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Med-Care for Eritrea, 2. April bis 9. April 20 12 - 1 -
2.4.2012
Treffen am Frankfurter Flughafen und Abflug nach Asmara. Das ist die Gruppe:
Ansgar Book, Anaesthesist, Hartmut Lobeck, Pathologe, Ulrich Markmiller, HNO,
Markus Jungehülsing, HNO, und Bärbel Otter, OP-Schwester
Nach nettem Flug mit der Lufthansa und zunächst zwischen vielen Haddsch-Pilgern, die bei
der Zwischenlandung in Jeddhah das Flugzeug verlassen, landen wir abends gegen 21:00 in
Asmara. Alles ist toll vorbereitet, wir werden von allen drei HNO-Ärzten abgeholt und ins
Ambasoira Grand gebracht. Dort gibt’s dann noch ein Asmara Welcome-Bier und dann
einen erholsamen Nachtschlaf, aus dem uns ungewohnt am frühen Morgen das Kikeriki der
Hähne gemischt mit den Allahu akbar-Gesängen der Muezzin wecken.
3.4.2012
Morgens Aufbruch zum Orotta Hospital, wo unsere Gruppe von Alem, Neguse und Simon
empfangen werden. Es warten etwa 40 Patienten, die uns dann nacheinander zur Triage
einer eventuellen Operation in den nächsten 6 Tagen vorgestellt werden.
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Warteraum des ENT Department des Orotta Hospital, Asmara
Während dieser Zeit beginnt Ulrich mit Bärbel, zunächst einmal die von Achim Glahn ange-
fertigten Sichtschutzfolien an den Außenfenstern des Aufwachraumes anzubringen und die
Kehren unter die Türen, um den Raupenbefall hier zu stoppen. Danach folgt eine Kontrolle
der technischen Geräte in der Orotta HNO. Hierbei zeigt sich, dass im Großen und Ganzen
alles gut in Ordnung ist. Allerdings haben zwei Druckpumpen in den Armen der Kaps
Mikroskope „schlapp gemacht“. Diese Hydraulik-Pumpen sind hier als Gegenkraft gegen
das Gewicht der Mikroskope in den langen Schwenkarm eingebaut und sollen eine
schwerelose Kontrolle der Binokulare ermöglichen. Ulrich baut beide Arme auseinander,
stellt den Fehler fest, photographiert die defekten Teile mit ihrer Herstellnummer und muss
dann alles wieder zusammenbauen, da eine Reparatur vor Ort nicht möglich ist. Zweiter
wesentlicher Punkt ist der Sterilisator, dessen Internet-kontrollierte Kontroll-Chipkarte
übervoll ist und ausgewechselt werden muss – kein Internet im Orotta Hospital.
Ich habe in der Zwischenzeit mit Alem und Neguse eine Triage der Patienten vorgenommen,
die wir behandeln wollen. Wir werden am Nachmittag mit einem zweijährigen Jungen mit
Fremdkörperaspiration beginnen. In den Folgetagen werden wir pro Tag fünf bis sechs Pati-
enten operieren, vor allem Eingriffe an Rhinobasis, Parotis und Hals, mit für mich seltenen
und weit fortgeschrittenen Erkrankungen. Überraschend für mich: offensichtlich werden hier
von der HNO in der Regel keinerlei Halseingriffe durchgeführt. Auf meine Frage, wie viele
Studenten denn teilnehmen, berichtet Alem traurig, dass immer noch niemand für die HNO
von der Gesundheitsministerin bewilligt zugeteilt ist. Also kein teaching!
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In der Zwischenzeit hat Neguse Hartmut mit der derzeit hier tätigen kubanischen Chefin der
Pathologie bekannt gemacht. Die Kubaner arbeiten hier im Zwei-Jahres-Turnus, und die der-
zeitige Kollegin ist wohl besonders an Zytologie interessiert und geht durch die Orotta Klinik
und führt selbst FNPs an den Patienten durch, deren Ergebnisse sehr kurz, aber anscheinend
mit guter Trefferquote kurzfristig durchgestellt werden. Dafür liegen die histologischen An-
forderungen der Klinik seit Monaten zur Befundung brach, aber wie soll auch ein einziger
Pathologe der Befunde des ganzen Landes mit knapp sechs Millionen Einwohnern Herr wer-
den. Die werden nämlich alle im Orotta Hospital erstellt. Allerdings handelt es sich nur um
etwa 700 bis 900 Gewebsproben pro Jahr, und Hartmut erzählt, dass in der Potsdamer
Pathologie im Jahr von vier Pathologen etwa 25.000 Befunde ausgegeben werden. Es müsste
also ohne Wartezeit machbar sein.
So setzt sich Hartmut hin und beginnt Originalbefunde zu erstellen und die große Halde der
offensichtlich technisch befriedigend angefertigten Histopathologien in HE zu befunden.
Hierbei seien laut Hartmut folgende Dinge wichtig:
1. Die Pathologie ist mit dem Notwendigsten ausgestattet, aber auf sehr niedrigem Ni-
veau.
2. Es gibt keinen Kryostaten und damit keine Möglichkeit einer
Schnellschnittdiagnostik. (Kosten heute etwa 15.000 €).
3. Es gibt drei gut ausgebildete technicians, die offensichtlich die Schnitte technisch gut
vorbereiten.
4. Es gibt ein computerbasiertes Pathologie-Datenbank-System, hier werden die
Befunde von den technicians geschrieben.
5. Die Maschine zum Anfertigen von Paraffineinbettungen funktioniert nicht mehr, so
dass jede Probe aufwendig von Hand eingebettet werden muss.
Sinnvoll wäre auch hier ein teaching: Trotz längerfristiger Ankündigung bearbeitet
Hartmut die Aufarbeitung der liegengebliebenen teilweise dringenden Befunde aus bis zu 9-
2011 selbst und allein. Was für eine Ressourcenverschwendung, einen Professor der
Pathologie ohne Studenten arbeiten zu lassen. Auf der anderen Seite ist Hartmut begeistert
über die Vielfalt und Exotik der Befunde ( Ganglioneuroblastom des Beckenbodens, ...).
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Der kleine Affar mit seinem Vater und zwei unserer Aufwachraum und Anaesthesie-Helfer.
Der Eingriff am zweijährigen Jungen aus dem Norden Eritreas findet nachmittags statt. Er
hat vor sechs Wochen (!) ein großes Kettenglied (1 x 0,5 cm x 0,5 cm) aus einem sehr harten
Metall (Stahl? Titan?) aspiriert, dies steckt im rechten Hauptbronchus. Zwei Versuche, es zu
extrahieren, waren bisher erfolglos. Trotzdem ist es nicht zu einer Segmentpneumonie
gekommen, offensichtlich war eine Teilbelüftung der rechten Lunge am Fremdkörper vorbei
möglich.
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Starre Bronchoskopie
Durch die Härte des Metalls und die Form ist es bisher nicht gelungen, den Fremdkörper zu
entfernen. Ansgar Book führt die Narkose bei dem zweijährigen 14 kg schweren Jungen durch,
und ich die starre Bronchoskopie. Tatsächlich gelingt es uns, den Fremdkörper zu fassen und
zu extrahieren,
wobei er dann im
Glottis-spalt
stecken bleibt und
die Atemwege
komplett verlegt.
Fremdkörper
Bei 40% Sauerstoffsättigung muss ich
dann Gewalt anwenden und greife mit
einer Over-holt und über einen
Macintosh zu.
Ansgar Book und der kleine Affar
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Danach intubieren wir den Jungen und leiten ihn aus. Erfreulicherweise ist es nicht zu einer
Verletzung der Trachea oder des Larynx gekommen, trotz Anwendung etwas brachialer Ge-
walt. Fazit: Ohne sehr erfahrenen Anästhesisten wäre dieser erste Eingriff ein
Himmelfahrtskommando geworden.
In der Nachbereitung stellt sich heraus, dass feinste Tracheoskopie-Instrumente in der HNO
noch verklebt und versiegelt lagern. Hier lag wohl ein Missverständnis vor, Alem hatte das
Gefühl, diese Vorräte nicht angehen zu dürfen. Nun sind sie integriert.
Ende des ersten Tages.
4.4.2012
Morgens Aufbruch zur Klinik um 8:00, die drei hiesigen Dr. Alem, Dr. Neguse, und Dr. Si-
mon, sind schon seit 7:30 tätig, die gesamte Ambulanz wird belagert von etwa 50 Patienten,
ein bunter Anblick! Erfreulich ist die Anwesenheit von 5 Medizinstudent(inn)en, die hier ein
3wöchiges Praktikum machen: also doch teaching!
Beginn mit dem Op-Programm um 9:30.
15jähriges Mädchen mit einseitiger Choanalatresie: Eröffnung und Platzhalter
50jähriger Mann mit Larynxtumor rechts. MLS und Histologie
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30jähriger Mann mit gestieltem Polyp aus der vorderen Kommissur, MLS und Histo-
logie
29jähriger Mann mit Tumor vordere Komissur, MLS und Histologie
70jähriger Mann mit riesiger Raumforderung Hals/Schilddrüse/M. sternocleidomas-
toideus-Region beidseits, Z. n. primärem Nierenzellkarzinom, Stimmlippenstillstand
links, Biopsie und Histologie
52jähriger Mann mit ausgedehnter Polyposis nasi et sinuum links
70jähriger Patient, Z. n. SHT vor drei Jahren, seitdem knochenharte Schwellung
linkes Mittelgesicht und zwei eiternde Fisteln suborbital und Nasenwurzel.
Als erstes steht auf dem Programm ein 15jähriges Mädchen mit linksseitiger Choanalatresie.
Ulrich und ich wählen den transpalatinalen Zugang und können über die typische Exposition
die knöcherne Atresie problemlos mit dem Storz-Bohrer herunterschleifen. Instrumente und
Bohrer sind in gutem Zustand und funktionieren einwandfrei. Als Platzhalter wird ein alter,
mitgebrachter 6er Tubus gekürzt, perforiert, und platziert. Er wird mit einer Naht am Septum
fixiert und soll 4 Wochen belassen bleiben, nur bei Problemen (Infektion) vorher entfernt
werden.
Es fehlt dickes nicht
resorbierbares Naht-
material, habe ich
auch nicht mit-
gebracht.
Die Narkose mit
Ansgar und den
beiden Anaesthesie-
assistenten klappt
prima und die kleine
Lana ist postoperativ
sofort wach.
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Das ist Lana 5 Tage nach der OP bei liegendem Obturator links.
Es folgen drei Mikrolaryngoskopien bei Patienten mit intakten Zähnen. Bei allen Dreien ist
es nicht offensichtlich, worum es sich bei den Tumoren handelt. Wir haben das Privileg, dass
wir in drei Tagen von Hartmut eine Histologie bekommen. Deswegen werden nicht gleich
weitergehende Maßnahmen unternommen.
Als extrem schwierig stellt
sich bei allen Dreien das
Einstellen des Kehlkopfes
dar. Es gelingt schließlich
unter Aufbietung aller
körperlichen Kräfte. Was
fehlt, ist eindeutig ein JL-
Rohr. Dies findet sich
auch nicht in den Reser-
ven. Weiterhin fehlen
große Doppellöffel. Ich
nehme als Andenken
einen gefühllosen Ringfinger linke Hand mit nach Hause; das Gefühl stellt sich erst vier
Wochen später wieder ein.
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Hartmut Lobeck mit einem Schnellschnitt auf dem Weg in die Pathologie: Bote, HiWi und Pathologe in einem.
Bei dem 70jährigen
Patienten mit dem
großen Halstumor
entnehmen wir eine
Biopsie; wenn es sich um
ein malignes Lymphom
handelt, wäre in
Karthoum, Sudan, eine
Radiatio möglich.
Operabel ist der Tumor
nicht. Radio- oder
Chemotherapiemöglich-
keiten gibt es in Eritrea
noch nicht.
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Der Patient mit der ausgedehnten Polyposis nasi blutet während der Operation heftig, nach-
dem alle Polypen entfernt und alle NNH eröffnet sind, sistiert die Blutung überwiegend.
Trotzdem Septumsplints (aus altem Kaffeedeckel) und Nasentamponade (aus einem alten
Handschuh und Kompressen). Es fehlen Splints und Nasentamponaden.
Der ältere Herr mit der disloziert verheilten Mittelgesichtsfraktur und der Verlegung des
Tränennasenganges hatte vor drei Jahren einen Autounfall, war lange zwischen Leben und
Tod, erholte sich, und lief dann mit den beiden eiternden Fisteln durchs Leben und der
entstellenden Beule neben der Nase links.
Endonasal weite Verhältnisse, links fehlende Apertura piriformis. Entschluss zur lateralen
Rhinotomie, Exploration einer völlig dislozierten mediokaudalen Orbitafraktur mit Abbruch
des Ductus nasolacrimalis. Anlegen einer Erweiterung des Ductus in die Nase hinein im Sinne
einer Dacryozystorhinostomieund an der distalen Fistel, Schaffen einer Öffnung des Tränen-
ganges in die Kieferhöhle. Nun wird das dislozierte Fragment mit dem Meisel medial und
lateral gelöst und lässt sich schließlich reponieren, so dass annähernd normale knöcherne
Verhältnisse entstehen. Die Haut wird soweit mobilisiert, dass sie sich insgesamt gut adaptie-
ren lässt. Einzelkopfnaht. Es fehlen Oggelsonden zur Schienung des Tränenkanals.
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Um 17:30 Ende des Op-Programms. Bei einem Wolkenbruch werden alle Asmarastrassen in
reißende Flüsse verwandelt. Neguse fährt uns ins Ambasoira Grand Hotel. Ansgar hat
seitens der HNO-Anästhesie folgende „to-do“-Liste aufgestellt:
Kapnometriegerät
Fentanyl in großen Mengen mitführen, hier fast nicht vorhanden.
Umstellen vom hepatotoxischen Halothan auf Sevofluran.
5.4.2012
Start um 8:00 am Hotel Op-
Programm für den Tag:
2jähriges Mädchen mit großer prallelastischer Raumforderung vom linken
Epipharynx bis in den Mesophayrnx reichend. Stellt sich dann als Meningozele heraus.
15jähriger Junge mit rechtsseitiger Choanalatresie
16jähriges Mädchen mit apfelgroßer Raumforderung linke Supraklavikulargrube;
stellt sich als tiefgelegene branchiogene Zyste heraus.
12jähriger Junge mit submentaler Raumforderung links: Dermoid?
14jaehriges Mädchen mit medianer Halszyste
20jähriger Mann mit Hauttumor linke Concha auris.
Das Mädchen hat uns alle schon beschäftigt: Zwei Jahre alt, vier Kilo schwer, schläft nicht
mehr seit Monaten, weil es dann sofort asphyktisch wird. Trinkt nur, keine festen Speisen,
hochgradige Gedeihstörung. Simon Haile hat bei ihr drei Monate postpartal eine gestielte
Raumforderung aus dem Pharynx entfernt. Es besteht ein kleines Loch im Hartgaumen (we-
nige Millimeter) in die Nase.
Vor der OP
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Ansgar macht die
Narkose, 3,0 Tubus,
es klappt ohne Zwi-
schenfälle. Mit dem
MacIvor Darstellen
des Mundraumes,
sofort zeigt sich die
derbe, prallelastische
RF aus dem linken
Epipharynx.
Durchtrennen der
Weichgaumenmus-
kulatur in der Me-
dianen und Darstel-
len eines derben
Tumors. Aus diesem entleert sich nach vorsichtiger Inzision sicher 50 ml klare Fluessigkeit.
Nun läuft kontinuierlich klare Flüssigkeit nach: Es handelt sich offensichtlich um eine
Meningozele. Entschluss zur Reduktion des Zystensackes, damit es nicht gleich wieder zu
einer Verlegung der Atem- und Schluckwege kommt. Es werden etwa 2x3 cm Zystensack
mit dem Skalpell reseziert. Dann wird die Restzyste fest vernäht mit 3/0 Vicryl Ein-
zelnähten.
So kann die
Raumforderung auf etwa
1/10 ihres Ausgangs-
volumens reduziert
werden. Die Ausleitung
ist problemlos und drei
Stunden später kann die
Kleine seit langem das
erste Mal wieder etwas
essen.
Postoperativ, zumindest schlafen geht schon wieder.
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Wir wollen das Mädchen zu den Pädiatern verlegen, sinnvoll wäre die Versorgung mit einem
Liquorshunt, um den Druck auf die Meningozele zu vermindern. Dr. Neguse kümmert sich
darum.
Der 15Jährige Junge mit der rechtsseitigen Choanalatresie wird transpalatinal operiert. Es
handelt sich um eine kräftige knöcherne Atresie. Die Entfernung mit dem Rosenbohrer
klappt prima und es lässt sich ohne Probleme ein gekürzter 6er Tubus inserieren, der am
Septum befestigt wird und 4 Wochen belassen werden soll.
Das junge Mädchen mit der Raumforderung in der Supraklavikulargrube wird dann eingelei-
tet. Ulrich operiert, ich assistiere. Die Raumforderung entpuppt sich nicht als Lipom, sondern
als große zarte flüssigkeitsgefüllte Zyste ohne Beziehung zum Ductus thoracicus oder zum
Kehlkopf. Entschluss zum kontrollierten Absaugen von etwa 2/3 des Sekrets, damit die Präpa-
ration besser durchgeführt werden kann. Die Zyste wird in toto entfernt, schichtweiser Wund-
verschluss. Mediane Halszyste und submentale Raumforderung links können schnell und
problemlos entfernt werden.
Den letzten Punkt operiert Ulrich als ausgewiesener Plastiker: Es handelt sich um einen nicht
benigne anmutenden Hauttumor der Concha links. Ulrich reseziert mit Concha etwa 2€ Stück-
groß und deckt den Defekt mit einem eleganten „Kipp-Kipp-Lappen“ von retroaurikulär.
Bärbel und Ulrich bei der Arbeit
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Nachher lässt sich kein Hautdefekt mehr sehen, der Patient wird sich sein Leben lang
fragen, wie wir ihn überhaupt operiert haben.
Ende des Op-Programms um 17:30.
6.3.2012
Op-Programm für den Tag:
12jähriges Mädchen mit Parotistumor rechts
30jähriger Patient mit unklarer RF rechter Hals
15jähriges Mädchen mit deformierenden Fibromen Naseneingang
Beginn des OP-Programms um 8:30. Wieder ist die Ambulanz draußen und drinnen
belagert, draußen warten etwa 40 Menschen, drinnen sind bereits 25, und Neguse, Alem und
Simon sind bereits seit 7:45 mit dem Ansehen der Patienten beschäftigt.
Die von Medcare gebaute und gestiftete HNO am Orotta Hospital, Asmara
Alles läuft in glatter Routine und das Mädchen mit dem Parotistumor ist um 8:30 eingeleitet.
Leider ist ja das Deckenmikroskop im Moment nicht justierbar, deswegen OP mit dem fahr-
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bahren Olympus Mikroskop: echte Notlösung, weil die Lichtquelle alt ist und der
Mikroskoparm sich nur schwer bewegen lässt; es fehlt für dieses Mikroskop außerdem eine
300 mm-Linse und ich bin froh, dass ich lange Arme habe: 400 mm Brennweite.
Was wir zunächst für einen glatt begrenzten Parotistumor gehalten haben, entpuppt sich
schnell als schwere, lokal begrenzte, granulierende und vernarbende Parotiserkrankung.
Während der Operation zeigt sich außerdem eine erhebliche Blutungsneigung und wegen des
Befundes dehnt sich der Eingriff auf drei Stunden aus. Der entzündliche Prozess wird reseziert
mit den lateralen Anteilen der Parotis, der N. fazialis kann unter viel Mühen erhalten werden.
Postoperativ zeigt sich eine regelrechte Fazialisfunktion. Perioperativ Gabe von Clindamycin.
Wir nehmen Proben nach Potsdam zur Analyse mit. TBC? Actinomycose? Sarkoidose? Wir
werden es später erfahren.
Parotistumor rechts
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Postoperativ regelrechte Fazialisfunktion
Der nächste Patient ist ein 30jähriger Mann mit internistischen Vorerkrankungen (3/6
Systolicum, Hypertonus, etc.)
Gut, einen Anästhesisten dabeizuhaben, der so etwas bemerkt.
Deswegen OP in LA und die derben Lymphknoten entpuppen sich dann als massiv gekinkte
arterielle Gefäße in der Supraklavikulargrube und im oberen Halsdreieck, Durchmesser wie
die A. carotis communis. Ulrich will deswegen keine Biopsie entnehmen ©.
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Mittagspause bei 26 °C im Schatten: Markus, Bärbel, Ansgar.
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Die nächste Patientin ist ein 17 jähriges Mädchen mit einem entstellenden Fibrom oder Ha-
martom der Nasenspitze, eine Herausforderung für unseren Plastiker.
Vor der Operation
Über eine offenen Rhinoplastik reseziert er stark pigmentiertes Bindegewebe mit Tumor,
stellt die Flügelknorpel dar, reduziert Haut, und schafft mit der verbleibenden Haut eine
sehr ansprechende Nasenspitze, alles in Lokalanästhesie
Ulrich bei der Arbeit
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Nach der OP
Die nächste Patientin hatte Ulla Schröder im November 2011 an einem adenoidzystischen
Karzinom der Parotis operiert mit totaler Parotidektomie und Neck Dissection. Es finden
sich ein sehr gutes ästhetisches und funktionelles Ergebnis, eine regelrechte Fazialisfunktion,
aber jetzt neu aufgetreten eine Raumforderung am Hinterrand der Glandula
submandibularis rechts. Diese ist nicht druckdolent, aber verschieblich, aus der Drüse selbst
lässt sich klarer Speichel exprimieren. Unter der Vorstellung, dass es sich möglicherweise um
eine Lymphknotenmetastase handelt, wollen wir die Regio 1b ausräumen.
Ansgar Book ist
heute den ganzen
Tag in der
Neonatologie, wo
ein 2 kg schweres
Kind mit
Oesophagusatresie
von Kollegen von
ArcheMed operiert
wird. Zwei Kinder-
chirurginnen sind
von der Charité, der
Neonatologe Dr.
Das ist jetzt wohl ein ganz anderes Leben für die nun sehr
hübsche junge Frau.
Op-Situs
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Szekesi aus Potsdam, so dass das Klinikum Ernst von Bergmann aus Potsdam im Moment
vier Ärzte am Orotta Hospital hat. Wir hören immer einmal Neuigkeiten aus dem OP, es
handelt sich um eine Oesophagusatresie Typ III.
7.4.2012
OP-Programm für den Tag:
30jähriger Mann mit großem Tumor der rechten Halsseite
50jährige Patientin mit zytologisch gesichertem pleomorphen Adenom der linken Pa-
rotis,
41jähriger Mann mit Larynxkarzinom zur konventionellen Kehlkopfteilresektion.
Das Kind hat die Operation und die Nacht überlebt, mit heiklen Situationen zwischendurch.
Besonders schwierig war wohl das Beschaffen von 3 x 60 ml Blut. Bis auf die noch nicht
wieder funktionierenden Nieren aber ist es sonst halbwegs stabil. Intubierte 2 kg Leben mit
Namen Rakia, 2 Venenkatheter, Magensonde, Urinkatheter.
Baby Rakia ist ein Junge, und darf 40 Tage lang keinen Namen bekommen (muslimische
Tradition?) , die Mutter heißt Rakia, und der Schwiegervater Muhamed Ali. Die Neonatolo-
gieschwester Irina aus der Charité nennt ihn aber Paul.
Unser erste Patient hat einen sehr harten Tumor der rechten Halsseite, aber ist sonst
klinisch gesund. Die Operation erfolgt über eine kleine laterale Collotomie. Der Tumor liegt
ungewöhnlich weit dorsal, lässt sich gut präparieren, ist von fester Konsistenz und
spindelförmig. Bei weiter Präparation nach
caudal tastet sich ein ein fester Strang...
Es handelt sich um ein Vagusneurinom.
Nachdem auch der craniale Anteil des Tumors
dargestellt ist (an der knöchernen
Schädelbasis) Diskussion zum weiteren
Vorgehen. Letztlich sind alle der Über-
zeugung, dass eine Teilresektion und ein
Ausschälen des Neurinoms hier in Eritrea
wenig zielführend ist. Es erfolgt also unter
Inkaufnahme der rechtsseitigen Larynxparese
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In der Mittagspause passen wir einem kleinen Jungen mit beidseitiger hochgradiger sensori-
neuraler Schwerhörigkeit die von Maria Sölch angefertigten Ohrpassstücke an: Sie passen.
Bei funktionierenden Hörgeräten lässt sich dem jungen Mann dann sogar ein erstauntes Lä-
cheln abgewinnen.
Patient 33 mit Namen Jonathan hört und...lächelt.
die vollständige Resektion des
Neurinoms. Es misst 10 x 5 cm.
Extirpiertes Neurinom des N. Vagus.
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Die nächste Patientin hat ein gigantisches pleomorphes Adenom. Es handelt sich um eine et-
wa 50jährige Frau mit einem Tumor, der von der linken Halsseite durch die Fossa
retromandibularis bis auf die rechte Seite des Oropharynx reicht. Punktionszytologisch ist
ein pleomorphes Adenom der Parotis gesichert worden, es handelt sich also um einen
gigantischen Sanduhrtumor. Die Haut über dem Tumor ist etwas vernarbt, als Hinweis auf
Versuche der traditionellen Medizin, hier zu heilen.
Eisbergtumor der Parotis Der Fazialis ist nach kranial abpräpariert.
Geplant haben wir eine passagere mediane Mandibulotomie, Miniplatten hat Dr. Alem von
Dr. Laynesch, der hier tätigen Mund-, Kiefer-, Gesichtschirurgin. Allerdings gibt es kein
Osteotom, sondern nur eine alte Gigli-Säge, die einen großen knöchernen Defekt, und damit
Okklusionsprobleme und Probleme in der Heilung vorprogrammieren würde. Deswegen
wollen wir trotz der Ausdehnung des Tumors versuchen, auf ihren Einsatz zu verzichten.
Die Präparation des lateralen Anteils der Parotis ist unproblematisch und gelingt fast mühe-
los. Wie immer hängt der Tumor jetzt fest in drei anatomischen Strukturen:
Die Carotisgabel, die A. maxillaris zieht außen über den Tumor, die C. interna
innen. Die A. maxillaris wird ligiert und durchtrennt.
Das Ligamentum stylohyoideum tailliert den Tumor stramm; es wird durchtrennt,
der Prozessus styloideus wird an der Schädelbasis abgesetzt.
Als dritte Struktur muss nun der ganze M. pterygoideus medialis vom Unterkiefer
abgesetzt werden.
Danach gelingt es sukzessive, den Tumor stumpf zu luxieren, und schlussendlich herauszulö-
sen. Äußere Anteile des Tumors platzen letztlich auf. Wir hätten doch besser gesägt. Über
Sauger, und mehrfache Spülungen des Wundgebietes lässt sich aber vielleicht eine Aussaat Med-Care for Eritrea, 2. April bis 9. April 2012
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des Tumors vermeiden. Es ist der größte Innenlappentumor, den ich je operiert habe. Er
misst 11 x 8 x 6 cm.
Postoperativ funktioniert der Fazialis, der
Pharynxschlauch ist nicht eröffnet und am
nächsten Tag nimmt die Patientin schon
wieder Essen zu sich.
Der letzte Patient für heute hat ein von uns
am letzten Dienstag gesichertes PEC des
Sinus morgagni rechts. Histologien hat Hartmut fertig gemacht, die beiden anderen
vermuteten Karzinome der Kehlkopfpatienten entpuppten sich erfreulicherweise als
Polypen mit Dysplasien und müssen nicht nachoperiert werden.
Bei unserem Patienten entscheiden wir uns wegen fehlenden Lasers und schlechter Einstell-
barkeit für ein Vorgehen von außen, Ulla Schröder lässt hier grüßen. Kleiner Bügelschnitt,
dann Längspräparation über die Linea alba, Präparation des Kehlkopskelettes rechts unter
Erhalt des Perichondriums, Knorpelfenster, Auslösen des gesamten Sinus piriformis und
Resektion. Blutstillung, unter dem Mikroskop, Lösen des Sinus vom Knorpel, hier reicht
das Karzinom sicher nicht heran.
Entfernung eines Sinus Morgagni Karzinoms über ein Larynxknorpelfenster Med-Care for Eritrea, 2. April bis 9. April 2012
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Deswegen wird der Knorpel reimplantiert. Schichtweiser Wundverschluss, wegen weiter
Verhältnisse und stabilem Larynxskelett wird auf eine Tracheostomie verzichtet.
Postoperativ und nach der Ausleitung hält der Patient lange Monologe und ist hiervon auch
nicht abzubringen (Halothan-Überhang?). Aber immerhin kann er sprechen und hat keinen
Stridor. Und ist in den nächsten zwei Tagen weiterhin sehr gesprächig und heilt gut.
Ende des Arbeitstages um 18:00.
Ostersonntag
Ausflug mit der Eisenbahn nach Nefasit, danach Essen bei Dr. Laynesh, und abends Spazier-
gang mit Hartmut durch ein pittoreskes Armenviertel. Alles sehr ordentlich, die Leute sehr
freundlich und offen, drei Bananen 10 Cent, ein Tee 20 Cent.
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Ansgar verbringt den Nachmittag bei Baby Rakia und kommt erst um 22:00 in die Hotel -
Lobby zurück. Um 5:00 ist er schon wieder in der Neonatologie.
Ostermontag
25jähriger Mann mit gesichertem Mucoepidermoidkarzinom der Parotis links mit
Einbruch in den Gehörgang bei regelrechter Fazialisfunktion
29jähriger Mann mit medianer Halszyste
15jähriges Mädchen mit Fremdkörper unter der Haut an der Schläfe.
Der 25jährige ist Alem
schon seit Jahren
bekannt, er hat ein
zytologisch gesichertes
Mukopidermoid-
karzinom der linken
Parotis. Der Gehörgang
ist mit Tumor ausgefüllt,
hinter dem Ohr ein gro-
ßer Knoten, die Fazialis-
funktion ist intakt, und
die Haut ist durch Narben
durch Prozeduren durch
örtliche Heiler entstellt.
Bildgebung gibt es
natürlich nicht.
Ulrich und ich
umschneiden die Areale
der Haut; die infiltriert
scheinen und beginnen
dann zunächst mit der
Präparation eines modi-
fizierten Hautlappens im
Narbengewebe der Vor-
behandlungen. Danach
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erneute Palpation: Der Tumor liegt zumindest nahe am Foramen stylomastoideum und hat
den knorpeligen Gehörgang durchbrochen. Deswegen Präparation von peripher kranial
nach caudal unter Ablösung der lateralen Parotis.
Der Nerv wird bis ins Mastoid und ist nicht infiltriert.
Die Parotis ist von peripher ausgelöst und hängt jetzt durch den Tumor an Ohrmuschel und Mastoid.
Auffinden der Bifurkation und Darstellen des Stammes des Nervus fazialis, der erfreulicher-
weise ventral des Tumors liegt. So kann letztlich die laterale Parotis mit dem knorpeligen
Gehörgang und dem Tumor en block reseziert werden. Wenige Tumoranteile verbleiben im
Bereich des knöchernen vorderen Gehörgangs und des Foramen stylomastoideum und
können unter dem Mikroskop sicher entfernt werden.
Aus einem weit außen gelegenen Tumorareal entlädt sich plötzlich klares Sekret im Strahl
und trifft Ulrich trotz Brille mitten ins Auge, so dass er erstmal abtreten muss; Alem über-
nimmt.
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Planum mastoidem und der infiltrierte Knochen im Bereich des vorderen und unteren Gehörgang
werden heruntergeschliffen. Es entsteht eine makroskopische R0-Situation. Dann folgt die Neck
dissec-tion, Regio I
bis IV, mit vielen
pathologisch
anmutenden Lymph-
knoten. Redonein-
lage, schichtweiser
Wundverschluss,
lokale Schwenk-
lappenplastiken.
Operationsdauer 5
1/2 Stunden.
Postoperativ ist der
Fazialis intakt und
der Hautverschluss plastisch akzeptabel. Kranialer Anteil des Ohres ist erhalten, der Gehörgang
durch einen Fingerling geschient.
Da heute der letzte Tag ist, haben unsere HNO-Gastgeber eine Kaffeezeremonie vorbereitet,
wir trinken alle zusammen frisch gerösteten, mit Ingwer gewürzten, wunderbar
schmeckenden Kaffe im Küchenraum der HNO, dazu gibt es Cornflakes, Kekse, Kuchen.
Kaffeezeremonie Op-Assistenten
Med-Care for Eritrea, 2. April bis 9. April 2012 12 - 29 -
Med-Care for Eritrea, 2. April bis 9. April 2012 12 - 30 -
Bärbel und ihre Kollegin Sodi
Danach kommt der Patient mit der medialen Halszyste, den Ulrich sehr schön mit Resektion
der Mitte des Zungenbeins operiert.
Als letzter Patient kommt die Tochter einer Krankenschwester, die einen steinharten kleinen
Fremdkörper unter der Haut an der Schläfe hat. Entfernt unser Plastiker schnell und
gekonnt, um 17:30 geht’s das letzte Mal zurück zum Hotel. Dr. Habtehab hat noch ein Essen
bei einem Italiener organisiert, von hier aus um 21:00 Abfahrt zum Flughafen.
Unsere Gastgeber, das ENT Department am Orotta Hospital, Asmara
Med-Care for Eritrea, 2. April bis 9. April 2012 12 - 31 -
Fazit:
Eine Woche reich an Erfahrung, Arbeit, Gastfreundschaft (wir wurden jeden Abend ausge-
führt, das war fast ein bisschen anstrengend, irgendwie müssen wir die Gastgeber da in Zu-
kunft aus der Pflicht nehmen) und tollen Erlebnissen. Wir haben 23 Patienten operiert,
davon acht Kinder, bei unserer Abreise geht es allen gut. Uns auch!
Den Bericht hat Markus Jungehülsing geschrieben und die Bilder sind von Ulrich Markmiller,
Markus und Ansgar Book. Alle Bilder sind mit der ausdrücklichen Genehmigung der photo-
graphierten Personen erfolgt und mit ihrem Einverständnis veröffentlicht.
To Do Liste HNO:
Knochenmikrotom (keine Säge in Orotta)
300 mm Linse Zeiss Mikroskop
Toluidin-Blau
Trachealkanülen
Oggelsonden für die endonasale Dacryocystorhinostomie
3/0 Vicryl, 4/0 Prolene
Adapter Olympus-Optik – Storz – Lichtleiter
JL-Stuetzlaryngoskop
Kinderstützlaryngoskop
Redonschläuche und Flaschen
Pflaster aller Art
Zungenläppchen