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KLI NIS CHE WOCHENS CH RIFT x8. JAHRGANG Nr. 49 9. DEZEMBER x939 0BERSICHTEN. MALIGNE HYPERTONIE ODER MALIGNE NEPHROSKLEROSE ? Won T~. FA~. Aus dem Pathologischen Institut der Hanslsehen Universit~it Hamburg (Vorstmld: Prof. FAHR). Die Frage nach Wesen und Ursache der Hypertonie ist bis in die jtingste Zeit lebhaft diskutiert und in sehr verschie- dener Weise beantwortet'worden. Ich wtirde in dieser Sache, zu der ich mich oft genug ge~uf3ert habe, nicht wieder das Wort nehmen, wenn nicht neuerdings, namentlich in der angels~chsischen Literatur, der Brauch aufk/~me, yon einer ,,benignen und matignen Hypertonie" zu reden, wobei mit der benignen Hypertonie offenbar einmal die Formen zu- sammengefal3t werden, die der essentiellen, der nichtrenalen Hypertonie entsprechen, auBerdem aber aueh die benigne Nephrosklerose. Wir sehen uns also im ganzen den Formen gegentiber, die VOLHARD als roten Hochdruck bezeichnet, w/~hrend unter der b6sartigen Hy.pertonie die Krankheit sich verbirgt, die der malignen Nephrosklerose entspricht. Ich hake diese Verschiebung des Standpunktes yon der kausalmorphologisehen zu einer ganz hypothetisch funk- tionellen Betrachtungsweise ftir recht nnglticklich nnd m6chte im folgenden meine Gegengrtinde gegen diese neue Lehre vor- bringen. Betrachtet man einfach den Hochdruck an sich, sozusagen losge163t von alien seinen kausalen Verkettungen, so liegt doch auf der Hand, dab er nut nach seiner H6he, nach seiner Dauer, nach dem Zeitpunkt und der Schnelligkeit seines Auf- tretens Unterschiede zeigen kann; man wtirde also, wenn man die Unterscheidung zwischen einem gutartigen und b6s- artigen Hochdruck machen wollte, denjenigen als b6sartig bezeichnen, der besonders hoch ist, besonders lange wirkt und besonders rasch in Erscheinung getreten ist. Was das Lebens- alter anbelangt, in dem der Hochdruck auftritt, so k6nnte man daran denken, dab im jtingeren Alter, bei roll und wenig- stens noch gut erhaltener Elastizit/tt des Gef/~Bsystems der Hochdruck besser vertragen wird, als bei bereits bestehender Sch~digung. Andererseits k6nnte man dagegen einwenden, dab bei bereits vorhandenem bindegewebigen Einbau in die Gef/~gwand, also im h6heren Lebensalter, der Hochdruck vielleicht weniger sch/~dlich w/~re. Ich halte die erstere Ver- mutung ftir n~herliegend, betone aber ausdrticMich, dab die Bedeutung dieser Frage, an sich betrachtet, problematisch isL Doch wollen wir auch diesen Punkt in den Kreis unserer Betrachtung ziehen. Die seither schon in weiten t(reisen fibliche Annahme, dab die Arteriolensklerose Folge der Hypertonie sei, wird im Rah- men der neuen Lehre dahin erweitert, dab der gutartige Hoch- druek die benigne, der b6sartige die maligne Nephrosklerose erzeugeI1 solle. Vergleichen wir nun aber die benigne und die maligne Nephrosklerose beztiglich ihrer Blutdruckverh~ltnisse miieinander, so sehen wir, dab der Hochdruck bei der benignen Nephrosklerose immer l~nger besteht als bei der malignen, dab er ebenso tloch sein kann wie dort, und dab die benigne Sklerose gelegentlich auch im gleichen Lebensalter auftritt wie die maligne Form: Freilich sehen wir die benigne Nephro- sklerose, wie ich das yon jeher betont habe, mehr bei alten Lenten, die maligne mehr im mittleren und jugendlichen Alter, aber diese beiden I(reise tiberschneiden sich. Ich habe reich davon, wie frfiher schon, so auch jetzt wieder, bei der .Durch- sicht meines Materials aus den letzten Jahren (1937, 1938 und die ersten 9 Monate des Jahres 1939) fiberzeugt. Bei den malignen Nephrosklerosen (12 F/~lle einschl, zweier K!inische Wochensehrift, 18. Jahrg. Yon mir sog. l~bergangsfglle mit nicht so klassisch ausgepr~g- ten Ver~nderungen yon Arteriolennekrose nnd Entztindung) war kein Fall tiber 60 und nnr 42 % zwischen 50 und 60, 58 % unter 50 Jahre; bei der benignen Nephrosklerose waren 61,7 % tiber 60, aber immerhin rund 32% zwischen 5o und 60 und rund 6% unter 50 (46 und 49 Jahre). Die Dauer des ttoch- drucks war bei den benignen Nephrosklerosen im ganzen bestimmt l~nger, die H6he des Blutdrucks bei vielen F~llen genau so hoch wie bei der malignen. Sehr bemerkenswert aber scheint es mir in diesem Zusammenhang, dab ich in dem erw~thnten Zeitraum wieder eine grot3e Zahl konstanter Hypertonien ohne Nephrosklerose beobachten konnte. Wenn die Hypertonie der Nephrosklerose voranginge, sollte man doch erwarten, dab diese F~lle im ganzen betrachtet mehr jtingere Jahrggnge aufweisen wfirden als die benigne Nephro- sklerose. Es trifft aber das Gegenteil zu: Es waren ill dem ebengenannten Zeitraum 44 F~tlle, bei denen das h6here LebensMter (nebenbei bemerkt auch die Arteri0sMerose der groBen und mittleren Gef~13e) noch mehr tiberwiegt als bei der benignen Nephrosklerose. Von den 44 Fitllen waren 96 % fiber 5 ~ und rund 7~ % fiber 60 Jahre alt, auch das ganz hohe Alter mit tiber 80 ist noch mit ii % vertreten. Die Arteriolen- sklerose der Nieren fehlte in diesen FMlen entweder v611ig, oder sie war so gering und ungleichmggig, wie man sie bei systematischer Untersuchnng alter Leute oft genug ohne vorangegangene Blutdrueksteigerung in der gleichen Weise finder. Warum, frage ich nun, fehlte hier die diffuse Ar- teriolensklerose in dem Sinne wie bei der benignen Nephro- sklerose*, wenn die Hypertonie allein es ist, die zur Arteriolen- sklerose ftihren soll. Liegt es nicht vim n~her, bei diesen beiden Gruppen verschiedene Ursachen der Blutdrucksteigerung an- zunehmen? Diese alten Leute mit konstanter Hypertonie ohne Nephrosklerose (vielfach fehlte, wie gesagt, die Ar- teriolensklerose v611ig, dagegen hatten sie mit einer Ausnahme, wo ein Nebennierentumor als Ursache der ttypertonie ge- funden wurde, erhebliche ArteriosMerose der groBen und mittleren Gef/~ge, meist such makroskopisch erkennbare Hirn- ver/~nderungen, 9mal Blutung, 24real Erweichung), geh6ren doch offenbar zu der Gruppe des roten Hochdrucks; bei der VOLHARD die Ursache in einer Minderung der Gef/~Belastizit~t sieht, F/ille, die BOOER und WEZLER direkt als Elastizit/~ts- hochdruck bezeichnen. Ich halte gerade diese F~tlle tfir eine starke Sttitze der Lehre yon BOOER urad WEZLER vom Elastizi- tgtshochdruck. Bliebe also, wenn man einen Unterschied zwi- schen benignein und malignem ttochdruck machen will, nur die Schnelligkeit des Auftretens. Beim Menschen entzieht es sich nun wohl immer unserer Kenntnis, wie schnell sich die Blut- druckerh6hung ausgebildet hat. Die Verfechter des malignen Hochdrucks (ELLIS, WILSON und BYROM U. a.) sttitzen sich denn auch auf Tierversuche, auf die bekannten zur Blut- drncksteigerung ftihrenden Drosselungsversuche an der Nieren- arterie, wie sie vor allem GOLDBLATT, ein Schiller IKA~SNERS (s. abet auch MARK und GEISEND6RFER, CHILD, FRIEDMANN, ABRAMSON u n d MARX, PASTEUR, VALLERY, RADOT, BLONDIN, ISRAEL und CACHIN, FASCIOLO, HOUSSAY und TAQUINI u. a.) Init seinen Mitarbeitern ausgeffihrt hat nnd in deren Verlauf inehr oder weniger schwere Arteriolenver~inderungen im I(6rper aufgetreten sind. Dazu ist aber zweierlei zu sagen. Einmal kann man den Blutdruck auch auf andere Weise experimentell hochtreiben, ohne dab dabei Arteriolenver/~nderungen auftreten. HAM- PERL hat nach der Methode yon DIXON und HELLER durch Kaolineinspritzung in die Zisterne an 14 Hunden einen kon- stanten Hoehdruck erzeugt, der sieh im Mittel um 2o0 herum ; Ganz scharf ist natiirIich die Grenze so wenig, Wie sonst in der Pathologie, wie ich das stets betont babe. Io6

Maligne Hypertonie Oder Maligne Nephrosklerose?

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KLI NIS CHE W O C H E N S CH RIFT x8. J A H R G A N G Nr. 49 9. D E Z E M B E R x939

0BERSICHTEN. MALIGNE HYPERTONIE ODER MALIGNE

NEPHROSKLEROSE ?

Won

T~. F A ~ . Aus dem Pathologischen Institut der Hanslsehen Universit~it Hamburg

(Vorstmld: Prof. FAHR).

Die Frage nach Wesen und Ursache der Hypertonie ist bis in die jtingste Zeit lebhaft diskutiert und in sehr verschie- dener Weise beantwortet 'worden. Ich wtirde in dieser Sache, zu der ich mich oft genug ge~uf3ert habe, nicht wieder das Wort nehmen, wenn nicht neuerdings, namentlich in der angels~chsischen Literatur, der Brauch aufk/~me, yon einer ,,benignen und matignen Hypertonie" zu reden, wobei mit der benignen Hypertonie offenbar einmal die Formen zu- sammengefal3t werden, die der essentiellen, der nichtrenalen Hypertonie entsprechen, auBerdem aber aueh die benigne Nephrosklerose. Wir sehen uns also im ganzen den Formen gegentiber, die VOLHARD als roten Hochdruck bezeichnet, w/~hrend unter der b6sartigen Hy.pertonie die Krankheit sich verbirgt, die der malignen Nephrosklerose entspricht.

Ich hake diese Verschiebung des Standpunktes yon der kausalmorphologisehen zu einer ganz hypothetisch funk- tionellen Betrachtungsweise ftir recht nnglticklich nnd m6chte im folgenden meine Gegengrtinde gegen diese neue Lehre vor- bringen.

Betrachtet man einfach den Hochdruck an sich, sozusagen losge163t von alien seinen kausalen Verkettungen, so liegt doch auf der Hand, dab er nut nach seiner H6he, nach seiner Dauer, nach dem Zeitpunkt und der Schnelligkeit seines Auf- tretens Unterschiede zeigen kann; man wtirde also, wenn man die Unterscheidung zwischen einem gutartigen und b6s- artigen Hochdruck machen wollte, denjenigen als b6sartig bezeichnen, der besonders hoch ist, besonders lange wirkt und besonders rasch in Erscheinung getreten ist. Was das Lebens- alter anbelangt, in dem der Hochdruck auftrit t , so k6nnte man daran denken, dab im jtingeren Alter, bei rol l und wenig- stens noch gut erhaltener Elastizit/tt des Gef/~Bsystems der Hochdruck besser vertragen wird, als bei bereits bestehender Sch~digung. Andererseits k6nnte man dagegen einwenden, dab bei bereits vorhandenem bindegewebigen Einbau in die Gef/~gwand, also im h6heren Lebensalter, der Hochdruck vielleicht weniger sch/~dlich w/~re. Ich halte die erstere Ver- mutung ftir n~herliegend, betone aber ausdrticMich, dab die Bedeutung dieser Frage, an sich betrachtet, problematisch isL Doch wollen wir auch diesen Punkt in den Kreis unserer Betrachtung ziehen.

Die seither schon in weiten t(reisen fibliche Annahme, dab die Arteriolensklerose Folge der Hypertonie sei, wird im Rah- men der neuen Lehre dahin erweitert, dab der gutartige Hoch- druek die benigne, der b6sartige die maligne Nephrosklerose erzeugeI1 solle. Vergleichen wir nun aber die benigne und die maligne Nephrosklerose beztiglich ihrer Blutdruckverh~ltnisse miieinander, so sehen wir, dab der Hochdruck bei der benignen Nephrosklerose immer l~nger besteht als bei der malignen, dab er ebenso tloch sein kann wie dort, und dab die benigne Sklerose gelegentlich auch im gleichen Lebensalter auftr i t t wie die maligne Form: Freilich sehen wir die benigne Nephro- sklerose, wie ich das yon jeher betont habe, mehr bei alten Lenten, die maligne mehr im mittleren und jugendlichen Alter, aber diese beiden I(reise tiberschneiden sich. Ich habe reich davon, wie frfiher schon, so auch jetzt wieder, bei der .Durch- sicht meines Materials aus den l e t z t en J a h r e n (1937, 1938 und die ersten 9 Monate des Jahres 1939) fiberzeugt. Bei den malignen Nephrosklerosen (12 F/~lle einschl, zweier

K!inische Wochensehrift, 18. Jahrg.

Yon mir sog. l~bergangsfglle mit nicht so klassisch ausgepr~g- ten Ver~nderungen yon Arteriolennekrose nnd Entztindung) war kein Fall tiber 60 und nnr 42 % zwischen 50 und 60, 58 % unter 50 Jahre; bei der benignen Nephrosklerose waren 61,7 % tiber 60, aber immerhin rund 32% zwischen 5 o und 60 und rund 6% unter 50 (46 und 49 Jahre). Die Dauer des t toch- drucks war bei den benignen Nephrosklerosen im ganzen best immt l~nger, die H6he des Blutdrucks bei vielen F~llen genau so hoch wie bei der malignen. Sehr bemerkenswert aber scheint es mir in diesem Zusammenhang, dab ich in dem erw~thnten Zeitraum wieder eine grot3e Zahl konstanter Hypertonien ohne Nephrosklerose beobachten konnte. Wenn die Hypertonie der Nephrosklerose voranginge, sollte man doch erwarten, dab diese F~lle im ganzen betrachtet mehr jtingere Jahrggnge aufweisen wfirden als die benigne Nephro- sklerose. Es trifft aber das Gegenteil z u : Es waren ill dem ebengenannten Zeitraum 44 F~tlle, bei denen das h6here LebensMter (nebenbei bemerkt a u c h die Arteri0sMerose der groBen und mittleren Gef~13e) noch m e h r tiberwiegt als bei der benignen Nephrosklerose. Von den 44 Fitllen waren 96 % fiber 5 ~ und rund 7 ~ % fiber 60 Jahre alt, auch das ganz hohe Alter mit tiber 80 ist noch mit i i % vertreten. Die Arteriolen- sklerose der Nieren fehlte in diesen FMlen entweder v611ig, oder sie war so gering und ungleichmggig, wie man sie bei systematischer Untersuchnng alter Leute oft genug ohne vorangegangene Blutdrueksteigerung in der gleichen Weise finder. Warum, frage ich nun, fehlte hier die diffuse Ar- teriolensklerose in dem Sinne wie bei der benignen Nephro- sklerose*, wenn die Hypertonie allein es ist, die zur Arteriolen- sklerose ftihren soll. Liegt es nicht vim n~her, bei diesen beiden Gruppen verschiedene Ursachen der Blutdrucksteigerung an- zunehmen? Diese alten Leute mit konstanter Hypertonie ohne Nephrosklerose (vielfach fehlte, wie gesagt, die Ar - teriolensklerose v611ig, dagegen hat ten sie mit einer Ausnahme, wo ein Nebennierentumor als Ursache der t typertonie ge- funden wurde, erhebliche ArteriosMerose der groBen und mittleren Gef/~ge, meist such makroskopisch erkennbare Hirn- ver/~nderungen, 9mal Blutung, 24real Erweichung), geh6ren doch offenbar zu der Gruppe des roten Hochdrucks; bei der VOLHARD die Ursache in einer Minderung der Gef/~Belastizit~t sieht, F/ille, die BOOER und WEZLER direkt als Elastizit/~ts- hochdruck bezeichnen. Ich halte gerade diese F~tlle tfir eine starke Sttitze der Lehre yon BOOER urad WEZLER vom Elastizi- tgtshochdruck. Bliebe also, wenn man einen Unterschied zwi- schen benignein und malignem t tochdruck machen will, nur die Schnelligkeit des Auftretens. Beim Menschen entzieht es sich nun wohl immer unserer Kenntnis, wie schnell sich die Blut- druckerh6hung ausgebildet hat. Die Verfechter des malignen Hochdrucks (ELLIS, WILSON und BYROM U. a.) sttitzen sich denn auch auf Tierversuche, auf die bekannten zur Blut- drncksteigerung ftihrenden Drosselungsversuche an der Nieren- arterie, wie sie vor allem GOLDBLATT, ein Schiller IKA~SNERS (s. abet auch MARK und G E I S E N D 6 R F E R , CHILD, FRIEDMANN, ABRAMSON und MARX, PASTEUR, VALLERY, RADOT, BLONDIN, ISRAEL und CACHIN, FASCIOLO, HOUSSAY und TAQUINI u. a.) Init seinen Mitarbeitern ausgeffihrt hat nnd in deren Verlauf inehr oder weniger schwere Arteriolenver~inderungen im I(6rper aufgetreten sind.

Dazu ist aber zweierlei zu sagen. Einmal kann man den Blutdruck auch auf andere Weise experimentell hochtreiben, ohne dab dabei Arteriolenver/~nderungen auftreten. HAM- PERL hat nach der Methode yon DIXON und HELLER durch Kaolineinspritzung in die Zisterne an 14 Hunden einen kon- stanten Hoehdruck erzeugt, der sieh im Mittel um 2o0 herum

; Ganz scharf ist natiirIich die Grenze so wenig, Wie sonst in der Pathologie, wie ich das stets betont babe.

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Page 2: Maligne Hypertonie Oder Maligne Nephrosklerose?

1542 K L I N I S C H E W O C H E N S C H

bewegte . Die U n t e r s n c h u n g de r i n n e r e n Organe zu ve r - s c h i e d e n e n Z e i t p u n k t e n bis zu 14 M o n a t e n (das wfirde, au I die m e n s c h l i c h e n Verh~ l tn i s se f iber t ragen , e inem Z e i t r a u m Von e twa 7 J a h r e n en t s p r echen ) n a c h A u f t r e t e n des Hoch- d r u c k s e rgab a n den Nie ren n i c h t s yon Ar te r io lensk le rose . B e m e r k e n s w e r t e r w e i s e I i ihr te diese F o r m des H o c h d r u c k s a u c h n i c h t zur F Ie rzhype r t roph ie , u n d ich m 6 e h t e bei de r Ge legenhe i t wieder , wie schon fr t iher , d a r a u f h inweisen , d a b ich bei den H y p e r t o n i e n o h n e Nephrosk le rose eine A n z a h l yon F~tllen fand, bei d e n e n die Herzhyper t rop l~ ie ger ing oder mS, Big wa r ode r gar fehl te , in a n d e r e n F~l len war sie d a n n wieder seh r e rheb l ich . HAMPERL m a c h t in i t R e c h t ge l tend , d a b bei se inen V e r s u c h e n de r H o c h d r u c k sozusagen rein, o h n e chemische E i n w i r k u n g e n , a u f g e t r e t e n sei, u n d dieser , , reine H o e h d r u c k " m a c h t e t r o t z schnel len Auf t r e t ens , erhebliche.r H 6 h e n n d l ange r D a u e r ke ine Ar te r io lensk le rose . Bei de r d u r c h Drosse lung de r N i e r e n a r t e r i e he rbe ige f f ih r t en B l u t d r u c k - s t e ige rung l iegen die Dinge anders . H ie r wird a l lgemein die W i r k s a m k e i t eines chemischen Sto]]es a n g e n o m l n e n , de r in de r d u r c h die Drosse lung anS, misch g e w o r d e n e n Niere e n t s t e h e n soll. D a z u sag t n u n bei de r U n t e r s c h e i d u n g de r e in fachen Ar te r io l ensk le rose (benigne Nephrosk le rose) und de r en tz f ind- t i ch -nek ro t i s i e r enden Ar te r io l enve r~ tnde rung (mal igne Neph ro - sklerose) CrOLDBLATT, de r in d ieser speziel len e x p e r i m e n - te l len F r a g e wohl f iber die g rSg ten E r f a h r u n g e n verff igt , ans - dr t ickl ich, d a b ftir die E r z e u g u n g de r ma l ignen Nephro - sk le rose die Hypertonie alleb~ nicht gen~gege, d a b d a b e i d ie AnhS.nfung gewisser c h e m i s c h e r S u b s t a n z e n im Blu t , also eine T o x i n w i r k u n g , m i t in E r s c h e i n u n g t r e t e n miisse. Das i s t die Meinung , die a u c h ich i m m e r v e r t r e t e n h a b e und die ich a u c h h e u t e wieder v e r t r e t e n m S c h t e au f G r u n d yon Beob- a e h t u n g e n a m Menschen , die ein deu t l i ches Ana logon zu den D r o s s e l u n g s v e r s u c h e n da r s t e l l en u n d t iber die me in Mit - a r b e i t e r LAAS, de r sich m i t d ieser F rage be sonde r s besehXft ig t h a t , aus f i ih r l icher b e r i c h t e n wird. Bei den T i e r v e r s u c h e n l iegen die Dinge so, dag es in de r gedrosse l ten Niere n i e h t zu r Ar t e r io l ensk le rose k o m m t , woh l a b e r in de r a n d e r e n Niere bzw. in a n d e r e n Ar t e r i o l engeb i e t en des K6rpers . Die e r s te B e o b a c h t u n g yon LAAS, die sich zu diesen E x p e r i m e n t e n in B e z i e h u n g se tzen l~gt , b e t r a f e inen 43J~thr. M a n n (Sekt.- Nr. 247/34), bei d e m die r e c h t e N ie r ena r t e r i e d u r c h e inen ~ l t e ren T h r o m b u s ve r sch los sen war und bei d e m die l inke Niere die d e u t l i c h e n Zeichen e iner m a l i g n e n Nephrosk l e ro se aufwies. Noch t i be rzeugende r schien ein j f ingst b e o b a c h t e t e r Fa l l bei e inem 4o j~hr . M a n n (Sekt . -Nr. 7o2/39), bei d e m de r A b g a n g de r l inken N ie r ena r t e r i e d u r c h ein a r t e r iosk le ro t i sches B e e t ve r sch lossen war , wo abe r akzessor i sche N i e r e n a r t e r i e n z u m u n t e r e n u n d obe ren P o l d e r l inken Niere l iefen und wo diese be iden Pole sowie die r e c h t e Niere im Sinne de r m a l i g n e n Nephrosk l e ro se v e r / t n d e r t waren , de r gedrosse l te An te i l de r l inken Niere a b e r n i ch t . Diesen be iden F~tllen, die v611ig im S inne v o n ELLIS zu sp rechen scheinen , s t e h e n abe r n u n a n d e r e gegent iber , bei d e n e n die Drosse lung sich n i c h t in d ieser Weise auswi rk te . Es s ind das z u n ~ c h s t 2 F~l le : Sekt . - Nr . I472/38, 36# th r . 5 l a n n , und Sekt . -Nr . 636/39, 5oj~thr. M a n n . Bei d e m e r s t en Fa l l (Sekt . -Nr. 1472/38)' b e s t a n d ein t h r o m b o t i s c h e r Ver sch lug de r r e ch t en Nie renar te r i e , bei d e m zwei ten Fa l l (Sekt . -Nr. 636/39) war ebenfa l l s die r e c h t e Nie ren- a r t e r i e d u r c h e inen t h r o m b o t i s c h e n P f r o p f versch lossen , u n d d a h i n t e r f a n d e n sich n a c h de r Niere zu 5fftere, das Gef~g-

l u m e n sehr s t a r k e inengende Ver~tndernngen. B e i d iesen be iden F~l len f a n d e n s ich n u n d u r c h a u s ke ine U n t e r s c h i e d e in d e m Sinne, d a b au f de r f re ien Seite A r t e r i e n v e r ~ n d e r u n g e n zu l i n d e n gewesen w~tren, au f der gedrosse l ten Seite n i ch t . N u n k S n n t e m a n e inwenden , d a b bei den e r s t en be iden F~l len die Drosse lung 15,nger b e s t a n d e n h a b e als bei den a n d e r e n . Verg le ich t m a n a b e r die V e r ~ n d e r u n g e n an de r gedrosse l t en Ar t e r i e bei Fa l l 636/39 m i t den be iden ers terw~thnten, so s i eh t m a n , d a b diese A n n a h m e ke ine "vVahrscheinlichkeit h a t , d e n n ge rade bei 636/39 h a n d e l t es sich u m ~l te re Gef~gprozesse , die in de r N i e r e a u c h sclIon zu a u s g e s p r o c h e n e n A t r o p h i e n gef t ih r t h a b e n . I ch b a b e v e r s u c h t , A n h a l t s p u n k t e ftir die D a u e r de r Drosse lung d a d u r c h zu gewinnen , d a b ich die ge- d rosse l t e Seite bezi igl ich A u s d e h n u n g der A t r o p h i e n mi t -

R I F T . 18. J A H R G A N G . N r . 49 9. DEZEMBER 1939

e i n a n d e r ve rg l i ch ; dabe i h a t s ich ergeben, dag bei Tal l 7o2/39 m i t de r m a l i g n e n Sklerose au f der f re ien Seite die A t r o p h i e n au f de r gedrosse l ten ehe r weniger ausgesp rochen sind als bei 636/39, wo an de r f re ien Sei te ke ine Gef~tgver~tnderung auf- g e t r e t e n war . J edenfa l l s s p r i c h t n i c h t s daftir , d a b ein be- m e r k e n s w e r t e r U n t e r s c h i e d bezfiglich de r Drosselungsldnge bei be iden G r u p p e n a n z u n e h m e n ist. Auch in de r H 6 h e des B l u t d r u c k s b e s t e h t kein pr inz ip ie l le r Un te r s ch i ed . Bei Sekt . - Nr. 1472/38 bl ieb de r B l n t d r u c k a l le rd ings u n t e r 2oo, bei Sekt . -Nr . 636/39 s t ieg er a b e r bis 23 ~ u n d war d a u e r n d fiber 2oo. Bei den 2 F~l len yon e insei t iger ma l igne r Nephrosk l e ro se h a t t e n die N e k r o s e n u n d en tz f ind l ichen Ver~tnderungen a n den Ar te r io l en n i c h t die Neigung, au f (tie Glomeru l i f iber- zugehen (die Glomeru l i zeigten n u r A t r o p h i e u n d Ver6dnng) . Dagegen bes i tze ich P r g p a r a t e von zwei wel t zur f ick l iegenden F~tllen v o n einsei t iger ma l igne r Nephrosk le rose , bei d e n e n die Mi tbe te i l igung der Glomeru l i his zur B i ldung b re i t e r H a l b - m o n d e so s t a r k war , d a b sie das Bild we i tgehend b e h e r r s c h t e ; auch l a n d sich in be iden F~tllen z u m Un te r s ch i ed v o n den oben b e s c h r i e b e n e n eine s t a r k e E r w e i t e r u n g de r KanAlchen mi t u n g e h e u r e r Zy l inde rb i ldung . Den e inen Fa l l h a b e ich schon 1916 irn Z e n t r a l b l a t t ffir P a t h o l o g i c ve r6 f fen t l i ch t , die P r S p a r a t e des a n d e r e n Fal les w u r d e n mi r von ausw~r t s zu- geschickt . Ich bes i tze leider a u g e r den mik roskop i schen Pr~- p a r a t e n de r be iden v e r s c h i e d e n e n Nie ren keine nShe ren An- gaben . Bei d e m frf iher v e r 6 f f e n t l i c h t e n Fall war a n den g rogen N i e r e n a r t e r i e n n i ch t s Pa tho log i sches ge funden worden , doch wXre es i m m e r h i n m6gl ich, d a b v ie l le icht doch a m A b g a n g de r zu d e m unver~ tnder t en Tell der Niere z ie l lenden Gef~tge eine a r t e r io sk l e ro t i s che E i n e n g u n g wie bei Fal l 7o2/39 s. o., f ibersehen w o r d e n w~re, u n d auch bei dem a n d e r e n Fal l m u g m a n in i t d ieser M6gl ichke i t z u m m i n d e s t e n r echnen . R e i h t m a n diese be iden F~tlle zu den 4 a n d e r e n h inzu , so h~tt ten wir 3 Ka tegor i en , eine, bei de r an den Ar te r io len de r of fenen Seite ~aiehts pas s i e r t ist, eine, wo sich h ie r eine klass ische ma l igne Nephrosk le rose en twicke l t h a t t e , und eine, bei de r auBerdem noch besonde r s s t a rke en tz f ind l iche Giomeru lusver /~nderungen ge funden wurden* . A b e t lassen wi t die beiden le tz ten F/ille als n i c h t ganz e inwandf re i deu t l ) a r auch beiseite, so b le iben doch die sehr b e m e r k e n s w e r t e n Un te r s ch i ede zwischen den be iden e r s t en Ka tego r i en , und u m diese Un te r s c h i ede zu er- M~ren, b l e ib t meines E r a c h t e n s ke ine a n d e r e M6gl ichke i t als im gle ichen Sinne, wie das ja auch GOLDBLATr g e t a n h a t , in den F~tllen mi t ma l igne r Nephrosk le rose das H i n z u k o m m e n eines b e s o n d e r e n tox i schen M o m e n t s a n z u n e h m e n , das in den a n d e r e n F/~llen fehlte . Jedenfa l l s k a n n es n i c h t de r Hoch- d r u c k al le in gewesen sein, de r diese Ver~tnderungen erzeugte , wohl a b e r wird m a n a n n e h m e n dfirfen, dab die /31utdruck- s t e ige rnng die E n t w i e k l u n g jegl icher A r t yon Ar te r io l en - ver~Lnderungen s t a r k beg t ins t igen mug . DaB die B l u t d r u c k - s t e ige rung n i c h t a l le in als Ur sache in F rage k o m m e n k a n n , zeigt a u c h ein Hinweis au f die Pe r i a r t e r i i t i s nodosa . W i r sehen da doch, dab d o r t V e r ~ n d e r u n g e n a n den k le inen Ge- f~tl3en g le ichs inniger A r t wie bei der ma l ignen Nephrosk le rose sich en twicke ln , u n d h ie r i s t doch n o c h n i e m a n d au f die Idee g e k o m m e n , e twas a n d e r e s als tox i sche Ur sachen /~tiologisch anzuschu ld igen . -vVelcher A r t diese Stoffe sind, s t e h t d a m n ; ich bin nac]l wie vo r f iberzeugt , dab sie n i c h t g le ichar t ig s ind u n d d a b sic, wie das a u c h SCHURMANN n n d MCMAHON an- n e h m e n , endogene r u n d exogener A r t sein k6nnen . U n t e r we lchen Umst~inden sie in de r an~tmischen Niere geb i lde t werden u n d welcher A r t ge rade diese zur E n t w i c k l u n g de r ma l ignen Nephrosk le rose f f ih renden Stoffe sind, b l e ib t n o e h zu entr~itseln. E ins is t h e u t e jedenfa l l s sicher, d a b die An- ~mis ie rung de r Niere zur ]31utdrucks te igerung f i ihrt , u n d e s e r s che in t u n t e r d iesen U m s t ~ n d e n v611ig u n g e z w u n g e n an- z u n e h m e n , daft eine di]/use Arteriolenslclerose der Niere zur Blutdruc~steigerung /~ghren mu/3, denn daft hierbei eine An- dmisierung der Niere, nur au] eine andere Weise als bei der Drosselung der Nierenarterie, erzeugt wird, liegt ]a an/ der Hand.

* Man sieht bei diesen FMlen wieder sehr deutlich die Verwandtschaft der malignen Nephrosklerose mit der doch sicher toxisch bedingten Glonlerulonephritis. Bei beiden handelt es sich ja auch mn allergisch bedingte Krankheiten.

Page 3: Maligne Hypertonie Oder Maligne Nephrosklerose?

9. DEZEMBER 1939 K L I N I S C H I , ; \ ' V O C H E N S C H R i F T . ~8. J A I I R G A N G . Nr. 49 i543

Andererseits geht aus den seitherigen Ausfiihrungen ein- wandfrei hervor, dab der Hochdruck an sich nicht zur Arterio- tensklerose ftihrt, -- siehe die Verh~iltnisse beim Kaolinhoch- druck und die zahlreichen Beobachtungen beim Menschen yon konstantem Hochdruck ohne Nephrosklerose. So sehr der Hochdruck als begfinstigendes Monlent anzuerkennen ist, so miissen doch, um organische Gef~gver~nderungen zu er- zeugen, noch anderweitige Umst~nde hinzukommen. Ieh will auf diese yon mir so oft diskutierte Frage nicht noch ein- mal im einzelnen eingehen, sondern hier nut die Rolle chemi- scher Einfltisse besonders betonen, wobei, wit ich eben schon in f3bereinstimmung mit GOLDBLATT auseinandersetzte, Unter- schiede bei der Entstehung der benignen und der malignen Nephrosklerose anzunehmen sind. Es k6nnte sich bei den Stoffen, die in der anS.misierten Niere gebildet werden, ein- mal um Substanzen handeln, die gleichzeitig blutdrucksteigernd und auf toxischem Wege gef~fisch~tdigend wirken (wie wit das vom Adrenalin bei der experimentell erzeugten Adrenalin- sklerose wissen); beim Entstehen der malignen SMerose scheint es sich um Stoffe zu handeln, bei denen die toxische Wirkung auf die Gef~f3e besonders stark ist.

Fassen wit zusammen, so k6nnen wir sagen: Nicht die Hypertonie ist gutartig oder b6sartig, sondern der patho- logische ProzeB, der dem Hochdruck zugrunde liegt. Ein Hochdruek durch Elastizit~tsverminderung im Sinne yon VOLHARD und yon BOGER und WEZLER Z. B. kann beliebig lange, bis ins hohe Alter, ertragen werden, es ist hier in keiner Weise damit zu rechnen, dab diese Hochdruckform eine maligne Nephrosklerose hervorruft . (Es fehlt hier, nebenbei bemerkt, auch die Aniimisierung der Niere wie bei der Nephro-

sklerose mit ihrer diffusen Arter~olensklerose.) Auch eine klassische, rein benigne Nephrosklerose kann bei guter Herz- kraft sehr lange ertragen werden, ohne dab der Hochdruck Ver~nderungen im Sinne der malignen Nephrosklerose er- zeugt, auch wenn die Blutdrucksteigerung hochgradig und von langer Dauer ist. Eine auf toxischer Basis entstehende maligne Nephrosklerose mit ihren Nekrosen und entzfind- lichen Ver~nderungen an den Arteriolen ist :b6sartig, aber nicht eine besondere Form des Hochdrucks ist schuld an der B6sartigkeit, sondern das fragliche Gef~13gift, das exogener und endogener Natur sein kann. Es darJ also nieht maligne Hypertonie, es muff nach wie vor maligne Nephrosklerose heifien.

Das Hochdruckproblem ist nach wie vor voll .oftener Fragen und Widersprtiche. Das Haupthindernis ftir eine Einigung scheint mir darin zu liegen, dttB vielfach framer noch in falsch verstandener Synthese versucht wird, das Problem v611ig einheitlich aufzufassen, indem man yon einer Blutdruckkrankheit spricht. Klarheit kann man nur bekom- men, wenn man das Problem nicht unter dem einseitigen Gesichtswinkel einer ganz best immten klinischen oder ganz bestimmten experimentellen t~rfahrung betrachtet, so ver- dienstlich alle diese Einzelstudien sind, sondern wenn man vor allem ein grol3es menschliches MatErial mit all seinen klinischen und nlorphologischen Einzelheiten beobachtet und mit den experilnentellen Erfahrungen vergleicht. Die Blut- drucks teigerung ist ihrer Ursache nach etwas sehr Verschieden- artiges, und erst wenn die Frage der Analyse hier in be- friedigender Form gel6st ist, wird man zu einer brauchbaren Synthese kommen k6nnen.

ORIGINALIEN. WIRKUNGSWEISEN DER EXPEKTORANTIEN.

VoI1

RAPH. ED. LI/~SEGANG. Aus dem h:st i tut ~t~r Kolloidforschung Frankfurt a.M./Siid.

I.

Die Expectorantia hatten das gleiche Schicksal wie einige andere, besonders kolloide Heilmittel. Eine Gruppe yon Wissenschaftlern bestri t t ihre Wirksamkeit, well man keine rechte Erklgrung dafiir hatte.

Wenn Hans H. MEYER und R. GOTTLIEB in ihrer ,,Experi- mentellen Pharmakologie" (1925) das Wort , ,Expectorans" mit Anfiihrungszeichen versahen, so geschah das haupts~chlich deshalb, well sie den Ausdruck zu w6rtlich nahmen und damit den SchluBakt zu sehr betonten: das ex pectore: die Bef6rde- rung aus der Brust heraus. Eine Bef6rderung der Bewegung des Flimmerepithels sei noch nicht bewiesen. Diese ]3ewegung, die beim Gesunden yon groBer Bedeutung sei, werde durch einen zu z~hen Belag wahrscheinlich derart behindert, dab Mittel, die auf das Flimmerepithel wirken sollen, versagen mtil3ten. Die Tatsache, daB ViRcnow die bereits unbeweglich gewordenen Cilien dutch Aufbringung yon Natron- oder Kali- lauge auf die Trachealschleimhaut wieder in Bewegung ge- bracht habe, k6nne natiirlieh fiir eine Behandlung des Leben- den nicht ausgenutzt werden. Ob sich die von G~RI.ACH (1876) vermute te peristaltische Bewegung der Bronchien durch irgendwelche Mittel wirksam beeinflussen lasse, sei noch nicht erwiesen.

Zwar er6rtern dann MEYER und GOTTLIXB einige andere Wirknngsm6glichkeiien. Das Wichtigste wird in einem einzigen Satz zusammengefaBt, der hier w6rtlich al~geffihrt sei : ,,Als expektorierende, die Schleimsekretion f6rdernde Mittel werden zun~tchst alle Salze der Kochsalzgruppe wirken k6nnen, da sie zum Tell auf die Schleimhaut der Bronchien ausgeschie- den werden und -- wie bei jeder Sekretionssteigerung -- auch eine vermehrte Menge yon kohlensauren Alkalien zur Ans- scheidung bringen; mit steigender Alkalescenz aber nimnlt die Z~higkeit des mucinhaltigen Schleims ab."

Mehreres wird hier also zusammengeworfen: die ,,Salz, wirkungen", welche (wesentlich) eine Wasserbewegung in den Geweben veranlassen, Alkalibildung und Alkaliwirkung auf das Mucin. Und als hiernach wirkende Salze werden sehr ver- schiedene genannt: Kochsalz (Wiesbadener IKochbrunnen), Jodkaliunl, Rhodanammon*. Die Bri~cke zur Alkalibildung wird nicht angedeutet. Man wird dabei an die l~ingst ver- lassene chemische Theorie der Reinigungswirkung der Seifen erinnert, wonach ebenfalls alles auf Kosten der Wirkung des (hydrolytisch abgeschiedenen) Alkalis gesetzt wurde.

Saponinhaltige Dekokte, yon denen einige giftig wirken k6nnen, wirken ,,in einer noch nicht sicher aufgekl~irten Weise". MEYER und GOTTLIEB setzen bier iibrigens schon als richtig den Befund yon RANSOM ( I 9 O I ) ein, dab Saponine durch das (ira Organismus weft verbreitete) Cholesterin unwirksam gemacht werden. Das mufite natiirlich ihre Zweifel ver- mehren.

UHL~ANN 1 rechnete 1926 mit folgenden-M6glichkeiten: I. F6rderung der Sekretbildung, Verdfinnung des Sekrets,

die nerv6s lind medikament6s zustande kommt. 2. Beeinflussung der Atemtiitigkeit . 3. Verst~rkung der Sekretomotorik. 4. Verbesserung der Zirkulation. Mit einer schSmferen Erfassung der Aufgabe begann, vor

einem Jahrzehnt T. GORDONOFF 2-n, der ebenfalls einleitelid zugibt, dab trotz der uralten Anwendung der Expectorant ia noch kaum etwas fiber ihre Wirknngsweise bekannt sei. Er fiihrt mit einer feinen Sonde Kontras tmit te l (Jodipin oder Lipiodol) tier in die Meinsten Bronchien und beobaehtet dessen Verlagerung auI dem R6ntgenschirm. Die Kontrastmasse kann nach seiner Ansicht als ein experimentetles Exsudat angesehen werden. Sie kann 72 Stunden fast unver~ndert liegenbleiben, Dutch Expectorantia kann seine Verteilung oder Heraus- bef6rderung beschleunigt werden. Wie MEYER und G O T T L i I ; B ,

erhofft auch GORDONOFF keine Mitwirkung des Flimmer-

* Auch Chlorammonium wird hier genannt. Es erzeuge eine alkalische Reaktion im Innern der Zellen; auf S. 559 des gleichen Buches wird dagegen die (bekanntere) acidoti- sche Wirkung des Chlorammonimns beschrieben. -- DaB die Autoren selber kein groBes Zutrauen zu ihren Deutungsversuchen haben konnten, wird auch hierdurch verstRndlich.

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