. Die Lücke
gegen Osten ist heute noch offen, soll aber später durch
ein Ersatzgebäude des heutigen Altbaus geschlossen wer-
den, wofür ein Näherbaurecht vereinbart wurde. Hinter
den anderen drei Fassaden quer zum Hang und gegen Sü-
den verbirgt sich ein hinterlüfteter Backsteinbau. Aussen
ist eine Verkleidung aus liegenden, weiss durchgefärbten
Eternitplatten in Stülpschalung vorgehängt. Damit wer-
den die Wohnungen dreiseitig von einer hellen, grobma-
schig anmutenden Hülle bekleidet, die – im Gegensatz
zur schützend harten Strassenfront – wohnlich und bei-
nahe «wollig» anmutet. Dementsprechend wird der volu-
minöse Baukörper klar dem Naherholungsraum am
Wildbach zugeordnet, während das Interface zur rue cor-
ridor nur eine dünne Membran darstellt. Inge Beckel
Materialien, Konstruk-
tion sowie die hohe
Flexibilität garantieren
zukünftige Anpassun-
gen an neue Bedürf-
nisse und damit eine
langfristige Wirtschaft-
lichkeit.
Grundrisse 1:400
Detail 1:20
ARCH 139 WOHNSIEDLUNGEN 13
Die Nähe zum Zentrum von Zürich Oerlikon, zu Kinder-
garten, Schulen und öffentlichen Verkehrsmitteln verleiht
dem 2123 m2 grossen Grundstück, das an einem stark ab-
fallenden Nordhang situiert ist, seine Attraktivität. Nach-
teil der zentralen Lage ist allerdings die unmittelbare An-
grenzung an zwei verkehrsreiche Strassen. Die Architek-
ten sahen sich somit vor die Aufgabe gestellt, möglichst
lärmgeschütztes Wohnen im bestehenden städtischen
Kontext zu ermöglichen. Die Bauherrschaft, deren Ver-
trauen zu den Architekten bereits durch mehrere gemein-
same Projekte gewachsen ist, forderte eine maximale Aus-
nutzung der Parzelle mit Familienwohnungen, Gewerbe-
flächen sowie einigen kleineren Apartments im unteren
Preissegment. Drei Gebäude aus den 1940er Jahren mus-
sten einem L-förmigen Mehrfamilienhaus und zwei Ate-
lierhäusern weichen. Die meisten Wohnungen sind auf die
ruhigeren Innenzonen beziehungsweise Ost-West ausge-
richtet. Ebenso wenden sich die Laubengänge, Balkone
und der dreiseitig verglaste Erker mehrheitlich von den
Verkehrsstrassen ab. Die Umgebung wurde als zusätz-
licher Lebensraum mit einbezogen: Die Architekten
schufen durch die Stellung der Häuser zueinander zwei
Innenhöfe als Raum für Begegnungen und schlossen das
Grundstück durch begehbare Pflanzstufen entlang den
Grundstücksgrenzen optisch ab; die öffentlich zugängli-
che Treppenanlage ist zugleich Verbindung zwischen den
Hauptstrassen.
Die drei Gebäude werden durch eine einheitliche Ma-
terialisierung als Ensemble zusammengefasst. Geschoss-
hohe, hochformatige Faserzementplatten gliedern rhyth-
misch die Fassaden der Atelierhäuser und betonen die
Vertikalität der Bauten. Von diesem Baumaterial, seiner
Eleganz und seiner trotz glatter Oberfläche lebendigen
Wirkung zeigen sich die Architekten begeistert. Die Ver-
wendung von hinterlüfteten Faserzementplatten, die den
hoch isolierten Aussenwänden als verlässlicher Wetter-
schutz dienen, kam dem Wunsch der Bauherrschaft nach
unterhaltsarmen, zugleich aber ökologisch vertretbaren
Baustoffen entgegen. Je nach Sonnenstand weichen die
Fensterflächen optisch hinter die anthrazitfarbene Eternit-
fassade zurück, so dass die Häuser wie dunkle Kuben wir-
ken, die lediglich durch Rollläden, Abluftrohre, Fenster-
rahmen und Geländer, die aus natureloxiertem Alumi-
nium oder verzinktem Stahl gefertigt sind, angenehm hell
kontrastiert werden. Die leicht zurückversetzte Attika des
L-förmigen Hauptbaus übernimmt Gliederung und Mate-
rial der Atelierhäuser, während die drei darunterliegenden
Wohngeschosse weiss verputzt sind, um sich den älteren
Überbauung Wohnen am Hang, Zürich SchwamendingenKontrast von hellen und dunklen Kuben
14
Standort Überlandstrasse 50/52, Schwamendingenstrasse 129, Zürich
Bauherrschaft Baugenossenschaft Werdmühle, Zürich
Architekten Zoelly Rüegger Holenstein Architekten AG, Erlenbach;
Mitarbeit: Sandra I. Blatter, Christina Meierhans, Dominique Huber,
Lysiane Lavigne
Bauleitung Caretta + Weidmann Baumanagement AG, Zürich
Bauherrenberater Kummer Baumanagement GmbH,
Zürich
Bauingenieur Jäger & Partner Bauingenieure AG, Adliswil
Bauzeit: 2002–2003 (Vorprojekt 2000)
Fassadenbau: Robert Spleiss AG, Küsnacht
Fassadenmaterial: Swisspearl® Carat Anthrazit 7020
Die zwei Atelierhäuser
und das Mehrfamilien-
haus besetzen den stark
abfallenden Nordhang
zwischen zwei Strassen
und definieren lärm-
geschützte Höfe.
OG 1:500
EG 1:500
ARCH 139 WOHNSIEDLUNGEN 15
Nachbargebäuden anzupassen. Ein weiteres gemeinsames
Element der drei Häuser ist der Hangsockel mit vorge-
hängten Sichtbetonelementen und zwischenliegender Iso-
lation. Trotz dieser Gemeinsamkeiten hebt sich der Haupt-
bau durch seine Form und Helligkeit selbstbewusst von
den Atelierhäusern ab. Die Architektur der Häusergruppe
spielt mit den Gegensätzen offen–geschlossen und hell –
dunkel. Britta Limper
Auf Sockelgeschossen
mit vorgehängten
Sichtbetonelementen
erheben sich die
Baukörper, die mit
geschosshohen
Faserzementplatten
streng gerastert be-
kleidet sind.
Detail 1:20
16
ARCH 139 WOHNSIEDLUNGEN 17
Auf dem Ninck-Areal, dem Park der Villa Brühlhof, tref-
fen unterschiedliche städtebauliche Typologien, Nutzun-
gen und Massstäblichkeiten zusammen. Der markanteste
Bezugspunkt ist das 1963–1966 erbaute Sulzer-Hochhaus
mit 24 Bürogeschossen. Ebenfalls dominant erscheinen
die weiteren angrenzenden grosskalibrigen Bürohäuser
des Sulzer-Konzerns entlang der Durchgangsstrasse. Jen-
seits des Eulach-Baches liegt die Freifläche mit dem Fuss-
ballstadion, den Sportplätzen und den Eulachhallen für
Messe-, Sport- und Mehrzwecknutzungen. An der Quar-
tierstrasse auf der anderen Seite stehen einfache Mehrfa-
milienhäuser. Inmitten dieser Gegensätze entstand die
neue Wohnüberbauung.
Die vier Wohnblocks stehen entlang der Quartier-
strasse in einer Flucht. Ihre Gebäudehöhen reduzieren
sich von der Durchgangsstrasse her stufenweise von fünf
Geschossen auf schliesslich drei Vollgeschosse plus Attika-
wohnungen. Die verschiedengestaltigen Volumen folgen
dicht aufeinander und scheinen sich tanzend anzunähern,
sie treten untereinander und mit der Umgebung in vielfäl-
tige Beziehungen. Die Überbauung schafft Übergänge
nach allen Seiten. Die Abgrenzung zur Strasse bildet eine
leichte Stahlkonstruktion mit einer raumhaltigen Glyzi-
nienbepflanzung, welche Abstellplätze für Velos und
Container in sich aufnimmt. Zum Park hin lockert sich
die strenge Linie des Ensembles. Hier blieb Raum, um
unter den Bäumen Sitz- und Spielplätze zu gruppieren.
Insgesamt fassen die vier Wohnhäuser 43 Miet- und 23
Eigentumswohnungen. Für die Geschosswohnungen
wurden zwei Grundrisstypologien entwickelt: Eckwoh-
nungen und Wohnungen, die über die ganze Haustiefe
durchgehen. Grosse Entrees und überbreite Korridore,
die vielfältig genutzt werden können, unterstreichen die
hohe Wohnqualität. Die einzelnen Zimmer und Badezim-
mer sind wie Kompartimente über eine eigene Vorzone
erschlossen.
Die Fassaden sind geprägt von einer regelmässig aufge-
bauten Eternitbekleidung und Schiebe-Elementen aus
verschiedenfarbig eloxiertem Aluminium. Farbkonzept
und Fassadenlayout wurden in Zusammenarbeit mit dem
Winterthurer Künstler Thomas Rutherfoord entwickelt.
Die Elemente vor den raumhohen Fenstern und den ver-
glasten Loggias dienen der individuellen Lichtregulierung
und der Schliessung. Durch das von den Bewohnern be-
stimmte Spiel mit den beweglichen, farbigen Fassadenele-
menten präsentiert sich die Fassade nie gleichförmig. Die
grossformatigen, acht Millimeter starken Faserzement-
platten wurden mit blanken Schrauben auf eine Unter-
konstruktion aus Holz und Metall befestigt. Diese Platten
sind in einem ausgesuchten hellgrau-blauen Farbton be-
schichtet. Darunter dämmen 18 cm dicke Mineralwollplat-
ten die gemauerten Wände. Vor den Geschossdecken
wurden 32 cm auskragende Simselemente mit Chrom-
stahlankern montiert. Der Querschnitt dieses in Beton
vorfabrizierten Gesimses wurde so entwickelt, dass es un-
ten die Laufschienen der Schiebeläden aufnehmen kann
und im oberen Teil mit einer Aufbordung einen optimalen
Anschluss für die hinterlüftete Fassade bietet. Die umlau-
fenden Betonsimse schützen die Fassade vor der Witte-
rung und strukturieren sie in horizontale Streifen. Beton-
bänder einerseits und Faserzementplatten und Alumini-
umelemente andererseits erzeugen ein Streifenbild, das
die Gesamtfigur der vier Baukörper in ihrer Vielfalt und
Variation zusammenbindet. Michael Hanak
Wohnüberbauung Ninck-Areal, WinterthurFarbiges Wechselspiel der Fassade
Die umlaufenden,
auskragenden Beton-
bänder strukturieren
und schützen die
hinterlüftete Fassade.
Standort Brühlgartenstasse 2–12, Winterthur
Bauherrschaft Anlagestiftung Pensimo, Zürich
(Mietwohnungen), und Gesellschaft für Erstellung billi-
ger Wohnhäuser, Winterthur (Eigentumswohnungen)
Architekt Beat Rothen, Winterthur; Mitarbeit: Simon
Sutter, Martin Schmid
Bauleitung Architekturbüro Kurt Gasser, Winterthur
Bauzeit 2001–2003 (Planung ab 2000)
Fassadenbau ARGE Lerch AG /bwt Bau AG,
Winterthur
Fassadenmaterial Swisspearl® Carat Spezialfarbton
18
Das Simselement
wurde im Querschnitt
so entwickelt, dass es
unten die Laufschienen
der Schiebeläden
aufnehmen kann und
oben mit einer Auf-
bordung einen optima-
len Anschluss für die
hinterlüftete Fassade
bietet.
OG 1:100
EG 1:100
ARCH 139 WOHNSIEDLUNGEN 19
Die in einem Spezial-
farbton beschichte-
ten, grossformatigen
Eternitplatten sind
mit blanken Schrauben
auf die Holz-Metall-
Unterkonstruktion
montiert.
Detail 1:20
20
Wohnungsbauten auf dem ehemaligen Landsitz Pommier, GenèveVolumen und Oberfläche
ARCH 139 WOHNSIEDLUNGEN 21
Aus der Ferne lassen sich die vom Büro Me.Col entwor-
fenen Wohngebäude im Stadtteil Grand-Saconnex nur
schwer ausmachen. Die insgesamt 117 Wohnungen umfas-
senden drei Körper – mehr oder weniger lang gezogene,
auf einem leicht abfallenden Terrain rechtwinklig zueinan-
der gesetzte Gebäudezeilen – gehen in der Gleichförmig-
keit des neuen Quartiers von Pommier auf. Aber beim
Näherkommen offenbart die Anordnung der drei Prismen
den verbindenden Ort des Ensembles: einen öffentlichen
Platz, eine Art Gartenhof, der an den Ecken durchlässig
ist. Während die Volumen von weitem in der schemati-
schen Strenge des Baumassenplans verschwinden, treten
die Unterschiede von nahem in der Textur der Oberflä-
chen der Baukörper zutage. Erst jetzt sieht und begreift
man die Vielfalt: Es handelt sich um öffentliche, städti-
sche, kollektive Orte und private Räume.
U-förmig angeordnet, begrenzen die Gebäude von
Me.Col mit ihren drei beinahe identischen hofseitigen Fas-
saden die eine Hälfte des Platzes. Unverhohlen stellen sie
ihre Flächigkeit zur Schau, im Gegensatz zu den äusseren
Fassaden, die auf der ganzen Länge durch vorspringende
Balkone gekennzeichnet sind. Auf der Hofseite wird die
Komposition von der Vertikalen bestimmt; auf der Stras-
senseite unterstreichen klare horizontale Bänder den Zu-
sammenhalt der Intervention. Die Höhe der Bauten vari-
iert zwischen sechs und sieben Geschossen plus Attika. Sie
enthalten mehrheitlich zweiseitig orientierte 3- bis 6-Zim-
mer-Wohnungen. Treppenhäuser und Liftschächte befin-
den sich in der Gebäudemitte und sind in einen klaren Ras-
ter von grösstenteils vorfabrizierten Betontragelementen
eingebunden. Viele der zum Teil als Duplex ausgelegten
Wohnungen sind um einen zentralen, vielseitig nutzbaren
Raum angeordnet, in den je nachdem über die Küche, das
Büro oder das Wohnzimmer indirektes Tageslicht einfällt.
Wenn man sie genau anschaut, erscheinen die drei
grossen, mit schwarzen Faserzementplatten bekleideten
Hoffassaden weder «versteinert» noch mit einer Glasur
überzogen, sondern wecken eher die Vorstellung von et-
was Seidenem. Die Wirkung des Massstabs und die durch
die drei Fassaden gebildete relative Geschlossenheit des
Volumens lassen die Anthrazitfarbe der 306 Faserzement-
platten ebenso dominant erscheinen wie das Rot eines
Bühnenvorhangs im Theater. Die Oberfläche war be-
kanntlich eines der grossen Probleme der Architektur des
20. Jahrhunderts, nachdem die Avantgarde das Marken-
zeichen des Klassizismus, das Gesims, in letzter Instanz
verurteilt hatte. Seither spricht man mehr vom Raum
selbst als von seiner Verkleidung. So erweist sich die Be-
Die tragenden Elemente
bestehen aus Beton,
die Fassaden sind mit
vorfabrizierten Holz-
elementen konstruiert,
auf die Faserzement-
platten geschraubt
wurden.
Detail 1:20
22
96.744
2
Schnitt 1:500
OG 1:500
EG 1:500
Situation
handlung der Raumwand häufig als eine der Schwierigkei-
ten der architektonischen Ästhetik. Aus dieser Sicht fehlt
es der radikalen Lösung des Pommier-Projekts nicht an
Kühnheit.
Wie ist das rivalisierende Spiel zwischen dem seidigen
Schwarz des Faserzements und den wechselnden Spiege-
lungen der Glasflächen zu deuten, da die beiden Disposi-
tive vom gleichen konstruktiven Raster der Fassaden
moduliert werden? Es liegt eine visuelle Botschaft vor, die
sowohl abweisende Strenge als auch Zuwendung ver-
mittelt. Gewiss, dies ist bloss eine Metapher, aber man ist
sich bewusst, dass man sich gut benehmen muss, wenn
man am Fusse des Gebäudes in dem noch spärlich be-
wachsenen Gartenhof spazieren geht.
Die Fassadenoberfläche wirkt, wenn es sich um
Wände von über 500 m2 Grösse handelt, nicht wie ein Bild
ARCH 139 WOHNSIEDLUNGEN 23
in einer Galerie. Die Besonderheit der Architektur, das
verwendete Material, die Befestigungstechnik, das ge-
wählte Modul, all dies führt eine Art optisch wahrnehm-
bares Gewicht herbei, das sich allenfalls mit dem Pinsel-
strich in der Malerei gleichsetzen liesse. Die auf Holz-
rahmen geschraubten Eternitplatten vom Typ Carat
wechseln ab mit verglasten Partien, deren Spiegelung oder
unterschiedliche Transparenz den Gegensatz zur allge-
meinen Textur bilden. Sicher gibt es gute – thermische
und konstruktionsbedingte – Gründe, die den Einsatz
dieses Materials rechtfertigen. Doch scheint das vom Büro
Me.Col hier in Genf realisierte Quartierfragment allein auf
die optische Ladung Wert zu legen, die einem das grosse
Fassadenspektakel aufzwingt.
Cyrille Simonnet und Federico Neder
Standort Rue Giacometti 8–10, Rue Gardiol 8–14,
Rue Sonnex 19–23, Genf
Bauherrschaft Personalfürsorgekasse des Kantons Genf
Architekten Me.Col, Metron und Collectif d’architectes
bbbm, Genf; Mitarbeit: Y. Dupanloup, Ph. Ramseier,
A. Rusterholz
Bauzeit 2001–2004 erste Etappe (Wettbewerb 2000)
Ingenieure Mantilleri & Schwarz, Carouge
Fassadenmaterial Swisspearl® Carat Anthrazit
Bisher 117 Wohnungen
umfassen die drei um
einen Hof gruppierten
Bauzeilen der ersten
Bauetappe.
242424
Wohnüberbauung Allmendstrasse, MeiringenSchwebende Integraldächer vor Bergkulisse
Entstanden aus früher eigenständigen Dörfern und Wei-
lern, ist Meiringen mit 4800 Einwohnern Hauptort des
Amtsbezirks Oberhasli sowie der Alpenregion Brienz-
Meiringen-Hasliberg. Sein Dorfbild ist keineswegs typisch
für diese Gegend. Mehrere starke Brände fügten dem Ort
schwere Schäden zu, so dass bis in die 1920er Jahre für
viele Jahrzehnte das Bauen mit Holz verboten war. So
sind lediglich wenige Gebäude im traditionellen Block-
baustil alpiner Wohnhäuser errichtet.
Steigende Einwohnerzahlen führten zur Erschliessung
von Neubauvierteln. Die zuerst drei, dann vier Doppel-
häuser, die an einer Quartierstrasse zwischen dem Dorf-
zentrum und einem Neubauquartier stehen, überzeugen
durch ihre schlichte Formensprache und strenge Symme-
trie. Grundrisse und äussere Gestaltung sind bis ins Detail
identisch. Durch die Ausbildung von hofartigen Aussen-
bereichen hinter und zwischen den Häusern wurden für
die Bewohner lärmgeschützte Privatsphären geschaffen.
Trotz des kubischen Charakters fügen sich die Doppel-
häuser wie selbstverständlich in die Berglandschaft ein.
Der gewollt klare architektonische Ausdruck verlangte ei-
gentlich nach einem Flachdach, das allerdings per Bauge-
setz in Meiringen verboten ist. Die Architekten entschie-
den sich daher für ein anthrazitfarbenes Integraldach der
Eternit AG, das eine minimale Neigung des Pultdaches er-
möglicht und sich dank seiner zurückhaltenden Erschei-
nung der Umgebung nicht aufdrängt, sondern eine har-
monische Verbindung mit dieser eingeht. Die Dachhaut
besteht aus grossformatigen Faserzementplatten, die nur
wenige strukturierende Linien zeigen; so erscheint das
bündig abschliessende Dach als einheitliche Fläche und
schmälert nicht die Wirkung des weiss verputzten Erd-
und Obergeschosses. Das Dachgeschoss ist ab Brüstungs-
höhe mit hinterlüfteten Platten vom Typ Plancolor im sel-
ben anthrazitgrauen Farbton ausgeführt, so dass der ge-
samte Dachaufbau optisch zurückweicht. Die Untertei-
lung des Fensterbereichs im Obergeschoss erfolgt durch
dieselben Eternitplatten, die ausserdem bei den Sicht-
schutztrennwänden auf den Terrassen zum Einsatz ka-
men. Das Zusammenspiel von weissen Wandflächen mit
Faserzement und Glas verleiht der Architektur eine ange-
nehme Leichtigkeit. Der Dachaufbau, der auf der Gar-
tenseite Raum für eine Dachterrasse bietet, lässt das Inte-
graldach leicht aufliegend, ja fast schwebend erscheinen.
Dank kostenbewusster Materialisierung und baulicher
Verdichtung konnten die Haushälften inklusive Grund-
stück vergleichsweise günstig angeboten und erwartungs-
gemäss schnell verkauft werden. Britta Limper
ARCH 139 WOHNSIEDLUNGEN 25
Standort Allmendstrasse, Meiringen
Bauherrschaft MIMMO Meier Immobilien GmbH,
Meiringen
Architekten Ruch Architekten, Meiringen
Bauzeit 2002–2004 (Projekt 2001)
Fassadenbau und Dachdecker Maurer & von Bergen AG, Meiringen
Material Fassade Swisspearl® Anthrazit
Material Dach Integraldach Vulcanit
Ausser dem minimal
geneigten Integraldach
wurden auch das ganze
Dachgeschoss und
weitere Fassadenpar-
tien mit anthrazit-
farbenen Faserzement-
produkten ausgeführt.
Detail 1:20
DG 1:400
OG 1:400
EG 1:400
26
Wohnüberbauung Breitfeld, FrauenfeldNahe dem Waldrand
Zürich West ist bekanntlich der Name einer Musikgruppe
– aus Bern. Zürich Ost nun steht für Lebensqualität vor
den Toren der Deutschschweizer Millionenagglomeration.
So jedenfalls will es eine Werbekampagne zugunsten des
Standorts Thurgau: grüne Landschaften, etwas weniger
Hektik vielleicht, sicherlich aber Wohneigentum zu er-
schwinglichen Preisen. Zudem ist Frauenfeld, Kantons-
hauptort des Thurgaus, inzwischen zweimal stündlich ge-
taktet und an den Wirtschaftsraum Zürich angebunden.
Ruhe und Anbindung zugleich, comuting oder pendeln
also von der einfachen, der angenehmen Seite.
Die sechs Reihen- und zwölf Einfamilienhäuser der
Wohnüberbauung Breitfeld der Architekten Kräher, Jenni
und Partner entsprechen sinngemäss den Vorstellungen
vieler Haussuchender respektive potenzieller Käufer: Die
Häuser liegen in einem Neubaugebiet nahe dem Wald-
rand, es sind mehrheitlich freistehende Bauten auf leicht
abfallendem Gelände, die in vier Zeilen angeordnet sind.
Im Erd- oder Eingangsgeschoss finden sich in der Regel
der grosse Wohn-Essraum und seitlich die Garage, im
Ober- und Dachgeschoss verschiedene Zimmer sowie
oberhalb der Garage Neben- und Estrichräume. Die
Hausparzellen variieren in der Breite zwischen 11,7 und
14,7 Metern.
Der Hauptkörper der Häuser – der Wohnturm sozu-
sagen – ist hell verputzt, während der Nebenbau mit der
Garage und den darüber liegenden Serviceräumen volu-
metrisch leicht abgesetzt, flach eingedeckt und um ein
Stockwerk tiefer gestaltet ist, und somit eine geschützte
Terrasse bietet. Diese Gebäudeteile, welche die Häuser-
zeile durch ihre Rücksprünge rhythmisch gliedern, sind
mit grauen Eternitplatten eingedeckt. Das Hauptdach ist
mit Ondapress-Dachwellplatten in hellgrauer Farbe einge-
deckt, einer Spezialanfertigung für diese Siedlung. Der
Dachform wurde besondere Beachtung geschenkt; es ist
ein Pultdach, das am unteren Ende nach unten gekrümmt
wurde und abgerundet in die Fassade übergeht. Damit
zeigt jedes Haus eine differenzierte Materialeinheit zwi-
schen einzelnen Fassadenbereichen und dem Dach.
Inge Beckel
Standort Dachsweg 1–7 b, Fuchsweg 2–8, Frauenfeld
Bauherrschaft Baukonsortium Breitfeld, Frauenfeld
Architekten Kräher, Jenni und Partner AG, Frauenfeld
Bauzeit 1998–2000/2002 in Etappen
Material Fassade Swisspearl® Natura Grau
Material Dach Ondapress Grau
ARCH 139 WOHNSIEDLUNGEN 27
Für die gebogenen Pult-
dächer wurden die
Dachwellplatten speziell
gefertigt. An der Fassade
Rechteckstreifen von
30 auf 60 cm, doppelge-
deckt.
EG 1: 500
Detail 1:20
28
Willy Guhl (1915–2004): Designer von Eternit-Klassikern
Am 4. Oktober letzten Jahres starb Willy Guhl, der be-
deutende Designer, im Alter von 89 Jahren im Schaffhau-
sischen Hemishofen. Seine Laufbahn begann er mit einer
Lehre als Möbelschreiner, dann besuchte die Kunstgewer-
beschule in Zürich und eröffnete 1939 ein eigenes Schrei-
neratelier. 1941 wurde er Lehrer für Innenausbau an der
Kunstgewerbeschule Zürich, ab 1951 deren Leiter. Früh
suchte er die Zusammenarbeit mit der Industrie. Er ges-
taltete zahlreiche Möbel und Produkte, einige wurden zu
weltweit bekannten Klassikern. Für die Eternit AG ent-
warf er Objekte für den Gartenbereich, darunter den Ses-
sel in Schleifenform und das ergonomische Blumen-
kistchen, beide 1954. Erst 2000 komplementierte er den
Sessel um einen Beistelltisch.
Guhls Werk und Kredo fing sein Kollege und Freund
Robert Haussmann am Grab mit folgenden Worten ein:
«Mit Willy Guhls Tod hat ein langes, reiches Leben ein
Ende gefunden. Ein Leben, äusserlich eher unspektakulär
und bescheiden, das Leben eines Menschen, der keiner
grossen Worte bedurfte, um seine ungewöhnlichen Bega-
bungen, seine innersten Anliegen und seinen Humor
wirksam und fruchtbar werden zu lassen. Ideologische
und formalistische Scheuklappen waren ihm fremd. Willy
Guhl war ein grosser Pädagoge und ein bedeutender De-
signer. Er hat Generationen von Studenten wesentlich
beeinflusst.
Auf dem Weg vom Schreiner zum Designer blieb Willy
Guhl zeitlebens ein unglaublich sensibler Handwerker.
Als Kenner von Werkzeugen und deren Gebrauch in allen
Belangen, machte er uns bewusst, dass nur das harmo-
nische Zusammenwirken von Kopf, Hand und Haltung
handwerkliches Gelingen möglich macht. Die enge Ver-
wurzelung im Handwerk und seine entwaffnende Un-
konventionalität im Denken machten ihn offen für alle
technologischen Fortschritte. Bis zuletzt blieb er fasziniert
von neuen Fertigungsmethoden, neuen Materialien und
deren gestalterischem Potenzial.
Willy Guhl war Erfinder, Experimentator, Tüftler und
Visionär. Dennoch hob er nicht ab ins allzu Utopische. Er
war ein genialer Pragmatiker. Diese Eigenschaften mach-
ten ihn in der Schweiz zu einem der Pioniere des Indus-
triedesigns, eines damals neuen Berufsstandes, den er mit-
begründen half, und der ihm auch heute noch viel zu ver-
danken hat.» mh
Nachruf
Oben: Willy Guhl 2003 in
seinem Garten in
Hemishofen
Unten: 1951 zusammen
mit Robert Haussmann
(links) und Formmeister
Noser bei der Eternit AG
in Niederurnen.
ARCH 139 WOHNSIEDLUNGEN 29
Cabaret Voltaire in Zürich: Körperhafte Einbauten
Innenbau
Ein altes Haus mit einer bewegten Geschichte, mitten im
Zürcher Niederdorf. Im Eckhaus befand sich lange Zeit
eine berüchtigte Kneipe mit einem rückwärtigen kleinen
Saal, in dem einige Künstler in den 1910er Jahren das Ca-
baret Voltaire einrichteten. Ihre Aufführungen waren so
ungewöhnlich und nonkonformistisch, dass man später
von der Geburt des Dadaismus sprach. Seither geht von
diesem Ort eine international wirksame mythische Auss-
trahlung aus.
Als das Haus um die letzte Jahrhundertwende leer und
zum Verkauf stand, wurde es überraschend besetzt und
einige Künstler machten auf das Potential seiner Vergan-
genheit aufmerksam. Ein Aktionskomitee setzte sich für
eine kulturelle Nutzung ein und dank Sponsor und städ-
tischer Unterstützung konnte schliesslich das Cabaret
Voltaire wieder eröffnet werden. Es ist nun ein einerseits
Standort Spiegelgasse 1, Zürich
Bauherrschaft Präsidialdepartement der Stadt Zürich
Architekten Rossetti + Wyss, Zürich; Mitarbeit: Tobias Lindenmann,
Claudio Sticca
Bauzeit 2004
Fassadenmaterial: Swisspearl® Carat Bernstein, Anthrazit und Rubin
Publikation Cabaret Voltaire. Dada Zürich. Ein Eingriff von
Rossetti + Wyss, gta Verlag, Zürich 2004
30
Drei rundum mit Faser-
zementplatten be-
kleidete Einbauten,
in verschiedenen Farb-
tönen durchgefärbt:
rot die Bar, gelb die
Treppe mit Bibliothek
und schwarz die
Verkaufstheke.
ARCH 139 WOHNSIEDLUNGEN 31
Schnitt 1:400
OG 1:400
EG 1:400
Detail 1:40
Ausstellungs- und Veranstaltungsort und andererseits eine
Café-Bar.
Den Wettbewerb unter vier eingeladenen Architek-
turbüros für den Innenumbau entschieden Rossetti +
Wyss für sich. Ihre Absichten beschrieben die Architekten
so: «Das Projekt bearbeitet die Raumübergänge, indem
die benötigten Infrastrukturen in Form von präzisen Im-
plantaten in die Bausubstanz integriert werden. Die Kon-
zentration der Einbauten spielt die vier Räume frei, setzt
diese zueinander in Beziehung, und befreit die transito-
risch-ephemeren Räumlichkeiten von dauerhaften Instal-
lationen. Der bauliche Eingriff wird auf die dienenden
Elemente reduziert und öffnet in den vier Haupträumen
die Bühne für Dada.» Das Radikale am Konzept von Ros-
setti + Wyss war, die eigentlichen Haupträume so zu be-
lassen, wie sie vorgefunden wurden: In einem Zustand
des unvollendeten Rohbaus. Die wesentlichen Massnah-
men beschränkten sich auf gezielte Eingriffe in den Über-
gangsbereichen zwischen den Haupträumen.
Drei Raumkörper wurden in die Raumübergänge ein-
gebaut, die gleichzeitig wichtige dienende Funktionen
übernehmen: Die Kasse mit Verkaufstheke, die Treppe
mit Freihandbibliothek und Internet-Arbeitsplatz und die
Café-Bar. Alle Einbauten sind gänzlich mit grossformati-
gen Tafeln ausgekleidet und heben sich damit optisch von
den Haupträumen ab. Wände, Decken und Fussböden
sind jeweils aus dem gleichen Material gefertigt, ebenso
das feste Mobiliar. Die Architekten wählten in der Masse
durchgefärbte Faserzementplatten, die sie schleifen lies-
sen. Nur mit dieser experimentellen Behandlung erreich-
ten sie die gewünschte Mischung von artifiziellem und ar-
chaischem Erscheinungsbild. Das Abschleifen bringt den
urtümlichen Zementcharakter deutlicher zum Vorschein,
die bereits «verletzte» Oberfläche verleiht dem Material
ungekannte Nuancen. mh
32
Aufsehenerregender Messestand der Eternit AG
Swissbau 2005
Gleichsam mit ausgestreckten Armen
empfingen die beiden aneinander-
gebauten Stände der Eternit AG und
swisspor AG die Messebesucher
an der Swissbau 05. Spektakuläre
Auskragungen griffen tief in den
Raum, wodurch variantenreiche Aus-
sichtsplattformen entstanden.
Der mehrgeschossige Aufbau, der die
Hallenhöhe erlebbar machte, er-
laubte eine Gliederung der Exponate
in Themenbereiche und Zonen
unterschiedlicher Nutzungsintensität.
Zwischen den Messeständen ent-
wickelte sich ein kommunikatives
Forum, das rege genutzt wurde.
An der Bar und im Café trafen sich die
Messebesucher zum intensiven
Dialog über Produkte und Systeme,
die in den Exponaten rundum prä-
sent waren.
Illustrer Besuch am Eternit-Messestand:
Bundesrat Joseph Deiss im Gespräch
mit Messe-Schweiz-Präsident Robert
Jeker, Bernhard Alpstäg, Eigentümer der
Eternit AG, und Anders Holte, geschäfts-
führender Direktor der Eternit AG.
Freude herrscht!
Bauherrschaft swisspor AG und Eternit AG
Architekten Cadosch & Zimmermann, Zürich
Bauzeit 2005
Statik Ivo Diethelm, Holzbauingenieur, Gommiswald
Standbau Erne AG Holzbau, Laufenburg
Material Swisspearl® Carat Anthrazit, Rubin und Azurit;
Boden: Duripanel in-color Anthrazit
Herausgeber
Eternit AG, 8867 Niederurnen
Telefon 055 617 11 11, Fax 055 617 15 02
[email protected], www.eternit.ch
Redaktion Michael Hanak, Zürich
Gestaltung Bernet & Schönenberger, Zürich
Planbearbeitung Sandra Eichmann, Zürich
Korrektorat Barbara Raschig, Zürich
Übersetzung Christa Zeller, Zürich (S. 20–23)
Druck Südostschweiz Print AG, Chur
Fotos
Archiv der Eternit AG, Niederurnen (S. 28 unten)
Gaetan Bally / KEYSTONE (S. 28 oben)
Lorenz Bettler, Zürich (S. 29–30)
Croci & du Fresne, Ittingen (S. 2 Mitte, 20–23)
Viktor Roedelberger, Zürich (S. 13–15)
Jürg Zimmermann, Zürich (S. 1–12, 16–19, 24–27, 32)
Redaktionsadresse
Redaktion ARCH, Postfach 2125, 8026 Zürich
[email protected], Telefon und Fax 044 241 35 28
Abonnemente und Adressänderungen
Eternit AG, 8867 Niederurnen
[email protected], Fax 055 617 15 02
Den Inhalt der Zeitschriftenbeiträge verantworten die
jeweiligen Autorinnen und Autoren. Gemäss dem all-
gemeinen Sprachgebrauch wird Eternit auch als Gattungs-
bezeichnung für Faserzement verwendet. Die Eternit AG
stellt hiermit jedoch klar, dass es sich beim Begriff
ETERNIT um einen Firmennamen und eine geschützte
Marke handelt.
Die Pläne wurden freundlicherweise von den Architekten
zur Verfügung gestellt. Die Detailpläne wurden zur
besseren Lesbarkeit überarbeitet; für deren Richtigkeit
kann die Redaktion keinerlei Garantie übernehmen.
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ISSN 1661-3279
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