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Juristische Reihe TENEA/ Bd. 123
ADRIAN HANS
Verfassungsrechtliche und gemeinschaftsrechtlicheReformperspektiven der Hinzurechnungsbesteuerungnach dem Außensteuergesetz
123
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In der Dissertationsschrift wird die so genannte Hinzurechnungs-besteuerung nach dem Außensteuergesetz (§§ 7 ff. AStG) aus derPerspektive des Verfassungsrechts und des EG-Rechts untersucht.Dieser Bereich des Außensteuerrechts ist Gegenstand einer kon-troversen Diskussion in der wissenschaftlichen Literatur. In derArbeit werden Bedenken im Hinblick auf die Umstellung desKörperschaftsteuersystems ausgelotet und anhand verfassungs-rechtlicher Grundsätze sowie anhand der Rechtsprechung desEuropäischen Gerichtshofs verifiziert. Auf der Grundlage dergewonnenen Erkenntnisse werden Leitlinien zu einer Neukon-zeption entwickelt und ein neues Fundament für diesen Komplexdes Außensteuerrechts vorgeschlagen.
Adrian Hans, Jahrgang 1973, stammt aus Neustadt an der Wein-straße. Nach einer Ausbildung für den gehobenen Dienst bei derFinanzverwaltung des Landes Rheinland-Pfalz studierte er an derUniversität des Saarlandes Rechtswissenschaften (1996–2000) undabsolvierte das Referendariat beim OLG Saarbrücken (2000–2002).Das Promotionsvorhaben wurde im Rahmen eines Forschungs-aufenthalts an der Wirtschaftsuniversität Wien (2002–2003)begonnen. Die Promotion wurde bei Prof. Dr. Rudolf Wendt(Lehrstuhl für Staats- und Verwaltungsrecht, Wirtschafts-, Finanz-und Steuerrecht, Universität des Saarlandes) im Jahr 2006 abge-schlossen. Der Autor war am Lehrstuhl für Staats- und Verwal-tungsrecht von Professor Dr. Christoph Gröpl tätig (2004–2005)und arbeitet seit dem Jahre 2005 für eine Wirtschaftsprüfungsge-sellschaft in Düsseldorf.
Juris
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NE
A/
978-3-86504-186-9 32 EUR
UmschlagJuraweltHans 18.03.2007 18:53 Uhr Seite 1
Juristische Reihe TENEA/ Bd. 123
ADRIAN HANS
Verfassungsrechtliche und gemeinschaftsrechtlicheReformperspektiven der Hinzurechnungsbesteuerungnach dem Außensteuergesetz
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In der Dissertationsschrift wird die so genannte Hinzurechnungs-besteuerung nach dem Außensteuergesetz (§§ 7 ff. AStG) aus derPerspektive des Verfassungsrechts und des EG-Rechts untersucht.Dieser Bereich des Außensteuerrechts ist Gegenstand einer kon-troversen Diskussion in der wissenschaftlichen Literatur. In derArbeit werden Bedenken im Hinblick auf die Umstellung desKörperschaftsteuersystems ausgelotet und anhand verfassungs-rechtlicher Grundsätze sowie anhand der Rechtsprechung desEuropäischen Gerichtshofs verifiziert. Auf der Grundlage dergewonnenen Erkenntnisse werden Leitlinien zu einer Neukon-zeption entwickelt und ein neues Fundament für diesen Komplexdes Außensteuerrechts vorgeschlagen.
Adrian Hans, Jahrgang 1973, stammt aus Neustadt an der Wein-straße. Nach einer Ausbildung für den gehobenen Dienst bei derFinanzverwaltung des Landes Rheinland-Pfalz studierte er an derUniversität des Saarlandes Rechtswissenschaften (1996–2000) undabsolvierte das Referendariat beim OLG Saarbrücken (2000–2002).Das Promotionsvorhaben wurde im Rahmen eines Forschungs-aufenthalts an der Wirtschaftsuniversität Wien (2002–2003)begonnen. Die Promotion wurde bei Prof. Dr. Rudolf Wendt(Lehrstuhl für Staats- und Verwaltungsrecht, Wirtschafts-, Finanz-und Steuerrecht, Universität des Saarlandes) im Jahr 2006 abge-schlossen. Der Autor war am Lehrstuhl für Staats- und Verwal-tungsrecht von Professor Dr. Christoph Gröpl tätig (2004–2005)und arbeitet seit dem Jahre 2005 für eine Wirtschaftsprüfungsge-sellschaft in Düsseldorf.
Juris
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978-3-86504-186-9 32 EUR
UmschlagJuraweltHans 18.03.2007 18:53 Uhr Seite 1
Tenea (‘η Τενεα), Dorf im Gebiet von Korinthan einem der Wege in die → Argolis, etwas s. desh. Chiliomodi. Sehr geringe Reste. Kult des Apol-lon Teneates. T. galt im Alt. sprichwörtl. als glück-lich, wohl wegen der Kleinheit […]Aus: K. Ziegler, W. Sontheimer u. H. Gärtner(eds.): Der Kleine Pauly. Lexikon der Antike.Bd. 5, Sp. 585. München (Deutscher Taschen-buch Verlag), 1979.
ADRIAN HANS
Verfassungsrechtliche und Gemeinschaftsrechtliche Reformperspektiven der Hinzurechnungsbesteuerung
nach dem Außensteuergesetz
BRISTOL BERLIN
Adrian Hans
Verfassungsrechtliche und GemeinschaftsrechtlicheReformperspektiven der Hinzurechnungsbesteuerungnach dem Außensteuergesetz
(Juristische Reihe TENEA/www.jurawelt.com; Bd. 123)
Zugleich Universität des SaarlandesDissertation 2006
© TENEA Verlag Ltd., Bristol, Niederlassung DeutschlandBerlin 2007
Alle Rechte vorbehalten. All rights reserved.Digitaldruck und Bindung:
docupoint GmbH · 39108 MagdeburgTENEA-Graphik: Walter Raabe, Berlin
Printed in Germany 2007
ISBN 978-3-86504-186-9
Gedruckt auf holzfreiem, säurefreiem,alterungsbeständigem Papier
Vorwort
Die vorliegende Untersuchung wurde von der Rechts- und
Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität des
Saarlandes im Wintersemester 2006/2007 als
rechtswissenschaftliche Dissertation angenommen.
Die Dissertation wurde von Herrn Prof. Dr. Rudolf Wendt
betreut. Ihm gebührt mein herzlicher und aufrichtiger Dank.
Ganz herzlich danken möchte ich auch
Herrn Priv.-Doz. Dr. Michael Elicker für die kritischen
Anregungen und die wissenschaftliche Begleitung der Arbeit.
Herrn Dr. Wolfgang Lingemann danke ich für die großartige
Unterstützung bei der Erstellung des Manuskripts.
Meinen Eltern verdanke ich mein Studium und Vieles mehr.
Ihnen widme ich diese Arbeit.
Düsseldorf im Januar 2007
1. Teil. 1
A. Einführung 1
B. Problemstellung und Gang der Untersuchung 11
2. Teil. Verfassungsrechtliche Bedenken 12
A. Vereinbarkeit der §§ 7–14 AStG mit Art. 3 GG 12
I. Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 1 GG 13
II. Ungleichbehandlung 13
1. Vergleichbarkeit der Sachverhalte 13
2. 19
III. Rechtfertigung 28
1. Mögliche Rechtfertigungsgründe 29
2. Erfordernis einer ausreichenden Vorbelastung 32
3. Vermeidung von steuerlichen Fehlentwicklungen 41
IV. Zusammenfassung der gleichheitsrechtlichen Bedenken 66
B. 66
I. Problemstellung 68
II. 70
III. Ergebnis 77
Vereinbarkeit der §§ 7–14 AStG mit dem
Rechtsstaatsprinzip
I n h a l t s v e r z e i c h n i s
Entwicklung und Reformbedarf der
Hinzurechnungsbesteuerung
Vereinbarkeit der §§ 7–14 AStG mit dem
Leistungsfähigkeitsprinzip
Schaffung einer unsicheren Rechtslage als
Gestaltungskorrektiv
3. Teil. Gemeinschaftsrechtsrechtliche Bedenken 78
A. Niederlassungsfreiheit (Art. 43 EGV) 78
I. Anwendungsbereich 78
II. Beschränkung der Niederlassungsfreiheit 85
1. Beschränkungsverbot 86
2. Diskriminierung 92
B. Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 56 EG-Vertrag) 96
I. Anwendungsbereich 96
II. Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit 98
C. Dienstleistungsfreiheit (Art. 49 EG-Vertrag) 100
D. 101
I. Kohärenz und Welteinkommensprinzip 102
II. Vermeidung von steuerlichen Fehlentwicklungen 112
E. Zusammenfassung 122
4. Teil. Vorschlag einer Neukonzeption 124
A. Allgemeine Anforderungen 124
I. Bestandsaufnahme fiskalpolitischer Rahmenbedingungen 124
II. 136
III. Reformkonzepte 146
B. Konzeption einer speziellen Missbrauchsvorschrift 148
Literaturverzeichnis I–XXVII
Abkürzungsverzeichnis A–N
Aktuelle Entwicklungen vor dem EuGH: Die
Rechtssache Cadbury
Rechtfertigung der Beschränkung der
Grundfreiheiten
Einführung und Begriffsbestimmung
1
1. Teil. Entwicklung und Reformbedarf der Hinzurechnungsbesteuerung
A. Einführung
Begriffsbestimmung. Der Begriff der „Hinzurechnungsbesteuerung“ wird in Zu-
sammenhang mit dem Regelungskomplex im IV. Teil des Außensteuergesetzes
(AStG)1 verwendet,2 nach diesen Vorschriften werden Einkünfte ausländischer Kapi-
talgesellschaften auf der Ebene des inländischen Anteilseigners besteuert. Das derzeit
geltende Konzept der Hinzurechnungsbesteuerung nach dem Außensteuergesetz
basiert auf dem Grundsatz, dass das „[…] in ausländischen Basisgesellschaften angefallene
Einkommen, das nicht aus aktiver Wirtschaftlichkeit der Gesellschaft stammt, […] dem die
Basisgesellschaft beherrschenden Inländer zur Besteuerung zugerechnet […]“ wird.3 Der be-
reits in den Leitsätzen der Bundesregierung vom 17. 12. 1970 verwendete Begriff der
„Basisgesellschaft“4 meint ausländische Körperschaften, die keiner „werbenden Tätig-
keit“ nachgehen und das von ihnen erzielte Einkommen im Staat ihres Sitzes oder
1 Gesetz über die Besteuerung von Auslandsbeziehungen – in Kraft getreten als Art. 1 des Ge-
setzes zur Wahrung der steuerlichen Gleichmäßigkeit bei Auslandsbeziehungen und zur Verbesse-rung der steuerlichen Wettbewerbslage bei Auslandsinvestitionen (Außensteuerreformgesetz) vom 8. 9. 1972, BStBl. I 1972, 450, in der derzeit gültigen Fassung des Gesetzes zur Modernisierung des Investmentwesens und zur Besteuerung von Investmentvermögen (Investmentmodernisierungsge-setz) vom 15. 12. 2003 (BGBl. I 2003, 2676), und Gesetz zur Umsetzung der Protokollerklärung der Bundesregierung zur Vermittlungsempfehlung zum Steuervergünstigungsabbaugesetz vom 22. 12. 2003 (BGBl. I 2003, 2840). Ergänzt wird das Außensteuergesetz durch die Grundsätze zur Anwendung des AStG (AStG-Grundsätze) vom 2. 12. 1994, BStBl. I Sondernummer 1/1995. 2 Von einer „Hinzurechnungsbesteuerung“ ist darüber hinaus etwa in Zusammenhang mit den
Vorschriften des § 9 Nr. 2 Gewerbesteuergesetz die Rede: Vgl. dazu Gewerbesteuergesetz (GewStG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. 10. 2002, zuletzt geändert durch Art. 4 Gesetz zum Dritten Zusatzprotokoll zum deutsch-niederländischen DBA vom 15. 12. 2004, BGBl. II 2004, 1653, BGBl. I 2004, 4167. Diese Untersuchung behandelt jedoch nur außensteuerliche Fragestellun-gen. 3 Regierungsbegründung zum Außensteuergesetz, Bundestagsdrucksache VI/2883, abgedruckt in
Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, § 7, Gesetzesmaterialien, dort unter Nummer 30. 4 Leitsätze der Bundesregierung vom 17. 12. 1970 zum AStG vom 8. 9. 1972, BGBl. I 1972,
1713, BStBl. I 1972, 450, abgedruckt in Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, § 7 AStG, Gesetzesmaterialien, dort unter 1. Gesetzesleitsatz.
Ein-füh-rung und Beg-riffs-be-stim-mung
1
Grundproblematik der Basisgesellschaft
Grundproblematik der Basisgesellschaft
2
ihrer Geschäftsleitung gering oder niedrig versteuern.5 Die Einkünfte von Basisgesell-
schaften konnten vor der Einführung des Außensteuergesetzes unter den Vorausset-
zungen von § 6 des Steueranpassungsgesetzes6 im Inland besteuert werden, sofern ein
Fall steuerlichen Missbrauchs vorlag.7 Das Kernproblem von solchen ausländischen
Kapitalgesellschaften wurde vom Gesetzgeber darin erkannt, dass sie als selbstständige
Rechtsträger das im Ausland niedrig besteuerte Einkommen „abschirmen“8 und der
Steuerzugriff deshalb eingeschränkt war.9 Im Außensteuergesetz wurde die Problema-
tik der „Basisgesellschaften“ geregelt, und in den Vorschriften der §§ 7–14 AStG im
IV. Teil des Außensteuergesetzes Normen über die „Beteiligung an ausländischen
Zwischengesellschaften“ eingeführt. Diese Vorschriften des Außensteuergesetzes
verwenden die Begrifflichkeit „Hinzurechnungsbesteuerung“ nicht;10 § 10 Abs. 1
Satz 1 AStG enthält in einem Klammerzusatz den Begriff Hinzurechnungsbetrag, für
welchen unter den in § 7 Abs. 1 AStG genannten Voraussetzungen die Steuerpflicht
für Einkünfte einer ausländischen Kapitalgesellschaft im Inland entsteht.11 Im Schrift-
tum finden sich differenzierende Ansätze, um die §§ 7–14 AStG dogmatisch und
begrifflich zu fassen und zu fixieren. Die Rede ist von „Zurechnungsbesteuerung“,
5 Vgl. dazu Franz Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, vor §§ 7–14
AStG, Rdnr. 1; zur historischen Entwicklung der §§ 7–14 AStG: Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, vor §§ 7–14 AStG, Rdnr. 31; vgl. auch Materia-lien zu § 7 AStG in Fußnoten 3 f. 6 Steueranpassungsgesetz vom 16. 10. 1934, Reichsgesetzblatt I 1934, 925 zuletzt geändert durch
das Einführungsgesetz zum Einkommensteuerreformgesetz vom 21. 12. 1974, BGBl. I 1974, 3656. Gemäß Art. 96 Nr. 5 des Abgabenordnung-Einführungsgesetz außer Kraft getreten mit Inkrafttreten der Abgabenordnung 1977 (siehe dazu Nachweis unter Fußn. 78). 7 Eine Übersicht zur Rechtsprechung des BFH in Zusammenhang mit § 6 StAnpG findet sich
bei Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, vor §§ 7–14 AStG Rdnr. 31 (dort: Fußn. 5). 8 Menck, Die Ermittlung des anzusetzenden Hinzurechnungsbetrages bei reinen Zwischengesell-
schaften, DStZ 1975, 43 (44); Wolfgang Schön, Hinzurechnungsbesteuerung und Europäisches Ge-meinschaftsrecht, DB 2001, 940 (943). 9 So schon die Begründung zum AStG der Bundesregierung, vgl. Bundestags-Drucksache
VI/2883, Rdnrn. 27 ff. Vgl. auch Heinz Jürgen Telkamp, Der Außensteuergesetz-Entwurf, StuW 1972, 97. 10 Die von der deutschen Bundesregierung gegebene Begründung zur Einführung des Außen-
steuergesetzes im Jahre 1972 verwendete die Begrifflichkeit „Zurechnungsbesteuerung“; Regie-rungsbegründung zum Außensteuergesetz, Bundestagsdrucksache VI/2883, abgedruckt in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, § 7 AStG, Gesetzesmaterialien, dort unter Num-mern 33 und 34. 11 Dieser wird definiert als Betrag der nach § 7 Abs. 1 AStG steuerpflichtigen Einkünfte, der sich
nach Abzug der Steuern ergibt, die zu Lasten der ausländischen Gesellschaft von diesen Einkünften sowie von dem diesen Einkünften zugrunde liegenden Vermögen erhoben worden sind.
Einführung und Begriffsbestimmung
3
„steuerlichem Durchgriff“ oder „Durchgriffsbesteuerung“ und „Zugriffs-
besteuerung“.12 Der Bundesfinanzhof äußerte sich hinsichtlich dieser im Schrifttum
aufgetretenen Begriffsvielfalt explizit kritisch und betonte, dass diese Formulierungen
keine wesentlichen Lösungshilfen für Zweifelsfragen bieten könnten.13 Wegen der im
Außensteuergesetz verwendeten Formulierung „Hinzurechnungsbetrag“ in § 10
Abs. 1 Satz 1 AStG erscheint der Ausdruck „Hinzurechnungsbesteuerung“ aber zu-
mindest aus sprachlicher Sicht nahe liegend. In Laufe der vorliegenden Untersuchung
soll deshalb einheitlich das in den §§ 7–14 AStG enthaltene Regelungskonzept mit
dem Ausdruck „Hinzurechnungsbesteuerung“ bezeichnet werden.
Verfassungsrechtliche Zweifelsfragen. Das Konzept der Hinzurechnungsbe-
steuerung war von Anbeginn der Einführung der §§ 7–14 AStG im Jahre 1972 kriti-
siert worden. Einerseits wurde die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit der Regelun-
gen aufgeworfen und behandelt.14 Andererseits wurde mit durchaus plausiblen Grün-
den in Zweifel gezogen, ob überhaupt ein tatsächliches Bedürfnis für diese außen-
steuerlichen Regelungen gegeben sei.15 In der steuerlichen Fachliteratur wurde die
Kritik in jüngerer Vergangenheit verschärft, denn die Hinzurechnungsbesteuerung
steht seit der Unternehmenssteuerreform16 unter dem Verdacht, in hohem Maße
systemwidrig zu sein.17 Dies geht zurück auf die mit dem Steuersenkungsgesetz18
einhergehende Entwicklung der Unternehmensbesteuerung.
Das neue Körperschaftsteuersystem sieht die vollständige Steuerfreiheit von Divi-
denden vor, sofern diese von einer Kapitalgesellschaft bezogen werden. Wassermeyer
12 Vgl. zur Entwicklung der Begrifflichkeit Wassermeyer, Die Vereinbarkeit der Hinzurechnungs-
besteuerung nach dem Außensteuergesetz mit dem Grundgesetz und den Vorschriften der Doppel-besteuerungsabkommen, in: Festschrift Flume, 323 ff.; das BVerfG verwendete vor Einführung des Außensteuergesetzes den Begriff „Durchgriff“ für die Besteuerung von Einkünften einer Kapitalge-sellschaft auf der Ebene des Anteilseigners, vgl. BVerfG vom 24. 1. 1962 – 1 BvR 845/58, BVerfGE 13, 331. 13 BFH vom 28. 9. 1988 – I R 91/87, BFHE 154, 370, BStBl. II 1989, 13. 14 Vgl. dazu Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, vor §§ 7–14 AStG
Rdnr. 31 m. w. N.; Joachim von Beckerath, Durchgriff im Steuerrecht, 284. 15 Vgl. Wolfgang Ritter, Brauchen wir ein neues Steuerfluchtgesetz? BB 1992, 361. 16 Gesetz zur Entlastung der Unternehmen und zur Senkung der Steuersätze – Steuer-
senkungsgesetz (StSenkG) vom 23. 10. 2000, BGBl. I 2000, S. 1433, BStBl. I 2000, 1428. 17 Wassermeyer, Die Fortentwicklung der Besteuerung von Auslandsbeziehungen – Anmerkungen
zu den derzeitigen Überlegungen zur Reform des Außensteuerrechts –, IStR 2001, 113 (115 ff.); ders., Die im Entwurf eines Steuersenkungsgesetzes vorgesehenen Änderungen der Hinzurechnungs-besteuerung, IStR 2000, 193; Rättig/Protzen, Unbeabsichtigter Systemwechsel bei der Hinzurech-nungsbesteuerung von Kapitalgesellschaften als Folge des Steuersenkungsgesetzes, IStR 2000, 394. 18 Gesetz vom 23. 10. 2000 zur Entlastung der Unternehmen und zur Senkung der Steuersätze –
Steuersenkungsgesetz (StSenkG), BGBl. I 2000, 1433; BStBl. I 2000, 1428.
2
3
Gemeinschaftsrechtliche Zweifelsfragen
4
stellte fest, dass die Regelungen in §§ 7–14 AStG mit dieser Konsequenz der Unter-
nehmenssteuerreform zu einem – wie er es ausdrückte – „Scherbenhaufen“ geworden
waren.19 Dividendenbezug und Hinzurechnungsbetrag hätten – so Wassermeyer –
gleichermaßen steuerfrei gestellt werden müssen, dies hätte jedoch „[…] die Hinzu-
rechnungsbesteuerung obsolet gemacht, da jeder Steuerpflichtige seine Beteiligung an einer auslän-
dischen Basisgesellschaft in eine inländische Holding eingebracht hätte.“20 Die Kritik an der
Hinzurechnungsbesteuerung thematisiert neben den systematischen Zweifelsfragen die
Vereinbarkeit der §§ 7–14 AStG mit dem europäischen Gemeinschaftsrecht.
Gemeinschaftsrechtliche Zweifelsfragen. Es scheint für eine Reihe von Auto-
ren nahe zu liegen, dass die Hinzurechnungsbesteuerung nicht mit geltendem Ge-
meinschaftsrecht vereinbar ist.21 Für die Fälle, die der Gesetzgeber in den §§ 7–14
AStG geregelt hat, stellt sich im Hinblick auf das Gemeinschaftsrecht insbesondere die
Frage, ob diese Vorschriften in Einklang mit den so genannten Europäischen Grundfrei-
heiten stehen.22 Die Rechtsgrundlage dieser Grundfreiheiten findet sich im Vertrag
über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG-Vertrag)23. Aus dem genann-
ten Vertragswerk wurden unter anderem in Zusammenhang mit der Hinzurechnungs-
besteuerung thematisiert die Niederlassungsfreiheit (Art. 45 EG-Vertrag), die
19 Wassermeyer, Der Scherbenhaufen Hinzurechnungsbesteuerung, EuZW 2000, 513. 20 Vgl. Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, vor §§ 7–14 AStG,
Rdnr. 7. 21 Siehe dazu etwa Hartmut Hahn, Das AMID-Urteil, IStR 2001, 465; ders., Das ICI-Urteil des
EuGH und die Hinzurechnungsbesteuerung gemäß § 7 ff. AStG, IStR 1999, 609; Andrea Kämper, „Eurowings“: EU-Rechtsverstöße bei der gewerbesteuerlichen Hinzurechnungsbesteuerung, dem AStG und der Gesellschafterfremdfinanzierung!, FR 2001, 665; Gerhard Laule, Grenzen internationa-ler Steuergestaltung im Lichte der Rechtsprechung des EuGH, IStR 2003, 217. 22 Vgl. dazu Horst Rättig und Peer Protzen, Zur Europarechtswidrigkeit der §§ 7–14 AStG und zu
den Folgen für die internationale Steuerplanung, IStR 2003, 195; dies., Praktische Folgen der Un-vereinbarkeit der Hinzurechnungsbesteuerung mit der EU-Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfrei-heit, GmbHR 2003, 503; Gert Saß, Zur Vereinbarkeit der Hinzurechnungsbesteuerung nach dem AStG mit den EU-Grundfreiheiten, DB 2002, 2342; Thomas Rödder, Deutsche Unternehmensbe-steuerung im Visier des EuGH, DStR 2004, 1629. Ferner die Dissertationen von Stefanie Bille, Hinzurechnungsbesteuerung in Europa, Aachen, 2004 und Jens Schönfeld, Hinzurechnungsbesteuer-ung und Europäisches Gemeinschaftsrecht, Köln, 2004. 23 Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft vom 25. 3. 1957, BGBl. II 1957, 766, in
der Fassung des Vertrages über die Europäische Union vom 7. 2. 1992, BGBl. II 1992, 1253, geän-dert durch Beitrittsvertrag vom 24. 6. 1994, BGBl. II 1994, 2022, i. d. F. des Beschlusses vom 1. 1. 1995, Amtsblatt der EG Nr. L 1/1, ber. Amtsblatt 1997 Nr. L 179/12, geändert durch den Amsterdamer Vertrag vom 2. 10. 1997, BGBl. II 1998, 387, BGBl. II 1999, 416; vorliegend in der Fassung des Vertrages von Nizza vom 16. 2. 2001, BGBl. II 2001, 1667, in Kraft seit 1. 2. 2003 (BGBl. II 2003, 1503); Beitrittsvertrag vom 16. 4. 2003 (BGBl. II 2003, 1408) in Kraft getreten am 1. 5. 2004.
4
Gemein-schafts-rechtliche Zweifels-fragen
Einführung und Begriffsbestimmung
5
Dienstleistungs- (Art. 49 ff. EG-Vertrag) und die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 56 ff.
EG-Vertrag).
Die Europäischen Grundfreiheiten – und damit auch die in der vorstehenden Auf-
zählung benannten Grundfreiheiten – basieren auf der in Art. 3 Abs. 1 Buchst. c und
Art. 14 Abs. 2 EG-Vertrag normativ verankerten prinzipiellen Überlegung, dass der
Binnenmarkt einen Raum ohne Binnengrenzen umfasst, in dem der freie Verkehr von
Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital gewährleistet ist.24 Die gemeinschafts-
rechtliche Dimension der Hinzurechnungsbesteuerung liegt im Spannungsfeld zwi-
schen nationalem Interesse an der Durchsetzung des Steueranspruchs und den – im
Rahmen der Grundfreiheiten erlaubten – Möglichkeiten, von den Vorteilen zu profi-
tieren, die sich aus dem Steuergefälle innerhalb der Europäischen Gemeinschaft erge-
ben.25 Die praktische Problematik einer potentiellen Gemeinschaftswidrigkeit lässt sich
bei einer Analyse der Steuersätze für die Einkünfte von Kapitalgesellschaften in den
Ländern der Europäischen Union veranschaulichen. Die Anwendung der Hinzurech-
nungsbesteuerung kommt neben anderen in § 7 Abs. 1 AStG enthaltenen Vor-
aussetzungen in Betracht, wenn eine „niedrige Besteuerung“ im Sinne der Legaldefi-
nition des § 8 Abs. 3 AStG vorliegt. Um die gemeinschaftsrechtliche Problematik
aufzeigen zu können, soll dieser Vorschrift hier vereinfachend der Vergleichsmaßstab
entnommen werden, dass eine Steuerbelastung von unter 25 % als „niedrig“ anzuse-
hen ist. Eine niedrige Besteuerung liegt gemäß § 8 Abs. 3 AStG vor, wenn die Ein-
künfte der ausländischen Kapitalgesellschaft einer Belastung durch Ertragsteuern von
weniger als 25 % unterliegen, ohne dass dies auf einem Ausgleich mit Einkünften aus
anderen Quellen beruht, oder wenn die danach in Betracht zu ziehende Steuer nach
dem Recht des betreffenden Staates um Steuern gemindert wird, die die Kapitalgesell-
schaft zu tragen hat, von der die Einkünfte (im Sinne des § 8 Abs. 1 AStG) stammen.26
24 Die genannten Grundfreiheiten können vor den nationalen Gerichten geltend gemacht werden
und sind in ihrem Anwendungsbereich weit zu fassen. Vgl. Axel Cordewener, Deutsche Unterneh-mensbesteuerung und europäische Grundfreiheiten – Grundzüge des materiellen und formellen Rechtsschutzsystems der EG, DStR 2004, 6 (7). 25 Die Finanzminister der Europäischen Gemeinschaft (ECOFIN) gehen von einem „schädlichen“
Wettbewerb in der Europäischen Union aus und haben einen Verhaltenskodex für die Unterneh-mensbesteuerung beschlossen. Verhaltenskodex zur „Bekämpfung des schädlichen Steuer-wettbewerbs in der Europäischen Union“ (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft Nr. C 2 vom 6. 1. 1998). Vorbereitend die Mitteilung der Kommission an den Rat: Koordinierung der Steuer-politik in der Europäischen Union – Maßnahmenpaket zur Bekämpfung des schädlichen Steuer-wettbewerbs vom 1. 10. 1997 KOM (97) 495. 26 Vgl. dazu Ralf Jahn, Der Begriff der „Niedrigen Besteuerung“ im Sinne des § 8 Abs. 3 AStG,
PIStB 2004, 3.
5
Entwicklung und Stand der Rechtsprechung
6
Entwicklungen in der Rechtsprechung. Der Gerichtshof der Europäischen
Gemeinschaften (Europäischer Gerichtshof) wird nach einer Vorlage vom 6. 6. 2004
in der Rechtssache Cadbury/Schweppes über die Vereinbarkeit der britischen Vor-
schriften über beherrschte Auslandsgesellschaften mit Europäischem Gemeinschafts-
rechts entscheiden.27 Sollte der Europäische Gerichtshof die angefochtenen Regelun-
gen als gemeinschaftswidrig verwerfen, könnte dies auch das Ende der deutschen
Hinzurechnungsbesteuerung einläuten.28 In einer Entscheidung des schwedischen
Skatterättsnämnden vom 4. 4. 2005 wurde die Gemeinschaftsrechtskonformität der
schwedischen Form der Hinzurechnungsbesteuerung angezweifelt.29 Im Hinblick auf
gemeinschaftsrechtliche Aspekte in diesem Bereich des Außensteuerrechts hat zwi-
schenzeitlich auch die deutsche Finanzrechtsprechung reagiert. Das Finanzgericht
Münster hat dem Europäischen Gerichtshof die Rechtsfrage zur Vorabentscheidung
vorgelegt, ob § 20 Abs. 2 und Abs. 3 des Außensteuergesetzes30 gegen Bestimmungen
des EG-Vertrages verstoßen.31 Beim Finanzgericht Niedersachsen ist ein Verfahren an-
hängig, in dem es um die Vereinbarkeit der §§ 7–14 AStG mit Gemeinschaftsrecht
geht.32
Die Rechtssache Cadbury. Die Vorlage an den Europäischen Gerichtshof vom
6. 6. 2004 über die englische Hinzurechnungsbesteuerung behandelt die Vereinbarkeit
der englischen Hinzurechnungsbesteuerung (Controlled Foreign Companies Legislation)
27 Ersuchen um Vorabentscheidung, vorgelegt durch Beschluss der Special Commissioners vom
29. April 2004 in dem Rechtsstreit Cadbury Schweppes plc und Cadbury Schweppes Overseas Ltd gegen die Commissioners of Inland Revenue, Rechtssache C-196/04, Amtsblatt C 168 vom 26. 6. 2004, 3. 28 Der Europäische Gerichtshof hatte noch nicht darüber zu entscheiden, welche gemeinschafts-
rechtlichen Schranken bei der Einführung oder Ausgestaltung von Vorschriften über „beherrschte Auslandsgesellschaften“ bestehen. Zur Übersicht über die in Europa eingeführten Regelungen vgl. Robert Kaufmann, Controlled Foreign Companies (CFC) – Gesetzgebung – Übersicht über die Rechtslage in den EU-Mitgliedsstaaten, SWI 2001, 16; Bille, Hinzurechnungsbesteuerung in Europa, Aachen, 2004, 179 ff.; Instruktiv zur Rechtsprechung des EuGH: Schön, Besteuerung im Binnen-markt – die Rechtsprechung des EuGH zu den direkten Steuern, IStR 2004, 289; Rödder, Deutsche Unternehmensbesteuerung im Visier des EuGH, DStR 2004, 207; Laule, Auswirkungen der EuGH-Rechtsprechung auf deutsche Steuervorschriften, IFSt-Schrift Nr. 407. 29 Es handelt sich um ein schwedisches Gericht, das nicht zur Vorlage an den Europäischen Ge-
richtshof berechtigt ist, vgl. dazu: Jens Schönfeld und Bettina Lieber, Schwedische Hinzurechnungsbe-steuerung und EG-Recht, FR 2005, 927. 30 In der Fassung des Missbrauchs- und Steuerbereinigungsgesetzes vom 21. 12. 1993, Miss-
brauchs- und Bekämpfungsgesetz vom 21. 12. 1993, BGBl. I 1993, 2310. 31 FG Münster vom 5. 7. 2005 – 15 K 1114/99 F, EW, IStR 2005, 631. 32 Vgl. dazu Otmar Thömmes und Katja Nakhai, EC-Tax Scene, Intertax 2005, 74 (77).
Entwicklung und Stand der echung
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Einführung und Begriffsbestimmung
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mit den Vorschriften des Gemeinschaftsrechts.33 Der Fall behandelt zwei irische
„IFSC-Gesellschaften“, die innerhalb der Cadbury Unternehmensgruppe Finanzie-
rungsaufgaben erfüllten. Bei Anwendung der englischen Hinzurechnungsbesteuerung
wären die Gewinne der Gesellschaften wie Einkommen der in England ansässigen
Muttergesellschaft behandelt worden.34
In diesem Verfahren wurde dem Europäischen Gerichtshof die Frage zur Ent-
scheidung vorgelegt, ob die Errichtung einer Tochtergesellschaft in einem niedrig be-
steuernden Staat der Europäischen Gemeinschaft die Ausübung einer der Grundfrei-
heiten des EG-Vertrages oder einen Missbrauch einer solchen Freiheit darstellt, wenn
die Gesellschaft nur aus steuerlichen Motiven gegründet wird. Wenn es sich um die
Ausübung einer Grundfreiheit handelt, stellt die englische CFC-Gesetzgebung dann
eine Beschränkung oder eine Diskriminierung dar. Weiter ist fraglich, ob eine Be-
schränkung auch vorliegt, wenn das Ziel der Regelung darin besteht, die ausländische
Gesellschaft so zu besteuern, als wäre sie im Inland ansässig und – wenn dies eine Be-
schränkung darstellt – ob diese dann auch gerechtfertigt ist als angemessene Ge-
genmaßnahme zur Steuervermeidung.
Diese Fragen kennzeichnen die neuralgischen Punkte der Hinzurechnungsbe-
steuerung im Hinblick auf die Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht. Deshalb
werden die im Verfahren Cadbury aufgeworfenen Fragen auch als für die deutsche
Hinzurechnungsbesteuerung bedeutsam erachtet.35 Vom Ausgang des Verfahrens in
der Rechtssache Cadbury wird auch maßgeblich die Zukunft der deutschen Hinzu-
rechnungsbesteuerung abhängen.36
Am 2. 5. 2006 hat Generalanwalt Philippe Léger die Schlussanträge in der Rechtssa-
che Cadbury/Schweppes veröffentlicht.37 Nach seiner Ansicht bestehen erhebliche
33 The Special Commissioners (Avery, Jones, Gammie) vom 6. 6. 2004, SPC/00415, Cadbury
Schweppes; vgl. dazu Markus Stefaner, EuGH-Verfahren zur Vereinbarkeit von CFC-Gesetzgebung mit Gemeinschaftsrecht, SWI 2004, 339; Andreas Körner, Europarecht und CFC-Regelungen – Anrufung des EuGH im Verfahren Cadbury Schweppes, IStR 2004, 697; Bettina Lieber und Stephan Rasch, Mögliche Konsequenzen der Rechtssache Cadbury Schweppes für die deutsche Hinzurech-nungsbesteuerung, GmbHR 2004, 1572. 34 Siehe dazu die Informationen auf den Internetseiten des irischen Finanzministeriums:
www.revenue.ie – zuletzt eingesehen am 17. 10. 2005. 35 Dazu insbesondere Lieber/Rasch, Mögliche Konsequenzen der Rechtssache Cadbury Schweppes
für die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung, GmbHR 2004, 1572. 36 Vgl. insbesondere Heide Schaumburg und Harald Schaumburg, Steuerliche Leistungsfähigkeit und
europäische Grundfreiheiten im internationalen Steuerrecht, StuW 2005, 306 (312). 37 Die Anträge können abgerufen werden über die Internetseiten der Europäischen Union:
[http://curia.eu.int], vgl. auch IWB Fach 11A, 1019 mit Anmerkungen von Otmar Thömmes (ab Seite 1033).
a-
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Die Rechtssache Cadbury
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Zweifel an der Gemeinschaftskonformität der britischen Regelungen. Am 12. 9. 2006
erging das Urteil des EuGH.38
Streitgegenstand. Den Streitgegenstand der Rechtssache Cadbury bilden die bri-
tischen CFC-Regelungen. Danach können Gewinne von Kapitalgesellschaften, die
nicht in Großbritannien ihren Sitz haben, in die Bemessungsgrundlage ihrer Mutter-
gesellschaft einbezogen werden und unterliegen der Besteuerung in Großbritannien.39
Dies setzt voraus, dass die Gesellschaft von einer in Großbritannien ansässigen Person
„kontrolliert“ wird, die Gesellschaft einem „niedrigen Besteuerungsniveau“40 unter-
liegt und keine Ausnahmeregelung eingreift.41 Die von einer ausländischen Tochter-
gesellschaft erzielten Gewinne werden nach Maßgabe der CFC-Regelungen der
Muttergesellschaft zugerechnet und in deren Besteuerungsgrundlage einbezogen.42
Der Zweck der Regelung besteht darin, Gewinnumleitungen zu bekämpfen.43
Voraussetzungen der britischen CFC-Regelungen. Verfügen in Großbritan-
nien ansässige Gesellschafter über eine Beteiligung oder Stimmrechte in einem Maße,
dass sie gegenüber der Gesellschaft ihren Willen durchzusetzen können oder sind sie
hierzu aufgrund anderer vertraglicher Regelungen in der Lage, gilt die Gesellschaft als
„kontrollierte Gesellschaft“.44 Der in Großbritannien ansässige Anteilseigner einer
solchen Gesellschaft kann der Besteuerung nach Maßgabe der CFC-Regelungen
unterliegen, wenn seine Beteiligung an der niedrig besteuerten Gesellschaft mehr als
25 % beträgt.45 Ob eine niedrige Besteuerung vorliegt, wird durch den Vergleich mit
der Steuerlast bestimmt, die sich bei Ansässigkeit der beherrschten Gesellschaft in
Großbritannien ergeben hätte. Beträgt die Steuerlast der ausländischen Gesellschaft
38 EuGH vom 12. 9. 2006 – Rs. C-196/04 (Cadbury), DStR 2006, 1686. 39 Dabei handelt es sich um folgende Vorschriften: Sections 747 bis 756 und Schedules 24 bis 26 des
Income and Corporation Taxes Act 1988 (Einkommen- und Körperschaftsteuergesetz 1988); vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Philippe Léger vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury Schweppes plc, Cadbury Schweppes Overseas Ltd gegen Commissioners of Inland Revenue [im Folgenden: Cadbury]), Rdnr. 14. 40 Schlussanträge des Generalanwalts Philippe Léger vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury),
Rdnr. 15. 41 Es werden fünf Ausnahmeregelungen beschrieben, vgl. Schlussanträge des GA Léger vom
2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnr. 16. 42 Schlussanträge des Generalanwalts Philippe Léger vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury),
Rdnr. 14. 43 Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnr. 123. 44 Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnr. 14. 45 Vgl. Lieber/Rasch, Mögliche Konsequenzen der Rechssache „Cadbury Schweppes“ für die
deutsche Hinzurechnungsbesteuerung, GmbHR 2004, 1572 (1574); Körner, Europarecht und CFC-Regelungen, IStR 2004, 697 (698).
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Einführung und Begriffsbestimmung
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weniger als 75 % der Steuerlast, die sich bei einer Ansässigkeit in Großbritannien
ergeben hätte, liegt eine niedrige Besteuerung vor.46
Ausnahmetatbestände. Als Ausnahmetatbestand kommt zunächst in Betracht,
dass die Tochtergesellschaft innerhalb von 18 Monaten nach Ablauf ihres Wirtschafts-
jahres mindestens 90 % ihrer Gewinne ausschüttet, die Gesellschaft weist dann eine
„akzeptable Ausschüttungspolitik“ auf.47 Außerdem ergibt sich eine Ausnahmerege-
lung, wenn die Gesellschaft einen dauerhaft eingerichteten Geschäftsbetrieb aufweist
und nicht hauptsächlich so genannte „steuerbefreite“ Tätigkeiten entfaltet.48 Außer-
dem finden die CFC-Regelungen keine Anwendung, wenn die Tochtergesellschaft an
der Börse notiert ist, hierfür ist Voraussetzung, dass sich 35 % der Stimmrechte im
freien Verkehr befinden und dass die Anteile an der Tochter an einer anerkannten
Börse notiert sind und gehandelt werden.49 Schließlich kann eine Ausnahmeregelung
eingreifen, wenn die zu versteuernden Gewinne der ausländischen Tochtergesellschaft
nicht 50.000 GBP übersteigen.50 Die britischen Steuerbehörden haben zudem eine
Liste von Ländern veröffentlicht, in denen Tochtergesellschaften gegründet werden
dürfen, ohne dass die CFC-Regelungen anzuwenden sind.51
Motivtest. Ergibt sich bei einem „Motivtest“, dass das geringe Steuerniveau nicht
das Hauptmotiv für die Einschaltung der Tochtergesellschaft darstellt, finden die CFC-
Regelungen ebenfalls keine Anwendung. Der Steuerpflichtige muss dazu nachweisen,
dass die Minderung der Steuer in Großbritannien nicht der Hauptzweck oder einer
der Hauptzwecke dieser Umsätze war und dass der Hauptgrund oder einer der Haupt-
gründe für das Bestehen der Tochtergesellschaft nicht darin lag, die Steuerbelastung
durch Abzug von Gewinnen zu vermindern.52
Rechtsfolgen. Als Rechtsfolge sehen die britischen Regelungen vor, dass der
Gewinn der Gesellschaft auf der Ebene des inländischen Steuerpflichtigen entspre-
chend der Beteiligung des Gesellschafters besteuert wird.53 Der Gewinn ist nach den
46 Vgl. zu den Voraussetzungen: Lieber/Rasch, Mögliche Konsequenzen der Rechtssache „Cadbu-
ry/Schweppes“ für die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung, GmbHR 2004, 1572 (1573 f.). Eine niedrige Besteuerung kann auch in Fällen von „designer tax rates“ angenommen werden. Eine Ausnahme greift ein, wenn die Tochtergesellschaft in einem Staat ansässig ist, der in einer „weißen Liste“ geführt wird, sofern 90 % der Einkünfte aus diesem Staat stammen. 47 Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnr. 16. 48 Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnr. 16. 49 Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnr. 16. 50 Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnr. 16. 51 Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnr. 18. 52 Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnr. 16. 53 Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnr. 14.
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Die Rechtssache Cadbury
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Regeln des britischen Steuerrechts zu ermitteln, die von der ausländischen Gesellschaft
gezahlten Steuern sind auf die in Großbritannien zu zahlenden Steuern anzurechnen.54
Vergleich zu §§ 7–14 AStG. Die britischen CFC-Regelungen setzen ebenso
wie die Vorschriften über die Hinzurechnungsbesteuerung voraus, dass inländische
Anteilseigner zu mehr als 50 % an der ausländischen Gesellschaft beteiligt sind. Die
Beteiligung muss nach den deutschen Regelungen am Ende eines Wirtschaftsjahres
bestehen, in Großbritannien kann diese Voraussetzung zu irgendeinem Zeitpunkt des
Wirtschaftsjahres erfüllt sein.55 Unterschiede bestehen hinsichtlich des persönlichen
Geltungsbereichs. In Deutschland können sowohl natürliche Personen, als auch juristi-
sche Personen von der Hinzurechnungsbesteuerung betroffen sein.56 In Großbritan-
nien erfassen die CFC-Regelungen allein dort ansässige Kapitalgesellschaften.57 Die
Niedrigbesteuerung liegt nach § 8 Abs. 3 AStG vor, wenn eine Steuerbelastung von
weniger als 25 % gegeben ist. In Großbritannien wird die Steuerlast die sich in Inland
ergeben würde, mit der ausländischen Steuerlast verglichen und gilt als niedrig, wenn
sie weniger als 25 % der angenommenen Steuerbelastung in Großbritannien beträgt.
Der Gewinn der ausländischen Gesellschaft ist in beiden Staaten nach inländischen
Rechtsvorschriften zu ermitteln.58 Dabei unterscheidet sich der Umfang der Zurech-
nung. In Deutschland werden jedem inländischen Gesellschafter anteilig „Zwischen-
einkünfte“ (das sind passive, niedrig besteuerte Einkünfte) zugerechnet. Nach den
CFC-Regelungen Großbritanniens werden sämtliche Einkünfte der beherrschten
Gesellschaft zugerechnet, wenn passive Einkünfte überwiegen.59 Ein im Hinblick auf
die Rechtssache Cadbury bedeutender Unterschied besteht darin, dass nach den briti-
schen Bestimmungen ein Entlastungsbeweis (Motivtest) geführt werden kann.
54 Vgl. Lieber/Rasch, Mögliche Konsequenzen der Rechssache „Cadbury Schweppes“ für die
deutsche Hinzurechnungsbesteuerung, GmbHR 2004, 1572 (1574). 55 Vgl. Lieber/Rasch, Mögliche Konsequenzen der Rechssache „Cadbury Schweppes“ für die
deutsche Hinzurechnungsbesteuerung, GmbHR 2004, 1572 (1576). 56 Dieses Erfordernis ergibt sich zwar nicht ausdrücklich aus dem AStG, jedoch lässt sich aus § 7
Abs. 1 AStG, § 10 Abs. 1 und § 10 Abs. 2 Sätze 1 bis 3 und § 10 Abs. 3 AStG schließen, dass sowohl natürliche als auch juristische Personen vom Anwendungsbereich der Hinzurechnungsbesteuerung erfasst sind. 57 Das sind Gesellschaften britischen Rechts oder Gesellschaften, deren zentrale Verwaltungs- oder
Kontrollorgane sich im Vereinigten Königreich befinden. 58 Für das deutsche Steuerrecht gilt dies nach § 10 Abs. 3 AStG. 59 Vgl. Lieber/Rasch, Mögliche Konsequenzen der Rechssache „Cadbury Schweppes“ für die
deutsche Hinzurechnungsbesteuerung, GmbHR 2004, 1572 (1576).
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Einführung und Begriffsbestimmung
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B. Problemstellung und Gang der Untersuchung
Angesichts dieser Entwicklungen und des erkannten Reformbedarfs60 fragt sich, ob die
Hinzurechnungsbesteuerung modifiziert werden kann. Das derzeit geltende Rege-
lungsmodells soll zunächst verfassungsrechtlich und gemeinschaftsrechtlich untersucht
werden. Mit den daraus gewonnnen Erkenntnissen kann ein Beitrag zur Neukonzep-
tion Hinzurechnungsbesteuerung entwickelt werden. Der Gang der Untersuchung
lässt sich daher wie folgt skizzieren:
In einem ersten Schritt soll die Grundkonzeption der Hinzurechnungsbesteuerung
auf ihre verfassungsrechtliche Tragfähigkeit überprüft werden. Verfassungsrechtliche
Zweifel an der Hinzurechnungsbesteuerung wurden vereinzelt geäußert und standen
vorwiegend in Zusammenhang mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1
GG). Sollte sich herausstellen, dass die §§ 7–14 AStG nicht mit Verfassungsrecht
vereinbar sind, folgt daraus nicht automatisch die Unzulässigkeit einer Hinzurech-
nungsbesteuerung an sich. Vielmehr können die dort aufgespürten Bedenken helfen,
eine systemgerechte Regelung zu bilden und insofern einen Beitrag zur Strukturie-
rung des Steuerrechts leisten.
In einem zweiten Schritt wird die Frage nach der Übereinstimmung mit Gemein-
schaftsrecht beantwortet. Es werden auf der Grundlage der Rechtsprechung des Euro-
päischen Gerichtshofs Problemstellungen der Hinzurechnungsbesteuerung eingeordnet
und die sich daraus ergebenden Kernelemente für eine Neugestaltung der Hinzurech-
nungsbesteuerung aufgenommen. Mit dieser Aufgabe befasst sich der dritte Teil der
Arbeit. Auf der Grundlage der gewonnenen Erkenntnisse soll überlegt werden, wel-
che Konzepte verfassungsrechtlich und gemeinschaftsrechtlich von Bestand sein kön-
nen.
60 Tatsächlich scheint in der deutschen Politik ein Handlungsbedarf erkannt zu sein, vgl. dazu
auch Gerhard Kraft und Jan Bron, Deutsche Hinzurechnungsbesteuerung und Europarecht, RIW 2006, 209 mit Hinweis auf den Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD. Dort findet sich unter Punkt II. (Staatsfinanzen und Steuersystem), Unterpunkt 2.8. (Steuerpolitik in Europa) die Aussage: „Wir werden kurzfristig die unter europarechtlichen Aspekten zweifelhaften Normen überprüfen und anpassen [...]. [...] Wegen der zunehmenden Bedeutung des Europäischen Gerichtshofs in Steuersachen werden wir, soweit erforderlich, Normen des deutschen Steuerrechts verteidigen, um die bislang erreichten Grundsätze des internationalen Steuerrechts zu wahren und damit schwerwiegende finanzielle Auswirkungen auf unsere nationa-len Haushalte zu vermeiden.“ Vgl. dazu den Koalitionsvertrag „Gemeinsam für Deutschland. Mit Mut und Menschlichkeit.“ vom 11. November 2005.
stellung und Gang der chung 17
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Art. 3 Abs. 1 GG als Prüfungsmaßstab
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2. Teil. Verfassungsrechtliche Bedenken
A. Vereinbarkeit der §§ 7–14 AStG mit Art. 3 GG
I. Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 1 GG
Für die verfassungsrechtliche Untersuchung bietet der allgemeine Gleichheitssatz
(Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz [GG]61) den vorrangigen Prüfungsmaßstab. Gemäß Art. 3
Abs. 1 GG sind alle Menschen vor dem Gesetz gleich. Aus dem allgemeinen Gleich-
heitssatz ergeben sich nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts je nach
Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für
den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an
Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen.62 Der Gleichheitssatz ist umso strikter, je
mehr er den Einzelnen als Person betrifft und umso mehr für gesetzgeberische Gestal-
tungen offen, als allgemeine, für rechtliche Gestaltungen zugängliche Lebensverhält-
nisse geregelt werden.63 Das Gleichheitsgebot ist verletzt, wenn der Gesetzgeber eine
Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten ohne hin-
reichend gewichtigen Grund anders behandelt.64
Der in Art. 3 Abs. 1 GG verankerte allgemeine Gleichheitssatz findet im Steuer-
recht nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als Grundsatz der Las-
tengleichheit eine besondere Ausprägung.65 Art. 3 Abs. 1 GG gewährleistet im Bereich
des Einkommen- bzw. des Körperschaftsteuerrechts die Gleichmäßigkeit der Lasten-
61 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. 5. 1949, BGBl. I 1949, 1, zuletzt
geändert durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 26. 7. 2002, BGBl. I 2002, 2863. 62 Vgl. BVerfG vom 2. 3. 1999 – 1 BvL 2/91, BVerfGE 99, 367. 63 BVerfG vom 10. 4. 1997 – 2 BvL 1997, 96, 1 (5 f.); BVerfG vom 30. 9. 1998 – 2 BvR
1275/96, BVerfGE 99, 88 (94). 64 BVerfG vom 14. 10. 1997 – 1 BvL 5/89, BVerfGE 96, 315 (325); 100, 138, 174. 65 Vgl. etwa BVerfG vom 6. 12. 1983 – 2 BvR 1275/79, BVerfGE 65, 325 (354 f.); BVerfG vom
22. 2. 1984 – 1 BvL 10/80, BVerfGE 66, 214 (223), BStBl. II 1984, 357; BVerfG vom 27. 6. 1991 – 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239 (268 ff.), BStBl. II 1991, 654.
Gleichheits-rechtliche Bedenken
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Art. 3 Abs. 1 GG als Prüfungsmaßstab
21
Gleichheitsrechtliche Bedenken
13
verteilung und die Besteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit.66 Im Be-
reich des Steuerrechts stellt deshalb der Grundsatz der Besteuerung nach der wirt-
schaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit67 den vorrangigen Vergleichsmaßstab
dar.68
Der Gesetzgeber hat, so das Bundesverfassungsgericht, bei der Auswahl des Steuer-
gegenstandes und bei der Bestimmung des Steuersatzes einen weit reichenden Gestal-
tungsspielraum. Nach Regelung dieses Ausgangstatbestandes aber hat er die einmal
getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne der Belastungsgleichheit
umzusetzen.69 Ausnahmen von einer solchen folgerichtigen Umsetzung bedürfen eines
besonderen sachlichen Grundes.70 Auch bei steuerlichen Regelungen, die das Leis-
tungsfähigkeitsprinzip verletzen, prüft das Bundesverfassungsgericht, ob für die vorge-
sehene Differenzierung Gründe von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass
sie die ungleichen Rechtsfolgen rechtfertigen können.71
II. Ungleichbehandlung
1. Vergleichbarkeit der Sachverhalte
Die für Art. 3 Abs. 1 GG erforderliche Vergleichbarkeit ist gegeben, wenn die den
eintretenden rechtlichen Wertungen zugrunde liegenden Lebensverhältnisse in we-
sentlichen Elementen miteinander vergleichbar sind.72 Die Lebensverhältnisse, die als
vergleichbare Sachverhalte bzw. Regelungskomplexe in Betracht kommen, sind auf die
für die rechtliche Wertung wesentlichen Elemente zu untersuchen. Eine Ungleichbe-
handlung im Sinne von Art. 3 Abs. 1 GG könnte gegeben sein, da sich für niedrig
besteuerte Einkünfte ausländischer Kapitalgesellschaften nach Maßgabe der §§ 7–14
66 Vgl. BVerfG vom 10. 5. 1960 – 1 BvR 190/58 u. a. BVerfGE 11, 105 (119); BVerfG vom 19.
12. 1967 – 2 BvL 4/65, BVerfGE 23, 12 (23); BVerfG vom 10. 2. 1987 – 1 BvL 18/81 u. a., BVerfGE 74, 182, BStBl. II 1987, 240 (245). 67 BVerfG vom 29. 3. 1990 – 1 BvL 20/86, BVerfGE 82, 60; BVerfG vom 10. 11. 1998 – 2 BvL
42/93, BVerfGE 99, 246. 68 Vgl. etwa Paul Kirchhof, Steuerrechtsordnung als Wertordnung, StuW 1996, 3 (6). 69 BVerfG vom 22. 6. 1995 – 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121 (136); BVerfG vom 30. 9. 1998 – 2
BvR 1275/96, BVerfGE 99, 88 (95). 70 Vgl. zuletzt BVerfG vom 6. 3. 2002 – 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73 (126). 71 BVerfG vom 26. 1. 1993 – 1 BvL 38/92, BVerfGE 88, 87 (97); 99, 367 (389). 72 Vgl. dazu Dieter Birk, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 4 AO 1977, Rdnr. 434, Rudolf Wendt,
in: Festschrift Friauf, 865.
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Vergleichbarkeit der Sachverhalte
23
Vergleichbarkeit der Sachverhalte
14
AStG andere Rechtsfolgen ergeben, als wenn diese Einkünfte als Dividende besteuert
werden.
Das Außensteuergesetz regelt die Zurechnung von „Zwischeneinkünften“, daher
liegen dem Hinzurechnungsbetrag „Einkünfte“ der ausländischen Gesellschaft zu
Grunde (§ 10 Abs. 4 AStG). Der Hinzurechnungsbetrag stellt demnach keine „Ein-
nahme“ (etwa im Sinne des § 3c des Einkommensteuergesetzes73 [EStG]) dar.74 Die
Einkünfte einer Zwischengesellschaft sind „steuerpflichtig“ (§ 7 Abs. 1 AStG), aller-
dings kennen weder das Einkommensteuergesetz noch das Körperschaftsteuergesetz
(KStG)75 eine „Steuerpflicht“ von Einkünften.76
Der Geltungsbereich des § 7 AStG. Gemäß § 7 Abs. 1 AStG sind die Ein-
künfte, für die eine ausländische Gesellschaft Zwischengesellschaft ist (§ 8 Abs. 1
AStG), bei jeder an der Gesellschaft beteiligten unbeschränkt steuerpflichtigen Person
zu dem Teil steuerpflichtig, der auf die ihr zuzurechnende Beteiligung am Nennkapi-
tal der Gesellschaft entfällt, wenn unbeschränkt steuerpflichtige Personen zu mehr als der
Hälfte an der ausländischen Gesellschaft beteiligt sind.77 Die Steuerpflicht für die
Einkünfte einer solchen Gesellschaft entsteht, wenn eine Beteiligung an einer ausländi-
schen Gesellschaft vorliegt. Näher bestimmt wird das Merkmal der ausländischen Gesell-
schaft durch eine in § 7 Abs. 1 AStG enthaltene Legaldefinition. Der sachliche An-
wendungsbereich der Hinzurechnungsbesteuerung betrifft danach Körperschaften,
Personenvereinigungen oder Vermögensmassen im Sinne des Körperschaftsteuer-
73 Einkommensteuergesetz (EStG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. 10. 2002 –
BGBl. I 2002, 4210, bereinigte Fassung BGBl. I 2003, 179 – zuletzt geändert durch Gesetz zur Neuorganisation der Bundesfinanzverwaltung und zur Schaffung eines Refinanzierungsgesetzes vom 22. 9. 2005, BGBl. I 2005, 2809. 74 Vgl. dazu BFH vom 7. 9. 2005 – I R 118/04, BB 2005, 2668 75 Körperschaftsteuergesetz (KStG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. 10. 2002
(BGBl. I 2002, 4144), zuletzt geändert durch Gesetz zur Änderung des Versicherungsaufsichtsgeset-zes und anderer Gesetze vom 15. 12. 2004 BGBl. I 3416. 76 Beide Gesetze enthalten etwa in § 1 EStG oder § 1 KStG Bestimmungen zur Steuerpflicht des
Besteuerungssubjekts. Vgl. auch § 10 Abs. 2 Satz 1 AStG: danach gelten Einkünfte der ausländischen Gesellschaft als zugeflossen. Einkünfte sind – abhängig von der Einkunftsart – der Gewinn oder der Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten (§ 2 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 EStG). Das Er-tragsteuerrecht spricht ansonsten vom Zufluss von „Einnahmen“, nicht von Einkünften (vgl. § 11 Abs. 1 EStG). 77 Die weiteren Tatbestände und Voraussetzungen für die Beteiligung enthält § 7 Abs. 2 AStG, Heinrich Watermeyer/Sven Meyer, Änderungen in der Hinzurechnungsbesteuerung, GmbHStB 2004, 202; Watermeyer, Auswirkungen des AStG auf die GmbH-Holding, GmbHStB 2002, 317; Hannes Scheibnitz, Außensteuerliche Abschirmwirkung von Genussrechten, RIW 2003, 196; Horst Rät-tig/Peer Protzen, Die neue Hinzurechnungsbesteuerung der §§ 7–14 AStG in der Fassung des UntStFG, IStR 2002, 123.
24
25 Geltungsbe-reich der Hinzurech-nungsbesteurung
Geltungsbereich der Hinzurechnungsbesteuerung
15
gesetzes, die weder Geschäftsleitung noch Sitz (§§ 9–11 Abgabenordnung
[AO 1977]78) im Geltungsbereich des Außensteuergesetzes haben und die nicht gemäß
§ 3 Abs. 1 KStG von der Körperschaftsteuerpflicht ausgenommen sind. Eine ausländi-
sche Gesellschaft unterliegt nach Maßgabe des Außensteuergesetzes nicht mit ihren
gesamten Einkünften der Hinzurechnungsbesteuerung, sondern nur mit den Einkünf-
ten, „für die diese Gesellschaft Zwischengesellschaft ist“ (§ 7 Abs. 1 AStG).
Das Außensteuergesetz benutzt den Begriff der Zwischengesellschaft, beschreibt
damit jedoch kein gesellschaftsrechtliches Gebilde, da es eine Zwischengesellschaft „per
se“ nicht gibt“.79 Die Bestimmung dieser Tatbestandsvoraussetzung ergibt, dass eine
ausländische Gesellschaft die Merkmale einer Zwischengesellschaft erfüllt, wenn sie
Einkünfte erzielt, die einer niedrigen Besteuerung (§ 8 Abs. 3 AStG) unterliegen und
die nicht aus einer der in § 8 Abs. 1 Nrn. 1–9 AStG genannten Tätigkeiten stammen.
Eine niedrige Besteuerung liegt nach der Legaldefinition in § 8 Abs. 3 AStG vor,
wenn Einkünfte in dem ausländischen Staat mit weniger als 25 % steuerlich belastet
sind. Bei Beurteilung der Frage, ob diese Grenze erreicht wird, ist auf sämtliche im
Sitz- oder Geschäftsleitungsstaat erhobene Ertragsteuern abzustellen. Dieser Steuersatz
ist nach den Einkünften im Sinne von § 8 Abs. 1 AStG und den darauf entfallenden
Ertragsteuern zu ermitteln. Treffen diese Kriterien zu, werden die Einkünfte der aus-
ländischen Kapitalgesellschaft auf der Ebene des inländischen Anteilseigners gemäß
§§ 7–14 AStG der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer unterworfen.80 Dabei wer-
den in den persönlichen Anwendungsbereich unbeschränkt einkommensteuer-
78 Abgabenordnung (AO 1977) in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. 10. 2002,
BGBl. I 2002, 3866, bereinigte Fassung BGBl. I 2003, 61, zuletzt geändert durch Gesetz zur Neuor-ganisation der Bundesfinanzverwaltung und zur Schaffung eines Refinanzierungsregisters vom 22. 9. 2005, BGBl. I 2809. 79 Vgl. Volker Kluge, Internationales Steuerrecht, Rdnr. N 380. Der Begriff Zwischengesellschaft
bezeichnet keine eigenständige Rechtsform oder Erscheinungsform einer Kapitalgesellschaft, sondern ist nur Ausdruck der Zurechnung bestimmter Einkünfte auf der Ebene des Gesellschafters. Kritisch dazu Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, vor §§ 7–14 AStG Rdnr. 6. 80 Harald Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 10. 3.; Thomas Menck, in: Blümich, EStG, KStG,
UmwStG/AStG, Kommentierung zum Außensteuergesetz, Vorbemerkungen zu den §§ 7–14 AStG, Rdnrn. 13a f.; Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, § 7 AStG, Rdnrn. 7 f.; Jörg-Manfred Mössner, Selbständigkeit juristischer Personen und der Kapitalgesellschaften im Internationalen Steuerrecht, RIW 1986, 209 (211); BFH vom 12. 7. 1989 – I R 46/85, BStBl. II 1990, 113.
26
Hinzurechnungsbetrag als „Quasi-Dividende“
16
pflichtige Personen und körperschaftsteuerpflichtige Personen einbezogen81, die jeder
für sich allein oder mit anderen unbeschränkt steuerpflichtigen Personen gemeinsam
die in § 7 Absätze 1 und 2 AStG bestimmte Beteiligungshöhe erreichen. Dies setzt
voraus, dass unbeschränkt Steuerpflichtige unmittelbar oder mittelbar mehr als 50 %
des Nennkapitals oder der Stimmrechte halten (das sind diejenigen Rechte an Vermö-
gen, Ertrag und Entscheidungsbildung der ausländischen Gesellschaft, die Ausfluss
ihrer Beteiligung im Sinne des § 7 Abs. 1 AStG sind82), oder wenn Weisungs-
gebundenheit für die Ausübung der Stimmrechte besteht (§ 7 Absätze 2– 4 AStG).
Nach § 7 Abs. 4 AStG werden auch Anteile oder Stimmrechte erfasst, die eine natür-
liche oder juristische ausländische Person hält, die den Weisungen des inländischen
Beteiligten zu folgen hat oder so folgt, dass ihr kein eigener wesentlicher Entschei-
dungsspielraum verbleibt. Die Hinzurechnungsbesteuerung greift danach nur für den
Fall ein, dass die ausländische Gesellschaft von im Inland unbeschränkt steuer-
pflichtigen Personen beherrscht wird,83 diese Personen versteuern die gemäß den
Vorschriften in § 10 Absätze 1– 4 AStG zu ermittelnden Einkünfte der ausländischen
Gesellschaft, das Außensteuergesetz bezeichnet diese als „Hinzurechnungsbetrag“.
Der Bundesfinanzhof äußerte sich in einer Entscheidung aus dem Jahre 2005 in
Bezug auf den Hinzurechnungsbetrag:
„Der Hinzurechnungsbetrag wird nach der Regelungskonzeption des Außensteuergesetzes
insoweit als Quasi-Ausschüttung angesehen und fiktiv entsprechenden Rechtsfolgen unterworfen.
Das ändert jedoch nichts daran, dass es sich bei ihm nicht um eine (fiktive) Einnahme i. S. von
§ 8 Abs. 1 EStG 1990 handelt. Dem Betrag werden dementsprechend auch nicht Werbungs-
kosten oder Betriebsausgaben im Rahmen einer Überschussrechnung oder Gewinnermittlung zur
Ermittlung von Einkünften gegenübergestellt […]. Vielmehr handelt es sich bei ihm um einen
Einkünfteerhöhungsbetrag, der […] die Einkünfte aus Kapitalvermögen oder den Gewinn
außerhalb der Überschussrechnung […] oder der Gewinnermittlung […] erhöht. Hinzugerechnet
81 Das Gesetz (§ 7 Abs. 1 AStG) spricht von „unbeschhränkter Steuerpflicht“ und meint sowohl
die Körperschaftsteuerpflicht als auch die Einkommensteuerpflicht. Dies folgt aus § 10 Abs. 2 Satz 3 AStG, da die Vorschriften des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes genannt werden. Eines solchen Verweises hätte es nicht bedurft, wenn die jeweilige Vorschrift schon nicht anwendbar wäre. 82 Vgl. Gabriele Vogt, in: Blümich, EStG, KStG, UmwStG/AStG, Kommentierung zum Außen-
steuergesetz, § 7 AStG, Rdnr. 21. 83 Vgl. Vogt, in: Blümich, EStG, KStG, UmwStG/AStG, Kommentierung zum Außensteuer-
gesetz, § 7 AStG, Rdnr. 22 ff.
27
Hinzurechnungsbetrag als Dividende“
Geltungsbereich der Hinzurechnungsbesteuerung
17
werden nicht Einnahmen, sondern Einkünfte und damit das Ergebnis der Einkünfteerzielung
nach Maßgabe des § 10 Abs. 3 und 4 AStG.“84
Gemäß § 10 Abs. 2 Satz 1 AStG gehört der Hinzurechnungsbetrag zu den Ein-
künften im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG und gilt unmittelbar nach Ablauf des
maßgebenden Wirtschaftsjahrs der ausländischen Gesellschaft als zugeflossen. Gewinne
von Kapitalgesellschaften und die hieraus resultierenden Kapitalteile unterliegen
grundsätzlich nach den Regelungen des Einkommensteuergesetzes (die gemäß § 8
Abs. 1 KStG auch für die Besteuerung von Körperschaften Anwendung finden) auf
der Ebene des Anteilseigners der Besteuerung,85 sofern es sich um Gewinnanteile im
Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG handelt.86 Ein solcher Gewinnanteil (Dividende) im
Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG oder ein Bezug im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 2, 9
und 10 Buchst. a EStG liegt vor87 bei Zuwendungen, die aus dem Reinvermögen der
in der Vorschrift genannten Gesellschaften an ihre Gesellschafter gemacht werden,
soweit nicht dadurch auch das Grund- oder Stammkapital vermindert wird.88 Der
Hinzurechnungsbetrag wird mithin nach § 10 Abs. 2 Satz 1 AStG den Einkünften aus
Kapitalvermögen zugeordnet, die sich bei Bezug einer Dividende ergeben. Das Au-
ßensteuergesetz stellt damit eine grundsätzliche Beziehung von Hinzurechnungs-
betrag – das ist der Betrag, der das Ergebnis der Ermittlung der für die Hinzurech-
nungsbesteuerung maßgebenden Einkünfte der ausländischen Gesellschaft (§ 10 Abs. 3
AStG) darstellt – und dem Dividendenbezug im Sinne des im Sinne des § 20 Abs. 1
Nr. 1 EStG her.
Die Hinzurechnungsbesteuerung bestimmt also die Steuerpflicht für Einkünfte ei-
ner ausländischen Gesellschaft, ohne dass es, wie etwa durch den Tatbestand der Ein-
kunftserzielung bei „Dividendenbezug“ im Sinne der § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG, § 8
Abs. 1 KStG vorausgesetzt, darauf ankommt, ob ein solcher Bezug überhaupt gegeben
ist. Aus den Vorschriften in §§ 7–14 AStG ergeben sich also Besteuerungsfolgen für 84 BFH vom 7.9.2005 – I R 118/04, DStR 2004, 2120. 85 Vgl. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Sätze 2 und 3, § 3 Nr. 41 Buchst. a EStG. Vgl. zur Definition der Aus-
schüttung als Bezug aus einer Beteiligung Hans Joachim von Beckerath, in: Kirchhof, EStG, § 3 Rdnr. 127. 86 Da § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG die Regelung beinhaltet, dass Einkommen im Sinne des Körper-
schaftsteuergesetzes nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaft-steuergesetzes zu bestimmen ist, gelten die Vorschriften über den Dividendenbezug auch für die Ermittlung des körperschaftsteuerpflichtigen Einkommens (§ 7 Abs. 1 Satz 1 KStG). 87 Vgl. dazu auch den Wortlaut in § 8b Abs. 1 Satz 1 KStG, der an die Vorschrift des § 20 Abs. 1
Nr. 1 EStG textlich übereinstimmend anknüpft. 88 Gerd Stuhrmann, in: Blümich, EStG, KStG, UmwStG/AStG, Kommentierung zum Außen-
steuergesetz, § 20 EStG Rdnr. 57.
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Hinzurechnungsbetrag als „Quasi-Dividende“
18
den Gesellschafter, ohne dass eine Ausschüttung stattgefunden hat.89 Stattdessen gilt der
Hinzurechnungsbetrag unmittelbar nach Ablauf des maßgebenden Wirtschaftsjahres
der ausländischen Gesellschaft als zugeflossen (§ 10 Abs. 2 Satz 1 AStG).
Anders ausgedrückt knüpft der Tatbestand der Hinzurechnungsbesteuerung nicht
daran an, dass Einkünfte der ausländischen Gesellschaft an den Gesellschafter „ausge-
schüttet“ (so terminologisch im Hinblick auf § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG) oder „gezahlt“
(diesen Begriff verwendet etwa § 10 Abs. 1 OECD-MA) werden. Für die Hinzu-
rechnungsbesteuerung spielt die Ausschüttung nur insoweit eine Rolle, als nach § 3
Nr. 41 Buchstaben a und b EStG eine Steuerbefreiung für Gewinnausschüttungen und
für Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an ausländischen Kapitalgesellschaften
besteht, die der Hinzurechnungsbesteuerung unterlagen. Durch diese Vorschrift soll
eine Doppelbelastung verhindert werden, die aus der Hinzurechnungsbesteuerung und
einer anschließenden Besteuerung des Dividendenbezugs herrührt.90 Ansonsten sind
die Vorschriften in § 8b Abs. 1 AStG und § 3 Nr. 40 EStG nicht auf den Hin-
zurechnungsbetrag anzuwenden (§ 10 Abs. 2 Satz 3 AStG).
Obwohl der Dividendenbezug der sachlichen Steuerpflicht (§ 2 Abs. 1 Nr. 5
EStG, § 8 KStG, § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG) unterliegt, werden Erträge von Kapital-
gesellschaften, die Gegenstand einer Ausschüttung an den Anteilseigner sein könnten,
unter den von der Hinzurechnungsbesteuerung bestimmten Voraussetzungen als
„Quasi-Dividende“ dem Steuerzugriff im Inland unterworfen. Einkünfte der ausländi-
schen Gesellschaft werden auf der Ebene des inländischen Anteilseigner ermittelt und
besteuert (§ 10 Absätze 1– 4 AStG). Die Regelungskomplexe der Hinzurechnungsbe-
steuerung für „Quasi-Dividenden“ und die Bestimmungen über die Besteuerung von
Dividenden sind daher in wesentlichen Elementen miteinander vergleichbar. Da der
Grundsatz der Lastengleichheit den vorrangigen Vergleichsmaßstab im Bereich des Er-
tragsteuerrechts darstellt, liegt eine Ungleichbehandlung im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG
89 Hier könnte auch in Anlehnung an die Formulierung des Art. 10 Abs. 1 des OECD-
Musterabkommens (OECD-MA) – OECD-Musterabkommen 2003 zur Vermeidung der Doppelbe-steuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen – davon gesprochen werden, dass die Gesellschaft eine Dividende „zahlt“. Danach würde entsprechend dem Wortlaut des § 10 Abs. 2 OECD-MA ein Besteuerungsrecht in Deutschland bestehen. Vgl. zu den Rechtsfragen hinsichtlich der Vereinbarkeit von DBA-Recht und Hinzurechnungsbesteuerung eingehend Hans-Jörgen Aigner, Hinzurechnungsbesteuerung und DBA-Recht, Wien 2004; ders., CFC-Gesetzgebung und Gemeinschaftsrecht, SWI 2002, 407. Vgl. zu den Bestimmungen des OECD-MA: Klaus Vogel, in: Vogel/Lehner, Doppelbesteuerungsabkommen der Bundesrepublik Deutschland auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Vermögen, Kommentar auf Grundlage der Musterabkommen, 4. Auflage, 2003, Einleitung. 90 Siehe von Beckerath, in: Kirchhof, EStG, § 3 Rdnr. 143.
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Durchgriff und Leistungsfähigkeit
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demgemäß vor, wenn sich die durch die Hinzurechnungsbesteuerung angeordnete unter-
schiedliche Besteuerung vergleichbarer Sachverhalte nicht nach dem Prinzip der Be-
steuerung nach der Leistungsfähigkeit erklären lässt.91
2. Vereinbarkeit der §§ 7–14 AStG mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip
Der Gesetzgeber verband mit den Vorschriften in §§ 7–14 AStG die Wertung, dass
bereits zu dem Zeitpunkt, in dem Einkünfte auf der Ebene der ausländischen Kapital-
gesellschaft anfallen, eine Erhöhung der Leistungsfähigkeit des inländischen Anteilseig-
ners gegeben sei.92 Der inländische Anteilseigner wird demgemäß besteuert, als wären
die von der ausländischen Gesellschaft erzielten Zwischeneinkünfte unmittelbar nach
Ablauf des maßgebenden Wirtschaftsjahres der ausländischen Gesellschaft vollständig
ausgeschüttet worden (§ 10 Abs. 2 Satz 1 AStG).93
Dem Leistungsfähigkeitsprinzip kommt grundsätzliche Bedeutung im Hinblick auf
die durch Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 20 Abs. 3 GG gewährleistete Steuergerechtigkeit
zu. Ein Steuersystem, welches auf einem nicht verstehbaren Grundprinzip beruhte,
setzt sich dem Verdacht der Unzulänglichkeit und Kompliziertheit aus. Ein aus sich
heraus verständliches Steuersystem ist daher ohne ein begreifbares Fundamentalprinzip
nicht vorstellbar; das Leistungsfähigkeitsprinzip wäre sonst „[…] verfehlter Legitimations-
begriff und nicht Verfassungsrechtssatz, wenn es – auf eingängige Unbestimmtheit angelegt –
lediglich den Realvorgang faktischer Zugriffsmöglichkeiten glorifizieren und eine als Anomalie
verstandene Ungleichheit einebnen wollte.“94 Das Leistungsfähigkeitsprinzip würde sich
dann als „vage Ausformung eines allgemeinen Gerechtigkeitsgrundsatzes“ angreifen
und grundsätzlich anzweifeln lassen.95
Die stringente und konsequente Beanspruchung des Leistungsfähigkeitsprinzips
gewährleistet die Systemkonformität von Steuervorschriften und wäre damit auch
geeignet, die Aufsplitterung von Normen des Ertragsteuerrechts in Ausnahmetatbe-
stände und Ausnahmeverhinderungstatbestände, die Zufälligkeit gesetzgeberischer Be-
91 Vgl. dazu auch Heide Schaumburg und Harald Schaumburg, Steuerliche Leistungsfähigkeit und
europäische Grundfreiheiten im internationalen Steuerrecht, StuW 2005, 306. 92 Vogt, in: Blümich, EStG, KStG, UmwStG/AStG, Kommentierung zum Außensteuergesetz, § 7
AStG Rdnr. 3 93 Vgl. etwa BFH vom 5. 6. 2002 – I R 115/00, DStRE 2002, 1392. 94 Vgl. dazu P. Kirchhof, Die Widerspruchsfreiheit im Steuerrecht als Verfassungspflicht, StuW
2000, 316 (326). 95 Vgl. dazu Wolfgang Gassner/Michael Lang, Das Leistungsfähigkeitsprinzip im Einkommen- und
Körperschaftsteuerrecht, 2000, 121; dort wird pauschal die Geltung des Leistungsfähigkeitsprinzips im Steuerrecht bestritten.
Möglicher Verstoß gegen dasLeistungsfähigkeitsprin
Durch-griff und
s-tungs-
g-
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33
34
Möglicher Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip
20
lastungs- und Entlastungsentscheidungen, von Sonderregelungen, Ausnahme-
regelungen und Zusatzregelungen zu verhindern. Diesem grundlegenden Geltungs-
anspruch wird das Leistungsfähigkeitsprinzip insbesondere dann gerecht, wenn es auch
als Auslegungsprinzip klare und bestimmte Vorgaben für den Gesetzgeber erzeugt. Es
ließe sich sonst nur schwer vermitteln, dass die Vorhersehbarkeit des Steuerzugriffs
sich in komplizierten, formelhaften Rechtssätzen verlieren kann, die nur für Fachleute
nachvollziehbar und durchschaubar sind. Der Gleichheitssatz wäre somit nur Anre-
gung juristischer und fiskalpolitischer Begründungsphantasie.
Tatsächlich scheint anerkannt, dass das Leistungsfähigkeitsprinzip als „Klugheits-
regel“ die Gewähr seiner praktischen Realisierbarkeit bereits in sich trägt und für die
Klarheit und Durchschaubarkeit des Steuerrechts streitet.96 Es liegt nach alledem die
Überlegung nahe, dass nur ein verstehbares Grundprinzip den Anforderungen des
Grundgesetzes an einen verlässlichen, vorhersehbaren und lastengleichen Steuerzugriff
Rechnung trägt. Das Leistungsfähigkeitsprinzip wäre sonst kontur- und in letzter
Konsequenz nutzlos. Die grundlegende Bedeutung des Leistungsfähigkeitsprinzips
erfordert mithin, den Aussagegehalt dieses Prinzips auf eine präzise Kernaussage zu-
rückzuführen und im Hinblick auf die von §§ 7–14 AStG angeordnete Besteuer-
ungssituation begreifbar zu machen.
Das Bundesverfassungsgericht erkennt an, dass die Besteuerung auf die individuelle
Leistungsfähigkeit des einzelnen Steuerpflichtigen angelegt ist97 und fordert die Zutei-
lung steuerlicher Lasten nach der individuellen Zahlungsfähigkeit.98 Die steuerliche
Belastung muss sich an der Fähigkeit orientieren, Steuerleistungen zu erbringen.99 Da
Steuerleistungen „Geldleistungen“ sind (§ 3 Abs. 1 Satz 1 AO 1977), müssen dem
Steuerpflichtigen die Mittel zur Verfügung stehen, die zum Ausgleich einer Steuer-
schuld anschließend verwendbar sind. Das Leistungsfähigkeitsprinzip will die wirt-
schaftliche Kraft erfassen, die ein am Markt tätiges Wirtschaftssubjekt erzielt100 und
sieht die Besteuerung von Einnahmen vor, die durch Leistungsaustausch am Markt er-
wirtschaftet worden sind (Markteinkommenstheorie).101 Nicht der Staat, sondern der
Markt, Marktverhalten und Markterfordernisse, welche die wirtschaftliche Erwerbs-
96 Vgl. insbesondere Klaus Tipke, Die Steuerrechtsordnung, 2. Auflage, 2000, Band I, 485. 97 Vgl. nur BVerfG vom 29. 5. 1990 – 1 BvL 20/84 u. a., BVerfGE 82, 60 (86 f.). 98 Birk, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 4 AO
Rdnr. 457. 99 Vgl. BVerfG vom 29. 5. 1990 – 1 BvL 20/84 u. a., BVerfGE 82, 60 (86). 100 Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip in der Unternehmenssteuerreform, StuW 2000, 328 (330). 101 Vgl. dazu R. Wendt, Empfiehlt es sich, das Einkommensteuerrecht zur Beseitigung von Un-
gleichbehandlungen und zur Vereinfachung neu zu ordnen? DöV 1988, 710 (714).
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Durchgriff und Leistungsfähigkeit
21
tätigkeit prägen, entscheiden darüber, ob Leistungsfähigkeit entsteht. Die Leistungsfä-
higkeit wird nicht durch rechtliche Wertungen, Fiktionen oder ähnliche Vorgänge
bestimmt. Leistungsfähigkeit muss dort besteuert werden, wo sie entsteht und nicht
dort, wo der Gesetzgeber präferentiell eine Besteuerungsmöglichkeit generieren wür-
de.
Das Leistungsfähigkeitsprinzip steht dem Gesetzgeber nicht zur Seite, um jedwe-
den Steuerzugriff zu rechtfertigen. Könnte der Gesetzgeber durch Gesetz den Um-
stand bestimmen, durch den die Leistungsfähigkeit entsteht, ließen sich durchweg
beliebige Besteuerungsrechte erzeugen. Der Steuerzugriff würde dann die Leistungsfä-
higkeit vorbestimmen. Richtigerweise determiniert das Verfassungsrecht die Vor-
aussetzungen, nach denen der Gesetzgeber den Steuerzugriff ausformen muss.
Im Bereich des Einkommensteuerrechts bildet das Leistungsfähigkeitsprinzip einen
Belastungsgrund, da der Steuerzugriff auf die aus dem Einkommen entstandenen
Wertgegenstände (Vermögensteile) gerichtet wird, die sich der Steuerpflichtige durch
seine Erwerbstätigkeit aneignen konnte. Diese Vermögensteile stellen das Ergebnis der
wirtschaftlichen Betätigung dar und sind Grundlage für die Bestimmung der Leis-
tungsfähigkeit. Das Leistungsfähigkeitsprinzip verlangt mithin, dass die wirtschaftliche
Wertigkeit des Erwerbsvorgangs aufgenommen und danach ein Teil von ihr ab-
geschöpft wird.
Was die Besteuerung des Gewinns von Kapitalgesellschaften anbetrifft, ist die Leis-
tungsfähigkeit einer Kapitalgesellschaft von der Leistungsfähigkeit eines Gesellschafters
zu unterscheiden: Die Körperschaftsteuer bemisst sich nach der Leistungsfähigkeit der
Kapitalgesellschaft,102 es findet somit grundsätzlich eine Betrachtung von Gesellschaft
und Gesellschafter statt, die beide Erwerbssubjekte hinsichtlich ihrer steuerlichen
Leistungsfähigkeit streng voneinander trennt.103 Diese konzeptionelle Unterscheidung
des Leistungsfähigkeitsprinzips steht in Einklang mit der zivilrechtlich akzeptierten
Selbständigkeit juristischer Personen.104 Unterschiedliche Belastungen des Ertrags, sei
es aus besonderen wirtschaftspolitisch oder fiskalpolitisch begründeten Erwägungen
heraus, sind nicht im Leistungsfähigkeitsprinzip angelegt. Da die Hinzurechnungsbe-
steuerung die Besteuerung auf der Ebene des Kapitalgesellschafters vornimmt und
diesem die Leistungsfähigkeit einer Kapitalgesellschaft zuerkennt, folgt daraus eine
102 Vgl. BFH vom 9. 2. 1982 – VIII B 132/81, BStBl. II 1982, 401, BFHE 135, 303. 103 Vgl. R. Wendt, in: Festschrift Friauf, 865 (870). Diese Beziehung wird nach Abkehr vom Anre-
chungsverfahren zum System der Definitivbesteuerung bestätigt. Körperschaft und Anteilseigner sind zwei verschiedene Rechtssubjekte, deren Besteuerung unterschiedlichen Kriterien folgt. 104 Vgl. Jürgen Pelka, Rechtsformneutralität im Steuerrecht, StuW 2000, 389 (394).
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Möglicher Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip
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Kollision mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip. Da eine Besteuerung des Gesellschafters
aber die Erhöhung seiner tatsächlichen Leistungsfähigkeit erfordert, darf nicht im
Wege einer Wertung diese Leistungsfähigkeit fingiert werden.
Was die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Frage der zivilrechtli-
chen Selbständigkeit von Kapitalgesellschaften und deren Bedeutung für das Steuer-
recht anbetrifft, hat dieses bereits in einer Entscheidung vom 24. 1. 1962 erkannt, dass
eine tief greifende Verbindung von Privat- und Steuerrecht bestehe, das Steuerrecht
knüpfe nicht nur an die gegebenen Lebensverhältnisse und damit auch an ihre zivil-
rechtliche Ordnung an, sondern bestimme den Steuergegenstand prinzipiell nach
Rechtsformen des bürgerlichen Rechts.105 Wörtlich führte das Bundesverfassungsge-
richt hierzu aus:
„Wenn es schon bei jeder derartigen Anknüpfung nicht nur im Interesse der Klarheit und
Einheit, sondern vor allem der inneren Autorität der Rechtsordnung liegt, die Entsprechung von
Privat- und Steuerrecht durchgehend zu wahren, also die Ordnungsstruktur des Zivilrechts zu
achten, so ist es besonders bedenklich, wenn die benützte zivilrechtliche Ordnung vom Steuer-
recht gerade an der Stelle durchbrochen wird, die ihre eigentliche rechtliche Bedeutung ausmacht.“
In dieser Erwägung klingt die prinzipielle Undurchlässigkeit der Kapitalgesellschaft
an, zu deren Wesen es gerade gehöre, dass mit ihrer rechtlichen Verselbständigung die
Gesellschafter grundsätzlich abgeschirmt seien.106 In dieser Entscheidung wird zudem
herausgestellt, dass es sich bei einem so genannten Durchgriff – gemeint ist die Durch-
brechung der rechtlich abschirmenden Wirkungen einer Kapitalgesellschaft – „in jedem
Fall um einen schweren Eingriff in eine Grundform unserer Rechtsordnung handelt, durch den
die Bedeutung der Rechtsfigur der juristischen Person beeinträchtigt werde und der deshalb nur im
engsten Rahmen und aus dringlichsten Gründen zulässig erscheine.“ 107 Diese deutliche
Aussage über das Verhältnis von Kapitalgesellschaft und der dahinter stehenden Person
streitet in unmissverständlicher Weise für die hier interessierende Frage, ob mit der
Hinzurechnungsbesteuerung eine Durchbrechung des Prinzips der Besteuerung nach
der Leistungsfähigkeit gegeben ist. Diese Entscheidungserwägung lässt sich wider-
spruchsfrei den Grundaussagen des Leistungsfähigkeitsprinzips zuordnen, da gleicher-
105 BVerfG vom 24. 1. 1962 – 1 BvR 845/58, BVerfGE 13, 331; NJW 1962, 435. 106 Vgl. Wassermeyer, in: Festschrift für Werner Flume zum 70. Geburtstag, Köln 1978, Die Ver-
einbarkeit der Hinzurechnungsbesteuerung nach dem Außensteuergesetz mit dem Grundgesetz und den Vorschriften der Doppelbesteuerungsabkommen, Horst-Heinrich Jakobs (Hrsg.), 323 (328) m.w.N. 107 Vgl. dazu Wassermeyer, in: Festschrift für Werner Flume zum 70. Geburtstag, Köln 1978, Die
Vereinbarkeit der Hinzurechnungsbesteuerung nach dem Außensteuergesetz mit dem Grundgesetz und den Vorschriften der Doppelbesteuerungsabkommen, Horst-Heinrich Jakobs (Hrsg.), 323 (324).
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Durchgriff und Leistungsfähigkeit
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maßen zum Ausdruck kommt, dass das Leistungsfähigkeitsprinzip eine Durchdrin-
gung, Durchbrechung oder einen Durchgriff zwischen den Ebenen von Gesellschaft
und Gesellschafter nicht trägt. Dass sich unter Hinweis auf das Leistungs-
fähigkeitsprinzip die Hinzurechnungsbesteuerung nicht rechtfertigen lässt, bedeutet
indes nicht, dass die Hinzurechnungsbesteuerung schlechthin unzulässig wäre; viel-
mehr gilt ein strenger Maßstab, wenn die Überwindung der Abschirmwirkung nor-
mativ angeordnet wird.108
Die Entstehung und die erwerbswirtschaftliche Betätigung eines von der Rechts-
ordnung anerkannten Rechtssubjekts, auf welches die verfassungsrechtliche Wirkung
der Grundrechte (Art. 19 Abs. 3 GG) erstreckt wird, unterliegt auch aus der Sicht des
Leistungsfähigkeitsprinzips identischen Wertungen, wie dies auf jeden anderen
Rechtsträger – sei es eine natürliche oder juristische Person – zu übertragen ist. Das
Leistungsfähigkeitsprinzip erlaubt weder die Besteuerung von Einkünften einer aus-
ländischen Kapitalgesellschaft,109 noch lässt sich aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip eine
grundsätzliche Aussage entnehmen, dass Gewinne einer Kapitalgesellschaft auf der
Ebene des Anteilseigners der Besteuerung unterliegen. Eine konsequente Beanspru-
chung des Leistungsfähigkeitsprinzips bedeutet indes, dass mit der Entstehung eines
Rechtsträgers, etwa mit Gründung einer Kapitalgesellschaft, ein gegenüber anderen
Rechtssubjekten gleichwertiges rechtliches Gebilde besteht. Die Leistungsfähigkeit
einer Kapitalgesellschaft stellt eine eigenständige Bewertungsgröße für die Besteuerung
dar. Demgegenüber hat der Anteilseigner die Besteuerung erst hinzunehmen, wenn
ein Anlass gegeben ist, der als eine Steigerung seiner tatsächlichen Leistungsfähigkeit
aufzufassen ist. Unerheblich ist dabei, ob es sich um einen inländischen oder um einen
ausländischen Vorgang handelt, da beide Vorgänge wirtschaftlich gleich zu bewerten
sind.110 Wegen der zivilrechtlichen – vom Steuerrecht aufgenommenen – Trennung
zwischen Kapitalgesellschaft und Gesellschafter bedarf es aus Sicht des Leistungs-
fähigkeitsprinzips eines verlässlichen Instruments, durch welches zielgenau die Grund-
lagen für die Besteuerung des Gesellschafters bestimmt werden können. Die wider-
108 Vgl. dazu: R. Wendt, DÖV 1988, 710 (714); ders. NVwZ 1988, 778 (783); sowie BVerfGE 34,
103 (115). 109 Dazu: K. Vogel, Über „Besteuerungsrechte“ und über das Leistungsfähigkeitsprinzip im interna-
tionalen Steuerrecht, in: Festschrift für Franz Klein, Köln 1994, 361 (364 ff.); Harald Schaumburg, Das Leistungsfähigkeitsprinzip im internationalen Steuerrecht, in: Festschrift für Klaus Tipke, Köln 1995, 125 (131). 110 So zutreffend Jörg Manfred Mössner, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz,
Kommentar, 96. Ergänzungslieferung, März 2000, § 2a Rdnr. A 13.
43
Möglicher Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip
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spruchsfreie Konkretisierung des Leistungsfähigkeitsprinzips111 verlangt mithin die
Ermittlung tauglicher Indikatoren, an welche die Besteuerung anzuknüpfen ist. Ge-
eigneter Indikator ist nur das objektiv vom Steuerpflichtigen erworbene Einkommen,
dem die Rechtsordnung einen objektiven Wert zuerkennt. Der verfassungsrechtlich
gebotene Steuerzugriff erstreckt sich auf das „Erworbene“ nicht auf die Erwerbs-
fähigkeit.112
Da steuerliche Leistungsfähigkeit des Gesellschafters dessen Zahlungsfähigkeit vor-
aussetzt,113 kommt allein der faktischen Steigerung des steuerlichen Leistungsvermö-
gens Bedeutung zu, die gesetzliche Fiktion der Leistungsfähigkeitszunahme genügt
nicht als Indikator.114 Damit lässt sich die Aussage des Leistungsfähigkeitsprinzips für
das Verhältnis zwischen Kapitalgesellschaft und Gesellschafter präzisieren: Soll jeder
Steuerpflichtige nach seiner finanziellen Leistungsfähigkeit gleichmäßig zur Finanzie-
rung der allgemeinen Staatsaufgaben herangezogen werden, muss die Leistungskraft
konsequent nach objektiv messbaren Kriterien ermittelt werden.115 Steuerliche Leis-
tungsfähigkeit entsteht objektiv erst dann, wenn der Steuerpflichtige tatsächlich in der
Lage ist, die ihn treffenden Steuerforderungen aus dem ihm zugegangenen objektiven
Wert seiner Erwerbstätigkeit zu erfüllen. Hierfür reicht die Gewinnerzielung auf der
Ebene der Kapitalgesellschaft nicht aus, es bedarf vielmehr eines wertbildenden Vor-
gangs auf der Ebene des Gesellschafters, dem die Rechtsordnung eine bereichernde
Wirkung zuerkennt.
Leistungsfähigkeit entsteht im Verhältnis zwischen Kapitalgesellschaft und Gesell-
schafter allein durch Wertrealisation, und damit aufgrund des tatsächlichen Vorgangs,
der zu einer objektiv messbaren Bereicherung des Steuerpflichtigen führt.116 Ein sol-
ches Verständnis des Leistungsfähigkeitsprinzips wird auch in der Rechtsprechung des
Bundesfinanzhofs prinzipiell erkennbar. Im konkreten Bezug zur Besteuerung von
Gewinnen juristischer Personen auf der Ebene des Anteilseigners finden sich hierfür
aussagekräftige Nachweise. So ist anerkannt, dass mit dem Beschluss über die Verwen-
111 Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip in der Unternehmensteuerreform, StuW 2000, 328. 112 Paul Kirchhof, Steuergleichheit, StuW 1984, 297 (305). 113 Vgl. Michael Elicker, Darf der Steuerzugriff ein Unternehmen zahlungsunfähig machen? StuW
2002, 217 (219). 114 Jörg Manfred Mössner, Selbständigkeit juristischer Personen und Kapitalgesellschaften im Interna-
tionalen Steuerrecht, RIW 1986, 209 (211); Elicker, Darf der Steuerzugriff ein Unternehmen zah-lungsunfähig machen? StuW 2002, 217 (219). 115 BVerfG vom 17. 11. 1998 – 1 BvL 10/98, BStBl. II 1999, 509 (511), BVerfG vom 22. 6. 1995
– 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121 (136). 116 Siehe dazu P. Kirchhof, in: Kirchhof, EStG, § 8 Rdnr. 5.
44
45
Durchgriff und Leistungsfähigkeit
25
dung oder Verteilung des Gewinns einer Kapitalgesellschaft grundsätzlich der Wertzu-
fluss auf der Ebene des Anteilseigners stattfindet.117 Der beherrschende Gesellschafter
einer Kapitalgesellschaft – das ist ein Gesellschafter, der aufgrund der gesellschafts-
rechtlichen Mehrheitsverhältnisse auch gegen die übrigen Gesellschafter seinen Willen
durchsetzen kann – erzielt auch ohne tatsächliche Dividendenzahlung Einkünfte, die
der Besteuerung unterliegen (§ 20 Abs. 1 EStG, § 8b Abs. 1 KStG).118 Hierfür ist
jedoch Voraussetzung, dass die Forderung auf den aus der Beteiligung resultierenden
Gewinnanteil fällig ist und einen wirtschaftlichen Wert aufweist.119 Nach Auffassung des
Großen Senats des Bundesfinanzhofs richtet sich die Wertrealisation bei Dividendenbe-
zug danach, ob ein Dritter bereit wäre, für den Anspruch auf Zahlung der Dividende
eine Gegenleistung zu zahlen.120 Ein Zuwachs an Leistungsfähigkeit liegt danach erst
mit Eintritt des Ereignisses vor, durch welches dem Dividendenanspruch ein wirt-
schaftlicher und merkantiler Wert zugewiesen wird. Eine solche Wertung lässt sich
auch handelsrechtlichen Bestimmungen entnehmen: Gemäß § 243 Abs. 1, § 246
Abs. 1 Satz 1 und § 252 Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 2 Handelsgesetzbuch (HGB)121 ist nach
den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung unter Beachtung des Vollständig-
keitsgebotes und des Realisationsprinzips in der Handelsbilanz darüber zu befinden, ob
eine hinreichende Konkretisierung des Dividendenanspruchs stattgefunden hat, wobei
sich der Zuflusszeitpunkt aus § 252 Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 2 HGB ergibt. Diese Vor-
schrift beinhaltet das „Realisationsprinzip“, mit dem der Ausweis von Aufwendungen
117 BFH vom 21. 10. 1981 – I R 230/78, BStBl. II 1982, 139. Der Gesellschafter hat zwar nach
den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften Anspruch auf das im Jahresabschluss der Körperschaft ausgewiesene Jahresergebnis. Aus diesem Bezugsrecht folgt aber erst ein beschränktes selbständiges Gläubigerrecht, wenn der Jahresabschluss aufgestellt (§ 264 HGB) und testiert wurde (§§ 316, 322 HGB), eine Genehmigung des Jahresabschlusses nach gesellschaftsrechtlichen Vorschriften vorge-nommen und eine Gewinnverteilung beschlossen wurde; vgl. etwa Curt Seemann, in: Frotscher, EStG, § 20 Rdnr. 25. 118 Vgl. auch Wolfgang Heinicke, in: Schmidt, EStG, § 11 Rdnr. 10. 119 Kommt einem Gesellschafter eine beherrschende Stellung zu, hat dieser es in der Hand, die
Fälligkeit des Auszahlungsanspruchs hinauszuschieben. Um eine Auswirkung auf den Zuflusszeit-punkt auszuschließen, wird angenommen, dass es sich bei dem Hinausschieben der Fälligkeit bereits um eine Verfügung über die Gewinnanteile handelt; vgl. BFH vom 17. 11. 1998 – VIII R 24/98, BStBl. II 1999, 223. 120 BFH vom 7. 8. 2000 – GrS 2/99, BFHE 192, 339, BStBl. II 2000, 632. Der Große Senat geht
in dieser Entscheidung davon aus, dass eine Aktivierung – und damit die Besteuerung – von Divi-dendenansprüchen nur in Frage komme, wenn diese einen Wert aufweisen, wenn also ein Dritter, etwa ein Kaufmann, bereit wäre, für den Anspruch einen Kaufpreis zu zahlen. 121 Handelsgesetzbuch (HGB) vom 10. 5. 1897, RGBl. 1897, 219, Bundesgesetzblatt Teil III, zu-
letzt geändert durch Gesetz über die Offenlegung der Vorstandsvergütungen (Vorstandsvergütungs-Offenlegungsgesetz – VorstOG) vom 3. 8. 2005 BGBl. I 2267.
Keine Wertrealisation in Durchgriffsfällen
26
und Erträgen gemäß dem Zeitpunkt ihrer wirtschaftlichen Verursachung geregelt
wird. Dieses Prinzip folgt dem handelsrechtlichen Grundsatz der vorsichtigen Bewer-
tung im Interesse des Gläubigerschutzes. Ein Gewinn oder Ertrag darf erst ausgewiesen
werden, wenn er durch Umsatz realisiert worden ist.122 Dividendenansprüche sind zu
aktivieren, wenn sie für den Kaufmann hinreichend sicher und konkretisiert sind; das
ist mit dem Beschluss über die Gewinnverwendung der Fall.123 Handelt es sich bei
dem Anteilseigner um eine natürliche Person und gehört die Beteiligung zu dessen
Privatvermögen, gilt im Einkommensteuerrecht das Zuflussprinzip (§ 11 Abs. 1 Satz 1
EStG). Danach sind Einnahmen innerhalb des Kalenderjahres bezogen, in dem sie
dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind. Der Begriff des Zuflusses ist wirtschaftlich
auszulegen und wird definiert als „Erlangung wirtschaftlicher Verfügungsmacht“.124
Damit ist auch dieser Begriff in Zusammenhang mit dem Prinzip der Besteuerung
nach der Leistungsfähigkeit zu verstehen. Nicht Fälligkeit oder Zuwendung führen
zur Annahme des Zuflusses, sondern das Ereignis, das sich dem Grunde nach auf die
Leistungsfähigkeit des Empfängers auswirkt.125
Demgegenüber werden die Einkünfte einer ausländischen Kapitalgesellschaft nach
Maßgabe der §§ 7–14 AStG im Inland besteuert, als hätte die ausländische Kapitalge-
sellschaft die erzielten Einkünfte unmittelbar nach Ablauf des für die ausländische
Gesellschaft maßgebenden Wirtschaftsjahres ausgeschüttet (§ 10 Abs. 2 Satz 1 KStG),
der inländische Gesellschafter versteuert „Zwischeneinkünfte“ im Sinne des § 8 Abs. 1
AStG. Mithin werden Gewinne einer ausländischen Zwischengesellschaft nach den
Vorschriften des deutschen Steuerrechts belastet.126 Der Zufluss des Hinzurechnungs-
betrages wird dabei nach dem Wortlaut des § 10 Abs. 2 Satz 1 AStG („gilt […] als
zugeflossen“) fingiert. An dem in § 10 Abs. 2 Satz 1 AStG enthaltenen normativen
Merkmal, nach dem der „Zufluss“127 des Hinzurechnungsbetrages beim inländischen
Anteilseigner unterstellt wird und damit ein Vorgriff auf den tatsächlichen Ausschüt-
tungsvorgang stattfindet, erlangt der Gesellschafter objektiv also keinen Zuwachs
seiner steuerlichen Leistungsfähigkeit. Der Hinzurechnungsbetrag bewirkt keine
tatsächliche oder objektive Bereichung und vermittelt daher keine Werthaltigkeit des
122 Vgl. Hanno Merkt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 252 Rdnr. 13. 123 Merkt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 252 Rdnr. 15. 124 Vgl. nur Ulrich Dürr, in: Frotscher, EStG, § 11 Rdnr. 15. 125 Dürr, in: Frotscher, EStG, § 11 Rdnr. 15. 126 Vgl. zu den Fragen der Abschirmwirkung umfassend BFH vom 20. 3. 2002 – I R 63/99, DStR
2002, 1634. 127 Vgl. § 10 Abs. 2 Satz 1 AStG.
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Keine Wertrealisation in griffsfällen
Durchgriff und Leistungsfähigkeit
27
(Dividenden-) Anspruchs des Gesellschafters. Vielmehr erzeugt die Hinzurechnungs-
besteuerung eine Steuerbelastung, die eine Ausschüttung der ausländischen Einkünfte
jedenfalls dann veranlassen wird, wenn der Gesellschafter nicht anderweitig über
entsprechende finanzielle Mittel zum Ausgleich der entstehenden Steuerlast verfügen
kann.128 Mit der Ausschüttung kann sich der Steuerpflichtige erst die Mittel verschaf-
fen, mit denen er den Steueranspruch befriedigen kann. Mithin wird es in den von
§§ 7–14 AStG geregelten Fällen der Steuerzugriff nicht die Wertübertragung zwischen
Gesellschaft und Gesellschafter erfasst, daher ergibt sich vorliegend eine Durch-
brechung des Leistungsfähigkeitsprinzips. Dieses Ergebnis lässt sich im Hinblick auf die
tatbestandsmäßige Ausgestaltung der Hinzurechnungsbesteuerung bestätigen. Die
verwendeten Tatbestandsmerkmale der „qualifizierten Beteiligung“, der „niedrigen
Besteuerung“ (§ 8 Abs. 3 AStG) oder der nach § 8 Abs. 1 AStG bestimmten und so
genannten „passiven Einkünfte“ geben keinen Aufschluss darüber, dass eine tat-
sächliche Bereicherung des Gesellschafters der ausländischen Gesellschaft in den erfass-
ten Fällen gegeben ist. Man könnte einwenden, dass der beherrschende Gesellschaf-
ter – soweit man einen Fall unterstellt, in dem ein inländischer Gesellschafter mit
mehr als 50% an einer ausländischen Gesellschaft beteiligt ist – es in der Hand hat, eine
Ausschüttung vorzunehmen. Die rechtliche Möglichkeit, eine Ausschüttung herbeizu-
führen, ist jedoch nicht gleichzusetzen mit dem tatsächlichen Wertzufluss, der den
Anforderungen eines objektiven Vermögenszugangs gleichsteht. Geht man von einem
Fall aus, in dem mehrere im Inland steuerpflichtige Personen gemeinsam die Voraus-
setzungen einer Beteiligung im Sinne des § 7 Abs. 1 AStG erfüllen, zeigen sich die
Widersprüche, die sich aus der vorgenannten Argumentation ergeben. Von mehreren
Steuerpflichtigen ist der Einzelne nicht in der Lage, eine Ausschüttung zu erreichen.
Es fehlt in diesem Fall an einer rechtlichen Handhabe, um einen Gewinn-
verteilungsbeschluss herbeizuführen. Es lassen sich am Merkmal der Beteiligung im
Sinne von § 7 Abs. 1 AStG zahllose Fallvarianten beispielhaft beschreiben, in denen
die Hinzurechnungsbesteuerung zu zufälligen Ergebnissen führt, weil inländische
Anteilseigner in unterschiedlichen Konstellationen beteiligt sind. So könnte man nicht
erklären, weshalb denjenigen, der mit 2% an einer ausländischen Gesellschaft beteiligt
ist, die Hinzurechnungsbesteuerung trifft, weil eine weitere unbeschränkt steuer-
pflichtige Person 48,1% der Anteile hält. In einem solchen Fall wäre grundsätzlich
keiner der beiden inländischen Steuerpflichtigen rechtlich in der Lage, einen Gewinn- 128 Vgl. Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, § 7 Rdnr. 1; vgl. auch August Jagdfeld,
Steuerflucht und Steuerbekämpfung von Brüning bis Brandt, StuW 1972, 258; vgl. auch Gesetzes-begründung zum AStG: Bundestags-Drucksache VI/2883 vom 2. 12. 1971, 14.
Keine Wertrealisation in Durchgriffsfällen
28
verteilungsbeschluss zu erreichen. Die Hinzurechnungsbesteuerung ist daher nicht mit
dem Leistungsfähigkeitsprinzip vereinbar. Es ist deshalb zu prüfen, ob diese Durch-
brechung des Leistungsfähigkeitsprinzips nach den vom Bundesverfassungsgericht
gegebenen Anforderungen verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist.
III. Rechtfertigung
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts besteht für ausnahmsweise
zulässige Durchbrechungen des Leistungsfähigkeitsprinzips ein intensiver Rechtferti-
gungszwang. Die Anforderungen an den rechtfertigenden Grund hat das Gericht mit
der zunehmenden Verfestigung seiner Rechtsprechung zum Prinzip der Besteuerung
nach der Leistungsfähigkeit heraufgesetzt. Reichte es früher aus, dass der recht-
fertigende Grund „sachlich einleuchtete“, muss er heute „gewichtig“ sein. Es genügt
nach heutiger Rechtsprechung also nicht mehr jeder sachliche Grund. Ein sachlicher
Grund für die Durchbrechung des Leistungsfähigkeitsprinzips kann daher weder in
haushaltsmäßigen Überlegungen,129 noch in steuertechnischen Erwägungen130 über die
Wirkungsweise von Besteuerungsregeln und Besteuerungsverfahren gefunden wer-
den.131
Die vorgefundene Ungleichbehandlung ist deshalb daraufhin zu prüfen, ob „eine
Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behan-
delt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und
solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen kön-
nen.“132 Hierfür müssen die angeordneten unterschiedlichen Rechtsfolgen die Un-
gleichbehandlung nach Art und Ausmaß und ihrem Gewicht nach legitimieren; es
129 Vgl. dazu: R. Wendt, DÖV 1988, 710 (714); ders. NVwZ 1988, 778 (783); sowie BVerfGE 34,
103 (115). 130 Vgl. zu steuertechnischen Erwägungen BVerfG vom 2. 10. 1969 - 1 BvL 12/68, BVerfGE 27,
66; NJW 1969, 2133. Der Begriff steuertechnisch wird in der Rechtsprechung des BVerfG nicht definiert. In Anlehnung an das allgemeine Verständnis des Wortes „Technik“ kann hierunter die Gesamtheit aller Mittel der Besteuerung verstanden werden, mithin wird die Gesamtheit der Regeln und Verfahren auf denen der Steuerzugriff basiert. Vgl. zur allgemeinen Wortbedeutung etwa Wahrig, Deutsches Wörterbuch, Stichwort „Technik“. 131 Vgl. J. Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, 185. 132 BVerfG vom 17. 11. 1992 – 1 BvL 8/87, BVerfGE 87, 234 (255); BVerfG vom 10. 1. 1995 – 1
BvF 1/90 u. a., BVerfGE 92, 26 (52); vgl. Hans D. Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 3 GG, Rdnrn. 4 f.
47 Verfassungrechtliche Rechtfertigung
48
Verfassungsrechtliche Rechtfertigung
29
bedarf des Nachweises eines inneren Zusammenhangs zwischen den vorgefundenen
Verschiedenheiten.133
Verstößt eine Regelung gegen das Gebot der Besteuerung nach der Leistungsfä-
higkeit, prüft das Bundesverfassungsgericht die sachliche Legitimation anhand des
Maßstabs der Verhältnismäßigkeit. Die Gründe für eine Gleich- oder Ungleichbe-
handlung müssen umso schwerwiegender sein, je gravierender der Grad der Gleich-
bzw. Ungleichbehandlung ist. Da das Leistungsfähigkeitsprinzip das Grundprinzip des
deutschen Ertragsteuerrechts bildet, bedarf seine Durchbrechung eines besonderen
sachlichen Grundes und nicht bloß des Nachweises fehlender Willkür. Die von den
§§ 7–14 AStG ausgehende Differenzierung ist verfassungsrechtlich zulässig, wenn sie
„hinsichtlich eines solchen Gesichtspunktes ungleich ist, der innere Bezüge zu der
Eigenart der normierten Materie aufweist, wenn die unterschiedliche Behandlung also
nach ihrem Grund und ihrer Auswirkung in der Sache selbst begründet ist.“134
1. Mögliche Rechtfertigungsgründe
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kommt es für die ver-
fassungsrechtliche Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung nicht darauf an, ob der
Gesetzgeber ein hinreichend rechtfertigendes Gemeinwohlziel formuliert hat. Notwen-
dig und ausreichend ist es nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts, wenn sich
die Verschiedenbehandlung aus dem objektiv erkennbaren Sinn und Zweck der
Norm rechtfertigen lässt.135 Für die verfassungsrechtliche Rechtfertigung der durch die
Hinzurechnungsbesteuerung hervorgerufenen Ungleichbehandlung können entspre-
chend der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts also alle Gründe in Betracht
gezogen werden, die in Rechtsprechung und Literatur zu ihrer Rechtfertigung gel-
tend gemacht werden.
Ursprüngliche Zielsetzung der §§ 7–14 AStG. Die Vorschriften über die „Be-
teiligung an ausländischen Zwischengesellschaften“136 stellen eine Maßnahme gegen Steuer-
133 Siehe dazu R. Wendt, Der Gleichheitssatz, NVwZ 1988, 778 (781); ders., Spreizung von Kör-
perschaftsteuersatz und Einkommensteuersatz als Verfassungsproblem, in: Festschrift Friauf, 865. 134 Vgl. hierzu R. Wendt, Der Gleichheitssatz, NVwZ 1988, 778 (782). 135 Vgl. dazu BVerfG vom 2. 11. 1992 – 1 BvL 29/87, BVerfGE 85, 238 (245); dagegen mit guten
Gründen Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, 2. Aufl. 2000, S. 325 ff. 136 Vgl. die Überschrift des IV. Teils des AStG.
49
50
Mögliche Rechtfertigungsgründe
51
Mögliche Rechtfertigungsgründe
30
verlagerung durch den Einsatz ausländischer Kapitalgesellschaften dar.137 Die Hinzu-
rechnungsbesteuerung sollte Wettbewerbsverzerrungen zwischen (im Vergleich zur
deutschen Körperschaftsteuerbelastung) niedrig besteuerten ausländischen Kapitalgesell-
schaften auf der einen und inländischen Gesellschaften auf der anderen Seite zurück-
drängen und somit den Einfluss des von manchen ausländischen Steuerrechtsordnungen
ausgehenden geringen Körperschaftsteuerniveaus auf die Standortwahl von Investitionen
neutralisieren.138 Die §§ 7–14 AStG bezweckten mithin, für bestimmte, niedrig be-
steuerte Einkünfte die Abschirmwirkung der ausländischen Gesellschaft zu durchbre-
chen.139 Die Grundproblematik der den §§ 7–14 AStG zugrunde liegenden Sachverhalte
wurde deshalb in der von der ausländischen Gesellschaft ausgehenden Abschirmwirkung
erkannt, mit der eine Besteuerung der im Ausland erzielten Einkünfte gezielt vermieden
werden konnte.140
Systemwechsel im Körperschaftsteuerrecht. Die Novellierung des deutschen
Körperschaftsteuersystems im Zuge der so genannten „Unternehmensteuerreform“ im
Jahre 2001 veränderte die Zielsetzung der Hinzurechnungsbesteuerung.141 Dies war
insbesondere bedingt durch die Abschaffung des körperschaftsteuerlichen Anrechnungsver-
137 Vgl. dazu Helmut Debatin, Die Basisgesellschaft in der Wertung, StuW 1967, 312 (314); Erlass
des Finanzministers von Niedersachsen vom 14. 6. 1965 – S 1301–99– 31 1, BStBl. II 1965, 74 f.; August Jagdfeld, Steuerflucht und Steuerbekämpfung von Brüning bis Brandt, StuW 1972, 258; Zur Entstehungsgeschichte der §§ 7–14 AStG vgl. Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, § 7 AStG, Rdnr. 1. 138 Zu den gesetzgeberischen Motiven vgl. die Regierungsbegründung zum AStG: Bundestags-
Drucksache IV/2412 sowie Bundestags-Drucksache VI/2883 vom 2. 12. 1971, 14. Kritisch: Heinz-Jürgen Telkamp, Der Außensteuergesetzentwurf, Kritische Stellungnahme zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung über die Besteuerung bei Auslandsbeziehungen, StuW 1972, 97; grundlegende Kritik auch bei Horst Vogel, Aktuelle Fragen des Außensteuerrechts, BB 1971, 1185. 139 Vgl. dazu Harald Schaumburg, Internationales Steuerrecht, Außensteuerrecht/Doppelbesteuer-
ungsrecht, 2. Auflage, Köln 1998, 10. 2.; Heinz Jürgen Selling, Die Abschirmwirkung ausländischer Basisgesellschaften gegenüber dem deutschen Fiskus, DB 1988, 930 ff.; Gabriele Vogt, in: Blümich, EStG, KStG, UmwStG/AStG, Kommentierung zum Außensteuergesetz, Vor §§ 7–14, Rdnr. 2; vgl. auch Hannes Scheibnitz, Außensteuerliche Abschirmwirkung von Genussrechten, RIW 2003, 196; Heribert Zitzelsberger, Die deutsche Steuerreform im internationalen Kontext, IStR 2001, 527. 140 Siehe dazu die Gesetzesbegründung bei Einführung des AStG: Bundestags-Drucksache VI/2883
vom 2. 12. 1971, 26 f. 141 Zu den systematischen Bedenken Menck, Die unverborgene Krise des Außensteuerrechts, IStR
2001, 279; Rättig/Protzen, Die neue Hinzurechnungsbesteuerung der §§ 7–14 AStG in der Fassung des UntStFG, IStR 2002, 123; dies., Unbeabsichtigter Systemwechsel bei der Hinzurechnungsbe-steuerung von Kapitalgesellschaften als Folge des Steuersenkungsgesetzes? IStR 2000, 394; siehe auch Harald Schaumburg, Systemdefizite im internationalen Steuerrecht, StuW 2000, 369; Wassermeyer, Der Scherbenhaufen Hinzurechnungsbesteuerung, EuZW 2000, 513.
52
Verfassungsrechtliche Rechtfertigung
31
fahrens142. Die mit dem Steuersenkungsgesetz143 vom 23. 10. 2000 begonnene Unter-
nehmenssteuerreform vollzog einen körperschaftsteuerlichen Systemwechsel, mit dem
das durch das Körperschaftsteuergesetz 1977 vom 31. 8. 1976144 eingeführte Anrech-
nungsverfahren durch ein neues Körperschaftsteuersystem abgelöst wurde.145 Die
durch das Steuersenkungsgesetz eingeführten steuerlichen Regeln belasten das zu
versteuernde Einkommen (§ 7 Abs. 1 KStG) unbeschränkt körperschaftsteuerpflichti-
ger Kapitalgesellschaften mit tariflicher Körperschaftsteuer in Höhe von 25 % (§ 23
Abs. 1 KStG). Der Anteilseigner wird, vorausgesetzt es handelt sich um eine natürli-
che Person, in Höhe der Hälfte mit dem aus der Gewinnausschüttung entstehenden
Kapitalertrag nach § 3 Nr. 40 Buchst. d EStG der Einkommensbesteuerung unterwor-
fen. Erhält eine Kapitalgesellschaft die Dividende, erfolgt kann der Dividendenbezug
dies in vollem Umfang steuerfrei erfolgen, denn nach § 8b Abs. 1 KStG bleibt der
Bezug im Sinne des § 20 Abs. 1 Nrn. 1, 9, 10 EStG bei der Ermittlung des Einkom-
mens außer Ansatz. Die Zielsetzung der Hinzurechnungsbesteuerung wird inzwischen
darin erkannt, die Vorbelastung für Unternehmensgewinne ausländischer Kapitalge-
sellschaften herzustellen, um die gegenüber der deutschen Körperschaftsteuerbelastung
vergleichsweise geringere Belastung auszugleichen. Im Schrifttum wurde daher argu-
mentiert, dass die Hinzurechnungsbesteuerung ersatzweise an Stelle des Anrechnungs-
142 Gesetz vom 23. 10. 2000 zur Entlastung der Unternehmen und zur Senkung der Steuersätze –
Steuersenkungsgesetz (StSenkG), BGBl. I 2000, 1433; BStBl. I 2000, 1428. Siehe zu den Änderun-gen in der Folge: Dieter Grützner, Änderung des AStG im Zusammenhang mit dem Übergang auf das Halbeinkünfteverfahren, NWB Fach 2, 7831; Gerd Stuhrmann, Die Anpassungen des Außensteuer-gesetzes im Rahmen des UntStFG, PIStB 2002, 30; Siegfried Grotherr, Erneute Reform der Hinzu-rechnungsbesteuerung durch das Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz, IWB 2002/8 Fach 3, Gruppe 1, 1883-1902 IWB 2002/9 Fach 3, Gruppe 1, 1903-1916; Thomas Menck, Die Fort-entwicklung der internationalen Unternehmensbesteuerung auf der 18. Hamburger Tagung zur internationalen Besteuerung am 7.12.2001, FR 2002, 241. 143 Gesetz vom 23. 10. 2000 zur Entlastung der Unternehmen und zur Senkung der Steuersätze –
Steuersenkungsgesetz (StSenkG), BGBl. I 2000 1433; BStBl. I 2000, 1428. Vgl. dazu Christoph Spengel/Claudia Jaeger/Katja Müller, Europarechtliche Beurteilung des Gesetzesentwurfs zur Senkung der Steuersätze und zur Reform der Unternehmensbesteuerung, IStR 2000, 257. 144 BGBl. I 1976, 2597, BStBl. I 1976, 445. 145 Vgl. zur verfassungsrechtlichen Problematik des Anrechnungsverfahrens: Wilhelm Grasnick,
Verfassungsrechtliche Untersuchung der außensteuerlichen Wirkungen eines Anrechnungsverfahrens bei der Körperschaftsteuer, StuW 1973, 131. Zur europarechtlichen Dimension: Jörg Manfred Möss-ner/Dietrich Kellersmann, Freiheit des Kapitalverkehrs in der EU und das deutsche Körperschaftsteuer-anrechnungsverfahren, DStZ 1999, 505; Daniel Müller, Gedanken zur „Europatauglichkeit“ der neuen Dividendenbesteuerung, IStR 2002, 109; zusammenfassend: Hans-Georg Raber, Zur Umset-zung der Körperschaftsteuerreform – Europarechtliche und verfassungsrechtliche Aspekte, DB 1999, 2592.
Das Argument der „fehlenden Vorbelastung“
32
verfahrens in den von ihr erfassten Fällen die „Ausschüttungsbelastung“ für niedrig be-
steuerte Einkünfte sicherstelle (so bezeichnete „Duplizität“)146.
2. Erfordernis einer ausreichenden Vorbelastung
Es ist zu prüfen, ob die Durchbrechung des Leistungsfähigkeitsprinzips legitimiert ist,
weil eine „ausreichende“ Vorbelastung“ für niedrig besteuerter Unternehmensein-
künfte ausländischer Kapitalgesellschaften hergestellt werden soll.147 Das vom Steuer-
senkungsgesetz148 eingeführte neue Körperschaftsteuersystem berücksichtigt typisiert
die Vorbelastung mit Körperschaftsteuer, indem nach § 8b Abs. 1 KStG und § 3
Nr. 40 EStG die Dividende bei der Besteuerung des Anteilseigners ganz bzw. zum
Teil unberücksichtigt bleibt.149 Weder im Körperschaftsteuergesetz noch im Einkom-
mensteuergesetz ist eine Rechtsgrundlage vorhanden, die auf das Erfordernis einer
Vorbelastung bei der Besteuerung von Körperschaften hinweist, bei der Besteuerung
des Anteilseigners kommt es daher auf die tatsächliche Vorbelastung einer Divi-
dende nicht an.150
Insbesondere die steuerliche Entlastung einer Dividende nach § 8b Abs. 1 KStG
setzt keinen selbstständigen Vorbelastungstatbestand, keine Aktivitätsklausel oder einen
konkreten Nachweis der Vorbelastung voraus. Die Kommission zur Reform der
Unternehmensbesteuerung, von der das neue Körperschafsteuerrecht maßgebend
beeinflusst war, hatte dazu folgende Überlegungen angestellt:
„[…] 3. Gewinnausschüttungen ausländischer Kapitalgesellschaften werden bei ausreichen-
der steuerlicher Vorbelastung wie inländische Dividenden behandelt. Sie sind von den inländi-
schen Gesellschaftern nur zur Hälfte der deutschen Einkommensteuer zu unterwerfen. Damit ist
das System europatauglich.
4. Zur Vermeidung von Mehrfachbelastungen sind Ausschüttungen an inländische Kapital-
gesellschaften ohne Rücksicht auf eine bestimmte Beteiligungshöhe und Mindestbesitzzeit von der
146 Vgl. zu diesem Begriff Schönfeld, Hinzurechnungsbesteuerung und Gemeinschaftsrecht, 119. 147 Vgl. dazu Kommission zur Reform der Unternehmensbesteuerung (Brühler Empfehlungen), BB 1999,
1188, dort Abschnitt II. 3.; Thomas Menck, Halbeinkünfteverfahren, Schachtelprivileg über die Grenze und Außensteuergesetz, IWB 2000, Gruppe 1, 1639; Lieber, in: Herrmann/Heuer/Raupach, Vor § 7 AStG, Rdnrn. 3 f. 148 Gesetz vom 23. 10. 2000 zur Entlastung der Unternehmen und zur Senkung der Steuersätze –
Steuersenkungsgesetz (StSenkG), BGBl. I 1433; BStBl. I 2000, 1428. 149 So auch J. Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 9 Rdnr. 50. 150 Vgl. Lieber, in: Herrmann/Heuer/Raupach, Vor § 7 AStG Rdnrn. 3 und 5; Wassermeyer,
Schriftenreihe Beratungsakzente, 83.
Das Argument der „fehlenden tung“
53
54
Verfassungsrechtliche Rechtfertigung
33
Körperschaftsteuer befreit. Bei Dividenden aus dem Ausland setzt dies eine ausreichende steuerli-
che Vorbelastung im Ausland voraus. […]“151
Die unter Punkt 4. (dort im zweiten Satz) gegebene Überlegung, nach der eine aus-
reichende steuerliche Vorbelastung im Ausland vorausgesetzt wird, steht erkennbar in Zu-
sammenhang mit der unter Punkt 4. (dort im ersten Satz) beschriebenen Vermeidung ei-
ner Mehrfachbelastung. Dies folgt aus dem Sinnzusammenhang der beiden zitierten Sätze
und der Verwendung der Worte „setzt dies“, die sich erkennbar da sich dieser Satzteil
grammatikalisch auf den Begriff „Vermeidung einer Mehrfachbelastung“ im ersten
Satz beziehen. Danach müsste der Satz wie folgt verstanden werden: „Bei ausländischen Di-
videnden setzt die Vermeidung einer Mehrfachbelastung eine ausreichende Vorbelastung voraus“. Ei-
ne Mehrfachbelastung kann sich jedoch nicht ergeben, wenn die ausreichende Vorbelas-
tung fehlt und muss daher auch nicht vermieden werden.
Da das ausländische Steuerniveau in Folge der typisierenden Vorschriften in § 8b
Abs. 1 KStG und § 3 Nr. 40 EStG unmittelbar auf der Ebene des inländischen An-
teilseigners wirksam wird,152 wurde der Hinzurechnungsbesteuerung eine Ausgleichs-
und Sicherungsfunktion für das „internationale offene System“ des Ausgleichs von
Körperschaftsteuer und Ausschüttungsbesteuerung zuerkannt, welche die fehlende
Vorbelastungsklausel des Anrechnungsverfahrens ersetze.153 Der Gesetzgeber geht
davon aus, dass die Unternehmensgewinne regelmäßig einer Belastung mit Körper-
schaftsteuer unterliegen.154 Tatsächlich treten Verwerfungen in der steuerlichen Belas-
tungswirkung auf, sofern die tatsächliche Vorbelastung mit Körperschafsteuer fehlt
oder vergleichsweise gering ist. Der Gesetzgeber hält in diesen Fällen die Wirkung der
Typisierung für unzureichend und nivelliert Belastungsunterschiede, indem er auslän-
dische Unternehmenseinkünfte, deren Vorbelastung weniger als 25 % beträgt (§ 8
151 Kommission zur Reform der Unternehmensbesteuerung (Brühler Empfehlungen), BB 1999,
1188 (1189). 152 Vgl. auch Birgit Hadenfeldt, Die Hinzurechnungsbesteuerung nach dem Außensteuergesetz von
Einkünften aus deutschen Quellen, 274 f. 153 Vgl. Vogt, in: Blümich, EStG/KStG/AStG, Vorbemerkungen zu §§ 7–14 AStG, Rdnr. 2b. 154 Vgl. schon Kommission zur Reform der Unternehmensbesteuerung (Brühler Empfehlungen), BB
1999, 1188, IV. A 2 d sowie die Begründung zum Regierungsentwurf des Steuersenkungsgesetzes, Bundestags-Drucksache 14/3074.
55
56
Das Argument der „fehlenden Vorbelastung“
34
Abs. 3 AStG) der inländischen Besteuerung nach §§ 7–14 AStG aussetzt.155 Die §§ 7–
14 AStG sollen daher steuertechnisch eine ausreichende Vorbelastung im neuen
Körperschaftsteuersystem gewährleisten.156 Dies wird gesetzestechnisch erreicht, indem
§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchstabe d EStG (die Vorschrift stellt Dividendenbezüge zur Hälfte
steuerfrei) und § 8b Abs. 1 des KStG (die Vorschrift stellt Dividendenbezüge in vol-
lem Umfang steuerfrei) nicht auf den Hinzurechnungsbetrag anzuwenden sind (§ 10
Abs. 2 Satz 3 AStG), so dass die Einkünfte der ausländischen Gesellschaft auf der
Ebene des Anteilseigners besteuert werden.157 Der Hinzurechnungsbetrag wird somit
als „Quasi-Dividende“ unabhängig von einer Ausschüttung in vollem Umfang der
Besteuerung auf der Ebene des Anteileseigners unterworfen.158
Eine typisierende Betrachtungsweise wie sie das neue Körperschaft-
steuersystem für die Vorbelastung einer Dividende vorsieht, ist grundsätzlich verfas-
sungsrechtlich gestattet, um die Verwaltung und Ordnung von „Massenerscheinun-
gen“, wie sie insbesondere im Steuerrecht und in der Steuerverwaltung auftreten, zu
vereinfachen.159 Eine gesetzliche Typisierung kann nach der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgericht eine Ungleichbehandlung im Sinne von Art. 3 Abs. 1 GG
rechtfertigen, sofern die von der Typisierung ausgehenden Ungerechtigkeiten „ledig-
155 Dieser Umstand wurde im Bericht des Bundesministeriums für Finanzen über die Fortentwick-
lung des Unternehmenssteuerrechts behandelt. Danach solle eine Vorbelastung von 25 vH als ausreichend anzusehen sein. BMF (Hrsg.), Bericht zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuer-rechts vom 19. 4. 2001, Berlin 2001, 83; vgl. auch den Nachweis bei Wolff, Überlegungen des Bundesfinanzministeriums zur mittelfristigen Weiterentwicklung des Außensteuergesetzes, IStR 2001, 440; zum Erfordernis einer Vorbelastung aus europäischer Sicht: OECD, Harmful Tax Com-petition, An Emerging Global Issue, 1998 (1998 Report) sowie Harmful Towards Global Tax Co-operation, Report to the 2000 Ministerial Council Meeting and Recommendations by the Commit-tee on Fiscal Affairs, Progress in Identifying and Eliminating Harmful Tax Practices, 2000 (2000 Report). 156 Vgl. Regierungsbegründung, Bundestags-Drucksache 14/3074, 4; Bundestags-Drucksache
14/2683,120. 157 Problematisch ist indes schon der Zeitpunkt für die Anwendung der Regelung in § 10 Abs. 2
Satz 3 AStG. Der Hinzurechnungsbetrag für das Wirtschaftsjahr 2000 (Hinzurechnung am 1. 1. 2001), unterliegt nicht der Anwendung des § 10 Abs. 2 Satz 3 AStG; § 8b Abs. 1 KStG i. d. F. des Steuersenkungsgesetzes sowie § 3 Nr. 40 EStG sind aber schon anzuwenden. Vgl. hierzu Hans-Martin Eckstein/Caroline Naumburg, Sind die Hinzurechnungsbeträge des Jahres 2001 steuerfrei bzw. dem Halbeinkünfteverfahren unterworfen? IStR 2004, 490. 158 Vgl. zu den Belastungswirkungen und dem Richtungswechsel in der Zielsetzung der Hinzu-
rechnungsbesteuerung nach dem Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz Markus Maier-Frischmuth, Systemkonforme Hinzurechnungsbesteuerung nach dem Entwurf des UntStFG? IStR 2001, 610. 159 Vgl. dazu etwa BVerfG vom 6. 3. 2002 – 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73, BGBl. I 2002, 1305;
BStBl. II 2002, 618, NJW 2002, 1103.
57
Verfassungsrechtliche Rechtfertigung
35
lich eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen und dass der Verstoß
gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv“160 ist. Die Typisierung soll dazu dienen,
komplizierte Lebenssachverhalte übersichtlich zu regeln, so dass die Verwirklichung
des Steueranspruchs verfahrensrechtlich erleichtert wird.161 Der Gesetzgeber darf
deshalb innerhalb eines weiten Beurteilungs- und Gestaltungsspielraums typisierende
und pauschalierende Regelungen schaffen.162 Nach der Rechtsprechung des Bundes-
verfassungsgerichts darf ein steuererheblicher Vorgang typisiert in einer steuerlichen
Vorschrift geregelt werden. Der Gesetzgeber kann sich in diesem Regelungsbereich
von den tatsächlichen Erscheinungen ein „Gesamtbild“ machen und eine Regelung
an diesem „Gesamtbild“ orientieren indem er den „typischen Lebensvorgang“
erfasst und die Steuernorm daran ausrichtet.163 Eine typisierende Regelung ist dann
unter weiteren, vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Voraussetzungen zulässig:
Es muss zunächst ein erkennbares Bedürfnis für eine typisierende Regelung bestehen
und die Typisierung muss sich dazu eignen, einen Vereinfachungszweck zu erreichen.
Die Typisierung muss sachgerecht und realitätsgerecht sein164 und der Gesetzgeber
muss laufend sicherstellen, ob die für eine von ihm geschaffene typisierende Regelung
ursprünglich maßgeblichen rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse noch vorliegen,
oder ob eine Anpassung oder Aufhebung der typisierenden Regelung wegen der
Veränderung oder des Wegfalls des Typisierungsgrundes notwendig ist.165 Schließlich
ist eine typisierende Regelung auch nur zulässig, wenn die durch sie hervorgerufenen
Härten und Ungerechtigkeiten nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären, des
Weiteren muss die Typisierung verhältnismäßig sein.166
Das Finanzgericht München hat sich in einer Entscheidung aus dem Jahre 2004
mit den Besteuerungsfolgen des neuen Körperschafsteuersystems auseinandergesetzt
und geprüft, von welchem „Gesamtbild“ der Gesetzgeber ausgegangen ist.167 Das
Gericht hat bestätigt, dass der Gesetzgeber in verfassungsrechtlich zutreffender Weise
160 Vgl. etwa BVerfG vom 28. 4.1999 – 1 BvL 22/95, 34/95, BVerfGE 100, 59 (90). 161 Vgl. BVerfG vom 24. 1. 1962, 1 BvR 845/58, BVerfGE 13, 331, 341; vom 20. 12. 1966, 1
BvR 320/57, 1 BvR 70/63, BVerfGE 21, 12 (27); BVerfG vom 10. 4. 1997, 2 BvL 77/92, BVerfGE 96, 1 (6). 162 Vgl. BVerfG vom 29. 11. 1989, 1 BvR 1402, 1528/87, BVerfGE 81, 108, unter B II. 1 der
Entscheidungsgründe. 163 BVerfG vom 10. 4. 1997, 2 BvL 77/92, BVerfGE 96, 1 (6 f.), DStR 1997, 954 164 Vgl. Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 22. 6. 1995 2 BvL 37/91, BVerfGE 93,
121, 136, BStBl. II 1995, 655 (661) und vom 11. 11. 1998 2 BvL 10/95, BVerfGE 99, 280 (290). 165 BVerfG vom 11. 11. 1998 - 2 BvL 10/95, DStRE 1999, 202. 166 BVerfG vom 10. 4. 1997, 2 BvL 77/92, BVerfGE 96, 1 (7). 167 FG München vom 9. 9. 2004 – 7 K 2991/03, DStRE 2005, 583.
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Das Argument der „fehlenden Vorbelastung“
36
die Anrechnung tatsächlich gezahlter Körperschaftsteuer zu Gunsten einer Typisierung
der Vorbelastung aufgegeben hat und stellte in der Entscheidung fest, dass die Über-
gangsregelungen über die Besteuerung von Gewinnen durch das Halbeinkünfteverfah-
ren eine zulässige Typisierung darstelle. Der Gesetzgeber habe den ihm zur Verfügung
stehenden Gestaltungsspielraum nicht überschritten. Das neue Körperschaftsteuersys-
tem sollte im Regelfall vergleichbare Folgen wie zuvor das Anrechnungsver-
fahren hervorrufen. Das Gericht argumentierte, dass unter Geltung des Halbeinkünf-
teverfahrens nicht die Vorbelastung des ausgeschütteten Betrags im Zeitpunkt der
Gewinnausschüttung rückwirkend beseitigt werde, die vom Steuersenkungsgesetz
vorgesehene Besteuerung aber zu einer „gleichen Gesamtsteuerlast wie beim Anrechnungs-
verfahren“ führe.168
Das körperschaftsteuerliche Anrechnungsverfahren belastete den von einer Kör-
perschaft erwirtschafteten Gewinn mit dem persönlichen Steuersatz des Anteilseigners.
Es beseitigte daher die wirtschaftliche Doppelbelastung auf der Ebene der Gesellschaft
und des Anteilseigners. Das Anrechnungsverfahren belastete das Einkommen körper-
schaftsteuerpflichtiger juristischer Personen (§ 1 KStG) im Falle der Ausschüttung mit
30 % Körperschaftsteuer auf Ebene der die Dividende beziehenden Kapitalgesellschaft
(§ 27 Abs. 1 KStG 1999169). Für Gewinnausschüttungen, die einer steuerlichen Vorbe-
lastung des Gewinns durch Körperschaftsteuerbelastung von zuletzt 30 % unterlagen,
wurde die endgültige Belastung mit dem persönlichen Steuersatz des Anteilseigners
hergestellt, indem die Körperschaftsteuer auf die Steuerschuld des Anteilseigners ange-
rechnet wurde.170 Gelangten die aus diesem Einkommen resultierenden Kapitalteile als
Dividende171 an einen Gesellschafter, konnte die Körperschaftsteuerbelastung (die auf
Ebene der Gesellschaft entstanden war) auf die individuelle Steuerschuld des Gesell-
168 FG München vom 9. 9. 2004 – 7 K 2991/03, DStRE 2005, 583. 169 Körperschaftsteuergesetz 1999 (KStG 1999) in der Fassung der Bekanntmachung vom
22. 4. 1999, BGBl. I 1999, 817; Neubekanntmachung des KStG in der Fassung der Bekanntma-chung vom 22. 2. 1996 (BGBl. I 1999, 340). 170 Technisch wurde dies dadurch erreicht, dass einerseits die konkrete Vorbelastung des ausge-
schütteten Betrags im verwendbaren Eigenkapital „vermerkt“ wurde und bei Ausschüttung der Unterschied zur vorgegebenen Ausschüttungsbelastung durch eine Minderung oder Erhöhung der Körperschaftsteuerschuld ausgeglichen wurde. Andererseits wurde dem Anteilseigner zum Ausschüt-tungsbetrag nach § 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG die verbliebene Ausschüttungsbelastung als steuerbare Einnahme zugerechnet und auf die dadurch entstandene Einkommensteuer nach § 36 Abs. 2 Nr. 3 EStG angerechnet. 171 Siehe dazu § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG als Rechtsgrundlage für die Besteuerung auf Ebene eines
einkommensteuerpflichtigen Gesellschafters.
59
Verfassungsrechtliche Rechtfertigung
37
schafters angerechnet werden.172 Im Ergebnis wurde die auf der Ebene der Körper-
schaft bestehende steuerliche Vorbelastung auf die zu entrichtende Einkommensteuer
des Anteilseigners angerechnet (vgl. § 20 Abs. 1 Nr. 3 i. V. m. § 36 Abs. 2 Nr. 3
EStG). Kapitalteile, die von einer Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter im Wege der
Ausschüttung zugewendet wurden, unterlagen durchgehend einer Ausschüttungsbe-
lastung.
Das neue Körperschafsteuersystem sieht statt einer Anrechnung von Körperschaft-
steuer eine typisierende steuerliche Entlastung des Anteilseigners vor. Dass die Belas-
tungsfolgen des neuen Körperschaftsteuersystems mit den Belastungswirkungen des
Anrechnungsverfahrens vergleichbar sein sollten, wurde auch anhand von Vergleichs-
rechnungen im Schrifttum veranschaulicht.173 Die Vergleichsrechnungen basierten auf
der Annahme, dass eine Vorbelastung des Unternehmensgewinns von 25 % Körper-
schaftsteuer gegeben ist. Die typisierende Betrachtungsweise, wie sie im neuen Kör-
perschafsteuersystem eingeführt wurde, erzeugt also eine Gesamtsteuerlast, wie sie sich
unter der Geltung des Anrechnungsverfahrens ergeben hätte, sofern der Grenzsteuer-
satz des Anteilseigners etwa 40 % beträgt und der ausgeschüttete Betrag mit 25 % der
Körperschaftsteuer unterliegt und bildet als Typisierung verfassungskonform diesen
Regelfall ab. So formulierte das Finanzgericht München in der Entscheidung vom 9.
9. 2004:
„Nach Auffassung des Senats bestehen keine Zweifel, dass die Überlegung des Gesetzge-
bers, typisierend von einer gleichen Gesamtsteuerlast auszugehen, wenn der Grenzsteuer-
satz des Anteilseigners rund 40 % beträgt und der ausgeschüttete Betrag tatsächlich einer
Körperschaftsteuer von 25 % unterliegt, im rechten Verhältnis zu der mit der Typisierung
notwendig verbundenen ungleichen Belastung verschiedener Sachverhaltsgestaltungen
steht.“ 174
Ergeben sich bei Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens für den Anteilseigner
günstigere Belastungsfolgen, etwa im Fall der Ausschüttung unversteuerter oder nied-
rig versteuerte Vermögenszuwächse der Körperschaft, entspricht die Belastungswir-
kung des neuen Körperschafsteuersystems nicht dem „Gesamtbild“, also dem „typi-
schen“ Fall, an dem der Gesetzgeber die Typisierung der Vorbelastung orientiert
172 Vgl. dazu § 30 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 KStG 1999. 173 Siehe dazu Ernst&Young/BdI (Hrsg.), Die Unternehmenssteuerreform, 2. Auflage, 2000, 119. 174 Vgl. dazu FG München vom 9. 9. 2004 – 7 K 2991/03, DStRE 2005, 583 (588), die Revision
(Aktenzeichen des BFH – I R 107/04) blieb ohne Erfolg.
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61
Das Argument der „fehlenden Vorbelastung“
38
hat.175 Im Anwendungsbereich einer Typisierung sind jedoch etwaige Härten und
Ungerechtigkeiten hinzunehmen. Der Gesetzgeber darf einen steuerliche erheblichen
Vorgang „im typischen Lebensvorgang erfassen und individuell gestaltbare Besonder-
heiten unberücksichtigt lassen“.176 Damit sind im Bereich einer typisierenden Vor-
schrift die vom Bundesverfassungsgericht festgelegten Grenzen zu beachten:
„Nur geringfügige oder nur in besonderen Fällen auftretende Ungleichheiten sind freilich
unbeachtlich […]. Wirkt sich jedoch ein Steuergesetz, das durch eine besonders weite Fas-
sung des typisierten Sachverhalts äußerlich eine ungleiche Behandlung vermeidet, prak-
tisch dahin aus, dass ganze Gruppen von Steuerpflichtigen wesentlich stärker belastet sind
als andere und dadurch in eine empfindlich ungünstigere Wettbewerbslage geraten, so
können diese ungleichen Folgen in einem Missverhältnis zu den mit der Typisierung ver-
bundenen Vorteilen stehen. Ein solches Steuergesetz kann dem Art. 3 Abs. 1 GG wider-
sprechen.“177
Eine Typisierung darf also grundsätzlich in Einzelfällen realitätsferne Ergebnisse
hervorrufen, ohne gegen den Gleichheitssatz zu verstoßen.178 Der einzelne Steuer-
pflichtige kann durch die Regelung begünstigt sein, andere Steuerpflichtige werden
im Einzelfall benachteiligt. Solche Folgen sind einer Typisierung immanent, da nicht
auf die Besonderheiten des jeweils verwirklichten individuellen Sachverhalts abzustel-
len ist, sondern ein typischer Sachverhalt der Besteuerung zu Grunde gelegt wird.179
Da es auf eine im Einzelfall bestehende niedrige Vorbelastung nach dem objektiven
Regelungsgehalt der ansonsten verfassungsgemäßen Typisierung180 nicht ankommt,
entstehen die Besteuerungsfolgen bei typisierter Vorbelastung daher auch in atypi-
schen Fallgestaltungen. Die Hinzurechnungsbesteuerung kann daher nicht schon
dadurch legitimiert sein, dass das neue Körperschafsteuersystem im Einzelfall bei nied-
riger Vorbelastung realitätsferne Belastungsfolgen erzeugt.
Es liegt demnach in der Natur jeder typisierenden Regelung, dass sie die wirkli-
chen Verhältnisse des konkreten Falles nur unzureichend erfasst. Eine Abweichung
kommt allenfalls in Betracht, wenn die Typisierung zu offensichtlich völlig unzutref-
175 Siehe dazu Hey, in: Herrmann/Heuer/Raupach, KStG, vor § 36 Rdnr. R 44; Maier-Frischmuth,
Bestandsaufnahme und Zukunft der deutschen Hinzurechnungsbesteuerung (§§ 7 bis 14 AStG), IStR 2005, 361. 176 BVerfG vom 4. 4. 2001 – 2 BvL 7/98, BVerfGE 103, 310. 177 BVerfG vom 20. 12. 1966 - 1 BvR 320/57, 70/63, NJW 1967, 147 (148). 178 BVerfG vom 11. 11. 1998 - 2 BvL 10/95, DStRE 1999, 202. 179 Vgl. etwa BFH vom 18.12. 2003 – III R 31/03, DStRE 2004, 509. 180 Siehe hierzu etwa J. Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 9 Rdnr. 143.
62
63
Verfassungsrechtliche Rechtfertigung
39
fenden steuerlichen Ergebnissen führen würde.181 So ist etwa ein Pauschsatz für Fahrt-
kosten, der auf einer hohen Fahrleistung beruht, grundsätzlich auch dann anzusetzen,
wenn eine außergewöhnlich geringe jährliche Fahrleistung feststellbar ist; der Bundes-
finanzhof hält Ausnahmen von einer Typisierung, bei der die tatsächlichen Verhältnis-
se der Besteuerung zu Grunde gelegt werden nur in „ganz extremen“, „wirklich krassen“
Fällen für möglich.182 Wäre grundsätzlich die Abweichung von einer typisierenden
Regelung in atypischen Fällen möglich, wird eine – von der Typisierung an sich
angestrebte – Verwaltungsvereinfachung nicht erreicht werden können, da erneut
Schwierigkeiten bei Ermittlung der konkreten tatsächlichen Verhältnisse in jedem
Einzelfall auftreten.
Legt ein Gesetz ohne Rücksicht auf die individuellen Verhältnisse des Einzelfalls
eine Typisierung fest, muss wegen der sehr weitgehenden Typisierung in Kauf ge-
nommen werden, dass die Verhältnisse des Einzelfalls und daraus folgend auch unter-
schiedliche, realitätsferne Belastungsfolgen nicht berücksichtigt werden können, so
etwa wenn realitätsferne Belastungsfolgen entstehen, weil die tatsächliche Vor-
belastung hinter der als „angemessen“ und im Regelfall erwünschten Vorbelastung
von 25 % zurückbleibt. Solche realitätsfernen Belastungswirkungen entstehen in den
Fällen der Hinzurechnungsbesteuerung, sie treten aber gleichermaßen auch bei Bezug
aktiver Einkünfte auf, denn aktive, niedrig besteuerte Einkünfte erzeugen ebenfalls
nicht die Belastungsfolgen des vom neuen Körperschafsteuersystem typisierten Regel-
fall. Gleiches gilt, wenn passive, niedrig besteuerte Einkünfte erzielt werden und die
Beteiligungsvoraussetzungen (inländische Anteilseigner halten mehr als 50 % der
Anteile an der Zwischengesellschaft) des § 7 Absätze 2– 4 AStG nicht erreicht werden.
Im Schrifttum werden weitere Fälle genannt, in denen die Gewinne ausländischer
Kapitalgesellschaften, die auf die Ebene des einkommensteuerpflichtigen Anteilseigners
gelangen, nicht mit Körperschaftsteuer oder nur mit einer geringfügigen ausländischen
Ertragsteuer vorbelastet sind. So liegt es etwa in Fällen der Ausschüttung steuerfreier
181 BFH vom 13. 12. 2001 – III R 40/99, DStRE 2002, 432 (433). 182 Nach der Entscheidung BFH vom 13. 12. 2001 – III R 40/99, DStRE 2002, 432 (433) können
die tatsächlichen Aufwendungen für die Benutzung eines Pkw durch einen außergewöhnlich gehbe-hinderten Steuerpflichtigen abweichend von den im Regelfall anzuwendenden Pauschsätzen nur in krassen Ausnahmefällen als außergewöhnliche Belastung steuermindernd berücksichtigt werden. Ein solcher Fall sei nicht gegeben, weil die jährliche Fahrleistung weniger als die Hälfte der den Pausch-sätzen zu Grunde liegenden Jahresfahrleistung (zu Grunde gelegt waren: 15 000 km jährlich) beträgt.
64
Das Argument der „fehlenden Vorbelastung“
40
Veräußerungsgewinne (§ 8b Abs. 2 KStG), für die ebenfalls kein Ausgleich der Vorbe-
lastung vorgesehen ist.183
Die von der Hinzurechnungsbesteuerung erzeugte „Vorbelastung“ reagiert nur in
manchen Fällen auf die durch das System der Dividendenfreistellung angeordnete
Steuerfreistellung nach § 8b Abs. 1 KStG.184 Das Erfordernis einer „ausreichenden
Vorbelastung“ betrifft mithin nur eine Fallgruppe, in der eine atypische Belastungs-
wirkung entstehen kann. Stellt man nur auf die Belastungswirkung ab, ist nicht erklär-
bar, weshalb diese Belastungswirkung in anderen Fällen niedriger Vorbelastung nicht
ausgeglichen wird. Die Hinzurechnungsbesteuerung ist somit ihrer Bedeutung als
Spezialvorschriften für Sonderfälle enthoben worden, ohne dass sich mit diesen Vor-
schriften durchgehend eine ausreichende Vorbelastung erreichen ließe. Dabei ersetzt
die Hinzurechnungsbesteuerung nicht die fehlende ausländische Steuerbelastung,
vielmehr verschärft sie ohne Ausschüttungsvorgang die den Anteilseigner treffenden
Besteuerungsfolgen und orientiert diese an der individuellen Tarifbelastung des An-
teilseigners. Die sich hieraus ergebende rechtsformabhängige Besteuerungsfolge185 ist
mit dem Gedanken einer „ausreichenden Vorbelastung“ nicht vereinbar.
Es zeigt sich, dass die Hinzurechnungsbesteuerung der Aufgabe gerecht werden
soll, im neuen Körperschaftsteuersystem eine steuertechnische „Sicherungs- und
Ausgleichsfunktion“ einzunehmen. Mit dieser Zielsetzung soll das Besteuerungsver-
fahren abgestimmt werden, damit für Auslandsdividenden wegen der umfassenden und
vorbehaltlosen Steuerbefreiung nach § 8b Abs. 1 KStG die Besteuerungsfolgen eintre-
ten, die der Gesetzgeber für den Regelfall einer Inlandsdividende vorsieht. Im An-
wendungs- und Wirkungsbereich der Typisierung körperschaftsteuerlicher Vorbelas-
tung besteht mit der Hinzurechnungsbesteuerung eine Ausnahme, um das Raster der
183 Vgl. zu den Beispielen Lieber, in: Herrmann/Heuer/Raupach, Vor § 7 AStG Rdnr. 5: Allein
die (körperschaftsteuerliche) Befreiung von Veräußerungsgewinnen gemäß § 8b Abs. 2 KStG eröffne die Möglichkeit, dass unrealisierte Wertsteigerungen der Tochtergesellschaft – insbesondere stille Reserven im Anlagevermögen und ein selbst geschaffener Geschäftswert – steuerfrei auf die Ebene der Muttergesellschaft gelangen könnten und diese als nicht vorbelastete Gewinne ausgeschüttet werden könnten. 184 Wassermeyer, Schriftenreihe Beratungsakzente, 2002, 71. 185 Zutreffend: Frischmuth, Bestandsaufnahme und Zukunft der deutschen Hinzurechnungsbe-
steuerung, IStR 2005, 361. Die Einkünfte der ausländischen Gesellschaft werden nach den Vor-schriften des deutschen Steuerrechts ermittelt (§ 10 Abs. 4 AStG), der Hinzurechnungsbetrag unter-liegt der tariflichen Belastung des Anteilseigners. Je nach Rechtsform unterliegt der Hinzurech-nungsbetrag der Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer bzw. – wenn eine natürliche Person Anteilseigner ist – der Einkommensteuer. Die dadurch sich ergebende Steuerbelastung ist insbeson-dere auf die beabsichtigte Herstellung einer körperschaftsteuerlichen Vorbelastung ausländischer Unternehmensgewinne nicht erklärbar.
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Verfassungsrechtliche Rechtfertigung
41
Typisierung wie geplant auszurichten und um systembedingte, realitätsferne Besteue-
rungsfolgen zu vermeiden. Soweit die Zielsetzung der Hinzurechnungsbesteuerung
nunmehr darin besteht, eine ausreichende Vorbelastung sicherzustellen, beruht dies auf
steuertechnischen Überlegungen, die für sich genommen eine Durchbrechung des
Leistungsfähigkeitsprinzips nicht rechtfertigen.186
Mithin kommt eine Rechtfertigung der von der Hinzurechnungsbesteuerung aus-
gehenden Durchbrechung des Leistungsfähigkeitsprinzips nur in Betracht, wenn
weitere sachliche Gründe gegeben sind. Die sachliche Legitimation187 kann sich vor-
liegend aus der Bekämpfung von Steuerverlagerungen ergeben, wenn diese aufgrund
nicht wünschenswerter Steuervorteile in Form nomineller Steuerersparnis motiviert
sind. Dies ist in einem nächsten Schritt zu prüfen.
3. Vermeidung von steuerlichen Fehlentwicklungen
Die Befürworter der Hinzurechnungsbesteuerung berufen sich darauf, dass die Hinzu-
rechnungsbesteuerung geboten sei, da strikte einseitige Abwehrmaßnahmen gegen
Einkunftsverlagerungen zu einer Benachteiligung international tätiger deutschen
Unternehmen führen, die im Wettbewerb mit den Unternehmen anderer Länder
stehen.188 Ein Bedürfnis für die Hinzurechnungsbesteuerung bestehe insbesondere,
weil in anderen Staaten eine Tendenz zu beobachten sei, durch gezielte Steuer-
vergünstigungen Investitionen anzulocken.189 Der dadurch entstehende „Zwang, das
Steuersystem am internationalen Steuerwettbewerb auszurichten“ wird daher als
Argument für die Hinzurechnungsbesteuerung vorgebracht.190
Die vorgefundene Ungleichbehandlung von Unternehmenseinkünften, welche
unter den Voraussetzungen der Hinzurechnungsbesteuerung der Steuerpflicht auf der
Ebene des Gesellschafters unterliegen, könnte verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein,
wenn die Vorschriften über die Hinzurechnungsbesteuerung gegen die Verhinderung
von Steuerumgehungen eingesetzt werden. Der Gesetzgeber kann steuerlichen Fehl- 186 Vgl. J. Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, 185. 187 Vgl. dazu auch J. Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 9 Rdnr. 143. 188 Vgl. den Nachweis bei Wolff, Überlegungen des Bundesfinanzministeriums zur mittelfristigen
Weiterentwicklung des Außensteuergesetzes, IStR 2001, 440. 189 Vgl. dazu Bericht des BMF, Bericht zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts vom
19. 4. 2001; dazu Ulrich Wolff, Überlegungen des Bundesfinanzministeriums zur mittelfristigen Weiterentwicklung des Außensteuergesetzes, IStR 2001, 440; Ritter, Perspektiven für die Fortent-wicklung des deutschen internationalen Steuerrechts, IStR 2001, 430. Vgl. die Kommission zur Reform der Unternehmensbesteuerung (Brühler Empfehlungen), BB 1999, 1188, Teil IV A II 2 d aa). 190 Siehe zur Grundlage für dieses Argument Wolff, Überlegungen des Bundesfinanzministeriums
zur mittelfristigen Weiterentwicklung des Außensteuergesetzes, IStR 2001, 440.
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Verhinderung steuerlicher wicklungen
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Verhinderung steuerlicher Fehlentwicklungen
42
entwicklungen entgegenwirken, wenn er ein missbilligtes Ausweichverhalten erkennt,
etwa in den Fällen der Erzielung von Verlusten zur Generierung einer Steuer-
ersparnis191, oder des Wegzugs, um sich der Steuerpflicht für bestimmte Vermögens-
werte im Inland zu entziehen.192 Es könnte der von der Rechtsprechung anerkannte
Gemeinwohlbelang der Vermeidung steuerlicher Fehlentwicklungen gegeben sein.193
Hierfür ist zu prüfen, ob die von der Hinzurechnungsbesteuerung angeordneten
unterschiedlichen Rechtsfolgen die Ungleichbehandlung nach Art und Ausmaß sowie
ihrem Gewicht nach legitimieren; es bedarf des Nachweises eines inneren Zusammen-
hangs zwischen den vorgefundenen Verschiedenheiten.194 Die angeordneten Rechts-
folgen müssen in einem spezifischen Zusammenhang zu den vorgefundenen Verschie-
denheiten stehen.195
Weitgehende Einigkeit besteht im wissenschaftlichen Schrifttum hinsichtlich der
Aufgabe der Hinzurechnungsbesteuerung. Diese sei gegen die Verlagerung von Ein-
kunftsquellen durch Einsatz von Kapitalgesellschaften gerichtet, indem im Ausland
gewährte Steuerprivilegien beseitigt werden sollten.196 Gewinne ausländischer Kapital-
gesellschaften seien wegen der von der Kapitalgesellschaft als selbständigem Rechtsträ-
ger entfalteten Abschirmwirkung197 der inländischen Besteuerung entzogen.198 Deshalb 191 So etwa BFH vom 17. 10. 1990 – I R 182/87, BFHE 162, 307, BStBl. II 1991, 136 unter
B. III. 1.b) der Entscheidungsgründe. 192 BVerfG vom 14. 5. 1986 – 2 BvL 2/83, BVerfGE 72, 200 (245). 193 BVerfG vom 24. 1. 1960 – 1 BvL 32/57, BVerfGE 13, 290 (316) und BVerfG vom 11. 7. 1967
– 1 BvR 495/63, BVerfGE 22, 156 (161). So auch der Bundesfinanzhof, vgl. BFH vom 17. 10. 1990 – I R 182/87, BStBl. II 1991, 136, BFHE 162, 307 (310 ff.). Vgl. hierzu auch Nieder-sächsisches FG vom 13. 6. 2003 – 13 V 131/03, EFG 2003, 1316 unter II. 1. c. der Entscheidungs-gründe; Niedersächsisches FG, Urteil vom 23. 10. 2001 – 15 K 744/98, DStRE 2002, 490 (492); FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15. 12. 1998 – 2 K 2596/97, DStRE 1999, 706 (708); siehe auch R. Wendt, Der Gleichheitssatz, NVwZ 1988, 778 (785). 194 Siehe dazu R. Wendt, Der Gleichheitssatz, NVwZ 1988, 778 (781); ders., Spreizung von Kör-
perschaftsteuersatz und Einkommensteuersatz als Verfassungsproblem, in: Festschrift Friauf, 865. 195 R. Wendt, Der Gleichheitssatz, NVwZ 1988, 778 (784). 196 Vgl. dazu Debatin, Die Basisgesellschaft in der Wertung, StuW 1967, 312 (314); Bericht der
Bundesregierung „über die Wettbewerbsverfälschungen, die sich aus der Sitzverlagerung und aus dem zwischenstaatlichen Steuergefälle ergeben können“ (Oasenbericht), Bundestags-Drucksache IV/2412; in der Folge dazu Erlass des Finanzministers von Niedersachsen vom 14. 6. 1965 – S 1301 – 99 – 31 1, BStBl. 1965 II, 74 f. (Oasenerlass); zur Entstehungsgeschichte der §§ 7–14 AStG; Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, § 7, Rdnr. 1. AStG; Gesetzesbegründung: Bundes-tags-Drucksache VI/2883 vom 2. 12. 1971, 14. 197 Vgl. dazu die Regierungsbegründung zur Einführung des AStG, Bundestags-Drucksache
VI/2883 vom 2. 12. 1971, 26 f.; Selling, Die Abschirmwirkung ausländischer Basisgesellschaften gegenüber dem deutschen Fiskus, DB 1988, 930 ff.; Harald Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 10. 2; Norbert Herzig/Norbert Dautzenberg, Die deutsche Steuerreform ab 1999 und ihre Aspekte für das deutsche Außensteuerrecht und das internationale Steuerecht, DB 2000, 12 (18).
70
71
Verfassungsrechtliche Rechtfertigung
43
könne die Dividendenbesteuerung im Inland vom Steuerpflichtigen hinausgezögert
werden. Zudem entstünde bei Thesaurierung der Gewinne ein Zinsvorteil auf den
eingesparten inländischen Steuerbetrag.199 Diesen Effekt bezeichnet man als „tax
deferral“ (Steueraufschub).200 Es werden darüber hinaus noch weitere Möglichkeiten
beschrieben, in denen die Einschaltung einer ausländischen Kapitalgesellschaft gegen-
über einer Gestaltung mit inländischen Kapitalgesellschaften von Vorteil sein kann.
Hierzu gehört der als Abzugswirkung bezeichnete Effekt, Zinszahlungen an eine darle-
hensgebende ausländische Kapitalgesellschaft als Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG)
des Anteilseigners darzustellen und dadurch eine Verringerung der inländischen Be-
messungsgrundlage zu erreichen. Des Weiteren könne die ausländische Kapitalgesell-
schaft ihre Erträge dadurch verschleiern, d. h. die Aufklärung des Besteuer-
ungstatbestands durch die Finanzverwaltung erschweren, indem Kapital in „Steueroa-
sen“201 übertragen und der für die Besteuerung erforderliche Nachweis erschwert wird
(tax evasion). Deshalb geht auch der Bundesfinanzhof davon aus, dass die Vorschriften
über die Hinzurechnungsbesteuerung als konzeptionelle Maßnahme gegen „Steu-
erflucht“ durch Einschaltung ausländischer Gesellschaften anzusehen sind.202 Die Hin-
zurechnungsbesteuerung trägt diesem Umstand Rechnung, indem die Abschirm-
wirkung einer ausländischen Kapitalgesellschaft durchbrochen wird. Der Gesetzgeber
macht schon bei der Einführung der §§ 7–14 AStG geltend, dass ein steuerlicher
198 Dazu Harald Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 10. 2.; Selling, Die Abschirmwirkung
ausländischer Basisgesellschaften gegenüber dem deutschen Fiskus, DB 1988, 930 ff.; vgl. auch Gesetzesbegründung: Bundestags-Drucksache VI/2883 vom 2. 12. 1971, 26 f. 199 So schon bei Einführung der Hinzurechnungsbesteuerung die Regierungsbegründung, Bundes-
tags-Drucksache VI/2883, Rdnr. 27. 200 Vgl. Matthew Sullivan/Robert Wallner/Stephan Wübbelsmann, Die deutsche Hinzurechnungsbe-
steuerung auf dem europäischen Prüfstand, IStR 2003, 6 (7). Dazu schon „Oasenberichte“: Bundes-tags-Drucksache VI/2883, Rdnrn. 27 und 32, wonach Steuervorteile daraus resultieren, dass die Abschirmwirkung besteht. 201 Siehe etwa Gerd Morgenthaler, Steueroasen und Hinzurechnungsbesteuerung, IStR 2000, 289. 202 BFH 19. 1. 2000 – I R 117/97 und I R 94/97, BStBl. II 2001, 222; BFH/NV 2000, 824.
Verhinderung steuerlicher Fehlentwicklungen
44
Vorteil im Ausland aufgrund des dortigen niedrigen Steuerniveaus bestehe.203 Steuer-
vorteile für bestimmte ausländische Kapitalgesellschaften werden egalisiert, soweit
diese sich aus der Ausnutzung der Abschirmwirkung ergeben.204
Konzeptionell erreicht der Gesetzgeber die Durchbrechung der Abschirmwirkung,
indem „Zwischeneinkünfte“ einer ausländischen Gesellschaft bei jeder der an dieser
Gesellschaft beteiligten unbeschränkt steuerpflichtigen Personen mit dem Teil steuer-
pflichtig205 sind, der auf die ihm zuzurechnende Beteiligung am Nennkapital der Ge-
sellschaft entfällt (§ 7 Abs. 1 AStG, § 10 Absätze 1– 4 AStG). Der sich daraus gemäß
§ 10 Abs. 2 AStG ergebende Hinzurechnungsbetrag erhöht die einkommensteuer-
lichen oder körperschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlage des Gesellschafters.206 Der
Hinzurechnungsbetrag gehört – sofern die Anteile an der ausländischen Gesellschaft
nicht zu einem Betriebsvermögen gehören207 – zu den Einkünften aus Kapitalvermö-
gen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG und gilt unmittelbar nach Ablauf des maß-
gebenden Wirtschaftsjahres der ausländischen Gesellschaft als zugeflossen (§ 10 Abs. 2
Satz 1 AStG). Bei der Ermittlung des Hinzurechnungsbetrags finden die Vorschriften
des deutschen Steuerrechts Anwendung (§ 10 Abs. 3 Satz 1 AStG). Dies gilt jedoch
nicht für die Vorschriften über die Steuerfreistellung bei einem Dividendenbezug nach
§ 8b Abs. 1 KStG und § 3 Nr. 40 EStG, denn deren Anwendung ist gemäß § 10
203 Die Problematik hinsichtlich der Abschirmwirkung von ausländischen Gesellschaften wurde
bereits im Rahmen des „Oasenerlasses“ erörtert. Vgl. „Bericht der Bundesregierung an den Deut-schen Bundestag über die Wettbewerbsverfälschungen, die sich aus Sitzverlagerungen und aus dem zwischenstaatlichen Steuergefälle ergeben können“ (Oasenbericht) vom 23. 6. 1964, Bundestags-Drucksache IV/2412, Abschnitt II, Bundestags-Drucksache 12/1506, 350. Die „Oasenproblematik“ ergebe sich daraus, dass im Inland der Steueranspruch verloren ging. Hierzu Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, § 7 AStG Rdnr. 5, sowie die Regierungsbegründung zum AStG, Bundestagsdrucksache VI/2883 dort Rdnr. 27; dort wird deutlich, dass mit §§ 7–14 AStG ein Steueranspruch geschaffen werden soll, welcher der Bundesrepublik Deutschland nicht zugestanden hätte. 204 Vgl. Regierungsbegründung zum AStG, Bundestags-Drucksache VI/2883, Rdnr. 27 ff.; vgl.
etwa auch Lieber, in: Herrmann/Heuer/Raupach, Vor § 7 AStG Rdnr. 5; siehe auch Selling, Die Abschirmwirkung ausländischer Basisgesellschaften gegenüber dem deutschen Fiskus, DB 1988, 930 ff.; Harald Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 10. 2. 205 Vgl. den Wortlaut des § 7 Abs. 1 AStG. 206 Vgl. dazu Menck, Die Ermittlung des anzusetzenden Hinzurechnungsbetrags bei reinen Zwi-
schengesellschaften, DStZ 1975, 43; ders., Rechtsmechanismus und Rechtscharakter der Zugriffsbe-steuerung, DStZ 1978, 106. 207 In diesem Fall gilt nach § 10 Abs. 2 Satz 2 AStG die Ausnahme zu § 10 Abs. 2 Satz 1 AStG: der
Hinzurechnungsbetrag gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb (§ 15 EStG), aus Land und Forstwirtschaft (§ 13 EStG) oder aus selbständiger Arbeit (§ 18 EStG).
72
Die Besonderheit von passiven Einkünften
45
Abs. 2 Satz 3 AStG ausgeschlossen.208 Dividendenbezug und Hinzurechnungsbetrag
sind als Einkünfte aus Kapitalvermögen normativ gleichgesetzt, wodurch auch die
grundsätzliche Beziehung zwischen Hinzurechnungsbetrag und Dividendenbezug zum
Ausdruck kommt. Der Hinzurechnungsbetrag wird stets in vollem Umfang in die
Bemessungsgrundlage der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer des Gesellschafters
einbezogen. Die durch den Hinzurechnungsbetrag erfassten Einkünfte der ausländi-
schen Gesellschaft unterliegen in jedem Fall der Besteuerung auf Ebene des Gesell-
schafters, obwohl die Ausschüttung dieser Einkünfte an den Gesellschafter an sich
steuerfrei, bzw. zur Hälfte steuerfrei erfolgen könnte (§ 8b Abs. 1 KStG, § 3 Nr. 40
EStG).
Die von der Hinzurechnungsbesteuerung betroffenen Lebenssachverhalte müssen
einen inneren, spezifischen Zusammenhang zu den von der Hinzurechnungsbesteuer-
ung angeordneten Rechtsfolgen aufweisen.
Der Hinzurechnungsbesteuerung unterliegen ihrer Art nach bestimmte, niedrig
besteuerte Einkünfte – so genannte passive Einkünfte –, die von der ausländischen
Gesellschaft bezogen werden. Die entsprechende gesetzliche Grundlage findet sich in
§ 8 Abs. 1 AStG. Danach ist eine ausländische Gesellschaft (vgl. die Legaldefinition in
§ 7 Abs. 1 AStG) Zwischengesellschaft für Einkünfte, die einer niedrigen Besteuerung
unterliegen und die nicht aus einer von den in § 8 Abs. 1 Nrn. 1–9 AStG aufgezählten
Einkünftegruppen209 stammen. Ob passive Einkünfte vorliegen, richtet sich nach § 8
Absätze 1 und 2 AStG. Dabei sind die einzelnen Tätigkeiten der ausländischen Gesell-
schaft nicht jeweils isoliert für sich zu betrachten; Folge- und Nebeneinkünfte teilen
das Schicksal der (aktiven oder passiven) Haupttätigkeit („funktionale Betrachtungs-
weise“). Passive Einkünfte lassen sich in folgende Fallgruppen unterscheiden:
Erstens Einkünfte, die unter Einbeziehung von Personen im Sinne von § 7 Abs. 1
AStG oder nahe stehenden Personen erzielt werden (§ 8 Abs. 1 Nrn. 3, 4 Buchsta-
208 Das bedeutet, dass der Hinzurechnungsbetrag nicht zur Hälfte (§ 3 Nr. 40 EStG) bzw. vollum-
fänglich (§ 8b Abs. 1 EStG) steuerfrei sein kann. Siehe dazu Wassermeyer, Die im Entwurf des Steuer-senkungsgesetzes vorgesehen Änderungen der Hinzurechnungsbesteuerung, IStR 2000, 193 (195); vgl. auch Rättig/Protzen, Holdingbesteuerung nach derzeit geltendem und kommendem Außen-steuergesetz, IStR 2000, 548; dies., Unbeabsichtigter Systemwechsel bei der Hinzurechnungsbe-steuerung von Kapitalgesellschaften als Folge des Steuersenkungsgesetzes? IStR 2000, 394; siehe auch Christoph Spengel/Claudia Jaeger/Katja Müller, Europarechtliche Beurteilung des Gesetzesentwurfs zur Senkung der Steuersätze und zur Reform der Unternehmensbesteuerung, IStR 2000, 257; Alexander Vögele/Georg Edelmann, Internationale Steuerplanung nach der Unternehmenssteuerreform 2001, IStR 2000, 463. 209 Im Einzelnen vergleiche hierzu Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuer-
recht, § 8 AStG, Rdnrn. 11 ff.
73
74 Die eson-
heit von passi-ven Einkünf-
75
Verhinderung steuerlicher Fehlentwicklungen
46
ben a und b; § 8 Abs. 1 Nr. 5; § 8 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. b; § 8 Abs. 1 Nr. 7 AStG).
Zweitens Einkünfte, für deren Erzielung nicht ausreichende Substanz im ausländi-
schen Staat vorhanden ist (kein „eingerichteter Geschäftsbetrieb“, § 8 Abs. 1 Nr. 4;
§ 8 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. b AStG). Drittens Bestimmte Einkünfte aus Vermietung
und Verpachtung (§ 8 Abs. 6 AStG). Viertens Aufnahme und darlehensweise Verga-
be von Kapital, das nicht ausschließlich auf ausländischen Kapitalmärkten aufgenom-
men wurde (§ 8 Abs. 1 Nr. 7 AStG). Fünftens Einkünfte aus Dividendenbezügen
und Veräußerungen von Anteilen an Kapitalgesellschaften.
Der Gesetzgeber bedient sich zur Bestimmung von passiven Einkünften der Rege-
lungstechnik, aktive Einkünfte zu definieren. Als passive Einkünfte qualifizieren Ein-
künfte, die nicht einer der in § 8 Abs. 1 Nrn. 1–9 AStG genannten Tätigkeiten zuzu-
ordnen sind. Gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1 AStG sind Einkünfte aus Land- und Forst-
wirtschaft aktive Einkünfte.210 Als aktive Einkünfte anzusehen sind gemäß § 8 Abs. 1
Nr. 2 AStG Einkünfte aus der Herstellung, Bearbeitung, Verarbeitung211 oder Monta-
ge212 von Sachen, der Erzeugung von Energie213 sowie dem Aufsuchen und der Ge-
winnung von Bodenschätzen214. Die erworbenen Waren – so ist es im Hinblick auf
die „Aktivität“ voraus zu setzen – dürfen vor ihrer Weiterveräußerung „nicht nur
geringfügig behandelt“ werden, die ausländische Gesellschaft muss zudem über eine
210 Die Definition für den Begriff der Land- und Forstwirtschaft ist entsprechend § 13 Abs. 1 EStG
die planmäßige Nutzung von Naturkräften und die Verwertung der dadurch gewonnenen Erzeug-nisse und erfasst die gesamte Bodenbewirtschaftung nichtgewerblicher Art, dazu Siegbert Seeger, in: Schmidt, EStG, § 13 Rdnr. 1. 211 Die Vorschrift des § 8 Abs. 1 Nr. 2 AStG nennt das Herstellen, Bearbeiten, Verarbeiten und die
Montage als Bereiche eines Unternehmensbetriebs, wovon Forschung und Entwicklung, konzernlei-tende Produktionsplanung oder Produktkoordination zu trennen sind. Herstellung bedeutet die stoffliche Neuschöpfung, Be- und Verarbeitung meint die Änderung oder Verbesserung von beweg-lichen oder unbeweglichen Sachen, vgl. Menck, in: Blümich, EStG, KStG, UmwStG/AStG, Kom-mentierung zum Außensteuergesetz, AStG, § 8 Rdnr. 21. 212 Unter Montage versteht das Gesetz das Zusammensetzen vorgefertigter Teile oder Baugruppen
zu einem Enderzeugnis am Ort der Aufstellung oder des Einsatzes, dazu Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, § 8 Rdnr. 67; Menck, in: Blümich, EStG, KStG, UmwStG/AStG, Kommentierung zum Außensteuergesetz, § 8 Rdnr. 23. Jürgen Haun, in: Wöhrle/Schelle/Gross, § 8 Rdnrn. 61 ff.; Henkel, in: Mössner, Besteuerung international tätiger Unternehmen, Rdnr. E 416. 213 Mit dem Begriff Erzeugung von Energie ist jegliche Gewinnung von Energie dem aktiven Tätig-
keitsbereich zugeordnet, einschließlich der Umwandlung von Energie und deren Transport, vgl. Menck, in: Blümich, EStG, KStG, UmwStG/AStG, Kommentierung zum Außensteuergesetz, § 8 Rdnr. 24; Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, § 8 Rdnr. 75 f. 214 Zu aktiven Einkünften führen nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 AStG das Aufsuchen und Ausbeuten von
Bodenschätzen jeder Art; einbezogen sind damit die Exploration, der Aufschluss von Feldern, die Förderung auf eigene Rechnung oder für Dritte; vgl. Menck, in: Blümich, EStG, KStG, UmwStG/AStG, Kommentierung zum Außensteuergesetz, § 8 Rdnr. 20.
76
Die Besonderheit von passiven Einkünften
47
eigene Produktionsstätte verfügen.215 In der Vorschrift des § 8 Abs. 1 Nr. 3 AStG wird
bestimmt, dass Einkünfte von Banken- und Versicherungen als aktive Einkünfte
anzusehen sind.216 Hierfür ist erforderlich, dass die Kreditinstitute217 oder Versiche-
rungsunternehmen einen für ihre Geschäfte in kaufmännischer Weise eingerichteten
Betrieb unterhalten (§ 8 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Halbsatz 1 AStG). Der Gesetzeswortlaut
stellt nicht auf eine bestimmte Tätigkeit, sondern auf den Betrieb eines Kreditinstituts
oder Versicherungsunternehmens ab.218 Die ausländische Gesellschaft muss zudem
einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Betrieb unterhalten. Betriebliche
Dienstleistungen dieser Unternehmen dürfen nicht von anderen Personen erbracht
oder die notwendigen Kontrollfunktionen an anderer Stelle geleistet werden.219 Es
muss eine nach der Verkehrsauffassung notwendige personelle und sachliche Ausstat-
tung vorliegen.220 Für die Einstufung dieser Tätigkeit als „aktiv“ ist weiter Vorausset-
zung, dass die Bank- oder Versicherungsgeschäfte nicht zu mehr als der Hälfte von
Beteiligten (das sind unbeschränkt steuerpflichtige Personen, die an der Gesellschaft
beteiligt sind) oder diesen Beteiligten nahe stehenden Personen im Sinne von § 1
Abs. 2 AStG betrieben werden.221
Die in § 8 Abs. 1 Nr. 3 AStG genannten Gesellschaften können im Konzern Fi-
nanzierungstätigkeiten ausüben, die sich bei einer Einzelbetrachtung – etwa bei Kre-
215 Vgl. Grundsätze zur Anwendung des AStG (AStG-Grundsätze) vom 2. 12. 1994, BStBl. I 1994,
Sondernummer 1/1995, Tz. 8. 1. 2. 2. Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, § 8 Rdnr. 52; K. Vogel, in: Vogel/Lehner, Art. 23 Rdnr. 76; Udo Henkel, in: Mössner, Besteuerung international tätiger Unternehmen, Rdnr. E 416; Haun, in: Wöhrle/Schelle/Gross, § 8 Rdnr. 55. 216 Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, § 8 Rdnr. 97; Haun, in: Wöhrle/Schelle/Gross,
§ 8 Rdnr. 72. 217 Vgl. zum Begriff Gerhard Kraft/Dirk Nitzschke, Der Kreditinstituts-Begriff des Außensteuer-
gesetzes unter besonderer Berücksichtigung der aufsichtsrechtlichen Einflüsse der 6. KWG-Novelle, IStR 2003, 427. 218 Dies setzt bei Banken nach § 1 KWG (Gesetz über das Kreditwesen vom 10. 7. 1961, BGBl. I
1961, 881, neu gefasst durch Gesetz vom 9. 9.1998 BGBl. I 1998, 2776; zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes vom 15. 12. 2004, BGBl. I 2004, 3416 und durch Gesetz vom 21. 12. 2004, BGBl. I 2004, 3610) den Betrieb von Bankgeschäften in einem Umfang voraus, der einen in kauf-männischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert. Siehe auch K. Vogel, in: Vogel/Lehner, Art. 23 Rdnr. 75; Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, § 8 Rdnr. 86; Haun, in: Wöhr-le/Schelle/Gross, § 8 Rdnr. 75. 219 Haun, in: Wöhrle/Schelle/Gross, § 8 Rdnr. 75; Henkel, in: Mössner, Besteuerung international
tätiger Unternehmen, Rdnr. E 417. 220 Menck, in: Blümich, EStG, KStG, UmwStG/AStG, Kommentierung zum Außensteuergesetz,
§ 8 AStG, Rdnr. 30. 221 Problematisch ist, wie schädliche Geschäfte abzugrenzen, anzusetzen und zu gewichten sind.
Zum Streitstand vgl. Menck, in: Blümich, EStG, KStG, UmwStG/AStG, Kommentierung zum Außensteuergesetz, § 8 Rdnr. 30.
77
Verhinderung steuerlicher Fehlentwicklungen
48
ditvergabe222 – als Bankgeschäfte darstellen.223 Nach der Verwaltungsauffassung handelt
es sich um passive Einkünfte, wenn das Unternehmen nicht dem Gesamtbild einer
Bank entspricht und die Geschäfte nicht in „kredit- oder versicherungswirtschaftlicher
Weise“ durchgeführt werden.224 Neben Geschäften für den Konzern in bank- bzw.
versicherungstypischer Weise müssen auch Geschäfte für einen Kundenkreis am freien
Markt, außerhalb des Konzerns, erbracht werden.225 Einkünfte von Finanzierungsge-
sellschaften für die Kapitalbeschaffung zur Weiterleitung aufgenommener Mittel an
andere Teileinheiten des Konzerns sind danach passive Einkünfte, wenn es an dem für
Bankgeschäfte üblichen Einlagengeschäft und der es kennzeichnenden Geschäftsvielfalt
fehlt.226 Passive Einkünfte liegen auch vor, wenn Einkünfte von Gesellschaften entste-
hen, die innerhalb des Konzerns die Verteilung der liquiden Finanzmittel übernehmen
oder das Währungsmanagement begleiten. Hier fehlt es an einem nach außen gerich-
teten Bankgeschäft.227 Der Risikoausgleich durch Versicherungsgesellschaften zur
Absicherung von Risiken unter Rückversicherung bei Dritten kann ebenfalls zu
passiven Einkünften führen.228 Als „passiv“ werden konzerninterne Finanzierungsvor-
gänge angesehen, auch wenn diese von einer Bank oder einer Versicherungsge-
sellschaft durchgeführt werden. Das Verdikt der Passivität der Einkünfte ergibt sich im
Hinblick auf § 8 Abs. 1 Nr. 3 AStG daraus, dass „die Geschäfte überwiegend mit
unbeschränkt Steuerpflichtigen, die nach § 7 AStG an der ausländischen Gesellschaft
beteiligt sind, oder solchen Steuerpflichtigen im Sinne des § 1 Abs. 2 AStG nahe ste-
henden Personen betrieben“ werden. Passive Einkünfte können resultieren aus der
Kreditvergabe (§ 8 Abs. 1 Nr. 3 AStG)229 oder der Einschaltung von Kapitalgesell-
222 Zur Banktätigkeit gehören das Einlagen-, Kredit-, Diskont-, Effekten- und Depotgeschäft (§ 1
KWG). 223 Vgl. Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, § 8 Rdnr. 92. 224 Vgl. Grundsätze zur Anwendung des AStG (AStG-Grundsätze) vom 2. 12. 1994, BStBl. I Son-
dernummer 1/1995, Tz. 8. 1. 3. 1. und 2.; vgl. auch Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, § 8 Rdnr. 90. 225 Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, § 8 Rdnr. 90. 226 Zur Auffassung der Finanzverwaltung Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, § 8
Rdnr. 96; Menck, in: Blümich, EStG, KStG, UmwStG/AStG, Kommentierung zum Außensteuer-gesetz, § 8 Rdnr. 32. 227 Siehe nur Menck, in: Blümich, EStG, KStG, UmwStG/AStG, Kommentierung zum Außen-
steuergesetz, § 8 Rdnr. 32. 228 Menck, in: Blümich, EStG, KStG, UmwStG/AStG, Kommentierung zum Außensteuergesetz,
§ 8 Rdnr. 32. 229 Menck, in: Blümich, EStG, KStG, UmwStG/AStG, Kommentierung zum Außensteuergesetz,
§ 8 Rdnr. 32.
Die Besonderheit von passiven Einkünften
49
schaften, welche Liquidität im Konzern steuern.230 Auch die Einschaltung von kon-
zerninternen Versicherungsgesellschaften kann zu passiven Einkünften führen.231 Der
Gesetzgeber unterstellt nicht die Tätigkeit an sich dem Malus der Passivität, vielmehr
soll die Verlagerung der Tätigkeit in einen ausländischen Staat erfasst werden.232
Einkünfte aus dem Handel sind gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 4 AStG aktive Einkünfte.
Handel ist die gewerbsmäßige Anschaffung und Weiterveräußerung von Sachen oder
Wertpapieren ohne wesentliche Ver- oder Bearbeitung (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 HGB). § 8
Abs. 1 Nr. 3 AStG erfasst die von Eigenhändlern oder Kommissionären getätigten
Anschaffungen und Weiterveräußerungen von Gütern und Waren.233 Dies gilt jedoch
nur unter den Einschränkungen des § 8 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a AStG.234 Bei Lieferun-
gen aus dem Inland eines an der ausländischen Gesellschaft beteiligten Gesellschafters
gemäß § 7 AStG oder einer ihm nahe stehenden Person (§ 1 Abs. 2 AStG) liegen pas-
sive Einkünfte vor, wenn nicht nachgewiesen werden kann, dass die ausländische
Gesellschaft einen in „kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb“ auf-
weist und am „allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr“ teilnimmt (vgl. § 8 Abs. 1 Nr. 4
[am Ende] AStG).235 Nach der Alternative des § 8 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b AStG liegen, 230 Dazu Brigitte Hintzen, Die Zwischenholding als Strukturelement internationaler Konzerne,
DStR 1998, 1319 (1321); siehe auch Francois Malherbe, Die Belgischen Koordinierungsstellen, IStR 1997, 74. 231 Vgl. etwa Kurt Kiethe/Doris Hektor, Grundlagen und Techniken der Projektfinanzierung, DStR
1996, 977 (979); siehe auch Achim-Rüdiger Börner, Captives als Instrument der Bewältigung des Risikos deutscher Unternehmen aus Produkthaftpflicht, PHI 1995, 2; Karl Heinz Bialek/Luc Grillet, Captive-Versicherung im deutschen und US-amerikanischen Körperschaftsteuerrecht, RIW 1992, 301; Peter Würfele, Steuerliche Aspekte einer Captive Insurance Company, IWB 1989/12 Fach 3, Gruppe 1, 1241. 232 Vgl. die Gesetzesbegründung zum AStG: Bundestags-Drucksache VI/2883 vom 2. 12. 1971,
14; Bundestags-Drucksache IV/2412; Helmut Debatin, Die Basisgesellschaft in der Wertung, StuW 1967, 312 (314). 233 Menck, in: Blümich, EStG, KStG, UmwStG/AStG, Kommentierung zum Außensteuergesetz,
§ 8 Rdnr. 41; Haun, in: Wöhrle/Schelle/Gross, § 8 Rdnr. 81; Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, § 8 Rdnr. 116. 234 Die Tatbestandsalternativen des § 8 Abs. 1 Nr. 4 a.E. (kein Geschäftsbetrieb für Handel), § 8
Abs. 5 Buchst. b a.E. (kein Geschäftsbetrieb für Dienstleistungen) und § 8 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. c (kein Geschäftsbetrieb für Vermietung und Verpachtung) AStG setzen einen für die spezifische Einkunftserzielung eingerichteten Geschäftsbetrieb voraus, mit dem eine Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr erfolgt. Die Rechtsfolge einer Zurechnung solcher Einkünfte ließe sich schon aus § 42 Abs. 1 AO 1977 herleiten. 235 Dass ein inländischer Gesellschafter nicht an der Funktionserfüllung der Handelsgesellschaft
mitwirken darf, ist eine weitere Voraussetzung, die im Rahmen des § 8 Abs. 1 Nr. 4 a. E. AStG nachgewiesen werden muss. Denn die zur Vorbereitung, zum Abschluss und zur Ausführung der Geschäfte gehörenden Tätigkeiten sind ohne Mitwirkung eines Steuerpflichtigen i. S. vom § 7 AStG oder einer ihm nahe stehenden Person auszuüben.
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Verhinderung steuerlicher Fehlentwicklungen
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falls der Nachweis gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 4 [am Ende] AStG nicht geführt werden
kann, passive Einkünfte vor, wenn Güter oder Waren von der ausländischen Gesell-
schaft ins Inland an einen Gesellschafter der ausländischen Gesellschaft oder eine ihm
nahe stehende Person geliefert werden. Der Funktionsnachweis236 ist nach § 8 Abs. 1
Nr. 4 Buchst. a und Buchst. b AStG erforderlich, wenn Waren aus dem Inland oder
in das Inland geliefert werden und an dem Vorgang neben der ausländischen Gesell-
schaft auch nahe stehende Personen beteiligt sind. Das Gesetz erkennt also Einkünfte
aus Handel grundsätzlich als aktiv an und determiniert ausnahmsweise die Einkünfte als
passive, wenn die ausländische Gesellschaft durch nahe stehende Personen ihre Ge-
schäfte abgewickelt hat, aber tatsächlich keine „volle Verteiler- und Leistungs-
funktion“ erfüllt237 und ein Funktionsnachweis nicht erbracht wird.238 Bei Einbindung
einer ausländischen Gesellschaft in die Geschäftsabläufe eines Konzerns liegen passive
Einkünfte vor, wenn die ausländische Gesellschaft allein mit Konzernunternehmen
verkehrt.239 Nach der Konzeption des § 8 Abs. 1 Nr. 4 AStG begründet nicht der
eigentliche Inhalt der Tätigkeit den Vorwurf der Passivität, sondern die Beteiligung
bestimmter Personen. Mithin werden Tätigkeiten, die inhaltlich als aktive Einkünfte
zu qualifizieren sind, die aber durch „nahe stehende“ Personen erbracht oder die von
einem Unternehmen ausgeübt werden, welches nicht über bestimmte Einrichtungen
verfügt, als passive Einkünfte erfasst.
Dienstleistungen führen gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 5 Buchst. a AStG zu passiven
Einkünften, wenn die ausländische Kapitalgesellschaft sich zu ihrer Ausführung einer
Person bedient, die an der Kapitalgesellschaft beteiligt ist, oder die Dienstleistung von
einer diesem Steuerpflichtigen nahe stehenden Person erbracht wird, die mit den von
ihr beigetragenen Leistungen im Inland steuerpflichtig ist.240 Nach der Alternative des
§ 8 Abs. 2 Nr. 5 Buchst. b AStG sind aus Dienstleistungen stammende Einkünfte
passive Einkünfte, wenn sie an den Gesellschafter im Sinne des § 7 AStG (oder eine
236 Vgl. Henkel, in: Mössner, Besteuerung international tätiger Unternehmen Rdnr. E 419. 237 Vgl. Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, § 8 Rdnr. 124; Menck, in: Blümich, EStG,
KStG, UmwStG/AStG, Kommentierung zum Außensteuergesetz, § 8 Rdnr. 35. Erforderlich für den Funktionsnachweis sind ein qualifizierter Geschäftsbetrieb sowie die betriebliche Eigenständig-keit der ausländischen Gesellschaft. Nachzuweisen ist, dass die ausländische Gesellschaft „unter Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr“ tätig wird. Dies erfordert, dass die Tätigkeit gegen Entgelt für den Markt erbracht und für Dritte äußerlich sichtbar angeboten wird. 238 Vgl. BFH vom 9. 7. 1986 – I R 85/83, BStBl. II 1986, 851, BFHE 147, 245. 239 BFH vom 29. 8. 1984 – I R 68/81, BStBl. II 1985, 120, BFHE 142, 234. 240 Zum Begriff vgl. Henkel, in: Mössner, Besteuerung international tätiger Unternehmen,
Rdnr. E 420; Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, § 8 Rdnr. 172; Haun, in: Wöhr-le/Schelle/Gross, § 8 Rdnr. 91.
79
Die Besonderheit von passiven Einkünften
51
nahe stehende Person) erbracht werden und nicht nachgewiesen ist, dass die ausländi-
sche Kapitalgesellschaft einen für das Bewirken derartiger Dienstleistungen eingerich-
teten Geschäftsbetrieb unter Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr
unterhält. Wenn § 8 Abs. 1 Nr. 5 AStG die Hinzurechnung von Einkünften aus
Dienstleistungen vorsieht, kann die ausländische Tochtergesellschaft nicht auf freie
personale Kapazitäten einer inländischen Muttergesellschaft zurückgreifen. Erbringt
die inländische Kapitalgesellschaft für die Tochtergesellschaft eine Dienstleistung, führt
dies unter den genannten Voraussetzungen zu passiven Einkünften. Aus § 8 Abs. 1
Nr. 5 AStG kann sich die Passivität ergeben für Einkünfte von Factoring-Gesell-
schaften,241 Managementgesellschaften, ausländischen Finanzierungsgesellschaften oder
Patententwicklungsgesellschaften.242
Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sind aktive Einkünfte (§ 8 Abs. 1
Nr. 6 AStG). Dies gilt jedoch nicht für die Überlassung der Nutzung von Rechten,
Plänen, Mustern, Verfahren, Erfahrungen und Kenntnissen, wenn nicht der Nachweis
geführt wird, dass die ausländische Kapitalgesellschaft die Ergebnisse eigener For-
schungs- oder Entwicklungstätigkeit auswertet (§ 8 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a AStG). Die
Übertragung von Patenten auf eine ausländische Tochtergesellschaft führt mithin zu
passiven Einkünften (Patentverwertungsgesellschaften243). Dies gilt nur dann nicht,
wenn die Patente von der ausländischen Kapitalgesellschaft entwickelt worden sind
und der inländische Anteilseigner bei dieser Tätigkeit nicht mitgewirkt hat.
Die Vermietung und Verpachtung von beweglichen Sachen ist nach § 8
Abs. 1 Nr. 6 Buchst. c AStG als passive Tätigkeit anzusehen, es sei denn, der Steuer-
pflichtige weist nach, dass die ausländische Kapitalgesellschaft einen Geschäftsbetrieb
gewerbsmäßiger Vermietung oder Verpachtung unter Teilnahme am allgemeinen
wirtschaftlichen Verkehr unterhält und alle zu einer solchen gewerbsmäßigen Vermie-
tung oder Verpachtung gehörenden Tätigkeiten ohne Mitwirkung eines unbeschränkt
Steuerpflichtigen, der gemäß § 7 AStG an ihr beteiligt ist, oder einer einem solchen
Steuerpflichtigen im Sinne des § 1 Abs. 2 AStG nahe stehenden Person ausübt.
241 Siehe etwa Harald Kuckhoff/Rolf Schreiber, Grenzüberschreitende Funktionsverlagerung aus Sicht
der Betriebsprüfung, IStR 1999, 321; Götz Tobias Wiese, Steuerliche Behandlung von Securitisations, BB 1998, 1713; Stefan Rode, Die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung und die niederländische Risikoreserve, IStR 1997, 582. 242 Wassermeyer, Schriftenreihe Beratungsakzente, Internationales Steuerrecht, Fortentwicklung des
Unternehmenssteuerrechts Außensteuergesetz Beschränkte Steuerpflicht, 67. 243 Dazu Haun, in: Wöhrle/Schelle/Gross, § 8 Rdnr. 101; Wassermeyer, in:
Flick/Wassermeyer/Baumhoff, § 8 Rdnr. 220.
80
81
Verhinderung steuerlicher Fehlentwicklungen
52
Gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. b AStG sind Vermietungs- und Ver-
pachtungseinkünfte von Grundstücken passive Einkünfte. Dies gilt nicht, wenn
die Einkünfte nicht nach einem Doppelbesteuerungsabkommen von der Besteuerung
ausgenommen wären. Es muss demnach ein Doppelbesteuerungsabkommen mit dem
Belegenheitsstaat des Grundstücks bestehen, durch das bei unmittelbarem Bezug durch
den inländischen Anteilseigner die Freistellungsmethode (Art. 23 A OECD-MA)
Anwendung findet. Kommt die Anrechnungsmethode (Art. 23 B OECD-MA) zur
Anwendung oder besteht kein Doppelbesteuerungsabkommen, sind die Einkünfte als
passiv anzusehen.244 Unter diese Tatbestände können Immobiliengesellschaften und
Vertriebsgesellschaften eingeordnet werden. Immobiliengesellschaften bezwecken die
optimale Liegenschaftsverwaltung durch spezialisiertes Management.245 Vertriebs-
gesellschaften bieten sich an, um Kundenwünschen besser entsprechen zu können und
Kundenbeziehungen zu verbessern.246 Daher kann es sich um wirtschaftlich zweckmä-
ßige Gesellschaften handeln – darüber hinaus lassen sich keine Anhaltspunkte dafür
finden, dass sich auch in Fällen der Vermietung, die von einer selbständigen Kapitalge-
sellschaft erbracht werden, die Leistungsfähigkeit des Anteilseigners erhöht. Eine
weitere Tatbestandsalternative findet sich für die Aufnahme und Vergabe von Kapital.
Auch hier ist zu fragen, ob sich solche Einkünfte durch eine ausländische Kapitalge-
sellschaft auf die Leistungsfähigkeit des Gesellschafters auswirken.
Gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 7 AStG ist die Aufnahme und darlehensweise Vergabe
von Kapital als aktive Tätigkeit einzuordnen. Der Steuerpflichtige muss jedoch
nachweisen, dass es ausschließlich auf ausländischen Kapitalmärkten aufgenommen
und einer ausländischen Betriebsstätte oder einem ausländischen Betrieb zugeführt
wird, die selbst aktive Tätigkeiten i. S. vom § 8 Abs. 1 Nr. 1–6 AStG ausüben. § 8
Abs. 1 Nr. 7 behandelt damit Einkünfte aus der Aufnahme und Vergabe von Darlehen
als aktive Einkünfte. Hierunter fallen Gesellschaften, die in Konzernstrukturen in ihre
externe Finanzierung auf ausländischen Kapitalmärkten eingeschaltet werden. Die
Voraussetzung, dass die ausländische Kapitalgesellschaft Kapital auf dem Kapitalmarkt
aufnimmt, ist zu bejahen, wenn die Mittel unter eigener Rückgewähr- und Entgelt-
244 Vgl. Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, § 8 Rdnrn. 227 ff. 245 Siehe Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, § 8 Rdnr. 226; Haun, in: Wöhr-
le/Schelle/Gross, § 8 Rdnr. 106; Otto Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 5. Auflage, München 2002, 1058. 246 Vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 5. Auflage, München 2002, 1059.
82
83
Die Besonderheit von passiven Einkünften
53
pflicht in einer für Kapital- und Geldmärkte typischen Weise beschafft werden.247 Pas-
sive Einkünfte liegen hingegen vor, wenn die ausländische Kapitalgesellschaft Ei-
genkapital aufbringt oder eigene Gewinne verwendet oder eigene überschüssige Li-
quidität ausnutzt.248 Die Identität von aufgenommenen und vergebenen Mitteln be-
steht, auch in Fällen, in denen die ausländische Kapitalgesellschaft nebeneinander
Fremd- und Eigenmittel aufgenommen bzw. zugeführt hat.249 Von § 8 Abs. 7 AStG
werden insbesondere konzerninterne Finanzierungsstrukturen erfasst, mit denen
Tochtergesellschaften mit Kapital ausgestattet werden. Hier soll mit der Hinzurech-
nungsbesteuerung unterbunden werden, dass Kapital in das niedrig besteuerte Ausland
gelangt, wenn die inländische Kapitalgesellschaft selbst die Darlehnssumme leisten
könnte. Die Vergabe von Kapital wird vom Gesetzgeber nicht beanstandet, wenn eine
inländische Finanzierungsgesellschaft diese Aufgabe übernimmt.250
Nach § 8 Abs. 1 Nr. 8 AStG sind Gewinnausschüttungen von Kapi-
talgesellschaften als aktive Einkünfte anzusehen. Das sind Zuwendungen einer
Kapitalgesellschaft als Ertrag einer an ihnen bestehenden Beteiligung, insbesondere die
unter § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG fallenden Gewinnanteile der Kapitalgesellschaften und
auch verdeckte Gewinnausschüttungen.251 Als passive Einkünfte qualifizieren dagegen
besondere Vorteile und Entgelte im Sinne des § 20 Abs. 2 Nr. 2 EStG sowie Erträge
von Personengesellschaften und typischen bzw. atypischen stillen Beteiligungen.
Gewinne aus der Anteilsveräußerung sind gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 9 AStG als aktive
Einkünfte anzusehen; diese Vorschrift bezweckt, dass sich aus dem Außensteuergesetz
ein Gleichklang zu § 8b Abs. 2 KStG ergibt; § 8b Abs. 2 KStG ist die Vorschrift,
welche die Anteilsveräußerung von Kapitalgesellschaften steuerfrei gewährleistet.
Begünstigt sind Veräußerungsgewinne (vgl. § 16 EStG und § 8b Abs. 2 KStG). Die
Steuerfreistellung für Bezüge von Dividenden nach § 8b Abs. 1 KStG gilt nach dem
Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz252 auch für die Hinzurechnungsbesteuer- 247 Vgl. Haun, in Wöhrle/Schelle/Gross, § 8 Rdnr. 122; Wassermeyer, in:
Flick/Wassermeyer/Baumhoff, § 8 Rdnr. 243. 248 Vgl. Menck, in: Blümich, EStG, KStG, UmwStG/AStG, Kommentierung zum Außensteuer-
gesetz, § 8 Rdnr. 74. 249 Vgl. dazu Haun, in: Wöhrle/Schelle/Gross, § 8 Rdnr. 127; Wassermeyer, in:
Flick/Wassermeyer/Baumhoff, § 8 Rdnr. 256; Menck, in: Blümich, EStG, KStG, UmwStG/AStG, Kommentierung zum Außensteuergesetz, § 8 Rdnr. 78. 250 Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, § 8 Rdnrn. 242 und 246. 251 Vgl. dazu die Gesetzesbegründung zu § 8 AStG: Bundestags-Drucksache 14/6882, 67. 252 Die Regelung wurde durch das Steuersenkungsgesetz vom 23. 10. 2000 (BGBl. I 2000, 1433,
BStBl. I 2000, 1428) und das Unternehmensteuerfortentwicklungsgesetz vom 20. 12. 2001 (BGBl. I 2001, 3858, BStBl. I 2002, 35) geändert.
84
Verhinderung steuerlicher Fehlentwicklungen
54
ung. Damit entfällt für Dividenden schon die sachliche Voraussetzung für eine Hinzu-
rechnung. Der Hinzurechnungsbetrag selbst ist nicht entsprechend § 3 Nr. 40 Satz 1
Buchst. d EStG und § 8b Abs. 1 KStG steuerfrei (§ 10 Abs. 2 Nr. 3 AStG). Diese im
Zuge der Unternehmenssteuerreform 2001 eingeführte Regelung253 wurde damit
begründet, dass tief gegliederte Beteiligungsketten und Beteiligungsnetze zum Nor-
malbild internationaler Wirtschaftstätigkeit geworden seien, und es der Bedeutung der
Holdinggesellschaften entspreche, solche Strukturen zu erfassen.254 Lediglich § 14
AStG ziele auf die dort anfallenden Zwischeneinkünfte, nicht aber auf aktive Erträ-
ge.255 Voraussetzung für die Anwendung des § 8 Abs. 1 Nr. 8 AStG ist, dass die Ge-
winnausschüttungen von einer Kapitalgesellschaft getätigt werden. Dies sind die unter
§ 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG genannten deutschen Gesellschaften und diesen entsprechende
ausländische Rechtsgebilde.
Fragt man nun nach der Besonderheit der dargestellten Fälle „passiver Einkünfte“
ist zunächst der Umstand zu würdigen, dass der Gesetzgeber durch die Definition
„aktiver Einkünfte“ ein Regel- / Ausnahmeverhältnis geschaffen hat. Einkünfte, die
einer der in § 8 Abs. 1 Nrn. 1–9 AStG aufgezählten Tätigkeiten entstammen, zu deren
Erzielung bestimmte Personen beigetragen haben oder deren Verlagerung auf auslän-
dische Rechtsträger formell durch die Übertragung von Rechtspositionen (Lizenzen,
Patente) erfolgen kann, gelten grundsätzlich als problematisch. Der Gesetzgeber knüpft
an diese Gestaltungsoptionen die Vermutung, dass steuerliches Ausweichverhalten
gegeben sei.256 Besieht man in diesem Zusammenhang die Motive zum Außensteuer-
gesetz – insbesondere bei dessen Einführung im Jahre 1972 – geht es dem Gesetzgeber
253 Nach § 8 Abs. 2 Buchst. a AStG der Fassung vor dem Unternehmensteuer-
fortentwicklungsgesetz waren die Einkünfte einer Landesholding als aktiv zu qualifizieren, wenn die gehaltene Gesellschaft aktiven Gesamtcharakter hat und im Land der haltenden Gesellschaft (Oberge-sellschaft) ansässig ist. Eine Funktionsholding (§ 8 Abs. 2 Buchst. b AStG) war aktiv, wenn die ausländische Gesellschaft die Beteiligung im Zusammenhang mit eigenen aktiven Tätigkeiten i.S.d. § 8 Absätze 1 bis 6 AStG hielt. 254 Bericht der Bundesregierung Bundestags-Drucksache 14/3366, FR 2001, Beilage zu Heft 11,
29. 255 § 14 AStG soll verhindern werden, dass eine Zwischengesellschaft nicht selbst passive Einkünfte
erzielt, sondern dass erst auf einer nächsten – „nachgeschalteten“ – Ebene eine Gesellschaft passive Einkünfte erzielt. Wenn somit Zwischeneinkünfte auf jeweils nachgelagerte Stufen verlagert werden könnten, würde dies die Effizienz der Hinzurechnungsbesteuerung schmälern. Die auf unterer Stufe des Netzes anfallenden Zwischeneinkünfte werden gemäß § 14 AStG in die Hinzurechnungsbe-steuerung einbezogen, falls Mehrheitsbeteiligungen (§ 7 AStG) bestehen. 256 Vgl. zur Zielsetzung des Außensteuerrechts als Lenkungsnorm BVerfG vom 14. 5. 1986 – 2
BvL 2/83, BVerfGE 72, 200 (245); grundlegende Kritik an steuerlichen Lenkungsnormen etwa Elicker, Entwurf einer proportionalen Einkommensteuer, Habilitationsschrift, Köln 2004, 198.
85
Die Besonderheit von passiven Einkünften
55
darum, steuerliches Ausweichverhalten zu unterbinden, ohne „gleichzeitig den Wett-
bewerb bei echter Geschäftstätigkeit zu beeinträchtigen“.257 Die Unterscheidung, ob
den Einkünften eine „echte Wettbewerbssituation“ zu Grunde liegt, deutet darauf
hin, dass die Besonderheit der passiven Einkünfte möglicherweise darin besteht, dass in
diesen Fällen Einkunftsquellen in ausländische Staaten verlagert werden können und
dabei Anforderungen materieller Art (wie etwa die Errichtung von Fabrikgebäuden
oder die Einrichtung von Warenlagern, die Suche nach Personal etc.) gegenüber
formalen Anforderungen (Übertragung eines Rechts – etwa für eine Lizenz oder ein
Patent) keine oder nur eine untergeordnete Rolle spielen. In Fällen, in denen die
Verlagerung des Steueranspruchs in einen anderen Staat allein dadurch vollzogen
werden kann, dass eine Gestaltungsmöglichkeit genutzt wird, ohne dass dies weitere
Substanzverlagerungen erfordert, steht dem Steuerpflichtigen ein „Mehr“ an Verlage-
rungsmöglichkeit zu. So reicht zur Übertragung von Zinsforderungen, Kapital an eine
ausländische Bank zu transferieren und danach eine vertragliche Vereinbarung zu
treffen. Patente und Lizenzen lassen sich durch Rechtsakt übertragen. Hingegen
können vermietete Immobilien nicht an einen Standort verbracht werden. Die Verla-
gerung von Produktionsstätten bedarf umfangreicher logistischer und organisatorischer
Maßnahmen. Die Bedeutung des durch die formale Verlagerungsmöglichkeit ausnutz-
baren internationalen Steuergefälles könnte für die Investitionsentscheidung in Fällen
neutralisiert werden, in denen vereinfachte Verlagerungsmöglichkeiten bestehen.
Damit lässt sich auf das den §§ 7–14 AStG zu Grunde liegende Prinzip schließen, nach
dem formale Verlagerungsmöglichkeiten aus der Einschaltung niedrig besteuerter aus-
ländischer Kapitalgesellschaft begrenzt werden sollen, indem fehlende materielle Er-
fordernisse für eine ausländische Investition kompensiert werden. Diese Erkenntnis
ließe sich auch mit der vom Bundesfinanzhof verwendeten Kategorisierung der in § 8
Abs. 1 AStG definierten Einkünfte abstimmen, nach der die Besonderheit passiver
Einkünfte darin besteht, dass die beteiligten Steuerinländer diese originär in eigener
Person hätten erzielen können.258
Die prinzipielle Besonderheit passiver Einkünfte besteht mithin darin, dass in den
erfassten Fällen materielle Verlagerungserfordernisse gegenüber formellen Verlage-
257 Vgl. Gesetzesbegründung zum AStG, Bundestags-Drucksache VI/2883, 19. 258 Vgl. BFH vom 5. 4. 199 – I R 81/94, BFHE 177, 437, BStBl. II 1995, 629 (unter II. 3.b. der
Entscheidungsgründe). Vgl. auch Volker Kluge, Das Internationale Steuerrecht, 77; OECD, Harmful Tax Competition, An Emerging Global Issue, 1998 (1998 Report) sowie Harmful Towards Global Tax Co-operation, Report to the 2000 Ministerial Council Meeting and Recommendations by the Committee on Fiscal Affairs, Progress in Identifying and Eliminating Harmful Tax Practices, 2000 (2000 Report).
86
Verhinderung steuerlicher Fehlentwicklungen
56
rungsmöglichkeiten zurücktreten. Der Steuerpflichtige kann also die Verlagerung von
Einkunftsquellen durch formale Übertragungsakte erreichen, mit denen die Einkunfts-
quelle in den Geltungsbereich einer anderen Jurisdiktion und Steuerrechtsordnung
überführt wird. Dagegen erfordert etwa die Verlagerung eines Industriebetriebs um-
fangreichen organisatorischen, finanziellen und strukturellen Aufwand. Der Steuer-
pflichtige hat es – vereinfacht gesagt – in Fällen passiver Einkünfte leichter, allein
durch die rechtliche Ausgestaltung der steuerlichen Gestaltungsmöglichkeiten Ein-
künfte in einen anderen Staat zu verlagern. In der vorliegenden Untersuchung ist
deshalb weiter zu prüfen, ob dieses Prinzip durchgehend in den Tatbeständen des § 8
Abs. 1 Nrn. 1–9 AStG umgesetzt ist und ob sich ein spezifischer Zusammenhang
zwischen den von der Hinzurechnungsbesteuerung angeordneten Rechtsfolgen –
diese bestehen in der Durchbrechung der Abschirmwirkung der ausländischen Gesell-
schaft – und diesen prinzipiellen Besonderheiten nachweisen lässt.
Dass von der Hinzurechnungsbesteuerung auch Vorgänge erfasst werden, die ge-
messen am Interventionszweck der Hinzurechnungsbesteuerung nicht der Steuer-
verlagerung oder anderen Steuerfluchtmaßnahmen dienen, könnte grundsätzlich
zulässig sein.259 Denn der Gesetzgeber ist bei der Ordnung von Massenerscheinungen
berechtigt, typisierende und pauschalierende Regelungen zu erlassen, so dass die
Besonderheiten des einzelnen Anwendungsfalls vernachlässigt und geringfügige Un-
gleichheiten in Kauf genommen werden können.260 So ließe sich auch für die Hinzu-
rechnungsbesteuerung als Verteidigungsargument anführen, dass eine gewisse Un-
schärfe des Steuerzugriffs angesichts der Vielschichtigkeit denkbarer Fallgestaltungen
notwendigerweise entstehen müsse. Das Gebot der realitätsgerechten Tatbestands-
gestaltung begrenzt jedoch die Reichweite dieses Arguments. Danach ist erforderlich,
dass die von der Hinzurechnungsbesteuerung erfassten Vorgänge sachgerecht aufge-
nommen und realitätsgerecht abgebildet werden.261 Es lassen sich hierfür im Rege-
lungsbereich der Hinzurechnungsbesteuerung Fallgestaltungen aufzeigen, in denen
formale Verlagerungsmöglichkeiten nicht vorrangig wahrnehmbar sind:
259 R. Wendt, Der Gleichheitssatz, NVwZ 1988, 778 (784). 260 Zu Einzelheiten vgl. J. Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 4 Rdnr. 132. Das BVerfG (etwa BVerfG vom 25. 9. 1992 – 2 BvL 14/91, BVerfGE 87, 153 [172]) lässt die „vergröbernde, die Abwicklung von Massenverfahren erleichternde Typisierung“ grundsätzlich zu. BVerfG vom 24. Juli 1963 – 1 BvL 11/61 und 1 BvL 30/57, BVerfGE 17, 1 (23), NJW 1963, 1723; BVerfG vom 13. 1. 1976, 1 BvR 631/69 und 1 BvR 24/70, BVerfGE 41, 126 (180), NJW 1976, 1491. 261 BVerfG vom 6. 3. 2002 – 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73, BGBl. I 2002, 1305; BStBl. II 2002,
618, NJW 2002, 1103.
87
Die Besonderheit von passiven Einkünften
57
Dient die Kreditvergabe von Finanzierungsgesellschaften innerhalb eines Kon-
zerns, nach Maßgabe von § 8 Abs. 1 Nr. 3 AStG eine passive Tätigkeit, dem Zweck,
die Kapitalbeschaffung und Weiterleitung aufgenommener Mittel an andere Teilein-
heiten des Konzerns zu steuern, liegen beachtliche Gründe vor, die dagegen sprechen,
dass formale Verlagerungsmöglichkeiten ausgenutzt werden.262 Um die Kapital-
beschaffung zu erleichtern, kann es sich anbieten, Finanzierungsgesellschaften in Staa-
ten zu gründen, deren Kapitalmärkte günstigen Bedingungen unterliegen, um die
Weiterleitung an Teileinheiten des Gesamtkonzerns zu koordinieren. Konzerninterne
Verteilungs- und Finanzierungsgesellschaften können zur bestmöglichen Allokation
von Kapital errichtet und eingesetzt werden. Der Einsatz solcher Gesellschaften kann
Vorteile nichtsteuerlicher Art für die Konzernfinanzierung bieten. Diese bestehen u.a.
in der Senkung von Emissionskosten gegenüber einer Anleiheausgabe im Inland, der
Vermeidung staatlicher Reglementierung oder in der Reduktion der Besicherungs-
anforderungen.263 Die Einschaltung von Kapitalgesellschaften kann auch als passiv
qualifiziert werden, wenn es eine Tochtergesellschaft übernimmt, Liquidität im Kon-
zern zu steuern – für solche Kapitalgesellschaften wird die Bezeichnung treasury centre
verwendet – in solchen Fällen kann dieser Kapitalgesellschaft etwa das Währungs-
management innerhalb des Konzerns zugewiesen werden, um Zins- und Wechsel-
kursrisiken zu minimieren.264 Der Einsatz einer solchen Kapitalgesellschaft dient kon-
zernintern dem Finanzausgleich sowie dem Vermögens- und Kreditmanagement.265
Das Verdikt der Passivität kann sich gemäß § 8 Abs. 1 Nrn. 3 und 5 AStG ergeben bei
Einschaltung von konzerninternen Versicherungsgesellschaften, so genannten capti-
ves.266 Diese Gesellschaften weisen beim Einsatz in einem Konzern vorrangig außer-
steuerliche Vorteile auf,267 die in der Optimierung der konzernweiten Risikopolitik,
262 Menck, in: Blümich, EStG, KStG, UmwStG/AStG, Kommentierung zum Außensteuergesetz,
§ 8 Rdnr. 32. 263 Siehe Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 1040. 264 Dazu Brigitte Hintzen, Die Zwischenholding als Strukturelement internationaler Konzerne,
DStR 1998, 1319 (1321); siehe auch Francois Malherbe, Die Belgischen Koordinierungsstellen, IStR 1997, 74. 265 Vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 1048. 266 Vgl. dazu Reinhard Frank, Captive Rückversicherung – Risiken und Sicherungsmöglichkeiten
bei der Vertragsgestaltung aus der Perspektive des Erstversicherers, VersR 1997, 1311. 267 Vgl. dazu Kurt Kiethe/Doris Hektor, Grundlagen und Techniken der Projektfinanzierung, DStR
1996, 977 (979); siehe auch Achim-Rüdiger Börner, Captives als Instrument der Bewältigung des Risikos deutscher Unternehmen aus Produkthaftpflicht, PHI 1995, 2; Karl Heinz Bialek/Luc Grillet, Captive-Versicherung im deutschen und US-amerikanischen Körperschaftsteuerrecht, RIW 1992, 301; Peter Würfele, Steuerliche Aspekte einer Captive Insurance Company, IWB 1989/12 Fach 3, Gruppe 1, 1241.
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Verhinderung steuerlicher Fehlentwicklungen
58
der Fokussierung auf bekannte Unternehmensrisiken bei der Prämienberechnung und
der Begrenzung der Schwankungsrisiken bei der Prämiengestaltung erkannt werden.268
Gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 5 AStG können Einkünfte von Factoring-Gesellschaften als
passive Einkünfte angesehen werden. Solche Gesellschaften kaufen Forderungen aus
Lieferungen und Leistungen einer Konzerngesellschaft an und bevorschussen diese bis
zur Fälligkeit, so dass Finanzierungsfunktion und Dienstleistungscharakter hier ge-
meinsam wahrnehmbar werden.269 Daher kann die Übernahme des Wechselkursrisikos
als außersteuerlicher Vorteil für die Einschaltung der Kapitalgesellschaft angeführt
werden.270 Auch bei Managementgesellschaften, mit denen Kontroll- und Koordinie-
rungseffekte in der Konzernsteuerung erzielt werden, können außersteuerliche Aspek-
te im Vordergrund stehen. Dennoch greift das Verdikt der Passivität für die von dieser
Kapitalgesellschaft erzielten Einkünfte. Bei Einschaltung einer solchen Kapitalgesell-
schaft kann jedoch als nicht steuerlicher Vorteil ein kostenreduzierender Synergieef-
fekt geschaffen werden.271 Nun kann nach alledem keine Rede davon sein, dass die
§§ 7–14 AStG nur Fälle erfassen, die ausschließlich darauf gerichtet sind, das inter-
nationale Steuergefälle auszunutzen. Vielmehr geraten auch betriebswirtschaftlich
sinnvolle Erscheinungsformen innerhalb von Unternehmensstrukturen in den Fokus
des Steuerzugriffs, mit denen, wie es etwa bei ausländischen Finanzierungsgesell-
schaften oder Patententwicklungsgesellschaften der Fall ist,272 wichtige wirtschaftliche
Aufgaben erfüllt werden und deren Verlegung in einen ausländischen Staat bereits aus
Motiven nichtsteuerlicher Art betriebswirtschaftlich begründbar ist. Im Falle der
Hinzurechnungsbesteuerung wird die in Rede stehende Pauschalierungsmöglichkeit
für den Regelungsbereich der ausländischen Kapitalgesellschaften deshalb in unzulässi-
gem Maße beansprucht. Die Regelungen in §§ 7–14 AStG wären noch als sachge-
rechtes Abbild anzusehen, wenn dadurch „Randfälle“ geregelt würden, in denen die 268 Dazu zusammenfassend Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 1052. 269 Siehe etwa Harald Kuckhoff/Rolf Schreiber, Grenzüberschreitende Funktionsverlagerung aus Sicht
der Betriebsprüfung, IStR 1999, 321; Götz Tobias Wiese, Steuerliche Behandlung von Securitisations, BB 1998, 1713; Stefan Rode, Die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung und die niederländische Risikoreserve, IStR 1997, 582. 270 Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 1054. 271 Vgl. etwa Gerhard Kraft, Finanzierungsstrukturen im internationalen Konzern auf dem Prüfstand
der höchstrichterlichen Rechtsprechung, IStR 2000, 11; Norbert Herzig/Sebastian Gocksch, Die -steuerliche Behandlung von Übergewinnanteilen für Sponsoren inländischer Private Equity-Fonds, DB 2002, 600; Arndt Raupach/Gero Burwitz, Managementverträge als missbräuchliche Gestaltung bei Finanzierungsgesellschaften – dargestellt am Beispiel irischer IFSC-Gesellschaften in den Dublin Docks, in: Festschrift Rädler, 539 272 Wassermeyer, Schriftenreihe Beratungsakzente, Internationales Steuerrecht, Fortentwicklung des
Unternehmenssteuerrechts Außensteuergesetz Beschränkte Steuerpflicht, 67.
Bedeutung der „Abschirmwirkung“
59
Steuerflucht- oder Verlagerungstendenzen deutlich und hinreichend bestimmbar zu
Tage treten. Angesichts des Umstandes, dass durch die Anknüpfung an bestimmte
Investitionen ganze Gruppen von Steuerpflichtigen erfasst werden, verfehlt die Typi-
sierung wegen ihrer zu groben Differenzierung die Eigenart des zu ordnenden Gegens-
tandes. Die Vorschriften der Hinzurechnungsbesteuerung erfassen daher in grob typi-
sierender Weise auch wirtschaftlich vernünftige Gestaltungen und mit Ihrer Anwen-
dung werden auch diejenigen Fälle erfasst, in denen Steuerpflichtige in redlicher
Weise und ohne jegliche Steuerumgehungsabsichten am wirtschaftlichen Verkehr in
anderen Staaten teilnehmen.
Der Regierungsbegründung zur Einführung des Außensteuergesetzes lässt sich
entnehmen, dass in den der Hinzurechnungsbesteuerung unterworfenen Lebenssach-
verhalte die Abschirmwirkung ausländischer Gesellschaft durchbrochen werden müsse,
da ein dauerhafter steuerlicher Vorteil aufgrund des ausländischen Steuerniveaus beste-
hen könne.273 Die Hinzurechnungsbesteuerung könnte also auf den Leitgedanken
gestützt werden, dass die dauerhafte Ausnutzung der Abschirmwirkung ausländischer
Gesellschaften, aus der sich „ungerechtfertigte“ d.h. lediglich durch steuerliche Ge-
sichtspunkte motivierte, Steuervorteile ergeben, zurückgedrängt werden soll.274 Der
sich aus der Einschaltung einer ausländischen Gesellschaft ergebende Steuervorteil
kann also – aus steuerplanerischer Sicht – maximiert werden, je länger eine Ausschüt-
tung verzögert wird. Hiernach könnte die Vermutungsregel formuliert werden, dass
die Ausnutzung der Abschirmwirkung als regelmäßige Folge in Fällen aufzeigbarer
formaler Verlagerungsmöglichkeiten zu erwarten ist. Damit erreicht man den zentra-
len Aspekt, auf den die Rechtfertigung der Hinzurechnungsbesteuerung aufbauen
kann. Es geht mithin um den Zusammenhang zwischen formaler Verlagerungsmög-
lichkeit und dauerhafter Thesaurierung der Erträge einer ausländischen Kapitalgesell-
schaft. Dieser Zusammenhang könnte die Hinzurechnungsbesteuerung verfassungs-
rechtlich legitimieren.
Die grundsätzliche Beziehung zwischen einer dauerhaften Thesaurierung von
niedrig besteuerten passiven Einkünften der Abschirmwirkung war Gegenstand von
zwei – zwischenzeitlich außer Kraft getretenen – Vorschriften. Aus der Regelung des
§ 10 Abs. 5 AStG ergab sich eine Ausnahme von der Hinzurechnungsbesteuerung,
273 Siehe die Begründung zum AStG: Bundestags-Drucksache VI/2883 vom 2. 12. 1971, 26 f. 274 Vgl. Regierungsbegründung zum AStG, Bundestags-Drucksache VI/2883, Rdnr. 27 ff.; vgl.
etwa auch Lieber, in: Herrmann/Heuer/Raupach, Vor § 7 AStG Rdnr. 5; siehe auch Selling, Die Abschirmwirkung ausländischer Basisgesellschaften gegenüber dem deutschen Fiskus, DB 1988, 930 ff.; Harald Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 10. 2.
89
90 Bedeutung der „Abschirmwir-kung“
Verhinderung steuerlicher Fehlentwicklungen
60
wenn der Bezug von Einkünften – welche an sich als „Einkünfte einer Zwischen-
gesellschaft“ im Sinne der §§ 7 f. AStG zu qualifizieren waren – bei einer Ausschüt-
tung nach den Regeln eines Doppelbesteuerungsabkommens steuerfrei hätte erfolgen
können (§ 10 Abs. 5 AStG). Als weitere Ausnahme zur Anwendung der Hinzurech-
nungsbesteuerung bestimmte § 11 Abs. 1 AStG die Kürzung des Hinzurechnungsbe-
trags um Gewinnanteile, die von der ausländischen Kapitalgesellschaft bezogen wur-
den.275 Die Anwendung der Hinzurechnungsbesteuerung unterblieb in diesen Fällen,
da die ausgeschütteten ausländischen (Zwischen-) Einkünfte auf diese Weise ins Inland
gelangten und der inländischen Besteuerung unterlagen.276 Da die Hinzurechnungsbe-
steuerung die Verzögerung der Ausschüttung von im Ausland erzielten Einkünften
verhindern sollte, verknüpfte die in § 11 AStG enthaltene Vorschrift in das Norm-
gefüge der §§ 7–14 AStG den Gedanken, dass es der Anwendung der Hinzurech-
nungsbesteuerung nicht mehr bedurfte, wenn die Ausschüttung der niedrig besteuer-
ten Auslandseinkünfte an den inländischen Gesellschafter erfolgte. Ebenso kam eine
Durchbrechung der von der ausländischen Kapitalgesellschaft ausgehenden Abschirm-
wirkung in den von § 10 Abs. 5 AStG geregelten Fällen nicht in Betracht. Der Zweck
des § 10 Abs. 5 AStG bestand darin, die in den Doppelbesteuerungsabkommen enthal-
tenen Schachtelprivilegien – das sind Regelungen, die den Bezug von Dividenden ab
einer bestimmten Beteiligung vorsehen277 – auch zur Geltung zu bringen, wenn ein
Zugriff auf die Einkünfte der ausländischen Kapitalgesellschaft nach den Vorschriften
über die Hinzurechnungsbesteuerung in Betracht kam. Schachtelprivilegien finden
sich sowohl im nationalen278 als auch im internationalen Steuerrecht.279 Diese bewir-
275 Nach der nach dem Steuersenkungsgesetz geltenden Rechtslage ordnet § 3 Nr. 41 EStG statt-
dessen die Steuerfreiheit für Ausschüttungen an, die als Hinzurechnungsbeträge der Hinzurech-nungsbesteuerung unterlegen haben. Durch diese Vorschrift wird die doppelte Belastung vermieden, die sich aus Hinzurechnungsbesteuerung und der Versagung der Steuerbefreiung nach § 10 Abs. 2 Satz 3 AStG ergibt. Eine Doppelbelastung aus Körperschaftsteuer bzw. Einkommensteuer und der aus der Hinzurechnungsbesteuerung resultierenden Steuerbelastung entsteht, wenn eine Ausschüt-tung der betroffenen Einkünfte nicht innerhalb des in der Vorschrift bestimmten 7-Jahres-Zeitraums stattfindet. 276 Vgl. § 11 Abs. 1 AStG in der Fassung bis zur Änderung der Vorschrift durch Gesetz vom
20. 12. 2001 zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts – Unternehmenssteuer-fortentwicklungsgesetz [UntStFG] BGBl. I 2001, 3858; Wassermeyer, Schriftenreihe Beratungsakzen-te, 2002, 71 f. 277 Vgl. Friedhelm Jacob, DBA Schachtelbefreiung für Dividenden: Welche Beteiligungsschwelle
gilt? FR 2002, 1355. 278 Vgl. insbesondere die umfassende Freistellung in § 8b Abs. 1 KStG.
Bedeutung der „Abschirmwirkung“
61
ken, dass die Gewinnausschüttung, die eine Kapitalgesellschaft aus einer Beteiligung an
einer Kapitalgesellschaft bezieht, auf der Ebene der beziehenden Gesellschaft freige-
stellt werden, wenn bestimmte Beteiligungsgrenzen erreicht sind. Da passive Einkünf-
te – so formulierte es der Bundesfinanzhof – „regelmäßig zu Ausschüttungszwecken
zur Verfügung stehen“280 und ein Doppelbesteuerungsabkommen die steuerneutrale
Ausschüttung sowie die wirtschaftliche Nutzung der Erträge der ausländischen Kapi-
talgesellschaft ermöglichte, wurde der Abschirmwirkung als Faktor für die Verzöge-
rung der Ausschüttung keine Bedeutung zuerkannt.281 Durch das Steuerver-
günstigungsabbaugesetz wurde die Vorschrift in § 10 Abs. 5 AStG ersatzlos ge-
strichen,282 § 11 Abs. 1 AStG wurde durch das Unternehmensteuerfort-
entwicklungsgesetz neu gefasst und enthält danach eine Regelung für Gewinne, die
die ausländische Gesellschaft aus der Veräußerung der Anteile an einer anderen aus-
ländischen Gesellschaft sowie aus deren Auflösung oder der Herabsetzung ihres Kapi-
tals erzielt.283
279 Im Hinblick auf die Hinzurechungsbesteuerung von Bedeutung ist das Schachtelprivileg aus
dem DBA Deutschland/Irland, vgl. dazu insbesondere Jürgen Lüdicke, Beteiligungen an IFSC-Gesellschaften – Gemeinschaftsrechtskonforme Anwendung der Schachtelprivilegien im DBA Deutschland/Irland, IStR 2003, 188. 280 Vgl. BFH vom 5. 4. 1995 – I R 81/94 BFHE 177, 437, BStBl. II 1995, 629 (unter II. 3.b. der
Entscheidungsgründe). 281 Vgl. zu den Motiven des prognostizierten Ausschüttungsverhaltens nach dem Steuer-
senkungsgesetz: Schön, Zum Entwurf eines Steuersenkungsgesetzes, StuW 2000, 151. 282 Vgl. Gesetz vom 16. 5. 2003, BGBl. I, 660; mit der Aufhebung von § 10 Abs. 5 AStG im Zuge
des Steuervergünstigungsabbaugesetzes kann die Hinzurechnungsbesteuerung für diejenigen Fälle Anwendung finden, in denen ein Doppelbesteuerungsabkommen die Freistellung von ausländischen Dividendenerträgen auf der Ebene des Anteilseigners vorsieht. Das Besteuerungsrecht für Dividen-den ist gemäß den Vorschriften in Art. 10 OECD-Musterabkommen 2003 zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen – OECD-MA – auf Quellenstaat und Ansässigkeitsstaat aufgeteilt. Der Quellenstaat darf eine Quellensteuer einbehalten, der Ansässigkeitsstaat hat das endgültige Besteuerungsrecht, die Quellensteuer wird grundsätzlich auf die Steuerschuld im Ansässigkeitsstaat angerechnet. 283 § 11 Abs. 1 AStG wurde neu gefasst durch das Gesetz vom 20. 12. 2001, BGBl. I 2001, 3858
mit Wirkung für nach dem 31. 12. 2000 beginnende Wirtschaftsjahre (§ 21 Abs. 7 Satz 4 AStG).
Verhinderung steuerlicher Fehlentwicklungen
62
Ausweislich der Regierungsbegründung284 zum so genannten „Steuervergünsti-
gungsabbaugesetz“285 war die Aufhebung von § 10 Abs. 5 AStG erforderlich, weil
diese Regelung „heute die konsequente Durchsetzung der Ziele der Hinzurechnungsbesteuer-
ung im Verhältnis zu den wenigen Ländern, die sich in bestimmten Bereichen für Ausländer als
Gebiete mit Vorzugssteuersätzen anbieten und damit potentiell unfairen Steuerwettbewerb
betreiben“ behindere.286 Zur Begründung der Aufhebung des § 10 Abs. 5 AStG wurde
weiter geltend gemacht, dass die Nichtgewährung von Privilegien in Doppelbesteuer-
ungsabkommen zur Vermeidung schädlicher Steuerpraktiken erforderlich sei, damit in
Deutschland kein steuerschädlicher Wettbewerbsvorteil entstehe: Der inländische
Anteilseigner könne Gewinne sonst steuerfrei nach Deutschland durchschleusen und würde
von der vorteilhaften Besteuerung profitieren.287
Mit der Verwendung des Wortes „durchschleusen“ bringt der Gesetzgeber zum
Ausdruck, dass das ausländische Steuerniveau wegen der vorgesehenen umfassenden
und vorbehaltlosen Freistellung von Dividendenbezügen durch eine Kapitalgesellschaft
(§ 8b Abs. 1 KStG) im Inland wirksam wird288 und dadurch ein systematisches Defizit
entsteht, da die Steuerbefreiung nach § 8b Abs. 1 KStG auch für Dividenden bean-
sprucht werden kann, die einer gegenüber der deutschen Körperschaftsteuer geringe-
ren Belastung unterliegen.289 Für den Anteilseigner bedeutet das System der Besteuer-
284 Vgl. Regierungsbegründung zum StVergAbG, Bundestags-Drucksache 15/119, 54; Bundesrats-
Drucksache 866/02, 87. 285 Gesetz vom 16. 5. 2003 zum Abbau von Steuervergünstigungen und Ausnahmeregelungen –
Steuervergünstigungsabbaugesetz (StVergAbG), BGBl. I 2003, 660. Die Verschärfungen werden unpräzise und unvollständig in der Regierungserörterung erörtert, so dass kritisiert wurde, dass der Gesetzgeber sich über die Tragweite der vorgeschlagenen Regelung nicht bewusst war. Vgl. hierzu Lüdicke, Internationale Aspekte des Steuervergünstigungsabbaugesetzes, IStR 2003, 433 (438); siehe auch Arne Schnitger, Internationale Aspekte des Entwurfs eines Gesetzes zum Abbau von Steuer-vergünstigungen und Ausnahmeregelungen, IStR 2003, 73. 286 Vgl. Regierungsbegründung: Bundestags-Drucksache 15/119, 54; Bundesrats-Drucksache
866/02, 87, sowie zu den Motiven für die Abschaffung des § 10 Abs. 5 AStG auch Klaus Sieker, Steuervergünstigungsabbaugesetz: Vorgesehene Verschärfung der Rechtsfolgen der Hinzurechnungs-besteuerung, IStR 2003, 78 (80). 287 Vgl. Regierungsbegründung, Bundestags-Drucksache 15/119, 54; Bundesrats-Drucksache
866/02, 87. 288 Vgl. hierzu Ulrich Prinz, Strategien gestalteter Ausschüttungsmaßnahmen bei Kapitalgesellschaf-
ten, FR 2004, 19; Siegfried Grotherr, International relevante Änderungen durch das Gesetz zur Um-setzung der Protokollerklärung zum Steuervergünstigungsabbaugesetz (Korb II-Gesetz), IWB 2004/2, Fach 3, Gruppe 1, 2017 und IWB 2004/3, Fach 3, Gruppe 1, 2035; Bernd Kaminski/Günther Strunk, Die steuerliche Behandlung von Aufwand im Zusammenhang mit Kapitalgesellschaftsbeteili-gungen nach Änderung des § 8b KStG zum 1. 1. 2004, BB 2004, 689. 289 Siehe dazu Volker Streu, Der Einsatz einer inländischen Zwischenholding in der internationalen
Konzernsteuerplanung, in: Handbuch der internationalen Steuerplanung 2003, 139.
91
Ände-rung der Ziele des Außen-steuer-rechts
92
Änderung der Ziele des Außensteuerrechts
63
ung nach dem Steuersenkungsgesetz die wirtschaftliche Neutralität hinsichtlich der
Entscheidung, ob der im Ausland erzielte Gewinn an die inländische Kapitalgesell-
schaft ausgeschüttet werden soll. Nach einer Ausschüttung entsteht wegen § 8b Abs. 1
KStG grundsätzlich – mit Ausnahme von § 8b Abs. 5 KStG290 – keine steuerliche
Belastung der Dividende.291 Da § 8b Abs. 5 KStG (die Vorschrift fingiert nichtabzieh-
bare Betriebsausgaben in Höhe von 5 % der Dividende) gleichermaßen auf Inlandsdi-
videnden und auf Auslandsdividenden anzuwenden ist, kann die Ausschüttung sogar
gegenüber dem Thesaurierungsfall günstiger sein, da in beiden Fällen Betriebsausga-
ben, sofern diese 5 % der Dividende übersteigen, vollständig steuermindernd zu be-
rücksichtigen sind.292 Die Ausschüttung von Dividenden kann mithin steueroptimiert
erfolgen, wenn der Gesellschaftsanteil in hohem Maße fremd finanziert ist. Letztlich
wird § 8b Abs. 5 KStG dazu anregen, Auslandsbeteiligungen mit Fremdmitteln zu
finanzieren und damit einen vollen Abzug der Betriebsausgaben zu erreichen, die über
den Betrag von 5 % der Dividende hinausgehen. Für die Gestaltungsberatung wird
dann auch eine möglichst umfangreiche Fremdfinanzierung der Beteiligungen an
Kapitalgesellschaften vorgeschlagen.293
Nach § 8b Abs. 1 KStG bleiben § 8b Abs. 1 Satz 1 KStG Bezüge im Sinne des
§ 20 Abs. 1 Nrn. 1, 2, 9 und 10 Buchst. a EStG bei der Ermittlung des Einkommens
außer Ansatz. Das Ziel der Vorschrift in § 8b Abs. 1 KStG besteht darin, die Investiti-
on von Unternehmen zu begünstigen, da der Gesetzgeber unterstellt, dass die Aus-
schüttung an einen privaten Anleger nicht für produktive Investitionen zur Verfügung
290 Zur Entstehungsgeschichte der Vorschrift vgl. Harald Schaumburg, in: JbFSt 1999/2000, 131 ff.;
siehe auch Heinicke, in: Schmidt, EStG, § 3c Rdnr. 16. 291 Nach Abschaffung des Anrechnungsverfahrens durch das Steuersenkungsgesetz schafft § 8b
Absätze 1 und 5 KStG einen Anreiz, Beteiligungen fremd zu finanzieren und Erträge der Tochterge-sellschaften an die inländische Muttergesellschaft auszuschütten. 292 Vgl. Haep, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 8b KStG, Rdnrn. 13 und 90, Band Steuerreform
II; Hans Joachim Herrmann, in: Frotscher, EStG, § 3 c Rdnr. 20; Heinicke, in: Schmidt, EStG, § 3 c Rdnr. 16; BMF-Schreiben vom 10. 1. 2000, BStBl. I 2000, 71 (Tz. 2 und 3 Beispiele 1 und 2) zu § 8b Abs. 7 a. F – heute § 8bAbs. 5 KStG – nach dem BMF-Schreiben sollen auch verdeckte Ge-winnausschüttungen von der Vorschrift des § 8b Abs. 5 KStG erfasst werden. 293 Siehe dazu insbesondere Haep, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 3c EStG, Rdnr. 13 dort
Schlagwort Zuordnung des Fremdkapitals zu Auslandsbeteiligungen; Bert Kaminski/Günther Strunk, Die -steuerliche Behandlung von Aufwand im Zusammenhang mit Kapitalgesellschaftsbeteiligung nach Änderung des § 8b KStG zum 1. 1. 2004, BB 2004, 689 (690).
93
Verhinderung steuerlicher Fehlentwicklungen
64
steht.294 Ohne diese Steuerbefreiung würden Gewinne bei der Ausschüttung von
Tochtergesellschaften an eine Muttergesellschaft mehrfach mit Körperschaftsteuer
belastet. Thesaurierte Gewinne führen – so sah es der Gesetzgeber – zu realen Investi-
tionen, während ausgeschüttete Gewinne tendenziell in den unproduktiven Konsum
überführt würden.295 Mit der Begünstigung thesaurierter Gewinne förderte der Ge-
setzgeber insbesondere die Ausschüttung an die Konzern-Muttergesellschaften.296
Allerdings entstand dadurch auch der Anreiz, verstärkt Investitionen in Niedrigsteuer-
länder vorzunehmen und die erzielten Gewinne anschließend auszuschütten.297
Betrachtet man demgegenüber die steuerlichen Belastungswirkungen unter Gel-
tung des körperschaftlichen Anrechnungsverfahrens, lassen sich folgende Unterschiede
aufzeigen: Unter Geltung des Anrechnungsverfahrens wurde die Betriebsvermögens-
mehrung (im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG) besteuert, denn es wurde eine Aus-
schüttungsbelastung (§ 27 Abs. 1 KStG 1999) hergestellt. Die §§ 7–14 AStG sollten
vor diesem Hintergrund einen Steueranspruch begründen, der wegen der Abschirm-
wirkung der ausländischen Gesellschaft im Inland (noch) nicht entstanden war. Unter
Geltung des Halbeinkünfteverfahrens und der in § 8b Abs. 1 KStG geregelten Steuer-
freistellung wird unter den dort genannten Voraussetzungen eine realisierte Betriebs-
vermögensmehrung nicht besteuert. Bestimmte Betriebsvermögensmehrungen werden
nach § 8b Abs. 1 KStG grundsätzlich von der Besteuerung ausgenommen, selbst wenn
diese realisiert wurden.
294 Vgl. Regierungsbegründung zum StSenkG, Bundestags-Drucksache 14/2683 vom 15. 2. 2000,
93; Nachweis auch bei Ekkehard Wenger, Die Steuerfreiheit von Veräußerungsgewinnen: Systemwid-rigkeiten und systematische Notwendigkeiten, StuW 2000, 177 (178); so auch die Kommission zur Reform der Unternehmensbesteuerung (Brühler Empfehlungen), BB 1999, 1188, Bundestags-Drucksache 14/2683 vom 15. 2. 2000, 93; vgl. auch Wolfram Reiß, Kritische Anmerkungen zu den Brühler Empfehlungen zur Reform der Unternehmensbesteuerung, DStR 1999, 2011 (2016); siehe auch Dieter Schulze zur Wiesche, Kritische Anmerkungen zu den Brühler Empfehlungen der Unterneh-mensbesteuerung, FR 1999, 698 (699); Schön, Zum Entwurf eines Steuersenkungsgesetzes, StuW 2000, 151; Ralf Maithert/Birk, Kritische Anmerkungen zur geplanten Substitution des körperschaft-steuerlichen Anrechnungsverfahrens durch das Halbeinkünfteverfahren im Zuge des StSenkG, BB 2000, 610. 295 Vgl. Schulze zur Wiesche, Kritische Anmerkungen zu den Brühler Empfehlungen zur Reform
der Unternehmensbesteuerung, FR 1999, 698; Reiß, Kritische Anmerkungen zu den Brühler Emp-fehlungen zur Reform der Unternehmensbesteuerung, DStR 1999, 2011 (2015). 296 Vgl. hierzu etwa Reiß, Kritische Anmerkungen zu den Brühler Empfehlungen zur Reform der
Unternehmensbesteuerung, DStR 1999, 2011 (2016). 297 Vgl. auch Hadenfeldt, Die Hinzurechnungsbesteuerung nach dem Außensteuergesetz von Ein-
künften aus deutschen Quellen, Schriften des Instituts für Ausländisches und Internationales Finanz- und Steuerwesen der Universität Hamburg, Band 35, Dissertation, Hamburg 1998, 274 f.
94
Ergebnis und Zusammenfassung
65
In der Begründung zur Aufhebung des § 10 Abs. 5 AStG brachte der Gesetzgeber
erkennbar zum Ausdruck, dass wegen der umfassenden Steuerbefreiung von Dividen-
denbezügen auch die Ausschüttung – und nicht durch die Thesaurierung – von aus-
ländischen Einkünfte einen Wettbewerbsvorteil entstehen könne. Aus den steuer-
lichen Wirkungen des Befreiungstatbestandes des § 8b Abs. 1 KStG folgt daher schon
nach den vom Gesetzgeber dargestellten Motiven, dass die dauerhafte Ausnutzung der
Abschirmwirkung im außensteuerlichen Kontext zu vernachlässigen ist.298 Die Konse-
quenz dieser Erwägungen ist indes deutlich herauszustellen: Erkennt der Gesetzgeber
in der Ausschüttung die steuerliche Belastungsfolge, die es mit der Hinzurechnungsbe-
steuerung zu verhindern gelte, versagt die Vermutungsregel, dass in den Fällen der
Hinzurechnungsbesteuerung die Abschirmwirkung unberechtigt ausgenutzt wird. Es
kommt zu einer Durchbrechung der Abschirmwirkung der ausländischen Gesellschaft,
um eine „ausreichende“ Vorbelastung niedrig besteuerter Unternehmensgewinne zu
erzeugen und nicht, um deren dauerhafte Thesaurierung zu verhindern. Ein spezifi-
scher, innerer Zusammenhang zwischen der als Rechtsfolge der Hinzurechnungsbe-
steuerung angeordneten Durchbrechung der Abschirmwirkung ausländischer Gesell-
schaften in den betroffenen Lebensverhältnissen ist damit nicht gegeben.
Der Bundesfinanzhof formulierte in einer Entscheidung, dass passive Einkünfte re-
gelmäßig zu Ausschüttungszwecken zur Verfügung stünden.299 Inzwischen hat der
Gesetzgeber selbst deutlich gemacht – und in der Gesetzesbegründung zur Aufhebung
des § 10 Abs. 5 AStG offenkundig zum Ausdruck gebracht –, dass er der Abschirm-
wirkung einer ausländischen Kapitalgesellschaft keine Bedeutung für die Hinzurech-
nungsbesteuerung mehr zuerkennt. Die Ausschüttung der Einkünfte einer „Zwi-
schengesellschaft“ an den inländischen Anteilseigner wird als Gestaltungsoption aufge-
fasst, welcher es mit der Hinzurechnungsbesteuerung zu sanktionieren gilt. Die ent-
standene Divergenz zwischen der ursprünglichen Zielsetzung der §§ 7–14 AStG und
der offensichtlichen Bedeutungslosigkeit der Abschirmwirkung im außensteuerlichen
Kontext rührt daher, dass eine Ausschüttung niedrig besteuerter Einkünfte ins Inland
unter Geltung des körperschaftsteuerlichen Anrechnungsverfahrens nicht gegenüber
298 Vgl. dazu auch Jens Schönfeld, Hinzurechnungsbesteuerung und Europäisches Gemeinschafts-
recht, 113. 299 Vgl. BFH vom 5. 4. 199 – I R 81/94, BFHE 177, 437, BStBl. II 1995, 629 (unter II. 3.b. der
Entscheidungsgründe). Vgl. auch Volker Kluge, Das Internationale Steuerrecht, 77; OECD, Harmful Tax Competition, An Emerging Global Issue, 1998 (1998 Report) sowie Harmful Towards Global Tax Co-operation, Report to the 2000 Ministerial Council Meeting and Recommendations by the Committee on Fiscal Affairs, Progress in Identifying and Eliminating Harmful Tax Practices, 2000 (2000 Report).
95
96 Ergeb-nis und Zusam-men-fassung Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG
Zusammenfassung
66
einer Thesaurierung von Vorteil war, da die Ausschüttungsbelastung bei Ausschüttung
ins Inland für niedrig besteuerte – allerdings: für sämtliche niedrig besteuerten –
Einkünfte erzeugt wurde. Die Ausschüttungsbelastung musste somit als Faktor, der
gegen die Ausschüttung sprach, von der Hinzurechnungsbesteuerung eliminiert wer-
den, man könnte formulieren, dass die Belastungsfolge aus der Ausschüttungsbelastung
das Hindernis war, welches die Hinzurechnungsbesteuerung überwinden sollte. Mit
dem Wegfall des körperschaftsteuerlichen Anrechnungsverfahrens hat der Gesetzgeber
bei umfassender Privilegierung von Ausschüttungen dieses Hindernis beseitigt, und es
gehört nicht allzu viel Vorstellungskraft dazu, die dadurch motivierten Ausschüttungs-
folgen vorherzusehen. Gerade bei international operierenden Konzernen setzt neuer-
dings eine Entwicklung zu „internationalen“ Organschaftstrukturen ein, in denen der
Fluss von Erträgen hin zur Konzernspitze erreicht wird. Es kann daher mit dem Weg-
fall des Anrechnungsverfahrens die Frage gestellt werden, ob die Abschirmwirkung
von ausländischen Gesellschaften als Gestaltungsmittel überhaupt noch ernsthaft eine
Bedeutung genießt. Die Hinzurechnungsbesteuerung, so lassen sich die gefundenen
Systemmängel zusammenfassen, soll an die Stelle des körperschaftsteuerlichen Anrech-
nungsverfahrens die Gewinne ausländischer Gesellschaften auf das inländische Niveau
„hochschleusen“, doch erzeugt sie damit eben – wie früher die Ausschüttungsbelas-
tung – selbst das Hindernis, welches die Hinzurechnungsbesteuerung vormals über-
winden sollte. Vermochte die Hinzurechnungsbesteuerung vormals die Funktionsfä-
higkeit des Anrechnungsverfahrens zu flankieren, spiegelt und perpetuiert sie inzwi-
schen die Mängel in einem aus verfassungsrechtlicher Sicht zweifelhaften Körper-
schaftsteuersystem.
IV. Zusammenfassung der gleichheitsrechtlichen Bedenken
Der Gesetzgeber hat ein Körperschaftsteuersystem institutionalisiert, welches von
Anbeginn seiner Einführung verfassungsrechtlich zweifelhaft erschien. Dabei ist es
nicht gelungen, ein widerspruchsfreies Besteuerungssystem zu schaffen, die verfas-
sungsrechtlichen Zweifel gegen die Hinzurechnungsbesteuerung sind Ausfluss dieser
Widersprüche. Der Gesetzgeber hat es nicht verstanden, die Regelungen der Hinzu-
rechnungsbesteuerung widerspruchsfrei in das System der Unternehmensbesteuerung
zu implementieren. Die Konsequenz der somit verursachten Widersprüche besteht vor
allem darin, dass die Ausnutzung der Abschirmwirkung in Zusammenhang mit der
Hinzurechnungsbesteuerung bedeutungslos geworden ist. Die §§ 7–14 AStG durch-
brechen die Abschirmwirkung der ausländischen Gesellschaft, um eine „ausreichende“
97
Zusammenfassung
Ergebnis und Zusammenfassung
67
Vorbelastung niedrig besteuerter Unternehmensgewinne zu erzeugen und nicht um
deren dauerhafte Thesaurierung zu verhindern. Es fehlt mithin an dem spezifischen
Zusammenhang zwischen den von §§ 7–14 AStG erfassten Lebensverhältnissen und
den von den Vorschriften angeordneten Rechtsfolgen. Als Ergebnis steht nach einer
Untersuchung der §§ 7–14 AStG am Maßstab des allgemeinen Gleichheitssatzes fest,
dass die Hinzurechnungsbesteuerung nach dem Außensteuergesetz eine ungerechtfer-
tigte Ungleichbehandlung im Sinne von Art. 3 Abs. 1 GG darstellt und daher verfas-
sungswidrig ist.
Problemlage im Hinblick auf Art. 20 Abs. 3, Art. 1 Abs. 3 GG
68
B. Vereinbarkeit der §§ 7–14 AStG mit dem Rechtsstaatsprinzip
I. Problemstellung
Der gesetzlichen Konzeption der Hinzurechnungsbesteuerung könnten auch Beden-
ken im Hinblick auf das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 1 Abs. 3 GG)
entgegenstehen. Es ist zu prüfen, ob die Vorschriften in den §§ 7–14 AStG dem Gebot
der Bestimmtheit der Besteuerung entsprechen. Diese Problematik ergibt sich aus der in
§ 7 Abs. 1 AStG geregelten Voraussetzung der Hinzurechnungsbesteuerung, nach
welcher unbeschränkt steuerpflichtige Personen zu mehr als der Hälfte an einer aus-
ländischen Kapitalgesellschaft beteiligt sein müssen. Wenn der Gesetzgeber die Zielset-
zung verfolgt, steuerliches Ausweichverhalten zu unterbinden,300 erscheint diese Re-
gelung zunächst sachgerecht, da sie gesellschaftsrechtliche Beteiligungsverhältnisse in
das Blickfeld des Steuerzugriffs rückt. Die gesetzliche Konzeption der Hinzurech-
nungsbesteuerung sieht steuerliche Fehlentwicklungen und steuerliches Ausweich-
verhalten dort als verwirklicht, wo ausländische Gesellschaften von inländischen Steu-
erpflichtigen beherrscht werden; in diesen Fällen könne kraft des Beteiligungsverhält-
nisses der Wille zur steuerlichen Manipulation durchgesetzt werden.301 An diesem
Konzept wurde jedoch zu Recht kritisiert, dass inländische Steuerpflichtige durch die
Hinzurechnungsbesteuerung in eine zufällig entstehende Zwangsgemeinschaft geraten
könnten, so wenn etwa ein Gesellschafter kraft seiner Beteiligung nicht über den
gesellschaftsrechtlichen Einfluss verfügen kann, um eine Beteiligungsquote von unbe-
schränkt steuerpflichtigen Personen im Sinne von § 7 Abs. 1 AStG zu verhindern.302
Die Besteuerung von „Zwischeneinkünften mit Kapitalanlagecharakter“ gehorcht
eigenen Voraussetzungen hinsichtlich der Beteiligungsquote inländischer Steuer-
pflichtiger. Unbeschränkt Steuerpflichtige, die gemeinsam mehr als 50 % der Anteile
an einer ausländischen Kapitalgesellschaft halten, unterliegen der Hinzurechnungsbe-
steuerung (§ 7 Abs. 2 AStG). Wird diese Quote nur zu 49,9% erfüllt und befinden
sich die restlichen Anteile im Portfolio ausländischer Investoren, wird die Hinzurech-
nungsbesteuerung nicht angewendet. Die Beschränkung auf inländische Steuer-
300 Vgl. Regierungsbegründung Bundestags-Drucksache VI/2883, Rdnrn. 27 ff. 301 Vgl. hierzu von Beckerath, Durchgriff im Steuerrecht, 284. 302 Vgl. von Beckerath, Durchgriff im Steuerrecht, 286.
98 Vereinbar-keit mit dem Rechts-staatsprin-zip
Problemlage im Hinblick auf Abs. 3, Art. 1 Abs. 3 GG
Vereinbarkeit mit dem Rechtsstaatsprinzip
69
pflichtige kann zu unscharfen und im Einzelfall unbillig erscheinenden Ergebnissen
führen. Eine besondere Regelung des Außensteuergesetzes bestimmt die Herab-
senkung der Beteiligungsquote. Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter sind
bei einem Steuerpflichtigen mit dem im § 7 Abs. 1 AStG bestimmten Umfang steuer-
pflichtig (d. h. entsprechend seiner Beteiligungsquote), wenn diese unbeschränkt
steuerpflichtige Person an der Kapitalgesellschaft mit mindestens 1 % beteiligt ist.303
Erzielt die ausländische Kapitalgesellschaft ausschließlich oder fast ausschließlich Ein-
künfte mit Kapitalanlagecharakter (§ 7 Abs. 6 Satz 3 AStG), genügt sogar eine Beteili-
gung von weniger als 1 %, um die Hinzurechnungsbesteuerung auszulösen. Im Ergeb-
nis reicht irgendeine Beteiligung für die Anwendbarkeit der Vorschrift aus, es genügt
damit das Vorliegen einer nominell minimalen Beteiligung.
Es liegt auf der Hand, dass diese geringe Beteiligungsgrenze, deren Überschreiten
schon zur Anwendung der Hinzurechnungsbesteuerung führt, die Situation für den
Steuerpflichtigen mit Risiken belegt, die auch dann schwer einschätzbar sind, wenn
der Steuerpflichtige die notwendige Erklärungsbereitschaft besitzt. Denn die Beteili-
gungsverhältnisse und deren Veränderungen liegen nicht innerhalb der individuellen
Einflussmöglichkeit des Anteilseigners, wenn wegen einer geringfügigen Beteiligung
keine gesellschaftsrechtliche Einflussmöglichkeit gegeben ist. So kann der Anteilseig-
ner die Veräußerung und den Erwerb von Anteilen an Kapitalanlagegesellschaften
nicht nachvollziehen. Der Steuerzugriff könnte dann mehr oder weniger beliebigen,
nicht jedoch klaren und nachvollziehbaren Mechanismen und Gestaltungsoptionen
unterliegen.
Es treten in Zusammenhang mit den Vorschriften über die Hinzurechnungsbe-
steuerung verschiedene Zweifelsfragen auf. So sind Fälle denkbar, in denen ein inlän-
discher Anteilseigner gemeinsam mit anderen inländischen Anteilseignern die Beteili-
gungsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 AStG erfüllt und er dieses Erfordernis tatsächlich
nicht erkennen kann. Deutlicher wird die Problematik in Zusammenhang mit der
Regelung über die Besteuerung von „Einkünften mit Kapitalanlagecharakter“, da der
Anteilseigner erkennen muss, ob er die Beteiligungsschwelle von 1 % überschreitet
oder ob die ausländische Gesellschaf „fast ausschließlich“ Einkünfte mit Kapitalanlage-
charakter erzielt. Die insoweit auftretenden Zweifelsfragen sind anhand der Regelung
über Einkünfte mit Kapitalanlagecharakter nachzuprüfen. Gerade an § 7 Abs. 6 AStG
303 Die Vorschrift steht unter dem Vorbehalt, dass die Einkünfte mit Kapitalanlagecharakter eine
absolute Grenze (€ 62.000,–) oder eine relative Grenze (Bruttoerträge aus den Zwischeneinkünften mit Kapitalanlagecharakter dürfen nicht mehr als 10 % der Bruttoerträge der gesamten Zwischenein-künfte betragen) nicht überschreiten.
99
100
Grundsatz der Gesetzesbestimmtheit
70
wird die Regelungstechnik deutlich, nach der eine unsichere und aus sich heraus nicht
erkennbare Sach- und Rechtslage entstehen soll, damit die Vornahme bestimmter
Gestaltungen vermeidbar wird. Diese gesetzliche Konzeption muss sich im Hinblick
auf das Rechtsstaatsprinzip als tragfähig erweisen.
II. Schaffung einer unsicheren Rechtslage als Gestaltungskorrektiv
Auf der Grundlage des Rechtsstaatsprinzips304 wird der Grundsatz der Gesetzesbe-
stimmtheit entfaltet,305 an dem diese aufgeworfene Fragestellung zu überprüfen ist. Die
Hinzurechnungsbesteuerung muss sich an den rechtsstaatlichen Erfordernissen messen
lassen, dass eine Gesetzesvorschrift klar gefasst sein muss und dem Bürger ermöglichen
soll, sich ein eigenes Bild von der Rechtslage zu machen.306 Der Grundsatz der Geset-
zesbestimmtheit in der Besteuerung folgt aus der verfassungsrechtlichen Forderung
nach Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und ist zugleich Ausdruck des rechtsstaatlichen
Grundsatzes der Rechtssicherheit.307 Dieser Grundsatz verlangt im Bereich des Steuer-
rechts und damit auch für die zu überprüfende Gesetzesvorschrift, dass der Steuer-
pflichtige in der Lage sein muss, die ihn treffende steuerliche Belastung vorauszube-
rechnen.308 Das Bundesverfassungsgericht hat bereits im Jahre 1964 zum Ausdruck
gebracht, dass der Staatsbürger dem ordnungsgemäß gesetzten Recht Vertrauen entge-
genbringen darf, und es ihm möglich sein muss, auch auf längere Zeit seine Lebens-
verhältnisse planerisch zu gestalten und Dispositionen zu treffen, kurz: der Steuer-
pflichtige muss auf die Beständigkeit und Berechenbarkeit des Rechts vertrauen dür-
fen.309 Der Steuerpflichtige muss damit nicht nur eine Vorstellung davon haben kön-
nen, dass er dem Steuerzugriff unterliegt, es muss darüber hinaus auch quantitativ die
Steuerlast aus der Hinzurechnungsbesteuerung voraussehbar und berechenbar sein.310
Ein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip wegen fehlender Bestimmtheit der Norm
304 Vgl. Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 20 GG, Rdnr. 29. 305 Vgl. BVerfG vom 26. 9. 1978 – 1 BvR 525/77, BVerfGE 49, 168 (181); BVerfG vom
24. 11. 1981 – 2 BvL 4/80, BVerfGE 59, 104 (114); BVerfG vom 3. 11. 1982 – 1 BvR 210/79, BVerfGE 62, 169 (183); BVerfG vom 9. 5. 1989 – 1 BvL 35/86, BVerfGE 80, 103 (107). 306 BVerfG vom 14. 12. 1965 – 1 BvR 571/60, BVerfGE 19, 253 (267). 307 J. Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 4 Rdnr. 167. 308 BVerfG vom 10. 11. 1998 – 2 BvR 1057/91, 2 BvR 1226/91, 2 BvR 980/91, BVerfGE 99,
216 (243). 309 BVerfG vom 7. 7. 1964 –2 BvL 22/63, 2 BvL 23/63, BVerfGE 18, 135; MDR 1965, 110, dort
erster Leitsatz. 310 Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 20 GG Rdnr. 61; BVerfG vom 10. 1. 1995 – 1 BvR 718/89,
BVerfGE 92, 1 (12).
7–14 AStG als Gestal-tungskor-rektiv
101
Grundsatz der estimmtheit
§§ 7–14 AStG als Gestaltungskorrektiv
71
liegt danach vor, wenn die Hinzurechnungsbesteuerung sich als nicht anwendbar,
nicht befolgbar und nicht justiziabel erweist.311 Dies kann zum einen deswegen der
Fall sein, weil eine Norm einen rechtlich zweifelhaften Anwendungsbereich eröffnet.
Die Konkretisierung dieser Überlegungen übernimmt das Bundesverfassungsgericht in
der Prämisse, dass sich mit Hilfe juristischer Auslegungsmethoden oder aufgrund der
gefestigten Rechtsprechung eine zuverlässige Basis für die Auslegung und Anwendung
einer Norm gewinnen lassen muss.312 Der Gesetzgeber muss die wesentlichen Be-
stimmungen über die Steuer oder Abgabe mit hinreichender Genauigkeit treffen,
braucht dabei jedoch nicht jede einzelne Frage zu entscheiden, so dass Zweifelsfragen
mit Hilfe anerkannter Auslegungsmethoden zu beantworten sind.313 Ein Verstoß
gegen rechtsstaatliche Grundsätze kann sich zum zweiten auch daraus ergeben, dass
der Anwendungsbereich einer Norm aus praktischen und tatsächlichen Gründen
überhaupt nicht befolgt werden kann. Der Gesetzgeber ist zwar berechtigt, steuerliche
Normen zu erlassen, deren Zweck sich darauf richtet, den Steuerpflichtigen zu veran-
lassen, bestimmte Gestaltungen vorzunehmen oder zu unterlassen. Der Steuer-
pflichtige, so folgt aus dem Gebot der Vorhersehbarkeit des Steuerzugriffs, muss je-
doch den steuerlichen Lenkungsanreiz erkennen und die aufgrund der Norm entste-
hende steuerliche Belastung vermeiden können. Lenkungswirkung und Belastung
müssen unmittelbar aufeinander bezogen sein. Mit dem Rechtsstaatsprinzip ist es
deshalb vereinbar, dass der Steuerpflichtige der Lenkungswirkung deshalb entspricht,
weil er sich einer vorausberechenbaren Belastungswirkung entziehen will. Dagegen
steht das Rechtsstaatsprinzip solchen Normen entgegen, die das Entstehen einer steu-
erlichen Belastung an Lebenssachverhalte anknüpfen, die selbst ein „idealer“ und
„erklärungsehrlicher“ Steuerpflichtiger nicht in Erfahrung bringen kann. In diesen
Fällen entsteht eine unsichere und schwer einschätzbare Besteuerungssituation, welche
die individuelle Dispositionsmöglichkeit reduziert: der Steuerpflichtige unterlässt die
entsprechenden Gestaltungen nicht in Ansehung einer bestimmbaren Steuerlast, son-
dern weil er die Folgen der entstehenden Situation nicht absehen kann. Die erstrebte
Wirkungsweise einer Steuernorm beruht dann gerade auf dem Faktor der Verunsiche-
rung des Steuerpflichtigen. Ein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip kommt mithin
in Betracht, wenn ein Steuergesetz so ausgestaltet ist, dass die Vorhersehbarkeit der
entstehenden Steuerbelastung so weit minimiert ist, dass der Besteuerungstatbestand
311 Siehe Tipke, Die Steuerrechtsordnung, I, 2. Auflage 2000, 144; vgl. J. Lang, in: Tipke/Lang, § 4
Rdnr. 169; BVerfG vom 16. 6. 1981 – 1 BvL 87/78, BVerfGE 57, 295 (320). 312 Vgl. BVerfG vom 3. 6. 1992 – 3 BvR 1041/88, BVerfGE 86, 288 (311). 313 Vgl. BVerfG vom 9. 11. 1988 – 1 BvR 243/86, BVerfGE 79, 106, BStBl. II 1989, 938.
Mitwirkungspflichten bei Auslandsbezug
72
seine Konturen und seine Trennschärfe verliert. Es wird dann nicht die Belastungs-
wirkung einer Norm als verhaltensbestimmendes Moment anzunehmen sein, vielmehr
beeinflusst die Verunsicherung des Steuerbürgers dessen wirtschaftliches Verhalten. Ob
der Gesetzgeber mit Hinzurechnungsbesteuerung und dort insbesondere im Hinblick
auf die Regelung des § 7 Abs. 6 AStG sich dieser beschriebenen Vorgehensweise
bedient, könnte unter dem Gesichtspunkt bejaht werden, dass im Rahmen der Hinzu-
rechnungsbesteuerung der Steuerpflichtige schon nicht über die Auskunfts- und Kon-
trollmöglichkeiten verfügen kann, mit deren Hilfe er selbst eine steuerliche Belastung
vorausberechnen könnte. Ein erkennbarer Mangel an tatsächlichen Aufklärungsmög-
lichkeiten darf nicht der Grund dafür sein, dass Gestaltungsmöglichkeiten nicht ausge-
schöpft werden.
Besieht man zunächst die Regelung des Grundtatbestandes der Hinzurechnungs-
besteuerung, ist ein Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot zumindest nicht offen-
kundig. Den Nachweis darüber, dass im Inland unbeschränkt steuerpflichtige Perso-
nen zu mehr als 50 % an einer ausländischen Kapitalgesellschaft beteiligt sind, wird
man regelmäßig schon im Rahmen der steuerlichen Mitwirkungspflichten aus § 88
AO 1977 sowie § 90 Absätze 1 und 2 AO 1977 erbringen können. Dazu eignet sich
etwa die Vorlage des Gesellschaftsvertrages, aus dem sich Beteiligungsverhältnisse an
der ausländischen Kapitalgesellschaft ergeben. In § 7 Abs. 6 AStG findet sich eine
Sonderregelung, mit der die Beteiligungsgrenze des § 7 Abs. 1 AStG herabgesetzt
wird. Im Falle der Erzielung von Kapitalanlageeinkünften wird die Beteiligung von
1 % einer unbeschränkt steuerpflichtigen Person vorausgesetzt, um die Hinzurech-
nungsbesteuerung auszulösen. Die Hinzurechnungsbesteuerung setzt damit nicht mehr
nur in den Fällen an, in denen eine ausländische Gesellschaft durch inländische Betei-
ligte kontrolliert und beeinflusst wird. Dies gilt jedoch nur für Einkünfte mit Kapital-
anlagecharakter (§ 7 Abs. 6 AStG), also bei Einkünften, die aus dem Halten, der Ver-
waltung, der Werterhaltung oder Werterhöhung von Zahlungsmitteln, Forderungen,
Wertpapieren, Beteiligungen oder ähnlichen Vermögenswerten stammen (§ 7 Abs. 6a
AStG314).315 Nimmt man an, dass eine unbeschränkt steuerpflichtige Person die Vor-
314 § 7 Abs. 6 wurde als Sonderregelung für die Einkünfte mit Kapitalanlagecharakter 1992 einge-
führt. Das StSenkG vom 23. 10. 2000 (BGBl. I 2000, 1433, BStBl. I 2000, 1428 und das UntStFG vom 20. 12. 2001 (BGBl. I 2001, 3858, BStBl. I 2001, 35) haben den § 7 Abs. 6 (Zwischeneinkünf-te mit Kapitalanlagecharakter) verschärft und § 7 Abs. 7 (Verhältnis zum Auslands-InvestmentG) angefügt. Vgl. auch Maier-Frischmuth Systemkonforme Hinzurechnungsbesteuerung nach dem Entwurf des UntStFG? IStR 2001, 610.
102
kungspflichten bei sbezug
§§ 7–14 AStG als Gestaltungskorrektiv
73
aussetzungen der Hinzurechnungsbesteuerung nach § 7 Abs. 6 AStG erfüllt, wird der
Betroffene die Steuerbegründenden Tatsachen schwer nachweisen können.316 Denn
der Steuerpflichtige ist verpflichtet zur vollständigen und wahrheitsgemäßen Offenle-
gung der für die Besteuerung erheblichen Tatsachen (§ 90 Abs. 1 Satz 2 AO 1977), er
hat die Umstände in seine Steuererklärung (§§ 149 ff. AO 1977) aufzunehmen, die
den Tatbestand der Hinzurechnungsbesteuerung erfüllen. Demgegenüber ist die
Ermittlungstätigkeit der Finanzverwaltung auf das deutsche Hoheitsgebiet beschränkt.
Dies hat bei Sachverhalten mit Auslandsbezug – wie es etwa hinsichtlich des nach § 10
Absätze 1–3 AStG zu ermittelnden Hinzurechnungsbetrages der Fall ist – zur Folge,
dass den Steuerpflichtigen eine gegenüber § 90 Abs. 1 AO 1977 weiterreichende
Mitwirkungspflicht trifft (siehe § 17 AStG, § 90 Abs. 2 AO 1977). Erkennbarer
Zweck dieser erweiterten Mitwirkungspflicht ist die Sicherstellung der Aufklärbarkeit
von Auslandssachverhalten, da die Finanzverwaltung bei ihrer Ermittlungstätigkeit auf
das deutsche Hoheitsgebiet beschränkt ist und dieser Umstand nicht über die Durch-
setzbarkeit des Steueranspruchs entscheiden soll.317 Es obliegt danach dem Steuer-
pflichtigen, notwendige Beweismittel über Art und Umfang der Einkünfte der auslän-
dischen Gesellschaft zu beschaffen. Kommt der Steuerpflichtige dieser Verpflichtung
nicht nach, wird schon bei einem Beweisgrad der geringen Wahrscheinlichkeit davon
auszugehen sein, dass ein Sachverhalt zum Nachteil des Steuerpflichtigen verwirklicht
wurde.318 Bezieht man diese Erkenntnisse auf die zu untersuchenden Normen, gilt
mithin, dass der Steuerpflichtige Beweismittel beschaffen müsste, aus denen sich auf
die Verwirklichung der Voraussetzungen des § 7 Abs. 6 AStG schließen lässt (vgl. § 17
AStG). Der betroffene Steuerpflichtige muss seine Rechtsstellung als Anleger einer
ausländischen Kapitalgesellschaft nutzen, um Daten über die ihn betreffenden steuer-
relevanten Ergebnisse und seine Ertragsteuerbelastung zu erhalten. Die relevanten
Informationen müssen so dargestellt und vorbereitet sein, dass sich ein mit dem deut-
schen Steuerrecht vergleichbares Ergebnis berechnen lässt.319 Dass hierdurch erheb-
licher Aufwand entsteht und die Finanzverwaltung nur selten den Nachweis erbringen
315 Dies gilt nicht bei Einkünften börsennotierter ausländischer Gesellschaften (§ 7 Abs. 6 Satz 3
Halbsatz 2 AStG), da es sich bei diesen Gesellschaften regelmäßig nicht um Kapitalanlagemodelle handle; vgl. Gesetzesbegründung zu § 7 Abs. 6 AStG, Bundestags-Drucksache 14/7344. 316 Vgl. dazu Vogt, in: Blümich, EStG, KStG, UmwStG/AStG, Kommentierung zum Außen-
steuergesetz, § 7 Rdnr. 54. 317 Vgl. Hans Bernhard Brockmeyer, in Klein, AO, § 90 Rdnr. 7. 318 Dazu im Einzelnen Brockmeyer, in Klein, AO, § 90 Rdnr. 10. 319 Dautzenberg/Herzig, Die deutsche Steuerreform ab 1999 und ihre Aspekte für das deutsche
Außensteuerrecht und das internationale Steuerrecht, DB 2000, 12 (18).
Mitwirkungspflichten bei Auslandsbezug
74
wird, dass die Beteiligungsgrenze in § 7 Abs. 6 AStG erreicht worden ist, legt nahe,
dass die Vorschrift in § 7 Abs. 6 AStG nur in wenigen Ausnahmefällen befolgt werden
kann.320 Berücksichtigt man zudem, dass von § 7 Abs. 6 AStG vorwiegend Minder-
heitsgesellschafter betroffen sein können, ist auch in Rechnung zu stellen, dass diese
nicht über rechtliche Möglichkeiten verfügen, um Auskunftsansprüche über die steu-
erlich relevanten Sachverhalte einer Gesellschaft durchzusetzen. Es bestehen damit
bereits durchgreifende und schwerwiegende tatsächliche Schwierigkeiten, unter denen
ein erklärungsehrlicher Steuerpflichtiger einen für § 7 Abs. 6 AStG relevanten Sach-
verhalt aufzuklären hätte. Diese tatsächlichen Schwierigkeiten vertiefen sich, wenn
Anteile an ausländischen Gesellschaften in engem zeitlichem Abstand erworben oder
veräußert werden. Ein solcher Fall kann anzunehmen sein, wenn ein inländischer
Kapitalanleger seine Beteiligungen an einer ausländischen Kapitalgesellschaft über die
Börse begründet. Verfolgt man diese Überlegungen weiter, entsprechen die bislang
gefundenen Erkenntnisse dem Befund, dass in den meisten der auftretenden Fällen die
für die Hinzurechnungsbesteuerung relevanten Sachverhalte erst im Rahmen einer
Betriebsprüfung erkannt und dann der Besteuerung unterworfen werden können.321
§ 7 Abs. 6 AStG stellt mithin eine Vorschrift dar, deren Befolgung den Steuer-
pflichtigen vor ernsthafte und regelmäßig auftretende Schwierigkeiten stellt. Als aussa-
gekräftiges Beispiel für diese These lässt sich der Unternehmenszusammenschluss von
Vodafone bzw. Aventis anführen. Zwar erzielten Vodafone bzw. Aventis aktive Einkünf-
te, jedoch konnten sich auf der Ebene ausländischer Tochtergesellschaften passive
Einkünfte im Sinne des § 8 Abs. 1 AStG ansammeln.322 Dass diese Konstellation zur
Anwendung der Hinzurechnungsbesteuerung führt, ist Folge einer grenz-
überschreitenden Fusion, mit der ein inländisches Unternehmen ausländische Ein-
320 Siehe dazu Wassermeyer, Schriftenreihe Beratungsakzente, 69; ders., Die Hinzurechnungsbe-
steuerung aus der Sicht des Unternehmensteuerreform- und Steuersenkungsgesetzes, IStR 2000, 114 (115); Thomas Rödder, in: JbFSt 2001/2002, 134. 321 Auf ein Beispiel verweist Wassermeyer, in: Festschrift Flick/, 1057 (1070). Dem Urteil des FG Nürnberg vom 16. 12. 1994 VII 19/89, Juris Dokument 127354 liegt ein Sachverhalt zugrunde, bei dem sich die Komplexität der Hinzurechnungsbesteuerung auch in ihrer tatsächlichen Umsetzbarkeit erweist. Selbst bei einer Nachfrage beim zuständigen Finanzamt erkannte dieses nicht, dass ein Fall der Hinzurechnungsbesteuerung gegeben war. Erst die anschließende Betriebsprüfung unter Einbe-ziehung eines Betriebsprüfers des Bundesamtes für Finanzen, der auf die Prüfung von solchen Fragen konzentriert war, deckte die erheblichen steuerlichen Auswirkungen einer Umstrukturierung einer ausländischen Holding auf. 322 Wassermeyer, Die im Entwurf eines Steuersenkungsgesetzes vorgesehenen Änderungen der
Hinzurechnungsbesteuerung, IStR 2000, 193 (194).
§§ 7–14 AStG als Gestaltungskorrektiv
75
kunftsquellen erworben hat.323 Dass auch deutsche Kleinaktionäre potenziell von der
Hinzurechnungsbesteuerung betroffen sein können, ohne dass sie in der Lage wären,
den notwendigen Erklärungspflichten nachzukommen,324 bestätigt mithin, dass im
Rahmen des § 7 Abs. 6 AStG Defizite bestehen. Es lässt sich damit feststellen, dass
eine unsichere Rechtslage erzeugt wird, wenn der Steuerpflichtige selbst nicht über
ausreichende Aufklärungsmöglichkeiten verfügen kann und dies im Einzelfall weder
von Seiten der Finanzverwaltung noch vom Steuerpflichtigen selbst treffend zu erfas-
sen ist.
Nun lässt sich eine solche Schwäche schon als Verstoß gegen das Gebot der Be-
stimmtheit des Steuerzugriffs werten, darüber hinaus könnten auch die gesetzgeberi-
schen Motive Zweifel daran begründen, dass die Vorschrift des § 7 Abs. 6 AStG den
Steuerpflichtigen so weit einer unsicheren Rechtslage aussetzen soll, dass er schon
deswegen bestimmte Gestaltungen meidet. Die Einführung des § 7 Abs. 6 AStG im
Jahre 1992325 wurde damit begründet, dass inländische Anteilseigner davon abgehalten
werden sollten, Beteiligungen an ausländischen Zwischengesellschaften auf Gesell-
schafter „aufzusplitten“, wenn auf diese Weise eine Besteuerung in Deutschland ver-
mieden werden konnte.326 Dass schon ab einer Beteiligungsquote von 1 % die Hinzu-
rechnungsbesteuerung bei Einkünften mit Kapitalanlagecharakter eingreifen sollte,
erkannte der Gesetzgeber als notwendig, weil somit 100 Personen erforderlich sein
würden, um der Hinzurechnungsbesteuerung zu entgehen.327 Deshalb erfasst die
Vorschrift Gestaltungen auch für einen Grenzbereich, in dem es nicht nachvollziehbar
sein wird, ob die 1 % Grenze überschritten ist. Noch deutlicher wird das Gesetz in § 7 323 Wassermeyer, Die im Entwurf eines Steuersenkungsgesetzes vorgesehenen Änderungen der
Hinzurechnungsbesteuerung, IStR 2000, 193 (194). 324 Wassermeyer, Die im Entwurf eines Steuersenkungsgesetzes vorgesehenen Änderungen der
Hinzurechnungsbesteuerung, IStR 2000, 193 (194). Entscheidend ist danach, ob die Gesellschafter, von denen jeder für sich gesehen weniger als 50 % der Anteile hält, die aber zusammen 50 % der Anteile halten, untereinander nahe stehen. Dabei könne das Nahestehen auch durch einen gemein-samen Treuhänder begründet werden. Dann muss auch der Steuerinländer der Hinzurechnungsbe-steuerung unterworfen werden, der selbst weniger als 50 % an einer Zwischengesellschaft hält, diese jedoch mit ihm nahe stehenden ausländischen Personen beherrscht. Wer mit 1 % an einer ausländi-schen Kapitalgesellschaft beteiligt ist, hält die Beteiligung regelmäßig als Kapitalanlage und nicht als Instrument der Einkünfteverlagerung. Die Beteiligung muss dann auch wie eine Kapitalanlage behandelt werden. 325 Gesetz zur Entlastung der Familien und zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für Inves-
titionen und Arbeitsplätze – Steueränderungsgesetz 1992 – vom 25. 2. 1992, BGBl. I 1992, 297. 326 Vgl. dazu Gesetzesbegründung, Bundestags-Drucksache 14/7344; Bundesrats-Drucksache
638/01. 327 Vgl. Gerd Stuhrmann, in: JbFSt 2001/2002, 134; vgl. auch Rättig/Protzen, Die „neue Hinzu-
rechnungsbesteuerung“ der §§ 7–14 AStG in der Fassung des UntStFG, IStR 2002, 123 (124).
103
Folgen der unsicheren Besteuerungssituation
Folgen der unsicheren Besteuerungssituation
76
Abs. 6 Satz 3 AStG, da danach bei einer Beteiligung von weniger als 1 % die Hinzu-
rechnungsbesteuerung eingreift und es insoweit vom Zufall abhängig wird, ob die
ausländische Gesellschaft ausschließlich oder fast ausschließlich Bruttoerträge erzielt,
denen Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter zugrunde liegen. Die Auswei-
tung der Hinzurechnungsbesteuerung soll damit gerade jede Konstellation erfassen, in
der eine Aufteilung von Beteiligungen auf mehrere Personen in Betracht kommt und
diese mit einer aus sich selbst heraus nicht einschätzbaren Besteuerungssituation kon-
frontieren. Das bedeutet für einen Minderheitsgesellschafter, dass er der steuerlichen
Sanktionswirkung des § 7 Abs. 6 AStG ausgesetzt wird, obwohl er tatsächlich nicht in
der Lage sein wird, diese steuerlichen Wirkungen vorauszuberechnen. Es liegt schon
außerhalb des Einflussbereichs eines minimal beteiligten Steuerpflichtigen, welche
Einkünfte eine ausländische Gesellschaft erzielt, so dass er schon aus diesem Grund
nicht wissen kann, ob er der Hinzurechnungsbesteuerung unterliegt. Der Steuer-
pflichtige genießt dabei wegen § 7 Abs. 6 AStG keinerlei Planungssicherheit. Selbst
wenn er die Rahmenbedingungen so ausgestaltet, dass die Hinzurechnungsbesteuer-
ung nicht zur Anwendung gelangt, kann sie ihn letztlich wegen einer Änderung der
Beteiligungsverhältnisse an der Gesellschaft – etwa aufgrund einer Kapitalerhöhung
nach einer Verschmelzung – treffen, ohne dass dies auf seinen Einfluss zurückgeführt
werden kann. Die Belastungswirkung des § 7 Abs. 6 AStG trifft danach auch Fälle, in
denen ein erklärungsehrlicher Steuerpflichtiger nicht wissen kann, ob er dem Steuer-
zugriff unterliegt. In einer solchen Situation wird nicht die eigentliche steuerliche
Belastung zum Entscheidungsfaktor für die Begründung einer Minderheitsbeteiligung.
Der betroffene Steuerpflichtige soll schon durch die konturlose Ausweitung des Steu-
erzugriffs, die ihn mit steuerehrlichen und missbräuchlich agierenden Steuerpflichtigen
gleichsetzt, davon abgehalten werden, sich an Kapitalanlagegesellschaften zu beteili-
gen.
Mit der untersuchten Regelung der Hinzurechnungsbesteuerung entsteht dem-
nach eine tatsächlich und rechtlich unsichere Besteuerungssituation. Durch diese
unsichere Besteuerungssituation wird der Lenkungszweck durchgesetzt, Investitionen
in ausländische Kapitalanlagegesellschaften zu verhindern. Nicht die steuerliche Belas-
tung entscheidet danach darüber, ob der Steuerpflichtige bestimmte Gestaltungen ver-
meidet. Wenn aber die steuerlichen Wirkungen nicht mehr nachvollziehbar oder
bestimmbar sind, werden die Steuerpflichtigen die entsprechenden Gestaltungen nicht
mehr vornehmen. Dass eine gesetzliche Konzeption die wirtschaftliche Betätigung des
Steuerbürgers vorherbestimmen will und hierfür eine aus sich selbst heraus nicht
104
Verstoß gen
das Rechts-staats-
nzip
Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip
77
einschätzbare Besteuerungssituation schafft, begründet vorliegend einen Verstoß gegen
das Rechtsstaatsprinzip.
III. Ergebnis
Die derzeit geltende Hinzurechnungsbesteuerung verstößt gegen das Rechtsstaatsprin-
zip, da sie mit der tatbestandlichen Anknüpfung an eine Beteiligungsquote von 1 % in
§ 7 Abs. 6 AStG eine unsichere Rechtslage schafft, mit der Steuerpflichtige von der
Ausübung bestimmter Gestaltungsmöglichkeiten abgehalten werden.
105
Niederlassungsfreiheit als Prüfungsmaßstab
78
3. Teil. Gemeinschaftsrechtsrechtliche Bedenken
A. Niederlassungsfreiheit (Art. 43 EGV)
Gegenstand der gemeinschaftsrechtlichen Untersuchung sind die Normen der §§ 7–14
AStG, aus denen sich in ihrer Gesamtheit und systematischen Wirkungsweise eine
Beeinträchtigung der zu prüfenden Europäischen Grundfreiheiten ergeben muss.328 In
Betracht kommt ein Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit aus Art. 43 EG-Vertrag.
I. Anwendungsbereich
Nach Art. 43 Abs. 1 Satz 1 EG-Vertrag sind die Beschränkungen der freien Niederlas-
sung von Staatsangehörigen eines Mitgliedsstaates im Hoheitsgebiet eines anderen
Mitgliedsstaates verboten. Die Niederlassungsfreiheit befasst sich mit der Freizügigkeit
und dem Recht der Standortwahl selbständiger Erwerbstätiger329 und schützt insbe-
sondere vor Beschränkungen der Gründung von Agenturen, Zweigniederlassungen
oder Tochtergesellschaften durch Angehörige eines anderen Mitgliedsstaates, die im
Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaats ansässig sind (Art. 43 Abs. 1 Satz 2 EG-Vertrag).
Die Niederlassungsfreiheit schafft die Voraussetzungen für eine freie Standortwahl von
Gesellschaften.330
In den Fällen der Hinzurechnungsbesteuerung müsste zunächst der persönliche An-
wendungsbereich der Niederlassungsfreiheit eröffnet sein. In persönlicher Hinsicht ist die
Niederlassungsfreiheit anzuwenden auf Staatsangehörige der EG-Mitgliedsstaaten.
Natürliche Personen können danach als Unionsbürger i. S. von Art. 17 Abs. 1 EG-
Vertrag die Grundfreiheiten geltend machen.331 Juristische Personen stehen den Uni-
onsbürgern gemäß Art. 48 EG-Vertrag i. V. m. Art. 55 EG-Vertrag gleich. Träger des
Rechtes auf Niederlassungsfreiheit sind deshalb neben natürlichen Personen, die
Angehörige eines europäischen Mitgliedsstaates, auch die nach den Rechtsvorschriften
328 Vgl. dazu Kluge, Internationales Steuerrecht, Rdnr. K 62. 329 Rudolf Geiger, EUV/EGV, Art. 43 Rdnr. 1. 330 Zur Zweckbestimmung der Vorschrift eingehend Alexander Scheuer, in: Lenz/Borchardt, Kom-
mentar zu dem Vertrag über die Europäische Union und zu dem Vertrag zur Gründung der Europä-ischen Gemeinschaft, Art. 48 EG-Vertrag, Rdnr. 1. 331 Vgl. Art. 17 Abs. 2 EG-Vertrag.
Niederlassungsfreiheit als smaßstab 106 Gemein-
schafts-recht
107
Persönlicher Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit
108
Gemeinschaftsrecht
79
eines Mitgliedsstaates gegründeten Gesellschaften, die ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre
Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung innerhalb der europäischen Gemein-
schaft haben (Art. 48 Abs. 1 EG-Vertrag). Danach sind Gesellschaften nach § 7 Abs. 1
AStG i. V. m. § 1 KStG dem persönlichen Anwendungsbereich zuzuordnen, wenn
die Voraussetzungen des Art. 48 Abs. 2 EG-Vertrag gegeben sind. Zunächst muss es
sich dann um eine juristische Person des privaten Rechts handeln, die keinen Er-
werbszweck verfolgt. Auf Kapitalgesellschaften im Sinne von § 7 Abs. 1 AStG
(i. V. m. § 1 KStG) trifft dies zunächst zu, da es sich hierbei um juristische Personen
des privaten Rechts handelt. Fraglich ist allerdings, ob das Merkmal Erwerbszweck
gegeben ist. Es ließe sich argumentieren, dass etwa im Falle der Verwaltung von
Immobilien oder Kapitalvermögen eine ausreichende Integration in die Wirtschaft
eines anderen Mitgliedsstaates fehlt, wenn diese Tätigkeit ohne feste Einrichtung
erfolgt. So wäre insbesondere im Hinblick auf die von den Vorschriften in § 8 Abs. 1
Nr. 4 a. E.332, § 8 Abs. 5 Buchst. b (a. E.)333 und § 8 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. c334 AStG
erfassten Fallgruppen – diese Vorschriften stellen auf das Vorhandensein eines Ge-
schäftsbetriebs für Handel, Dienstleistungen ab – der persönliche Anwendungsbereich
nicht eröffnet, da diese Vorschriften das Verdikt der Passivität daran anknüpfen, dass in
diesen Fällen kein „eingerichteter Geschäftsbetrieb unter Teilnahme am allgemeinen
wirtschaftlichen Verkehr“ unterhalten wird (vgl. § 8 Abs. 1 Nrn. 4 –6 AStG). Ein
Erwerbszweck wird – allgemein formuliert – jedenfalls vorliegen, wenn das von der
Kapitalgesellschaft hergestellte Produkt oder die erbrachte Dienstleistung grundsätzlich
gegen Entgelt angeboten wird.335 Darüber hinaus entscheidet eine Teilnahme am Wirt-
schaftsleben über das Vorliegen des Erwerbszwecks, selbst wenn die Gewinnerzielung
nicht zu den eigentlichen Gesellschaftszwecken gehört.336 Der Begriff „Teilnahme am
Wirtschaftsleben“ muss entsprechend dem Zweck des Art. 43 EG-Vertrag weit ausge-
legt werden. Dieser Zweck besteht darin, den Zugang zu den Märkten anderer Mit-
gliedsstaaten und somit die Teilnahme am Wettbewerb innerhalb der Europäischen
Gemeinschaft sicherzustellen. Das Merkmal „Teilnahme am Wirtschaftsleben“ erfor-
dert im Hinblick auf diese Zielsetzung keine graduell bestimmbare Tätigkeit. Hierun-
ter wird vielmehr jede Tätigkeit zu fassen sein, die auf den Kern wirtschaftlichen 332 Kein Geschäftsbetrieb für Handel. 333 Kein Geschäftsbetrieb für Dienstleistungen. 334 Kein Geschäftsbetrieb für Vermietung und Verpachtung. 335 Vgl. Bröhmer, in: Calliess/Ruffert, Art. 48 Rdnr. 2.
Persönlicher Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit
80
Handelns zurückgeführt werden kann, es reicht mithin eine Tätigkeit aus, die auf eine
Maximierung von Gewinn angelegt ist. Richtigerweise wird der Erwerbszweck deshalb
nur bei karitativen oder kulturellen Organisationen, wie etwa. den „Idealvereinen“337
nicht gegeben sein. In den von der Hinzurechnungsbesteuerung erfassten Fällen han-
delt es sich hingegen um reale, international ausgerichtete Unternehmensteile, welche
etwa in der Form von regionalen Holdinggesellschaften oder Finanzierungszentren
auftreten.338 In diesen Fällen liegt regelmäßig eine erwerbswirtschaftliche und auf
Gewinnmaximierung angelegte Tätigkeit vor. Der Auslegung des Begriffs Erwerbs-
zweck339 entspricht es deshalb, auch bei einer ausländischen Gesellschaft, welche die
Voraussetzungen der Hinzurechnungsbesteuerung erfüllt, grundsätzlich vom Vorhan-
densein eines Erwerbszwecks auszugehen. Deshalb liegt eine Teilnahme am Wirt-
schaftsleben vor, wenn die Tätigkeit nicht auf einen unmittelbaren Güteraustausch mit
anderen Wirtschaftsteilnehmern gerichtet ist. Dies bedeutet, dass auch „Vermögens-
verwaltung“, verstanden als ausschließliche Ertragsbildung aus dem Einsatz von Ver-
mögensgegenständen, als Erwerbszweck anzusehen ist, und zwar selbst dann, wenn
diese Tätigkeit ohne feste Geschäftseinrichtung erfolgt.340 In den persönlichen An-
wendungsbereich der Niederlassungsfreiheit sind Gesellschaften einzuordnen, die nach
Maßgabe des Außensteuergesetzes passive Einkünfte erwirtschaften. Mithin ist der
persönliche Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit eröffnet.
336 Peter Toberg/Jürgen Tiedje, in: von der Groeben/Schwarz, Kommentar zum Vertrag über die Eu-
ropäische Union und zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, 6. Auflage, 2003, Art. 48 EG-Vertrag Rdnr. 5. 337 Zur Begriffsbestimmung kann auf Scheuer, in: Lenz/Borchardt, Kommentar zu dem Vertrag
über die Europäische Union und zu dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, Art. 48 EG-Vertrag, Rdnr. 1 verwiesen werden. Danach ist die Gründung einer Vereinigung, die philanthropische, religiöse, wissenschaftliche, künstlerische oder pädagogische Zwecke verfolgt, keine Erwerbstätigkeit. Als Idealverein sind mithin alle Vereine anzusehen, welche nicht wenigstens auch entgeltlich Leistungen erbringen. 338 Vgl. Schön, Hinzurechnungsbesteuerung und Europäisches Gemeinschaftsrecht, DB 2001, 940
(942). 339 Vgl. nur Jürgen Bröhmer, in: Calliess/Ruffert, Art. 48 Rdnr. 2. 340 Eine rein vermögensverwaltende Gesellschaft weist parallele Merkmale zu Gesellschaften auf,
die nur Beteiligungen an anderen Unternehmen halten (Holdinggesellschaften). Nach Auffassung des EuGH ist die Gründung einer Holdinggesellschaft vom Schutzbereich des Art. 43 EG-Vertrag erfasst. Vgl. EuGH vom 16. 7. 1998 Rs. C-264/96 (ICI) – Slg. 1998, I-4695; IStR 1998, 467, Rdnrn. 22 f. Der EuGH geht wie selbstverständlich davon aus, dass auch eine Holdinggesellschaft eine „Gesellschaft mit Erwerbszweck“ ist.
Gemeinschaftsrecht
81
Der sachliche Anwendungsbereich des Art. 43 EG-Vertrag erfasst die Aufnahme und
Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeiten sowie die Gründung und Leitung von
Unternehmen (Art. 43 Satz 2 EG-Vertrag). Das Merkmal der „Selbständigkeit“ be-
zieht sich auf die Rechtstellung des nicht in abhängiger Stellung beschäftigten Er-
werbstätigen.341 Selbständige Erwerbstätigkeit ist jede Art wirtschaftlicher Betätigung,
die entgeltlich und weisungsfrei erfolgt.342 Gemäß Art. 43 Abs. 2 EG-Vertrag steht die
Gründung und Leitung von Unternehmen der selbständigen Erwerbstätigkeit gleich.
Unter Gründung ist jeder Vorgang zu verstehen, durch den die rechtliche Existenz
eines Unternehmens begründet wird.343 Die Leitung eines Unternehmens bezeichnet
den Erwerb einer Beteiligung an einer bestehenden Kapitalgesellschaft durch den in
einem anderen Mitgliedsstaat ein wesentlicher Einfluss auf deren Geschäftstätigkeit
möglich wird.344 Der Anwendungsbereich des Art. 43 EG-Vertrag ist folglich eröffnet,
wenn ein Angehöriger der europäischen Union eine Beteiligung an einer Gesellschaft
mit Sitz in einem anderen Mitgliedsstaat hält oder erwirbt, die ihm eine beherrschende
Gesellschafterstellung auszuüben ermöglicht.345 Die Beteiligung erfüllt diese Anforde-
rung, wenn sie einen solchen Einfluss auf die Entscheidungen der Gesellschaft verleiht,
dass deren Tätigkeiten bestimmt werden können.346 Dieses Kriterium ist – so verlangt
es der Europäische Gerichtshof – anhand des Gesellschaftsrechts des anderen Mit-
gliedsstaates zu beurteilen.347 Die Niederlassungsfreiheit schützt die Aufnahme und
Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeiten nach den Bestimmungen des Niederlas-
sungsstaats für dessen eigene Angehörige.348 Gewendet auf die Hinzurechnungsbe-
steuerung muss geprüft werden, ob die Beteiligung an einer Gesellschaft, deren Sitz
oder Geschäftsleitung sich in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Gemeinschaft
befindet, eine beherrschende Gesellschafterstellung vermittelt. Unbeschränkt steuer-
pflichtige Personen, die nur eine Minderheitsbeteiligung an der Gesellschaft halten
und die nur deshalb der Hinzurechnungsbesteuerung unterliegen, weil sie zusammen
341 Vgl. Geiger, EUV/EGV, Art. 43 EGV, Rdnr. 5. 342 Bröhmer, in: Calliess/Ruffert, Rdnr. 10. 343 Vgl. hinsichtlich des Erwerbs von Unternehmensbeteiligungen auch Art. 294 EG-Vertrag; siehe
auch Geiger, EUV/EGV, Art. 43 EGV, Rdnr. 6. 344 Die beherrschende Stellung vermittelt den Schutz nach Art. 43 EG-Vetrag. Fehlt es dagegen an
der beherrschenden Stellung, kommt ein Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 56 EG-Vertrag in Betracht, vgl. Geiger, EUV/EGV, Art. 43 EGV, Rdnr. 6. 345 Vgl. auch EuGH vom 13. 4. 2000 – Rs. C-251/98 (Baars), Slg 2000, I-2787, Rdnrn. 22 ff. 346 EuGH vom 13. 4. 2000 – Rs. C-251/98 (Baars), Slg 2000, I-2787, Rdnr. 22. 347 EuGH vom 5. 11. 2002 – Rs. C-208/00 (Überseering), Slg. 2002, I-9919, Rdnr. 56. 348 EuGH vom 11. 3. 2004 – Rs. C-9/02 (Hughes de Lasteyrie du Saillant), IStR 2004, 236,
Rdnr. 40.
109 ungsbereich
Niederlassungsfreiheit
Sachlicher Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit
82
mit anderen unbeschränkt steuerpflichtigen Personen die Beteiligungsgrenze von 50 %
erreichen (§ 7 Abs. 1 AStG), sind nicht vom sachlichen Anwendungsbereich der
Niederlassungsfreiheit erfasst. Vorstellbar sind auch Fälle, in denen eine unbeschränkt
steuerpflichtige Person bereits mehr als 50 % der Anteile an einer ausländischen Ge-
sellschaft innehat, etwa innerhalb eines Konzerns im Verhältnis der Muttergesellschaft
zu einer Tochtergesellschaft. Der Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit kann
gleichwohl in beiden Fällen eröffnet sein. Es kommt dabei darauf an, dass nach Maß-
gabe des Gesellschaftsrechts des anderen Mitgliedsstaates eine beherrschende Gesell-
schafterstellung gegeben ist. Deshalb lässt sich vorliegend nicht abschließend bestim-
men, in welchen Einzelfällen der Anwendungsbereich von Art. 43 EG-Vertrag eröff-
net ist. Im Fall einer Beteiligung von mehr als 50 % oder bei ausschließlicher Beteili-
gung an einer ausländischen Gesellschaft ist der sachliche Anwendungsbereich der
Niederlassungsfreiheit jedenfalls eröffnet. Verfügt ein Gesellschafter dagegen nicht
über eine gesellschaftsrechtlich vermittelte, beherrschende Rechtstellung, erfasst der
Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 43 EG-Vertrag diese
Konstellation nicht. Für diese Fälle kann sich der Betroffene jedoch auf die Kapital-
verkehrsfreiheit berufen,349 so dass auch dieser Aspekt der Betätigung einer ausländi-
schen Gesellschaft gemeinschaftsrechtlich geschützt ist.350 Ein unmittelbarer Eingriff in
die Niederlassungsfreiheit oder die Kapitalverkehrsfreiheit eröffnet nur den jeweiligen
Schutzbereich, es sei denn, dass ein Sachverhalt vorliegt, auf den die beiden Grund-
freiheiten nicht getrennt angewendet werden können, und dass beide Grundfreiheiten
unmittelbar einschlägig sind. In einem solchen Fall bieten die Kapitalverkehrsfreiheit
und die Niederlassungsfreiheit gleichermaßen Schutz vor Beeinträchtigungen.351
Der Schutz der Niederlassungsfreiheit soll nach einer in der Literatur vertretenen
Auffassung nur unter der Voraussetzung gegeben sein, dass eine Gesellschaft aus Sicht
des internationalen Privatrechts als rechtsfähig anerkannt ist.352 Problematisch könnte
daher sein, ob in den Fällen der Hinzurechnungsbesteuerung die Rechtsfähigkeit und
damit auch die steuerliche Subjektsfähigkeit der ausländischen Gesellschaft erforderlich
ist. Werden grundlegende unternehmerische Entscheidungen einer ausländischen
Gesellschaft von deren inländischer Muttergesellschaft getroffen, könnte zweifelhaft
349 EuGH vom 13. 4. 2000 – Rs. C-251/98 (Baars) – Slg 2000, I-2787; EuGH vom 5. 11. 2002 –
Rs. C-203/00 (Überseering), Slg. 2002, I-9919, Rdnr. 77. 350 Vgl. dazu Cordewener, Deutsche Unternehmensbesteuerung und europäische Grundfreiheiten –
Grundzüge des materiellen und formellen Rechtsschutzsystems der EG, DStR 2004, 6. 351 Vgl. EuGH vom 13. 4. 2000 – Rs. C-251/98 (Baars), Slg 2000, I-2787, Rdnrn. 22 f. 352 Vgl. dazu Hans-Wolfgang Arndt, Europarecht, 174.
110
Gemeinschaftsrecht
83
sein, ob der sachliche Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit überhaupt eröff-
net ist. Denn dann könnte argumentiert werden, dass der Sitz der Gesellschaft sich
schon nicht in dem anderen Mitgliedsstaat befinde. Dabei stehen sich zunächst folgen-
de Argumentationsansätze gegenüber: Die Gründungstheorie353 macht das gewählte
Gründungsrecht zur Grundlage der Anerkennung des Gesellschaftsstatuts. Der Verwal-
tungssitz ist nicht entscheidend. Aus dieser Blickrichtung müsste man den Sitz der
Gesellschaft in dem anderen Mitgliedsstaat anerkennen. Demgegenüber ließe sich nach
der Sitztheorie argumentieren, dass der tatsächliche Verwaltungssitz der ausländischen
Gesellschaft – gemeint ist der Ort, an dem die grundlegenden Entscheidungen der
Unternehmensleitung getroffen und umgesetzt werden – in Fällen der Beherrschung
durch eine inländische Konzerngesellschaft nach diesen Wertungskriterien sich im
Inland befindet.354 Diese in Deutschland vorherrschende355 Sitztheorie ist vor dem
Hintergrund der Europäischen Grundfreiheiten einzuschränken. Der Europäische
Gerichtshof ermittelt den Sitz einer Gesellschaft nach folgendem Kriterium: Wird eine
Gesellschaft wirksam in einem Mitgliedsstaat gegründet, befindet sich dort deren
satzungsmäßiger Sitz.356 Der satzungsmäßige Sitz entscheidet über die Zugehörigkeit
einer Gesellschaft zu der Rechtsordnung eines Mitgliedsstaates.357 Der Sitz einer Ge-
sellschaft ist folglich nach dem formalen wirksamen Gründungsvorgang zu bestimmen.
Hat ein solcher Gründungsvorgang stattgefunden, dürfen Gesellschaft und Gesell-
schafter in ihrem Geltungsanspruch nicht einheitlich betrachtet werden.358 Es wäre
somit EG-rechtlich unzulässig, einer nach dem Recht eines niedrig besteuernden
Mitgliedsstaates wirksam errichteten Gesellschaft mit Hinweis auf die (steuerliche)
Rechts- oder Subjektsfähigkeit die Berufung auf die Niederlassungsfreiheit zu versa-
gen, weil tragende unternehmerische Entscheidungen in Deutschland – etwa von
einer Konzern-Muttergesellschaft – getroffen werden. Danach sind formal wirksam
353 Anschaulich: Max Göttsche, Das Centros-Urteil des EuGH und seine Auswirkungen, DStR
1999, 1403. 354 Vgl. nur: Göttsche, Das Centros-Urteil des EuGH und seine Auswirkungen, DStR 1999, 1403. 355 Eine gesetzliche Regelung fehlt, die Rechtsprechung erkennt diese Theorie gewohnheitsrecht-
lich an. 356 EuGH vom 5. 11. 2002 – Rs. C-208/00 (Überseering), Slg. I 2002, 9919, Rdnr. 52. 357 EuGH vom 5. 11. 2002 – Rs. C-208/00 (Überseering), Slg. I 2002, 9919, Rdnr. 57; EuGH vom
9. 12. 1999 – Rs. C-212/97 (Centros), Slg. I 1999, 1459, Rdnr. 19 f. 358 Die Argumentation müsste auch wegen § 7 Abs. 1 AStG i.V.m. §§ 9–11 AO 1977 scheitern. Es
ist danach eine Voraussetzung der Hinzurechnungsbesteuerung, dass die Gesellschaft in einem ausländischen Staat ihren Sitz hat. Es wäre widersprüchlich, Gesellschaft und Gesellschafter zusam-mengefasst zu betrachten, um geltend zu machen, der „Sitz“ befinde sich gerade nicht in dem Mit-gliedsstaat.
Rein steuerliche motivierte Gewinnverlagerung
84
errichtete Gesellschaften als „Steuerpflichtige“ des Mitgliedsstaates anzusehen, in dem
die ausländische Gesellschaft wirksam gegründet wurde. Der sachliche Anwendungsbe-
reich der Niederlassungsfreiheit ist daher auch einschlägig, wenn eine Gesellschaft den
Tatbestand der Hinzurechnungsbesteuerung erfüllt.
Es ist jedoch zu überlegen, ob der Schutz der Niederlassungsfreiheit etwa deswe-
gen nicht beansprucht werden kann, weil eine Gesellschaft, die der Hinzurechnungs-
besteuerung unterliegt, ausschließlich aus steuerlichen Gründen in einem anderen
Staat der Europäischen Gemeinschaft errichtet wird. Hier könnte eine missbräuchliche
Inanspruchnahme der Grundfreiheit gegeben sein. Davon ist auszugehen, wenn es
sachlich an einem echten grenzüberschreitenden Bezug fehlt, d.h., wenn bei wertender
Betrachtung ein reiner Inlandssachverhalt gegeben ist, der ausschließlich formal einen
Bezug zu einem anderen Mitgliedsstaat fingiert.359 In den von den §§ 7–14 AStG er-
fassten Fällen müsste es sich um Gestaltungen handeln, welche wirtschaftliche Substanz
aufweisen, wobei diese Substanz qualitativ über eine rein formale Fiktion des Aus-
landsbezugs hinausreicht. Entscheidend ist, dass die Voraussetzungen einer missbräuch-
lichen Inanspruchnahme der Grundfreiheiten vom Europäischen Gerichtshof sehr eng
gefasst werden. Missbrauchsfälle müssen sich geradezu aufdrängen, d.h., in diesen
Fällen dürfen keinerlei tatsächliche Anhaltspunkte für einen Auslandsbezug nachweis-
bar sein.360 Bestehen schon geringe Anzeichen, die auf die Entfaltung einer ge-
schäftlichen Tätigkeit zu einem anderen Mitgliedsstaat hinweisen, ist ein Missbrauch
auszuschließen. Somit wird nur in Ausnahmefällen eine missbräuchliche Inanspruch-
nahme der Grundfreiheit in Betracht kommen. Inzwischen hat der Europäische Ge-
richtshof anerkannt, dass selbst „Briefkastengesellschaften“ – die aus Sicht des deut-
schen Steuerrechts als missbräuchlich (§ 42 Abs. 1 AO 1977) qualifiziert werden
können361 – grundsätzlich den Schutz der Europäischen Grundfreiheiten beanspruch
können.362 Wenn schon bei Briefkastengesellschaften die Niederlassungsfreiheit An-
wendung findet, obwohl die Einschaltung einer Briefkastengesellschaft aus Sicht des
deutschen Steuerrechts missbräuchlich sein kann, muss die Niederlassungsfreiheit erst
Recht die Tätigkeit von Gesellschaften im Sinne des § 7 Abs. 1 AStG schützen, da
diese durchaus wirtschaftliche Substanz aufweisen können und die Erzielung passiver,
359 Vgl. Schön, Hinzurechnungsbesteuerung und Europäisches Gemeinschaftsrecht, DB 2001, 940
(943 f.). 360 Vgl. dazu EuGH vom 30. 9. 2003 – Rs. C-167/01 (Inspire Art), Slg. 2003, I-10155. 361 Vgl. BFH vom 19. 1. 2000 – I R 117/97, BFH/NV 2000, 824 und I R 94/97, BStBl. II
2001, 222 (Dublin Docks). 362 Vgl. dazu EuGH vom 30. 9. 2003 – Rs. C-167/01 (Inspire Art), Slg. 2003, I-10155.
111
Rein steuerliche motivierte Gewinnverlagerung
Gemeinschaftsrecht
85
niedrig besteuerter Einkünfte grundsätzlich nicht als missbräuchlich anzusehen ist.363
Nach diesen Grundsätzen kann als Ergebnis gelten, dass in Fällen der Hinzurech-
nungsbesteuerung sich der Betroffene nicht missbräuchlich auf die Grundfreiheiten
beruft. Der Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit ist demgemäß eröffnet,
wenn die Voraussetzungen der Hinzurechnungsbesteuerung gegeben sind und nach
dem Recht des Sitzstaates der ausländischen Gesellschaft eine beherrschende Gesell-
schafterstellung gegeben ist.
II. Beschränkung der Niederlassungsfreiheit
Die Niederlassungsfreiheit bietet nach dem Wortlaut des Art. 43 Abs. 1 EG-Vertrag
Schutz vor „Beschränkungen“. Damit geht es in erster Linie um den Schutz des EU-
Bürgers im Aufnahmestaat, jedoch ergibt sich aus der Vorschrift des Art. 12 Abs. 1
EG-Vertrag „unbeschadet besonderer Bestimmungen“ ein Diskriminierungsverbot aus
Gründen der Staatsangehörigkeit (so genanntes allgemeines Diskriminierungsverbot).
Deswegen ist anerkannt, dass die Niederlassung eines Staatsangehörigen in einem an-
deren Mitgliedsstaat nicht diskriminiert werden darf.364 Es ist zu prüfen, ob in den von
§§ 7–14 AStG geregelten Fällen eine Beschränkung im Sinne des Art. 43 EG-Vertrag
gegeben ist.365 In Anknüpfung an die neuere Rechtsprechung des Europäischen Ge-
richtshofs zu den Grundfreiheiten des EG-Vertrags366 lässt sich das Programm der Prü-
fung folgendermaßen umreißen: Zunächst ist zu fragen, ob die überprüfte Regelung die
Ausübung der Grundfreiheit beeinträchtigt. Danach kann geprüft werden, ob die Rege-
lung Inländer und Unionsbürger unterschiedslos trifft (dann ist die Grundfreiheit in
ihrer Ausprägung als allgemeines Beschränkungsverbot betroffen), oder ob die Hinzu-
rechnungsbesteuerung eine Diskriminierung darstellt. Liegt danach eine Beein-
trächtigung vor, muss diese durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerecht-
fertigt sein. Hierfür ist Voraussetzung, dass die Regelung geeignet ist, die Verwirkli-
chung des mit dem Eingriff verfolgten Ziels zu gewährleisten, und dass die Regelung
nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist.367
363 Vgl. BFH vom 19. 1. 2000 – I R 117/97, BFH/NV 2000, 824 und I R 94/97, BStBl. II
2001, 222 (Dublin Docks). 364 EuGH vom 11. 3. 2004 – Rs. C-9/02 (Hughes de Lasteyrie du Saillant), IStR 2004, 236,
Rdnr. 42; siehe auch Geiger, Rdnrn. 8–15; Vgl. dazu Bröhmer, in: Caliess/Ruffert, Rdnrn. 29 ff. 365 Vgl. etwa Rödder, Deutsche Unternehmensbesteuerung im Visier des EuGH, DStR 2004, 1629
(1632). 366 Vgl. etwa EuGH vom 28. 1. 1986 – Rs. C-270/83 (avoir fiscal), Slg. 1986, I-273, Rdnr. 25. 367 Vgl. EuGH vom 30. 11. 1995 – Rs. C-55/94 (Gebhard), Slg 1995, I-4165, Rdnr. 37.
112
Beschränkung der erlassungsfreiheit
Beschränkung der Niederlassungsfreiheit
86
1. Beschränkungsverbot
Die Niederlassungsfreiheit könnte wegen ihrer Ausprägung als allgemeines Beschrän-
kungsverbot betroffen sein.368 Eine Beschränkung liegt vor, wenn eine nationale gesetz-
geberische Maßnahme die Ausübung der durch den Vertrag garantierten grundlegen-
den Freiheiten behindert oder deren Gebrauch weniger attraktiv machen könnte.369
Das Beschränkungsverbot richtet sich gegen Hindernisse, die nicht auf einer Un-
gleichbehandlung, sondern unterschiedslos wirken.370
Dabei ist zunächst zu problematisieren: Liegt schon keine Beschränkung vor,
wenn der Zweck der Hinzurechnungsbesteuerung darin besteht, die ausländische
Gesellschaft so zu besteuern, als wäre sie im Inland ansässig? So könnte man überlegen,
dass die Hinzurechnungsbesteuerung eine „ausreichende Vorbelastung“ niedrig be-
steuerter Unternehmensgewinne sicherstellen soll und deshalb letztlich das inländische
Steuerniveau wirksam wird.
Betrachtet man zunächst die Definition des Begriffs Beschränkung, ergibt sich der
Ansatz für eine Lösung dieser Problemstellung. Eine Beschränkung liegt vor, wenn
„die nationale Maßnahme die Grundfreiheit behindert oder weniger attraktiv
macht“.371 Damit ist die konkrete Wirkung der Hinzurechnungsbesteuerung, nicht
jedoch die Zwecksetzung zu untersuchen. Es muss also gefragt werden, ob die Hinzu-
rechnungsbesteuerung eine identische Belastung erzeugt, wie dies bei Ansässigkeit der
Gesellschaft im Inland der Fall wäre. Es fragt sich aber, welche Belastungssituation
hierfür zu betrachten ist. Zunächst könnte ein Vergleich mit der Situation in Betracht
kommen, in der eine Ausschüttung durch die Gesellschaft bereits stattgefunden hat.
Dann müsste weiter unterschieden werden, ob es sich bei dem betroffenen Gesell-
schafter um eine Kapitalgesellschaft handelt, oder ob eine natürliche Person mit dem
Dividendenbezug der Einkommensteuer unterliegt. Eine Einordnung der Hinzurech-
nungsbesteuerung bereitet Schwierigkeiten. Denn die Einkünfte der ausländischen
Gesellschaft gelten dem Gesellschafter als zugeflossen. Der Wortlaut des § 10 Abs. 2
Satz 1 AStG weist darauf hin, dass eine Ausschüttung der Einkünfte der ausländischen
Gesellschaft nicht stattgefunden hat, der Gesellschafter aber so behandelt wird, als habe
368 Vgl. zur Frage des Verhältnisses Diskriminierungsverbot/Beschränkungsverbot: Geiger,
EUV/EG-Vertrag, Art. 43 EGV, Rdnrn. 8–15; Arndt, Europarecht, 139; EuGH vom 15. 5. 1997 – Rs. C-250/95 (Futura Participations SA), Slg. 1997, 2471 Rdnrn. 23 ff. 369 EuGH vom 30. 11. 1995 – Rs. C-55/94 (Gebhard), Slg. 1995, I-4165, Rdnr. 37. 370 So zutreffend Bauschatz, Steuerlicher Gestaltungsmissbrauch und Europarecht, IStR 2002, 291
(294). 371 EuGH vom 30. 11. 1995 – Rs. C-55/94 (Gebhard), Slg. 1995, I-4165, Rdnr. 37.
113
114
115
Gemeinschaftsrecht
87
eine Ausschüttung stattgefunden. Besteht mithin ein Gleichklang zwischen Hinzu-
rechnungsbesteuerung und einer Ausschüttungssituation, müsste freilich auch aner-
kannt werden, dass die Ausschüttung nach den Vorschriften des deutschen Steuer-
rechts zur Hälfte bzw. in vollem Umfang steuerfrei vom Gesellschafter bezogen wer-
den könnte, um der deutschen Besteuerungssituation gerecht zu werden. Der steuer-
freie Bezug ist jedoch – wie § 10 Abs. 3 Satz 2 AStG dies ausdrücklich bestimmt – im
Falle der Hinzurechnungsbesteuerung nicht möglich. Da die ausländische Gesellschaft
damit bei Vergleich der Ausschüttungssituation anderen Belastungswirkungen unter-
liegt als eine im Inland ansässige Gesellschaft, lassen sich von vorne herein diese Situa-
tionen nicht vergleichen. Ein Vergleich ist nur insoweit möglich, als auf die Belas-
tungswirkung abgestellt wird, die in der Situation entsteht, in der eine Ausschüttung
noch nicht stattgefunden hat.
Konzeptionell orientierte sich die Hinzurechnungsbesteuerung an der „Sub-
part F Gesetzgebung“372 des US-amerikanischen Income Taxation Act (Einkommen-
steuergesetz) und sollte in bestimmten Fällen die Kapitalexportneutralität bei Einschal-
tung ausländischer Gesellschaften sicherstellen.373 Kapitalexportneutralität bedeutet,
dass für Investitionen im Inland die identischen Belastungen erreicht werden, die für
Investitionen im Ausland gelten.374 Der aufgeworfenen Fragestellung kommt im Hin-
blick auf diese Konzeption eine weitergehende Dimension zu. Man kann erwägen, ob
die Hinzurechnungsbesteuerung sich in das System des Europäischen Binnenmarktes
einfügt. Zur Beantwortung dieser Frage ist zunächst eine Begriffsbestimmung vorzu-
nehmen: Stellt sich ein Bürger der Europäischen Gemeinschaft dem Wettbewerb in
einem anderen Mitgliedsstaat und unterliegt die Investition nur den steuerlichen
Bedingungen am Investitionsstandort, bezeichnet man dieses Konzept als Kapitalim-
portneutralität.375 Diesem Konzept entspricht die Freistellung von Dividendenbezügen
nach § 8b Abs. 1 KStG. Die Einkünfte der ausländischen Gesellschaft werden nach
den Bedingungen des Investitionsstandortes belastet und die Ausschüttung an einen
inländischen Gesellschafter führt zu keiner weiteren Belastung, da das deutsche Steuer- 372 So genanntes Subpart F-Income des US-amerikanischen Einkommensteuerrechts nach der von
Präsident John F. Kennedy im Jahre 1962 durchgeführten Steuerreform. Die im internationalen Sprachgebrauch gängige Bezeichnung für Fälle der Hinzurechnungsbesteuerung ist „Controlled Foreign Company“ (– CFC –). 373 Vgl. dazu eingehend: Hadenfeldt, Die Hinzurechnungsbesteuerung nach dem Außensteuergesetz
von Einkünften aus deutschen Quellen, 57 ff. 374 Vgl. dazu Sullivan/Wallner/Wübbelsmann, Die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung auf dem
europäischen Prüfstand, IStR 2003, 6 ff.
116
Beschränkung der Niederlassungsfreiheit
88
recht mit § 8b Abs. 1 KStG eine umfassende Steuerfreistellung unabhängig von Be-
teiligungshöhe oder Mindestbehaltensdauer der Anteile gewährt. Die Investitions-
tätigkeit braucht deshalb grundsätzlich nicht die steuerlichen Rahmenbedingungen des
deutschen Steuerrechts zu berücksichtigen. Die Hinzurechnungsbesteuerung soll
demgegenüber Kapitalexportneutralität herstellen.376 Für die Investition in einem
ausländischen Staat gilt das dort herrschende Steuerniveau. Die Vorschrift in § 10
Abs. 2 Satz 3 AStG bestimmt dagegen, dass die zentrale Regelung für die Frage der
Herstellung der Kapitalimportneutralität (§ 8b Abs. 1 KStG) nicht auf den Hinzurech-
nungsbetrag anzuwenden ist. Der Gesetzgeber gewährleistet einerseits die Kapitalim-
portneutralität, andererseits soll Kapitalexportneutralität in den Fällen der Hinzurech-
nungsbesteuerung entstehen. Es fragt sich, ob dieses der Hinzurechnungsbesteuerung
zugrunde liegende Prinzip als solches in Einklang mit dem Binnenmarktprinzip steht.
Einige Autoren bejahen dies mit Hinweis auf die Entscheidung des Europäischen
Gerichtshofs in der Rechtssache Schumacker377. In dieser Entscheidung werde die
Anrechnungsmethode als Methode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung akzep-
tiert.378 Die Anrechnungsmethode entspreche dem Gedanken der Kapitalexport-
neutralität, da für ausländische Einkünfte das inländische Steuerniveau dadurch sicher-
gestellt werde, dass auf die im Inland entstehende Steuerlast die im Ausland gezahlte
Steuer angerechnet wird (vgl. dazu die Vorschrift in Art. 23 B OECD-MA379). Es
könne somit darauf geschlossen werden, dass auch der Gedanke der Kapitalexport-
neutralität gemeinschaftsrechtlich zu akzeptieren ist.380
Diese These ist anhand der Vorschriften des EG-Vertrages zu überprüfen. Ent-
scheidendes Kriterium ist dabei das Binnenmarktkonzept. Das Binnenmarktkonzept ist
normativ in Art. 14 EG-Vertrag verankert. Nach dieser Vorschrift wird der gemein-
same Markt (vgl. Art. 2 EG-Vertrag) schrittweise verwirklicht. Hierzu sollen die
375 Dazu Schön, Hinzurechnungsbesteuerung und Europäisches Gemeinschaftsrecht, DB 2001, 940
(945 f.). 376 Vgl. dazu ausführlich Schönfeld, Hinzurechnungsbesteuerung und Europäisches Gemeinschafts-
recht, 89 ff. 377 EuGH vom 14. 2. 1995 – Rs. C-279/93 (Schumacker), Slg. 1095, I-225. 378 Vgl. hierzu Schön, Hinzurechnungsbesteuerung und Europäisches Gemeinschaftsrecht, DB
2001, 940 (946); Sullivan/Wallner/Wübbelsmann, Die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung auf dem europäischen Prüfstand, IStR 2003, 6 (10). 379 OECD-Musterabkommen 2003 zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der
Steuern vom Einkommen und vom Vermögen, vgl. dazu K. Vogel, in: Vogel/Lehner, Doppelbe-steuerungsabkommen der Bundesrepublik Deutschland, Einleitung. 380 Siehe hierzu Schönfeld, Hinzurechnungsbesteuerung und Europäisches Gemeinschaftsrecht,
175 ff.
117
Gemeinschaftsrecht
89
nationalen Märkte zu einem Markt zusammenwachsen, der „einem wirklichen Bin-
nenmarkt möglichst nahe“ kommt.381 Dies erfordert, dass die wesentlichen Hindernis-
se abgebaut werden, jedoch ergibt sich aus der Vorschrift in Art. 14 ff. EG-Vertrag
nicht, dass die Durchsetzung des Binnenmarktprinzips „um jeden Preis“ zu erfolgen
hat. Deshalb lässt sich aus den Vorschriften über den Binnenmarkt auch folgern, dass
die Unionsbürger auch Verantwortung für das Binnenmarktkonzept tragen. Dieses
Verantwortungsprinzip lässt sich daran nachweisen, dass die Unionsbürger durch den
EG-Vertrag berechtigt und verpflichtet werden (Art. 17 Abs. 2 EG-Vertrag). Wenn
Art. 14 Abs. 3 EG-Vertrag bestimmt, dass der Binnenmarkt durch einen ausgewoge-
nen Forschritt gewährleistet wird, entspricht es der Konzeption des Binnenmarktes,
dass größtmögliche Freiheit effektiven und zielgenauen Schutz beanspruchen darf. Es
erscheint im Sinne der Zielsetzung des Binnenmarktkonzeptes geboten, einerseits die
Grundfreiheiten bestmöglich zur Geltung zu bringen. Diese Überlegung lässt sich un-
mittelbar auf die Zielsetzung des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemein-
schaft beziehen, der die Harmonisierung der Wirtschaft zu einem vordringlichen Ziel
erklärt.382 Andererseits – so lässt sich gemäß der Präambel des EG-Vertrages formulie-
ren – ist der redliche Wettbewerb in der Gemeinschaft zu schützen. Dies lässt sich
auch dadurch gewährleisten, dass ein Steuerpflichtiger nicht uneingeschränkt von den
Vorteilen des Binnenmarktes profitieren darf, wenn es ihm allein um eine Inanspruch-
nahme günstiger steuerlicher Rahmenbedingung geht. Gewendet auf die hier interes-
sierende Frage ist der nationale Gesetzgeber berechtigt, die Anrechnungsmethode
vorzusehen. Die Kapitalexportneutralität setzt das inländische Steuerniveau durch und
kann damit ein Korrektiv für diejenigen Steuerpflichtigen darstellen, die dem Verant-
wortungsprinzip nicht entsprechen. Beachtet man die Prämisse des Europäischen Ge-
richtshofs, wonach ein Mitgliedsstaat im Bereich des Steuerrechts seine „Befugnisse
unter Wahrung des Gemeinschaftsrechts ausüben“ kann, darf dies jedoch nicht dazu
dienen, eine Beschränkung der Grundfreiheiten zu schaffen.383 Es zeigt sich, dass der
Gedanke der Kapitalexportneutralität durchaus mit dem Konzept des Binnenmarktes
vereinbar ist; allerdings muss die Frage, ob Kapitalimportneutralität oder Kapitalex-
portneutralität vorzugswürdig herzustellen ist, berücksichtigen, ob es zu einer Beein-
trächtigung der Grundfreiheiten kommt.
381 Vgl. dazu nur Geiger, EUV/EGV, Art. 14 Rdnr. 1. 382 Vgl. dazu die Präambel des EG-Vertrags; vgl. zu den Zielen auch Geiger, EUV/EGV, Vor
Art. 1 EGV, Rdnr. 2. 383 Ständige Rechtsprechung, vgl. EuGH vom 12. 12. 2002 – Rs. C-324/00 (Lankhorst-Hohorst),
Slg 2002, I-1177, DStR 2003, 25, IStR 2003, 55, Rdnr. 26 m. w. N.
Beschränkung der Niederlassungsfreiheit
90
Es ist deshalb weiter zu prüfen, ob die durch die Normen in §§ 7–14 AStG er-
zeugte Besteuerungssituation eine solche Beeinträchtigung darstellt. Das ist der Fall,
wenn die Ausübung der Niederlassungsfreiheit „weniger attraktiv“ sein kann.384 Die
Prüfung kann sich an den vom Europäischen Gerichtshof gegebenen Begründungser-
wägungen in der Rechtssache Metallgesellschaft u.a./Hoechst orientieren.385 In diesem
Verfahren ging es um die steuerliche Behandlung von zwei Konzern-Tochterge-
sellschaften. Diese Tochtergesellschaften hatten ihren Sitz – anders als die Konzern-
Muttergesellschaft – in Großbritannien. Nach dem Körperschaftsteuerrecht Großbri-
tanniens wurden Gewinne dieser Tochtergesellschaften mit Körperschaftsteuer386
belastet. Die Körperschaftsteuerschuld war neun Monate nach dem Abschlussstichtag
der jeweiligen Tochtergesellschaft fällig. Erfolgte eine Ausschüttung vor diesem Zeit-
punkt, wurde bei der jeweiligen Tochtergesellschaft eine Körperschaftsteuer-
vorauszahlung auf diese Ausschüttung erhoben (ACT – advanced corporation tax), die
auf die (später entstehende) Körperschaftsteuerschuld der Tochtergesellschaften ange-
rechnet werden konnte. Für die in Großbritannien ansässigen Tochtergesellschaften
bestand die Möglichkeit, für eine Besteuerungsregelung zu optieren (group income
election), kraft derer sie auf Dividenden, die sie ihrer Muttergesellschaft zahlten, keine
Körperschaftsteuer-Vorauszahlung (ACT) zu entrichten hatten. Diese Optionsmög-
lichkeit war an die Voraussetzung geknüpft, dass die Muttergesellschaft ebenfalls in
Großbritannien ihren Sitz hatte, und wurde den britischen Tochtergesellschaften
verwehrt, da die Muttergesellschaft in einem europäischen Mitgliedsstaat ansässig war.
Aus den Regelungen ergab sich ein Zinsvorteil innerhalb des gesellschaftsrechtlichen
Verbundes, wenn die Muttergesellschaft ebenfalls im Vereinigten Königreich ansässig
war.387 Konkret mussten die Tochtergesellschaften Kapital aufwenden, um die Körper-
schaftsteuervorauszahlung zu einem vergleichsweise früheren Zeitpunkt leisten zu
können, und mussten für die Finanzierung dieses Kapitalteils eine entsprechend höhe-
re Zinsbelastung kalkulieren. Hierin erkannte der Europäische Gerichtshof einen
Liquiditätsvorteil, der Gesellschaften mit einer im Inland ansässigen Muttergesellschaft
zu gute komme. Daraus folge eine indirekte Schlechterstellung des Sachverhaltes mit
384 EuGH vom 30. 11. 1995 – Rs. C-55/94 (Gebhard), Slg. 1995, I-4165, NJW 1996, 579; vgl.
auch Hahn, Die Vereinbarkeit von Normen des deutschen internationalen Steuerrechts mit EG-Recht, IFSt-Schrift Nr. 378, 152. 385 EuGH vom 8. 3. 2001 – Rs. C-397/98 und C-410/98 (Metallgesellschaft ua und Höchst),
Slg. 2001, I-1727; RIW 2001, 467. 386 So genannte mainstream corporation tax, abgekürzt: MCT. 387 Vgl. auch Laule, Grenzen internationaler Steuergestaltung im Lichte der Rechtsprechung des
EuGH, IStR 2003, 217 (219 f.).
118
Gemeinschaftsrecht
91
Auslandsbezug.388 Die Ausübung von Grundfreiheiten ist danach „weniger attraktiv“,
wenn unternehmerische Entscheidungen einen Faktor berücksichtigen müssen, der
sich auf die Liquiditätssituation vergleichsweise nachteilig auswirkt, oder – allgemein
formuliert –, wenn aus Sicht desjenigen, der eine erwerbswirtschaftliche Betätigung in
einem anderen Mitgliedsstaat aufnehmen will, die zu erwartenden wirtschaftlichen Er-
tragsaussichten herabgesetzt werden. Gewendet auf die Hinzurechnungsbesteuerung
ergibt sich aus § 10 Abs. 1 Satz 1 AStG, dass der Hinzurechnungsbetrag unmittelbar
nach Ablauf des maßgebenden Wirtschaftsjahres der ausländischen Gesellschaft als
zugeflossen gilt. Die Hinzurechnungsbesteuerung führt damit zu einer Einkommen-
steuer- bzw. Körperschaftsteuerbelastung, wenn bei vergleichbaren Sachverhalten, die
nicht der Hinzurechnungsbesteuerung unterliegen, eine Besteuerung nicht in Betracht
kommt. So wird man vor dem Hintergrund der Regelung über die steuerliche Frei-
stellung von Dividendenbezügen in § 8b Abs. 1 KStG und § 3 Nr. 40 EStG im Hin-
blick auf die unterschiedliche Liquiditätssituation der Gesellschaften zu einem eindeu-
tigen Ergebnis kommen: Wegen der Vorschriften über die Hinzurechnungsbesteuer-
ung kommt es zu einer Besteuerung der passiven Einkünfte zu einem frühest mögli-
chen Zeitpunkt. Im vergleichbaren Inlandsfall erfolgt der Bezug von Dividenden nach
Maßgabe der § 8b Abs. 1 KStG steuerfrei bzw. die hälftige Besteuerung nach § 3
Nr. 40 EStG greift erst ab der Ausschüttung der Dividende ein. Greift die Hinzurech-
nungsbesteuerung nicht ein, müssen daher bis zur Ausschüttung vom Steuerpflichtigen
keine Geldmittel aufgewendet werden, um die entstehende Steuerbelastung auf der
Ebene des Gesellschafters auszugleichen. Da die Anwendung der Steuerbefreiungs-
vorschriften gemäß § 10 Abs. 2 Satz 3 AStG ausgeschlossen ist, ergibt dies im Falle der
Hinzurechnungsbesteuerung einen Liquiditätsnachteil. Andernfalls könnte der inländi-
sche Gesellschafter die Einkünfte der ausländischen Gesellschaft steuerfrei vereinnah-
men. Damit kommt es im Fall der Hinzurechnungsbesteuerung zu einer Schlechter-
stellung des Sachverhaltes, in dem eine Beteiligung an einer ausländischen Gesellschaft
gegeben ist. Geht es um die Aufnahme einer erwerbswirtschaftlichen Betätigung in
einem anderen Mitgliedsstaat, sind die zu erwartenden wirtschaftlichen Ertragsaus-
sichten herabgesetzt. Die Hinzurechnungsbesteuerung führt damit dazu, dass die
Ausübung der Niederlassungsfreiheit „weniger attraktiv“ ist, so dass eine Beschrän-
kung gegeben ist. Die Hinzurechnungsbesteuerung – so lässt sich hier schon feststel-
len – kann eine Beschränkung darstellen, da sie nicht bezweckt, eine ausländische
388 EuGH vom 8. 3. 2001 – Rs. C-397/98 und C-410/98 (Metallgesellschaft ua und Höchst) –
Slg. 2001, I-1727; RIW 2001, 467.
Beschränkung der Niederlassungsfreiheit
92
Gesellschaft so zu besteuern, als wäre sie im Inland ansässig. Es kann damit geprüft
werden, ob die Vorschriften über die Hinzurechnungsbesteuerung „unterschiedslos
wirken“, oder ob eine Diskriminierung gegeben ist.
2. Diskriminierung
Eine Diskriminierung liegt vor, wenn „vergleichbare Sachverhalte rechtlich unter-
schiedlich oder unterschiedliche Sachverhalte rechtlich gleich behandelt werden“,389
mithin bedeutet es die rechtliche Schlechterbehandlung eines zu beurteilenden Sach-
verhalts mit Gemeinschaftsbezug gegenüber einem reinen Inlandssachverhalt.390 Diese
Voraussetzungen sind erfüllt, wenn ein gesetzlicher Tatbestand an die Staatsangehörig-
keit anknüpft. Da die Hinzurechnungsbesteuerung nicht an die Staatsangehörigkeit,
sondern an den Sitz oder den Ort der Geschäftsleitung einer ausländischen Gesellschaft
(§ 7 Abs. 1 AStG) anknüpft, könnte eine Diskriminierung verneint werden. Nun wäre
es falsch, an dieser Stelle die Prüfung zu beenden. Das deutsche Steuerrecht verwendet
das Kriterium der Staatsbürgerschaft nicht als Voraussetzung steuerlicher Tatbestände,
sondern stellt etwa zur Begründung der Steuerpflicht nach § 1 EStG, § 1 KStG auf
den Wohnsitz und den gewöhnlichen Aufenthalt von natürlichen Personen (§§ 10, 11
AO) bzw. auf den Sitz oder an den Ort der Geschäftsleitung von Kapitalgesellschaften
ab (§§ 10, 11 AO). Eine Überprüfung des deutschen Steuerrechts am Maßstab der
Europäischen Grundfreiheiten wäre deshalb nicht möglich.391 Die Anknüpfung an den
Sitz oder den Ort der Geschäftsleitung der Gesellschaft bedeutet jedoch, dass durch die
§§ 7–14 AStG ausländische Gesellschaften überwiegend oder besonders häufig be-
nachteiligt sein können, weshalb eine – ebenfalls tatbestandsmäßige – versteckte Dis-
kriminierung gegeben sein kann.392 Entscheidend ist, ob ein steuerliches Tatbestands-
merkmal an einen bestimmten Sachverhalt anknüpft oder die Anknüpfung an ein
beliebiges Tatbestandsmerkmal Fälle mit Gemeinschaftsbezug de facto anders behan-
delt als Inländer.393 So ist vorliegend eine versteckte Diskriminierung anzunehmen, da
die Regelungen in §§ 7–14 AStG an das Tatbestandsmerkmal „ausländische Gesell-
schaft“ anknüpfen und damit eine andere Rechtslage schaffen, als dies bei einem rei-
nen Inlandssachverhalt der Fall wäre. Es ist deshalb zu prüfen, ob dieses von § 7 Abs. 1 389 EuGH vom 13. 11. 1984 – Rs. 283/93 (Racke), Slg. 1984, I-3791, Rdnr. 1. 390 Vgl. Bröhmer, in: Calliess/Ruffert, Rdnr. 19. 391 Kluge, Internationales Steuerrecht, Rdnr. K 19. 392 Vgl. zu den Besonderheiten bei Steuernormen EuGH vom 28. 1. 1986 – Rs. C-270/86 (avoir-fiscal) – Slg. 1986, I-273, NJW 1991, 1406.
119
Gemeinschaftsrecht
93
AStG verwendete Tatbestandsmerkmal eine unterschiedliche Rechtslage für Gesell-
schaften schafft, die in anderen Mitgliedsstaaten ansässig sind.394 Hierzu ist zu überle-
gen, dass die Niederlassungsfreiheit grundsätzlich die Aufnahme der Tätigkeit in dem
Aufnahmestaat schützt, so dass dieser Staat identische Voraussetzungen für die Auf-
nahme einer Tätigkeit bieten muss. Wenn jedoch – wie im Falle der Hinzurechnungs-
besteuerung – die Steuerpflicht faktisch nur Steuerpflichtige des Herkunftsstaates trifft,
könnte dies gegen eine Diskriminierung sprechen. Es fragt sich somit, ob eine Diskri-
minierung nicht gegeben ist, weil Inländer, die einen grenzüberschreitenden Sach-
verhalt verwirklichen, anders behandelt werden als Inländer, die denselben Sachverhalt
im Inland verwirklichen. Der Europäische Gerichtshof vertritt in ständiger Rechtspre-
chung die Ansicht, dass es auch dem Herkunftsstaat verboten ist, die Niederlassung der
eigenen Staatsangehörigen oder einer nach dem eigenen Recht des Mitgliedsstaates
gegründeten Gesellschaft in einem anderen Mitgliedsstaat zu behindern.395 Wendet
man diese Prämisse auf die Hinzurechnungsbesteuerung an, ergibt sich, dass auch die
Hinzurechnungsbesteuerung als Maßnahme des deutschen Steuerrechts eine Wirkung
auf Vorgänge aufweist, in denen die rechtliche Existenz eines Unternehmens begrün-
det wird oder die auf den Erwerb einer Beteiligung an einer bestehenden Gesellschaft
gerichtet sind. Es könnte somit auch im Fall der Hinzurechnungsbesteuerung eine
Diskriminierung gegeben sein, wenn auch das Merkmal der Schlechterstellung des
Sachverhaltes mit Auslandsbezug erfüllt ist.
Es muss deshalb weiter geprüft werden, ob vorliegend der Sachverhalt mit Aus-
landsbezug gegenüber dem Inlandssachverhalt schlechter gestellt wird. Das ist der Fall,
wenn rechtliche oder tatsächliche Erschwernisse, Nachteile oder sonstige ungünstige
Folgen erzeugt werden. Quantitativ reicht schon eine geringfügige Verschlechterung
aus.396 Der Begriff geringfügig darf nicht mit jeder Verschlechterung gleichgesetzt wer-
den. Zwar dürfte der Begriffsinhalt auch im Hinblick auf die Ziele des EG-Vertrages
weit zu fassen sein, dennoch darf deswegen darunter nicht beliebig jede Regelung
subsumiert werden, die eine gegenüber dem vergleichbaren Inlandssachverhalt abwei-
chende Rechtslage schafft. Beginnt man die Auslegung am Wortlaut, so bedeutet
393 Vgl. EuGH vom 28. 1. 1986 – Rs. C-270/86 (avoir-fiscal) – Slg. 1986, I-273, NJW 1991, 1406;
siehe auch Bröhmer, in: Calliess/Ruffert, Rdnr. 20. 394 Vgl. EuGH vom 28. 1. 1986 – Rs. C-270/86 (avoir-fiscal), Slg. 1986, I-273, NJW 1991, 1406. 395 EuGH vom 18. 11. 1999 – Rs. C-200/98 (X AB und Y AB), Slg. 1999, I-8261, IStR 2000, 18,
Rdnr. 26; EuGH vom 16. 7. 1998 – Rs. C-264/96 (ICI), Slg. 1998, 4695; IStR 1998, 467, Rdnr. 21. 396 EuGH vom 11. 3. 2004 – Rs. C-9/02 (Hughes de Lasteyrie du Saillant), IStR 2004, 236,
Rdnr. 43.
120
Beschränkung der Niederlassungsfreiheit
94
„geringfügig“ von geringem Ausmaß oder von untergeordneter Bedeutung.397 Entfaltet man
den Begriff im Hinblick auf die Zielsetzung des Art. 43 EG-Vertrag, muss die Ausle-
gung berücksichtigen, dass mit den im EG-Vertrag geregelten Grundfreiheiten die
Errichtung des Binnenmarktes (Art. 3 Abs. 1 Buchst. c i. V. m. Art. 14 Abs. 2 EG-
Vertrag), insbesondere die Freiheit des Marktzugangs sowie die Wettbewerbs-
gleichheit bezweckt werden.398 Ob gleiche Wettbewerbschancen bestehen, muss
neben einer gebotenen objektiven Betrachtung aus der Perspektive desjenigen beur-
teilt werden, der sich in der Wettbewerbssituation befindet. Eine geringfügige
Schlechterstellung ist danach gegeben, wenn der Betroffene einen Nachteil wahr-
nimmt und objektiv zu erwarten ist, dass dieser Nachteil als Faktor für die Entschei-
dung, ob die Wettbewerbssituation wirtschaftlich ausgewogen ist, eine Rolle spielt.
Das ist der Fall, wenn ernsthaft das Für und Wider hinsichtlich dieses Nachteils abge-
wogen werden muss und sich die zu treffende Entscheidung deswegen nicht von selbst
ergibt. Graduell gehen steuerliche Regelungen über den Maßstab des geringfügigen
Nachteils hinaus, die wahrnehmbar Nachteile anordnen, um Steuerpflichtige davon
abzuhalten, bestimmte Betätigungsformen außerhalb Deutschlands wahrzunehmen.
Nun hat die Untersuchung bereits gezeigt, dass von den §§ 7–14 AStG ein Liquidi-
tätsnachteil ausgehen kann. Dies kann sich auf das Für oder Wider bei der Entschei-
dung für eine Investition auswirken. Die Hinzurechnungsbesteuerung kann eine
zweckmäßige Investition wirtschaftlich unattraktiv machen. Darüber hinaus könnte
auch aus weiteren Regelungen in §§ 7–14 AStG eine solche nachteilige Wirkungs-
weise ausgehen. Es ist insbesondere daran zu denken, dass den Steuerpflichtigen ein
Aufwand trifft, der bei einer vergleichbaren Beteiligung an einer inländischen Gesell-
schaft nicht bewältigt oder getragen werden müsste. Ein solcher Aufwand könnte
gegeben sein, da ein Steuerpflichtiger, der von der Hinzurechnungsbesteuerung be-
troffen ist, den Hinzurechnungsbetrag (§ 10 Abs. 1 AStG) in einer Hinzurechnungs-
bilanz ermitteln muss.399 Für eine Gesellschaft im Sinne des § 7 Abs. 1 AStG müssen
deshalb zwei Gewinnermittlungen vorgenommen werden: eine Gewinnermittlung
richtet sich nach ausländischem Recht, eine weitere ist unter Beachtung der deutschen
Steuervorschriften zu erstellen (§ 10 Abs. 3 AStG). Der Zweck dieser Regelung ist
darin zu sehen, dass die Einkünfte der Gesellschaft entsprechend den Vorschriften des
deutschen Steuerrechts erfasst werden. Bei der Gewinnermittlung nach deutschen
397 Vgl. etwa Deutsches Wörterbuch, Honos Verlag Bergisch Gladbach 1996. 398 Vgl. Arndt, Europarecht, 134. 399 Vgl. hierzu Menck, in: Blümich, EStG, KStG, UmwStG/AStG, Kommentierung zum Außen-
steuergesetz, § 10 Rdnrn. 29 ff.
Gemeinschaftsrecht
95
Vorschriften entsteht somit ein zusätzlicher Kosten- und Leistungsaufwand etwa in
Form von Steuerberatungskosten, der ansonsten nicht gegeben ist. Die Hinzurech-
nungsbesteuerung kennt weiter keine Verlustverrechnungsmöglichkeit, wie dies etwa
§ 10 d EStG für einen vergleichbaren Inlandssachverhalt vorsieht: Erträge der aus-
ländischen Gesellschaft aus Gewinnjahren werden der Hinzurechnungsbesteuerung
unterworfen, in Verlustjahren entfällt dafür die Hinzurechnung (§ 10 Abs. 1 Satz 3
AStG). Eine Kompensation von Verlusten ist somit nicht möglich, was im Vergleich
zu einem reinen Inlandssachverhalt eine Verschlechterung der Abzugsmöglichkeiten
für diese Verluste bedeutet. Sodann ergibt sich auch aus der Nichtberücksichtigung
von Regelungen mit positiver steuerlicher Auswirkung ein Nachteil. Steuerliche
Vergünstigungen, die an die unbeschränkte Steuerpflicht oder an das Bestehen eines
inländischen Betriebes oder einer inländischen Betriebsstätte anknüpfen, bleiben,
ebenso wie die Vorschriften des § 8b Absätze 1 und 2 KStG, unberücksichtigt bei der
Ermittlung des Hinzurechnungsbetrages (§ 10 Abs. 3 Satz 4 AStG). Ein Steuer-
pflichtiger kann deshalb nicht in den Genuss von Vergünstigungen kommen, die er
bei einem reinen Inlandssachverhalt beanspruchen könnte. Auch hieraus kann ein
steuerlicher Nachteil gegenüber einem Inlandsfall resultieren. Die Hinzurechnungsbe-
steuerung verschärft des Weiteren die Abzugsmöglichkeit für Betriebsausgaben gegen-
über § 4 Abs. 4 EStG: Bei Ermittlung des Hinzurechnungsbetrages dürfen nur solche
Betriebsausgaben abgezogen werden, die mit diesen Einkünften in wirtschaftlichem
Zusammenhang stehen (§ 10 Abs. 4 AStG). Damit wird das im Einkommensteuer-
recht anerkannte und weitergehende Veranlassungsprinzip außer Kraft gesetzt, nach
dem nur solche Aufwendungen als Betriebsausgaben abziehbar sind, die betrieblich
veranlasst waren.400 Demnach ist festzustellen, dass durch die Vorschriften über die
Hinzurechnungsbesteuerung in §§ 7–14 AStG eine Schlechterstellung des Sachverhal-
tes mit Auslandsbezug gegenüber dem Inlandssachverhalt besteht. In den Fällen der
Hinzurechnungsbesteuerung lässt sich eine Benachteiligung von Sachverhalten mit
Gemeinschaftsbezug nachweisen. So resultiert aus den Vorschriften in §§ 7–14 AStG
eine Diskriminierung.
400 Vgl. Georg Crezelius, in: Kirchhof, EStG, § 4 Rdnr. 144.
Kapitalverkehrsfreiheit
96
B. Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 56 EG-Vertrag)
I. Anwendungsbereich
Es ist nun zu prüfen, ob die Vorschriften der Hinzurechnungsbesteuerung gegen die
Kapitalverkehrsfreiheit verstoßen. Da sich hier eine Überschneidung mit dem An-
wendungsbereich der Niederlassungsfreiheit ergeben könnte, bietet es sich an, zu-
nächst der Anwendungsbereich der Kapitalverkehrsfreiheit zu prüfen und anschlie-
ßend die in Betracht kommenden Rechtfertigungsansätze zu beurteilen. In den von
den §§ 7–14 AStG geregelten Fällen müsste der Anwendungsbereich des Art. 58
Abs. 1 EG-Vertrag eröffnet sein. Dabei geht es um diejenigen Konstellationen, in
denen die Gesellschafterstellung keinen beherrschenden Einfluss auf die Gesellschaft
vermittelt.401 Art. 56 Abs. 1 EG-Vertrag bestimmt, dass alle Beschränkungen des
Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedsstaaten sowie zwischen den Mitgliedsstaaten
und dritten Ländern im Rahmen der Bestimmungen der §§ 56 ff. EG-Vertrag verbo-
ten sind.402 Der Begriff „Kapitalverkehr“ umfasst alle auf Geld- oder Sachkapital bezo-
genen Transaktionen, die nicht direkt durch den Waren- und Dienstleistungsverkehr
bedingt sind, mithin Transaktionen, die zu Forderungen oder Verpflichtungen füh-
ren.403 Erfasst sind mithin alle Vorgänge, die neben die übrigen wirtschaftlichen
Grundfreiheiten treten müssen, um deren wirtschaftlichen Gehalt auszudrücken.404
Unter Zahlungsverkehr (Art. 56 Abs. 2 EG-Vertrag) versteht man den tatsächlichen
oder rechtlichen Zu- oder Abfluss von Zahlungsmitteln über mitgliedsstaatliche Gren-
zen in Form einer Gegenleistung.405 Geschützt sind somit die Freiheit des grenzüber-
schreitenden Transfers von Geldkapital in Form von Krediten oder Wertpapier-
übertragungen wie auch von Sachkapital in Form von Unternehmensanteilen und 401 Unter welchen Voraussetzungen die Schwelle einer passiven, vornehmlich der Kapitalverkehrs-
freiheit unterliegenden Unternehmensbeteiligung auch durch die Niederlassungsfreiheit geschützt wird, kann nach dem allgemeinen internationalen Schachtelprivileg bei einer Beteiligung von 25 % am Kapital einer Gesellschaft beurteilt werden. Vgl. hierzu Matthias Geurts, Das Konkurrenzverhält-nis der EU, IStR 2000, 572 (574). 402 Der Schutzbereich wird beschränkt durch Art. 57 und 58 EG-Vertrag. Beschränkungen die im
Verhältnis zu Drittstaaten schon vor dem 31. 12. 1993 bereits bestanden, werden nicht verhindert (Art. 57 EG-Vertrag). So genannte „Stand-Still-Klausel“, vgl. Laule, Auswirkungen der EuGH-Rechtsprechung auf deutsche Steuervorschriften, IFSt-Schrift Nr. 407, 14. 403 Geiger, EUV/EGV, Art. 56 EGV Rdnr. 3. 404 Geiger, EUV/EGV, Art. 56 EGV Rdnr. 3. 405 Geiger, EUV/EGV, Art. 56 EGV Rdnr. 5.
121
rkehrsfreiheit
Gemeinschaftsrecht
97
Immobilien.406 Daher können alle Arten von Geldmitteln dem Begriff des Zahlungs-
verkehrs untergeordnet werden. Dies gilt auch für alle Zahlungsweisen, so dass die
Zahlung von Dividenden von dem Begriff des Zahlungsverkehrs erfasst wird.407 Die
Kapitalverkehrsfreiheit schützt die Transaktion von Kapital, wenn Zuflüsse in Form
einer Dividende erfolgen.408 Damit ist der Anwendungsbereich der Kapitalverkehrs-
freiheit gegeben, wenn eine unbeschränkt steuerpflichtige Person sich an einer Ge-
sellschaft beteiligt, ohne Einfluss auf die Entscheidungen der Gesellschaft nehmen zu
können.409 Mithin kommt in Fällen, in denen eine Beteiligung an einer Zwi-
schengesellschaft besteht, die keinen beherrschenden Einfluss auf eine ausländische
Zwischengesellschaft vermittelt, die Anwendung des Art. 56 EG-Vertrag in Betracht.
Entscheidendes Merkmal, welches den Schutzbereich der Kapitalverkehrsfreiheit
eröffnet, ist das Erlangen einer solchen Beteiligung, aus der sich durch die Hinzurech-
nungsbesteuerung eine Einwirkung auf die wirtschaftliche Betätigung über einer
Auslandsgesellschaft ergibt. Die Hinzurechnungsbesteuerung greift auf den nicht
vorhandenen Dividendenbezug aus der Auslandsbeteiligung zu und erfasst diesen –
grundsätzlich410 – als „Quasi-Dividende“ bei den Einkünften aus Kapitalvermögen
(§ 10 Abs. 2 Satz 1 AStG). Im Hinblick auf die untersuchten Fälle ist der Schutzbe-
reich des Art. 56 EG-Vertrag deshalb eröffnet. Es findet ein Kapitalfluss zwischen
Gesellschaft und Gesellschafter im Moment der Begründung der Beteiligung statt.
Dieser Kapitalfluss wird jedenfalls dann unter den Anwendungsbereich Kapital-
verkehrsfreiheit zu subsumieren sein, wenn sich der Vorgang in erster Linie nicht als
Ausübung der Dienstleistungs- oder Warenverkehrsfreiheit darstellt. Davon ist auszu-
gehen, wenn der Kapitalfluss der Entfaltung der Geschäftstätigkeit einer Gesellschaft
dient. Der Anwendungsbereich der Kapitalverkehrsfreiheit ist mithin in den Fällen der
Hinzurechnungsbesteuerung eröffnet, wobei einschränkend gilt, dass der Vorgang
nicht als Gründung oder Leitung von Unternehmen gem. Art. 43 Abs. 2 EG-Vertrag
qualifiziert sein darf.
406 Thomas Oppermann, Europarecht, 3. Auflage, München 2005, Rdnr. 1371. 407 Mössner/Kellersmann, Freiheit des Kapitalverkehrs in der EU und das deutsche Körperschaft-
steueranrechnungsverfahren, DStZ 1999, 505 (506). 408 EuGH vom 6. 6. 2000 – Rs. C-35/98 (Verkooijen), Slg. 2000, I-4071; IStR 2000, 432; FR
2000, 720, Rdnr. 35. 409 EuGH vom 13. 4. 2000 – Rs. C-251/98 (Baars), Slg. 2000, I-2787, Rdnr. 23. 410 Die Einordnung als Einkünfte aus Kapitalvermögen ist nur relevant, wenn die Anteile nicht zu
einem Betriebsvermögen gehören; vgl. § 10 Abs. 2 Satz 2 AStG.
Kapitalverkehrsfreiheit
98
II. Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit
Eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit liegt in jeder unmittelbaren oder mit-
telbaren, aktuellen oder potenziellen Behinderung, Begrenzung oder Untersagung des
Zuflusses, Abflusses oder Durchflusses von Kapital, denen grenzüberschreitende Kapi-
talbewegungen unterliegen können.411 Von Bedeutung ist dabei, dass die Maßnahmen
dann zu einer Beschränkung führen, wenn formell oder materiell eine abweichende
Regelung Anwendung findet, falls der Kapital- oder Zahlungsverkehr grenzüber-
schreitende Komponenten aufweist.412 Dabei könnte in den Fällen der Hinzurech-
nungsbesteuerung eine Diskriminierung gegeben sein. Denn bestimmte Einkünfte von
Kapitalgesellschaften, die als Dividende von dem Gesellschafter bezogen werden
könnten, werden nach ihrer Herkunft unterschiedlich behandelt.413 Die Hinzurech-
nungsbesteuerung weist gemeinsame Merkmale mit der Besteuerung einer Dividen-
denausschüttung auf414 und benachteiligt Einkünfte, weil diese aus einem aus-
ländischen Staat stammen. Da die Besteuerung vom Kriterium des Herkunftsstaates
abhängt, liegt eine Diskriminierung vor.
Gemäß Art. 58 Abs. 1 Buchst. a EG-Vertrag berührt die Kapitalverkehrsfreiheit
nicht das Recht der Mitgliedsstaaten, die einschlägigen Vorschriften ihres Steuerrechts
anzuwenden, auf Grund derer Steuerpflichtige mit unterschiedlichem Wohnort oder
Kapitalanlageort unterschiedlich behandelt werden. Art. 58 Abs. 1 Buchst. a EGV
erlaubt den Mitgliedsstaaten, die einschlägigen Vorschriften ihres Steuerrechts anzu-
wenden. Es fragt sich, ob diese Vorschrift die Hinzurechnungsbesteuerung zulässt.
Diese Ausnahmeregelung zu Art. 56 EG-Vertrag ist im Lichte der Grundfreiheit
auszulegen.415 Dabei gilt, dass die Ausnahmeregelung eng auszulegen ist und den
411 So in Anlehnung an die „Dassonville Formel“ Geiger, EUV/EGV, Art. 56 EGV, Rdnr. 8; Mössner/Kellersmann, Freiheit des Kapitalverkehrs in der EU und das deutsche Körperschaftsteuer-anrechnungsverfahren, DStZ 1999, 505 (506) m. w. N; Wolfgang Kiemel, in: von der Gro-eben/Schwarze, Art. 56, Rdnr. 7. Die Verpflichtung der EU-Mitgliedsstaaten zur Beseitigung von Beschränkungen des Kapitalverkehrs ist in einem weitest denkbaren Sinn zu verstehen. 412 So zutreffend Kiemel, in: von der Groeben/Schwarze, Art. 56, Rdnr. 7. 413 Der Bezug zu Drittländern, der den Schutzbereich des Art. 56 EG-Vertrag auf den Kapitalver-
kehr zwischen EG-Mitgliedsstaaten und nicht EG-Mitgliedsstaaten ausdehnt, verdeutlicht, dass es sich bei Art. 56 EG-Vertrag nicht um ein bloßes Diskriminierungsverbot handelt. Vgl. auch Geiger, EUV/EGV, Art. 56 EGV, Rdnr. 6. 414 Vgl. hierzu § 10 Abs. 2 Satz 1 AStG, dazu auch Mössner, Selbständigkeit juristischer Personen
und Kapitalgesellschaften im Internationalen Steuerrecht, RIW 1986, 209 (211). 415 Schlussanträge der Generalanwältin Juliane Kokott vom 18. 3. 2004 in der Rechtssache C-
319/02 (Petri Mikael Manninen), IStR 2004, 313, Rdnr. 37.
122
123
Gemeinschaftsrecht
99
Zusammenhang zu Art. 58 Abs. 3 EGV berücksichtigen muss.416 Art. 58 Abs. 3 EG-
Vertrag schreibt vor, dass die Maßnahmen nach Art. 58 Abs. 1 EG-Vertrag keine will-
kürliche Diskriminierung oder verschleierte Beschränkung der Freiheit des Kapitalver-
kehrs bewirken dürfen. Art. 58 Abs. 1 EG-Vertrag ist nicht nur anzuwenden, wenn
eine nationale Besteuerungsregelung an objektiv unterschiedliche Besteuer-
ungsmerkmale oder an sachliche Unterschiede anknüpft, sondern auch, wenn ein für
diese Regelung rechtfertigender Grund gegeben ist.417 Die Vorschrift des Art. 58
Abs. 1 EG-Vertrag fungiert deswegen hinsichtlich des Besteuerungsvorbehaltes als
Klarstellung.418 Der Steuergesetzgeber kann insbesondere nur dann Diskriminierungen
oder Beschränkungen im Bereich des grenzüberschreitenden Kapitalverkehrs vorse-
hen, wenn er sich auf einen legitimen Grund des Allgemeininteresses berufen kann
und die Regelung in geeigneter und erforderlicher Weise auf dieses Allgemeininteres-
se reagiert. Damit ergibt sich aus Art. 58 Abs. 1 Buchst. a EG-Vertrag selbst keine
Legitimation der Hinzurechnungsbesteuerung.419
416 Vgl. EuGH vom 6. 6. 2000 – Rs. C-35/98 (Verkooijen), Slg. 2000, I-4071; IStR 2000, 432; FR
2000, 720, Rdnrn. 43 ff. Der Europäische Gerichtshof geht davon aus, dass Art. 58 Abs. 1 Buchst. a und b EG-Vertrag die Rechtsprechung des Gerichts zu den ungeschriebenen Allgemeininteressen beinhalte. 417 EuGH vom 6. 6. 2000 – Rs. C-35/98 (Verkooijen), Slg. 2000, I-4071; IStR 2000, 432; FR
2000, 720. Dazu die Anmerkungen Hahn, IStR, a.a.O., der sich in Rdnrn. 43–45 mit der sog. Steuerklausel in Art. 73d [jetzt Art. 58] EG-Vertrag auseinandersetzt, obwohl dieses Verfahren noch unter die sog. Kapitalverkehrsrichtlinie 88/361/EWG fiel und deshalb die Steuerklausel noch nicht anwendbar war. Der EuGH hat dort zu Art. 73d EG-Vertrag festgestellt, dass die den Mitgliedsstaa-ten durch diese Vorschrift eingeräumte Möglichkeit der steuerlichen Unterscheidung nach dem Wohnort der Steuerpflichtigen oder dem Kapitalanlageort von ihm bereits zuvor zugelassen worden war. Bereits vor Inkrafttreten der Vorschrift ließ es der EuGH zu, dass nationale Vorschriften mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sind, sofern sie auf Situationen angewendet wurden, die nicht objektiv vergleichbar oder durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt waren. Der EuGH selbst bezeichnete das Verbot willkürlicher Diskriminierung und verschleierter Beschrän-kung in Art. 73d Abs. 3 (jetzt Art. 58 Abs. 3) EG-Vertrag als Klarstellung. 418 Damit eröffnet die Vorschrift des Art. 58 EG-Vertrag keine zusätzlichen Möglichkeiten der
Rechtfertigung gegenüber der alten Rechtslage, sondern ist ebenfalls als Klarstellung oder als Kodifi-zierung der EuGH-Rechtsprechung zu interpretieren. Die Ausführungen in Rdnr. 72 des Urteils in der Rechtssache X und Y, die auf das Urteil EuGH vom 6. 6. 2000 – Rs. C-35/98 (Verkooijen), Slg. 2000, I-4071; IStR 2000, 432, FR 2000, 720 Bezug nehmen und die vorgebrachten Rechtferti-gungsargumente auch bei der Kapitalverkehrsfreiheit zurückweisen, belegen zudem, dass die sog. Steuerklausel in Art. 58 EG-Vertrag gegenüber den Rechtfertigungsmöglichkeiten bei der Niederlas-sungsfreiheit keine weitergehenden Rechtfertigungsmöglichkeiten bei der Kapitalverkehrsfreiheit gibt. 419 Vgl. dazu Schön, Hinzurechnungsbesteuerung und Europäisches Gemeinschaftsrecht,
DB 2001, 940 (942 f.)
Dienstleistungsfreiheit
100
C. Dienstleistungsfreiheit (Art. 49 EG-Vertrag)
Schließlich könnte auch eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit vorliegen.
Gemäß Art. 49 Abs. 1 EG-Vertrag sind Beschränkungen des freien Dienstleistungs-
verkehrs innerhalb der Gemeinschaft für Angehörige der Mitgliedstaaten, die einem
anderen Staat der Gemeinschaft als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind,
grundsätzlich verboten. Die Dienstleistungsfreiheit ergänzt die Freiheit wirtschaftlicher
Betätigung in Bezug auf die Tätigkeiten, die ohne Niederlassung in einem anderen
Mitgliedsstaat erbracht werden. In persönlicher Hinsicht gilt der Anwendungsbereich
der Dienstleistungsfreiheit für Angehörige, die in einem Mitgliedsstaat ansässig sind.
Eine ausländische Kapitalgesellschaft im Sinne von § 7 Abs. 1 AStG ist als juristische
Personen gemäß Art. 49 i. V. m. Art. 48 EG-Vertrag den natürlichen Personen
gleichgestellt. Damit ist auch für Gesellschaften, die den Tatbestand der Hinzurech-
nungsbesteuerung erfüllen, der persönliche Anwendungsbereich der Dienstleistungs-
freiheit eröffnet. Die Prüfung des sachlichen Anwendungsbereichs muss für Dienstleis-
tungen im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 5 Buchstaben a und b AStG gegeben sein. Dienst-
leistungen im Sinne des EG-Vertrages sind Leistungen, die in der Regel gegen Entgelt
erbracht werden, soweit sie nicht den Vorschriften über den freien Waren- und Kapi-
talverkehr und über die Freizügigkeit der Personen unterliegen (Art. 50 Abs. 1 EG-
Vertrag), mithin handelt es sich dabei um selbständige Erwerbstätigkeiten mit grenz-
überschreitendem Charakter.420 Dazu zählen gemäß Art. 50 Abs. 2 EG-Vertrag ge-
werbliche, kaufmännische, handwerkliche und freiberufliche Tätigkeiten. Nun ergibt
sich aus dem Wortlaut des § 8 Abs. 1 Nr. 5 AStG keine Einschränkung auf bestimmte
Dienstleistungen, so dass grundsätzlich der sachliche Anwendungsbereich der Dienst-
leistungsfreiheit gegeben ist, wenn das Außensteuergesetz für Dienstleistungen die
Hinzurechnungsbesteuerung vorsieht, weil „kein eingerichteter Gewerbebetrieb
vorhanden“ bzw. eine „Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr“ nicht
gegeben ist (§ 8 Abs. 1 Nrn. 4 –6 AStG). Der Anwendungsbereich der Dienstleis-
tungsfreiheit ist damit sowohl in persönlicher als auch in sachlicher Hinsicht eröffnet.
Eine Beeinträchtigung des Art. 49 Abs. 1 EG-Vertrag kann in einer Dis-
kriminierung oder in einer Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit bestehen. Die
Hinzurechnungsbesteuerung ist geeignet, die Ausübung der Dienstleistungsfreiheit
weniger attraktiv zu machen und knüpft an das Merkmal der ausländischen Gesell-
schaft an. Somit ist auch hier eine Diskriminierung gegeben. Allerdings könnte die
Anwendbarkeit der Dienstleistungsfreiheit daran scheitern, dass sie hinter die Nieder- 420 Vgl. auch Geiger, EUV/EGV, Art. 50 EGV, Rdnr. 1.
124
Dienstleistungsfreiheit
125
Gemeinschaftsrechtliche Rechtfertigung
101
lassungsfreiheit bzw. die Kapitalverkehrsfreiheit zurücktreten muss. Das Konkurrenz-
verhältnis ergibt sich aus Art. 50 EG-Vertrag. Danach gilt bei Vorrang einer anderen
Grundfreiheit, dass die Anwendung der Dienstleistungsfreiheit ausgeschlossen ist. Es
handelt sich also bei Art. 50 EG-Vertrag um einen „Auffangtatbestand“421. Die
Dienstleistungsfreiheit schützt jedoch Tätigkeiten, die von dem Leistenden vorüberge-
hend in dem Staat ausgeübt werden (Art. 50 Satz 3 EG-Vertrag).422 Fragt man nun, in
welchen Fällen der vorübergehend ausgeübten Tätigkeit im Sinne des § 8 Abs. 1
Nr. 5 AStG der Schutz der Dienstleistungsfreiheit eingreift, kann eine Abgrenzung
nach Natur, Zweck und Umfang der Dienstleistung und dem Tätigkeitsschwerpunkt
vorgenommen werden.423 Im Hinblick auf den Wortlaut des Art. 50 Satz 3 EG-
Vertrag wird jedoch der Zeitfaktor das bestimmende Kriterium für die Abgrenzung
zwischen den beiden Grundfreiheiten sein.424 Damit wird es auf die Dauer, Häufigkeit
und Kontinuität der von der ausländischen Gesellschaft erbrachten Leistungen an-
kommen. Somit lässt sich feststellen, dass in Fällen, in denen keine dauerhafte Erbrin-
gung von Dienstleistungen in einem anderen Mitgliedsstaat der europäischen Gemein-
schaft gegeben ist, sich sowohl der Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit als auch
der Schutzbereich der Dienstleistungsfreiheit eröffnet. Ist hingegen der Anwendungs-
bereich der Kapitalverkehrsfreiheit betroffen, kommt eine Anwendung der Dienst-
leistungsfreiheit nicht in Betracht (Art. 50 Satz 1 EG-Vertrag).
D. Rechtfertigung der Beschränkung der Grundfreiheiten
Anschließend ist zu prüfen, ob die festgestellten Beschränkungen der Niederlassungs-
freiheit, der Kapitalverkehrsfreiheit und der Dienstleistungsfreiheit gerechtfertigt sind.
Die Hinzurechnungsbesteuerung muss als beschränkende Regelung zwingenden
Gründen des Allgemeininteresses dienen und weiterhin geeignet sein, die Verwirkli-
chung des mit dem Eingriff verfolgten Ziels zu gewährleisten, und darf nicht über das
hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist.425
421 Vgl. Geiger, EUV/EGV, Art. 50 EGV, Rdnr. 1 422 Vgl. zur Abgrenzung Oppermann, Europarecht, 3. Auflage, München 2005, § 24, Rdnr. 1580. 423 Vgl. Oppermann, Europarecht, § 24, Rdnr. 1592. 424 Vgl. Winfried Kluth, in: Calliess/Ruffert, Art. 50, Rdnr. 13. 425 Vgl. EuGH vom 30. 11. 1995 – Rs. C-55/94 (Gebhard), Slg. 1995, I-4165, Rdnr. 37.
Kohärenz und Welteinkommensprinzip
Ge-meischaftsrechliche Recherti-gung
126
Kohärenz und Welteinkommensprinzip
102
I. Kohärenz und Welteinkommensprinzip
Seit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache Bachmann426 ist die
„Notwendigkeit, die Kohärenz eines Steuersystems zu wahren“ als Rechtfertigungs-
grund anerkannt. Die festgestellten Beeinträchtigungen der Grundfreiheiten des EG-
Vertrages durch die Hinzurechnungsbesteuerung könnten nach den Grundsätzen der
Kohärenz gerechtfertigt sein.
Ursprüngliche Auffassung des EuGH. Gemessen an den vom Europäischen
Gerichtshof entwickelten Grundsätzen verstößt eine Regelung nicht gegen Gemein-
schaftsrecht, die darauf abzielt, eine „kohärente“ Besteuerung sicherzustellen.427 Der
Rechtfertigungsgrund der Kohärenz wurde dementsprechend in seinen Voraussetzun-
gen dadurch bestimmt, dass sich eine belastende Regelung und steuerliche Vergünsti-
gung428 unmittelbar429 im Sinne einer „strengen Wechselbeziehung“ gegenüber-
stehen.430 Die tragenden Konzeptionsmechanismen des Rechtssystems müssen eine
Egalisierung einzelner nachteiliger und vorteilhafter Wirkungen vorzeichnen, um
letztlich eine neutrale Rechtsposition des betroffenen Steuerbürgers zu erzeugen.431
Eine Voraussetzung für die Kohärenz einer Regelung besteht mithin darin, dass ein
(zwingender) unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem Steuervorteil einerseits
und der Besteuerung andererseits besteht. In den Entscheidungen in den Rechtssachen
Verkooijen432 und Bosal433 hat der Europäische Gerichtshof weiter verlangt, dass ein
426 EuGH vom 28. 1. 1992 – Rs. C-204/90 (Bachmann), Slg. 1992, I-249. In der Rechtssache Bachmann sah der Europäische Gerichtshof zwischen der Abzugsfähigkeit von Versicherungsbeiträgen und der Besteuerung der Beträge, die von den Versicherern nach den Alters- und Todesfallversiche-rungsverträgen geschuldet wurden, einen unmittelbaren Zusammenhang, der notwendig war, um die Kohärenz der fraglichen Steuerregelung zu wahren. 427 EuGH vom 28. Januar 1992 – Rs.C-204/90 (Bachmann), Slg 1992, I-249; EuGH vom
28. 1. 1992 – Rs.C-300/90 (Kommission/Belgien), Slg. 1992, I-305; EuGH vom 14. 11. 1995 – Rs.C-484/93 (Svensson und Gustavsson), IStR 1996, 46. 428 Vgl. EuGH vom 19. 8. 2004 – Rs. C-168/01 (Manninen), Slg.I-2004, 5039, Rdnr. 42. 429 Vgl. EuGH vom 28. 1. 1992 – Rs. C-204/90 (Bachmann), Slg. 1992, I-249. 430 EuGH vom 11. 8. 1995 – Rs. C-80/93 (Wielcockx), Slg. 1995, I-2493, Rdnr. 24 f.; EuGH vom
26. 10. 1999 – Rs. C-294/97 (Eurowings), Slg. 1999, I-7447, Rdnr. 41 f., EuGH vom 6. 6. 2000 – Rs. C-35/98 (Verkooijen), Slg. 2000, I-4071; IStR 2000, 432; FR 2000, 720, Rdnr. 56; EuGH 13. 4. 2000 – Rs. C-251/98 (Baars), Slg. 2000, I-2787, Rdnr. 40; EuGH vom 12. 12. 2002 – Rs. C-324/00 (Lankhorst-Hohorst), Slg. 2002, I-1177, DStR 2003, 25, IStR 2003, 55, Rdnr. 42. 431 Vgl. ausführlich zu den Voraussetzungen Elicker, Die „steuerrechtliche Kohärenz“ in der
Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, IStR 2005, 89. 432 EuGH vom 6. 6. 2000, Rs. C-35/98 (Verkooijen), Slg. 2000, I-4071, Rdnr. 57 f., DStRE 2000,
742 433 EuGH vom 18. 9. 2003, Rs. C-251/98 (Bosal) Slg. 2003, I-9430, Rdnr. 29.
127
128
Gemeinschaftsrechtliche Rechtfertigung
103
Ausgleich zwischen Vor- und Nachteil nicht nur bei demselben Steuerpflichtigen,
sondern auch im Rahmen derselben Steuerart erfolgen müsse.
Voraussetzungen der Kohärenzbeziehung. Die Rechtfertigung unter dem
Gesichtspunkt der Kohärenz des Steuersystems verlangt also einen unmittelbaren
Zusammenhang zwischen der Gewährung eines Steuervorteils und dem Ausgleich
dieses Vorteils durch eine steuerliche Belastung.434 Der Europäische Gerichtshof war
insofern davon ausgegangen, dass Vor- und Nachteil bei ein und demselben Steuer-
pflichtigen vorliegen. Bei einer Kapitalgesellschaft und deren Gesellschafter handelt es
sich aber sowohl aus Sicht der deutschen Rechtsordnung435 als auch nach Ansicht des
Europäischen Gerichtshofs436 um verschiedene Steuerpflichtige. Für das Verhältnis zwi-
schen zwei unterschiedlichen Rechtssubjekten – wie Anteilseigner und Kapital-
gesellschaft – war der Kohärenzgedanke daher bedeutungslos.437 Eine Rechtfertigung
der Hinzurechnungsbesteuerung unter dem Gesichtspunkt der Kohärenz wäre daher
nicht in Betracht gekommen.
Die Rechtssache Manninen. Die Generalanwältin am Europäischen Gerichts-
hof Kokott vertrat in den Schlussanträgen in der Rechtssache Manninen die Auffassung,
dass das Verständnis des Anwendungsbereichs der Kohärenz zu erweitern sei, soweit
die Betroffenheit desselben Steuersubjekts vorausgesetzt werde.438 Der Kohärenzge-
danke sei dahin zu deuten, dass ein Vorteilsausgleich bei verschiedenen Steuer-
subjekten und innerhalb unterschiedlicher Steuerarten erfolgen könne, wenn Vor-
und Nachteil über den wirtschaftlich selben Vorgang zusammenhängen und wenn
durch die rechtliche Ausgestaltung des Systems gewährleistet sei, dass der Vorteil dem
434 Mit dem Argument Kohärenz gelang eine Verteidigung steuerlicher Belastungen in EuGH vom
28. 1. 1992, Rs. C-204/90 (Bachmann), Slg. 1992, I-249, Rdnr. 21 ff. und EuGH vom 28. 1. 1992, Rs. C-300/90 (Kommission/Belgien), Slg. 1992, I-305, Rdnr. 14 ff. 435 Vgl. dazu insbesondere BFH vom 9. 2. 1982 – VIII B 132/81, BStBl. II 1982, 401, BFHE 135,
303; dazu auch R. Wendt, in: Festschrift Friauf, 865 (870). 436 EuGH vom 6. 6. 2000 – Rs. C-35/98 (Verkooijen), Slg. 2000, I-4071; IStR 2000, 432; FR
2000, 720, Rdnr. 58; Dautzenberg, Anmerkung zu EuGH vom 6. 6. 2000 – Rs. C-35/98 (Verkooi-jen), Slg. 2000, I-4071, FR 2000, 728. 437 Vgl. dazu für den Fall von Mutter- und Tochtergesellschaft EuGH vom 18. 9. 2003, Rs. C-
168/01 (Bosal), Rdnr. 32. 438 Vgl. die Schlussanträge der Generalanwältin Kokott vom 18. 3. 2004, Rs. C-319/02 (Manninen),
IStR 2004, 313, Rdnr. 61.
129
130
Kohärenz und Welteinkommensprinzip
104
Steuerpflichtigen nur dann zugute komme, wenn der Nachteil bei dem anderen Steu-
erpflichtigen auch tatsächlich und in demselben Umfang eintritt.439
Der Europäische Gerichtshof ist in der Entscheidung zur Rechtssache Manninen440
der Auffassung der Generalanwältin Kokott im Grundsatz gefolgt. Der Europäische
Gerichtshof prüfte die Regelung des finnischen Steuerrechts auf ihre Vereinbarkeit
mit den Grundfreiheiten des EG-Vertrages. Diese Regelungen sahen die Anrechnung
von Körperschaftsteuer auf die Einkommensteuerschuld einer natürlichen Person vor,
um die Doppelbesteuerung der an die Aktionäre ausgeschütteten Gewinne der Gesell-
schaften zu verhindern. So wurden den in Finnland ansässigen Anteilseignern von
ebenfalls in Finnland ansässigen Kapitalgesellschaften Steuergutschriften für die geflos-
senen Ausschüttungen gewährt, die nach dem (für finnische Kapitalgesellschaften
geltenden) Körperschaftsteuersatz berechnet wurden. Lag die tatsächlich in Finnland
entrichtete Körperschaftsteuer unter dem Betrag der Steuergutschrift, wurde eine
Ergänzungssteuer in Höhe des Unterschiedsbetrags zwischen tatsächlicher und gemäß
dem Körperschaftsteuersatz vorgesehener Steuerbelastung auf Ebene der Kapitalgesell-
schaft erhoben. Das finnische Steuerrecht verweigerte dem Anteilseigner die Steuer-
gutschrift, wenn die ausschüttende Kapitalgesellschaft nicht in Finnland ansässig war.
Nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofs bestehe zwischen der Steuer-
gutschrift auf der Ebene des Anteilseigners und der „Ergänzungssteuer“ auf der Ebene
der Kapitalgesellschaft ein Zusammenhang im Sinne einer Kohärenzbeziehung, da die
Steuergutschrift nach Maßgabe der Körperschaftsteuer berechnet werde.441
Das Argument der Kohärenz rechtfertigte in der Rechtssache Manninen dennoch
nicht die Beschränkung der Niederlassungsfreiheit, da nach Auffassung des Europäi-
schen Gerichtshofs die tatsächlich in Schweden entrichteten Körperschaftsteuer auf die
Steuerschuld des finnischen Anteilseigners hätte angerechnet werden können, ohne
dass dadurch die Kohärenz des finnischen Steuersystems gefährdet sei. Das Ziel der
Vermeidung einer Doppelbelastung könne auch mit einer Maßnahme erreicht wer-
den, die weniger beschränkend wirke. So könne die Steuergutschrift auf Ebene des 439 Schlussanträge der Generalanwältin Kokott vom 18. 3. 2004 in der Rs. C-319/02 (Manninen),
IStR 2004, 313, Rdnr. 61; diese Sichtweise bestätigt auch Generalanwalt Léger in seinen Schlussan-trägen vom 14. 4. 2005, Rs. C-253/03 (CLT-UFA), IStR 2005, 379, Rdnr. 93, allerdings im Urteil nicht ausdrücklich bestätigt. Dort führt der EuGH aus, dass zwischen einer Betriebsstätte und einer Tochtergesellschaft einer ausländischen Gesellschaft kein Unterschied bestehe durch den eine höhere Besteuerung der Gewinne der Betriebsstätte gerechtfertigt sei, vgl. EuGH vom 23. 2. 2006, Rs. C-253/03 (CLT-UFA), BeckRS 2006 Nr. 70158., Rdnrn. 23 ff. und geht auf den Rechtfertigungs-grund der Kohärenz nicht ausdrücklich ein. 440 EuGH vom 19. 8. 2004 – Rs. C-168/01 (Manninen), Slg.I-2004, 5039.
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Gemeinschaftsrechtliche Rechtfertigung
105
finnischen Anteilseigners nach der im ausländischen Staat geschuldeten Körperschaft-
steuer bestimmt werden:442
„Denn im Hinblick auf das mit der finnischen Steuerregelung verfolgte Ziel bleibt die
Kohärenz des Steuersystems gewährleistet, soweit der Zusammenhang zwischen der dem
Aktionär gewährten Steuervergünstigung und der geschuldeten Körperschaftsteuer auf-
rechterhalten wird. Daher würde […] die Gewährung einer Steuergutschrift an einen in
Finnland unbeschränkt steuerpflichtigen Aktionär, der Aktien einer Gesellschaft mit Sitz in
Schweden hält, wobei diese Steuergutschrift nach Maßgabe der von dieser Gesellschaft im
letztgenannten Mitgliedstaat geschuldeten Körperschaftsteuer berechnet wird, die Kohä-
renz des finnischen Steuersystems nicht in Frage stellen und würde den freien Kapitalver-
kehr weniger beschränken als die in der finnischen Steuerregelung vorgesehene Maßnah-
me.“443
Nach diesen Begründungserwägungen ist eine Kohärenzbeziehung nicht gegeben,
wenn das Ziel, welches mit der nachteiligen Regelung verfolgt wird, sich auch durch
eine Regelung erreichen lässt, die eine vergleichsweise weniger beschränkende Wir-
kung aufweist.444 Deshalb kann die Berücksichtigung der tatsächlichen Vorbelastung bei
der Besteuerung des inländischen Anteilseigners eine weniger belastende Regelung
darstellen; dies würde auch in dem Fall gelten, dass die tatsächliche Vorbelastung
vergleichsweise gering ist.445
Erweiterung der Kohärenzkriterien. Im Schrifttum wurde im Anschluss an die
Entscheidung Manninen die Auffassung vertreten, dass der Europäische Gerichtshof
eine staatenübergreifende Saldierung von Belastungswirkungen anerkenne und die
wirtschaftliche Gesamtbelastung unter Berücksichtigung der Belastung im Ausland zu
bestimmen sei.446 Wirtschaftlich betrachtet sei die Körperschaftsteuer wie eine Voraus-
zahlung auf die Einkommensteuer anzusehen.447 Aus Kohärenzgesichtspunkten sei
eine staatenübergreifende Gesamtbelastung geboten, die sich am Steuerniveau des
Ansässigkeitsstaates des Dividendenbeziehers auszurichten habe.448 Danach könnte
441 EuGH vom 19. 8. 2004 – Rs. C-168/01 (Manninen), Slg.I-2004, 5039, Rdnr. 45. 442 EuGH vom 19. 8. 2004 – Rs. C-168/01 (Manninen), Slg.I-2004, 5039, Rdnr. 46. 443 EuGH vom 19. 8. 2004 – Rs. C-168/01 (Manninen), Slg.I-2004, 5039, Rdnr. 46. 444 EuGH vom 19. 8. 2004 – Rs. C-168/01 (Manninen), Slg.I-2004, 5039, Rdnr. 48. 445 EuGH vom 19. 8. 2004 – Rs. C-168/01 (Manninen), Slg.I-2004, 5039, Rdnr. 46. 446 Siehe dazu den Nachweis bei Lieber/Rasch, Mögliche Konsequenzen der Rechtssache „Cadbury
Schweppes“ für die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung, GmbHR 2004, 1572 (1575) m. w. N. 447 Vgl. dazu Lieber/Rasch, Mögliche Konsequenzen der Rechtssache „Cadbury Schweppes“ für die
deutsche Hinzurechnungsbesteuerung, GmbHR 2004, 1572 (1575). 448 Vgl. die Urteilsanmerkungen zur Rechtssache Maninnen von Joachim Englisch, IStR 2004, 684
(685).
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135
Kohärenz und Welteinkommensprinzip
106
auch die Hinzurechnungsbesteuerung unter Kohärenzgesichtspunkten gerechtfertigt
werden, da sie eine staatenübergreifende Gesamtbelastung von Unternehmensgewin-
nen bewirken soll.
Stellungnahme. Der Kohärenzgedanke lässt sich darauf zurückführen, dass eine
Doppelbesteuerung vermieden werden soll bzw. dass sichergestellt wird, dass ein
Sachverhalt überhaupt (einmal) besteuert wird.449 Dies folgt zum einen auch aus dem
Grundsatz, dass die Mitgliedsstaaten ihre Rechtssätze als gleichwertig anzuerkennen
haben, zum anderen erkannte der Europäische Gerichtshof in seiner Entscheidung in
der Rechtssache Manninen in der Belastung einer ausländischen Gesellschaft mit Kör-
perschaftsteuer gerade den Nachteil, dem eine Steuergutschrift auf Seiten des Anteils-
eigners als steuerliche Vergünstigung gesetzt werden sollte.450 Aus den Grundfreiheiten
des EG-Vertrages folgert der Europäische Gerichtshof das Recht, günstige rechtliche
Bedingungen in den Mitgliedsstaaten in Anspruch zu nehmen.451 Steuerminde-
reinnahmen, die einem Staat wegen der Ausnutzung des Steuergefälles entstehen,
werden deshalb von vorneherein kein zwingender Grund des Allgemeininteresses sein,
sondern stellen nur eine Verschiebung des Steuerzugriffs und einen „unvermeidbaren
Reflex“ auf die Ausübung erlaubter wirtschaftlicher Betätigung dar.452 Dies folgt aus
den Urteilen in der Rechtssache ICI und Saint Gobain:453 „Die Vermeidung von Minder-
einnahmen […] findet sich nicht unter den in Art. 56 EG-Vertrag [nach Änderung jetzt
Art. 46 EG] aufgeführten Gründen und kann nicht als zwingender Grund des Allge-
meininteresses angesehen werden, der eine mit Art. 52 EG-Vertrag [jetzt Art. 43 EG] grund-
sätzlich unvereinbare Ungleichbehandlung rechtfertigen könnte.“ Der Europäische Gerichts-
hof verlangt daher, dass alle Mitgliedsstaaten ihre Rechtssätze als gleichwertig anzuer-
kennen haben, so dass die Beeinträchtigung einer Grundfreiheit nicht mit der Be-
steuerung eines Sachverhaltes durch einen Mitgliedsstaat gerechtfertigt werden
449 Generalanwältin Kokott zum finnischen Körperschaftsteueranrechnungssystem, EuGH, Schluss-
anträge vom 18. 3. 2004 - C-319/02 (Manninen), IStR 2004, 313, Rdnr. 51. 450 EuGH vom 19. 8. 2004 – Rs. C-168/01 (Manninen), Slg.I-2004, 5039, Rdnr. 46. 451 EuGH vom 9. 12. 1999 – Rs. C-212/97 (Centros) – Slg. 1999, I-1459. 452 EuGH vom 11. 3. 2004 – Rs. C-9/02 (Hughes de Lasteyrie du Saillant), IStR 2004, 236,
Rdnr. 60. 453 EuGH vom 16. 7. 1998 – Rs. C-264/96 (ICI), Slg. 1998, 4695, Rdnr. 28; EuGH vom
21. 9. 1999 – Rs. C-307/97 (Saint Gobain), Slg. 1999, I-6161, Rdnr. 51.
136
Gemeinschaftsrechtliche Rechtfertigung
107
kann.454 Ausländische Minderbelastungen dürfen im Inland unter Kohärenz-
gesichtspunkten daher keine Berücksichtigung finden.455
Eine steuerliche Vergünstigung kann deshalb als steuermindernde Vorschrift ver-
standen werden456, z. B. indem Aufwendungen steuermindernd von der steuerlichen
Bemessungsgrundlage abgesetzt werden oder sonstige, die Steuerbelastung verringern-
de Vorschriften vorgesehen werden. Folglich ist auch die niedrige Vorbelastung (etwa
im Sinne einer „niedrigen Besteuerung“ des § 8 Abs. 3 AStG) der Gewinne aus-
ländischer Kapitalgesellschaften nicht als Vorteil in eine Kohärenzbetrachtung einzu-
beziehen.
Als Vorteil im Sinne eines Kohärenzverhältnisses kommen also nur steuerliche
Vergünstigungen in Betracht, für welche ihrerseits eine Beziehung zu einer belasten-
den Besteuerungsregelungen gegeben ist.457 Die Besteuerung eines Sachverhaltes in
einem Mitgliedsstaat stellt danach keinen Vorteil im Sinne einer Kohärenzbetrachtung
dar, selbst wenn diese gegenüber der Besteuerung im Inland vergleichsweise gering ist.
Liegen die Voraussetzungen der „niedrigen Besteuerung“ im Sinne von § 8 Abs. 3
AStG vor, stellt dies einen Nachteil im Sinne einer möglichen Kohärenzbeziehung
dar.458 Für den Fall der Hinzurechnungsbesteuerung lässt sich daher der (niedrigen)
Besteuerung eines Mitgliedsstaates, nicht die weitere, von §§ 7–14 AStG ausgehende
Belastung gegenüberstellen.
Nach den Vorschriften des deutschen Körperschaftsteuerrechts setzt die Besteuer-
ung des Gesellschafters einer Kapitalgesellschaft nach § 8b Abs. 1 KStG nicht voraus,
dass die ausgeschütteten Einkünfte tatsächlich und in „ausreichendem Maße“ der
Körperschaftsteuer unterliegen. Die rechtliche Ausgestaltung des deutschen Besteuer-
ungssystems gewährleisten insbesondere nicht, dass der nach § 8b Abs. 1 KStG ent-
stehende Vorteil der Steuerfreiheit dem Anteilseigner nur dann zugute kommt, wenn
454 EuGH vom 16. 7. 1998 – Rs. C-264/96 (ICI), Slg. 1998, 4695; IStR 1998, 467, Rdnr. 26;
EuGH vom 8. 3. 2001 – Rs. C-397/98 und C-410/98 (Metallgesellschaft ua und Höchst) – Slg. 2001, I-1727; RIW 2001, 467, Rdnr. 57. 455 Hierauf verweist Joachim Englisch in den Urteilsanmerkungen zur Entscheidung in der Rechtssa-
che „Maninnen“, IStR 2004, 684 (685). 456 Vgl. etwa § 175 Abs. 2 AO 1977. In dieser Vorschrift wird der Begriff der steuerlichen Ver-
günstigung verwendet. Dazu Koenig, in: Pahlke/Koenig, Kommentar zur Abgabenordnung, § 175 Rdnr. 67. 457 Vgl. Elicker, Die „steuerrechtliche Kohärenz“ in der Rechtsprechung des Europäischen Ge-
richtshofs, IStR 2005, 89; EuGH vom 19. 8. 2004 – Rs. C-168/01 (Manninen), Slg. I-2004, 5039, Rdnr. 41. 458 EuGH vom 19. 8. 2004 – Rs. C-168/01 (Manninen), Slg.I-2004, 5039, Rdnr. 48.
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Kohärenz und Welteinkommensprinzip
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der Nachteil bei der Körperschaft auch tatsächlich und in demselben Umfang ein-
tritt.459
Das neue Körperschaftsteuersystem kennt keinen Zusammenhang zwischen der
Steuerfreistellung und der tatsächlichen Vorbelastung mit Körperschaftsteuer.
Vielmehr wirkt in jedem Fall, in dem niedrig belastete (aktive) Einkünfte an einen
dem Halbeinkünfteverfahren unterliegenden Anteilseigner ausgeschüttet werden, die
tatsächliche Vorbelastung im Inland. Daneben lassen sich auch Fallgestaltungen nach-
weisen, in denen eine tatsächliche Vorbelastung auch bei Inlandssachverhalten nicht
vorhanden ist, etwa wenn Kapitalgesellschaften nach § 8b Abs. 2 KStG Beteiligungen
steuerfrei veräußern und diese Erträge ausschütten. Die Kohärenz des nationalen
Steuersystems könnte mit den Vorschriften über die Hinzurechnungsbesteuerung nur
gewährleistet sein, wenn niedrig besteuerte Einkünfte einer „ausreichenden Vor-
belastung“ unterliegen müssten. Unter Kohärenzgesichtspunkten wäre deshalb zu
fordern, dass der Steuerzugriff im Wege der §§ 7–14 AStG auch auf Inlandsbeteiligun-
gen erstreckt wird.460 Da dies nach derzeit geltendem Recht nicht der Fall ist, wird
eine Rechtfertigung unter Kohärenzgesichtspunkten nicht in Betracht kommen.
Fazit. In der Entscheidung Manninen hat der Europäische Gerichtshof zwar die
Perspektive für die Kohärenzbetrachtung erweitert, daraus folgt jedoch keine Recht-
fertigung der Hinzurechnungsbesteuerung. Es besteht keine strenge Wechselwirkung
zwischen den Vorschriften über die Steuerbefreiung von Dividendenbezügen und der
Besteuerung auf der Ebene der Kapitalgesellschaft. Sofern insoweit ein Zusammen-
hang bestehen könnte, beruht dieser auf einer regelmäßig erwarteten Belastungs-
wirkung. Die Belastung mit Körperschaftsteuer und die Belastungsfolge bei Anwen-
dung des Halbeinkünfteverfahrens lassen sich im Regelfall rechnerisch aufeinander
abstimmen, es besteht jedoch kein systematisch zwingender Zusammenhang zwischen
der Steuerbefreiung nach § 8b Abs. 1 KStG und der Besteuerung der Kapitalgesell-
schaft. Daher darf – jedenfalls unter Kohärenzgesichtspunkten – mit der Hinzurech-
nungsbesteuerung kein weiterer Nachteil zu der ausländischen Besteuerung hinzuge-
setzt werden, wenn das nationale Körperschaftsteuersystem das Besteuerungsniveau
anderer als „passiver“ Einkünfte nicht dem inländischen Steuerniveau angleicht. Die
festgestellte Beeinträchtigung der genannten Grundfreiheiten ist danach unter Kohä-
renzgesichtspunkten nicht gerechtfertigt. Dies würde selbst gelten, wenn durch die
Hinzurechnungsbesteuerung eine rechnerisch exakte Belastung aus der Gegen- 459 Generalanwältin Kokott zum finnischen Körperschaftsteueranrechnungssystem, EuGH, Schluss-
anträge vom 18. 3. 2004 – Rs. C-319/02 (Manninen), IStR 2004, 313, Rdnr. 61.
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Gemeinschaftsrechtliche Rechtfertigung
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überstellung von niedriger Vorbelastung und Ausgleich dieser Vorbelastung entstehen
würde, da schon die zeitlich vorgezogene Besteuerung des Anteilseigners nach Ablauf
des für die Körperschaft maßgeblichen Wirtschaftsjahres eine beschränkende Wirkung
aufweist, ist demgegenüber kein kompensierender Vorteil vorhanden.461
Bedeutung des Welteinkommensprinzips. Allerdings ist noch zu prüfen, ob
die Sicherung des Welteinkommensprinzips vorliegend eine Rechtfertigung ermöglicht.462
In § 2 Abs. 1 EStG ist das Welteinkommensprinzip einfachgesetzlich geregelt. Es
besagt, dass jede unbeschränkt steuerpflichtige Person mit allen von ihr erzielten Ein-
künften der inländischen Einkommensteuer oder gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG der
Körperschaftsteuer unterliegt.463 Der Europäische Gerichtshof erkennt das Weltein-
kommensprinzip an.464 Es ist deshalb zu überlegen, ob das Prinzip der Besteuerung des
Welteinkommens (d.h. der inländische Steuerzugriff auf im Ausland erwirtschaftete
Einkommensteile) auch eine steuerliche Gleichbehandlung von Auslands- und In-
landsinvestition für die Fälle der Hinzurechnungsbesteuerung bewirken könnte.465
Der Europäische Gerichtshof betont in ständiger Rechtsprechung, dass die direk-
ten „Steuern zwar in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallen, dass diese ihre
Befugnisse jedoch unter Wahrung des Gemeinschaftsrechts ausüben müssen“.466 Es
stellt sich also nicht die Frage, ob etwa an Stelle eines Anrechnungsverfahrens ein
Halbeinkünfteverfahren treten kann, oder ob bestimmte Besteuerungsprinzipien wie
das Welteinkommensprinzip etabliert werden. Vielmehr darf der inländische Gesetz-
geber innerhalb der gewählten Systematik Sachverhalte mit Bezug zu anderen Mit-
gliedsstaaten nicht schlechter behandeln als er dies für Inlandssachverhalte vorsieht.
Diese Zweifel ergeben sich zum einen daraus, dass ein von einem einzelnen Mitglieds-
staat beanspruchtes Rechtsprinzip grundsätzlich nur bedingt geltend gemacht werden
kann, um Beeinträchtigungen der Europäischen Grundfreiheiten zu rechtfertigen. Im
Fall des in § 2 Abs. 1 Satz 1 EStG normativ verankerten Welteinkommensprinzips
folgt aus dem Wortlaut der Norm, dass der Einkommensteuer alle – in § 2 Abs. 1
Satz 1 Nrn. 1–7 EStG enumerativ aufgezählten – Einkünfte unterliegen, die ein unbe-
schränkt (Einkommen-) Steuerpflichtiger erzielt. Als nationales Besteuerungsprinzip
460 So zutreffend: M. Lang, Wohin geht das Internationale Steuerrecht? IStR 2005, 289 (291). 461 Vgl. die Urteilsanmerkungen zur Rechtssache Maninnen von J. Englisch, IStR 2004, 684 (685). 462 Schön, Hinzurechnungsbesteuerung und Europäisches Gemeinschaftsrecht, DB 2001, 940 ff. 463 Vgl. dazu J. Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 4 Rdnr. 32. 464 EuGH vom 16. 5. 2000 – Rs. C-87/99 (Zurstrassen), Slg. 2000, 3337, Rdnr. 21. 465 Schön, Hinzurechnungsbesteuerung und Europäisches Gemeinschaftsrecht, DB 2001, 940 (946). 466 Vgl etwa EuGH vom 11. 8. 1995, Rs. C-80/94 (Wielockx), Slg. 1995, I-2493, Rz. 16.
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Kohärenz und Welteinkommensprinzip
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erfüllt das Welteinkommensprinzip auch in Fällen der Hinzurechnungsbesteuerung
seinen Sinn, wenn die ausländische Gesellschaft ihre passiven Einkünfte ausschüttet
und der Steuerpflichtige entsprechende Einkünfte erzielt. Die Konsequenz, nach der
das Welteinkommensprinzip auch solche Einkünfte der inländischen Besteuerung
zuzuführen vermag, die vom Steuerpflichtigen – wie im Fall der Hinzurechnungsbe-
steuerung – schon nicht erzielt wurden, erscheint deshalb zweifelhaft.467
Zum anderen wurde gegen diesen Rechtfertigungsansatz geltend gemacht, dass ei-
ne Rechtfertigung nur in Betracht komme, wenn der Gesetzgeber auf Gewinne
ausländischer Gesellschaften zugreife und dies in jedem Fall vorgesehen sei, da sonst
etwa auch eine Thesaurierung von aktiven, niedrig besteuerten Einkünften das Welt-
einkommensprinzip gefährde.468 Da dies für die Hinzurechnungsbesteuerung nicht
zutrifft, wird sich insofern keine Rechtfertigung ergeben.
Das deutsche Körperschaftsteuerrecht folgt den zivilrechtlichen Gestaltungen und
besteuere die Dividenden erst bei Ausschüttung.469 Hieraus könnten sich Zugriffshin-
dernisse ergeben, wenn ein Steuerpflichtiger nicht ohne weiteres auf das Einkommen
der ausländischen Gesellschaft zugreifen könne. Ein Zugriff sei nur möglich, wenn der
inländische Anteilseigner über die Stimmenmehrheit an der Gesellschaft verfüge.
Danach sei insbesondere das Kriterium der „deutsch-Beherrschung“, das heißt eine
zufällige Mehrheit unverbundener inländischer Anteilseigner, wie sie in § 7 Abs. 1
AStG vorausgesetzt werde, gemeinschaftsrechtlich nicht haltbar. Denn dann werden
Einkommensteile bei Minderheitsgesellschaftern erfasst, denen es rechtlich unmöglich
ist, die im Wege der Hinzurechnungsbesteuerung erfassten Einkommensteile an sich
ausschütten zu lassen.
Aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs – insbesondere in den
Entscheidungen in den Rechtssachen Verkooijen, Überseering, Centros und Inspire Art –
wird deutlich, dass die in einem Mitgliedsstaat errichteten Gesellschaften umfassend
durch die Grundfreiheiten des EG-Vertrages geschützt sind. Der Unionsbürger kann
darauf vertrauen, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen des Mitgliedsstaates gelten,
in dem die Gesellschaft wirksam errichtet wurde. Denn sonst würde das Bin-
nenmarktkonzept geradezu konterkariert: Es kann kein Wettbewerb stattfinden, wenn
ein Mitgliedsstaat seine steuerlichen Rahmenbedingungen mittelbar zur Geltung
bringen darf, nur weil er ein nationales Besteuerungsprinzip verletzt sieht. Sonst wäre
467 Vgl. dazu Morgenthaler, Steueroasen und Hinzurechnungsbesteuerung, IStR 2000, 289 ff. 468 Vgl. M. Lang, CFC-Regelungen und Gemeinschaftsrecht, IStR 2002, 217 (221) 469 Vgl. Schön, Hinzurechnungsbesteuerung und Europäisches Gemeinschaftsrecht, DB 2001, 940
(946).
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Gemeinschaftsrechtliche Rechtfertigung
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es auch möglich, dass andere Mitgliedsstaaten das Konzept der deutschen Unterneh-
mensbesteuerung – mit dem der Gesetzgeber sich eine Verbesserung der Investitions-
tätigkeit verspricht – nicht anerkennen und dessen Wirkungen mit steuerlichen Vor-
schriften neutralisieren. Richtigerweise wird man das Welteinkommensprinzip als
Mittel ansehen müssen, welches auf eine effektive Besteuerung ausgerichtet ist. Wenn
aber dieses Prinzip an seine Grenze stößt – wie etwa im Falle der Investitionstätigkeit
von ausländischen Kapitalgesellschaften – muss bezweifelt werden, dass sich auf
Grundlage des Welteinkommensprinzips der Schutzbereich des EG-Vertrages vorsätz-
lich einengen lässt. Deshalb kommt eine Rechtfertigung unter diesem Gesichtspunkt
nicht in Frage.
Es ist zudem fraglich, ob die „kapitalexportneutrale Besteuerung“ – wie sie in der
Hinzurechnungsbesteuerung intendiert sein soll – sich durch die Erkenntnis rechtferti-
gen lässt, dass aus dem Gemeinschaftsrecht einerseits ein bedingtes Gebot für einen
Wettbewerb der Steuersysteme folge, andererseits das Gemeinschaftsrecht aber nur
unzureichende Instrumentarien bereithalte, um schädliche Wettbewerbshandlungen
auszuschalten.470 Der EG-Vertrag ermöglicht die Ausnutzung der größtmöglichen
Freiheit bei wirtschaftlicher Betätigung.471 Eine Beschränkung der gemeinschaftsrecht-
lich verbürgten Grundfreiheiten kann indes dogmatisch nicht auf die Überlegung
gestützt werden, dass der Wirkungsbereich einer Grundfreiheit – ohne die Beschrän-
kung – ineffektiv begrenzt wäre. Die Idee einer „sich aus sich heraus beschränkten
Grundfreiheit“ ist dem Gemeinschaftsrecht fremd. Dem Argument, dass Instrumenta-
rien zur Vereitelung steuerlicher Fehlentwicklungen nicht vorhanden seien, lässt sich
des Weiteren entgegenhalten, dass der Europäische Gerichtshof in seiner Rechtspre-
chung zu den direkten Steuern den Rechtfertigungsgrund der speziellen Missbrauchs-
abwehr betont.472 Genau dieser Rechtfertigungsgrund könnte den Ausgleich zwischen
größtmöglicher Wettbewerbsfreiheit in der Europäischen Gemeinschaft und Sanktion
rein missbräuchlichen Verhaltens ermöglichen.
470 Diesen Ansatz vertritt Schönfeld, Hinzurechnungsbesteuerung zwischen Steuerwettbewerb und
europäischen Grundfreiheiten, StuW 2005, 158. 471 Vgl. EuGH vom 9. 12. 1999 – Rs. C-212/97 (Centros), Slg. 1999, I-1459, Rdnr. 24: „Damit
kann es für sich allein keine missbräuchliche Ausnutzung des Niederlassungsrechts darstellen, wenn ein Staatsangehöriger eines Mitgliedsstaats, der eine Gesellschaft gründen möchte, diese in dem Mitgliedsstaat errichtet, dessen gesellschaftsrechtliche Vorschriften ihm die größte Freiheit lassen und in anderen Mitgliedsstaaten Zweigniederlassungen gründet. Das Recht, eine Gesellschaft nach dem Recht eines Mitgliedsstaats zu errichten und in anderen Mitgliedsstaaten Zweigniederlassungen zu gründen, folgt nämlich im Binnenmarkt unmittelbar aus der vom EG-Vertrag gewährleisteten Niederlassungsfreiheit.“ 472 EuGH vom 16. 7. 1998 – Rs. C-264/96 (ICI), Slg. 1998, I-4695, Rdnr. 26.
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Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten
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II. Vermeidung von steuerlichen Fehlentwicklungen
Der deutsche Gesetzgeber stufte seine Maßnahmen gegen die „deutsch beherrschten“
Kapitalgesellschaften als Instrument zur Bekämpfung von Missbräuchen ein.473 Die
Missbrauchsbekämpfung – konkret: die Bekämpfung der Steuerflucht sowie der Steu-
erhinterziehung – kann einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses darstellen,
der vom Europäischen Gerichtshof als mögliche Rechtfertigung anerkannt wird. Eine
solche Wirkung kommt einer Vorschrift zu, wenn der Gesetzgeber den Zweck ver-
folgt, Zuwiderhandlungen gegen innerstaatliche Rechts- und Verwaltungsvorschrif-
ten, insbesondere auf dem Gebiet des Steuerrechts, zu verhindern.474 Hier könnte man
erwägen, dass mit den §§ 7–14 AStG eine Maßnahme gegen rein formale Verlagerun-
gen steuerlich-relevanter Sachverhalte getroffen wurde und somit der Schutz vor
Steuerumgehungen bezweckt wird. Erkennt man einen grundsätzlich tragfähigen
Rechtfertigungsansatz, muss es sich bei der Hinzurechnungsbesteuerung auch um eine
geeignete Maßnahme handeln.475
Änderung des Missbrauchsbegriffs. In dem Verfahren in der Rechtssache
Cadbury/Schweppes wurde argumentiert, dass ein Missbrauch in Fällen der Verlagerung
von passiven Einkunftsquellen vorliegen könne. Wenn Einkunftsquellen in niedrig be-
steuernde Mitgliedsstaaten verlagert werden, während Produktionsbetriebe die Vortei-
le des Standorts hoch besteuernder Mitgliedsstaaten ausnutzen, könne sich die Verla-
gerung von Einkunftsquellen danach als missbräuchlich darstellen, falls die Gesellschaft
nicht über eine „gewisse wirtschaftliche Substanz“ verfüge.476 Aufgrund der
Unterschiede zwischen den in den in den Mitgliedsstaaten geltenden Steuersätzen sei
für bestimmte Erwerbstätigkeiten eine Steuerumgehung zu vermuten.
473 Vgl. bereits den „Bericht der Bundesregierung an den Deutschen Bundestag über die Wettbe-
werbsverfälschungen, die sich aus Sitzverlagerungen und aus dem zwischenstaatlichen Steuergefälle ergeben können“ (Oasenbericht) vom 23. 6. 1964, Bundestags-Drucksache IV/2412, Abschnitt II, Bundestags-Drucksache 12/1506, 350. 474 Vgl. Hahn, Die Vereinbarkeit von Normen des deutschen internationalen Steuerrechts mit EG-
Recht, IFSt-Schrift Nr. 378. 475 Die nationale gesetzliche Regelung muss zur Erreichung des intendierten Ziels auch geeignet
sein. Dies ist eine selbstverständliche Bedingung, als ansonsten für jede Regelung ein legitimes gesetzgeberisches Ziel als Rechtfertigungsgrund vorgeschoben werden könnte, auch wenn diese Regelung gar nichts mit dieser legitimen Zielsetzung zu tun hat, sondern hauptsächlich einem anderen Ziel dient; vgl. auch EuGH vom 11. 3. 2004 – Rs. C-9/02 (Hughes de Lasteyrie du Saillant), IStR 2004, 236, Rdnr. 51. 476 So wohl die von den meisten Mitgliedsstaaten im Verfahren Cadbury/Schwepps verfolgte
Argumentationslinie, siehe dazu: Rödder/Schönfeld, Mündliche Verhandlung vor dem EuGH in der Rechtssache „Cadbury Schweppes“: Wird sich der Missbrauchsbegriff des EuGH verändern? IStR 2006, 49 (50).
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Missbrauch von Gestaltungsmöglich-
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Gemeinschaftsrechtliche Rechtfertigung
113
Stellungnahme. Der Europäische Gerichtshof geht in seiner Rechtsprechung
bisher davon aus, dass an die zielgenaue Anwendung von Missbrauchsvorschriften
strenge Voraussetzungen zu knüpfen sind. Eine Rechtsnorm ist danach nur zur
Rechtfertigung einer Beschränkung im Bereich der Grundfreiheiten des EG-Vertrages
geeignet, wenn sie speziell bezweckt, rein künstliche Konstruktionen, die auf eine
Umgehung des Steuerrechts gerichtet sind, von einem Steuervorteil auszuschließen.477
Eine Rechtfertigung kann nach diesen Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs nur
dann in Betracht kommen, wenn rein künstliche Konstruktionen unterbunden wer-
den sollen.478 Typisierende Missbrauchsbekämpfungsvorschriften, die generell jede als
missbräuchlich eingestufte Situation erfassen, sind danach unzulässig.479 Darüber hinaus
vertritt der Europäische Gerichtshof die Auffassung, dass eine Steuerumgehung nicht
gegeben sei, wenn eine Gesellschaft dem Steuerrecht des Niederlassungsstaats unterlie-
ge.480 Nach diesen Grundsätzen ist zu prüfen, ob die Hinzurechnungsbesteuerung
speziell nur „rein künstliche Konstruktionen“ erfasst, oder ob allgemein ausländische
Gesellschaften mit Nachteilen belegt werden.481 Diese Grundsätze wurden vom Gene-
ralanwalt Léger in den Schlussanträgen in der Rechtssache Cadbury präzisiert, danach
ist die Frage eines Missbrauchs in einer Einzelfallprüfung zu beurteilen, die auf be-
stimmte Fälle beschränkt werden kann.482
Würde man annehmen, dass die allgemeine Vermutung eines Missbrauchs in Fäl-
len zulässig wäre, in denen die Kapitalgesellschaft nicht über eine „gewisse wirtschaft-
liche Substanz“ verfüge, könnte die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung dennoch
nicht mit dem Missbrauchsargument gerechtfertigt werden. Die Hinzurechnungsbe-
steuerung unterwirft „Einkünfte“ der Zwischengesellschaft der Besteuerung auf der
Ebene des Anteilseigners (§ 7 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Satz 1 AStG). Es kommt im Gel-
tungsbereich der §§ 7–14 AStG dabei nicht darauf an, ob eine Zwischengesellschaft 477 EuGH vom 16. 7. 1998 – Rs. C-264/96 (ICI), Slg. 1998, I-4695, Rdnr. 26. Das Gericht führte
hierzu aus:„Zu der auf die Gefahr einer Steuerumgehung gestützten Rechtfertigung genügt die Feststellung, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Rechtsvorschriften nicht speziell bezwecken, rein künstliche Konstruktionen, die auf eine Umgehung des Steuerrechts des Vereinig-ten Königreichs gerichtet sind, von einem Steuervorteil auszuschließen, sondern generell jede Situation erfassen, in der die Mehrzahl der Tochtergesellschaften eines Konzerns ihren Sitz, aus welchen Gründen auch immer, außerhalb des Vereinigten Königreichs hat.“ 478 Vgl. auch EuGH vom 16. 7. 1998 – Rs. C-264/96 (ICI) – Slg. 1998, I-4695; EuGH vom
12. 12. 2002 – Rs. C-324/00 (Lankhorst-Hohorst), Slg. 2002, I-1177, Rdnr. 37. 479 Hahn, Das ICI-Urteil des EuGH und die Hinzurechnungsbesteuerung gemäß §§ 7 ff. AStG,
IStR 1999, 612 ff.; M. Lang, CFC-Gesetzgebung und Gemeinschaftsrecht, IStR 2002, 217 (220). 480 Vgl. EuGH vom 21. 11. 2002, Rs. C-436/00 (X und Y), IStR 2003, 23. 481 Vgl. EuGH vom 16.7. 1998 – Rs. C-264/96 (ICI), Slg. 1998, I-4695, Rdnr. 26.
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Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten
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ausschließlich passive Einkünfte erzielt. Die Hinzurechnungsbesteuerung erfasst passive
Einkünfte auch in Fällen, in denen eine ansonsten aktiv tätige, mit wirtschaftlicher
Substanz ausgestattete Gesellschaft auch passive, niedrig besteuerte Einkünfte erzielt.
Schon danach lässt sich feststellen, dass die §§ 7–14 AStG nicht nur „rein künstliche
Konstruktionen“ sanktionieren sondern allein an das Vorliegen passiver Einkünfte
anknüpfen. Selbst wenn man den Missbrauchsbegriff in dem Sinne auffassen würde,
dass die Vermutung eines Missbrauchs in bestimmten Fällen anzuerkennen ist, wäre
die von der deutschen Hinzurechnungsbesteuerung ausgelöste Beschränkung nicht zu
rechtfertigen, da von diesen Vorschriften auch Fälle erfasst werden, in denen eine
(überwiegend aktive Einkünfte erzielende) Kapitalgesellschaft wirtschaftliche Substanz
aufweist. Dies gilt umso mehr, als dem Betroffenen nach der Konzeption der Hinzu-
rechnungsbesteuerung keinerlei rechtliche Möglichkeiten zuerkannt werden, um
einen Entlastungsbeweis zu führen.
Die im Hinblick auf das Verfahren Cadbury/Schweppes erörterte Erweiterung des
Missbrauchsbegriff ist indes kritisch zu würdigen: Dem Entwicklungsgebot für den
Binnenmarkt aus Art. 14 EG-Vertrag lässt sich entnehmen, dass dessen Entwicklung
nicht „um jeden Preis“, sondern insbesondere (im Interesse aller Unionsbürger)
„schrittweise“483 erfolgen soll. Um eine umfassende, aber auch vernünftige und ge-
meinwohlverträgliche Umsetzung der Ziele des EG-Vertrages zu erreichen, werden
die Unionsbürger – so Art. 17 EG-Vertrag – im Geltungsbereich des EG-Vertrages
nicht nur „berechtigt“, sondern auch „verpflichtet“. Den Mitgliedsstaaten kann es
deshalb nicht verwehrt sein, Korrektive der Grundfreiheiten auszubilden, so dass der
nationale Gesetzgeber auch grundsätzlich auf Missbrauch im Bereich des Steuerrechts
reagieren kann. Für den hier interessierenden Zusammenhang gilt daher: Die Prüfung,
ob ein spezieller Missbrauchstatbestand gegeben ist, muss die individuellen Interessen
der Unionsbürger im Lichte der Ziele des EG-Vertrages gegenüber dem Interesse an
einer vernünftigen Entwicklung abwägen. Dem entspricht es, den Missbrauchsbegriff
so auszulegen, dass die größtmögliche Freiheit für den Marktzugang entsteht, gleich-
zeitig aber der Unionsbürger auf einen fairen Wettbewerb vertrauen kann. Insbe-
sondere muss das Vertrauen geschützt sein, dass in Fällen echten Missbrauchs ein
Vorteil anderer Marktteilnehmer unterbunden ist. Ob ein Missbauch vorliegt, ist
482 Schlussanträge des Generalanwalts Philippe Léger vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury). 483 Vgl. dazu den Wortlaut des Art. 14 Abs. 1 EG-Vertrag, dort am Ende der Vorschrift.
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Gemeinschaftsrechtliche Rechtfertigung
115
daher aufgrund objektiver Kriterien nachzuweisen, wobei die Ziele des EG-Vertrages
beachtet werden müssen.484
Der Europäische Gerichtshof hat strenge Maßstäbe bei der Prüfung des Miss-
brauchstatbestands angelegt. In der Entscheidung in der Rechtssache Hughes de Lastey-
rie.485 wurde der Missbrauchsbegriff konkretisiert. In dem zugrunde liegenden Sach-
verhalt hatte ein französischer Steuerpflichtiger seinen Wohnsitz aus Frankreich weg-
verlagert, in Folge des Wegzugs konnten stille Reserven etwa aus Aktienbesitz nicht
in Frankreich besteuert werden.486 Der Gerichtshof stellte fest, dass eine Missbrauchs-
verhinderungsvorschrift speziell darauf abzielen muss, die zur Umgehung geschaffenen
Sachverhalte von einer Steuervergünstigung auszunehmen.487 Erfasst eine Vorschrift
aber allgemein nur Fälle, die auf einer allgemeinen Vermutung von Steuerflucht oder
Steuerhinterziehung beruhen, kommt eine Rechtfertigung nicht in Betracht. Die
Finanzbehörden des betroffenen Mitgliedstaats müssen deshalb im Einzelfall den
Nachweis führen, dass die Gefahr der Steuerumgehung besteht. Eine Missbrauchsbe-
stimmung ist mithin zulässig, wenn das tatsächliche Vorliegen einer Hinterziehung
oder einer Steuerumgehung im Einzelfall von der Finanzbehörde nachzuweisen ist.488
Die Identifizierung eines echten Missbrauchs ist danach nicht pauschal, sondern
nur anhand individueller Gegebenheiten vorzunehmen. Dann ist auch mit Sicherheit
gewährleistet, dass ein den Wettbewerb verzerrender Vorteil nicht entsteht. Es ent-
spricht daher der Zielsetzung des EG-Vertrages, die Unterscheidung zwischen allge-
meinen und speziellen Missbrauchslagen einer im Einzelfall gegebenen Missbrauchs-
lage vorzunehmen. Ein Missbrauch ist mithin gegeben, wenn eine Vorschrift eine
Einzelfallprüfung in den missbrauchsverdächtigen Fällen vorsieht.489 Nun kann vorlie-
gend keine Rede davon sein, dass sich die Hinzurechnungsbesteuerung gegen spezielle
484 EuGH vom 9. 12. 1999 – Rs. C-212/97 (Centros), Slg. 1999, 1459, Rdnr. 25: „Zwar können
die nationalen Gerichte unter solchen Umständen im Einzelfall das missbräuchliche oder betrügeri-sche Verhalten der Betroffenen auf der Grundlage objektiver Kriterien in Rechnung stellen, um ihnen ggf. die Berufung auf das einschlägige Gemeinschaftsrecht zu verwehren; sie haben jedoch bei der Würdigung eines solchen Verhaltens die Ziele der fraglichen Bestimmungen zu beachten.“ 485 EuGH vom 11. 3. 2004 – Rs. C-9/02 (Hughes de Lasteyrie du Saillant), IStR 2004, 236. 486 Vgl. EuGH vom 11. 3. 2004 – Rs. C-9/02 (Hughes de Lasteyrie du Saillant), IStR 2004, 236,
Rdnr. 54. 487 Vgl. EuGH vom 11. 3. 2004 – Rs. C-9/02 (Hughes de Lasteyrie du Saillant), IStR 2004, 236,
Rdnr. 50. 488 So zutreffend Clemens Schindler, Hughes de Lasteyrie du Saillant als Ende der (deutschen) Weg-
zugsbesteuerung? IStR 2004, 300 (303). 489 EuGH vom 17. 7. 1997 – Rs. C-28/95 (Leur-Bloem), Slg. 1997, I-4161, Rdnrn. 35 ff.; EuGH
vom 12. 12. 2002 – Rs. C-324/00 (Lankhorst-Hohorst), Slg 2002, I-1177, DStR 2003, 25, IStR 2003, 55, Rdnr. 62.
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Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten
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Missbrauchsfälle wendet, da sich eine Regelung über eine Einzelfallprüfung in keiner
der Vorschriften der §§ 7–14 AStG nachweisen lässt. Die Finanzbehörde hat nicht zu
prüfen, ob tatsächlich ein Missbrauch stattfindet. Es wird vielmehr generell jede Situa-
tion erfasst, unabhängig davon, ob tatsächlich ein Missbrauch vorliegt. Dem betroffe-
nen Steuerpflichtigen ist es darüber hinaus nicht erlaubt, mit einem „Entlastungs-
beweis“ (escape clause) darzulegen, dass ein Fall des Missbrauchs nicht gegeben ist. Die
Hinzurechnungsbesteuerung erfüllt indes die Voraussetzungen nicht, die eine Recht-
fertigung unter dem Aspekt des steuerlichen Missbrauchs voraussetzt. Die Hinzurech-
nungsbesteuerung stellt weder eine spezielle Missbrauchsvorschrift dar, noch erfasst sie
allein künstliche Konstruktionen, in denen eine „gewisse wirtschaftliche Substanz“
nicht nachweisbar ist. Eine Rechtfertigung für die Beeinträchtigung der Grundfreihei-
ten scheidet mithin schon aus diesem Grunde aus.
Ob die Hinzurechnungsbesteuerung als Missbrauchsvorschrift gerechtfertigt wer-
den kann, darf folglich nicht nach subjektiven Vorstellungen des nationalen Gesetzge-
bers geprüft werden. Die Zielsetzung des EG-Vertrages gebietet vielmehr, die Wir-
kungsweise von Regelungen objektiv zu erklären und nachvollziehbar zu machen. Es
muss folglich anhand objektiver und tatsächlicher Umstände erklärbar sein, warum in
vergleichbaren Fallgruppen – das hieße konkret in Fallgruppen, in denen die Voraus-
setzungen der Hinzurechnungsbesteuerung nicht vorliegen – eine Steuerumgehung
ausgeschlossen werden kann.490
Einen Prüfungsmaßstab lässt sich den Begründungserwägungen entnehmen, die
der Europäische Gerichtshof bei der Entscheidung in der Rechtssache X und Y gege-
ben hat. In diesem Verfahren waren zwei (anonymisierte491) in Schweden ansässige
natürliche Personen an einer schwedischen Kapitalgesellschaft beteiligt. Diese Be-
490 EuGH vom 21. 11. 2002 – Rs. C-436/00 (X und Y), Slg. 2002, I-10829, Rdnr. 63: „Die Maß-
nahme des Königreichs Schweden ist jedenfalls nicht geeignet, ihren angegebenen Zweck zu errei-chen, nämlich Gewinne aus übertragenen Aktien beim Übertragenden, besonders im Fall einer Übertragung vor dessen endgültigem Umzug in das Ausland, in Schweden tatsächlich zu besteuern. Bei der Übertragung von Aktien des Typs C kommt dem Übertragenden auf jeden Fall für die aus den übertragenen Aktien erzielten Gewinne der Steueraufschub zugute. Auf eine Frage des Ge-richtshofes konnte die schwedische Regierung jedoch nicht darlegen, dass dieser Übertragungstyp durch objektive tatsächliche Unterschiede gekennzeichnet wäre, aus denen sich ergeben würde, dass der endgültige Umzug des Übertragenden in das Ausland für dessen Besteuerung in Schweden ein grundsätzlich anderes potenzielles Risiko bedeutet als Übertragungen von Aktien der Typen A und B.“ 491 Das schwedische Steuerrecht eröffnet die Möglichkeit, Rechtsfragen vorab durch einen Vorbe-
scheid verbindlich klären zu lassen. Um das Steuergeheimnis zu wahren, werden die Personen, die eine Rechtsfrage vorlegen, anonym behandelt. So erklärt sich, dass die Verfahrensbeteiligten mit „X“ und „Y“ bezeichnet wurden.
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Gemeinschaftsrechtliche Rechtfertigung
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teiligungen sollten auf eine andere schwedische Kapitalgesellschaft übertragen werden,
an welcher die übertragenden Personen mittelbar über eine belgische Gesellschaft
beteiligt waren. Der Übertragungsvorgang führte nach schwedischem Recht zur Be-
steuerung der nicht realisierten stillen Reserven, die für die Beteiligung entstanden
waren. In dem Verfahren in der Rechtssache X und Y wurde zur Rechtfertigung der
schwedischen Vorschrift geltend gemacht, dass die stillen Reserven steuerlich zu
erfassen seien, da nach einem Wegzug des Steuerpflichtigen insoweit die Besteuerung
gefährdet sei.492 Der Europäische Gerichtshof sah diese Regelung als gemeinschafts-
rechtswidrig an und versagte insbesondere die Rechtfertigung aus Gründen der „wirk-
samen steuerlichen Kontrolle“. Das Gericht ging dabei so vor, dass zunächst drei
Übertragungsvorgänge analysiert wurden: Als Typ A wurden Übertragungen von
Gesellschaftsanteilen bezeichnet, bei welchen die Anteile aus Schweden auf eine
Gesellschaft übertragen wurden, deren Sitz sich in einem anderen Mitgliedsstaat befin-
det. Typ B war der für die Entscheidung in der Rechtssache „X und Y“ relevante Fall,
also die Übertragung der Beteiligung auf eine inländische Gesellschaft, die von einer
ausländischen Gesellschaft beherrscht wird. Schließlich war die Übertragung nach Typ
C ein Sachverhalt ohne jeglichen Auslandsbezug. Der Gerichtshof führte aus, dass die
„Geeignetheit“ einer Regelung nicht allein danach bestimmt werde, ob mit dieser
Regelung selbst das Ziel der Vermeidung von Steuerumgehungen erreicht werde.493
Es müsse anhand objektiver und tatsächlicher Umstände erklärbar sein, warum in einer
vergleichbaren Fallgruppe – die nicht der gesetzlichen Regelung unterliege – die
Zielsetzung der fraglichen Regelung nicht verwirklicht sei. Wörtlich führte der Ge-
richtshof aus:
„Die Maßnahme des Königreichs Schweden ist jedenfalls nicht geeignet, ihren angegebe-
nen Zweck zu erreichen, nämlich Gewinne aus übertragenen Aktien beim Übertra-
genden, besonders im Fall einer Übertragung vor dessen endgültigem Umzug in das Aus-
land, in Schweden tatsächlich zu besteuern. Bei der Übertragung von Aktien des Typs C
kommt dem Übertragenden auf jeden Fall für die aus den übertragenen Aktien erzielten
Gewinne der Steueraufschub zugute. Auf eine Frage des Gerichtshofes konnte die schwe-
dische Regierung jedoch nicht darlegen, dass dieser Übertragungstyp durch objektive tat-
sächliche Unterschiede gekennzeichnet wäre, aus denen sich ergeben würde, dass der end-
gültige Umzug des Übertragenden in das Ausland für dessen Besteuerung in Schweden ein
grundsätzlich anderes potenzielles Risiko bedeutet als Übertragungen von Aktien der Ty-
492 EuGH vom 21. 11. 2002 – Rs. C-436/00 (X und Y), EuGHE I 2002, 10829–10874, IStR
2003, 23, FR 2003, 84, Rdnrn. 17 und 47. 493 EuGH vom 21. 11. 2002 – Rs. C-436/00 (X und Y) EuGHE I 2002, 10829, IStR 2003, 23,
FR 2003, 84, Rdnr. 63.
157
Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten
118
pen A und B.“494 Der Europäische Gerichtshof löst den in der Rechtssache X und Y ge-
gebenen Fall, indem er darauf hinweist, dass die Besteuerung der stillen Reserven auch ge-
fährdet sei bzw. gefährdet sein könne, wenn der Steuerpflichtige nach einer reinen In-
landsübertragung (in der Entscheidung bezeichnet als: Typ C) seinen Wohnsitz ins Aus-
land verlege. Die Geeignetheit der angefochtenen schwedischen Regelung wurde deshalb
nicht anerkannt.
Danach muss sich anhand von tatsächlichen und objektiven Unterschieden er-
geben, dass in den von der Regelung erfassten Lebenssachverhalten ein grundsätzlich
anderes potenzielles Risiko besteht, als dies in vergleichbaren Situationen, die von der
fraglichen Regelung nicht erfasst werden, der Fall ist. In dem entschiedenen Fall der
Rechtsache X und Y war die Frage nach tatsächlichen und objektiven Umständen
entscheidend, aus der sich ergab, dass nach der Veräußerung von Gesellschaftsanteilen
an eine im Ausland ansässige Kapitalgesellschaft ein Wegzug des Steuerpflichtigen
erfolgen würde und damit die endgültige Besteuerung von stillen Reserven aus diesen
Anteilen verhindert werden könnte. Diese Fallkonstellation weist Bezüge zu Fällen
auf, die von der Hinzurechnungsbesteuerung betroffen sein können.
Während in der Rechtssache X und Y der Wegzug des Steuerpflichtigen nach Ver-
äußerung von Anteilen zur Gefährdung von stillen Reserven geführt hätte, wird im
Fall der Hinzurechnungsbesteuerung eine Gefährdung des Besteuerungsrechts hin-
sichtlich der Dividendenbezüge aus den Gewinnen einer ausländischen Gesellschaft in
den durch die §§ 7–14 AStG erfassten Fällen erkannt. Diese Gefährdung des Steuer-
anspruchs besteht – zumindest nach den ursprünglichen Gesetzesmotiven – darin, dass
die Abschirmwirkung der ausländischen Gesellschaft dauerhaft ausgenutzt werde. Die
Frage nach der fehlenden „Vorbelastung“ ist dagegen auszublenden, weil dies aus
Sicht des Europäischen Gerichtshofs für eine Rechtfertigung nicht von Belang sein
würde. An dieser Stelle lässt sich die Parallele zwischen beiden Konstellationen darstel-
len, denn in beiden Fällen erkennt der Gesetzeber eine Ausweichmöglichkeit, die im
einen Fall (X und Y) durch einen Wohnsitzwechsel in das Ausland, in einem anderen
Fall durch die dauerhafte Thesaurierung nutzbar werden könnte. Die Rechtferti-
gungsanforderung des Europäischen Gerichtshofs wird an dieser Stelle deutlich ver-
schärft, indem einer solchen Motivation das Erfordernis entgegengestellt wird, dass in
diesen Fällen objektive und tatsächliche Unterschiede gegeben sein müssen, aus denen
ein potentiell steuergefährdendes Risiko erklärbar wird.
494 EuGH vom 21. 11. 2002 – Rs. C-436/00 (X und Y), EuGHE I 2002, 10829, IStR 2003, 23,
FR 2003, 84, Rdnr. 63.
158
159
Gemeinschaftsrechtliche Rechtfertigung
119
Dem Europäischen Gerichtshof ist hinsichtlich des dogmatischen Ansatzes für die
Frage nach der Geeignetheit beizupflichten, dass die Verlegung des Wohnsitzes nur
theoretisch dadurch motiviert sein wird, dass im Rahmen eines „Gesamtplans“ die
steuerliche Entstrickung von Wirtschaftsgütern verfolgt wird. Es wird danach künftig
zur Rechtfertigung von steuerlichen Normen nicht mehr ausreichen, dass die Ausnut-
zung von steuerlichen Vorteilen überhaupt vorstellbar ist oder aus Perspektive des
Gesetzgebers zu befürchten ist. Vielmehr muss durch tatsächliche Umstände für die
geregelte Fallgruppe feststehen, dass die steuerliche Fehlentwicklung einen objektiven
Zusammenhang zu dem unterscheidenden Gesetzesmerkmal aufweist. Die Begrün-
dungserwägungen lassen sich nahtlos an die Überlegungen anknüpfen, die der Ge-
richtshof zur Frage des Missbrauchs anstellt. Danach reicht allein die Vermutung von
Missbrauch zur Rechtfertigung einer beeinträchtigten Grundfreiheit des EG-Vertrags
nicht aus.495 Die Begründungserwägungen in der Rechtssache X und Y deuten darauf
hin, dass der Europäische Gerichtshof den Missbrauchsbegriff allein mit tatsächlichen
und objektiven Wertungsmaßstäben ausfüllen wird. Der maßgebende Unterschied, auf
die es danach ankommt, darf deshalb nicht durch eine Vermutung begründet sein, die
bereits dann greift, wenn ein Wirtschaftsteilnehmer von den Grundfreiheiten des EG-
Vertrages Gebrauch macht.496
Bei Anwendung dieser Grundsätze auf die Hinzurechnungsbesteuerung ist deshalb
nach tatsächlichen und objektiven Unterschieden zu fragen, aus denen sich ein grund-
sätzlich anderes potenzielles Risiko ergibt, dass in den von §§ 7–14 AStG erfassten Fällen
der inländische Steuerzugriff auf Dauer vereitelt wird.497
Erzielt eine ausländische Gesellschaft niedrig besteuerte, passive Einkünfte im Sin-
ne von § 8 Absätze 1 und 3 AStG und sind an dieser Gesellschaft inländische Anteils-
eigner nicht oder mit weniger als 50 % beteiligt, kommt die Anwendung der §§ 7–14
AStG nicht in Betracht. Erzielt die ausländische Gesellschaft, an der jedoch inländische
Steuerpflichtige zu mehr als 50 % beteiligt sind, passive, niedrig besteuerte Einkünfte
im Sinne von § 8 Absätze 1 und 3 AStG, liegt ein Anwendungsfall der Hinzurech-
495 EuGH vom 11. 3. 2004 – Rs. C-9/02 (Hughes de Lasteyrie du Saillant), IStR 2004, 236,
Rdnr. 54. 496 Schlussanträge Rs. C-/02, Rdnr. 58. Außerdem enthielten französische Doppelbesteuerungs-
abkommen regelmäßig Klauseln über die Vollstreckungshilfe, und die Amtshilferichtlinie erleichtere die Beschaffung der notwendigen Informationen (Rdnr. 68). Eine Rechtfertigung aus der Kohärenz des Steuersystems scheide aus, weil es sich nicht bloß um eine zeitliche Vorverlegung der Besteuer-ung handle (Rdnr. 82). 497 Vgl. EuGH vom 21. 11. 2002 – Rs. C-436/00 (X und Y), Slg. 2002, I-10829; mit Anmerkun-
gen Hans Klaus Kroppen, IWB 2002/23 Fach 11a 617 ff., Schnitger, FR 2003, 90 ff.
160
161
162
Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten
120
nungsbesteuerung vor. Die Hinzurechnungsbesteuerung kommt dagegen nicht zur
Anwendung, wenn eine ausländische – in einem Mitgliedsstaat der Europäischen
Gemeinschaft ansässige – Gesellschaft aktive, aber dennoch niedrig besteuerte Ein-
künfte erzielt. Ein Blick auf die hier erkennbaren Unterschiede erweist für sich ge-
nommen nicht, weshalb in den Fällen, in denen ausländische Steuerpflichtige neben
inländischen Steuerpflichtigen an der Gesellschaft mehrheitlich beteiligt sind, das
Ausschüttungsverhalten ein anderes sein sollte. Erzielt eine ausländische Gesellschaft
aktive Einkünfte, entsteht ein Vorteil aus dem internationalen Steuergefälle, wie dies
bei passiven Einkünften der Fall ist. Es lässt sich dann nur vermuten, dass sich bei
Einschaltung von „aktiv tätigen“ Gesellschaften eine dauerhafte Thesaurierung erge-
ben wird. Bei Vergleich dieser Fallgruppen zeigt sich zudem, dass ein inländischer
Steuerpflichtiger die Möglichkeit hat, passive Einkünfte dauerhaft dem inländischen
Steuerzugriff zu entziehen, wenn er bereit ist, einen Steuersatz von mindestens 25 %
auf diese Einkünfte zu entrichten. Die Hinzurechnungsbesteuerung findet dann keine
Anwendung (§ 8 Abs. 3 AStG), es ergeben sich damit Gestaltungsmöglichkeiten
hinsichtlich der im Ausland generierbaren Steuerbelastung, die Steuerumgehung lässt
sich „erkaufen“ oder durch Inanspruchnahme bestimmter steuerlicher Privilegien
anpassen, so dass die Anwendung der Hinzurechnungsbesteuerung vermeidbar wird.498
In solchen Fällen ist das Steuergefälle zwischen der Ertragsteuerbelastung in Deutsch-
land und der Ertragsteuerbelastung in dem ausländischen Staat zwar reduziert, aller-
dings kann auch in solchen Fällen eine Ausnutzung der Abschirmwirkung in Betracht
kommen.
Die verfassungsrechtliche Untersuchung hat bereits ergeben, dass im Fall der Hin-
zurechnungsbesteuerung erleichterte, da nur aus formalen Kriterien folgende Verla-
gerungsmöglichkeiten steuerlicher Einkunftsquellen erfasst sein sollen.499 Zwar ließe
sich aus dem insoweit nachweisbaren tatsächlichen Unterscheidungskriterium darauf
schließen, dass steuerliche Gründe in diesen Fällen eine nicht nur untergeordnete
Rolle für die Investitionsentscheidung spielen, jedoch finden sich für einen Rück-
schluss auf das Ausschüttungsverhalten keine Anhaltspunkte. Tatsächliche Umstände,
die dafür sprechen, dass die Abschirmwirkung der ausländischen Gesellschaft ausge-
nutzt wird und eine Ausschüttung nicht erfolgt, sind schon deshalb auszuschließen,
498 Zur Rechtsfrage, welche Rechtswirkungen Steuerbescheide eines anderen Mitgliedstaates der
Europäischen Gemeinschaft entfalten und Auswirkung auf den Tatbestand der „niedrigen Besteuer-ung“ nach § 8 Abs. 3 AStG: FG Baden-Württemberg vom 28. 10. 2004 – 6 K 170/02 (Revision eingelegt beim BFH unter dem Aktenzeichen: I R 124/04), DStR 2005, 336. 499 Vgl. dazu sub Rdnrn. 75 ff.
163
Gemeinschaftsrechtliche Rechtfertigung
121
weil der Gesetzgeber selbst von einer „Durchschleusung“ der Gewinne ins Inland
ausgeht. Eine (End-) Besteuerung der Dividende im Inland kann dann im Halbein-
künfteverfahren erfolgen. Wird die Dividende von einer inländischen Kapital-
gesellschaft thesauriert, entspricht dies der vom Gesetzgeber geäußerten Einschätzung,
nach der die von Kapitalgesellschaften thesaurierten Kapitalteile die Investitionstätig-
keit der Wirtschaft begünstigen.
Damit lässt sich festhalten, dass eine Rechtfertigung unter dem Aspekt des steuerli-
chen Missbrauchs ausscheidet. Auf Grundlage der vom Europäischen Gerichtshof
verwendeten Argumentationsmuster kann die Einschätzung vorgenommen werden,
dass die Hinzurechnungsbesteuerung Rechtfertigungsprüfung nicht standhalten würde.
Bei Anwendung der Begründungserwägungen des Europäischen Gerichtshofs aus der
Rechtssache X und Y erweist sich insbesondere als vorteilhaft, dass mit ihrer Hilfe die
sachlichen Unterschiede der Regelung extrahiert werden müssen und in Zusammen-
hang mit dem Gesetzeszweck abzustimmen sind. Auf diese Weise lassen sich pauschale
Argumentationsmuster ausscheiden und zielgenaue Überlegungen dazu anstellen, wie
eine gemeinschaftsrechtskonforme Regelung der Hinzurechnungsbesteuerung ausse-
hen könnte. Deshalb wird man überlegen müssen, worin genau das Verhalten oder
der tatsächliche Umstand erkannt werden muss, um einen steuerlichen Missbrauch zu
begründen. Anschaulich wird dies im Hinblick auf die Entscheidung des Europäischen
Gerichtshofs in der Rechtssache Hughes de Lasteyrie.500 Dort hatte das Gericht erkannt,
dass für Fälle, in denen der Gesetzgeber der Gestaltungsmöglichkeit begegnen wollte,
dass ein Steuerpflichtiger seinen Wohnsitz aus Frankreich wegverlagert, um danach
stille Reserven etwa aus Aktienbesitz zu realisieren und innerhalb eines kurzen Zeit-
raums wieder nach Frankreich zu ziehen, eine Regelung diese spezifische Fallgestal-
tung durchaus unterbinden könne.501 Will der Gesetzgeber also unterbinden, dass ein
Steuerpflichtiger Einkünfte der inländischen Besteuerung dadurch entzieht, dass er sie
dauerhaft thesauriert, bietet sich eine Regelung an, die genau diesen Zusammenhang
aufnimmt. Die Entscheidung in der Rechtssache Hughes de Lasteyrie gibt damit einen
Ansatz zur Neukonzeption der Hinzurechnungsbesteuerung. Dieser besteht darin, die
steuerlichen Fehlentwicklungen aufzugreifen, wenn diese nachweislich eingetreten
sind. Diese Überlegung könnte als gemeinschaftsrechtliche Vorgabe dienen: die Hin-
zurechnungsbesteuerung ließe sich gegen die Fälle richten, in denen die befürchteten
Wirkungen – namentlich: Steueraufschub und Steuerflucht – einer ausländischen 500 EuGH vom 11. 3. 2004 – Rs. C-9/02 (Hughes de Lasteyrie du Saillant), IStR 2004, 236. 501 Vgl. EuGH vom 11. 3. 2004 – Rs. C-9/02 (Hughes de Lasteyrie du Saillant), IStR 2004, 236,
Rdnr. 54.
164
Ergebnis und Zusammenfassung
122
Gesellschaft tatsächlich eintreten. Die bislang verfolgte Vermeidungsstrategie müsste
zugunsten einer Sanktionsstrategie aufgegeben werden.
Die vorliegende Untersuchung ergibt somit, dass die Regelungen in §§ 7–14
AStG über die Hinzurechnungsbesteuerung von passiven Einkünften ausländischer
Kapitalgesellschaften nicht mit der Niederlassungsfreiheit, der Kapitelverkehrsfreiheit
und der Dienstleistungsfreiheit konform sind.
E. Zusammenfassung
Die Hinzurechnungsbesteuerung ist nach alledem mit Europäischem Gemeinschafts-
rechts nicht vereinbar. Sie beschränkt die Niederlassungsfreiheit, die Kapitalverkehrs-
freiheit und die Dienstleistungsfreiheit, ohne dass dies nach den vom Europäischen
Gerichtshof in seiner Rechtsprechung gegebenen Rechtfertigungsgründen legitimiert
ist. Der Rechtfertigungsgrund der Kohärenz greift nicht ein. Die Besteuerung einer
ausländischen Gesellschaft stellt, auch wenn sie niedrig ist, einen Nachteil im Sinne
einer Kohärenzbeziehung dar, so dass eine weitere nachteilige Besteuerungsfolge wie
die Hinzurechnungsbesteuerung nicht gerechtfertigt sein wird. Auch der Rechtferti-
gungsgrund der „Missbrauchsvermeidung“ greift nicht ein, da die Hinzurechnungs-
besteuerung nicht speziell Missbräuchen begegnet, sondern pauschal steuerlich sankti-
oniert. Es handelt sich bei der Hinzurechnungsbesteuerung um eine Maßnahme, die
im Rahmen des vom Europäischen Gerichtshof anerkannten Rechtfertigungsgrundes
der „wirksamen Steuerkontrolle“ gemeinschaftsrechtlich legitimiert sein könnte. Wenn
der Gesetzgeber jedoch die Absicht hat, Verzögerungen bei der Ausschüttung von
niedrig besteuerten Unternehmensgewinnen zu unterbinden, fragt sich, warum nicht
genau der Fall der Verzögerung erfasst wird und stattdessen jedwede Art einer solchen
Investition im Bereich der Europäischen Gemeinschaft unterbunden werden soll.502
Danach ist gemeinschaftsrechtlich ausgeschlossen, dass nur in den von §§ 7–14 AStG
erfassten Fällen, eine „Vorbelastung“ entstehen muss. Es ist nicht erklärbar, warum die
Zielsetzung nur in den von der Hinzurechnungsbesteuerung bestimmten Fällen ein-
greift, in Fällen aktiver, niedrig besteuerter Einkünfte die Vorbelastung jedoch nicht
von Bedeutung ist. Im Hinblick auf die vom Europäischen Gerichtshof entwickelte
und seiner Rechtsprechung zu Grunde liegende Dogmatik wird erkennbar, dass nicht
einzelne Besteuerungsprinzipien eine Rolle spielen dürfen um die Rechtfertigung im
Bereich der Grundfreiheiten zu erreichen. Gerade anhand der in der Rechtssache X
502 Vgl. auch die Begründungserwägungen des EuGH vom 11. 3. 2004 – Rs. C-9/02 (Hughes de Lasteyrie du Saillant), IStR 2004, 236, Rdnr. 54.
165
Ergebnis und Zusammenfassung
166
Gemeinschaftsrechtliche Rechtfertigung
123
und Y ergangenen Entscheidung lässt sich die streng am Einzelfall orientierte Prü-
fungspraxis nachweisen. Das Gemeinschaftsrecht, so lässt sich danach formulieren,
dient nur in begrenztem Maße zur Verteidigung einzelstaatlicher Rechtsprinzipien.
Vorschlag einer Neukonzeption der §§ 7–14 AStG
124
4. Teil. Vorschlag einer Neukonzeption
A. Allgemeine Anforderungen
Die gewonnenen Erkenntnisse werden vor dem Hintergrund der historischen Grund-
lagen und der neueren Entwicklung der Hinzurechungsbesteuerung gewürdigt. Nach-
dem in den vorangehenden Teilen deutlich wurde, dass die Hinzurechungsbesteuer-
ung in ihrer derzeitigen Form gegen höherrangige Rechtsvorschriften des Verfas-
sungs- und Gemeinschaftsrecht verstößt, sollen nun Perspektiven für die Hinzure-
chungsbesteuerung aufgezeigt werden. Aus verfassungsrechtlichen und gemeinschafts-
rechtlichen Gewährleistungen sollen Ansätze für eine tragfähige Grundlage der Hin-
zurechungsbesteuerung gewonnen werden.
I. Bestandsaufnahme fiskalpolitischer Rahmenbedingungen
Steueraufkommen. Bevor eine Neukonzeption der Hinzurechnungsbesteuerung
bewältigt werden kann, sind die fiskalpolitischen und rechtspolitischen Rahmenbedin-
gungen in diesem außensteuerlichen Regelungsbereich aufzunehmen. Ausgangspunkt
dieser Überlegungen ist dabei zunächst das mit der Hinzurechnungsbesteuerung er-
zielte Steueraufkommen. Seit Einführung des Außensteuergesetzes hatten sich in den
ersten 15 Jahren bis 1987 jährlich etwa 5,5 Millionen Euro Einnahmen nachweisen
lassen.503 Die Anzahl der Unternehmen, denen Einkünfte aus „Zwischengesell-
schaften“ zugerechnet wurden, lag in diesem Zeitraum zwischen circa 350 und 550,
die Zahl der betroffenen unbeschränkt Steuerpflichtigen lag bei etwa 1275 pro Jahr.504
Es ließ sich nur eine geringe Anzahl von Fällen nachweisen, in denen die Hinzurech-
nungsbesteuerung Bedeutung erlangte.505 Die Hinzurechnungsbesteuerung weist
deshalb in erster Linie eine prophylaktische Wirkung auf.506 Diese besteht darin, dass
503 Nachweis bei Wassermeyer, 15 Jahre Außensteuergesetz, DStR 1987, 635 (639). 504 Im Durchschnitt wurde also pro Unternehmen ein steuerlicher Mehrertrag zwischen ca. 9.000
Euro und 14.500 Euro erzielt. 505 Vgl. Wassermeyer, 15 Jahre Außensteuergesetz, DStR 1987, 635 (638 f.). 506 Vgl. Wassermeyer, 15 Jahre Außensteuergesetz, DStR 1987, 635 (638 f.).
167
e-standsaufnah-me
Vorschlag einer konzeption der
14 AStG
168
Von den Dublin-Docks Urteilen zur Aufhebung des § 10 Abs. 5 AStG
125
Gestaltungsmodelle gemieden werden, für welche die Hinzurechnungsbesteuerung
Anwendung finden könnte.
Bei der Einführung des Steuervergünstigungsabbaugesetzes vom 20. 11. 2002
wurden die Voraussetzungen für die Hinzurechnungsbesteuerung verschärft, insbe-
sondere unterliegen nach der Aufhebung des § 10 Abs. 5 AStG auch Einkünfte der
Hinzurechnungsbesteuerung, die bei Ausschüttung nach den Vorschriften der Dop-
pelbesteuerungsabkommen steuerfrei gestellt waren. Das Bundesfinanzministerium
prognostizierte in Folge der Verschärfung steuerliche Mehreinnahmen in Höhe von
100 Millionen Euro, verteilt auf fünf Veranlagungszeiträume.507 Die erwarteten Mehr-
einnahmen von 100 Millionen Euro entsprechen in etwa dem zwanzigfachen Betrag,
der seit der Einführung der Hinzurechnungsbesteuerung im Jahre 1972 bis zum Jahr
1987 als Steueraufkommen erzielt wurde.
Maßnahmen gegen „Dublin Docks“-Gesellschaften. Die Aufhebung des
§ 10 Abs. 5 AStG durch das Steuersenkungsgesetz stellte mithin eine Maßnahme
gegen so genannte „Dublin Docks“-Gesellschaften dar.508 Als Synonym für steuerliche
Gestaltungen unter Einschaltung einer irischen Kapitalgesellschaft verdanken „Dublin
Docks“-Gestaltungen ihren Namen einem ehemaligen Hafengebiet von Dublin
(Custom House Docks Area). Dort wurde ein Finanzdienstleistungszentrum errichtet,
um einen von Verfall und Arbeitslosigkeit betroffenen Stadtteil strukturell aufzurich-
ten.509 Bei einem Körperschaftsteuersatz von 11,5 % konnten die dort operierenden
Tochtergesellschaften die in Irland erwirtschafteten Erträge an ihre deutschen Mutter-
gesellschaften steuerfrei ausschütten. Im Doppelbesteuerungsabkommen der Bundes-
republik Deutschland mit der Republik Irland fehlt ein so genannter Aktivitätsvorbe-
halt:510 die Anwendung der Freistellungs- bzw. der Anrechnungsmethode511 zur Besei-
tigung der Doppelbesteuerung ist mithin nicht davon abhängig, ob die irische Toch-
507 Vgl. die Darstellung auf den Internetseiten des Bundesfinanzministeriums:
www.bundesfinanzministerium.de. 508 Vgl. hierzu Stephan Köhler, Aktuelles Beratungs-Know-How Internationales Steuerrecht, DStR
2003, 1156 (1158). 509 Vgl. zu Einzelheiten über die Entwicklung der Errichtung und den wirtschaftspolitischen Hin-
tergrund, Anthony Tulloch, StÄndG 1992: Die neue Hinzurechnungsbesteuerung im AStG als In-strument der Missbrauchsbekämpfung, DB 1992, 1444 (1446). 510 Vgl. Doppelbesteuerungsabkommen mit Irland: Abkommen zwischen der Bundesrepublik
Deutschland und Irland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuer-verkürzung bei den Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuer vom 17. 10. 1962, BStBl. I 1964, 320, BGBl. II 1964, 266. 511 Dazu im Einzelnen K. Vogel, in: Vogel/Lehner, Einleitung, Rdnr. 86.
169
„Dublin Docks“ – Problematik
170
Von den Dublin-Docks Urteilen zur Aufhe-bung des
10
„Dublin Docks“ – Problematik
126
tergesellschaft bestimmte (aktive) Einkünfte erzielt.512 Nach dem Doppelbesteuer-
ungsabkommen Deutschland-Irland waren deshalb Dividenden nach Art. XXII Abs. 2
Satz 1 Buchst. a durch ein Schachtelprivileg begünstigt und konnten von den deut-
schen Muttergesellschaften steuerfrei bezogen werden. Auch das deutsche Außen-
steuerrecht beeinträchtigte diese Rechtslage nicht. Für den Fall, dass die irische Toch-
tergesellschaft passive Einkünfte im Sinne des § 8 Abs. 1 AStG erzielte, war nach § 10
Abs. 5 AStG von der Hinzurechnungsbesteuerung abzusehen, da die nach dem Dop-
pelbesteuerungsabkommen geltende Steuerbefreiung auch auf den Hinzurechnungs-
betrag anzuwenden war.
Vor der Aufhebung der Vorschrift in § 10 Abs. 5 AStG hatten Finanzverwaltung
und Gesetzgeber mehrfach versucht,513 Gewinne der „Dublin Docks“-Gesellschaften
der deutschen Besteuerung zu unterwerfen. Für bestimmte Kapitalanlagegesellschaf-
ten514 sollte die Anwendung von DBA-Schachtelprivilegien unterbunden werden.515
Als weitere Maßnahme war vorgesehen worden, das mit Irland bestehende Doppelbe-
steuerungsabkommen zu kündigen; eine solche Überlegung scheiterte jedoch am
Widerstand des auswärtigen Amtes.516 Danach richtete die Finanzverwaltung das
Augenmerk darauf, die in Irland erzielten Gewinne gestützt auf die Vorschrift des § 42
AO 1977 der deutschen Besteuerung zuzuführen. Dazu wurde argumentiert, es liege
in diesen Fällen ein Missbrauch vor, folglich sei durch die Gesellschaft „durchzugrei-
fen“ und wären die Einkünfte in Deutschland zu besteuern. Der Vorstellung, dass der 512 Vgl. dazu K. Vogel, in: Vogel/Lehner, Art. 23 Rdnrn. 74 ff. Siehe die tabellarische Aufstellung
bei Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 1034. 513 Vgl. dazu kritisch Ritter, Brauchen wir ein neues Steuerfluchtgesetz? BB 1992, 361 (364). 514 Gesetz vom 25. 2. 1992 zur Entlastung der Familien und zur Verbesserung der Rahmenbedin-
gungen für Investitionen und Arbeitsplätze – Steueränderungsgesetz 1992 – BGBl. I 297. 515 Es ging dabei um Fälle, in denen überschüssige Liquidität in eigens dafür eingesetzten Beteili-
gungsgesellschaften gesammelt wurde, wobei deren Zinserträge dort niedrig oder gar nicht besteuert wurden und bei Ausschüttung in Deutschland kraft Doppelbesteuerungsabkommen unbesteuert blie-ben. Vgl. Ritter, Brauchen wir ein neues Steuerfluchtgesetz? BB 1992, 361 (364); Gestaltungen, die zu einer doppelten Steuerfreiheit führten, wurden durch das revidierte Abkommen mit den USA die Grundlage entzogen. 516 Vgl. den Nachweis bei Wassermeyer, Schriftenreihe Beratungsakzente, 2002, 60; sowie Ritter,
Brauchen wir ein neues Steuerfluchtgesetz? BB 1992, 361 (364): Eine Abkommensrevision des Doppelbesteuerungsabkommens mit Irland war gescheitert. Die Kündigung eines Doppelbesteuer-ungsabkommens hätte als „unfriendly act“ zu Verstimmungen auf diplomatischer Ebene führen können. Zudem ist zu bedenken, dass die Fördermöglichkeiten in der Dublin Docks Area von der Europäischen Union ausgingen und hier die Bundesrepublik Deutschland bereits eine Mitwirkungs-pflicht hatte. Damit wäre eine Kündigung des Doppelbesteuerungsabkommens widersprüchlich gewesen, da einerseits die Fördermaßnahme mitgetragen wird, andererseits die Abschaffung des Doppelbesteuerungsabkommens zu Nachteilen für die Wirtschaftsbeziehungen mit der Republik Irland geführt hätte.
171
Von den Dublin-Docks Urteilen zur Aufhebung des § 10 Abs. 5 AStG
127
Einsatz ausländischer Kapitalgesellschaften in diesen Fällen missbräuchlich sein könnte,
ist der Bundesfinanzhof in seinen als „Dublin Docks“-Rechtsprechung bezeichneten
Urteilen entgegengetreten.517 Die Finanzverwaltung reagierte mit einem Nichtanwen-
dungserlass auf diese Rechtsprechung und verfügte, dass die Vorschrift des § 42
AO 1977 entgegen der Rechtsansicht des Bundesfinanzhofs angewendet werden
sollte.518 Auch die Einführung des § 42 Abs. 2 AO stellt eine Reaktion des Gesetzge-
bers auf die „Dublin Docks”-Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs dar.519 Es sollte
eine Rechtsgrundlage geschaffen werden, um auf die Gewinne der irischen Gesell-
schaften zuzugreifen.520 Dem Gesetzgeber ging es dabei darum, die Anwendbarkeit der
allgemeinen Missbrauchsvorschrift (§ 42 AO 1977) neben §§ 7–14 AStG zu gewähr-
leisten.521 In der Gesetzesbegründung zu § 42 Abs. 2 AO 1977 wurde die „Dublin
Docks“-Rechtsprechung als Motiv für die Änderung des § 42 AO 1977 ausdrücklich
genannt, stand diese Rechtsprechung doch der gleichzeitigen Anwendung von allge-
meinen und speziellen Missbrauchsvorschriften aus Sicht von Verwaltung und Gesetz-
geber entgegen.522
An dem vom Bundesfinanzhof eingeschlagenen Kurs vermochte die Änderung des
§ 42 AO 1977 jedoch nichts zu ändern. Der Bundesfinanzhof geht davon aus, dass es
sich bei § 42 Abs. 2 AO 1977 um eine „Klarstellung“ handle,523 welche auf die
Rechtsprechung zum Verhältnis spezialgesetzlicher Missbrauchsverhinderungsnormen
einerseits und allgemeiner Missbrauchsbestimmungen andererseits keine Auswirkung
habe.524
517 BFH vom 19. 1. 2000 – I R 117/97, BFH/NV 2000, 824 und I R 94/97, BStBl. II 2001, 222
(Dublin Docks). 518 BMF vom 19. 3. 2001 – IV B 4 - S 1300 - 65/01, BStBl. I 2001, 243 = GmbHR 2001, 451. 519 Vgl. dazu Rättig/Protzen, Keine Behinderung der internationalen Steuerplanung durch § 42
Abs. 2 AO 1977 n. F., IStR 2002, 828. 520 BFH vom 20. 3. 2002 – I R 63/99, IStR 2002, 568; dazu Rättig/Protzen, IStR 2002, 828. 521 Genau dieser Zusammenhang wurde vom BFH in seinen Urteilen (BFH vom 19. 1. 2000 –
I R 117/97, BFH/NV 2000, 824 und I R 94/97, BStBl. II 2001, 222 Dublin Docks) verneint. Mit der Einführung des § 42 Abs. 2 AO 1977 sollte dessen Anwendung auch dann gewährleistet sein, wenn im Wege einer Wertung die Vorschriften über die Hinzurechnungsbesteuerung anwendbar waren, jedoch nicht die Hinzurechnungsbesteuerung steuerlich wirksam auslösten. 522 Vgl. die Begründung zur Neufassung des § 42 AO 1977, Bundestags-Drucksache 14/6877, 52. 523 BFH vom 20. 3. 2002 – I R 38/00, BStBl. II 2002, 819 unter B II 2 b cc. der Entscheidungs-
gründe. 524 Siehe dazu auch Bundestags-Drucksache 14/7341, 39 f. und Bundestags-Drucksache 14/6877,
52; zur Problematik Rättig/Protzen, Keine Behinderung der internationalen Steuerplanung durch § 42 Abs. 2 AO 1977 n. F., IStR 2002, 828; Gerd Rose/Cornelia Glorius-Rose, Bemerkungen zur aktuellen Missbrauchsrechtsprechung des BFH, DB 2003, 409.
172
Rechtssicherheit und Gestaltungsprophylaxe
128
Mit der Aufhebung des § 10 Abs. 5 AStG soll die Hinzurechnungsbesteuerung
auch Fälle erfassen, die nach den Doppelbesteuerungsabkommen steuerfrei gestellt
wären, wäre der ihnen zugrunde liegende Betrag ausgeschüttet worden.525 Dies trifft
die IFSC-Gesellschaften deswegen, weil Dividenden der dort ansässigen Gesellschaften
nach dem Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland-Irland bei Vorliegen der
Voraussetzungen einer Schachtelbeteiligung in der Bundesrepublik steuerfrei gestellt
waren und das Doppelbesteuerungsabkommen keinen Aktivitätsvorbehalt vorsieht.
Indes lässt sich auch nach Aufhebung des § 10 Abs. 5 AStG die Anwendung der §§ 7–
14 AStG vermeiden, so dass auch „Dublin-Docks“-Fälle weiterhin von der deutschen
Hinzurechnungsbesteuerung unbehelligt bleiben.
Die Rechtsentwicklung der jüngeren Vergangenheit hat gezeigt, welche Schwie-
rigkeiten im Regelungsbereich der Hinzurechnungsbesteuerung für Gesetzgeber und
Steuerpflichtigen bestehen. Einerseits können nach der Aufhebung des § 10 Abs. 5
AStG Einkünfte irischer Zwischengesellschaften im Inland der Besteuerung unterlie-
gen. Andererseits stellt sich im Hinblick auf die erwarteten Steuermehreinnahmen
nach der Abschaffung des § 10 Abs. 5 AStG die Frage, ob die gesetzgeberische Maß-
nahme lediglich dazu dient, Mehreinnahmen im Haushalt auszuweisen. Die Steuer-
pflichtigen werden der Anwendung der „prophylaktischen Wirkung“ der Hinzurech-
nungsbesteuerung entgehen, es erscheint durchaus fraglich, ob sich steuerliche Mehr-
einnahmen verwirklichen lassen. Für den Steuerpflichtigen bedeuten Gestaltungsopti-
onen im Bereich der Hinzurechnungsbesteuerung letztlich Unsicherheit und fehlende
Planbarkeit des Steuerzugriffs. Im Folgenden soll dies beispielhaft mit einer Gestal-
tungsüberlegung verdeutlicht werden, an der sich die widersprüchlichen Konsequen-
zen der derzeit geltenden Hinzurechnungsbesteuerung aufzeigen lassen.
Diese Gestaltungsidee basiert auf einer Entscheidung des Großen Senats des Bun-
desfinanzhofs und behandelt einen Sonderfall der Bilanzierung von Dividendenan-
sprüchen, die „phasengleiche Aktivierung”. Die Frage, ob ein mehrheitlich beteiligter
Anteilseigner Dividendenansprüche gegen eine Tochtergesellschaft schon in dem
Wirtschaftsjahr bilanzieren kann, in dem die der Gewinnausschüttung zugrunde lie-
genden Gewinne bei der Tochtergesellschaft erzielt werden, war Gegenstand dieses
Beschlusses des Großen Senats des Bundesfinanzhofs im Jahre 2000.526 In dem dieser
525 Änderungen durch das Steuervergünstigungsabbaugesetz (StVergAbG) vom 20. 11. 2002; vgl.
hierzu Sieker, Steuervergünstigungsabbaugesetz: Vorgesehene Verschärfungen der Rechtsfolgen der Hinzurechnungsbesteuerung, IStR 2003, 78 f. 526 BFH vom 7. 8. 2000 – GrS 2/99, BStBl. II 2000, 632, BFHE 192, 339.
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174
Gestal-tungsü-berlegung
175
Rechtssicherheit und tungsprophylaxe
Gestaltungsüberlegung
129
Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt hatte die Muttergesellschaft ein Interes-
se an der (um ein Wirtschaftsjahr vorgezogenen) Bilanzierung der Dividenden-
ansprüche gegen die von ihr beherrschte Tochtergesellschaft, da in diesem Wirt-
schaftsjahr der Muttergesellschaft letztmals ein Verlustrücktrag nach § 10d EStG zur
Verrechnung mit den Gewinnen in Anspruch genommen werden konnte. Der Große
Senat des Bundesfinanzhofs ging in seinem Beschluss davon aus, dass der Dividenden-
anspruch grundsätzlich kein „Wirtschaftsgut” darstelle und damit nicht aktivierungsfä-
hig sei. Bei einer zum Betriebsvermögen eines Unternehmens gehörenden Mehrheits-
beteiligung könne sowohl handels- als auch steuerrechtlich die Verpflichtung beste-
hen, einen rechtlich noch nicht, aber wirtschaftlich bereits entstandenen Dividenden-
anspruch in dem Jahr zu aktivieren, in dem er (zeitgleich) bei der Beteiligungsgesell-
schaft entstanden ist. Maßgebend sei, ob sich die Forderung schon so weit konkreti-
siert habe, dass sie wirtschaftlich als Vermögensgegenstand qualifiziert werden könne.
Um einen Dividendenanspruch, der zivilrechtlich nach einem Bilanzstichtag durch
Gewinnverwendungsbeschluss entstehe, bilanzieren zu können, komme es darauf an,
ob es sich bei der künftigen Dividendenforderung um ein „Wirtschaftsgut” handle.
Der Begriff „Wirtschaftsgut” sei gleichbedeutend mit dem Begriff „Vermögensgegens-
tand” und setze voraus, dass ein Ausweis nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer
Buchführung erfolge. Das Vorsichtsprinzip und das Prinzip der selbständigen Bewert-
barkeit erforderten, dass eine phasengleiche Aktivierung grundsätzlich nicht in Be-
tracht komme. Ein Kaufmann würde sich eine noch nicht entstandene Forderung
kaum etwas kosten lassen, selbst bei einer 100 %-Beteiligung.
Zur Entwicklung der Gestaltungsidee in Bezug zur Hinzurechnungsbesteuerung
sind die vom Großen Senat aufgezeigten Ausnahmemöglichkeiten interessant. Eine
wirtschaftliche Abspaltung einer Dividendenforderung könne zeitlich früher nur
ausnahmsweise dann und insoweit angenommen werden, wenn zum Bilanzstichtag
ein Bilanzgewinn der Gesellschaft auszuweisen ist, der mindestens ausschüttungsfähige
Bilanzgewinn den Gesellschaftern bekannt ist und für diesen Zeitpunkt anhand objek-
tiver Anhaltspunkte nachgewiesen ist, dass die Gesellschafter endgültig entschlossen
sind, eine bestimmte Gewinnverwendung künftig zu beschließen.527 Nur unter diesen
Voraussetzungen sei es steuerbilanziell denkbar, dass eine Dividendenforderung als
Wirtschaftsgut nicht erst mit der Fassung des Gewinnverwendungsbeschlusses, sondern
bereits am Bilanzstichtag entstehe. Die Anwendung dieser Ausnahmemöglichkeit
würde sich auch bei gleichzeitiger Hinzurechnungsbesteuerung auswirken. Die vom
176
Rechtssicherheit und Gestaltungsprophylaxe
130
Großen Senat ausgewiesenen Ausnahmevoraussetzungen für die Bilanzierung nach
den Grundsätzen der phasengleichen Dividendenbesteuerung können gerade von
mehrheitlich beteiligten Steuerpflichtigen erfüllt werden, die auch die persönlichen
und sachlichen Tatbestandsmerkmale der Hinzurechnungsbesteuerung erfüllen.
Nach der Fiktion des § 10 Abs. 2 Satz 2 AStG erhöht der Hinzurechnungsbetrag
den Gewinn der inländischen Gesellschaft für das Wirtschaftsjahr, das nach dem Ablauf
des maßgebenden Wirtschaftsjahres der ausländischen Gesellschaft endet. Geht man
der Einfachheit halber davon aus, dass Mutter- und Tochtergesellschaft ihren Gewinn
in übereinstimmenden Wirtschaftsjahren ermitteln, bedeutet die phasengleiche Akti-
vierung der Gewinnansprüche in der Bilanz der Muttergesellschaft, dass diese die
Dividende schon zeitlich vor dem Veranlagungszeitraum vereinnahmen kann, in dem
der Zufluss des Hinzurechnungsbetrags fingiert würde. Es entsteht damit eine Kollisi-
on zwischen tatsächlichem Zufluss und der Fiktion des Zuflusses des Hinzurechnungs-
betrags. Überlegt man nun weiter, ob die Hinzurechnungsbesteuerung anzuwenden
ist, obwohl die Dividende schon steuerbilanziell erfasst wurde, treten die systemati-
schen Schwächen zutage, die das derzeit geltende Hinzurechnungsbesteuer-
ungskonzept aufweist. In ertragsteuerlicher Hinsicht gilt, dass mit Einführung des § 8b
Abs. 1 KStG die Muttergesellschaft die Dividenden steuerfrei vereinnahmen kann.
Dies gilt in diesem Zusammenhang jedoch nur eingeschränkt. Beim Bezug von Divi-
denden ausländischer Gesellschaften gelten 5 % dieser Bezüge als Betriebsausgaben, die
nicht abgezogen werden dürfen (§ 8b Abs. 5 KStG). Damit sind im Ergebnis 95 % der
ausländischen Dividende steuerfrei, in Höhe von 5 % besteht eine faktische Steuer-
pflicht.
Bei einer am Wortlaut des § 7 Abs. 1 AStG orientierten Auslegung käme die An-
wendung der Hinzurechnungsbesteuerung in Betracht. Das Konzept der §§ 7–14
AStG geht jedoch davon aus, dass eine Ausschüttung der Dividende erst nach Ablauf
des Wirtschaftsjahres der Zwischengesellschaft vorgenommen wird. Die Besteuerung
der Anteilseigner wird bis zur Ausschüttung seitens der Gesellschaft hinausgeschoben,
die Kapitalgesellschaft entfaltet in steuerlicher Hinsicht eine Abschirmwirkung. Im
außensteuerlichen Kontext bedeutet diese Abschirmwirkung, dass Gewinne ausländi-
scher Kapitalgesellschaften, an denen inländische Anteilseigner beteiligt sind, so lange
der inländischen Besteuerung entzogen sind, als Ausschüttungen unterbleiben. Die
Hinzurechnungsbesteuerung kann ihr Ziel, die Beseitigung der Aufschub- und Ab-
527 BFH vom 7. 8. 2000 – GrS 2/99 – BStBl. II 2000, 632, BFHE 192, 339; unter C. II. 3. der
Entscheidungsgründe.
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178
Gestaltungsüberlegung
131
schirmwirkung der ausländischen Kapitalgesellschaft, nicht erreichen. Ein steuerlicher
Missbrauch kommt bei solchen Gestaltungen nicht in Frage, da das Besteuer-
ungssubstrat mit der Bilanzierung bei der Muttergesellschaft schon ins Inland gelangt.
Bei der vom Zweck der Hinzurechnungsbesteuerung geleiteten Auslegung verbietet
sich die Anwendung der §§ 7–14 AStG. Es käme dann zu einer teilweisen doppelten
Besteuerung, da faktisch bereits 5 % der Dividende wegen § 8b Abs. 5 KStG im In-
land steuerpflichtig sind. Die doppelte Erfassung der Dividende ist unter verfassungs-
rechtlichen Aspekten zweifelhaft. Nach der ursprünglichen Konzeption sollten die
§§ 7–14 AStG der Verlagerung von Einkunftsquellen in niedrig besteuernde Staaten
durch Einschaltung von Basisgesellschaften entgegenwirken. Daraus entstehende
„ungerechtfertigte Steuervorteile” sollten eliminiert werden. Die Eindämmung der
„Steuerflucht” ins Ausland stelle einen „typischen Fall einer verhaltenslenkenden Be-
steuerung” dar.528 Soweit die Hinzurechnungsbesteuerung einen Verstoß gegen den
Grundsatz der Lastengleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG) begründete, fand diese eine prinzi-
pielle Rechtfertigung in Erwägungen des Gemeinwohls, namentlich in dem Schutz
vor steuerlichen Fehlentwicklungen, die sich aus der Missbrauchneigung bei Einschal-
tung von Basisgesellschaften ergeben kann. Die Einschaltung einer Basisgesellschaft
stellt für sich gesehen keinen Missbrauch i. S. von § 42 AO 1977 dar, solange wirt-
schaftliche oder sonst beachtliche Gründe für die Einschaltung der Gesellschaft vor-
handen sind.529 Die Zielrichtung der Hinzurechnungsbesteuerung veränderte sich nach
der durch das Steuersenkungsgesetz geschaffenen Rechtslage. Sie soll nun dazu dienen,
für bestimmte passive Einkünfte eine „ausreichende Vorbelastung” zu erzeugen. Die
als nicht ausreichend angesehene steuerliche Vorbelastung wird danach ersatzweise
beim inländischen Anteilseigner nach erhoben, um die gleiche steuerliche Vorbelas-
tung in- und ausländischer Beteiligungserträge zu erreichen. Mit den Änderungen
durch das Steuersenkungsgesetz wird die Hinzurechnungsbesteuerung inhaltlich auf
eine neue dogmatische Grundlage gestellt, ohne dass dies ausdrücklich im Gesetz
angesprochen wird.530 In Fällen der phasengleichen Aktivierung von Dividenden, die
in dem der Aktivierung folgenden Wirtschaftsjahr der Hinzurechnungsbesteuerung
unterliegen würden, sind Missbrauchs- oder Steuerfluchtmotive von vornherein
ausgeschlossen, da die Abschirmwirkung der ausländischen Gesellschaft keine Bedeu-
tung hat. Für eine Anwendung der Hinzurechnungsbesteuerung fehlt nach der ur-
528 BVerfG vom 14. 5. 1986 – 2 BvL 2/83, BVerfGE 72, 200, 245. 529 BFH in ständiger Rechtsprechung, vgl. BFH vom 19. 1. 2000 – I R 94/97, BStBl. II 2000, 222
unter 1a) der Entscheidungsgründe. 530 Vgl. hierzu Lieber, in: Hermann/Heuer/Raupach, a.a.O., Vor § 7 AStG, Rdnr. 5.
Rechtssicherheit und Gestaltungsprophylaxe
132
sprünglichen Konzeption die Rechtfertigung. Fraglich ist deshalb, ob das Argument
der „Vorbelastung” eine doppelte steuerliche Erfassung aus verfassungsrechtlicher
Sicht rechtfertigen kann.
Wenn damit der Verdacht eines Missbrauchs oder ein Hinweis auf Steuerflucht e-
vident ausgeschlossen werden müssen, weil die Abschirmwirkung der ausländischen
Gesellschaft nicht zum Tragen kommt und die Ausschüttung auch tatsächlich erfolgt,
ist der Sinn und Zweck der Hinzurechnungsbesteuerung schon vom Steuerpflichtigen
selbst erfüllt worden. Eine Anwendung der §§ 7–14 AStG kommt aus teleologischen
Gründen nicht in Frage. Bei verfassungskonformer Auslegung der §§ 7–14 AStG
verbietet sich deshalb deren zusätzliche Anwendung. Konsequent weiter gedacht
bedeutet dies, dass insbesondere diejenigen Steuerpflichtigen, die typischerweise der
Hinzurechnungsbesteuerung unterliegen würden, mit Hilfe des Instruments der pha-
sengleichen Aktivierung von Dividendenansprüchen die Hinzurechnungsbesteuerung
unter Missbrauchsaspekten vermeiden könnten. Damit wäre es möglich, durch die
Einschaltung einer inländischen Kapitalgesellschaft, die an der ausländischen Zwi-
schengesellschaft wesentlich beteiligt ist, die Hinzurechnungsbesteuerung faktisch leer
laufen zu lassen.
Ob mit der phasengleichen Aktivierung die Hinzurechnungsbesteuerung vermie-
den werden kann, hängt zunächst davon ab, ob die strengen Voraussetzungen für die
Ausnahmen erfüllt werden, die nach Ansicht des Großen Senats erforderlich sind, um
eine phasengleiche Aktivierung zu rechtfertigen. Insoweit bedarf es im Interesse der
Rechtssicherheit eines objektiven Nachweises, der sich auf den ausschüttungsfähigen
Bilanzgewinn und auf die feste Ausschüttungsabsicht der Gesellschafter beziehen muss.
Für den Nachweis reicht es nicht aus, dass die Ausschüttungsabsicht vermutet oder
unterstellt werden kann, die Beweislast hierfür trägt derjenige, der sich zu seinen
Gunsten auf eine phasengleiche Aktivierung beruft.531 Das heißt für den Steuer-
pflichtigen, dass er dafür Sorge tragen sollte, dass schon vor Ablauf des Wirtschaftsjah-
res der Gewinn der ausländischen Tochter feststeht und dass dies sicher dokumentiert
ist. Zur Absicherung des Nachweises der Ausschüttungsbereitschaft könnten schriftli-
che oder notariell beglaubigte Absichtserklärungen dienen. Die Ausnahmevorausset-
zungen für die phasengleiche Aktivierung werden regelmäßig von Steuerpflichtigen
erfüllt werden können, die potentiell der Hinzurechnungsbesteuerung unterliegen
können, da sie mehrheitlich an einer Gesellschaft beteiligt sind und damit über ihren
Einfluss auf die Tochtergesellschaft veranlassen können, dass die erforderlichen Be-
531 BFH vom 7. 8. 2000 – GrS 2/99, BStBl. II 2000, 632, BFHE 192, 339 unter C. II. 3.
179
180
Gestaltungsüberlegung
133
schlüsse gefasst und die Nachweise diesbezüglich geführt werden. Es bietet sich inso-
weit an, den Einsatz der phasengleichen Aktivierung in Erwägung zu ziehen. Die
Antwort auf die Frage, ob diese Vorgehensweise angeraten werden kann, um mit
Hilfe der phasengleichen Aktivierung die Folgen der Hinzurechnungsbesteuerung zu
vermeiden, ist mehrdimensional zu beantworten. Zunächst ist zu klären, ob die aus-
ländische Gesellschaft den Tatbestand des § 42 AO 1977 erfüllt, was regelmäßig nur
bei sog. „Briefkastengesellschaften” anzunehmen sein wird. Ist das nicht der Fall, so ist
die phasengleiche Aktivierung selbst nicht rechtsmissbräuchlich unter dem Gesichts-
punkt der Umgehung der §§ 7–14 ff. AStG, da die Abschirmwirkung der ausländi-
schen Gesellschaft nicht genutzt wird. Mit der Aktivierung der Dividendenansprüche
gelangt das Besteuerungssubstrat ins Inland und löst die steuerliche Folge des § 8b
Abs. 5 KStG aus. Die Vermeidung der Hinzurechnungsbesteuerung ist insoweit nicht
als „unangemessen” im Sinne des § 42 AO 1977 anzusehen. Dass der ausgeschüttete
Betrag im Inland nicht (voll) besteuert wird, ergibt sich aus der Systemkonsequenz des
vom Gesetzgeber selbst geschaffenen Ordnungsrahmens. Die Voraussetzungen der
§§ 7–14 ff. AStG sind im Wortlaut zwar grundsätzlich anwendbar, allerdings stellen
sowohl Zweckmäßigkeitsüberlegungen als auch verfassungsrechtliche Aspekte gewich-
tige Gründe dafür dar, dass die Anwendung der Hinzurechnungsbesteuerung ausge-
schlossen ist. Dies würde gegen den Grundsatz der Lastengleichheit aus Art. 3 Abs. 1
GG verstoßen, eine Rechtfertigung mit dem Argument der „ausreichenden Vorbelas-
tung” kann mit guten Gründen widerlegt werden. Nachdem die Aufhebung des § 10
Abs. 5 AStG die Möglichkeit eröffnet, Gewinne ausländischer Gesellschaften der
Hinzurechnungsbesteuerung zu unterwerfen, für die das DBA-Schachtelprivileg
entsprechend anwendbar war, müssen insbesondere Beteiligungen an IFSC-
Gesellschaften in Irland daraufhin überprüft werden, ob sich die Investition überhaupt
wirtschaftlich lohnt. Mit der „phasengleichen Aktivierung” der Gewinne könnten
diese steuergünstig ins Inland ausgeschüttet werden.
Fazit. Anhand eines Sonderfalls lässt sich aufzeigen, dass die steuersystematischen
Defizite, die sich daraus ergeben, dass der Gesetzgeber die Vorschriften der Hinzu-
rechnungsbesteuerung nicht an die nach dem Steuersenkungsgesetz veränderten Rah-
menbedingungen angepasst hat, immer wieder durchschlagen und letztlich aus verfas-
sungsrechtlichen Gründen die Hinzurechnungsbesteuerung durchweg zu beanstanden
ist. Theoretisch würde die konsequente „phasengleiche Dividendenaktivierung” die
Hinzurechnungsbesteuerung bedeutungslos machen. Eine Rechtfertigung mit dem
Argument, die Dividendenbesteuerung erfordere eine „Vorbelastung”, greift nicht
durch: Nicht die Dividendenbesteuerung erfordert eine „Vorbelastung”, sondern die
181
Grundlagen für eine Neuausrichtung der §§ 7–14
Grundlagen für eine Neuausrichtung der §§ 7–14 AStG
134
Hinzurechnungsbesteuerung muss diese für sich selbst unterstellen, da sie sonst selbst
versagt. Das System der Hinzurechnungsbesteuerung knüpfte ursprünglich daran an,
dass der Steuerpflichtige Vorteile erzielen konnte, die im Steuersystem des ausländi-
schen Staates begründet waren. Nach der durch das Steuersenkungsgesetz geschaffenen
Rechtslage muss sich die Hinzurechnungsbesteuerung dafür rechtfertigen, dass die
Vorteile, die der Steuerpflichtige ziehen kann, wegen des Systems der inländischen
Besteuerung im Inland wirksam werden. Die Hinzurechnungsbesteuerung wurde
vormals benötigt, um Abschirmmöglichkeiten zu minimieren. Inzwischen entstehen
wegen § 8b Abs. 1 KStG keine negativen steuerlichen Folgen bei Ausschüttung aus-
ländischer Einkünfte, die Hinzurechnungsbesteuerung kann jedoch nicht an die Stelle
des Anrechnungsverfahrens treten, weil sie sonst das Hindernis (die Heraufschleusung
der „Ausschüttungsbelastung“) selbst erzeugen würde, zu dessen Überwindung sie
entwickelt worden war. Die insofern bestehenden Unstimmigkeiten werden sich
weiter perpetuieren, bis das Außensteuergesetz umfassend an die veränderten Gege-
benheiten angepasst wird.
Anhand der vorgegangenen Untersuchung konnte nachgewiesen werden, dass der
Systemwechsel vom körperschaftsteuerlichen Anrechnungsverfahren hin zu einer
typisierten Berücksichtigung der körperschaftsteuerlichen Vorbelastung ein verfas-
sungsrechtliches Dilemma erzeugte. Die Ursache hierfür liegt insbesondere darin, dass
die durch das Steuersenkungsgesetz begonnene Reform der Unternehmensbesteuer-
ung der Hinzurechnungsbesteuerung – insbesondere durch die Abschaffung des kör-
perschaftsteuerlichen Anrechnungsverfahrens – die Grundlage entzogen hat. Da Ge-
winnausschüttungen steuerfrei gemäß § 8b Abs. 1 KStG von einer Kapitalgesellschaft
bezogen werden können, kommt es auf die Ausnutzung der Abschirmwirkung auslän-
discher Gesellschaften nicht mehr an.
Die verfassungsrechtlichen Vorgaben sind – was die Frage der Typisierung anbe-
trifft – streng und geben in Bezug auf die Hinzurechnungsbesteuerung einen eindeuti-
gen Befund: Stellt sich heraus, dass die Typisierung nicht den in der Realität wahr-
nehmbaren Verhältnissen entspricht, widerspricht dies den Anforderungen des Grund-
gesetzes. Nach den vorgehend angestellten verfassungsrechtlichen Überlegungen ver-
bietet sich deshalb, eine Hinzurechnungsbesteuerung aufrechtzuerhalten, mit der die
Vorbelastung niedrig besteuerter ausländischer Gewinne erzeugt wird. Dies ist allein
eine Aufgabe, die vom Körperschaftsteuersystem bewerkstelligt werden muss.
Eine Neukonzeption der Hinzurechnungsbesteuerung wird daher auch von den
Systemvoraussetzungen bestimmt, in die sich eine solche Regelung einfügen muss. Zu
hoffen bleibt, dass ein sinnvolles und durchdachtes Konzept die derzeit geltende Er-
182 Die Schluss-anträge in der Rs. Cadbury
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Die Schlussanträge in der Rs. Cadbury
135
tragsteuersystematik ablöst.532 Die Bedenken gegen die Hinzurechnungsbesteuerung,
die sich aus der Untersuchung am Maßstab des Rechtsstaatsprinzips aus Art. 20 Abs. 3
GG ergeben haben, zeigen, dass der Gesetzgeber nur begrenzt das wirtschaftliche
Verhalten des Steuerpflichtigen vorbestimmen kann. Hierin kann man ein Kernprob-
lem der Hinzurechnungsbesteuerung erkennen, mit der sich der Gesetzgeber in wirt-
schaftlich sinnvolle Gestaltungen und Investitionsmöglichkeiten einschalten will,
anstatt am wirtschaftlichen Erfolg des Steuerpflichtigen teilzuhaben.
Für die Abschaffung der Hinzurechnungsbesteuerung in ihrer derzeit gültigen Fas-
sung sprechen gewichtige Gründe. Man kann diese Gründe auf den Nenner bringen,
dass die Hinzurechnungsbesteuerung zu einem Besteuerungsinstrument geworden ist,
in dem sich die Komplexität und Widersprüchlichkeit des geltenden Ertragsteuerrechts
widerspiegelt. Insofern ist die Hinzurechnungsbesteuerung ein Symptom unzulängli-
cher Gesetzgebungspraktiken. Zugleich versucht der Gesetzgeber, unerwünschte
Sachverhalte zu sanktionieren, mithin liegt darin ein Versuch, das wirtschaftliche
Verhalten der Steuerpflichtigen zu bestimmen und beeinflusst somit die Erwerbsmög-
lichkeit, den der Steuerzugriff an sich bloß aufnehmen und abschöpfen sollte.
Stellt man sich der Aufgabe, eine Konzeption einer Hinzurechnungsbesteuerung
zu entwerfen, muss zunächst überlegt werden, die Hinzurechnungsbesteuerung in
ihrer Zielsetzung danach auszurichten, weitgehende wirtschaftliche Erwerbsmöglich-
keiten des Steuerpflichtigen zu erhalten und zugleich die Teilhabe des Staates am
wirtschaftlichen Erfolg des Steuerpflichtigen zu sichern. Der Steuerpflichtige soll bei
größtmöglicher Betätigungsfreiheit von Vorteilen des gemeinsamen europäischen
Marktes profitieren können. Im Kern darf es bei einer Neukonzeption der Hinzu-
rechnungsbesteuerung nicht mehr darum gehen, wirtschaftliches Verhalten des Steuer-
pflichtigen vorherzubestimmen, sondern ein Mittel zur Durchsetzung des Steuer-
anspruchs zu schaffen, welches die staatliche Teilhabe am wirtschaftlichen Erfolg
sicherstellt. Die Schwelle für das Eingreifen einer Hinzurechnungsbesteuerung muss so
weit zurück genommen werden, dass der Steuerpflichtige nur dann in Anspruch
genommen wird, wenn die Teilhabe des Fiskus an seinem Ertrag gefährdet ist. Mit der
derzeitigen Konzeption der Hinzurechnungsbesteuerung sind erhebliche und durch-
greifende Zweifel im Hinblick auf die Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht
verbunden. Der Europäische Gerichtshof könnte allerdings eine Regelung akzeptie-
ren, welche die Ausnutzung der Abschirmwirkung als spezielle Form des Missbrauchs
von der Hinzurechnungsbesteuerung erfassen würde.
532 Vgl. hierzu etwa Elicker, Entwurf einer proportionalen Netto-Einkommensteuer, Köln, 2004.
185
186
Der Entscheidungsvorschlag des GA Léger
136
II. Aktuelle Entwicklungen vor dem EuGH: Die Rechtssache Cadbury
Der Entscheidungsvorschlag in der Rechtssache Cadbury. Nach Auffassung
des Generalanwaltes Léger stehen die Art. 43 und 48 EG-Vertrag der angefochtenen
britischen Regelung allerdings nicht entgegen, sofern diese Regelung nur für rein
künstliche Konstruktionen gelte, die auf die Umgehung des nationalen Steuerrechts
ausgerichtet sind. Dem Steuerpflichtigen muss es möglich sein, sich durch den Nach-
weis zu entlasten, dass „die von ihm kontrollierte Tochtergesellschaft tatsächlich im Niederlas-
sungsstaat ansässig ist und dass es sich bei den Umsätzen, die zu einer Minderung der Steuer-
belastung der Muttergesellschaft geführt haben, um in diesem Staat tatsächlich erbrachte Leistun-
gen handelt und dass sie nicht ohne wirtschaftliches Interesse für die Tätigkeit der Muttergesell-
schaft waren.“533
Prüfungsmaßstab in dem Streitfall ist nach Auffassung des Generalanwaltes Léger
die Niederlassungsfreiheit, da eine Beteiligung in Frage stehe, aufgrund derer Einfluss
auf die Entscheidungen dieser Gesellschaft ausgeübt und deren Tätigkeiten bestimmt
werden könne.534 Die Kapitalverkehrsfreiheit findet demgegenüber Anwendung,
wenn keine Einflussmöglichkeit bestehe.535 Dass die ausländischen Gesellschaft Dienst-
leistungen erbringe, stelle nach Ansicht des Generalanwaltes Léger im Streitfall eine
Folge der Beschränkung der Niederlassungsfreiheit dar.536
Nach Ansicht des Generalanwalts wird die Niederlassungsfreiheit nicht miss-
bräuchlich ausgenutzt, wenn eine Muttergesellschaft in einem anderen Mitglied-
staat eine Tochtergesellschaft gründet, um in den Genuss der in diesem Staat gelten-
den günstigeren Steuerregelung zu kommen.537 Es werde sonst dieser Gesellschaft die
Möglichkeit genommen, sich auf die Rechte aus den Artikeln 43 EG-Vertrag und 48
EG-Vertrag zu berufen.538 Aus diesen Artikeln des EG-Vertrages ergebe sich aus-
drücklich das Recht, in einem anderen Mitgliedstaat nach dessen für seine eigenen
Angehörigen geltenden Bestimmungen Agenturen, Zweigniederlassungen oder Toch-
tergesellschaften zu gründen.539 Der Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit sei eröff-
net, wenn eine „tatsächliche und echte“ Tätigkeit in dem anderen Mitgliedsstaat
533 Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnr. 151. 534 Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnrn. 31 und 38. 535 Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnr. 32. 536 Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnr. 36. 537 Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnr. 40. 538 Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnr. 40. 539 Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnr. 41.
Der Entscheidungsvorschlag des GA Léger
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Die Schlussanträge in der Rs. Cadbury
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ausgeübt werde.540 Dabei handelt es sich um eine Tatfrage, die von den nationalen
Gerichten geklärt werden müsse.541 Es ist grundsätzlich legitim, wenn der Steuer-
pflichtige bei seiner Investitionsentscheidung das niedrige Besteuerungsniveau berück-
sichtige.542 Es stehe dem Sinn und Zweck von Art. 43 EG-Vertrag nicht entgegen,
wenn eine Geschäftstätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat ausgeübt werde, um bei
der Besteuerung der dort steuerbaren Tätigkeiten in den Genuss der günstigeren
Steuerregelung dieses anderen Mitgliedstaats zu kommen.543 Dass ein Steuerwettbe-
werb in der Europäischen Union entstanden sei, könne sich auf die Schutzwirkung
der Niederlassungsfreiheit nicht auswirken; der Steuerwettbewerb stellt nach Auffas-
sung des Generalanwaltes ein politisches Problem dar, welches auch politisch gelöst
werden müsse.544
Eine Diskriminierung sei gegeben, da die CFC-Regelung sich nach dem im
Mitgliedstaat der Niederlassung geltenden Steuersatz richte, es sei deshalb davon aus-
zugehen, dass diese Regelung die Niederlassungsfreiheit beschränke.545 Eine Diskrimi-
nierung liegt nach der Darstellung des Generalanwaltes vor, wenn unterschiedliche
Vorschriften auf gleiche Situationen angewendet werden oder wenn dieselbe Vor-
schrift auf unterschiedliche Situationen angewendet werde.546 Im Streitfall sei von
einer Diskriminierung auszugehen, da diejenigen Gesellschaften benachteiligt werden,
die eine Tochtergesellschaft in Irland gegründet haben.547 Diese steuerliche Behand-
lung sei geeignet, eine gebietsansässige Gesellschaft von der Inanspruchnahme ihres
Rechts auf Niederlassung abzuhalten.
Nach Auffassung des Generalanwaltes kommen zwei vergleichbare Situationen in
Betracht, die als Diskriminierung beurteilt werden könnten: Erstens, sei die Situation
einer in Großbritannien ansässigen Muttergesellschaft mit einer anderen ebenfalls in
Großbritannien ansässigen Gesellschaft vergleichbar, die ihre Tochtergesellschaft im
Vereinigten Königreich gegründet hat.548 Zweitens bestehe eine Vergleichbarkeit zu
einer in Großbritannien ansässigen Gesellschaft, die eine Tochtergesellschaft in einem
Mitgliedstaat gegründet habe, dessen Steuerrecht nicht so günstig sei, dass der Anwen-
540 Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnr. 50. 541 Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnr. 50. 542 Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnr. 51. 543 Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnr. 51. 544 Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnrn. 55–60. 545 Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnr. 83. 546 Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnr. 78. 547 Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnr. 74. 548 Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnr. 74.
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Der Entscheidungsvorschlag des GA Léger
138
dungsbereich der CFC-Regelungen eröffnet wäre.549 Eine unterschiedliche Behand-
lung ergebe sich im Streitfall daraus, dass je nach dem für die Tochtergesellschaft
geltenden Steuersatz eine unterschiedliche Behandlung angeordnet werde.550 Die
Mitgliedstaaten seien jedoch nicht befugt, Gesellschaften, die in anderen Mitgliedstaa-
ten Tochtergesellschaften errichten, nach Maßgabe des im Aufnahmemitgliedstaat
anwendbaren Steuersatzes unterschiedlich zu behandeln.551 Ein Mitgliedstaat sei insbe-
sondere nicht berechtigt, die Mitgliedstaaten auszuwählen, in denen Tochtergesell-
schaften die steuerlichen Rahmenbedingungen in Anspruch nehmen dürfen.552
Es könne dahin stehen, ob eine Diskriminierung auch vorliege, wenn die Mutter-
gesellschaft der gleichen Steuerbelastung unterliegt, die bei Ansässigkeit der Tochter-
gesellschaft in Großbritannien entstanden wäre.553 Dieser Umstand ändere nichts
daran, dass eine in Großbritannien ansässige Gesellschaft, die eine nicht niedrig besteu-
erte Tochtergesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat gegründet habe, im Vergleich
zu einer Muttergesellschaft mit einer niedrig besteuerten Tochtergesellschaft unter-
schiedlich behandelt werde.554
Die sich aus dieser Diskriminierung ergebende Beschränkung der Niederlassungs-
freiheit könne gerechtfertigt sein. Der allein in Betracht gezogene Rechtfertigungs-
grund der Bekämpfung von Steuerflucht greife ein, wenn die beschränkend
wirkende Steuernorm nicht nur eine allgemein definierte Situation erfasse, sondern es
dem nationalen Gericht ermögliche, bestimmten Steuerpflichtigen oder Gesellschaften
im Einzelfall die Anwendung des Gemeinschaftsrechts zu versagen, wenn sie eine
künstliche Konstruktion geschaffen haben, um der Steuer zu entgehen.555 Die Frage,
ob und gegebenenfalls inwieweit Umsätze zwischen einer beherrschten ausländischen
Gesellschaft und ihrer Muttergesellschaft, die zu einem Rückgang des steuerpflichtigen
Gewinns der Muttergesellschaft führen, den Tatbestand einer Steuerflucht verwirkli-
che, sei im Wege einer Abwägung zu beurteilen.556 Bei dieser Abwägung sei zu be-
rücksichtigen, dass die Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse der Mitgliedstaaten
549 Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnr. 74. 550 Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnr. 78. 551 Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnr. 81. 552 Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnr. 80. 553 Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnr. 76 f. 554 Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnr. 76. 555 Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnrn. 85 ff. 556 Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnr. 104.
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Die Schlussanträge in der Rs. Cadbury
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nicht in Frage gestellt werden dürfe und andererseits der Wirkungsbereich der Nieder-
lassungsfreiheit aufrechterhalten bleibe.557
Es sei deshalb zu prüfen, ob die Gründung der beherrschten ausländischen Gesell-
schaft in einem Staat mit niedrigem Besteuerungsniveau und die von dieser gegenüber
der Muttergesellschaft getätigten Umsätze, die eine Herabsetzung der Steuerbelastung
der Muttergesellschaft im Herkunftsstaat zur Folge haben, wirklich Geschäfte darstel-
len, die dem Zweck der Niederlassungsfreiheit entsprechen.558 Die danach entschei-
dende Frage, ob eine rein künstlichen Konstruktion vorliege, die darauf ausgerichtet
sei, dem nationalen Steuerrecht zu entgehen, sei nur auf der Grundlage objektiver
Kriterien und nicht nach subjektiven Kriterien zu beantworten.559 Als Kriterien könn-
ten die „Realität des Standorts der Tochtergesellschaft“560, die „Echtheit der erbrach-
ten Leistungen“561 und die „Wertschöpfung“ durch die Tätigkeit der Tochtergesell-
schaft in Betracht gezogen werden.562
Zwar sei die britische CFC-Regelung geeignet, um Steuerumgehungen zu ver-
meiden. Die Vorschrift hebe die Wirkungen von steuerschädlichen Praktiken auf,
indem sie die von der beherrschten ausländischen Gesellschaft erzielten Gewinne in
die Besteuerungsgrundlage der Muttergesellschaft einbeziehe.563 Die Regelung sei
jedoch nicht erforderlich, da nach dem „Motivtest“ nicht in jedem Fall sicher der
557 Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnrn. 102 f. 558 Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnr. 105. 559 Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnr. 110; der Generalanwalt nimmt
etwa in Rdnr. 121 bezug auf die subjektiven Absichten, auf die für die Prüfung der „Echtheit“ der Umsätze nicht ankommen solle. 560 Daher sei zu prüfen, ob die Tochter über Räumlichkeiten, Personal und Ausrüstung verfügt,
die zur Erbringung der Leistungen erforderlich sind, vgl. Schlussanträge, a.a.O., Rdnr. 112. 561 Gemeint ist mit diesem Kriterium ausweislich der Schlussanträge (dort Rdnr. 113): verfügt das
Personal der ausländischen Tochtergesellschaft über die Kompetenz für die Erbringung; es müsse nämlich geprüft werden, auf welcher Ebene die Entscheidung bei der Erbringung der Leistungen getroffen werden. Erweise sich die Tochtergesellschaft als „bloßes Vollzugsorgan“ könne mit gutem Grund davon ausgegangen werden, dass eine rein künstliche Kontruktion gegeben sei. Hierzu ist anzumerken, dass dieses Kriterium zweifelhaft ist, denn in solchen Fällen kommt ohnehin in Frage, dass sich der Ort der Geschäftsleitung nicht im Staat der Tochtergesellschaft befindet und daher die Steuerhoheit eines anderen Staates gegeben sein könnte, vgl. zu diesem Problemkreis Konstantin von Busekist, Ort der Geschäftsleitung und missbräuchlicher Einsatz von Auslandsgesellschaften, GmbHR 2006, 126. 562 Nach Ansicht des GA Léger solle die Prüfung ermöglicht werden, ob die Leistungen der Toch-
tergesellschaften für die Tätigkeit der Muttergesellschaft „ganz ohne wirtschaftliches Interesse“ sind. Dabei gibt der GA Léger selbst zu bedenken, dass dieses Kriterium vergleichsweise schwierig anzu-wenden sei, vgl. die Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnr. 114. 563 Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnrn. 122–125.
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Der Entscheidungsvorschlag des GA Léger
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Beweis erbracht werden könne, dass die von der ausländischen Gesellschaft erbrachten
Leistungen „echt“ seien.564
Die Möglichkeit eines Informationsaustausches stelle indes kein milderes Mittel
dar. „Angesichts der Leichtigkeit, mit der solche Dienstleistungen verlagert werden
können“565 bestehe – insbesondere auch wegen einer geringen Steuerbelastung 566 –
könne eine Regelung über beherrschte ausländische Gesellschaften auf Fälle zuge-
schnitten werden, in denen eine Steuerverlagerung „am wahrscheinlichsten“ in Be-
tracht komme; ein Mitgliedstaat brauche sich nicht darauf verweisen zu lassen, dass
eine nachträgliche Erteilung von Auskünften zur Vermeidung steuerschädlicher Prak-
tiken möglich sei.567
Als milderes Mittel komme jedoch in Betracht, dass für den Steuerpflichtigen die
sichere Möglichkeit bestehe, die Echtheit der von der ausländischen Gesellschaft
erbrachten Leistungen zu beweisen: die gesetzlich eingeführte Vermutung der Steuer-
flucht müsse „wirklich widerleglich sein“.568 Der nach britischem Recht vorgesehene
Motivtest, der den Steuerbehörden ermöglichen soll, die besondere Situation jedes
Steuerpflichtigen zu berücksichtigen, werde dieser Aufgabe nicht gerecht, wenn sich
folgende Annahmen als zutreffend erweisen sollten (was nach den beschriebenen
rechtlichen Rahmenbedingungen nicht feststehe und von einem nationalen Gericht
geprüft werden müsse)569:
Erstens, deute nichts darauf hin, dass die britische Steuerverwaltung eine „irgend-
wie geartete Prüfung der tatsächlichen Tätigkeiten der Tochtergesellschaft vorneh-
me“.570 Zweitens, werde durch den Motivtest die CFC-Regelung anwendbar, wenn
eine Kapitalgesellschaft im Aufnahmestaat in den Genuss eines niedrigeren Steuersatzes
kommen will.571 In einem solchen Fall einer erlaubten Ausnutzung der Niederlas-
sungsfreiheit weise dieses Motiv nicht darauf hin, dass eine rein künstliche Konstrukti-
on vorliege, der Umstand, dass sich eine Gesellschaft dafür entschieden habe, die
Erbringung von Dienstleistungen in einem Mitgliedstaat mit sehr günstigem Steuer-
564 Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnrn. 148 f. 565 Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnr. 140. 566 Vgl. Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnr. 139, darin vertritt GA Léger die Auffassung, dass Steuerflucht wahrscheinlich noch mehr zu befürchten sei, wenn ein niedriges Besteuerungsniveau bestehe. 567 Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnrn. 137 ff. 568 Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnr. 143. 569 Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnr. 149. 570 Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnr. 147. 571 Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnr. 147.
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Die Schlussanträge in der Rs. Cadbury
141
recht zu bündeln, um ihre Steuerbelastung zu verringern, beweise nicht, dass eine rein
künstliche Konstruktion gegeben ist.572
Das Urteil in der Rs. Cadbury. Am 12. 9. 2006 erging das Urteil des EuGH in
der Rechtssache Cadbury Schweppes.573 Der Europäische Gerichtshof folgte weitgehend
der Argumentation des Generalanwalts Léger. Die britischen CFC-Regelungen dürfen
danach nur rein künstliche Gestaltungen erfassen. Ein Verstoß gegen die Niederlas-
sungsfreiheit komme in Betracht, wenn sich auf der Grundlage objektiver und von
dritter Seite nachprüfbarer Anhaltspunkte erweise, dass die ausländische Tochtergesell-
schaft ungeachtet des Vorhandenseins von Motiven steuerlicher Art tatsächlich im
Aufnahmemitgliedstaat ansässig sei und dort einer wirklichen wirtschaftlichen Tätig-
keiten nachgehe. Die Beschränkung der Niederlassungsfreiheit lasse sich nur mit den
Gründen der Bekämpfung missbräuchlicher Praktiken rechtfertigen, deren Ziel darin
liege, gegen Steuerumgehungsstrukturen in Form von rein künstlichen, jeder „wirt-
schaftlichen Realität baren Gestaltungen“ vorzugehen, die darauf abzielen, sich der im
Inland anfallenden Steuer zu entziehen; dies könne etwa im Fall einer Briefkastenfirma
oder einer Strohfirma der Fall sein.574 Dieses Verdikt der Gemeinschaftswidrigkeit der
britischen Vorschriften hat auch weitreichende Konsequenzen für die Hinzurech-
nungsbesteuerung nach dem Außensteuergesetz (§§ 7–14 AStG).575 Denn die deutsche
Hinzurechnungsbesteuerung kennt keinen Motivtest, kein Entlastungsbeweis kann
gegebenenfalls den Steuerpflichtigen in die Lage versetzten, eine „echte“ und „tat-
sächliche“ Investitionsentscheidung darzulegen um die Hinzurechnungsbesteuerung
abzuwenden. In den vom Generalanwalt Léger angestellten Überlegungen ist bemer-
kenswert, dass das nachteilige Folgen eines Steuergefälles in Europa („race to the
bottom“576) vorrangig ein politisches Problem darstellt und die Rechte des EU-
Bürgers nicht verkürzt werden. So soll gerade das Motiv, dass ein Steuerpflichtiger ein
572 Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnr. 148. 573 EuGH vom 12. 9. 2006 – Rs. C-196/04 (Cadbury), DStR 2006, 1686. 574 EuGH vom 12. 9. 2006 – Rs. C-196/04 (Cadbury), DStR 2006, 1686, Rdnrn. 55 und 68. 575 Vgl. die Anmerkungen von Wassermeyer/Schönfeld, Die EuGH-Entscheidung in der Rechtssache
„Cadbury Schweppes“ und deren Auswirkungen auf die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung, GmbHR, 1065 und von Köhler/Eicker, Wichtige EuGH-Entscheidungen zur Hinzurechnungs- und Wegzugsbesteuerung – Anmerkungen zu den EuGH-Urteilen vom 7. 9. 2006, „N“ und vom 12. 9. 2006, Cadbury Schweppes, DStR 2006, 1871; siehe auch Sedemund, BB 2006, 2119: „Das Urteil bedeutet zweifelsohne das „Aus“ auch für die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung der §§ 7 ff. AStG“ sowie Lieber, FR 2006, 993: „Eindeutig dürfte nach der Entscheidung sein, dass die Hinzure-chungsbesteuerung gem. § 7 ff. AStG in ihrer derzeitigen Form nicht haltbar ist“. 576 Vgl. Rödder/Schönfeld, Mündliche Verhandlung vor dem EuGH in der Rechtssache „Cadbury
Schweppes“: Wird sich der Missbrauchsbegriff des EuGH verändern? IStR 2006, 49.
edeutung für die Hinzurechnungsbesteuerung
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Bedeutung für die Hinzurechnungsbesteuerung
142
solches Steuergefälle ausnutzt, nach Auffassung des Generalanwaltes „legitim“ sein.
Der Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit dürfe jedoch nicht verkürzt werden.
Eine steuerliche Sanktion könne nur nach einer Einzelfallprüfung zulässig sein.
Abwägende Missbrauchsbetrachtung. Die im Verfahren in der Rechtssache
Marks & Spencer577 behandelte Fragestellung, ob ein steuerlicher Missbrauch gegeben
sei, wenn eine Konzerngesellschaft die von ihr erlittenen Verluste auf eine andere
Konzerngesellschaft übertragen dürfe um in Folge des Steuergefälles einen Steuervor-
teil zu erzielen, wurde in den Schlussanträgen des Generalanwaltes Léger zu einem
„Rechtsgrundsatz“ zusammengefasst, die im Verfahren Marks & Spencer gegeben
Prüfungskriterien für einen Missbrauch wurden zu einem Abwägungsprozess verdich-
tet. Diese Argumentation überzeugt, da sie sich auf die Erkenntnis zurückführen lässt,
dass der EU-Bürger eine nach dem EG-Vertrag sehr weitgehend geschützte wirt-
schaftliche Betätigung entfalten darf.
In der Entscheidung Marks & Spencer wurde ein Sachverhalt beurteilt, der sich mit
der Konstellation einer beherrschten Auslandsgesellschaft nicht in allen Punkten ver-
gleichen lässt. Es ging im Verfahren Marks & Spencer um die Frage, ob sich Verluste
einer Tochtergesellschaft uneingeschränkt auf andere Konzerngesellschaften übertra-
gen lassen. Wäre eine solche Möglichkeit uneingeschränkt bejaht worden, hätte dies
bedeutet, dass Verluste nach ihrer steuerlichen Wertigkeit beliebig einsetzbar gewesen
wären. Der Verlusttransfer hätte somit ermöglicht, die Steuerbelastung im „Aufnah-
mestaat“ mit Verlusten aus einem anderen Staat zu verrechnen, ohne dass es einer
wirtschaftlichen Betätigung der verlusttragenden Gesellschaft in dem „Aufnahmestaat“
bedurft hätte. Allein die Verschiebung der Verlustposition hätte folglich ausgereicht
um einen Steuervorteil zu erzielen. Es liegt auf der Hand, dass eine solche Vorge-
hensweise – im Urteil in der Rechtssache Marks & Spencer zu Recht als „Praktik“
bezeichnet578 – nichts mit der Zielsetzung des EG-Vertrages gemein hat. Anders liegt
es hingegen in Fällen, die von einer Regelung wie den britischen CFC-Regelungen
oder der deutschen Hinzurechnungsbesteuerung betroffen sind. Wird in diesen Fällen
eine „echte und tatsächliche“ wirtschaftliche Tätigkeit entfaltet, kann sich der EU-
Bürger Steuervorteile zu nutze machen.
Besonderheit passiver Tätigkeit. Die Entscheidung in der Rechtssache Cadbu-
ry berührt auch die Fragestellung, ob bestimmte (passive) Tätigkeiten einen Anknüp-
577 EuGH vom 13.12.2005, Rs. C-446/03 (Marks & Spencer/David Halsey – Her Majesty’s In-
spector of Taxes –), DStR 2005, 1268. 578 EuGH vom 13.12.2005, Rs. C-446/03 (Marks & Spencer/David Halsey), DStR 2005, 1268,
Rdnr. 50; EuGH vom 12. 9. 2006 – Rs. C-196/04 (Cadbury), DStR 2006, 1686, Rdnr. 64.
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Die Schlussanträge in der Rs. Cadbury
143
fungspunkt für eine Missbrauchsvorschrift geben. Fast beiläufig wird das Argument
akzeptiert, dass es in Fällen bestimmter Dienstleistungen im Vergleich zur Verlegung
von Produktionsstätten einfach sei, eine Gewinnverlagerung zu erreichen. Der Ge-
setzgeber könne in solchen Fällen, eine Vermutungsregel aufstellen und muss sich
nicht darauf verweisen lassen, dass ein Informationsaustausch ein milderes Mittel
darstellen könnte. Der Generalanwalt führt außerdem aus, dass in Fällen, in denen
vergleichsweise einfache Verlagerungsmöglichkeiten bestehen, eine niedrige Steuerbe-
lastung einen zusätzlichen Anreiz für steuerschädliches Verhalten schaffen könnte.
„So ist es […] viel leichter, eine künstliche beherrschte ausländische Gesellschaft zu grün-
den, der die Erbringung von Dienstleistungen zugeschrieben wird, als wenn sie eine Pro-
duktionstätigkeit zur Herstellung eines Verbrauchsguts ausüben soll. […]
Überdies sind solche Konstruktionen wahrscheinlich noch mehr zu befürchten, wenn die
beherrschte ausländische Gesellschaft in einem Staat mit sehr niedrigem Besteuerungsni-
veau gegründet wird. […]
In einem solchen Fall halte ich es angesichts der Leichtigkeit, mit der solche Dienstleistun-
gen verlagert werden können, nicht für überzogen, dass ein Mitgliedstaat die Vermutung
einer Steuerflucht einführt, anstatt sich auf eine nachträgliche Erteilung von Auskünften zu
verlassen.“ 579
Der Umstand, dass etwa in Fällen, in denen die Auslandsgesellschaft passive Einkünfte
erzielt, bedeutet also vergleichsweise einfache Verlagerungsmöglichkeit für Einkunfts-
quellen. Diese Erkenntnis stimmt mit dem gefundenen Ergebnis überein, dass in den
Fällen passiver Einkünfte die Verlagerung des Steueranspruchs in einen anderen Staat
allein dadurch vollzogen werden kann, dass hierfür „Substanz“ verschoben werden
muss. Die prinzipielle Besonderheit passiver Einkünfte könnte mithin darin erkannt
werden, dass in diesen Fällen materielle Verlagerungserfordernisse gegenüber formel-
len Verlagerungsmöglichkeiten zurücktreten. Der Steuerpflichtige kann in solchen
Fällen die Verlagerung von Einkunftsquellen dadurch erreichen, dass er im wesentli-
chen formale Übertragungsakte ausführt, durch die eine Einkunftsquelle in den Gel-
tungsbereich einer anderen Jurisdiktion und Steuerrechtsordnung übergehen, während
etwa die Verlagerung eines Industriebetriebs umfangreichen organisatorischen und
finanziellen Aufwand bedeuten würde.
Diesen Umstand würdigt Generalanwalt Léger im Prüfungspunkt „Erforderlich-
keit“. Auf die Bedeutung als sachliches Unterscheidungskriterium geht der General-
anwalt indes nicht ein. So bleiben Zweifel, ob die Tatbestandsmerkmale „passive 579 Vgl. die Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnr. 140 ff.
203
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Bedeutung für die Hinzurechnungsbesteuerung
144
Tätigkeit“, „niedrige Besteuerung“ und „Beherrschung“, wie sie auch von den §§ 7–
14 AStG verwendet werden, eine Vermutungsregel für einen steuerlichen Missbrauch
begründen können. Erkennt man dies an, könnten solche Merkmale als indizielles
Kriterium auch nach einer Reform der Hinzurechnungsbesteuerung aufrechterhalten
werden. Eine solche Vermutungsregel, die auf solchen indiziellen Merkmalen aufbaut,
könnte – so formuliert es der Generalanwalt – zur „Rechtssicherheit der Wirt-
schaftsteilnehmer“ beitragen, denn der betroffene Steuerpflichtige könne Kenntnis des
Umstands erlangen, dass in der von ihm gewählten Fallgestaltung eine Steuerflucht
vermutet wird.580 Allerdings müsse diese Vermutungsregel „wirklich widerleglich“
sein.581 Der Generalanwalt Léger hat damit im Ansatz die „Vermutung“ von steuer-
schädlichen Praktiken zugelassen, die jedoch nur in Fällen „echten“ und nachgewiese-
nen Missbrauchs die Niederlassungsfreiheit beschränken könne. Die Vermutungsregel
darf also nicht generell jeden missbrauchsgeneigten Fall erfassen, sondern darf nur
unter sehr strengen Voraussetzungen angewendet werden. Es muss eine Einzelfallprü-
fung geben und dem Steuerpflichtigen muss jederzeit die Möglichkeit eröffnet sein,
die Missbrauchsvermutung zu widerlegen. Im Ergebnis ist dem wohl zuzustimmen, da
der Steuerpflichtige von den Vorteilen der Grundfreiheiten des EG-Vertrages profitie-
ren kann und sich nicht infolge einer „prophylaktischen Wirkung“ beschränkender
Steuerregelungen – wie der Hinzurechnungsbesteuerung – überlegen muss, ob er von
der Niederlassungsfreiheit Gebrauch macht. Eine spezielle Missbrauchsregelung kann
folglich sicherstellen, dass die Freiheiten des EG-Vertrages nicht ausgenutzt werden.
Dies entspricht der vorgefundenen Erkenntnis, dass sich aus dem EG-Vertrag ein
Verantwortungsprinzip ergibt, welches eine stete Abwägung zwischen Pflichten und
Rechten des EU-Bürgers verlangt. Der Steuerpflichtige kann sich also sicher sein, dass
ihn eine Besteuerungsfolge treffen wird, wenn er in missbräuchlicher Weise von den
Vorteilen des EG-Vertrages profitieren will. Er kann sich aber genau so sicher sein,
dass „echte“ Tätigkeiten ausgeübt werden dürfen, ohne dass er danach steuerlichen
Sanktionen unterliegt. Der EuGH betont in der Entscheidung zur Rechtssache Cad-
bury, dass es für die Feststellung eines Missbrauchs entscheidend darauf ankommen
muss, ob dieser tatsächlich nachweisbar ist:
„Dementsprechend sind die Rechtsvorschriften über beherrschte ausländische Gesellschaf-
ten nur dann gemeinschaftsrechtskonform, falls die von ihnen vorgesehene Besteuerung
ausgeschlossen ist, wenn die Gründung einer beherrschten ausländischen Gesellschaft un-
580 Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnr. 141. 581 Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnr. 143.
Die Schlussanträge in der Rs. Cadbury
145
geachtet des Vorhandenseins von Motiven steuerlicher Art mit einer wirtschaftlichen Rea-
lität zusammenhängt.“582
Kohärenz. Schließlich ist noch anzumerken, dass sich der Rechtfertigungsgrund
der „Kohärenz des Steuersystems“ und das zur Rechtfertigung der Hinzurechnungs-
besteuerung ins Treffen geführte Welteinkommensprinzip583 nicht in den Überlegun-
gen des Generalanwaltes niedergeschlagen haben. Der Rechtfertigungsgrund der
Kohärenz war im Anschluss an die „Manninen-Entscheidung“ im Schrifttum erörtert
worden auch im Hinblick auf die Hinzurechnungsbesteuerung diskutiert worden.
Allerdings wird die Hinzurechnungsbesteuerung einer Kohärenzbetrachtung nicht
gerecht.584 Die Schlussanträge des Generalanwaltes Léger bestätigen, dass eine Kohä-
renzanalyse keine Rechtfertigungsmöglichkeit für das Verdikt der Gemeinschafts-
rechtswidrigkeit schafft.
Bedeutung für eine Neukonzeption. Aus der Entscheidung in der Rechtssa-
che Cadbury ergeben sich keine durchgreifenden Bedenken, wenn eine Missbrauchs-
regelung auf Sachverhaltsgestaltungen gerichtet wird, in denen die Steuerflucht „am
Wahrscheinlichsten“ ist.585 Die geregelten Sachverhalte werden als „gefahrgeneigt“
angesehen, so dass aus den Merkmalen der derzeit geltenden Hinzurechnungsbesteue-
rung eine indizielle Wirkung auf eine Steuerflucht entnommen werden könnte. Her-
vorzuheben ist jedoch, dass erst nachdem mit Sicherheit – etwa aufgrund eines „Mo-
tivtests“ oder einer entsprechenden Entlastungsregel – festgestellt wird, dass der Miss-
brauch verwirklicht ist, eine Sanktion eingreifen kann. Eine niedrige Steuerbelastung
darf indes für sich genommen nicht die Grundfreiheiten beschränken, sie kann nur als
Indikator für eine Missbrauchsvermutung herangezogen werden. Weiter ist hervorzu-
heben, dass der Generalanwalt auch bestätigt, dass ein Missbrauchskriterium darin
erblickt werden kann, dass eine Auslandsgesellschaft keine Ausschüttung vornimmt
und die Gewinne ansammelt.586 Dies spricht dafür, den Umstand zu einer Vorausset-
582 EuGH vom 12. 9. 2006 – Rs. C-196/04 (Cadbury), DStR 2006, 1686, Rdnr. 65. 583 Vgl. dazu zuletzt Kraft/Bron, Deutsche Hinzurechnungsbesteuerung und Europarecht, RIW
2006, 209 (213). 584 Vgl. dazu sub Rdnr. 131. In der Rechtssache Manninen war die Belastung mit Körperschafts-
teuer als Nachteil angesehen worden, der mit der Anrechnung als kohärenten Vorteil dem Europäi-schen Gerichtshof akzeptabel erschien (der allerdings auch forderte, dass die Anrechnungsmöglichkeit nicht vom Sitz der Gesellschaft abhängen dürfte). Man wird deshalb die Besteuerung einer Körper-schaft – selbst wenn diese wie im Streitfall Cadbury niedrig ist – als Nachteil im Sinne einer Kohä-renzbeziehung werten müssen, die Hinzurechnungsbesteuerung setzt dann noch einen weiteren Nachteil hinzu. 585 Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnr. 137. 586 Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnr. 139.
205
206
Bedeutung der Schlussanträge für eine Neukonzeption
Verschiedene Ansätze einer Neukonzeption
146
zung einer Neukonzeption zu erheben, dass eine Ausschüttung über einen längeren
Zeitraum hin unterbleibt.
III. Reformkonzepte
Dass für den Regelungskomplex der Hinzurechnungsbesteuerung ein Reformbedarf
besteht, wird von einer Reihe von Autoren angenommen.587 Dabei wurden inzwi-
schen auch Ansätze vorgestellt, mit denen der Hinzurechnungsbesteuerung eine ver-
fassungskonforme und gemeinschaftsrechtskonforme Ausrichtung gegeben werden
könnte. Vorgeschlagen wurde unter anderem, Staaten zu identifizieren, die schädli-
chen Steuerwettbewerb betreiben und diese in eine „schwarze Liste“ aufzunehmen,
mit der Konsequenz, dass die Hinzurechnungsbesteuerung nur für diese Staaten rele-
vant werden würde. Weiter ließe sich überlegen, die Hinzurechnungsbesteuerung auf
die Fälle reiner Vermögensverwaltung zu beschränken588 und eine gemeinschafts-
rechtsverträgliche Konzeption dadurch zu gewährleisten, dass Holdingtätigkeiten ohne
Einschränkung von der Hinzurechnungsbesteuerung ausgenommen werden müssten
und nur bei tatsächlicher Einflussnahme des Anteilseigners überhaupt eine Anwen-
dung in Betracht zu ziehen sei.589
Eine gemeinschaftsrechtliche Untersuchung der Hinzurechnungsbesteuerung be-
fasste sich mit der Frage, ob das wirtschaftliche Konzept der Kapitalexportneutralität
ein zulässiges Leitbild für die Hinzurechnungsbesteuerung darstellen könne. Hierzu
wurde ein normatives Konzept entwickelt, welches das Kriterium der schädlichen Be-
steuerung in den Mittelpunkt stellt. Schädliche Besteuerungspraktiken liegen danach
vor, wenn steuerliche Maßnahmen eines Staates um mehr als 5 % hinter dem übli-
cherweise in dem betreffenden Staat geltenden Belastungsniveau zurückbleiben.590 Ob
dies der Fall ist, wird für bestimmte Fälle vermutet591, etwa wenn steuerliche Vorteile
587 Vgl. etwa Lieber/Rasch, Mögliche Konsequenzen der Rechtssache „Cadbury Schweppes“ für
die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung, GmbHR 2004, 1572 (1577 f.); Martina Baumgärtel, in: Lüdicke (Hrsg.), Fortentwicklung der internationalen Unternehmensbesteuerung (Forum der interna-tionalen Besteuerung, Band 23), 2002, 77. 588 Vgl. Baumgärtel, in: Lüdicke (Hrsg.), Fortentwicklung der internationalen Unternehmensbe-
steuerung (Forum der internationalen Besteuerung, Band 23), 2002, 77 (99). 589 Baumgärtel, in: Lüdicke (Hrsg.), Fortentwicklung der internationalen Unternehmensbesteuerung
(Forum der internationalen Besteuerung, Band 23), 2002, 77 (101 f.). 590 Vgl. Schönfeld, Hinzurechnungsbesteuerung und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 640, dort § 8
Abs. 3 Nrn. 1–4 AStG-E. 591 Vgl. dazu Schönfeld, Hinzurechnungsbesteuerung und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 640,
dort § 8 Abs. 3 AStG-E.
207 Darstel-lung diskutier-ter Reform-konzepte
Verschiedene Ansätze einer Neukonzeption
208
Darstellung diskutierter Reformkonzepte
147
nur Gebietsfremden gewährt werden oder Vorteile gewährt werden für Sachverhalte,
die „völlig von der inländischen Wirtschaft isoliert sind“.592 Dieser Vorschlag löst sich
zutreffend von der Vorstellung, dass die Ausnutzung der Abschirmwirkung einer
ausländischen Gesellschaft wegen der formalen Verlagerungsmöglichkeit die Grundla-
ge für die Hinzurechnungsbesteuerung bildete und sieht eine Regelung vor, mit der
eine Vorbelastung erzeugt wird. Da sich das Konzept insbesondere wegen der Versa-
gung der Anwendung der Freistellung nach § 8b Abs. 1 KStG und § 3 Nr. 40 EStG
an der derzeit bestehenden Konzeption orientiert, begegnet es – in gleicher Weise wie
dies bei der derzeit geltenden Hinzurechnungsbesteuerung der Fall ist –
verfassungsrechtliche Bedenken: Der Gesetzgeber hat sich mit der Typisierung der
Vorbelastung durch das Körperschaftsteuersystem eben die Möglichkeiten beschränkt,
mit denen er auf eine fehlende Vorbelastung reagieren kann. Das Gebot realitätsge-
rechter Besteuerung gibt danach den gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum vor. In
Fällen der fehlenden Vorbelastung kann von der geregelten Typisierung nur unter der
Voraussetzung abgewichen werden, dass hierfür ein sachlicher Grund gegeben ist,
nicht aber deswegen, weil die Typisierung selbst als nicht zutreffend erkannt wird.
Wer für die Notwendigkeit der Herstellung einer Vorbelastung eintritt, muss zugeben
oder behaupten, dass das neue Körperschaftsteuersystem verfassungswidrig ist. Daher
sind gesetzliche Konzeptionen abzulehnen, bei denen die Hinzurechnungsbesteuerung
auf den Gedanken zurückgeführt wird, das deutsche Körperschaftsteuersystem erforde-
re eine bestimmte Vorbelastung. Problematisch könnte bei der vorgeschlagenen Ge-
setzeskonzeption des weiteren sein, ob es sich bei den Tatbestandsmerkmalen „multi-
nationale Unternehmensgruppe“, „substantielle Präsenz“, „laxere und undurchsichtige
Handhabung der Rechtsvorschriften“ um hinreichend bestimmbare Rechtsbegriffe
handelt und ob diese im Einzelfall praktikabel angewendet werden könnten.
Bedenkenswert erscheint an diesem Konzept weiter, ob die in diesem Konzept
vorgeschlagene Vermutung schädlicher Besteuerungspraktiken im Hinblick auf die
Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache Hughes de Lasteyrie
einen tragfähigen Anknüpfungspunkt darstellen kann. Nach dem Urteil des Europäi-
schen Gerichtshofs in dieser Rechtssache kann eine „allgemeine Vermutung von Steuer-
flucht oder Steuerhinterziehung […] nicht auf den Umstand gestützt werden, dass eine natürli-
592 Hierzu muss aber gefragt werden, ob überhaupt eine Hinzurechnungsbesteuerung notwendig
ist, wenn „Gebietsfremde“ steuerliche Vorteile erlangen können. Dann würde sich schon aus der Ansässigkeit ein Besteuerungsrecht ergeben. Siehe Schönfeld, Hinzurechnungsbesteuerung und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 640, dort § 8 Abs. 3 Nr. 1 AStG-E.
209
Die Entwicklung einer speziellen Missbrauchsregelung
148
che Person ihren Wohnsitz in einen anderen Mitgliedstaat verlegt hat […].“593 Die tatbestand-
liche Anknüpfung einer Hinzurechnungsbesteuerung an eine Vermutung sagt indes
nichts darüber aus, ob ein Missbrauch vorliegt oder ob eine steuerliche Fehlentwick-
lung gegeben ist. Gerade im gemeinschaftsrechtlichen Kontext ist es den Mitglieds-
staaten grundsätzlich untersagt, wirtschaftspolitische Vorstellungen anderen Mitglieds-
staaten aufzuzwingen oder durch einseitig belastende Maßnahmen zur Geltung zu
bringen. Außerdem wird die Frage, ob eine schädliche Besteuerung vorliegt, nicht
zwingend dafür von Bedeutung sein, ob die missbräuchlichen Folgen aus der Einschal-
tung einer ausländischen Gesellschaft eintreten. Im Hinblick auf die Schlussanträge des
Generalanwaltes Léger in der Rechtssache Cadbury/Schweppes wird ein Missbrauchs-
konzept danach nicht mehr aufrecht erhalten werden können, das an eine vorteilhafte
steuerliche Situation anknüpft.
B. Konzeption einer speziellen Missbrauchsvorschrift
Das Außensteuergesetz ist, was den Regelungsbereich der Hinzurechnungsbesteuer-
ung anbetrifft, ein Musterbeispiel für ein unübersichtliches, widersprüchliches und
ständigen Änderungen unterliegendes Gesetzeswerk. Unter diesem Befund lassen sich
Mängel im System der logischen Folgerichtigkeit nachweisen, insbesondere haben
auch die etwa in § 7 Abs. 6 AStG enthaltenen Ausnahmetatbestände die Kernregeln
der Hinzurechnungsbesteuerung überwuchert. Die dort enthaltenen Detailbestim-
mungen laden den gestaltungsbereiten Steuerpflichtigen geradezu ein, anhand gesetzli-
cher Begrifflichkeiten Ausweichgestaltungen zu schaffen. Die Entwicklungen in Zu-
sammenhang mit den „Dublin Docks“-Fällen zeigen anschaulich, dass die Ausweich-
bewegungen den Steuerzugriff erschweren und ineffektiv werden ließen. Steuer-
vermeidungsstrategien müssen bei der Ausgestaltung einer Hinzurechnungsbesteuer-
ung berücksichtigt werden, da sonst Korrekturtatbestände vorhersagbar sind, die eine
weitere Aufsplitterung des Steuerrechts begünstigen. Der international investierende
Steuerpflichtige muss die in der Hinzurechnungsbesteuerung zum Ausdruck kom-
mende Interventionsentscheidung verstehen können, da nur danach der Steuereingriff
vorhersehbar und berechenbar sein wird. Das Ziel einer effektiven Hinzurechnungs-
besteuerung muss deshalb zunächst sein, dass der betroffene Steuerpflichtige der Belas-
tung durch die Hinzurechnungsbesteuerung nicht ausweichen kann. Eine enge und
593 Vgl. EuGH vom 11. 3. 2004 – Rs. C-9/02 (de Lasteyrie du Saillant), IStR 2004, 236, Rdnr. 51.
Die Entwicklung einer speziellen Missbrauchsregelung
Neu-konzep-tion eines außen-steuerli-chen Rege-
210
Neukonzeption eines außensteuerlichen Regelungskonzepts
149
detaillierte Tatbestandsbildung, als sie in Zusammenhang mit der derzeit geltenden
Hinzurechnungsbesteuerung nachgewiesen werden kann, wird die Steuervermeidung
nicht verhindern, sondern den betroffenen Steuerpflichtigen ermutigen, seine Gestal-
tungen am Tatbestand der Ausnahmeregelung zu orientieren. Der Belastungsgrund für
eine Hinzurechnungsbesteuerung muss deshalb eine Ausrichtung erfahren, mit der
einerseits eine größtmögliche Breitenwirkung erzielt wird und gleichzeitig genau
diejenigen Fälle vorgezeichnet sind, die einer sanktionierenden Rechtsfolge unterlie-
gen, ohne gleichzeitig den Steuerpflichtigen zur Vornahme von Vermeidungsstrate-
gien zu ermuntern. Diese Anforderungen an eine Hinzurechnungsbesteuerung werden
weiter durch den Bestimmtheitsgrundsatz und die Effektivität des Steuergesetzes im
Massenverfahren begrenzt. Der Tatbestand der Hinzurechnungsbesteuerung muss den
wirtschaftlichen Vorgang oder die wirtschaftliche Lage erfassen, die als Interventions-
grund aufgezeigt werden, und die Gestaltungsfreiheit sachgerecht gegen Steuer-
vermeidungsstrategien begrenzen. Eine wichtige Überlegung geht daher auch dahin,
dass dem Steuerniveau für den Tatbestand untergeordnete Bedeutung zuerkannt
werden muss. Ein Steuerpflichtiger, der eine Gestaltung wählt, die zur Steuerflucht
dient, wird sich von Steuersätzen nicht abschließend in seiner Entscheidung zur Steu-
erflucht oder Steuervermeidung leiten lassen. Da es in vielen Ländern ohnehin mög-
lich ist, individuell Steuersätze mit den Finanzbehörden auszuhandeln, kann der Steu-
erpflichtige sich von der Hinzurechnungsbesteuerung „freikaufen“, wenn er nur bereit
ist, den inländischen Körperschaftsteuersatz von 25 % (§ 23 Abs. 1 KStG, § 8 Abs. 3
AStG) zu entrichten. Hierdurch wird weder eine gleichmäßige Besteuerung gewähr-
leistet, noch entsteht dadurch eine sachgerechten Rechtsfolge, die Steuerpflichtigen
werden vielmehr auch hier zu Ausweichverhalten ermutigt.
Die bislang gewonnenen Ergebnisse deuten darauf hin, dass eine Hinzurechnungs-
besteuerung als Missbrauchstatbestand konzipiert werden könnte. Dieser Gedanke
erscheint schon deshalb vorzugswürdig, weil sich aus der Rechtsprechung des Europä-
ischen Gerichtshofs eine Legitimation grundsätzlich ergeben würde. Die Hinzurech-
nungsbesteuerung müsste speziell bezwecken, rein künstliche Konstruktionen, die auf
eine Umgehung des Steuerrechts gerichtet sind, von einem Steuervorteil auszuschlie-
211
Die Entwicklung einer speziellen Missbrauchsregelung
150
ßen.594 Es müssen also rein künstliche Konstruktionen unterbunden werden,595 hinge-
gen sind typisierende Missbrauchsbekämpfungsvorschriften, die generell jede Situation
erfassen, die als missbräuchlich eingestuft wird, unzulässig.596
Eine spezielle Missbrauchsvorschrift könnte folglich den gemeinschaftsrechtli-
chen Anforderungen für eine Hinzurechnungsbesteuerung genügen. Aus dem Argu-
ment einer „Missbrauchsbekämpfung“ im Hinblick auf die Vermeidung steuerlicher
Fehlentwicklungen könnte sich eine flexible Regelung entwickeln lassen, die dem
Steuerpflichtigen größtmögliche Freiheiten bei der erwerbswirtschaftlichen Betätigung
belässt. Allerdings muss dafür zunächst überlegt werden, ob und unter welchen Vor-
aussetzungen die Einschaltung einer ausländischen Gesellschaft als Missbrauch einzu-
ordnen ist. Es müssen deshalb zunächst die Anhaltspunkte aufgezeigt werden, die für
die Identifikation eines Missbrauchs bedeutsam sind. Dazu ergeben sich aus der
Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs Ansatzpunkte.
Der Bundesfinanzhof geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass § 42
AO 1977 auch die Fälle erfasst, für die der Tatbestand der Hinzurechnungsbesteuer-
ung eingreift. Begründet wird dies damit, dass die allgemeine Missbrauchsvorschrift in
ihrer Wirkung auf der Ebene der Einkünfteerzielung ansetze und aufgrund der unter-
schiedlichen Rechtsfolgen der Vorschriften § 42 AO 1977 gegenüber den §§ 7–14
AStG „logisch vorrangig“ sein müsse.597 Diesen „logischen Vorrang“ schränkt der
Bundesfinanzhof jedoch ein, da er die Frage des Missbrauchs am Gesetzeszweck der
Hinzurechnungsbesteuerung misst.598 Die Erzielung von passiven, niedrig besteuerten
594 EuGH vom 16. 7. 1998 – Rs. C-264/96 (ICI), Slg. 1998, I-4695, Rdnr. 26. Das Gericht führte
hierzu aus: „Zu der auf die Gefahr einer Steuerumgehung gestützten Rechtfertigung genügt die Feststellung, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Rechtsvorschriften nicht speziell bezwecken, rein künstliche Konstruktionen, die auf eine Umgehung des Steuerrechts des Vereinig-ten Königreichs gerichtet sind, von einem Steuervorteil auszuschließen, sondern generell jede Situation erfassen, in der die Mehrzahl der Tochtergesellschaften eines Konzerns ihren Sitz, aus welchen Gründen auch immer, außerhalb des Vereinigten Königreichs hat.“ 595 Vgl. auch EuGH vom 16. 7. 1998 – Rs. C-264/96 (ICI) – Slg. 1998, I-4695; EuGH vom
12. 12. 2002 – Rs. C-324/00 (Lankhorst-Hohorst), Slg. 2002, I-1177, Rdnr. 37. 596 Hahn, Das ICI-Urteil des EuGH und die Hinzurechnungsbesteuerung gemäß §§ 7 ff. AStG,
IStR 1999, 612 ff.; M. Lang, CFC-Gesetzgebung und Gemeinschaftsrecht, IStR 2002, 217 (220). 597 BFH vom 23. 10. 1991 – I R 40/89, BStBl. II 1992, 1026 (II. 2.b. aa–cc der Entscheidungs-
gründe) und BFH vom 10. 6. 1992 – I R 105/89, BFHE 168, 279, BStBl. II 1992, 1029 (II. 2. b. aa–cc der Entscheidungsgründe). 598 BFH vom 23. 10. 1991 – I R 40/89, BStBl. II 1992, 1026 (II. 2. b. dd. der Entscheidungs-
gründe) und BFH vom 10. 6. 1992 – I R 105/89, BFHE 168, 279, BStBl. II 1992, 1029 (II. 2. b. aa–cc der Entscheidungsgründe).
212
213
Neukonzeption eines außensteuerlichen Regelungskonzepts
151
Einkünften sei für sich genommen nicht missbräuchlich.599 Danach kann auch in
Fällen der Hinzurechnungsbesteuerung ein Missbrauch gegeben sein kann, allerdings
kommt ein Missbrauch für den eigentlichen Anwendungsbereich der Regelungen
nicht in Betracht. Die Frage, worin in einem Fall der Hinzurechnungsbesteuerung ein
Missbrauch erkannt werden kann, muss zunächst unbeantwortet bleiben. Aufschluss-
reich könnte jedoch eine Auseinandersetzung mit den Argumenten des Bundesfinanz-
hofs sein.
Betrachtet man die Argumentation, welcher sich der Bundesfinanzhof bedient, um
ein Konkurrenzverhältnis zu begründen, muss das gefundene Ergebnis eines Vorrangs
von § 42 AO 1977 gegenüber §§ 7–14 AStG in Zweifel gezogen werden. Dieser
Vorrang müsste sich aus dem jeweiligen Tatbestand der Regelung und nicht – wie
vom Bundesfinanzhof angenommen – aus den „Rechtsfolgen“ der konkurrierenden
Vorschriften herleiten lassen.600 Das Problem eines Konkurrenzverhältnisses wird
überhaupt erst dann erheblich, wenn zwei Vorschriften unterschiedliche Rechtsfolgen
aufweisen.601 Die Anwendung des § 42 AO 1977 kommt in Betracht, wenn die un-
mittelbare Subsumtion eines Sachverhaltes unter einen Steuertatbestand nicht die
steuerliche Leistungspflicht begründet und die jeweilige Gestaltung „unangemessen“ ist.
Als Rechtsfolge sieht § 42 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 vor, dass der Steueranspruch so
entsteht, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen
Gestaltung entstanden wäre. Es wird somit ein Sachverhalt der Besteuerung unterwor-
fen, der tatsächlich (in der Realität ist nur ein „unangemessener“ Sachverhalt gegeben)
nicht verwirklicht worden ist.
Der tatsächlich verwirklichte – unangemessene – Sachverhalt, wird dann durch
den „angemessenen“ Sachverhalt im Wege einer Sachverhaltsanalogie ersetzt.602 Die
Hinzurechnungsbesteuerung erfasst hingegen den tatsächlich verwirklichten Sachver-
halt. Deshalb kann eine gesetzliche Konkurrenzregelung – etwa im Sinne der Speziali-
tät – zwischen § 42 AO 1977 und §§ 7–14 AStG schon dem Grunde nach nicht
problematisch sein. Richtigerweise wird man davon auszugehen haben, dass unter-
schiedliche Subsumtionsgrundlagen Gegenstand der beiden Besteuerungsregeln sind.
599 Vgl. auch BFH vom 19. 1. 2000 – I R 117/97, BFH/NV 2000, 824 (II 1 b) und I R 94/97,
BStBl. II 2001, 222 (II. 1. b. der Entscheidungsgründe). So auch Hahn, Die Vereinbarkeit von Normen des deutschen internationalen Steuerrechts mit EG-Recht, IFSt-Schrift Nr. 378, 163. 600 Siehe dazu Karl Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Auflage, Berlin 1991, 266. 601 Dazu mit Beispielen Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Auflage, Berlin 1991,
266 f. 602 Vgl. auch Kluge, Die Hinzurechnungsbesteuerung nach §§ 7–14 AStG und die Normen des
allgemeinen Steuerrechts, StuW 1976, 101 (105); Wassermeyer, in: Festschrift Flume, 323 (325).
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215
Die Entwicklung einer speziellen Missbrauchsregelung
152
Die Vorschriften über die Hinzurechnungsbesteuerung (§§ 7–14 AStG) registrieren,
ob ein Sachverhalt missbrauchsgeneigt ist, das heißt ob missbräuchliche Folgen aus diesen
Fallgestaltungen tendenziell häufiger beobachtet werden können.603 Die Hinzurech-
nungsbesteuerung dient mithin dazu, Missbrauch zu vermeiden und greift (auch) in den
Fällen ein, in denen ein Missbrauch an sich nicht gegeben ist. Damit schließt die
Anwendbarkeit von §§ 7–14 AStG die Anwendung von § 42 AO 1977 nicht grund-
sätzlich aus, da die letztgenannte Vorschrift nur echte Missbrauchsfälle erfasst. Eine Be-
steuerung des tatsächlich verwirklichten Sachverhaltes, wie die §§ 7–14 AStG dies
anordnen, ist gegenüber der Besteuerung eines unterstellten Sachverhalts vorrangig,
sonst werden zwei unterschiedliche Sachverhalte – der tatsächlich verwirklichte und
der anhand steuerlicher Wertungen unterstellte Sachverhalt – zur Grundlage des
Steuerzugriffs. Anders ausgedrückt muss der in der Realität wahrgenommene Sach-
verhalt gegenüber einer fiktiven Besteuerungsgrundlage nicht zurücktreten. Aus die-
sem Verhältnis der beiden Vorschriften folgt, dass bei der Hinzurechungsbesteuerung
nicht der Gedanke einer Missbrauchsbekämpfung im Vordergrund steht.604 Um den
Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs zu entsprechen, ließe sich deshalb daran
denken, die Hinzurechungsbesteuerung aus dieser funktionalen Beziehung als „ab-
strakte Missbrauchsvermeidungsnorm“ zu lösen und sie als Instrument gegen echten
Missbrauch zu konzipieren. Man könnte die Regelung damit gegen diejenigen Fälle
richten, die sich bei Einschaltung einer ausländischen Gesellschaft zum Zwecke der
Einkunftsverlagerung tatsächlich als missbräuchlich erweisen.
Somit stellt sich die Frage, welcher Aspekt sich als missbräuchlich im möglichen
Regelungsbereich einer Hinzurechungsbesteuerung erweist. Die Erzielung passiver
Einkünfte, seien diese auch nicht ausreichend besteuert, so lässt sich vorab unter Hin-
weis auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs formulieren, ist für sich genom-
men nicht missbräuchlich.605 Es kommt jedoch in Betracht, dass sich die Folgen aus der
Einschaltung eines selbständigen ausländischen Rechtsträgers als missbräuchlich her-
603 Hahn, Die Vereinbarkeit von Normen des deutschen internationalen Steuerrechts mit EG-
Recht, IFSt-Schrift Nr. 378, 159. 604 Vgl. dazu Hahn, Die Vereinbarkeit von Normen des deutschen internationalen Steuerrechts mit
EG-Recht, IFSt-Schrift Nr. 378, 159, der Gesetzgeber wollte im Interesse der deutschen Aus-landswirtschaft die steuerlichen Vorteile wirksam werden lassen, da deren Konkurrenzfähigkeit im niedriger besteuernden Ausland nicht beeinträchtigt werden sollte. In den Gesetzesmaterialien zum Außensteuergesetz finden sich keine Hinweise, dass der Gesetzgeber in dem Zusammentreffen einer niedrigen Besteuerung mit dem Fehlen aktiver wirtschaftlicher Tätigkeiten einen Missbrauch sah. 605 Vgl. auch BFH vom 19. 1. 2000 – I R 117/97, BFH/NV 2000, 824 (II 1 b) und I R 94/97,
BStBl. II 2001, 222 (II. 1. b. der Entscheidungsgründe). So auch Hahn, Die Vereinbarkeit von Normen des deutschen internationalen Steuerrechts mit EG-Recht, IFSt-Schrift Nr. 378, 163.
216
Neukonzeption eines außensteuerlichen Regelungskonzepts
153
ausstellen. Es liegt nahe, die im Laufe der Untersuchung dargestellten Fälle des Steuer-
abzugs, der Steuerflucht oder Verzögerung als missbräuchlich zu kennzeichnen. Aus
den gewonnenen verfassungsrechtlichen und gemeinschaftsrechtlichen Erkenntnissen
lässt sich eine Hinzurechnungsbesteuerung genau für diese Fälle entwickeln. Greift
man danach die Vorstellungen des Europäischen Gerichtshofs zu Missbrauchs-
bestimmungen auf, kann die Hinzurechnungsbesteuerung nur als eine spezielle Miss-
brauchsregelung ausgestaltet werden. Es müssen hierfür genau diejenigen Umstände
berücksichtigt werden, die als missbräuchlich erkannt sind. Als Missbrauch kann in
diesem Zusammenhang die dauerhafte Thesaurierung auf Ebene eines ausländischen
Rechtsträgers anzusehen sein. Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, muss sich – so
die Vorgabe des Europäischen Gerichtshofs – aus einer Einzelfallprüfung ergeben.
Die gesetzgeberische Absicht der Vermeidung bestimmter Folgen bei Einschaltung
ausländischer Kapitalgesellschaften kann grundsätzlich eine verfassungsrechtlich tragfä-
hige Grundlage für die Hinzurechnungsbesteuerung darstellen, es stellt sich aber die
Frage, ob die oben beschriebenen Fallkonstellationen anhand eines normativen Maß-
stabs dieser Grundlage zugeordnet werden können. Es ist also zu prüfen, ob sich in
den Fällen der Steuerflucht, des Steueraufschubs und der Abzugswirkung aus der
Vorschrift des allgemeinen Missbrauchstatbestands in § 42 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 ein
Missbrauch ergibt. Wenn danach zwar nicht abschließend bejaht werden könnte, dass
hiermit alle denkbaren Fehlentwicklungen erfasst wären, würde jedoch ein positiver
Befund aufschlussreich sein. Denn bei Vorliegen eines Missbrauchs im Sinne dieser
Vorschrift ließe sich schwerlich daran zweifeln, dass es dem Gesetzgeber verwehrt sein
könnte, auf die dargestellten Verlagerungstendenzen bei Einschaltung einer ausländi-
schen Kapitalgesellschaft lenkend einzuwirken.
Bei der Frage, ob in den Fällen des Steueraufschubs, der Steuerflucht oder der
Ausnutzung der Abzugswirkung ein Missbrauch gegeben ist, können die Vorausset-
zungen des § 42 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 geprüft werden. Diese Vorschrift bestimmt,
dass durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts das Steuergesetz
nicht umgangen werden kann. Ein Missbrauch liegt vor, wenn der Steueranspruch auf-
grund eines unangemessenen wirtschaftlichen Vorgangs nicht entsteht (§ 42 Abs. 1 Satz 2
AO 1977). Die Rechtsprechung verwendet die Prämisse, dass ein Missbrauch in
Betracht kommt, wenn „eine Gestaltung gewählt worden ist, die gemessen an dem erstrebten
Ziel unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst
beachtliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist.“606
606 BFH vom 19. 8. 1999 – I R 77/96, BFHE 189, 342, BStBl. II 2001, 43.
217
218
Die Entwicklung einer speziellen Missbrauchsregelung
154
§ 42 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 setzt zunächst voraus, dass ein Steuergesetz an zivil-
rechtliche Begriffsbestimmungen anknüpft und die Gestaltungen so gewählt werden,
dass aus Sicht des Zivilrechts der Steuertatbestand nicht einschlägig ist. Ausgangspunkt
ist für die vorliegende Frage, dass sowohl das Einkommensteuergesetz als auch das
Körperschaftsteuergesetz bei der Besteuerung von Dividenden an die zivilrechtlichen
Grundlagen anknüpfen und hierfür etwa die Bestimmungen des Gesetzes über die
Gesellschaften mit beschränkter Haftung oder des Aktiengesetzes ausschlaggebend
sind. Im Rahmen dieser Vorschriften haben Steuerpflichtige die Möglichkeit, auf die
Gewinnverwendung kraft ihrer gesellschaftlichen Rechte einzuwirken, so dass auch
Gestaltungen gewählt werden können, in denen Gewinnausschüttungen nicht vorge-
nommen werden. Es liegt auf der Hand, dass daher auch bei Einschaltung ausländi-
scher Gesellschaften die Ausschüttung an die Anteilseigner kraft der gesellschaftsrecht-
lichen Gestaltungsmöglichkeiten verzögert oder vermieden werden kann und damit
die Voraussetzungen für die Besteuerung als Dividende im Sinne von § 20 Abs. 1
Nr. 1 EStG nicht zutreffen. Die Vorschriften des Einkommensteuer- bzw. Körper-
schaftsteuerrechts (§ 2 Abs. 1, § 20 Abs. 1 Nr. 1, 4, 5, § 11 Abs. 1 EStG sowie §§ 7 ff.
KStG) kommen als umgangene steuergesetzliche Bestimmungen in Betracht.
Das Vorliegen eines Missbrauchs im Sinne des § 42 Abs. 1 AO 1977 ist danach zu
bestimmen, ob eine rechtliche Gestaltung gewählt wird, die zur Erreichung des er-
strebten wirtschaftlichen Ziels unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und
durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche außersteuerliche Gründe nicht gerechtfer-
tigt werden kann. Dabei ist unter Steuerminderung nicht allein die Reduzierung der
Steuerlast an sich zu verstehen, sondern darüber hinaus auch die Entstehung eines
steuergesetzlichen Vorteils.607 Es reicht demnach aus, dass der Steuerzugriff erst zeitlich
verzögert erfolgt. Das Merkmal der „unangemessenen“ Gestaltung ist vorliegend
gegeben, wenn verständige Parteien den eingeschlagenen Weg zur Erreichung des
erstrebten Ziels nicht gewählt hätten, weil die Vorgehensweise ungewöhnlich ist.
Unangemessene Gestaltungen sind „umständlich, kompliziert, schwerfällig, geküns-
telt“.608
Es fragt sich somit, ob überhaupt die Verzögerung einer Dividendenzahlung im Falle
des Steueraufschubs als missbräuchlich einzustufen ist. Die Schwierigkeit dieser Frage
ergibt sich daraus, dass es von der jeweiligen wirtschaftlichen Situation der Kapitalge-
sellschaft und des Dividendenzahlers abhängig sein wird, ob und wann eine Dividende
607 Vgl. J. Lang, in: Tipke/Lang, § 5 Rdnr. 108. 608 BFH vom 19. 8. 1999 – I R 77/96, BFHE 189, 342, BStBl. II 2001, 43.
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Neukonzeption eines außensteuerlichen Regelungskonzepts
155
gezahlt wird. Je nach Liquiditätssituation oder Investitionsbedürfnis sind individuelle
Schwankungen zu erwarten. Im Übrigen hat der Gesetzgeber mit der Einführung des
neuen Körperschaftsteuersystems die Thesaurierung von Gewinnen auf der Ebene von
Kapitalgesellschaften begünstigt. Nach § 8b Abs. 1 Satz 1 KStG bleiben Bezüge im
Sinne des § 20 Abs. 1 Nrn. 1, 2, 9 und 10 Buchst. a EStG bei der Ermittlung des Ein-
kommens (§ 8 Abs. 1 KStG) außer Ansatz. Der Steuerbefreiungstatbestand in § 8b
Abs. 1 KStG stellt auch keine Steuervergünstigung dar. Es kommt in dieser Vorschrift
eine Systemnotwendigkeit zum Ausdruck. Die Steuerfreistellung ist eine notwendige
Bedingung für die Belastungswirkung des Halbeinkünfteverfahrens. Ohne diese Steu-
erbefreiung würden Gewinne bei der Durchschüttung von Tochtergesellschaften an
eine Muttergesellschaft mehrfach mit Körperschaftsteuer belastet werden. Dieser
„Kaskadeneffekt“ darf im System der Unternehmensbesteuerung nicht entstehen.609
Ziel dieser Vorschrift ist es, die Investitionstätigkeit von Unternehmen anzuregen. Der
Gesetzgeber unterstellt, dass die Ausschüttung an den privaten Anleger nicht für pro-
duktive Investitionen zur Verfügung stehe.610 Die Begünstigung der Kapitalgesellschaft
als Wirtschaftssubjekt – etwa gegenüber einem Einzelunternehmen – bedeutet, dass
allgemeingültige Maßstäbe und formelhafte zeitliche Grenzen, innerhalb derer eine
Dividendenzahlung üblicherweise erfolgen oder als angemessen anzusehen sein wäre,
aus Sicht des Gesetzgebers nicht vorgegeben sind. Dennoch erscheint es überlegens-
wert, etwa orientiert an der Vorschrift in § 3 Nr. 41 Buchst. a EStG, Maßstäbe für
eine Verzögerung herauszubilden. Die genannte Vorschrift ordnet die Steuerfreiheit
von Gewinnausschüttungen an, soweit für das Kalenderjahr oder Wirtschaftsjahr, in
dem sie bezogen werden, oder für die vorangegangenen sieben Kalenderjahre oder
Wirtschaftsjahre aus einer Beteiligung an derselben ausländischen Kapitalgesellschaft
Hinzurechnungsbeträge (§ 10 Abs. 2 AStG) der Einkommensteuer unterlegen haben.
Damit trifft diese Vorschrift eine Regelung für den Zeitraum, innerhalb dessen die
tatsächliche Ausschüttung wegen der erfolgten Hinzurechnungsbesteuerung steuerfrei
erfolgen kann und damit eine doppelte Besteuerung vermieden wird. Aus dieser
Norm ergibt sich aber kein verbindlicher Hinweis darauf, von welchen zeitlichen
Maßstäben der Gesetzgeber bei der Ausschüttung von Gewinnen ausgeht. Aus dieser
Vorschrift folgt lediglich, dass eine Ausschüttung innerhalb eines 7-Jahres-Zeitraumes
regelmäßig anzunehmen sein wird. So hat der Bundesfinanzhof zu erkennen gegeben,
609 Vgl. Haep, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 3 c EStG, Band Unternehmenssteuerreform I. 610 Vgl. Gesetzesbegründung, Bundestags-Drucksache 14/2683 vom 15. 2. 2000, 93, Nachweis
auch bei Ekkehard Wenger, Die Steuerfreiheit von Veräußerungsgewinnen: Systemwidrigkeiten und systematische Notwendigkeiten, StuW 2000, 177 (178).
Die Entwicklung einer speziellen Missbrauchsregelung
156
dass zeitliche Verzögerungen nicht zwingend negative steuerliche Konsequenzen nach
sich ziehen, so etwa im Falle ungewöhnlicher Verzögerungen, die bei der Auszahlung
fälliger Tantiemenansprüche eines Gesellschafters nicht ohne weiteres eine verdeckte
Gewinnausschüttung begründen.611 Die Rechtsprechung akzeptiert auch das „Schütt-
aus-Hol-zurück-Verfahren“, bei welchem – unter Geltung des körperschaftsteuerlichen
Anrechnungsverfahrens612 – ausgeschüttete Beträge zuzüglich der dem Anteilseigner
angerechneten Körperschaftsteuer der (ausschüttenden) Kapitalgesellschaft wieder zur
Verfügung gestellt wurden.613 Es wird daher kein Missbrauch erkannt werden können,
wenn die Kapitalgesellschaft erzielte Gewinne nicht ausschüttet und diese als Kapital-
rücklage ihrem Vermögen zuführt. Etwas anderes könnte freilich gelten, wenn bei der
Errichtung der ausländischen Kapitalgesellschaft allein die dauerhafte Thesaurierung
von Unternehmenseinkünften Ziel der Gestaltung wäre. Dann müsste man jedoch
fragen, ob die Ausschüttung ungewöhnlich lange verzögert wird. Ein Hinweis auf
eine solche Verzögerung kann jedoch erst nach Ablauf einiger Veranlagungszeiträume
nachgewiesen werden. Geht man aber davon aus, dass eine ausländische Kapitalgesell-
schaft ihr Ausschüttungsverhalten an den wirtschaftlichen Bedürfnissen der Anteilseig-
ner und der finanziellen Situation der Kapitalgesellschaft ausrichtet, kann ein Miss-
brauch ausgeschlossen werden. Ansätze zur Begründung einer zeitlichen Bestimmung
für verzögerte Dividendenzahlung sind nicht allgemeingültig bestimmbar und legen
deshalb auch keine missbräuchliche Folge nahe, wenn nicht weitere Umstände hinzu-
treten, die eine Gestaltung als missbräuchlich kennzeichnen. Die Frage der „unange-
messenen Gestaltung“ wird sich damit am Maßstab des § 42 AO 1977 nicht ohne
weiteres bejahen lassen. Dies zeigt auch die neuere Rechtsprechung des Bundesfi-
nanzhofs. In einer Entscheidung vom 7. 9. 2005 wurde ausgeführt: Konzerngesell-
611 BFH vom 28. 7. 1993 – I B 54/93, BFH/NV 1994, 345. 612 Das Anrechnungsverfahren (§ 27 Abs. 1 KStG 1999) stellte die „Ausschüttungsbelastung“ her,
indem alle Einkunftsteile einheitlich auf eine Belastung von zuletzt 30 % hoch- oder herabgeschleust wurden (§ 27 Abs. 1 KStG 1999). Das körperschaftsteuerliche Eigenkapital wurde nach der Steuer-belastung der zufließenden Einkunftsteile gegliedert. Im so genannten „EK 0“ wurden Eigenkapital-anteile erfasst, die keiner Steuerbelastung unterlegen hatten, wie etwa steuerfreie Investitionszulagen oder steuerfreie ausländische Einkünfte (vgl. § 30 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 KStG 1999). Für diese Ein-kunftsteile, die keiner Vorbelastung unterlegen hatten, wurde die Ausschüttungsbelastung von 30 % hergestellt (§ 27 Abs. 1 KStG 1999). Unter der Geltung des Anrechnungsverfahrens ergab sich ein -steuerlicher Vorteil, wenn keine Ausschüttung an die inländische Muttergesellschaft vorgenommen wurde. Vgl. dazu die Vorschriften in: Körperschaftsteuergesetz 1999 (KStG 1999) in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. 4. 1999, BGBl. I 1999, 817, Neubekanntmachung des KStG in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. 2. 1996 (BGBl. I 1999, 340). 613 BFH 19. 8. 1999 – I R 77/96, BFHE 189, 342, BStBl. II 2001, 43 unter II. b. der Entschei-
dungsgründe.
Neukonzeption eines außensteuerlichen Regelungskonzepts
157
schaften können ihr Ausschüttungsverhalten aufeinander abstimmen, um das steuer-
liche Ergebnis durch die Abzugsfähigkeit des Finanzierungsaufwands zu optimieren, es
erweist sich „nicht als missbräuchlich, wenn eine Tochtergesellschaft ihr Ausschüttungsverhalten
gegenüber der Muttergesellschaft danach ausrichtet, dass die Muttergesellschaft einerseits für die
Ausschüttungen in den Genuss des abkommensrechtlichen Schachtelprivilegs kommt und ihr
andererseits die Möglichkeit erhalten bleibt, die mit der Beteiligung in unmittelbarem wirtschaftli-
chem Zusammenhang stehenden Kosten als Betriebsausgaben abzuziehen.“614 Es könnte aus
dieser Begründungserwägung auf die Tendenz in der Rechtsprechung des Bundes-
finanzhofs geschlossen werden, bei Gestaltung von Auslandssachverhalten eine umfas-
sende Freiheit zu gewährleisten; schon die Vermeidung einer ausländischer Steuer-
belastung könnte dann einen beachtlichen wirtschaftlichen Grund im Sinne des § 42
AO 1977 darstellen.615
Gewährt eine ausländische Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter im Inland ein
Darlehen, kann dieses Vorgehen unangemessen sein, da das wirtschaftliche Interesse
eines Gesellschafters regelmäßig darin besteht, dauerhaft Liquidität durch eine Aus-
schüttung der erzielten Unternehmenseinkünfte zu erlangen. Wenn die Gewährung
eines Darlehens durch den Gesellschafter auch ausschließlich der Steuerverminderung
dient, weil die Zahlung von Darlehenszinsen als Betriebsausgabe vom Einkommen
(§ 4 Abs. 4, § 2 Abs. 3 EStG, § 7 Abs. 1 KStG) steuermindernd abgesetzt wird, drängt
sich die Unangemessenheit – und damit die Missbräuchlichkeit –der Gestaltung auf.
Ebenso können sich Fälle als missbräuchlich erweisen, in denen die Gewinne der
ausländischen Kapitalgesellschaft dadurch endgültig der inländischen Besteuerung
entzogen werden, dass sie in Drittstaaten weitergeleitet werden und in diesen Staaten
etwa aufgrund eines umfassenden Bankgeheimnisses die Aufklärung der Besteuerungs-
grundlagen für die Finanzverwaltung nicht möglich oder erschwert ist.
Nimmt man nun an, dass sich in den beschriebenen Konstellationen der Steuer-
flucht oder der Ausnutzung der Abzugswirkung ein Missbrauch ergibt, erweist sich als
problematisch, ob sich mit einer Steuernorm daran anknüpfen lässt, dass die Abschirm-
wirkung über einen längeren Zeitraum ausgenutzt wird, bzw. dass sich daraus auf
einen Missbrauch schließen lässt. Eine zeitliche Verzögerung, bis es zu einer Ausschüt-
tung kommt, wird sich nicht als missbräuchlich herausstellen, da es dem Steuer-
pflichtigen freisteht, über Ausschüttungen zu disponieren. Dieses Ergebnis ist aber
nicht mehr eindeutig, wenn weitere Umstände hinzutreten, aus denen sich ein Rück- 614 Vgl. dazu BFH vom 7. 9. 2005 – I R 118/04, BB 2005, 2668.
222
223
224
Die Entwicklung einer speziellen Missbrauchsregelung
158
schluss auf einen Missbrauch ergibt. Da der Gesetzgeber gerade in der Ausnutzung der
Abschirmwirkung ein tragendes Element für die Einführung der Hinzurechungsbe-
steuerung sah,616 könnte die dauerhafte Thesaurierung als indizielles Merkmal aufgenom-
men werden, um einen Missbrauch zu begründen. Die Finanzbehörde könnte an
dieses Merkmal anknüpfen, das sich aus den jeweiligen Veranlagungen ergibt, und
wäre damit in die Lage versetzt, weitere Umstände zu ermitteln, aus denen sich ein
Missbrauch ergeben könnte. Dem Steuerpflichtigen wäre dann Gelegenheit gegeben,
der Finanzbehörde seine Gründe darzulegen, welche die Thesaurierungsentscheidung
tragen. Eine solche Regelung würde den Charakter einer „Einzelfallprüfung“ heraus-
stellen und könnte damit vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Europäischen
Gerichtshofs bestand haben.
Ein Missbrauch könnte also in Frage kommen, wenn „wirtschaftliche oder sonst
beachtliche Gründe“617 für die Thesaurierung nicht vorhanden sind. Es ließe sich
zielgenau in jedem Einzelfall überprüfen, ob ein Missbrauch gegeben ist, gleichzeitig
könnte der Steuerpflichtige den Nachweis führen, dass ein solcher Missbrauch nicht
vorliegt. Mit einer solchen Regelung könnte man eine so genannte escape clause618 – im
Verfahren Cadbury/Schweppes entsprach dem der „Motivtest“ – in das System der
Hinzurechnungsbesteuerung implementieren. Dem Steuerpflichtigen stünde dann
grundsätzlich immer die Möglichkeit offen, mit wirtschaftlichen oder sonst einleuch-
tenden Gründen seine Thesaurierungsentscheidung zu rechtfertigen. Die Hinzure-
chungsbesteuerung ließe sich dann auf die Fälle beschränken, in denen ausländische
Kapitalgesellschaft nicht in Wettbewerb mit anderen Unternehmen stehen. Ein solches
normatives Modell hätte damit den Vorteil, dass der Steuerpflichtige aufzeigen könnte,
dass eine Thesaurierung erforderlich war, weil die Kosten-Nutzen-Relation große
Investitionsrisiken und hohe Anlaufkosten erforderte. Dagegen könnte ein Missbrauch
angenommen werden, wenn für die Erzielung der Einkünfte einer ausländischen
Gesellschaft nur ein geringer Kostenaufwand entsteht.619 Der Vorteil einer speziellen
Regelung besteht mithin darin, dass echte wirtschaftliche Motive nicht steuerlich
615 Siehe dazu Asmus Mihm, Anmerkungen zu BFH vom 7. 9. 2005 – I R 118/04, BB 2005, 2668
(2670). 616 Vgl. dazu sub Rdnr. 52. 617 Vgl. die Rechtsprechung des BFH zu § 42 AO 1977, etwa BFH vom 19. 8. 1999 – I R 77/96,
BFHE 189, 342; BStBl. II 2001, 43. 618 Vgl. Sullivan/Wallner/Wübbelsmann, Die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung auf dem europä-
ischen Prüfstand, IStR 2003, 6 (13). 619 Vgl. hierzu Sullivan/Wallner/Wübbelsmann, Die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung auf dem
europäischen Prüfstand, IStR 2003, 6 f.
225
Neukonzeption eines außensteuerlichen Regelungskonzepts
159
sanktioniert werden. Es ließe sich hier eine wesentlich schärfere Trennung zwischen
wirtschaftlich sinnvollen Sachverhalten und denjenigen herbeiführen, die allein der
steuerlichen Manipulation dienen. Eine spezielle Missbrauchsvorschrift wird deshalb
die verfassungsrechtlich gebotene materielle Belastungsgleichheit einerseits und die
Einhaltung der gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen andererseits gewährleisten.
Fügt man die aus der Analyse der geltenden Hinzurechnungsbesteuerung gewon-
nen Erkenntnisse zusammen, wird allein eine spezielle Missbrauchsregelung verfassungs-
rechtlich und gemeinschaftsrechtlich im Bereich der Hinzurechnungsbesteuerung
tragfähig sein. Dize vorangegangene Untersuchung hat insbesondere ergeben, dass die
Vorbelastung der Gewinne einer ausländischen Kapitalgesellschaft die derzeit geltende
Konzeption der Hinzurechnungsbesteuerung nicht legitimiert. Aus verfassungsrechtli-
cher Sicht muss dabei beachtet werden, dass beim jetzigen System der Dividendenbe-
steuerung die Ausschüttung als Regelfall erwartet wird. Berücksichtigt man die ge-
meinschaftsrechtsrechtlichen Aspekte, bleibt zur Rechtfertigung einer Hinzurech-
nungsbesteuerung nur, diese auf Erwägungen des „speziellen Missbrauchs“ zu stützen.
Aus der Rechtsprechung der nationalen Fachgerichte und des Europäischen Gerichts-
hofs ergibt sich, dass die Einschaltung einer Gesellschaft in einem ausländischen Staat
für sich genommen nicht als missbräuchlich zu werten ist. Die Hinzurechnungsbe-
steuerung könnte deswegen gegen die Ausnutzung der Abschirmwirkung gerichtet
werden und damit Steuervorteile aus dieser Gestaltungsmöglichkeit verhindern. Wenn
aber genau dieser Missbrauch ausgeschlossen werden soll, bietet sich eine Regelung
an, die zweckrational auf genau diesen Sachverhalt reagiert. Vereinfacht ausgedrückt
muss die dauerhafte Thesaurierung, die entsprechend der Missbrauchsterminologie nur
aus Gründen der Steuerersparnis und ohne wirtschaftlichen oder sonst beachtlichen
Grund erfolgt, die Begründung sein, weshalb eine vorweggenommene Dividendenbe-
steuerung angeordnet wird. Der Gedanke, dass ein solcher Vorgang notwendigerweise
erst nach Ablauf einiger Zeit wahrnehmbar wird, kann sich nach den Erwägungen des
Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache Hughes de Lasteyrie durchaus in einem
normativen Gefüge niederschlagen.
Anhand der Entscheidung in der Rechtssache Hughes de Lasteyrie hat der Europäi-
sche Gerichtshof einen für die Neukonzeption der Hinzurechnungsbesteuerung be-
deutsamen Gedanken erkennen lassen. Es ging dabei um eine Fallkonstellation, in
welcher ein in Frankreich ansässiger Steuerpflichtiger seinen Wohnsitz nach Belgien
verlegt und nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums wieder nach Frankreich zurück-
zieht. Bei Wegzug sollten die stillen Reserven in Frankreich besteuert werden, da
vermieden werden sollte, dass der Steuerpflichtige wegzieht, die steuerverstrickten
226
227
Die Entwicklung einer speziellen Missbrauchsregelung
160
Wertgegenstände veräußert und danach erneut in Frankreich seinen Wohnsitz nimmt.
Der Gerichtshof führte in dieser Entscheidung aus, dass eine Regelung vorstellbar
wäre, die genau den Sachverhalt erfasst, in welchem ein Steuerpflichtiger nach ver-
hältnismäßig kurzem Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat und nach Realisie-
rung der Wertsteigerungen ins Inland zurückkehrt. Das Gericht führte wörtlich aus:620
„Zudem lässt sich das verfolgte Ziel, nämlich zu verhindern, dass ein Steuerpflichtiger vor
der Veräußerung der Wertpapiere seinen steuerlichen Wohnsitz allein deshalb vorüberge-
hend verlegt, um die Zahlung der in Frankreich auf die Wertsteigerungen zu entrichten-
den Steuer zu umgehen, durch Maßnahmen erreichen, die weniger einschneidend sind
oder die Niederlassungsfreiheit weniger beschränken und sich spezifisch auf die Gefahr ei-
ner solchen vorübergehenden Wohnsitzverlegung beziehen. Wie der Generalanwalt […]
ausgeführt hat, könnten die französischen Behörden u. a. die Besteuerung eines Steuer-
pflichtigen vorsehen, der nach verhältnismäßig kurzem Aufenthalt in einem anderen Mit-
gliedstaat und nach Realisierung der Wertsteigerungen nach Frankreich zurückkehrt; so
würden Auswirkungen auf die Situation von Steuerpflichtigen, die in gutem Glauben von
ihrer Freiheit der Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat Gebrauch machen wollen,
vermieden.“
Der Gerichtshof hat damit zum Ausdruck gebracht, dass als erforderliches Mittel
eine Regelung in Betracht kommen kann, in der ein missbilligter Vorgang – hier der
Rückzug in den ehemaligen Wohnsitzstaat – abgewartet wird. Eine ähnliche Konstel-
lation tritt auch in Fällen der Hinzurechnungsbesteuerung auf; dort geht es darum,
dass die dauerhafte Ausnutzung der Abschirmwirkung einer ausländischen Gesellschaft
beseitigt werden soll. Dies legt es nahe, dass die tatsächliche Ausnutzung der Ab-
schirmwirkung das Anknüpfungskriterium für eine Neukonzeption darstellen kann.
Unterbleibt die Ausschüttung von Einkünften einer ausländischen Gesellschaft, kann
mit dieser Regelungstechnik der Vorgang erfasst werden, in dem der Kapitalrückfluss
von der Gesellschaft an den Gesellschafter unterbleibt. Das setzt voraus, dass diese
Vorgänge zeitlich „überwacht“ werden und erst nach Ablauf einer gewissen Zeit
Rechtsfolgen vorgesehen werden. Eine solche Regelungstechnik ist dem deutschen
Steuerrecht nicht unbekannt. In § 8 Abs. 4 KStG findet sich etwa eine Rechtsgrund-
lage, nach der Verlustvorträge steuerlich neutralisiert werden, wenn innerhalb eines
gewissen Zeitraums in ein zuvor veräußertes Unternehmen Betriebsvermögen zuge-
führt wird.621 Die Vorschrift enthält einen „Überwachungszeitraum“ innerhalb dessen
620 Vgl. EuGH vom 11. 3. 2004 – Rs. C-9/02 (Hughes de Lasteyrie du Saillant), IStR 2004, 236
Rdnr. 54. 621 Kritisch im Hinblick auf die Regelung des § 3 Nr. 41 AStG etwa Schönfeld, Hinzurechnungsbe-
steuerung und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 503.
228
229
Neukonzeption eines außensteuerlichen Regelungskonzepts
161
sich ergeben kann, ob der Verlustabzug gemäß § 10d EStG anzuerkennen ist.622 Damit
wäre zu überlegen, ob das Ausschüttungsverhalten einer ausländischen Gesellschaft
überwacht werden könnte, um damit zielgenau diejenigen Steuerpflichtigen zu erfas-
sen, die ohne wirtschaftliche Notwendigkeit im Ausland aufgelaufene Gewinne zu
günstigen Steuertarifen „speichern“, deren Herkunft verschleiern oder sonst dem
deutschen Steuerzugriff entziehen. Eine gegen diese Fälle gerichtete Regelung würde
den Vorteil aufweisen, dass der Steuerpflichtige jederzeit darlegen könnte, dass es für
die Thesaurierung wirtschaftliche Gründe gibt.
Aus den Vorschriften über die Festsetzungsverjährung in §§ 169 ff. AO 1977
könnte einen Orientierungsmaßstab abgeleitet werden, nach dem ein „Überwa-
chungszeitraum“ bemessen werden kann.623 Danach wäre ein Zeitrahmen von vier
Jahren als Untergrenze für den Zeitraum angemessen. Findet eine Ausschüttung in-
nerhalb dieses Zeitraums statt, könnte ein Missbrauch ausgeschlossen werden. Zudem
wird man argumentieren können, dass ein Zeitraum von 4 –6 Jahren noch als über-
schaubar gelten dürfte, da insbesondere Prüfungsfeststellungen nach einer steuerlichen
Außenprüfung gemäß §§ 293 ff. AO 1977 regelmäßig in einem solchen Zeitraum
stattfinden. Letztlich wird hier wohl nach dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit
zu beurteilen sein, ob eine solche Bestimmung den Steuerpflichtigen in seiner wirt-
schaftlichen Betätigungs- und Dispositionsfreiheit unzumutbar einschränkt.
Dabei müssen die bisherigen Regelungsvoraussetzungen der Hinzurechnungsbe-
steuerung nicht völlig ihre Bedeutung verlieren. Die Kriterien der niedrigen Besteuer-
ung und der Beteiligungsquote inländischer Gesellschafter lassen sich heranziehen, um
Indizien für einen Missbrauch zu erhalten. Allein über die Frage des Missbrauchs
dürfen diese Kriterien aber nicht entscheiden, da sonst wieder eine (gemeinschafts-
rechtswidrige) Vermutung anstelle einer zweckrational wirkenden Missbrauchsbe-
stimmung entstehen würde. Allerdings können diese Merkmale Hinweise darauf
geben, dass die Abschirmwirkung einer Gesellschaft ohne Grund und nur zum Zweck
der Steuerersparnis ausgenutzt wird. Darüber hinaus können nach der hier gegebenen
Lösung auch Konstellationen erfasst werden, in denen die Steuerbelastung im Ausland
der deutschen Belastung entspricht, die Investition aber dazu diente, durch Verlage-
rung des thesaurierten Kapitals in eine Steueroase dem inländischen Fiskus das Steuer-
substrat endgültig zu entziehen. Eine solche Investition kann sich nicht mehr dadurch
der Hinzurechnungsbesteuerung entziehen, indem eine Steuerbelastung akzeptiert 622 Vgl. dazu insbesondere BFH vom 15. 12. 2004 – I B 115/04, DStR 2005, 517.
230
231
Die Entwicklung einer speziellen Missbrauchsregelung
162
wird, die nur gering von der sich nach § 8 Abs. 3 AStG ergebenden Steuerbelastung
abweicht: Die Möglichkeit zur „Steuerflucht“ ließe sich dann nicht mehr „erkaufen“.
Nach dem hier vorgestellten Konzept würde die Hinzurechnungsbesteuerung in
Beziehung zu ihrer eigentlichen Aufgabe gesetzt und könnte der missbräuchlichen
Ausnutzung der Abschirmwirkung ausländischer Gesellschaften entgegengesetzt wer-
den. Als Fazit lässt sich damit festhalten, dass die Hinzurechnungsbesteuerung gemein-
schaftsrechtskonform ausgestaltet werden kann, wenn sie als spezielle Missbrauchs-
regelung konzipiert wird.
Demnach basiert das vorgestellte Konzept auf der Überlegung, dass der Gesetz-
geber verfassungsrechtlich und gemeinschaftsrechtlich einwandfrei unter bestimmten
Voraussetzungen eine dauerhafte Thesaurierung von Einkünften ausländischer Kapi-
talgesellschaften unterbinden will. Nicht die Erzielung von niedrig besteuerten Ein-
künften wird als Missbrauch aufgefasst, sondern allein der Umstand wird missbilligt,
dass „dauerhaft“ der Zufluss an den inländischen Gesellschafter unterbleibt. Dieses
Konzept könnte angemessene Maßnahme darstellen, um als Maßnahme zur Ver-
meidung steuerlicher Fehlentwicklung trennscharf einen Zugriff auf die Einkünfte
einer ausländischen Gesellschaft zu ermöglichen. Das Ergebnis dieser Untersuchung
lässt sich deshalb auf folgende Formel bringen: Anstelle einer Hinzurechnungsbe-
steuerung kann eine spezielle Missbrauchsvorschrift steuerlichen Fehlentwicklungen
entgegengesetzt werden. Die Verzögerung einer Ausschüttung wird zum Anlass einer
Besteuerung. Dadurch wird zum einen eine weit reichende Freiheit der Gestaltung
von Auslandssachverhalten gewährleistet, zum anderen kann der Steuerzugriff auf
diejenigen Sachverhalte gelenkt werden, in denen der Steuerpflichtige die Abschirm-
wirkung einer ausländischen Gesellschaft ausnutzt und die an sich wirtschaftlich ver-
nünftige Rückführung des investierten Kapitals unterlässt. Damit wird der Grundge-
danke der Hinzurechnungsbesteuerung wieder belebt, die nach ursprünglicher Vor-
stellung des Gesetzgebers die unberechtigte Ausnutzung der Abschirmwirkung auslän-
discher Kapitalgesellschaften durchbrechen sollte.
Die Auswahl und Bestimmung einer Rechtsfolge dieses speziellen Missbrauchs-
tatbestandes wird eingeschränkt durch die Systematik des neuen Körperschaftsteuersys-
tems. Werden Dividendenbezüge generell steuerfrei gestellt, begegnet die ausnahms-
weise Besteuerung von Dividenden – sei es bei Bezug oder in Form oder einer vor-
weggenommenen (Quasi-) Dividende –, dem Einwand, dass die Besteuerungs-
623 Weitere normative Ansatzpunkte könnten sich aus folgenden Regelungen ergeben: § 8 Abs. 4
KStG; § 17 Abs. 1 EStG; § 12 Abs. 2 UmwStG.
232
233
234
Neukonzeption eines außensteuerlichen Regelungskonzepts
163
systematik einen solchen Zugriff grundsätzlich nicht vorsieht. Die verfassungsrechtli-
chen und gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben lassen einen „Durchgriff“ nur unter sehr
strengen Voraussetzungen zu, insbesondere muss ein Fall einer wirtschaftlich funkti-
onslosen „Briefkastengesellschaft“ gegeben sein.624
Nacherhebung der fehlenden Vorbelastung. Was das Gemeinschaftsrecht an-
betrifft, wäre die Nacherhebung der „fehlenden Vorbelastung“ einer Dividende be-
denklich, da die Rechtssätze der Mitgliedsstaaten gleichwertig sind. Es ist daher nicht
erklärbar, weshalb das deutsche Steuerrecht den Steuerzugriff „ergänzen“ sollte. Im
Hinblick auf das Verfassungsrecht ergeben sich aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip
Bedenken. Die Leistungsfähigkeit von Gesellschafter und Gesellschaft sind getrennt
von einander zu betrachten, wird der Gesellschafter nach den Verhältnissen der Kapi-
talgesellschaft „nach besteuert“, steht die grundsätzliche Beziehung zwischen Gesell-
schafter und Gesellschaft in Frage. Die Problematik ist unter den geltenden Bestim-
mungen der Hinzurechnungsbesteuerung zusätzlich brisant. Eine „Vorbelastung“ wird
erzeugt, indem eine Besteuerung nach den individuellen Verhältnissen des Gesell-
schafters angeordnet wird, somit verwischt der Unterschied zwischen vorweggenom-
mener Dividendenbelastung und Körperschaftsteuerbelastung. Selbst wenn man der
Vorbelastung eine überragende Bedeutung für die Hinzurechnungsbesteuerung zuer-
kennen wollte, besteht die Gefahr einer Steuerverlagerung auch in Fällen, in denen
die Vorteile aus einer niedrigen Besteuerung nicht überwiegen.
Durchgriffskonzept. Der steuerliche Durchgriff, verstanden als Negierung der
Rechtspersönlichkeit der ausländischen Gesellschaft, wurde schon nach den ursprüng-
lichen Überlegungen zur Hinzurechnungsbesteuerung nicht als eine taugliche Grund-
lage angesehen, um die Einkünfte der Gesellschaft auf der Ebene des inländischen Ge-
sellschafters zu besteuern. Das Konzept eines speziellen Missbrauchs wirft eine Reihe
von Zweifelsfragen auf, da die Selbständigkeit juristischer Personen von Verfassungs-
rechtsprechung und Gemeinschaftsrecht sehr weit reichende Bedeutung besitzt. Die
Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs hat in jüngerer Vergangenheit –
insbesondere mit der Entscheidung in der Rechtssache Inspire Art – die Voraussetzun-
gen für die Errichtung von Kapitalgesellschaften großzügig behandelt und damit die
Bedeutung der Kapitalgesellschaft als selbständiges Instrument wirtschaftlicher Betäti-
gung hervorgehoben.625 Der Bundesfinanzhof hat die Voraussetzungen für einen
„Durchgriff“ – gemeint ist die Besteuerung der Gewinne einer Kapitalgesellschaft auf 624 BFH vom 19. 1. 2000 – I R 117/97, BFH/NV 2000, 824 und I R 94/97, BStBl. II 2001, 222
(Dublin Docks). 625 EuGH vom 30. 9. 2003 – Rs. C-167/01 (Inspire Art), Slg. 2003, I-10155, IStR 2003, 849.
235
236
Die Entwicklung einer speziellen Missbrauchsregelung
164
der Ebene des Gesellschafters gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 – vergleichsweise
streng gehandhabt. Das „Durchgriffskonzept“ ließe sich mithin grundlegend anfechten
und bietet keine tragfähige Grundlage einer speziellen Missbrauchsvorschrift.
Justierung des Regelungskonzepts. Die Hinzurechnungsbesteuerung richtet
sich nach ihrer ursprünglichen Konzeption gegen die Verlagerung von Einkunftsquel-
len auf abschirmende Rechtsträger. Dies wurde schon in den Gesetzesleitsätzen darge-
legt und könnte wieder aufgegriffen werden:
„Zentralproblem der Steuerflucht ist die Einschaltung sog. Basisgesellschaften. Sie sind da-
durch gekennzeichnet, dass sie keiner werbenden Geschäftstätigkeit nachgehen und ihr
Einkommen im Sitzstaat nicht oder nur gering zu versteuern haben. Als selbstständige ju-
ristische Person schirmen sie das in ihnen aufgefangene Einkommen gegen die deutsche
Besteuerung bei den inländischen Gesellschaftern ab. Die Besteuerung, die bei ihnen ohne
Einschaltung der Basisgesellschaft einsetzen würde, entfällt bis zu dem Zeitpunkt, in dem
sie das aufgefangene Einkommen an sich ausschütten lassen.“626
Hält man diese Zielsetzung aufrecht, muss unter den veränderten systematischen
und gemeinschaftsrechtlichen Rahmenbedingungen – in den Fällen des § 8b Abs. 1
KStG entfällt nunmehr eine Besteuerung auch nach einer Ausschüttung und das
Gemeinschaftsrecht erlaubt die Ausnutzung eines vergleichsweise geringen Steuerni-
veaus – ein Regelungskonzept daran anknüpfen, dass Einkunftsquellen in das Ausland
verlagert werden und die Ausschüttung dauerhaft unterbleibt. Damit muss grundsätz-
lich der Vorgang zur Realisierungsschwelle des Steuerzugriffs erhoben werden, in dem
das Steuersubstrat seiner spezifischen Funktion zur inländischen Steuerverhaftung
enthoben, oder besser: entzogen wird und ein Rückfluss in den Wirtschaftskreislauf
des Anteilseigners vereitelt wird. Die verhinderte Weitergabe des Wertzuwachses an
den Gesellschafter entscheidet über den Steuerzugriff. Werden Einkünfte einer aus-
ländischen Gesellschaft „gespeichert“ oder „angesammelt“ können statt einer fingier-
ten Ausschüttung die innerhalb des Beteiligungsansatzes nachweisbaren Wertpotentiale
besteuert werden. So ließe sich das dogmatische Dilemma auflösen, dass ein Dividen-
denbezug steuerfrei gestellt werden müsste und mangels Ausschüttung das Leistungsfä-
higkeitsprinzip einer Besteuerung im Inland entgegensteht. Anders wäre es jedoch,
wenn erkannt würde, dass die angesammelten Gewinne den Wert der Beteiligung
objektiv erhöht haben. Die vom Steuerinländer gehaltene Beteiligung soll daher nach
dem hier vorgestellten Regelungskonzept besteuert werden. Mit dieser Vorgehens-
626 Leitsätze der Bundesregierung vom 17. 12. 1970 zum IV. Teil des Außensteuergesetzes vom 8.
9. 1972, abgedruckt in Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, § 7 AStG (Gesetzes-materialien).
237
238
Neukonzeption eines außensteuerlichen Regelungskonzepts
165
weise bleibt die Dividendenbesteuerung unberührt, so dass nach wie vor Mehrfachbe-
lastungen durch die Steuerfreistellung nach § 8b Abs. 1 KStG und § 3 Nr. 40 EStG
systematisch ausgeschlossen wären und die Hinzurechnungsbesteuerung in ihrer neuen
Gestalt nicht in dieses System integriert werden müsste – so wie es etwa § 3 Nr. 41
EStG derzeit vorsieht. Ein solches Konzept würde sich nicht dem Vorwurf ausgesetzt
sehen, dass es eine „ersatzweise“ Vorbelastung konstruieren müsste. Vielmehr könnte
– sofern ein steuerschädliches Verhalten nachgewiesen wird – der Zuwachs des Betei-
ligungswertes abgeschöpft werden. Letztlich besteht der Anreiz, Ausschüttungen von
ausländischen Einkünften dem inländischen Wirtschaftskreislauf nutzbar zu machen
um ein „akzeptables Ausschüttungsverhalten“ zu befördern. Eine solche „nach-
gelagerte“ und im Vergleich zum jetzigen System „milde“ Besteuerung erfasst also den
Wert des im Inland vorhandenen Wirtschaftsgutes „Beteiligung“ und sorgt für eine
gleichmäßige Belastung sämtlicher Vorgänge, in denen es zu einer Verlagerung von
Steuersubstrat aus dem Geltungsbereich des deutschen Fiskus kommt. Der Mechanis-
mus der „prophylaktischen Wirkung“ wird damit umgekehrt und die Niederlassungs-
freiheit in weitem Umfang gewährleistet. Der Steuerpflichtige hat es mit wirtschaftlich
sinnvollem Verhalten jederzeit in der Hand, der Missbrauchsbesteuerung zu entgehen,
gleichzeitig könnte erreicht werden, dass Investitionskapital wieder dem inländischen
Wirtschaftskreislauf zufließt. Von der Vorstellung, ein niedriges Steuerniveau in Euro-
pa zum Ansatz einer Hinzurechnungsbesteuerung zu machen, könnte sich dieses
Konzept einen Schritt entfernen, ohne die wirklich schädlichen Fallgestaltungen aus
dem Auge zu verlieren. Die dem Regelungskonzept zu Grunde liegende Vorstellung,
nur ausnahmsweise die Wertzuwächse auf der Ebene des Gesellschafters bei miss-
bräuchlicher Verlagerung von Steuersubstrat zu erfassen könnte danach im Hinblick
auf die Vorgaben des Gemeinschaftsrechts eine tragfähige Neuausrichtung erlauben.
Es kann damit folgendes Regelungskonzept umrissen werden: Erstens würde die
Missbrauchsvorschrift an den Umstand anknüpfen, dass Einkünfte einer ausländischen
Gesellschaft nicht innerhalb eines bestimmten Zeitraums ausgeschüttet werden. Zwei-
tens muss dem Steuerpflichtigen Gelegenheit gegeben werden, die Motive darlegen,
welche für die Thesaurierungsentscheidung ausschlaggebend waren. Drittens ist –
sofern ein Missbrauch nachgewiesen ist – der Wertzuwachs der Beteiligung Anknüp-
fungspunkt einer Besteuerung.
Verfügt ein Steuerpflichtiger über eine Auslandsbeteiligung, so wird das Ausschüt-
tungsverhalten der Anknüpfungspunkt zur Bestimmung eines Missbrauchs. Schüttet
der Steuerpflichtige nicht innerhalb eines festgelegten Zeitraumes aus und kann er
keine wirtschaftlichen Motive für dieses „Unterlassen“ darlegen, führt dies zu einer
239
240
Die Entwicklung einer speziellen Missbrauchsregelung
166
Versteuerung des Zuwachses des Beteiligungswertes. Die Anwendung der hiermit
entworfenen außensteuerrechtlichen Missbrauchsbestimmung gewährleistet die Ge-
meinschaftsrechtskonformität, denn der Prozess des Wirtschaftens wird steuerlich nicht
belastet und die Eingriffsschwelle „nachgelagert“ und wirtschaftlich sinnvolles Han-
deln nicht behindert. Der Steuerpflichtige wird bei seiner Entscheidung, eine Gesell-
schaft in einem Mitgliedsstaat zu errichten nicht beschränkt, da er lediglich dann einer
Besteuerung ausgesetzt wird, wenn wirtschaftliche Motive, die über die Nutzung
eines Steuergefälles hinausgehen, schlechterdings nicht mehr wahrnehmbar sind.
Dieses Konzept macht die Unterscheidung zwischen Halbeinkünfteverfahren und
vollumfänglicher Freistellung nach § 8b Abs. 1 KStG obsolet, da es sich nicht wie die
Hinzurechnungsbesteuerung an der (möglichen) Ausschüttung orientiert, sondern den
Wertgehalt der Beteiligung erfasst.
Mit der hier vorgeschlagenen Regelung wäre das in der Cadbury-Entscheidung
aufgestellte Erfordernis erreichbar, nach dem die Feststellung einer „tatsächlichen
Ansiedlung“, deren Zweck „darin besteht, wirklichen wirtschaftlichen Tätigkeiten im
Aufnahmemitgliedstaat nachzugehen […].“627 Eine Regelung, die es erlaubt, die
objektive wirtschaftliche Aktivität der ausländischen Gesellschaft nachzuprüfen, ge-
währleistet auch, dass auch das Ausmaß des greifbaren Vorhandenseins der Gesellschaft
jederzeit erkennbar ist und unerwünschte Steuerfolgen bei eingetretenem Missbrauch
korrigiert werden können.
627 Vgl. EuGH vom 12. 9. 2006 – Rs. C-196/04 (Cadbury), DStR 2006, 1686 Rdnrn. 66 ff.
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Menck, Thomas Halbeinkünfteverfahren, Schachtelprivileg über die Grenze und Außensteuergesetz, IWB 2000, Gruppe 1, 1639
Menck, Thomas Die Ermittlung des anzusetzenden Hinzurechnungs-betrages bei reinen Zwischengesellschaften DStZ 1975, 43
Menck, Thomas Die unverborgene Krise des Außensteuerrechts IStR 2001, 279
Menck, Thomas Halbeinkünfteverfahren, Schachtelprivileg über die Grenze und Außensteuergesetz IWB 2000, 1639
XIV
Menck, Thomas Rechtsmechanismus und Rechtscharakter der Zugriffsbesteuerung DStZ, 1978, 106
Menck, Thomas
Die Fortentwicklung der internationalen Unterneh-mensbesteuerung auf der 18. Hamburger Tagung zur internationalen Besteuerung am 7.12.2001, FR 2002, 241
Morgenthaler, Gerd Steueroasen und deutsche Hinzurechnungsbesteue-rung – Zur Deutung der §§ 7 ff. AStG – IStR 2000, 289
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Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung – Dargestellt am Beispiel der Vermögensteuer, Veräu-ßerungsgewinnbesteuerung und Abgeltungssteuer, DStR 2003, 720
Müller, Daniel Gedanken zur „Europatauglichkeit“ der neuen Divi-dendenbesteuerung IStR 2002, 109
Musil, Andreas
Kein europarechtliches Beschränkungsverbot für die direkten Steuern? - Eine Analyse der Rechtsprechung des EuGH zur tatbestandlichen Reichweite der Per-sonenverkehrsfreiheiten im Zusammenhang mit dem Recht der direkten Steuern IStR 2001, 481
Niedrig, Hans-Peter Substanzerfordernisse bei ausländischen Gesellschaften IStR 2003, 474
XV
Niedrig, Hans-Peter Substanzerfordernisse bei ausländischen Gesellschaf-ten, IStR 2003, 474
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Einwirkung des Europarechts auf das Internationale Steuerrecht, Festschriftenbeitrag aus Festschrift 50 Jah-re Deutsches Anwaltsinstitut e.V. 2003, 489
Prinz, Ulrich Strategien gestalteter Ausschüttungsmaßnahmen bei Kapitalgesellschaften FR 2004, 19
Protzen, Daniel Rättig, Horst
Die im Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts vorgesehenen Ände-rungen der Hinzurechnungsbesteuerung der §§ 7-14 AStG, IStR 2001, 601
Protzen, Peer Daniel Rättig, Horst
Die „neue Hinzurechnungsbesteuerung“ der §§ 7-14 AStG in der Fassung des UntStFG - Problembereiche und Gestaltungshinweise IStR 2002, 123
Raber, Hans-Georg Zur Umsetzung der Körperschaftsteuerreform – Eu-roparechtliche und verfassungsrechtliche Aspekte DB 1999, 2596
XVI
Rättig, Horst Protzen Daniel
Die „neue Hinzurechnungsbesteuerung“ der §§ 7–14 AStG in der Fassung des UntStFG – Problembereiche und Gestaltungshinweise IStR 2002, 123
Rättig, Horst Protzen Daniel
Holdingbesteuerung nach derzeit geltendem und kommendem Außensteuergesetz IStR 2000, 548
Rättig, Horst Protzen Daniel
Überblick über die Hinzurechnungsbesteuerung des AStG in der Fassung des Unternehmenssteuerfortent-wicklungsgesetzes DStR 2002, 241
Rättig, Horst Protzen Daniel
Unbeabsichtigter Systemwechsel bei der Hinzurech-nungsbesteuerung von Kapitalgesellschaften als Folge des Steuersenkungsgesetzes? IStR 2000, 394
Rättig, Horst Protzen, Daniel
Holdingbesteuerung nach derzeit geltendem und kommendem Außensteuergesetz IStR 2000, 548
Rättig, Horst Protzen, Daniel
Praktische Folgen der Unvereinbarkeit der Hinzu-rechnungsbesteuerung mit der EU-Niederlassungs- sowie Kapitalverkehrsfreiheit GmbHR 2003, 503
Rättig, Horst Protzen, Peer Daniel
Das BMF-Schreiben vom 14. 5. 2004 – IV B 4 - S 1340 – 11/04 – (Grundsätze zur Anwendung des Au-ßensteuergesetzes) – Analyse und Kritik der wesentli-chen Anordnungen im Bereich der Hinzurechnungs-besteuerung der §§ 7 bis 14 AStG IStR 2004, 625
Rättig, Horst Protzen, Peer Daniel
Die neue Hinzurechnungsbesteuerung der §§ 7-14 AStG in der Fassung des UntStFG - Problembereiche und Gestaltungshinweise IStR 2002, 123
Rättig, Horst Protzen, Peer Daniel
Keine Behinderung der internationalen Steuerplanung durch § 42 Abs. 2 AO 1977 n.F. IStR 2002, 828
XVII
Rättig, Horst Protzen, Peer Daniel
Zur Europarechtswidrigkeit der §§ 7–14 AStG und zu den Folgen für die internationale Steuerplanung IStR 2003, 195
Rauer, Horst Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts durch Einschaltung einer Basisgesellschaft DB 1983, 2276
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Reimer, Ekkehart
Der deutsche Nationalbericht zum IFA-Kongress 2005 in Buenos Aires Generalthema I: Quelle und Ansässigkeit – Neuausrichtung der Prinzipien IStR 2004, 816
Reiß, Wolfram Kritische Anmerkungen zu den Brühler Empfehlun-gen zur Reform der Unternehmensbesteuerung DStR 1999, 2011
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Vorlagebeschluss an EuGH zur Klärung der Gemein-schaftsrechtswidrigkeit von grenzüberschreitender Hinzurechnungsbesteuerung nach Außensteuergesetz, Anmerkung zu FG Münster Beschluss 15 K 1114/99 F, EW vom 05.07.2005, IStR 2005, 636
Ritter, Wolfgang Brauchen wir ein neues Steuerfluchtgesetz? BB 1987, 65
Ritter, Wolfgang Perspektiven für die Fortentwicklung des deutschen internationalen Steuerrechts IStR 2001, 430
Rödder, Thomas Deutsche Unternehmensbesteuerung im Visier des EuGH DStR 2004, 1629
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Unternehmenssteuerreform 2001: Wesentliche Ände-rungen des Steuersenkungsgesetzes gegenüber dem Regierungsentwurf und Regeln zu seiner erstmaligen Anwendung IStR 2000, 1453
Rödder, Thomas Schumacher, Andreas
Ertragsteuerliche Änderungen für Unternehmen zum Jahreswechsel 2003/2004 DStR 2004, 207
Rödder, Thomas Schumacher, Andreas
Das Steuervergünstigungsabbaugesetz , DStR 2003, 805
Rödder, Thomas Schumacher, Andreas
Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz: Wesent-liche Änderungen des verkündeten Gesetzes gegen-über dem Regierungsentwurf, DStR 2002, 105
Rode, Stefan Die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung und die niederländische Risikoreserve IStR 1997, 582
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OFD Düsseldorf, Verfügung vom 23. 7. 1997 S – 1300 A – St 112
Anwendungserlass 2004 BMF-Schreiben vom 14. 5. 2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004 Sondernummer 1/2004
A
Abkürzungsverze ichni s
A
a.A. anderer Ansicht a.a.O. am angegebenen Ort abl. ablehnend ABl. (EG) Amtsblatt (der Europäischen Gemeinschaften) Abs. Absatz Abschn. Abschnitt Abt. Abteilung abw. abweichend AdV Aussetzung der Vollziehung ADV Automatisierte Datenverarbeitung a.E. am Ende Änd. Änderung ÄndG Änderungsgesetz, Gesetz zur Änderung ÄndVO Änderungsverordnung a. F. alte(r) Fassung AfA Absetzung(en) für Abnutzung oder
Substanzverringerung AfaA Absetzung(en) für außergewöhnliche technische oder
wirtschaftliche Abnutzung AG Aktiengesellschaft; Amtsgericht; Die Aktiengesellschaft
(Zeitschrift) AIG Auslandsinvestitionsgesetz AK/HK Anschaffungs-/Herstellungskosten AktG Aktiengesetz allg. allgemein Alt. Alternative AltEinkG Gesetz zur Neuordnung der
einkommensteuerrechtlichen Behandlungen von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen (Alterseinkünftegesetz)
amtl. amtlich Amtsbl. Amtsblatt Anh. Anhang Anl. Anlage Anm. Anmerkung a. o. außerordentlich AO 1977 Abgabenordnung 1977
B
AOÄndG Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und weiterer Gesetze
Ap. Außenprüfung ArbG Arbeitgeber; Arbeitsgericht ArbN Arbeitnehmer Art. Artikel AStG Außensteuergesetz Aufl. Auflage Ausl., ausl. Ausland, ausländisch AuslInvestmG Auslandinvestment-Gesetz AWD Außenwirtschaftsdienst des Betriebs-Beraters; jetzt:
RIW Az. Aktenzeichen AZO Allgemeine Zollordnung; Arbeitszeitordnung
B
BA Betriebsausgabe(n) BAnz. Bundesanzeiger Baumbach, AktG Baumbach/Hueck, Aktiengesetz, Kommentar Baumbach, GmbHG Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz, Kommentar BB Betriebs-Berater (Zeitschrift) Bd. Band BE Betriebseinnahme(n) Begr. Begründung Beil. Beilage(n) bej. bejahend Bem. Bemerkung(en) beschr. beschränkt best. bestätigt, bestätigend bestr. bestritten betr. betreffend BewDV Durchführungsverordnung zum Bewertungsgesetz BewG Bewertungsgesetz BewRGr. Richtlinien für die Bewertung des Grundvermögens BewRL Richtlinien für die Bewertung des land- und
forstwirtschaftlichen Vermögens Bf. Beschwerdeführer(in) BfF Bundesamt für Finanzen BFH Bundesfinanzhof BFHE Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs BFHEntlG Gesetz zur Entlastung des Bundesfinanzhofs BFH/NV Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs
C
BFH/PR Entscheidungen des Bundesfinanzhofs für die Praxis der Steuerberatung (Zeitschrift)
BFH-Report Schnelldienst zur höchstrichterlichen Steuerrechtsprechung (Zeitschrift)
BGB Bürgerliches Gesetzbuch BGBl Bundesgesetzblatt BGH Bundesgerichtshof BGHSt Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen BGHZ Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bl. Blatt BMF Bundesminister(ium) der Finanzen BMI Bundesminister(ium) des Inneren BMJ Bundesminister(ium) der Justiz Bp. Betriebsprüfung BR Bundesrat BR-Drs. Bundesrats-Drucksache BReg. Bundesregierung BStBl. Bundessteuerblatt BT Bundestag BT-Drs. Bundestags-Drucksache Buchst. Buchstabe(n) BV Betriebsvermögen; Berechnungsverordnung BVerfG Bundesverfassungsgericht BVerfGE Entscheidungssammlung des Bundesverfassungsgerichts BVerfGG Gesetz über das Bundesverfassungsgericht BVerwG Bundesverwaltungsgericht BVerwGE Entscheidungssammlung des Bundesverwaltungsgerichts
C
Cahiers Cahiers de droit fiscal international CuR Computer und Recht (Zeitschrift)
D
Darst. Darstellung DB Der Betrieb (Zeitschrift) DBA Doppelbesteuerungsabkommen Debatin/Wassermeyer Doppelbesteuerung (Loseblatt); zuvor: Korn/Debatin ders.; dies. derselbe; dieselbe diff. differenzierend Diss. Dissertation DMBEG DM-Bilanzergänzungsgesetz DMBilG DM-Bilanzgesetz
D
D/E/J/P/W Dötsch/Eversberg/Jost/Pung/Witt, Die Körperschaftsteuer; Kommentar
DÖV Die Öffentliche Verwaltung (Zeitschrift) Drs. Drucksache DStJG Deutsche Steuerjuristische Gesellschaft DStR Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift) DStRE DStR-Entscheidungsdienst (Zeitschrift) DStZ Deutsche Steuer-Zeitung dt. deutsch DV (DVO) Durchführungsverordnung DVBl. Deutsches Verwaltungsblatt (Zeitschrift)
E
EDV Elektronische Datenverarbeitung EFG Entscheidungen der Finanzgerichte (Zeitschrift) EG Europäische Gemeinschaft(en); Einführungsgesetz EG-FRL EG-Fusionsrichtlinie EGAHiG EG-Amtshilfe-Gesetz EGAmtAnpG EG-Amtshilfe-Anpassungsgesetz EGAO Einführungsgesetz zur Abgabenordnung 1977 (EGAO
1977) EGV/EG-Vertrag EG-Vertrag Einf./Erl. Einführung(serlass) EinfG (EG) Einführungsgesetz; Gesetz zur Einführung Einl. Einleitung einschl. einschließlich einschr. einschränkend EK Eigenkapital EL. Ergänzungslieferung entspr. entsprechend Entw. Entwurf ErbSt(G) Erbschaftsteuer(gesetz) ErbStDV Erbschaftsteuer-Durchführungsverordnung ErbStRefG Erbschaftsteuerreformgesetz Erg. Ergänzung; Ergebnis ErgAbG Ergänzungsabgabegesetz Erl. Erlass Ernst & Young KStG Körperschaftsteuergesetz (Kommentar, Loseblatt;
früher: Arthur Andersen) Erläut. Erläuterung(en) EStB Der Einkommensteuer-Berater (Zeitschrift) ESt(G) Einkommensteuer(gesetz) ESt-Kartei Einkommensteuer-Kartei
E
EStÄndG Einkommensteueränderungsgesetz EStÄR Einkommensteuer-Änderungsrichtlinien EStDV Einkommensteuer-Durchführungsverordnung EStH Einkommensteuer-Hinweise EStR Einkommensteuer-Richtlinien EStRefG Einkommensteuerreformgesetz EU Europäische Union EuGH Europäischer Gerichtshof EuGHE Entscheidungssammlung des Gerichtshofs der
Europäischen Gemeinschaften EURLUmsG Gesetz zur Umsetzung von EU-Richtlinien in
nationales Steuerrecht und zur Änderung weiterer Vorschriften (Richtlinien-Umsetzungsgesetz)
EuroG Gesetz zur Einführung des Euro EuZW Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht e. V. eingetragener Verein EW Einheitswert EWG Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, siehe auch EG EWIV Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung EWR Europäischer Wirtschaftsraum EWS Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht (Zeitschrift) EZ Erhebungszeitraum
F
FA, FÄ Finanzamt, Finanzämter FArch Finanzarchiv FG Finanzgericht FG Baden-Württemberg Finanzgericht Baden-Württemberg FG Bdbg. Finanzgericht Brandenburg FG Berlin Finanzgericht Berlin FG Bremen Finanzgericht Bremen FG Düsseldorf Finanzgericht Düsseldorf FG Hamburg Finanzgericht Hamburg FG Hess. Hessisches Finanzgericht FG Köln. Finanzgericht Köln FG Sachs. Sächsisches Finanzgericht FG Mchn. Finanzgericht München FG MeVo. Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern FG M´ster. Finanzgericht Münster FG Nbg. Finanzgericht Nürnberg FG Nds. Niedersächsisches Finanzgericht FG RhPf. Finanzgericht Rheinland-Pfalz
F
FG Saarl. Finanzgericht des Saarlandes FG SachsAnh. Finanzgericht Sachsen-Anhalt FG SchlHol. Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht FG Thür. Finanzgericht Thüringen FGG Gesetz über Angelegenheiten der freiwilligen
Gerichtsbarkeit FGO Finanzgerichtsordnung fifo first in - first out FMBl: Finanzministerialblatt FinBeh Finanzbehörde(n) FinMin Finanzminister(ium) FinSen Finanzsenator FinVerw Finanzverwaltung Fn. Fußnote FR Finanz-Rundschau (Zeitschrift) Frotscher, EStG Einkommensteuergesetz, Kommentar (Loseblatt) Frotscher, KStG Körperschaftsteuergesetz, Kommentar (Loseblatt) FS Festschrift FusionsRL Fusionsrichtlinie Fußn. Fußnote(n)
G
G Gesetz GA Generalanwalt (beim Europäischen Gerichtshof) GBl. Gesetzblatt GbR Gesellschaft bürgerlichen Rechts GdE Gesamtbetrag der Einkünfte GebO Gebührenordnung gem. gemäß Ges. Gesetz; Gesellschaft GewSt(G) Gewerbesteuer(gesetz) GewStÄndG Gesetz zur Änderung des Gewerbesteuergesetzes und
anderer Gesetze GewStÄR Gewerbesteuer-Änderungsrichtlinien GewStDV Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung GewStR Gewerbesteuer-Richtlinien gg.(ü) gegen(über) GG Grundgesetz gl. A. gleicher Ansicht GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung GmbHG GmbH-Gesetz GmbHR GmbH-Rundschau (Zeitschrift) GoB Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung
G
Gosch KStG Körperschaftsteuergesetz (Kommentar) Gr. Gruppe GrESt(G) Grunderwerbsteuer(gesetz) grds. grundsätzlich GrS Großer Senat GrSt(G) Grundsteuer(gesetz) GrStDV Grundsteuer-Durchführungsverordnung GS Gesetzessammlung, Gedächtnisschrift G´ter Gesellschafter GuV-Rechnung Gewinn- und Verlustrechnung GVBl, GVOBl Gesetz- und Verordnungsblatt GVG Gerichtsverfassungsgesetz GWB Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen GWG geringwertige Wirtschaftsgüter
H
Halbs. Halbsatz HB Handelsbilanz, Hoheitsbetrieb HBeglG Haushaltsbegleitgesetz Hdb. Handbuch HdJ Handbuch des Jahresabschlusses in Einzeldarstellungen HdU Handbuch der Unternehmensbesteuerung HEV Halbeinkünfteverfahren HFA Hauptfachausschuss des Instituts der Wirtschaftsprüfer HFR Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung (Zeitschrift) HGB Handelsgesetzbuch H/H/R Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und
Körperschaftsteuergesetz, Kommentar (Loseblatt) H/H/Sp Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung und
Finanzgerichtsordnung, Kommentar (Loseblatt) HK Herstellungskosten h. M. (h. L.) herrschende Meinung (herrschende Lehre) HR Handelsregister HRefG Handelsrechtsreformgesetz Hrsg., hrsg. Herausgeber, herausgegeben HV Handelsvertreter; Hauptversammlung (einer AG)
I
i. d. F. (R.) in der Fassung (Regel) i. E. im Einzelnen im Allg. im Allgemeinen
H
im Erg. im Ergebnis Inl., inl. Inland, inländisch insbes. insbesondere InsO Insolvenzordnung InstFSt Institut Finanzen und Steuern (Schriftenreihe des
InstFSt) intern. international i. R. d. (v.) im Rahmen des (von) i. S. d. (v.) im Sinne des (von) IStR Internationales Steuerrecht (Zeitschrift) i. Ü. im Übrigen i. V. im Verhältnis i. V. m. in Verbindung mit IWB Internationale Wirtschafts-Briefe (Loseblatt) i. w. S. im weiteren Sinne
J
Jahrg. (Jg.) Jahrgang JbFSt Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht JStErgG Jahressteuer-Ergänzungsgesetz JStG Jahressteuergesetz jur. juristisch(e)
K
KAG Kapitalanlagegesellschaft; Kommunalabgabengesetz KAGG Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften Kap. Kapitel; Kapital KapGes Kapitalgesellschaft KapSt (KapESt) Kapitalertragsteuer KapStDV Verordnung zur Durchführung des Steuerabzugs vom
Kapitalertrag KapVerm Kapitalvermögen Kfm, kfm Kaufmann, kaufmännisch KG Kommanditgesellschaft; Kammergericht KGaA Kommanditgesellschaft auf Aktien Kirchhof Kirchhof, EStG KompaktKommentar KiSt(G) Kirchensteuer(gesetz) Kj. Kalenderjahr Klein, AO Abgabenordnung - einschl. Steuerstrafrecht
(Kommentar) KleinUntFG Gesetz zur Förderung von Kleinunternehmern und zur
Verbesserung der Unternehmensfinanzierung
I
Knobbe-Keuk Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht KO Konkursordnung koord. koordiniert Korn Korn, Einkommensteuergesetz, Kommentar (Loseblatt) KostO Kostenordnung krit. kritisch Kruse, LB Kruse, Lehrbuch des Steuerrechts K/S/M Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Kommentar zum
Einkommensteuergesetz (Loseblatt) KSt(G) Körperschaftsteuer(gesetz) KStÄR Körperschaftsteuer-Änderungsrichtlinien KStDV Körperschaftsteuer-Durchführungsverordnung kst(recht)l. körperschaftsteuer(recht)lich KStR Körperschaftsteuer-Richtlinien KWG Gesetz über das Kreditwesen
L
lfd. laufend Lfg. Lieferung LG Landgericht Littmann Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht,
Kommentar (Loseblatt) LSt Lohnsteuer LStDV Lohnsteuer-Durchführungsverordnung LStR Lohnsteuer-Richtlinien; Lohnsteuerrecht LuF, luf Land- und Forstwirtschaft, land- und forstwirtschaftlich
M
MA; OECD-MA OECD-Musterabkommen m. a. W. mit anderen Worten MDR Monatsschrift für Deutsches Recht m. E. meines Erachtens MinBl. Ministerialblatt m. w. N. mit weiteren Nachweisen MwSt Mehrwertsteuer
N
n. F. neue(r) Fassung NJW Neue Juristische Wochenschrift NJWE NJW-Entscheidungsdienst NJW-RR NJW-Rechtsprechungs-Report
J
nrkr. nicht rechtskräftig NSt Neues Steuerrecht von A-Z (Kommentar-Zeitschrift) nv nicht veröffentlicht NV Nichtveranlagung, nicht veranlagt NVwZ Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht NWB Neue Wirtschafts-Briefe (Loseblatt) NWB DokSt NWB Dokumentation Steuerrecht NZA Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht NZB Nichtzulassungsbeschwerde NZG Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht NZS Neue Zeitschrift für Sozialrecht
O
o. a. oben angegeben/angeführt o. ä. oder ähnlich(e) OECD Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung ÖStZ Österreichische Steuer-Zeitung OFD Oberfinanzdirektion OHG Offene Handelsgesellschaft OLG Oberlandesgericht OT Organträger o. V. ohne Verfasserangabe (anonym) OWiG Gesetz über die Ordnungswidrigkeiten
P
Pahlke/Koenig Abgabenordnung (Kommentar) Palandt Bürgerliches Gesetzbuch, Kommentar PIStB Praxis der internationalen Steuerberatung (Zeitschrift) PIStR Praxis internationales Steuerrecht (Zeitschrift) ProgrVorb Progressionsvorbehalt Prot. Protokoll ProtErklG Gesetz zur Umsetzung der Protokollerklärung der
Bundesregierung zur Vermittlungsempfehlung zum StVergAbG (sog. Korb II-Gesetz)
R
R Recht(e); Rechtsspruch; Richtlinie RAO Reichsabgabenordnung RAP Rechnungsabgrenzungsposten RAV Rentenanpassungsverordnung
K
RdSchr. Rundschreiben RdVfg., RdErl. Rundverfügung, Runderlass Reg. Regierung RegEntw. Regierungsentwurf Rev. Revision RFH Reichsfinanzhof RFHE Entscheidungen des Reichsfinanzhofs
(Entscheidungssammlung) RG Reichsgericht RGBl. Reichsgesetzblatt RIW Recht der Internationalen Wirtschaft (Zeitschrift) Rj. Rechnungsjahr rkr. rechtskräftig RL Richtlinie der EG Rs. Rechtssache Rspr. Rechtsprechung RStBl. Reichssteuerblatt RT-Drs Reichstags-Drucksache RVO Rechtsverordnung; Reichsversicherungsordnung Rz. Randziffer(n), Randzahl(en)
S
s. siehe S. Seite(n); Satz, Sätze s. a. siehe auch SA Sonderausgabe(n) SachbezV Sachbezugsverordnung SaDV Sammelantrags-Datenträger-Verordnung Schmidt Einkommensteuergesetz, Kommentar Schr. Schreiben SenFin Senator für Finanzen SGB Sozialgesetzbuch SGG Sozialgerichtsgesetz Slg. Sammlung sog. sogenannt SolZ(G) Solidaritätszuschlag(sgesetz) St. Steuer(n) Stbg Die Steuerberatung (Zeitschrift) StbJb Steuerberater-Jahrbuch StEntlG Steuerentlastungsgesetz StEuglG Gesetz zur Umrechnung und Glättung steuerlicher
Euro-Beträge (Steuer-Euroglättunggesetz) StGB Strafgesetzbuch
L
stl. steuerlich StMBG Missbrauchsbekämpfungs- und
Steuerbereinigungsgesetz stpfl. steuerpflichtig st. Rspr. ständige Rechtsprechung str. streitig/strittig StR Steuerrecht StraBEG Gesetz über die strafbefreiende Erklärung
(Strafbefreiungserklärungsgesetz) strechtl. steuerrechtlich StSenkErgG Steuersenkungsergänzungsgesetz StSenkErwG Steuersenkungs-Erweiterungsgesetz StSenkG Steuersenkungsgesetz StStud Steuer und Studium (Zeitschrift) StuB Steuern und Bilanzen (Zeitschrift) StuW Steuer und Wirtschaft (Zeitschrift) StVergAbG Gesetz zum Abbau von Steuervergünstigungen und
Ausnahmeregelungen (Steuervergünstigungsabbaugesetz)
subj. subjektiv SubvAbG Subventionsabbaugesetz SubvG Subventionsgesetz
T
teilw. teilweise T/L; Tipke/Lang Tipke/Lang, Steuerrecht (Lehrbuch) T/K; Tipke/Kruse Tipke/Kruse, Abgabenordnung und
Finanzgerichtsordnung, Kommentar (Loseblatt) Tz. Textziffer(n)
U
U. Urteil u. a. unter anderem, und andere u. ä. und ähnlich(e) UmwBerG Gesetz zur Bereinigung des Umwandlungsrechts UmwG Umwandlungsgesetz UmwStG Umwandlungssteuergesetz unbeschr. unbeschränkt UntStFG Gesetz zur Fortentwicklung des
Unternehmensteuerrechts (Unternehmensteuerfortentwicklungsgesetz)
unzutr. unzutreffend
M
USt(G) Umsatzsteuer(gesetz) UStDB Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz UStDV Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung UStR Umsatzsteuer-Richtlinien V v. von, vom VA Verwaltungsakt; Verwaltungsanordnung;
Vermögensabgabe VBl. Verordnungsblatt vEK verwendbares Eigenkapital VerbBG Verbraucher-Binnenmarktgesetz vern. verneinend VersR Versicherungsrecht (Zeitschrift) VersRiLiG Versicherungsbilanzrichtlinie-Gesetz VersSt(G) Versicherungsteuer(gesetz) VersStDV Versicherungsteuer-Durchführungsverordnung VerwAnw. Verwaltungsanweisung VerwG (VG) Verwaltungsgericht Vfg. Verfügung vGA verdeckte Gewinnausschüttung vgl. vergleiche v. H. vom Hundert VO Verordnung Vogel/Lehner Doppelbesteuerungsabkommen (Kommentar) VOL Verordnung über die Aufstellung von
Durchschnittsätzen für die Ermittlung des Gewinns aus Land- und Forstwirtschaft
Vorbem. Vorbemerkung VorSt. Vorsteuer VSt(G) Vermögensteuer(gesetz) VuV Vermietung und Verpachtung VV Vermögensverwaltung VVaG Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit VVG Gesetz über den Versicherungsvertrag VwGO Verwaltungsgerichtsordnung VwVfG Verwaltungsverfahrensgesetz VwZG Verwaltungszustellungsgesetz VZ Veranlagungszeitraum VZOG Vermögenszuordnungsgesetz
W
WAG Währungsausgleichsgesetz WahlR Wahlrecht
N
WEG Wohnungseigentumsgesetz WertV Wertverordnung WG Wirtschaftsgut (-güter) Wj. Wirtschaftsjahr(e) WK Werbungskosten WM Wertpapiermitteilungen (Zeitschrift) WP Wirtschaftsprüfer WPg. Die Wirtschaftsprüfung (Zeitschrift) WPO Wirtschaftsprüferordnung
Z
ZBB Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft ZDG Zivildienstgesetz ZerIG Zerlegungsgesetz ZEV Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge ZfB Zeitschrift für Betriebswirtschaft ZfbF Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung ZfIR Zeitschrift für Immobilienrecht ZfK Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen ZfV Zeitschrift für Versicherungswesen ZfZ Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern ZG Zollgesetz; Zeitschrift für Gesetzgebung ZgK Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen ZGR Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht ZHR Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und
Wirtschaftsrecht ZIP Zeitschrift für Wirtschaftsrecht zit. zitiert ZIV Verordnung zur Umsetzung der Richtlinie
2003/48/EG des Rates vom 3. Juni 2003 im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen (Zinsinformationsverordnung)
ZPO Zivilprozessordnung ZRP Zeitschrift für Rechtspolitik zust. zustimmend, zuständig zutr. zutreffend z. T. zum Teil ZVG Zwangsversteigerungsgesetz ZVK Zusatzversorgungskasse zwh. zweifelhaft zzgl. zuzüglich