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Fachthemen 82 © Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Bautechnik 81 (2004), Heft 2 Objektpunkten, die nachweislich nicht von Verformungen des Trag- gerüsts betroffen sind, ermittelt wer- den. Die erhaltenen Meßunsicher- heiten können Aufschluß über die bei Absteckungs-, Kontroll- und Überwachungsvermessungen an Stahlbauwerken mit einem Stan- dardverfahren erreichbaren Genau- igkeiten geben. Ein weiteres Ziel der Untersu- chungen bestand darin, festzustel- len, ob die durch Vermessung nach- gewiesenen Verformungen des Trag- werks sich gemäß dem Materialge- setz (Temperaturausdehnungskoef- fizient für Stahl: T = 12 · 10 –6 K –1 ) und den konstruktiven Vorgaben verhalten. 2 Stahlkonstruktion 2.1 Wuppertaler Schwebebahn Die Wuppertaler Schwebebahn (Bild 1) wurde zwischen 1898 und 1903 errichtet. Sie stellt ein welt- weit einzigartiges Nahverkehrsmit- tel dar. Sie verbindet auf einer Länge von 13,3 km die zentralen Wupper- taler Stadtteile in der Talachse der Wupper, transportiert jährlich ca. 24 Mio. Fahrgäste und bedient 18 Haltepunkte zwischen den Stadt- teilen Vohwinkel im Westen und Oberbarmen im Osten. Der weitaus größte Teil der Trasse verläuft über dem Flußbett der Wupper. Das als reine Stahlkonstruktion ausgeführte Traggerüst besteht aus 468 Brücken mit Längen von 21 m bis 33 m, die auf ebenso vielen Stützen gelagert sind. Das Gesamtgewicht der Kon- struktion liegt bei ca. 18000 t. 2.2 Beobachteter Abschnitt (Stütze – Brücke – Stütze) Um den Einfluß der unterschiedli- chen klimatischen Bedingungen auf die Geometrie einer großen Stahl- konstruktion zu ermitteln, wurde Bereichen der Genauigkeitsklassen L 4 für die Lage (0,5 mm < L 5 mm) und H 4 für die Höhe (0,5 mm < H 2 mm) nach E DIN 18710-1 [1] zuzuordnen sind. Die heutigen Meß- und Aus- werteverfahren der Ingenieurver- messung ermöglichen das Erreichen dieser Genauigkeiten, wenn es ge- lingt, die zum Zeitpunkt der Ver- messung wirksamen Einflußfakto- ren auf die Geometrie des Meßob- jekts und die Meßwerte möglichst vollständig zu erfassen und die ent- sprechenden Korrekturen vorzuneh- men. Somit ist beispielsweise im Stahlbau davon auszugehen, daß die zu verarbeitenden Bauteile Tempe- raturschwankungen von bis zu 50 K ausgesetzt sind, wodurch ihre Geo- metrie stark beeinflußt wird. Selbst über die Dauer beispielsweise einer Absteckung kann sich die Bauteil- temperatur um mehrere Kelvin än- dern, ohne daß dieser Einfluß unter Baustellenbedingungen realistisch erfaßt und bei der Messung berück- sichtigt werden kann. Welchen Einfluß Temperatur- änderungen auf die Geometrie von Stahlbauteilen haben können und welche Auswirkung dies auf die Ge- nauigkeit von Ingenieurvermessun- gen an Stahlbauwerken hat, wurde am Beispiel des Traggerüsts der Wup- pertaler Schwebebahn untersucht. Dazu wurde von Juli 2001 bis März 2003 ein Segment des Traggerüsts mit einem Standardverfahren ver- messen. Simultan wurde die Stahl- temperatur der Konstruktion erfaßt. Ziel der Messungen war es einer- seits, Erkenntnisse über die erreich- baren Meßunsicherheiten bei Ver- messungen an Stahlkonstruktionen mit einem Standardverfahren zu er- halten. Diese Meßunsicherheiten können nur durch die mehrfache Bestimmung der Koordinaten von An einem Abschnitt des stählernen Traggerüsts der Wuppertaler Schwebebahn wurden über einen länge- ren Zeitraum dreidimensionale geodätische Messun- gen durchgeführt, um die Verformungen von Stahl- bauwerken unter Temperaturlast zu untersuchen. Aus einem genauen geodätischen Netz heraus wur- den die Koordinaten von am Objekt vermarkten Punk- ten bei gleichzeitiger Erfassung der Stahltemperatur bestimmt. Ziele der Untersuchungen waren, die mit einem Standardmeßverfahren in der Praxis erreichba- ren Meßunsicherheiten für Kontroll-, Überwachungs- und Absteckungsvermessungen an komplexen Stahl- konstruktionen zu ermitteln und gleichzeitig zu über- prüfen, ob sich die Konstruktion unter Temperatur- last dem Materialgesetz entsprechend verhält. Recording of position and deformation of a steel structure with geodetic measurements under varying climatic conditions. Repeated geodetic 3d-measurements on a part of the steel construc- tion of the Wuppertal Suspension Railway were car- ried out to analyse the influence of the momentarily prevailing steel temperature on the geometry of the construction. Based on a precise geodetic network the coordinates of points marked out on the con- struction were determined simultaneously recording the steel temperature. The objectives of the mea- surement were on the one hand to derive the mea- suring uncertainties, that can be achieved in practice for control and setting-out measurements on com- plex steel constructions applying a standard method, and on the other hand to check if the behaviour of the construction under temperature load is accord- ing to the material’s law. Hans Schulz Meßtechnische Erfassung von Lage und Verformung eines Stahltrag- werks unter Temperatureinfluß 1 Einführung Mit der Realisierung immer kom- plexerer Bauwerke u. a. aus Stahl, die mit einer Weiterentwicklung der Montagetechnologien und steigen- den Anforderungen an Fertigungs- qualität und Wirtschaftlichkeit ein- hergeht, erhöhen sich auch die An- sprüche an die Genauigkeiten, die während des Bauablaufs seitens der Ingenieurvermessung zu erbringen sind. So sind bei der Errichtung ent- sprechender Stahlbauwerke Genau- igkeiten gefordert, die den unteren

Meßtechnische Erfassung von Lage und Verformung eines Stahltragwerks unter Temperatureinfluß

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© Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Bautechnik 81 (2004), Heft 2

Objektpunkten, die nachweislichnicht von Verformungen des Trag-gerüsts betroffen sind, ermittelt wer-den. Die erhaltenen Meßunsicher-heiten können Aufschluß über diebei Absteckungs-, Kontroll- undÜberwachungsvermessungen anStahlbauwerken mit einem Stan-dardverfahren erreichbaren Genau-igkeiten geben.

Ein weiteres Ziel der Untersu-chungen bestand darin, festzustel-len, ob die durch Vermessung nach-gewiesenen Verformungen des Trag-werks sich gemäß dem Materialge-setz (Temperaturausdehnungskoef-fizient für Stahl: �T = 12 · 10–6 K–1)und den konstruktiven Vorgabenverhalten.

2 Stahlkonstruktion2.1 Wuppertaler SchwebebahnDie Wuppertaler Schwebebahn(Bild 1) wurde zwischen 1898 und1903 errichtet. Sie stellt ein welt-weit einzigartiges Nahverkehrsmit-tel dar. Sie verbindet auf einer Längevon 13,3 km die zentralen Wupper-taler Stadtteile in der Talachse derWupper, transportiert jährlich ca.24 Mio. Fahrgäste und bedient 18Haltepunkte zwischen den Stadt-teilen Vohwinkel im Westen undOberbarmen im Osten. Der weitausgrößte Teil der Trasse verläuft überdem Flußbett der Wupper. Das alsreine Stahlkonstruktion ausgeführteTraggerüst besteht aus 468 Brückenmit Längen von 21 m bis 33 m, dieauf ebenso vielen Stützen gelagertsind. Das Gesamtgewicht der Kon-struktion liegt bei ca. 18000 t.

2.2 Beobachteter Abschnitt(Stütze – Brücke – Stütze)

Um den Einfluß der unterschiedli-chen klimatischen Bedingungen aufdie Geometrie einer großen Stahl-konstruktion zu ermitteln, wurde

Bereichen der GenauigkeitsklassenL 4 für die Lage (0,5 mm < �L ≤5 mm) und H 4 für die Höhe(0,5 mm < �H ≤ 2 mm) nach E DIN18710-1 [1] zuzuordnen sind.

Die heutigen Meß- und Aus-werteverfahren der Ingenieurver-messung ermöglichen das Erreichendieser Genauigkeiten, wenn es ge-lingt, die zum Zeitpunkt der Ver-messung wirksamen Einflußfakto-ren auf die Geometrie des Meßob-jekts und die Meßwerte möglichstvollständig zu erfassen und die ent-sprechenden Korrekturen vorzuneh-men. Somit ist beispielsweise imStahlbau davon auszugehen, daß diezu verarbeitenden Bauteile Tempe-raturschwankungen von bis zu 50 Kausgesetzt sind, wodurch ihre Geo-metrie stark beeinflußt wird. Selbstüber die Dauer beispielsweise einerAbsteckung kann sich die Bauteil-temperatur um mehrere Kelvin än-dern, ohne daß dieser Einfluß unterBaustellenbedingungen realistischerfaßt und bei der Messung berück-sichtigt werden kann.

Welchen Einfluß Temperatur-änderungen auf die Geometrie vonStahlbauteilen haben können undwelche Auswirkung dies auf die Ge-nauigkeit von Ingenieurvermessun-gen an Stahlbauwerken hat, wurdeam Beispiel des Traggerüsts der Wup-pertaler Schwebebahn untersucht.Dazu wurde von Juli 2001 bis März2003 ein Segment des Traggerüstsmit einem Standardverfahren ver-messen. Simultan wurde die Stahl-temperatur der Konstruktion erfaßt.Ziel der Messungen war es einer-seits, Erkenntnisse über die erreich-baren Meßunsicherheiten bei Ver-messungen an Stahlkonstruktionenmit einem Standardverfahren zu er-halten. Diese Meßunsicherheitenkönnen nur durch die mehrfacheBestimmung der Koordinaten von

An einem Abschnitt des stählernen Traggerüsts derWuppertaler Schwebebahn wurden über einen länge-ren Zeitraum dreidimensionale geodätische Messun-gen durchgeführt, um die Verformungen von Stahl-bauwerken unter Temperaturlast zu untersuchen.Aus einem genauen geodätischen Netz heraus wur-den die Koordinaten von am Objekt vermarkten Punk-ten bei gleichzeitiger Erfassung der Stahltemperaturbestimmt. Ziele der Untersuchungen waren, die miteinem Standardmeßverfahren in der Praxis erreichba-ren Meßunsicherheiten für Kontroll-, Überwachungs-und Absteckungsvermessungen an komplexen Stahl-konstruktionen zu ermitteln und gleichzeitig zu über-prüfen, ob sich die Konstruktion unter Temperatur-last dem Materialgesetz entsprechend verhält.

Recording of position and deformation of a steelstructure with geodetic measurements undervarying climatic conditions. Repeated geodetic3d-measurements on a part of the steel construc-tion of the Wuppertal Suspension Railway were car-ried out to analyse the influence of the momentarilyprevailing steel temperature on the geometry of theconstruction. Based on a precise geodetic networkthe coordinates of points marked out on the con-struction were determined simultaneously recordingthe steel temperature. The objectives of the mea-surement were on the one hand to derive the mea-suring uncertainties, that can be achieved in practicefor control and setting-out measurements on com-plex steel constructions applying a standard method,and on the other hand to check if the behaviour ofthe construction under temperature load is accord-ing to the material’s law.

Hans Schulz Meßtechnische Erfassung von Lageund Verformung eines Stahltrag-werks unter Temperatureinfluß

1 Einführung

Mit der Realisierung immer kom-plexerer Bauwerke u. a. aus Stahl,die mit einer Weiterentwicklung derMontagetechnologien und steigen-den Anforderungen an Fertigungs-qualität und Wirtschaftlichkeit ein-hergeht, erhöhen sich auch die An-sprüche an die Genauigkeiten, diewährend des Bauablaufs seitens derIngenieurvermessung zu erbringensind. So sind bei der Errichtung ent-sprechender Stahlbauwerke Genau-igkeiten gefordert, die den unteren

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ein Abschnitt des Traggerüsts derWuppertaler Schwebebahn meß-technisch erfaßt. Der beobachteteAbschnitt des Traggerüsts befindetsich zwischen den HaltestellenLandgericht und Völklinger Straßeund umfaßt die Stützen Nr. 302 undNr. 303 und die dazwischenliegendeBrücke Nr. 302 (Bilder 1, 2, 3). DieBrücke 302 hat eine Länge von ca.30 m. Die Stütze 302 ist als Anker-stütze ausgebildet und stellt somiteinen Festpunkt der Konstruktiondar. Ankerstützen werden in Ab-ständen von ca. 250 m angeordnetund dienen der Aufnahme der Längs-kräfte in der Konstruktion und de-ren Einleitung in den Untergrund.Die Stütze 303 ist eine Pendelstütze.Pendelstützen sind so gelagert, daßsie sich um die senkrecht zur Schwe-bebahnlängsachse stehende horizon-tale Achse durch die Lagerpunkteauf den Fundamenten drehen kön-nen und damit an den Brückenwi-derlagern in Längsachsrichtung ver-schiebbar sind. Sie können nur Quer-und Normalkräfte aufnehmen bzw.ableiten.

Verformungen der gesamtenKonstruktion in Richtung der Tras-senachse werden durch Dilatations-lager (Bild 4) und Dilatationsstöße(Bild 5) aufgenommen. Die Auf-nahme der Verformung der eigent-lichen Brücken in Richtung derSchwebebahnachse erfolgt durchDilatationslager, über die zwei Brük-ken mit einer Pendelstütze verbun-

den sind, und die sich ungefähr inder Mitte zwischen einem durchzwei Ankerstützen begrenzten Ab-schnitt der Konstruktion befinden.Die Dilatationslager eines Abschnittskönnen Längenänderungen bis zuca. 26 cm aufnehmen und fangensomit Längenänderungen der Kon-struktion zwischen zwei als Fest-punkt wirkenden Ankerstützen inder Mitte des Abschnitts ab.

Die Verformungen der Schie-nenträger werden durch Dilatations-stöße ermöglicht, die sich in unge-fähr gleichen Abständen wie die Di-latationslager entlang des Tragge-

rüsts befinden. Dabei kann sich dieSchiene dadurch verschieben, daßsie in spitzem Winkel geschnittenwurde und sich die beiden Zungenentlang der Schnittkante bewegenkönnen. Der Schienenträger selbstwird getrennt und durch beidseitigangeordnete Knotenbleche mit Lang-löchern wieder verbunden. DieLanglöcher können die Verformun-gen in Längsrichtung aufnehmen.Der mögliche Verschiebeweg liegtauch hier bei ca. 26 cm.

Bild 1. Wuppertaler SchwebebahnFig. 1. The Wuppertal Suspension Railway

Bild 2. Brücke 302 und Stütze 302Fig. 2. Bridge 302 and column 302

Bild 3. Brücke 302 und Stütze 303Fig. 3. Bridge 302 and column 303

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3 Geodätisches Netz undObjektpunktfeld

3.1 NetzUm das Meßobjekt wurde ein loka-les geodätisches Lage- und Höhen-netz angelegt, das durch sechs Stütz-punkte (vgl. 3.2 und Bild 6) gebil-det wird, die nach Lage und Höhebestimmt wurden. Am Gerüst derSchwebebahn wurden neun bzw.elf Objektpunkte 3001 bis 3009,3001-1 und 3009-1 (vgl. Abschn. 3.3und Bilder 2, 3, 7) angebracht, dieebenfalls nach Lage und Höhe be-stimmt wurden. Beobachtet wurdensowohl Stütz- als auch Objektpunktevon mit Nägeln vermarkten Punk-ten.

Sämtliche Messungen wurdenmit einem elektro-optischen Tachy-84

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ca. halbjährlich neu beobachtet undberechnet. Die jeweils neu berech-neten Koordinaten der Stützpunktewurden mit den aus der Nullmes-sung ermittelten verglichen, und eswurde untersucht, ob sich einzelneStützpunkte in ihrer Lage verän-dert haben. Über den gesamten Be-obachtungszeitraum konnten keineVerschiebungen der Festpunkte fest-gestellt werden, so daß die aus derNullmessung ermittelten Koordina-ten über den gesamten Beobach-tungszeitraum als äußeres Bezugs-system beibehalten werden konnten.

3.3 ObjektpunktfeldEs wurden 9 Objektpunkte am Ge-rüst der Schwebebahn wie folgt aus-gewählt:– je ein Punkt (3001 und 3009)am Fuß der Stützen ca. 0,5–1,0 müber dem Fundament– vier Punkte (3002, 3004, 3006und 3007) am Schienenträger derBrücke zwischen den Stützen 302und 303, verteilt über die ganzeLänge der Brücke; 3006 und 3007liegen nur ca. 20 cm auseinander,bilden eine Art Zwillingspunkt– drei Punkte (3003, 3005 und3008) am oberen Hauptträger derBrücke. 3005 befindet sich in derMitte der Brücke (ungefähr überPunkt 3004), während 3003 und3008 an den beiden Enden derBrücke, d. h. auf den beiden Lager-köpfen liegen

Im Januar 2002 wurde dieBrücke 302 der Schwebebahn imZuge der kompletten Sanierung derStrecke ausgetauscht. Dies führteim Vorfeld der Auswechselung zumWegfall einzelner Sichten zu Stütz-und Objektpunkten, weshalb ein-zelne Objektpunkte weniger häufigbeobachtet wurden als andere.

Nach Austausch der Brücke302 wurden mit Hilfe der Wupper-taler Stadtwerke 11 neue Objekt-punkte am Gerüst der Schwebe-bahn angebracht. Es wurden die-selben Punktbezeichnungen wie zu-vor verwendet und dieselben unge-fähren Punktlagen angestrebt. Zu-sätzlich wurden die Punkte 3001-1und 3009-1 an die zu den Instru-mentenstandpunkten weisendenSeiten der Jochbalkenköpfe derStützen 302 bzw. 303 geklebt, uman den beiden Stützen neben denPunkten auf den Fundamenten

meter (�S = 3 mm + 2 ppm, �Hz =�V = 0,15 mgon) durchgeführt. Eswurden Richtungen, Zenitwinkelund Horizontalstrecken gemessen.

3.2 StützpunkteDie Stützpunkte wurden mit Alu-miniumzieltafeln 50 mm × 50 mmvermarkt, die an Mauern und anGebäuden angeklebt oder angedü-belt wurden. Diese Punkte erhiel-ten bei der Durchführung der er-sten Netzbeobachtung (Nullmes-sung) Y-, X- und Z-Koordinaten ineinem lokalen Koordinatensystem.Es wurde angenommen, daß sichdie Stützpunkte über den gesamtenBeobachtungszeitraum nicht verän-dern. Um diesen Nachweis zu er-bringen, wurde das Stützpunktfeld

Bild 4. DilatationslagerFig. 4. Dilatation bearing

Bild 5. DilatationsstoßFig. 5. Dilatation joint

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(3001, 3009) noch jeweils einenweiteren Punkt zu erhalten, der un-mittelbar an der Stütze und nichtan der Brücke (3003, 3005, 3008)oder am Schienenträger (3002, 3004,3006, 3007) befestigt ist.

Die Objektpunkte wurden wiedie Stützpunkte mit Aluminium-zieltafeln vermarkt, die an die aus-gewählten Stellen geklebt wurden.Es mußte damit gerechnet werden,daß sich der obere Hauptträger einerBrücke, der einseitig an einer Anker-stütze (Festpunkt) angeschlossen ist,anders bewegt und verformt, als diesder Schienenträger tut, der kon-struktionsbedingt – durch die ein-gebauten Dilatationen – dazu be-stimmt ist, sich auch unter der An-kerstütze hindurch geringfügig zubewegen. In der Nähe der Funda-mente an den Stützenfüßen wurdenkeine Bewegungen erwartet. DiePunkte 3001 und 3009 wurden je-doch trotzdem beobachtet, um aus-zuschließen, daß Bewegungen, die

wider Erwarten an diesen Stellenstattgefunden haben, Bewegungenund Verformungen im OberenHauptträger und/oder im Schienen-träger beeinflussen, verdecken oderverschleiern.

3.4 Objektpunktmessung undKoordinatenberechnung

Die Instrumentenstandpunkte 2001und 2002 wurden durch Messungvon Richtung und Zenitdistanz zuallen sichtbaren Stützpunkten ko-ordiniert. Während jeder Epochewurde mit Zwangszentrierung ge-arbeitet, wobei auf eine exakte Zen-trierung verzichtet werden konnte,da die Instrumentenstandpunkte we-der als Stützpunkte, noch als Ob-jektpunkte verwendet werden. Esist bedeutungslos, wenn einer die-ser Punkte als Ergebnis der Aus-gleichung Koordinaten erhält, dieim Zentimeterbereich von den ei-gentlich vorgesehenen abweichen.Sie werden bei jeder Berechnung des

Netzes wie die Koordinaten einesfreien Standpunkts behandelt. DieKonfiguration des Netzes bleibt da-von unberührt. Zu den Objektpunk-ten wurden jeweils Richtung undZenitdistanz gemessen. Die Messun-gen zu den Objektpunkten wareninnerhalb eines Vollsatzes durchMessung in zwei Fernrohrlagen kon-trolliert.

Durch die Anwendung derNetzausgleichung wurden die In-strumentenstandpunkte 2001 und2002 nachweislich mit einer durch-schnittlichen Genauigkeit von sY =0,35 mm, sX = 0,65 mm und sZ =0,20 mm und sehr zuverlässig be-stimmt. Zuverlässigkeitsmaße fürdie Beobachtungen zu den Objekt-punkten sind nicht aussagekräftig,da die Redundanz in den Beobach-tungen, die zur Koordinatenbestim-mung beitragen, nahe Null ist. DieQualität der Koordinatenbestim-mung für die Objektpunkte wird inAbschn. 5 eingehend behandelt.

Bild 6. NetzkonfigurationFig. 6. Configuration of the net

Bild 7. Anordnung der ObjektpunkteFig. 7. Arrangement of the measuring points

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4 Temperaturmessungen

Parallel zu den geodätischen Mes-sungen der Objektpunkte wurdenTemperaturmessungen am Stahl-gerüst der Schwebebahn durchge-führt, um den Zusammenhang zwi-schen Stahltemperatur und den Ko-ordinaten der Objektpunkte zu er-mitteln. Dafür wurde ein elektrischesThermometer verwendet (Bild 8),das über einen gegenüber der Kör-perwärme des Bedieners abgeschirm-ten flächenhaften Fühler das Abgrei-fen der Stahltemperatur ermöglicht.Das elektrische Thermometer besitzteine Auflösung der Ablesung von0,1 K und wurde vor jeder Messungmit einem oder mehreren qualitativhochwertigen Quecksilberthermo-metern abgeglichen. Neben derOberflächentemperatur des Stahlswurde die Lufttemperatur mit erfaßt.Da der Fahrbereich der Schwebe-bahn nicht allgemein und immer zu-gänglich ist, konnte die Temperaturin der direkten Umgebung der Ob-jektpunkte bzw. prinzipiell im Be-reich der Brücke nicht abgegriffenwerden. Statt dessen wurde dieStahltemperatur an den Schenkelnder beiden Stützen an ca. 30 Punk-ten gemessen. Die Punkte wurdenso gewählt, daß sie in Anbetrachtder begrenzten Zugangsmöglichkei-ten möglichst gut über die Stützen-schenkel verteilt waren und daß beisonnigem Wetter ca. die Hälfte derPunkte unabhängig vom augenblick-lichen Sonnenstand im Schatten lag.

Problematisch bei der Ermitt-lung der Stahltemperatur ist dieunterschiedliche Sonnenexpositionvon Brücke und Temperaturmeß-stellen. So ist es bei heiterem Wet-

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und 3009-1 in 12 bzw. 18 Vollsät-zen bestimmt. Die durchschnittlicheam Gerüst gemessene Stahltempera-tur lag zwischen –2,5 °C und 23,7 °C.

Die berechneten Koordinatenam neuen Gerüst waren getrenntvon denen am alten Gerüst zu re-duzieren. Dies galt auch für die danngemessenen Temperaturen. Ande-renfalls wäre die Vergleichbarkeitder Ergebnisse nicht gegeben. Somiterhielt man zwei unabhängige Meß-reihen.

5.1 Nachweis der Koordinaten-änderungen mit Hilfe derlinearen Regression

Es galt herauszufinden, welche Ob-jektpunktkoordinaten über den ge-samten Beobachtungszeitraum alsin ihrer Lage stabil anzusehen sind,und welche Koordinaten die Verfor-mungen repräsentieren, denen dasTraggerüst der Schwebebahn tempe-raturbedingt unterworfen ist. Dazuwurden – getrennt für beide Meß-reihen – alle gleichartigen Koordi-naten (z. B. Z3003, Y3007 etc.) aufdie kleinste Koordinate reduziert.Dasselbe wurde für die gemessenenStahltemperaturen gemacht; auchdiese wurden auf die niedrigste ineiner Meßreihe gemessene Tempe-ratur reduziert. Die so erhaltenenKoordinatenunterschiede wurdenüber die Temperaturunterschiedeaufgetragen und einer linearen Re-gressionsanalyse unterworfen, umdie Abhängigkeit einer Koordinaten-änderung von der Änderung derTemperatur nachzuweisen. Die Re-duktion der Koordinaten und dergemessenen Temperaturen auf denjeweils kleinsten Wert ermöglicht es,vergleichbare Daten aller Punktefür die weiteren Berechnungen zurVerfügung zu haben. Es könnensomit beispielsweise dieselben Ko-ordinaten unterschiedlicher Punktedirekt verglichen werden.

Die charakteristischen Größender linearen Regressionsanalyse sindder Korrelationskoeffizient und dasBestimmtheitsmaß (vgl. [2]). DerKorrelationskoeffizient r ist die Maß-zahl für Stärke und Richtung des li-nearen Zusammenhangs zweier Zu-fallsvariablen y (hier die Koordina-tenänderungen dY, dX, dZ) und x(hier die Temperaturänderung dT).Das Quadrat des Korrelationskoef-fizienten, das als Bestimmtheitsmaß

ter in den frühen Morgenstunden/am späten Nachmittag der Fall, daßdie Brücke der Sonneneinstrahlungschon/noch vollständig ausgesetztist, während die tiefer gelegenenTemperaturmeßpunkte noch/schonweitgehend im Schatten liegen. Dieshat auch zur Folge, daß an Schön-wettertagen die Sonneneinstrahl-dauer auf der Brücke deutlich frü-her beginnt und deutlich später en-det, als dies an den Meßpunkten derFall ist. Es kann davon ausgegangenwerden, daß bedeckte Tage – auchmit Niederschlag – als Meßtage zubevorzugen sind, da dann die ge-messenen Temperaturen an denStützenschenkeln repräsentativ fürdie Temperaturen an/in der Brückesind.

Die Ergebnisse im Rahmen die-ser Untersuchungen zeigen, daß dieErfassung der tatsächlichen Tem-peraturverhältnisse in einer Stahl-konstruktion trotz erhöhten meß-technischen Aufwand nur mit be-grenzter Genauigkeit möglich ist.Bei Ingenieurvermessungen anStahlbauwerken ist in der Praxisdavon auszugehen, daß der meß-technisch nicht erfaßbare Einflußder Temperatur – der somit auchrechnerisch nicht berücksichtigt wer-den kann – zu Verformungen derStahlkonstruktion im Bereich vonmehreren Millimetern führen kann,und der somit die bei Vermessun-gen erreichbaren Meßunsicherhei-ten in Bereiche treibt, die den in [1]genannten Forderungen nicht ge-recht werden können.

5 Koordinaten der Objektpunkte

Die Objektpunkte sollten möglichsthäufig bei möglichst unterschiedli-chen klimatischen Bedingungen be-obachtet werden.

In einer ersten Meßreihe(24. 07. 2001 bis 08. 01. 2002) wur-den die Punkte 3001 bis 3009 ansechs Tagen in 17 Vollsätzen beob-achtet. In weiteren 12 Vollsätzen anfünf Tagen wurden die Punkte 3002bis 3004 und 3006 bis 3008 beob-achtet. Die durchschnittliche am Ge-rüst gemessene Stahltemperatur lagzwischen +1,8 °C und 28,5 °C.

Nach dem Umbau des Tragge-rüsts wurden in einer zweiten Meß-reihe (16. 07. 2002 bis 26. 03. 2003)die Punkte 3001 bis 3009, 3001-1

Bild 8. Elektrisches ThermometerFig. 8. Electric thermometer

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r2 oder B bezeichnet wird, quantifi-ziert denjenigen Anteil an der Vari-anz der Zufallsvariablen y, der durchden Regressor x zu erklären ist. Kor-relationskoeffizient und Bestimmt-heitsmaß sind Größen, die es erlau-ben, Aussagen darüber zu machen,welche Koordinaten den Verformun-gen unterliegen, denen das Tragge-rüst unterworfen ist. Eine Einteilungdes Grads der Korrelation ist in Ta-belle 1 angegeben.

Die Veränderung der einzelnenKoordinaten der Objektpunkte inAbhängigkeit von der Änderung derTemperatur des Gerüsts der Schwe-bebahn über den gesamten Beob-achtungszeitraum soll am Beispielvon fünf ausgewählten Punkten nach-gewiesen werden. Es sind dies:– Punkt 3001 auf dem Fundamentder Ankerstütze 302, da dort keineBewegungen zu erwarten waren

– Punkt 3002 am Schienenträgerunter Stütze 302, der sich wegen derSchienendilatation vergleichsweiseunabhängig von der prinzipiell alsFestpunkt wirkenden Ankerstützebewegen kann– Punkt 3003 auf dem Lager derBrücke 302 an Ankerstütze 302, derdie Festpunktwirkung in Richtungder Schwebebahnachse (X-Koordi-nate) der Ankerstütze 302 voll er-fahren müßte, da es sich um einFestlager handelt– Punkt 3007 am Schienenträgerunter Stütze 303, der sich frei be-wegen kann– Punkt 3008 auf dem Lager derBrücke 302 an Pendelstütze 303, dersich auf Grund der Pendeleigen-schaften der Stütze sehr frei bewe-gen kann

In den folgenden Abschnitten(5.1.1 bis 5.1.5) werden nur die Er-

gebnisse der Messungen der erstenMeßreihe (Gerüst der Schwebebahnvor dem Umbau) betrachtet, da dieObjektpunkte in dieser Meßreihezweimal so häufig wie in der zwei-ten Meßreihe bestimmt wurden. Fürdie nach der Regressionsanalyse alsstabil ausgewiesenen Punkte/Koor-dinaten werden in Abschn. 5.2 Ge-nauigkeitsmaße bestimmt.

5.1.1 Punkt 3001Aus der grafischen Darstellung zuPunkt 3001 (Bild 9) und aus derZusammenstellung in Tabelle 2 läßtsich ersehen, daß ein gewisser Zu-sammenhang zwischen Y- bzw. X-Koordinate des Punkts und der Tem-peratur besteht. Es ist r = 0,58 bzw.r = 0,54 (n = 17). Für die Z-Koordi-naten läßt sich keine Abhängigkeitfeststellen (r = 0,04). Zu erwartenwar, daß alle drei Koordinaten desPunkts 3001 keinen Veränderungenunterliegen, da der Punkt auf demFundament der Stütze 302 liegt.

5.1.2 Punkt 3002Aus der Zusammenstellung in Ta-belle 2 läßt sich ersehen, daß einschwacher Zusammenhang zwischenY-Koordinate des Punkts und derTemperatur besteht. Es ist r = 0,45(n = 29). Für die X-Koordinate ist

Tabelle 1. Korrelationskoeffizient und Grad des linearen Zusammenhangs Table 1. Correlation coefficient and rate of linear coherence

Korrelationskoeffizient Charakteristik des linearen Zusammenhangs

r = 0 Kein linearer Zusammenhang

0 < |r| ≤ 0,4 Sehr loser linearer Zusammenhang

0,85 ≤ |r| < 1,0 Ziemlich enger linearer Zusammenhang

|r| = 1 Gesetzmäßiger linearer Zusammenhang

Bild 9. Koordinaten 3001 – RegressionsanalyseFig. 9. Coordinates 3001 – regression analysis

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dieser deutlich größer (r = 0,76) undnahe an der in Tabelle 1 angegebe-nen Grenze von r = 0,85, die einenziemlich engen linearen Zusammen-hang nahelegen würde. Die Z-Ko-ordinate verändert sich eindeutig li-near in Abhängigkeit von der Tem-peratur (r = 0,95). Zu erwarten war,daß die Y-Koordinate unverändertbleibt. Die X-Koordinate müßte sichim Zuge einer Erwärmung und derdamit verbundenen freien Ausdeh-nung des Schienenträgers in Rich-tung der Schwebebahnachse ändern.Die Z-Koordinate hat sich bei zu-nehmender Temperatur wie die ge-samte Konstruktion nach oben –also in positive Z-Richtung – zu be-wegen.

5.1.3 Punkt 3003Für Punkt 3003 ergibt sich nachTabelle 2, daß kein Zusammenhangzwischen Y-Koordinate des Punktsund der Temperatur besteht, r = 0,14(n = 29). Für die X-Koordinate wirdeine gewisse Korrelation ausgewie-sen (r = 0,66), die jedoch deutlichunter der in Tabelle 1 genanntenSchranke von r = 0,85 liegt. Die Z-Koordinate verändert sich eindeu-tig linear in Abhängigkeit von derTemperatur (r = 0,95). Bei diesemPunkt war zu erwarten, daß Y- und

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auch hier zu erwarten, daß die Be-wegung des Punkts 3008, der sichauf dem Lagerkopf der Brücke anPendelstütze 303 befindet, in X- undin Z-Richtung bei Erwärmung rela-tiv frei ist.

5.1.6 Ergänzende HinweiseDas unterschiedliche Verhalten derObjektpunktkoordinaten wurde anfünf ausgewählten Punkten gezeigt.Wie die Tabellen 2 und 3 zeigen,ergeben sich die Zusammenhängezwischen Koordinate und Tempera-tur nicht immer eindeutig, was auffolgende Ursachen zurückzuführenist:– Bei Korrelationen zwischen r =0,4 und r = 0,85 kann die Tempera-tur einen gewissen Einfluß auf dieÄnderung der Koordinaten ausüben,tut dies aber nicht gesichert. Es be-steht die Möglichkeit, daß auch an-dere unbekannte Einflüsse beteiligtsind.– Für die Y-Koordinaten der Ob-jektpunkte sind fast sämtliche denlinearen Zusammenhang mit derTemperatur beschreibenden Korre-lationskoeffizienten deutlich größerNull. Dies ist mit darin begründet,daß die Genauigkeit ihrer Bestim-mung deutlich niedriger ist (∼ Fak-tor 2), als diejenige bei der Bestim-

X-Koordinate unverändert bleiben,da 3003 auf dem Lagerkopf derBrücke zur Ankerstütze hin in diesebeiden Koordinatenrichtungen alsFestpunkt gelten müßte. Die Z-Ko-ordinate hat sich bei zunehmenderErwärmung im Zuge der vertikalenAusdehnung der Gesamtkonstruk-tion nach oben – also in positive Z-Richtung – zu bewegen.

5.1.4 Punkt 3007Auch bei diesem Punkt zeigt sichnach Tabelle 2 für die Y-Koordinateeine schwache Korrelation von r =0,44 (n = 29). X- und Z-Koordinateerweisen sich als eindeutig mit derTemperatur korreliert, r = 0,91 bzw.r = 0,93. Es stand zu erwarten, daßsich Punkt 3007 auf dem Schienen-träger unter Pendelstütze 303 in X-und in Z-Richtung bei Erwärmungrelativ frei bewegen kann.

5.1.5 Punkt 3008Bild 10 und Tabelle 2 ergeben fürPunkt 3008 ebenfalls eine geringeAbhängigkeit der Y-Koordinate vonder Temperatur, r = 0,32 (n = 29).X- und Z-Koordinate verhalten sichwie die entsprechenden Koordina-ten des Punkts 3007 (vgl. Abschn.5.1.4). Es ergeben sich r = 0,91 bzw.r = 0,93. Wie bei Punkt 3007 stand

Bild 10. Koordinaten 3008 – RegressionsanalyseFig. 10. Coordinates 3008 – regression analysis

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Bautechnik 81 (2004), Heft 2

mung der X- und Z-Koordinaten.Ursache dafür ist die zugrunde lie-gende Lage der Objektpunkte rela-tiv zu den Instrumentenstandpunk-ten; die einen Objektpunkt bestim-menden Richtungsstrahlen schnei-den sich in einem spitzen Winkel,so daß teilweise schleifende Schnitteentstehen (vgl. Bild 7).

5.2 Koordinaten der stabilenPunkte

Es werden nun diejenigen Punktebzw. Punktkoordinaten näher be-

trachtet, die nicht von den Verfor-mungen des Traggerüsts betroffensind.

5.2.1 Genauigkeitsmaße derKoordinaten aus n-maligerBestimmung

Für Koordinaten, die höchstwahr-scheinlich unverändert gebliebensind, wurde die empirische Stan-dardabweichung s berechnet, diesich auf der Grundlage von n Voll-sätzen ergibt. Anhand dieser Stan-dardabweichungen läßt sich eine

Aussage über die Unsicherheit derKoordinatenbestimmung an Stahl-bauwerken treffen.

In Ergänzung zu Abschn. 5.1werden in den Tabellen 2 und 3 dievollständigen Ergebnisse der beidenMeßreihen (Juli 2001–Januar 2002und Juli 2002–März 2003) darge-stellt. In den Tabellen ist nebenStichprobenumfang, Korrelations-koeffizient und empirischer Stan-dardabweichung die Größe �′ ange-geben. Sie ist ein statistisch gesicher-ter Schätzwert für den mindestens

Tabelle 2. Meßreihe 1 (07/2001 – 01/2002) – Koordinatenänderungen über Temperaturänderung Table 2. Test series 1 (07/2001 – 01/2002) – Coordinate changes over temperature changes

Y X Z P

Punkt n r �′ s r �′ s r �′ s sP

3001 17 0,58 0,19 1,8 0,54 0,13 0,9 0,04 0,00 0,3 2,0

3002 29 0,45 0,14 1,4 0,76 0,58 – 0,95 0,90 – –

3003 29 0,14 0,00 1,4 0,66 0,42 2,8 0,95 0,89 – 3,1

3004 29 0,55 0,27 1,5 0,87 0,76 – 0,96 0,92 – –

3005 17 0,30 0,00 1,8 0,87 0,68 – 0,91 0,78 – –

3006 29 0,40 0,09 2,3 0,91 0,83 – 0,93 0,86 – –

3007 29 0,44 0,13 2,2 0,91 0,82 – 0,93 0,86 – –

3008 29 0,32 0,00 2,1 0,91 0,83 – 0,91 0,83 – –

3009 17 0,69 0,36 2,3 0,49 0,06 0,7 0,61 0,23 0,5 2,5

Mittel – 0,43 – 1,9 0,52 – 0,8 0,33 – 0,4 2,3

n Anzahl der Bestimmungen �′ untere Vertrauensgrenze des Korrelationskoeffizienten rr empirischer Korrelationskoeffizient s empirische Standardabweichung [mm]

Tabelle 3. Meßreihe 2 (07/2002 – 03/2003) – Koordinatenänderungen über Temperaturänderung Table 3. Test series 2 (07/2002 – 03/2003) – Coordinate changes over temperature changes

Y X Z P

Punkt n r �′ s r �′ s r �′ s sP

3001 11 0,16 0,00 1,5 0,25 0,00 0,4 0,72 0,24 0,5 1,6

3001-1 16 0,26 0,00 1,2 0,43 0,00 1,1 0,95 0,79 – 1,6

3002 11 0,43 0,00 1,5 0,62 0,07 – 0,96 0,85 – –

3003 11 0,45 0,00 1,2 0,25 0,00 0,9 0,94 0,80 – 1,5

3004 17 0,39 0,00 1,4 0,90 0,75 – 0,97 0,88 – –

3005 17 0,33 0,00 1,8 0,85 0,65 – 0,95 0,88 – –

3006 17 0,29 0,00 1,3 0,94 0,84 – 0,95 0,85 – –

3007 17 0,32 0,00 1,3 0,95 0,87 – 0,94 0,80 – –

3008 17 0,10 0,00 1,7 0,94 0,86 – 0,92 0,80 – –

3009-1 17 0,32 0,00 1,3 0,92 0,81 – 0,96 0,89 – –

3009 17 0,09 0,00 2,0 0,32 0,00 0,9 0,06 0,00 0,4 2,2

Mittel – 0,32 – 1,5 0,31 – 0,8 0,39 – 0,4 1,9

n Anzahl der Bestimmungen �′ untere Vertrauensgrenze des Korrelationskoeffizienten rr empirischer Korrelationskoeffizient s empirische Standardabweichung [mm]

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zu unterstellenden Wert des Korre-lationskoeffizienten � der Grundge-samtheit, die der jeweiligen Stich-probe mit dem Korrelationskoeffi-zienten r zugrunde liegt. Er hängtvon r und dem Umfang n der Stich-probe ab. Damit ist �′ einer einsei-tigen unteren Vertrauensgrenze fürr gleichzusetzen. Der Wert von �′ergibt sich nach [2] dadurch, daßdie Testgröße

dem Quantil tn–2;�;einseitig der t-Ver-teilung nach Student zu einem ein-seitigen Test auf dem Signifikanz-niveau � = 5 % gegenübergestelltwird. Ist t̂ > tn–2;�;einseitig, so kanndie Hypothese r > �′ auf dem 5 %-Niveau angenommen werden; r istmit der Sicherheitswahrscheinlich-keit P = 1 – � = 95 % größer als �′.

Eine gesicherte Abhängigkeitder Koordinate von der Tempera-tur wird ab einem Wert �′ > 0,7 un-terstellt. In Verbindung mit demWissen um die mutmaßlichen Eigen-schaften der Konstruktion bezüglichdes Verformungsverhaltens des Trag-werks unter Temperatureinfluß kön-nen somit folgende Koordinaten alsnicht mit der Stahltemperatur kor-reliert angesehen werden (hellgrauhinterlegt in den Tabellen 2 und 3):– die Y-Koordinaten (Koordinaten-richtung senkrecht zur Längsachseder Schwebebahn) aller Objekt-punkte in beiden Meßreihen– die X-Koordinaten (Koordinaten-richtung parallel zur Längsachse derSchwebebahn) der Punkte 3001 und3009 (Fundamente), 3001-1 und3003 (Punkte auf Ankerstütze 302,2. Meßreihe; Punkt 3003 der erstenMeßreihe – dunkelgrau hinterlegt –wurde nicht verwendet)– die Z-Koordinaten der Punkte3001 und 3009 (Fundamente)

Aus den hellgrau hinterlegtenWerten der Tabellen 2 und 3 läßtsich folgendes ablesen:

ˆ ,

lg lg

t

rr

n

= ×

× +−

− + ′− ′

×

× −

11513

11

11

2

��

90

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Bautechnik 81 (2004), Heft 2

stabilen, genau und zuverlässig be-stimmten lokalen Festpunktnetzheraus, konnte gezeigt werden, daßdiese Koordinaten mit einer tatsäch-lichen Unsicherheit von 0,3 mm <s < 2,3 mm (im Mittel: s = 1,3 mm)bestimmt werden konnten, was inUnsicherheiten der Punktlage von1,5 mm < sP < 2,5 mm (im Mittel:sP = 2,0 mm) resultierte. Vorausge-setzt wurde hierbei, daß die ent-sprechenden Objektpunkte lagesta-bil sind.

Diese Meßunsicherheiten wur-den durch die Berechnungen mit derGeodätischen Netzausgleichung be-stätigt. Hier wurden die Koordina-ten mit einer Unsicherheit von0,4 mm < s < 1,9 mm (im Mittel: s =0,9 mm) und die Punktlage mit ei-ner Unsicherheit von 0,9 mm < sP <2,3 mm (im Mittel: sP = 1,6 mm) be-rechnet.

Die Objektpunkte wurden vonfreien Standpunkten aus beobach-tet, deren Koordinaten durch Geo-dätische Netzausgleichung bei sehrguter Redundanz in den Beobach-tungen berechnet wurden. Die Qua-lität der Standpunktbestimmung istjederzeit nachprüfbar, grobe Fehlersind leicht zu lokalisieren und zueliminieren. Durch diese Anlage derMessung kann ohne Genauigkeits-verlust auf die Errichtung von Ver-messungspfeilern als Instrumenten-standpunkte verzichtet werden. Zen-trierfehler sowie Fehler in der Be-stimmung der Instrumentenhöhetreten nicht auf.

6 Strecken am Schwebebahn-gerüst

Es soll im folgenden untersucht wer-den, wie sich die Strecken zwischenausgewählten Punkten in Abhängig-keit von der gemessenen Stahltem-peratur verändert haben, um Aus-sagen darüber machen zu können,wie sich die Temperatur auf dieLänge von Bauteilen auswirkt. Nä-her betrachtet wurden die Strecken– von 3001 nach 3003 (FundamentStütze 302 → Lager Stütze 302)

– Für die Y-Koordinaten liegen dieStandardabweichungen im Mittelbei s = 1,8 mm.– Für die X-Koordinaten der stabi-len Punkte liegen die Standardabwei-chungen im Mittel bei s = 0,8 mm.– Für die Z-Koordinaten der stabi-len Punkte liegen die Standardabwei-chungen im Mittel bei s = 0,4 mm.– Für die Bestimmung der Punkt-lage in drei Koordinatenrichtungenergeben sich Meßunsicherheiten von1,6 mm < sP < 2,5 mm (Mittel: sP =2,1 mm).

5.2.2 Genauigkeitsmaße derKoordinaten als Ergebnisder Ausgleichung

Zum Vergleich mit den im voran-gegangenen Abschnitt empirisch er-mittelten Genauigkeiten werden dieErgebnisse der Koordinatenbestim-mungen mittels Netzausgleichunguntersucht.

Die Ausgleichung aller gemes-senen Sätze liefert zusammenfas-send für die Koordinaten der Ob-jektpunkte die in Tabelle 4 zusam-mengestellten Genauigkeiten.

Diese Werte gelten für die ein-fache Bestimmung eines Objekt-punkts, und sie hängen im wesent-lichen von der Qualität der überbe-stimmten Berechnung der Koordi-naten der Instrumentenstandpunkteund den gewählten Beobachtungs-gewichten ab. Die Genauigkeits-maße aus der Ausgleichung ergebensich nach dem Allgemeinen Kova-rianzfortpflanzungsgesetz. Sowohlihre Größenordnung als auch dieVerhältnisse sY/sX, sY/sZ, und sX/sZentsprechen sehr gut den in denTabellen 2 und 3 dokumentiertenStandardabweichungen, die ausmehreren unabhängigen Bestimmun-gen einer Koordinate abgeleitet sind.

5.2.3 ErgebnisseDurch wiederholte unabhängige Be-stimmung (11 ≤ n ≤ 29) der Koor-dinaten gut signalisierter Objekt-punkte an einem komplexen Stahl-bauwerk – dem Traggerüst der Wup-pertaler Schwebebahn – aus einem

Tabelle 4. Genauigkeiten der ObjektpunktkoordinatenTable 4. Accuracy of object point coordinates

Y X Z Punktlage

0,7 mm < sY < 1,9 mm 0,4 mm < sX < 1,0 mm 0,4 mm < sZ < 0,8 mm 0,9 mm < sP(XYZ) < 2,3 mmim Mittel: sY = 1,3 mm im Mittel: sX = 0,7 mm im Mittel: sZ = 0,6 mm im Mittel: sP(XYZ) = 1,6 mm

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Bautechnik 81 (2004), Heft 2

– von 3002 nach 3007 (Schienen-träger bei Stütze 302 → Schienen-träger bei Stütze 303)– von 3003 nach 3008 (Brücken-lager an Stütze 302 → Brückenla-ger an Stütze 303)– von 3008 nach 3009 (FundamentStütze 303 → Lager Stütze 303).

Nach Umbau des Gerüsts wur-den noch die Strecken– von 3001 nach 3001-1 (Funda-ment Stütze 302 → JochbalkenStütze 302) – von 3009 nach 3009-1 (Funda-ment Stütze 303 → JochbalkenStütze 303)mit untersucht.

Aus den Koordinaten der je-weiligen Objektpunktpaare wurdenStrecken berechnet und diese derTemperatur gegenübergestellt. ZurStreckenberechnung wurden für diePunktpaare 3001/3003 und 3008/3009 nur die Z-Koordinaten ver-wendet, da X- und Y-Koordinatenzur Repräsentation der Längenän-derung in der Vertikalen nicht rele-vant sind. Entsprechend wurden fürdie Punktpaare 3002/3007 und3003/3008 nur die X- und Y-Koor-dinaten verwendet, da die Z-Koor-dinate zur Repräsentation der Län-genänderung in der Horizontalennicht relevant ist. Sowohl die Strek-ken si als auch die Temperaturen Tiwurden auf den jeweiligen Minimal-wert reduziert. Die Punktwolke, diesich aus dem Auftrag der �si = si –smin über die �Ti = Ti – Tmin ergibt,wurde ebenfalls (vgl. Abschn. 5.1)mittels linearer Regression angenä-hert beschrieben. Aus der Gleichungder Regressionsgeraden lassen sichdie aus wiederholten Messungen be-stimmten Änderungen der einzelnenStrecken nach �sist = �sist(dT) =s(dTmax) – s(dT = 0) berechnen. DieSollängenänderungen der Strecken3002/3007 und 3003/3008 ergebensich mit dem Temperaturausdeh-nungskoeffizienten für Stahl von

zu

�ssoll = �ssoll(dT) = s0 · (1 + dTmax · �T).

Für die Soll-Längenänderun-gen der Strecken 3001/3003 und3008/3009 wurde die Geometrie der

�T K= ⋅ ⋅−1 2 10 15,

beiden Stützen möglichst einfachapproximiert, um die in vertikalerRichtung wirksame Länge der Kon-struktion zu ermitteln. Dazu wurdeaus den mittleren Koordinaten derPunkte 3001 und 3003 bzw. 3008und 3009 aus beiden Meßzyklen beiUnterstellung einer Jochbalkenlängevon 6 m die Länge der Stützen-schenkel der beiden trapezförmigenRahmen der Stützen 302 und 303näherungsweise berechnet. Die ver-tikalen Abstände s0 zwischen Fun-dament und zugehörigem Jochbal-ken wurden aus den Trapezen ab-geleitet. Die Soll-Änderungen dieserStrecken lassen sich nun ebenfallsgemäß �ssoll = �ssoll(dT) = s0 · (1 +dTmax · �T) berechnen. Hierbei wurdevorausgesetzt, daß Lage des Jochbal-kenmittelpunkts und Lage des Stüt-zenfußpunkts unverändert bleiben.Die getroffenen Annahmen über dieLänge von Jochbalken und Stützen-schenkel können als hinreichendgenau angesehen werden, da sichselbst bei Abweichungen bis zu 1 mvon den tatsächlichen Abmessungenvon Jochbalken und Stützenschen-keln für die berechneten Soll-Längen-änderungen Differenzen < 0,7 mmergeben. Weiterhin entsprechen diegetroffenen Annahmen einer biege-steifen Verbindung von Jochbalkenund Stützenschenkel sowie einer in

der Y-Z-Ebene gelenkigen Lagerungder Stützenfüße. Die Berechnungwurde durchgeführt, um die Ver-formung von Stützenschenkel undJochbalken gleichermaßen berück-sichtigen zu können.

6.1 Strecken am alten GerüstFür die Strecken am alten Gerüstsind Regressionsgerade, -gleichungund -koeffizient beispielhaft inBild 11 dargestellt, und es ergebensich unter anderem für den Korre-lationskoeffizienten der Strecken-änderung über der Temperaturän-derung und (vgl. Abschn. 5.2.1) des-sen untere Vertrauensgrenze �′ dieWerte in Tabelle 5.

Nach Tabelle 5 sind alle unter-suchten Strecken eindeutig mit derTemperatur korelliert. Es werdenin nachfolgender Tabelle 6 die aufGrundlage der Regressionsgleichungberechnete Ist-Streckenänderung derStrecken �dsist der jeweiligen Soll-Streckenänderung �dssoll gegenüber-gestellt, die sich aus der Länge desBauteils und dem Temperaturaus-dehnungskoeffizienten ergibt (vgl.Abschn. 6). Der Quotient aus �dssollund �dsist läßt Aussagen darüber zu,inwieweit sich das gewählte Modellzur Berechnung der Streckenände-rungen am Traggerüst aus der tem-peraturbedingten Verformung der

Tabelle 5. Meßreihe 1 – Streckenlänge, Stichprobenumfang und Korrela-tionskoeffizientTable 5. Test series 1 – Distance, sample size and correlation coefficient

Strecke Länge r �′ nvon nach ca. in [m]

3001 3003 15,35 0,94 0,85 16

3002 3007 30,51 0,86 0,74 28

3003 3008 32,91 0,89 0,79 28

3008 3009 14,36 0,86 0,66 16

r Korrelationskoeffizient�′ untere Vertrauensgrenze des Korrelationskoeffizienten rn Anzahl der Bestimmungen

Tabelle 6. Meßreihe 1 – Soll- und Ist-StreckenänderungTable 6. Test series 1 – Alteration of distances

Strecke dTmax sdT = 0 sdT(max) �dsist �dssoll �dssoll/[K] [m] [m] [mm] [mm] �dsist

3001 → 3003 24,8 15,3495 15,3586 9,1 7,1 0,78

3002 → 3007 26,7 30,5078 30,5173 9,5 9,8 1,03

3003 → 3008 26,7 32,9076 32,9190 11,4 10,5 0,92

3008 → 3009 24,8 14,3569 14,3623 5,4 6,3 1,17

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Bild 11. Meßreihe 1 – Beispiel: Regressionsanalyse der Strecke 3002/3007Fig. 11. Series of measurement 1 – example: regression analysis of the distance 3002/3007

Bild 12. Meßreihe 2 – Regressionsanalyse: Strecke 3009/3009-1Fig. 12. Series of measurement 2 – example: regression analysis of the distance 3009/3009-1

Konstruktion mit dem aus Messun-gen ermittelten Verhalten der einzel-nen Abschnitte des Traggerüsts zurDeckung bringen läßt. Dieser Quo-tient bewegt sich für die vier Strek-ken zwischen 0,78 und 1,17.

6.2 Strecken am neuen GerüstFür die zweite Meßreihe wurdendieselben Strecken ausgewertet undzusätzlich noch die Strecken 3001/3001-1 und 3009/3009-1 einbezo-gen. Für die Strecken am neuen Ge-

rüst sind Regressionsgerade, -glei-chung und -koeffizient beispielhaftin Bild 12 dargestellt, und es erge-ben sich analog zu Abschn. 6.1 dieWerte der Tabelle 7. Alle Streckenzeigen sich ebenfalls als eindeutig

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korreliert mit der Temperatur, auchwenn �′ für zwei Strecken unterder in Abschn. 5.2.1 formuliertenSchranke von 0,7 liegt.

Tabelle 8 zeigt die Gegenüber-stellung von Ist- und Soll-Strecken-änderungen und den Quotienten aus�dssoll und �dsist. Der Quotient aus�dssoll und �dsist nimmt Werte zwi-schen 0,92 und 1,23 an.

6.3 Kombination von Streckenam alten und neuen Gerüst

Abschließend wurden die Ergebnissefür die Änderungen der Strecken3001/3003, 3002/3007, 3003/3008und 3008/3009 am Traggerüst ausden beiden Meßreihen zusammen-geführt. Dies wurde dadurch mög-lich, daß die in der zweiten Meß-reihe berechneten Strecken – unterBeibehaltung der gemessenen Stahl-temperaturen – auf die Streckender ersten Meßreihe transformiertwurden, indemI. aus den Geradengleichungen derbeiden Meßreihen die jeweiligenSollstrecken bei einer Temperaturvon 15 °C berechnet wurdenII. aus dem Verhältnis von Soll-strecke der ersten Meßreihe zu Soll-strecke der zweiten Meßreihe einMaßstabsfaktor ermittelt wurde III. die tatsächlich gerechnetenStrecken der zweiten Meßreihe mitdiesem Maßstabsfaktor skaliert wur-den.

Für diese Strecken sind Regres-sionsgerade, -gleichung und -koef-fizient beispielhaft in Bild 13 dar-gestellt, und es ergeben sich analogzu den Abschn. 6.1 und 6.2 die Werteder Tabelle 9. Auch diese Streckenzeigen sich als eindeutig korreliertmit der Temperatur, und die ermit-telten Korrelationskoeffizienten kön-nen als statistisch gesichert gelten.Die Gegenüberstellung von Ist- undSoll-Streckenänderungen und denQuotienten aus �dssoll und �dsistzeigt Tabelle 10. Der Quotient aus�dssoll und �dsist bewegt sich zwi-schen 0,84 und 1,07.

6.4 ZusammenfassungBei der Betrachtung der verschie-denen Strecken in Abhängigkeitvon der herrschenden Stahltempe-ratur am Traggerüst der Wupperta-ler Schwebebahn wurden Soll-Än-derungen von Längen am Gerüstdurch Skalieren der Bauteillängen

Tabelle 7. Meßreihe 2 – Streckenlänge, Stichprobenumfang und Korrela-tionskoeffizientTable 7. Test series 2 – Distance, sample size and correlation coefficient

Strecke Länge r �′ nvon nach ca. in [m]

3001 3003 14,85 0,93 0,52 12

3001 3001-1 14,28 0,93 0,78 12

3002 3007 31,79 0,94 0,81 12

3003 3008 32,86 0,84 0,54 12

3008 3009 14,91 0,92 0,80 18

3009 3009-1 14,76 0,94 0,86 18

r Korrelationskoeffizient�′ untere Vertrauensgrenze des Korrelationskoeffizienten rn Anzahl der Bestimmungen

Tabelle 8. Meßreihe 2 – Soll- und Ist-StreckenänderungTable 8. Test series 2 – Alteration of distances

Strecke dTmax sdT = 0 sdT(max) �dsist �dssoll �dssoll/[K] [m] [m] [mm] [mm] �dsist

3001 → 3003 26,2 14,8447 14,8524 7,7 7,5 0,96

3001 → 3001-1 26,2 14,2800 14,2871 7,1 7,5 1,06

3002 → 3007 26,2 31,7819 31,7900 8,1 10,0 1,23

3003 → 3008 26,2 32,8509 32,8608 9,9 10,3 1,04

3008 → 3009 26,4 14,9055 14,9126 7,1 6,7 0,94

3009 → 3009-1 26,4 14,7504 17,7577 7,3 6,7 0,92

Tabelle 9. Meßreihen 1 und 2 – Streckenlänge, Stichprobenumfang undKorrelationskoeffizientTable 9. Test series 1 and 2 – Distance, sample size and correlation coeffi-cient

Strecke Länge r �′ nvon nach ca. in [m]

3001 3003 15,35 0,94 0,88 28

3002 3007 30,51 0,88 0,79 38

3003 3008 32,91 0,86 0,76 39

3008 3009 14,36 0,89 0,81 34

r Korrelationskoeffizient�′ untere Vertrauensgrenze des Korrelationskoeffizienten rn Anzahl der Bestimmungen

Tabelle 10. Meßreihen 1 und 2 – Soll- und Ist-StreckenänderungTable 10. Test series 1 and 2 – Alteration of distances

Strecke dTmax sdT = 0 sdT(max) �dsist �dssoll �dssoll/[K] [m] [m] [mm] [mm] �dsist

3001 → 3003 31,0 15,3477 15,3582 10,5 8,8 0,84

3002 → 3007 31,0 30,5077 30,5183 10,6 11,3 1,07

3003 → 3008 31,0 32,9071 32,9202 13,1 12,2 0,93

3008 → 3009 31,0 14,3551 14,3625 7,5 7,8 1,04

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mit dem Temperaturausdehnungs-koeffizienten für Stahl �T in Abhän-gigkeit vom gemessenen Tempera-turunterschied berechnet. Diese Soll-werte stimmen mit den durch dieVermessung bestimmten Ist-Ände-rungen sehr gut überein. Die durch-schnittliche Abweichung des Quo-tienten

vom Sollwert 1 liegt bei 0,09 = 9 %.Somit kann davon ausgegangen wer-den, daß die Konstruktion die tem-peraturinduzierten Verformungen inder beabsichtigten Art und Weiseaufnimmt.

7 Ergebnisse und Schlußfolge-rungen

Die ermittelten Genauigkeiten fürdie Bestimmung der Punktkoordina-ten können als repräsentativ dafürangesehen werden, was bei konven-tioneller Meßtechnik (Polarverfah-ren, elektro-optisches Tachymeterhoher Genauigkeit) für die Auf-nahme von gut signalisierten Ob-jektpunkten an Stahlbauwerken er-reichbar ist. Dabei ist Kenntnis dar-über erforderlich, ob die aufgenom-menen Punkte in Bereichen liegen,

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ist

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dafür zu tragen, daß sowohl zumAbschluß des Vorfertigungsprozes-ses als auch nach Probe- und Vor-montagen von Bauteilen und Bau-teilgruppen unter Berücksichtigungder vorherrschenden Materialtem-peraturen eine geeignete meßtech-nische Abnahme durchgeführt wird,die garantiert, daß die erreichte geo-metrische Qualität den Anforderun-gen an die Montage und an das fer-tige Bauwerk genügt.

Für die Absteckungsarbeiten anStahlbauwerken oder Stahlbautei-len ist bei Anwendung der gleichenTechnologie und ähnlichen Verhält-nissen auf der Baustelle zu berück-sichtigen, daß für die Absteckunghöhere Genauigkeitsanforderungengelten als für die Aufnahme.

Dies ist darin begründet, daßdurch die Aufnahme ein Ist-Zustanddokumentiert wird, der im Rahmenvon Bauvermessungen typischer-weise Kontroll- und Überwachungs-zwecken dient. Dabei wird die Geo-metrie eines Bauwerks erfaßt undmöglicherweise auf die Einhaltungvon Maßtoleranzen hin überprüft.Falls die Erfassung der aktuellenGeometrie Abweichungen zur Soll-Geometrie des Bauwerks ergibt, sostellen diese Abweichungen Größendar, die sich einerseits daraus erge-

die von Verformungen des Trag-werks betroffen sind. Es ist nichtsinnvoll, Punkte im Zuge von Kon-troll- oder Überwachungsvermes-sungen aufzumessen, deren Stabi-lität – beispielsweise aufgrund vonTemperaturänderungen – nicht ge-währleistet ist. Die hierfür erforder-liche Erfassung der Temperatur derStahlkonstruktion kann nicht mitder notwendigen Genauigkeit erfol-gen.

Dies bedeutet für Abnahme-vermessungen an Stahlbauwerken,daß die geometrische Richtigkeit derAusführung des Tragwerks nur teil-weise an der fertigen Konstruktionüberprüft werden kann. Die hierfürerforderliche Lagesicherheit von Ob-jektpunkten ist insbesondere dortgegeben, wo die Stahlkonstruktionmit dem Erdboden verbunden ist.Dies trifft für Festanschlüsse an Fun-damenten und für die Lage von Auf-und Widerlagern zu. Ist die Geo-metrie des Tragwerks im Rahmenvon Abnahmevermessungen weiter-gehend zu kontrollieren, so ist dieseÜberprüfung am einzelnen Bauteiloder an der vormontierten Bauteil-gruppe durchzuführen, bevor dieEndmontage des Bauteils/der Bau-teilgruppe erfolgt. Somit ist bei ent-sprechenden Stahlbauwerken Sorge

Bild 13. Meßreihen 1 und 2 — Beispiel: Regressionsanalyse der Strecke 3008/3009Fig. 13. Series of measurements 1 and 2 – example: regression analysis of the distance 3008/3009

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ben, daß die einzelnen an der Bau-ausführung beteiligten Gewerke ihreArbeiten nur mit einer bestimmtenGenauigkeit ausführen können, unddie andererseits durch die örtlichen –u. a. die klimatischen – Gegeben-heiten beeinflußt werden, denen dasBauwerk ebenso wie das zur Mes-sung verwendete Instrumentariumunterworfen ist.

Die Genauigkeit der Abstek-kung darf im Gegensatz zur Ge-nauigkeit der Aufnahme nicht dengesamten Toleranzbereich ausschöp-fen, sondern erhält davon nur einenbestimmten Anteil, der nach [1] zwi-schen 45 % und 70 % der Maßtole-ranz betragen soll. Geringere Anteilesind möglich und auch realistisch.Um diesen jeweiligen Anteil wäredann die für Absteckungsaufgabenzu fordernde Meßunsicherheit klei-ner als sie für Kontroll- oder Über-wachungsmessungen am selbenBauobjekt angesetzt werden darf.

Weiterhin zu berücksichtigen ist dieMarkierunsicherheit sM, die nach[1] mit sM = 0,3 mm … 0,5 mm ab-geschätzt werden kann. Diese Un-sicherheit tritt bei Absteckungenzwangsläufig auf und setzt die er-reichbare Genauigkeit herab.

Aus den am Traggerüst derSchwebebahn bestimmten Koordi-naten wurden Strecken auf Stützen-schenkeln, Brücken und Schienen-trägern berechnet. Somit konnte dasVerhalten dieser Bauteile unter Tem-peratureinfluß verdeutlicht werden.Dabei wurde nachgewiesen, daßsich die Geometrie eines komple-xen Stahltragwerks, das im wesent-lichen aus Fachwerkelementen zu-sammengefügt ist, linear mit derÄnderung der Umgebungstempera-tur und entsprechend dem Stoffge-setz ändert, wenn die Lagerbedin-gungen der Konstruktion diese Ver-formungen zulassen. Die durchgeodätische Messungen festgestell-

ten Verformungen weichen durch-schnittlich um 9 % (maximal um23 %) von den Sollverformungenab, die aus dem Materialgesetz undder konstruktiven Ausbildung desTragwerks abgeleitet wurden.

Literatur

[1] E DIN 18710-1: Ingenieurvermes-sung, Teil 1: Allgemeine Anforderun-gen, 1998. In: DIN-Taschenbuch111 – Vermessungswesen, 6. Auf-lage, Berlin: Beuth-Verlag, 1998.

[2] Sachs, L.: Angewandte Statistik –Anwendung statistischer Methoden,Berlin: Springer Verlag, 8. Auflage,1997.

Autor dieses Beitrages:Dipl.-Ing. Hans Schulz, Bergische Universi-tät Wuppertal, Fachbereich Bauingenieur-wesen, Lehr- und Forschungsgebiet Ver-messungskunde/Ingenieurvermessung,Pauluskirchstraße 7, 42285 Wuppertal