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Neue Befunde am Carcinom. Von Bruno M. Klein und Medizinalrat Dr. A. MiBriegler, Wien. Mit 6 Textabbildungen. (Eingegangeu am 6. Juli 1934.) Einleitung. Die folgenden Befunde stellen ein eigenartiges Gebflde in der Carci- nomzelle lest, zeigen wie dasselbe entsteht und geben so in ihrer Art AufschluI~ darfiber, wie aus einer normalen Epithelzelle eine Carcinom- zelle wird. Der zur Verffigung stehende beschri~nkte Raum zwingt zu gedri~ngter Darstellung des umfangreichen TatsachenmateriMs, woraus sich nicht nur eingehende Einzeldarstellungen verbieten, sondern auch h~ufige Hinweise auf frfihere Arbeiten notwendig werden. 1. Methode und Material. Als an entsprechendem Material festgestellt werden sollte, ob gewisse, bei den Einzelligen vorhandene und auf die Vielzelligen fibergehende Verh~ltnisse 8, 2, die in ganz bestimmter Weise mit dem carcinomatSsen Wachstum in Beziehung zu stehen schienen, in diesem Falle tats~chlich vorliegen oder nicht, entsta~d diese Untersuchung. Die Untersuchungs. methode war so yon vornherein festgelegt: sie mul~te im wesentlichen dieselbe sein, die bei den Einzelligen die betreffenden Verhitltnisse erstmalig aufgedeckt hatte a. Es handelt sich um eine ffir grSl~ere Objekte, wie es BlScke aus normalem und carcinomatSsem Gewebe sind, verwendbare Modifikation der Kleinschen Silbermethode, die folgendermM~en ausgeffihrt wird. Die ohne Quetschung herausgeschnit- tenen Gewebsstficke kommen lebenswarm (nur frisches Operations- material!) in die 20--25fache Menge einer neutrMen 5proz. Form- aldehydlSsung (5% des k~uflichen 40proz. Formols). Bei Zimmer- temperatur bleiben die Stficke, ohne dM~ sie mit irgendeiner Seite dem Glasgefi~B aufliegen (Watteunterlage!), 8--12 Stunden. Each l~ngerem Aufenthalt in dieser Flfissigkeit nimmt die elektive F~rb- barkeit immer mehr ab, um schliel~lich zu verschwinden, denn die die Elektivit~t bedingenden Ladungen gleichen sich nach und nach ab, verschwinden 3, 2 Die B15cke sollen eine Li~nge yon 3 cm und eine Dicke yon 1,5 cm nicht iiberschreiten, damit die durch das Formol geleistete Methylierung eine gleichm/~ftige sei, keine Diffusionsstufen oder andere Ungleichm~$igkeiten eintreten kSnnen. Schnitte werden nachher unmittelbar mit dem Ge/riermikrotom, unter Benutzung fltissiger Kohlens/~ure angefertigt. Die erhaltenen

Neue Befunde am Carcinom

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Neue Befunde am Carcinom. Von

Bruno M. Klein und Medizinalrat Dr. A. MiBriegler, Wien.

Mit 6 Textabbildungen.

(Eingegangeu am 6. Juli 1934.)

Einleitung. Die folgenden Befunde stellen ein eigenartiges Gebflde in der Carci-

nomzelle lest, zeigen wie dasselbe entsteht und geben so in ihrer Art AufschluI~ darfiber, wie aus einer normalen Epithelzelle eine Carcinom- zelle wird.

Der zur Verffigung stehende beschri~nkte Raum zwingt zu gedri~ngter Darstellung des umfangreichen TatsachenmateriMs, woraus sich nicht nur eingehende Einzeldarstellungen verbieten, sondern auch h~ufige Hinweise auf frfihere Arbeiten notwendig werden.

1. Methode und Material.

Als an entsprechendem Material festgestellt werden sollte, ob gewisse, bei den Einzelligen vorhandene und auf die Vielzelligen fibergehende Verh~ltnisse 8, 2, die in ganz bestimmter Weise mit dem carcinomatSsen Wachstum in Beziehung zu stehen schienen, in diesem Falle tats~chlich vorliegen oder nicht, entsta~d diese Untersuchung. Die Untersuchungs. methode war so yon vornherein festgelegt: sie mul~te im wesentlichen dieselbe sein, die bei den Einzelligen die betreffenden Verhitltnisse erstmalig aufgedeckt hatte a. Es handelt sich um eine ffir grSl~ere Objekte, wie es BlScke aus normalem und carcinomatSsem Gewebe sind, verwendbare Modifikation der Kleinschen Silbermethode, die folgendermM~en ausgeffihrt wird. Die ohne Quetschung herausgeschnit- tenen Gewebsstficke kommen lebenswarm (nur frisches Operations- material!) in die 20--25fache Menge einer neutrMen 5proz. Form- aldehydlSsung (5% des k~uflichen 40proz. Formols). Bei Zimmer- temperatur bleiben die Stficke, ohne dM~ sie mit irgendeiner Seite dem Glasgefi~B aufliegen (Watteunterlage!), 8--12 Stunden. Each l~ngerem Aufenthalt in dieser Flfissigkeit nimmt die elektive F~rb- barkeit immer mehr ab, um schliel~lich zu verschwinden, denn die die Elektivit~t bedingenden Ladungen gleichen sich nach und nach ab, verschwinden 3, 2 Die B15cke sollen eine Li~nge yon 3 cm und eine Dicke yon 1,5 cm nicht iiberschreiten, damit die durch das Formol geleistete Methylierung eine gleichm/~ftige sei, keine Diffusionsstufen oder andere Ungleichm~$igkeiten eintreten kSnnen.

Schnitte werden nachher unmittelbar mit dem Ge/riermikrotom, unter Benutzung fltissiger Kohlens/~ure angefertigt. Die erhaltenen

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Schnitte werden in 5proz. Formoll6sung gebracht, yon dort auf Objekt- tr/~ger fibertragen (nicht ankleben !), abtropfen gelassen und dann mittels einer Pipette mit 2proz. SilbernitratlSsung fiberschichtet. In dieser LS- sung l~gt man die Sehnitte 6--8 Minuten. Naeh dieser Zeit wird mit destilliertem Wasser, wieder mittels einer Pipette, grtindlich abgespfilt, abtropfen gelassen und dann die Reduzierflfissigkeit aufgetropft. Diese besteht am besten aus einer 1 proz. Hydrochinonl6sung, die etwa 1 Tag alt ist and, wenn ~lter, nur einen ganz leichten Stieh ins Gelbliche aufweisen darf, nieht abet bereits braun sein soll. In dieser Fltissigkeit bleiben die Sehnitte bis t~eduktion, d. h. Sehw~rzung, eingetreten ist, was wenige Minuten bis 1/4 Stunde dauern kann. Naeh erfolgter geduktion wird griindlich mit destilliertem Wasser abgespiilt und in ehemiseh reines Glycerin eingesehlossen. DeekglasversehluB am besten dureh Balsamring.

Da alle diese Verriehtungen mit uneingebetteten, also leieht zer- reigenden Sehnitten ausgefiihrt werden miissen, ist Vorsieht und eine gewisse Geschiekliehkeit erforderlich. Ist die Fgrbung gelungen, so erh/~lt man Bilder, wie sie dieser Arbeit beigegeben sind. Tri t t aus irgend- einem Grunde diffuse oder tiberhaupt keine Fs ein, so ist eine neue Serie herzustellen. Was die Griinde betrifft, die ein Gelingen aussehliel3en, so sind sie vorerst in zu altem, eventuell sehon postmortat ver/indertem oder sehleeht vom Formol durehdrungenem Material oder ungeeigneten Reagenzien zu suchen. Manehmal t r i t t trotz frischem, riehtig behandeltem Material und guten Reagenzien ein Migerfolg ein, der dann auf eingetretene Umladung der darzustellenden Gebilde be- ruht. Solehe Umladungen sind bei der, die darzustellenden Gebilde auszeichnenden grogen Labilit~t im allgemeinen und Ladungslabilit~t im besonderen m6glich. Weiteres zu diesem Punkt in a und e

F/~llungsmittel bzw. Einbettung der B15cke sind streng zu vermeiden, da so immer Umladungen erzielt werden.

ManchmM tri t t s tat t Sehw/trzung geradezu Polychromie im Schnitt auf. Diese Erseheinung, die darauf beruht, da6 in versehiedenen Stellen des Schnittes das Silber aus dem Silberalbuminat in versehiedener Korngr6ge reduziert wurde, beeintr~ehtigt das Resultat nieht.

F/Jr die Darstellung speziell der Langerhanssehen Zellen werden die B16eke nur 2--4 Stunden im Formol gelassen und dann gleieh gesehnitten. Bei dieser kurzen Methylierung kommen oft nut die Langerhanssehen Zellen in s elektiver Weise zur Darstellung. Bei normaler Methy- lierungszeit stellen sieh aueh alle anderen diesbeziigliehen Gebilde dar.

2. Normales Epithel im Silberbild. Wird normales Epithel, gleichgfiltig welcher Art, nach der angegebenen

Methode behandelt, so wird, im Gegensatz zu anderen Methoden, nieht das zellige, sondern ein zwischenzettiges System dargestellt. Plasma und

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Kern der Zellen bleiben ungef~rbt oder erhMten einen leichten Ton, der, gleichm~13ig ftir beide Teile, dieselben kaum oder nieht voneinander abhebt. Hingegen wird ein zwischenzelliges System tief dunkel und gu6erst elektiv gefgrbt. Dieses Zwischensystem setzt sich zusammen aus Fibrillen, die im intercellularen Raum so verlaufen, dM3 sie immer den Grenzflgehen zweier oder dreier benachbarter Zellen angehSren

Abb. 1. a -- normales Zwischensystem im Epi thel des Mesenteriums yon Lepus; b = dutch un= gfinstige Konservierungseinflfisse geseh~idigtes Zwischensystem hn EpitheI des Mesenteriums -con I, epus. An manchen Zerfallsstel]en die beiden Komponenten, die feine fibrill~re und die sie um-

gebende pIasmatisch-argentophile. u 220mM (9/10). Aufn. B. M. Klein.

und in ihrer Gesamtheit ein dreidimensionMes , ,Raumgit ter" oder Wabengitter bilden, yon dessen St~ben jede einzelne Zelle umsehlossen wird, so da~ morphologisch die Vielheit der Zellen dureh ein einheit, liehes System verbunden wird (Abb: 1, a). In dieser Art stellt sieh das Zwisehensystem dar, wenn es v611ig ungesch~tdigt zur Beobaehtung kommt.

Die weiten Gittermaschen, wie sie am h~ufigsten die Zellen urn- sehliel3en, gehen hie und da bei manehem Plattenepithel in enge Gitter-

90 B. N[. Klein und A. Migriegler:

masehen fiber, die um jede der Plasmodesmen (,,Staeheln") herumziehen. I m Mlgemeinen herrsehen die weiten Masehen.

Dag die St/tbe der Masehen tatss Fibrillen sind und nieht etwa in der Aufsieht gesehene Membranen, zeigt sieh an entspreehenden Pr~paraten nieht nut unmittelbar, sondern in F/~llen, wo das Zwisehen- system in bestimmter Art gesehs wurde, aueh mittelbar und sehr eindeutig. Dag das Zwisehensystem sehr leieht sehon wiihrend des Lebens zu seh/~digen ist und wie dies gesehieht, davon wird erst sp/~ter die Rede sein. Liegt nun ein in best immter Weise geseh~digtes Zwi- sehensystem vor, so sieht man Zust/~nde, die in dieser Art nut dann sieh ergeben k6nnen, wenn das Zwisehensystem aus Fibrillen besteht, niemMs abet, wenn dieses System aus membran6sen Zwisehenw/~nden bestiinde oder fiberhaupt nut aus einer fltissigen Zwisehensubstanz. Ein Zwisehensystem, an dem dutch Zerst6rungen die Fibrillennatur der fragliehen Gebilde besonders deutlieh in die Erseheinung tritt , zeigt Abb. 1, b.

Uber die Beziehung des hier aufgezeigten Zwisehensystems zu den in der Histologie so vielgedeuteten und noeh nieht endgfiltig quali- fizierten Intereellularen, Kittlinien, SehluBleistennetzen usw. ist fest- zustellen, dag nut Teile des intereellularen Raumes beiden Grul0pen yon Bildungen gemeinsam sind. N~her wurde dieses Verhs aus- geffihrt in 2.

Die vorangehende Besehreibung und die Abb. 1, a geben fiber die morphologisehen Verh/~ltnisse des Zwisehensystems Auskunft, wenn dieses vOllig ungesehiidigt zur Untersuehung gelangt, d. h. weder im Leben noeh naehher Sehaden erlitten hat.

Da das in l~ede stehende System, wie sieh sp/~ter noeh ergeben wird, sowohl in seiner Struktur als aueh in seiner Form 8ehr labil ist, d. h. dureh seh/~dliehe Einfltisse leieht ver/~ndert bzw. zerst6rt wird, k6nnen Seh/tdigungen w~hrend des Lebens, dureh ungeeignete Kon- servierung oder anl/~131ieh gewisser Krankheitserseheinungen auftreten, wodureh Verh/~ltnisse bzw. Bilder entstehen, die yon der Norm oft s tark abweiehen, wovon ebenfalls sp/~ter noeh die Rede sein wird.

Bemerkt sei noeh, dag ein Zwisehensystem sieh nieht nut auf die Epithelien besehr/tnkt, sondern aueh bei anderen Geweben, und dann in einer den jeweiligen Verhgltnissen angepaBten Form, auftr i t t : bei Bindegewebs- bzw. Nervenzellen erseheint es als /~uBerste Grenzsehieht argentophiler Substanz, die yon einer Zelle zur anderen iibergeht; bei Muskelzellen liegen die Verh/tltnisse /~hnlieh wie beim Epithel. Nur die reife Eizelle im Follikel maeht eine Ausnahme insofern, als bei ihr das ,,Zwisehensystem" niebt in der gugersten Sehieht, sondern im Innern um den Kern angeordnet erseheint Und so an Verh/~ltnisse erinnert, die im 2. Absehnitt er6rtert werden sollen.

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Zu erw~hnen w~tre noeh, daft in Schnitten durch Plattenepithel, die in der angegebenen Art versilbert wurden, hie und da noch ein Bestandteil /s elektiv hervortritt: die Langerhansschen Zellen. Es sind dies Gebilde, die ihres ganglienzellenhaften Aussehens fiir Nerven-, Wander-, Bindegewebs- oder Pigmentzellen bzw. fiir Artefakte erkl/s wurden. Bei den dieser Arbeit zugrundeliegenden Untersuehun- gen wurden Langerhanssche Zellen im Epithel spitzer Condylome, dann innerhalb eines Plattenepithelearcinoms und schlie61ieh im Platten- epithel einer Dermoid- cyste gefunden.

Die dendritenartigen Forts/~tze der Langerhans- schen Zellen setzten sich entweder unmittelbar in die Fibrillen des Zwisehen- systems fort, oder ende- ten, oft mit eigenartigen Terminalgebilden, fiber dem Kern irgendeiner der yon ihnen fibersetzten Epithelzellen*.

3. CarcinomatSses Epithel im Silberbild.

In vOlligem Gegensatz zu den Bildern, die nor- males Epithel ergibt, stehen j ene Bilder, die man bei roll carcinomat0s**

ver/~ndertem Zpithel er- Abb. 2. P~nar ien aus e inem Carc inom der Lebcr. Yergr ,

h/~lt. Die bei normalem 1200real (@/10) ( Immersionsbi ld) . Aufn. ~ . M. Klein.

Epithel vorhandene Form des Zwisehensystems fehlt bier g/s An Stelle des/ibrilldiren Waben- gitters, das in morphologischer Hinsicht die einzelnen Zellen mit- einander verbindet, linden sich um die Zellkerne mehr minder schwere Anh/s argentophiler Substanz, die Panarien (Abb. 2), in denen die Zellkerne wie in einem Brotkorb liegen. Die Zellen, in denen sich ein solches Panarium finder, die Panariocyten, entbehren das bei nor-

* Die diesbeziiglichen Befunde k6nnen wegen R~umm~ngel hier nicht weiter beriicksichtigt werden, sollen aber an anderer Stelle ausfiihrlich geschilder~ werden.

** Die carcinomat6sen Vergnderungen, die an normalen Epithelzellen einmal beginnen, entwiekeln sich von hier fiber versehiedene S~ufen (Phasen) bis zur vollen Ausbildung, der Endphase, der vollcarcinomatOsen Zelle.

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malen Epithelzellen im normalen Zwischensystem gegebene morpho- logisehe Substrat gegenseitiger Verbundenheit, sind also in dieser Hin- sicht vSllig isoliert nebeneinander. Es erhebt sich nun selbstverst~ndlich die Frage, ob diese beiden Befunde etwas wesentlich verschiedenes zeigen, oder ob das Panarium sich aus dem normalen Zwischensystem herleitet. Eine Antwort auf diese Frage geben jene Zellen, die in der ~bergangszone zwischen normalem und roll carcinomatSs gewordenem Epithel liegen. Die Zellen dieser Ubergangspartien zeigen nun, in ttinsicht auf ihr Zwisehensystem, einc ganze Reihe verschiedener Bilder, die, stufenweise aufeinanderfolgend, zwei Extreme verbinden, deren eines im normalen, fibrill~ren Zwisehensystem und deren anderes im Panarium gegeben ist. Diese Reihen zeigen, dab sich das Panarium vom normalen Zwischensystem herleitet, dal~ es diejenige Form des Zwischensystems darstellt, die ffir die vollcarcinomatSse Zelle eharak- teristisch ist. Wie im einze]nen diese Umwandlung sich vo]lzieht, mSgen die folgenden Angaben zeigen. Jedes prims Carcinom ist von normalem Epithel jener Art umgeben, aus der es entstanden ist. Fertigt man nun Sehnitte an, die die Ubergangspartien yon normal zu carei- nomatSs enthalten~ so ergeben sich die zu sehildernden Silberbilder. Im noch gesunden Gewebe des s Randes erh~lt man normales Zwischensystem. Etwas weiter zentralw~rts zeigen sieh nun die Fi- brillen des Zwisehensystems geseh~digt: sie weisen zum grSl~ten Teil keinen glatten, gesehlossenen Kontur mehr auf, sondern sind strecken- weise in kleinere oder gr56ere, tiefsehwarz gef~rbte , ,Perlen" aufgelSst, die bei genauerem Zusehen einer fast ungefs sehr feinen Fibrille ~ufsitzen. Da diese Fibrille vim diinner und viel blasser ist als die im normMen Zwisehensystem, Dieke und Schws der noch nicht in ,,Perlen" zerfallenen und auch sonst noeh nicht ver~nderten Fi- brillenabsehnitte der Dieke und Sehw~rzung der Fibrillen im norma]en Zwischensystem entsprieht, ergibt sieh, dal~ die normale Zwisehen- systemfibrille eine gleiehm~l~ige Hfille plasmatiseh-argentophiler Sub- stanz tr/~gt, die unter Umsts bier bei beginnender carcinomat5ser Vers zerf~llt, in TrSpfehen bzw. ,,Perlen" dissoziiert. Die Dissoziation geht in diesem Falle, wo die argentophile Substanz auf der Fibrille sozusagen zerbricht, um sich dann zu TrSpfehen zu ballen, naeh dem Fraktu~typus (Abb. 3, a) vor sick Die plasmatisch-argento- phile Komponente kann aber noeh naeh einem anderen Typus zerfallen: erfolgt die Dissoziation unmittelbar in lcleinsten TrSpfehen, zerst~tubt sie sozusagen, so liegt der Dispersionstypus (Abb. 3, b) vor. Die ihrer plasmatisch-argentophilen Komponente verlustig gegangenen Fibrillen bleiben noch kurze Zeit als blasse Sehemen siehtbar, w~hrend die dispergierte argentophi]e Substanz die Zelloberfl~cbe rul~ig schw~rzt. Uber den Aufbau des Zwischensystems aus zwei Komponenten, einer

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fibrill/tren und einer diese umhiillenden plasmatisch-argentophilen, sowie tiber Dissoziationserscheinungen vergleiehe man noeh Abschnitt 4 sowie die Arbeiten s, t, 5

Die Dissoziation des Zwisehensystems macht auf dieser Stufe nieht halt. Welter gegen das vollearcinomat6se Zentrum zu finder man immer fortgeschrittenere Stufen des Zerfalls (Abb. 3, c). Sowohl naeh

Abb. 3. a -- Zerfall des Zwischensys tems im Epi the l nach dem F r a k t u r t y p u s . Aus e incm Magen- carcinom. Vergr. 1200mal; b ~ Zerfall des Zwischensys tems i m Epi the l nach dem Dispers ions typus . ]~echts oben berei ts ein fer t iges Yanar ium. Aus e inem M[agencarcinom. Yergr . 700mal ; c = Pana r i en in verschiedener Ausbi ldung aus einem Oesophaguscarcinom. ~bers ichtsb i ld . Yergr , 230real (9/1~).

Aufn. B. M. Klein.

dem Fraktur- als auch naeh dem Dispersionstypus dissoziierte Systeme zeigen, dem Augensehein nach, eine Zunabme in der Masse ihrer argento- philen Substanz, d. h. es t r i t t in dieser Beziehung eine Hypertrophie ein: die aus dem Fraktur typus hervorgegangenen TrSpfchen vergrSl~ern sich, flieIten zusammen, verballen sieh in zunehmendem Ma[~e; die aus dem Dispersionstypus entstandene oberfl~tehliehst an der Zelle liegende

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Sehicht feinster KSrnchen verdickt sich fortsehreitend. In beiden Fallen resultiert schlieBlieh dureh Hypertrophie, Ballung und Ein- sinken, d. h. Verschiebung yon der Peripherie gegen das Zellinnere, jenes, den Kern umsehlieBende, aus der argentophilen ~qubstanz des normalen Zwischensystems sick ttesleitende Gebilde, das vorhin als Panarium angeftihrt worden ist. Dieses Panarium ist kennzeichnend fiir die vollcarcinomatSs gewordene Zelle. Zu ihm fiihren, wie sich aus dem vorhergehenden ergibt, eJne Reihe verschiedener, auseinander hervorgehender Formen des Zwischensystems, die ihren Ausgangspunkt im Normalen haben.

In dieser Weise zeigt sich eine eharakteristische Ver~nderung in der Krebszelle nicht als intra- sondern als intercellulares Problem, als Problem des Zwischenzelligen. Dutch die angewandte Untersuehungs- methode werden nicht Ver~nderungen yon intracellularen Bestandteilen der Zelle, von Plasma nnd Kern, sondern nur jene des intercellularen Systems, des Zwischensystems aufgezeigt, das im Laufe der betreffenden Vorg~tnge aus seiner zwischenzelligen Lage sich zentripetal verlagert und hypertrophierend und verballt schlie61ich eine Lage um den Kern herum bezieht. In dem Mal3e als diese Ver~nderung Platz greift, verschwindet im intercellularen Raum das Zwisehensystem; nur selten halten sich hier dissoziierte Reste w~hrend der ersten Stadien der Bildung der Panarien, bleiben kurze Zeit auf der zentripetal geriehteten Wanderung zuriick, um schliel31ich auch in der Ballung um den Kern unterzugehen.

Sind die Panariocyten einmal gebildet, dann vermehren sie sich sehr rasch, wie aus den zahlreichen Teilungsstadien, die man in den Haufen vollpanarioeyt6s ver~Lnderter Zellen antrifft, hervorgeht. In ihrem ungehemmten Wachstum dringen sie zwischen die Zellen der angrenzenden Gewebe, wie Muskeln, Fett , Bindegewebe usw., ein, durchsetzen aber aueh die Wandungen yon Blutgefaften, stellen so das proli/erierende Element des Carcinoms dar. Zu erwg, hnen ist noch, da~ innerhalb eines Carcinoms oft auch das Endothel der kleinen Gef~t[te typische panariocytSse Ver~tnderungen aufweist (Abb. 4), die oft so weir gehen, da~ freie Panariocyten im Lumen der Gef/~13e oft in grol3er Anzahl angetroffen werden.

Sind die besehriebenen Ver~nderungen des Zwisehensystems nun nur auf das Carcinom beschr~nkt, oder kommen sie teilweise oder zur Ganze aueh in anderen, gutartigen epithelialen Neubildungen vor ? Die Untersuchung yon Warzen, Polypen, Kondylomen, Epitheliomen usw. gibt dariiber eindeutig Aufsehlu6. Wo immer Epithel atypisehes Wachstum zeigt, linden sieh Abweichungen des Zwischensystems von der normalen Form. Diese kann inselweise noch auftreten, bleibt aber im Hintergrund. Die Veranderungen, die das Zwisehensystem in gut- artigen Neubildungen zeigt, weichen nun prinzipiell nicht von den-

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jenigen ab, die im Careinom angetroffen werden, erreiehen aber nie die Stu]e des vollausgebildeten Panariums - - solange Gutartigkeit be- steht. Die diesbeziigliehen Ver/~nderungen gelangen nieht bis zur Endstufe, die erst das proliferierende Element darstellt und somit die BSsartigkeit einer Gesehwulst bedingt. Da aber der Weg zu dieser Endstufe bis zu einem gewissen Punkt gefiihrt hat, kann er unter Umst~tnden welter fiihren bis zum Ende, kann ein gutartiges Gebilde in ein b6sartiges iibergehen, was mit den betreffenden kli- nisehen Erfahrungen, mit der Tatsache, dag zwi- schen gut- und b6sartigen epith eliMen Neubildungen weder klinisch noeh histo- logiseh eine seharfe Grenze besteht, im Einklang ist.

Das Zwisehensystem zeigt demnach beim Car- cinom und, in derselben Riehtung aber nur in den ersten Stufen bei anderen Neubildungen, Ver~tnde- rungen gegeniiber der Norm, die wie Reaktionen auf irgendein Agens ab- laufen. DaB es sieh tat- s~ehlieh um Reaktionen Abb. 4. Panarioeyt6s mngebildetes Endothel in einem des Zwisehensystems ban- kleinen Oef~13 aus einem Lebercarcinom. Unten Durch-

brueh der Gefi~gwand und typisehe Panarioeyten. u delt, geht z, B, aus fol- a00mal (9/~o). Aufn. B. M. Klein.

gendem, ausftihrlich und mit entspreehenden Mikrophotogrammen in ~ gesehildertem Befund her- vor, der hier nur kurz angezogen werden soll: das Epithel der inneren und ~ul3eren F1/iche eines Prolapsus ani zeigte sich naeh Fs mit Hs bzw. Anilinfarben, also bei Untersuehung der ,,cellularen" Bestandteile, in gleicher Weise normal. Mit der ,,intercellulare" ]~e- standteile darstellenden Silbermethode ergaben sieh, das Zwisehen- systenl der Innen- und Aul3enfl~che betreffend, ganz verschiedene Bilder. Die AuBenfli~che, die aueh im Falle eines Prolapses welter unter normalen Bedingungen steht, d. h. naeh wie vor Begrenzung nach augen ist, zeigt durehaus normales Zwischensystem, wiihrend die Innenfl/tche, normalerweise als naeh innen gekehrte Schleimhaut,

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beim Prolaps hinaus verlagert ist und so, unter abnormalen Bedingungen stehend, ein vSllig dissoziiertes Zwischensystem aufweist. Diese Befunde sind um so eindeutiger, als sie sich jeweils an ein und demselben Schnitt ergeben und deshalb gegen sie nicht angeftihrt werden kann, daB, wie es an versehiedenen, unter nieht v611ig gleiehzuhaltenden Bedingungen gefi~rbten Sehnitten mSglich wgre, die Methode versehieden gewirkt h/~tte. Auffi~llig ist, dab in diesem Falle auger dam Zwisahensystem noch kein anderer Zellbestandteil mit wahrnehmbaren Vergnderungen auf die vorhandenen schgdliahen Einfliisse reagiert, woraus sieh ergibt, dab das Zwischensystem der emp/indlichste Indicator au/ schiidliche Ein/li~sse ist, die es dutch wahrnehmbare Veriinderungen anzeigt. Durch diese Beobachtung erhalten die betreffenden Varhgltnisse Ansehlug an einen Tatsaahenkomplex, der sieh im Bereich der Einzelligen, der Protozoen, in ausgesproahenstem MaBe bei den Ciliaten oder Infusorian, finder. Auah hier existiert, wie frfiher 3 gezeigt wurde, ein vor allen anderen Zellbestandteilen auf Sehgdlichkeiten mit wahrnehmbaren Ver/~nderungen reagierendes4, 5 Zwischensystem (,,Silberliniensystem"), das nur niaht zwischen den hSheren Plasmaeinheiten der Zellen, sondern zwischen Plasmaeinheiten niederer Ordnung, den Waben oder Alveolen des Ektoplasmas verli~uft a, sehliel31iah fiber kolonienbildende Arten a auf den vielzelligen K6rper der Metazoen fibergeht 1, 2, a, um dort auf dieser hSheran Stufe zwischen den einzalnen Zellen zu verlaufen. Die Tatsache, d~13 sich das in den Geweben der Metazoen, besonders ur- spriinglich im Epithel dersalben vorfindende Zwischansystem aus dem Zwischensystam der Einzelligen, dam Silberlinien- oder neuro/ormativen System 3, 1, 2 (auf das hier nieht ngher eingegangen werden k~nn, vgl. 8, 1, 2, 4, .5) herleitet, wfirde es vielleicht noch nicht rechtfertigen, hier dieses System mit dem im Epithel vorhandenen Zwischensystem in Beziehung zu setzen. Wie die letzten experimentellenArbeiten 4'5 fiber das Silberlinien- system gezeigt haben, bestehen aber im Verhalten gegan Schgdlichkeiten bzw. in den Re~ktionen darauf, in Anderungen des Struktur- und Form- zust~ndes (Dissociation, Panarien) dieses Systems so weitgehende und geradezu verbliiffende Parallelen mit dem Zwisahensystem der Epithe- l ien, dal~ es wohl berechtigt erscheinen wird, im Intercsse des Zusammen- h~nges und der Kl~trung, letzten Endes der Wertung, der beim Carcinom erhaltenen Befunde, die betreffenden, experimentell am Silberlinien- system der Einzelligen erhaltenen T~tsaahen hier kurz vorzuffihren.

4. Parallelerscheinungen am Silberliniensystem (neuro]ormativen System) der EinzeUigen.

Da hier, und auch nut soweit dies unbedingt n5tig ist, einzig auf die in Anderungen des Struktur- bzw. Formzustandes sichtbar werdenden Reaktionen des Silberlinien- oder neuroformativen Systems der Einzelli-

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gen eingegangen werden kann, muB in Absicht auf die fibrigen Qualit~ten dieses Systems auf friihere Arbeiten a verwiesen werden*:

Ffir die Zwecke dieser Ausfiihrungen ist es vor allem wichtig, dal~ dieses System durch verschiedene Einfltisse, z .B. ~tuBere Sch/~dlich- keiten, ver/~ndert werden kann, derart, dab diese Ver/~nderungen als Reaktionen des Struktur- bzw. Formzustandes des Systems wahrnehm- bar werden, und zwar zu einer Zeit, da alle anderen Zellbestandteile durch diese Einfliisse noch keinerlei wahrnehmbare Ver/~nderungen auf- weisen. Werden die lebenden Tiere Sch~tdlichkeiten, z. B. thermischen, strahlungsenergetischen oder chemischen, ausgesetzt, die so dosiert sind, da6 sie die ihnen un~erworfenen Tiere Stunden, Tage bzw. Wochen aus- halten kSnnen, so reagiert das Silberliniensystem auf diese Einwirkungen mit Ver/~nderungen seines Form- bzw. Strukturzustandes. Die Ver- /~nderungen des letzteren erfolgen so, dab die urspriinglich fibrilli~re Struktur des Systems entweder nach dem Fraktur- oder dem Disper- sionstypus (vgl. frfiher) zerf~llt, d. h. die plasmatisch-argentophile Kom- ponente der ,,Silberlinien" dissoziiert nach den beiden angegebenen Typen, und die nackt zm'iickbleibende fibrill/~re Komponente verschwin- det nach und nach. Die Ver~ndernngen des Formzustandes sind die weitaus interessanteren und mSgen, samt den mitfolgenden Struktur- ver/inderungen, an einer Bilderreihe fiir einen Fall gezeigt werden. Abb. 5, a zeigt das normale Silberliniensystem eines Tieres jener Ciliaten- art (Glaucoma mau~asi Kahl), die zu dem folgenden Versuch verwendet wurde. Zu beachten ist die v611ige Unversehrtheit der im EktopIasma verlaufenden Fibrillen und der nirgends gest6rte Zusammenhang, die voile Kontinuitiit des Systems**. Das Tier war unter normalen Lebens- bedingungen gehalten, war keinerlei Sch/idlichkeiten ausgesetzt und zeigt in seinem Silberliniensystem auch keinerlei Sch~digungen. Abb. 5, b zeigt das Silberliniensystem eines Tieres derselben Art, nachdem es 24 Stunden in 0,25proz. ChloralhydratlSsung gelebt hatte, diese Zeit also unter anormalen, zweifellos sch~dlichen Bedingungen verbracht hatte. DaB diese Bedingungen tats/~chlich sch~tdlich gewirkt batten, erwies die mikroskopische Untersuchung des lebenden Tieres nach der Einwir- kungszeit: an Stelle der normalen, raschen, gut koordinierten Bewegun- gen waren langsam torkelnde bzw. rotierende, koordinationsgestSrte

* Hier sei, um MiBverst~ndnisse zu vermeiden, nur betont, dal~ einerseits die nervSs-koordinierende, andererseits die auf das Ektoplasma und seine Derivate geriehtete formbildende Leistung nicht au/ Grund der Wirlcung der Silbermethode und deshalb dem Silberliniensystem zugeordnet wurde, weft durch Silber auch nervSse Elemente darstellbar sind, sondern deshalb, weil jene morphologischen Fakten des Systems, die sich mit verschiedenen Funktionsphasen der Tiere, wie Koordination, Teilung, Regeneration, Konjugation Usw., gndern, sich zu diesen Funktionsphasen so verhalten, dab sie dieselben bedingen, was sich auch experimentell feststellen lgflt.

** Uber Einzelheiten solcher Systeme vgl. a

Zeitschrift ftir Krebsforschnng. 41. Bd. 7

98 B. M. Klein und A. Mi~riegler:

~Bewegungen getreten. Die Gr613e des Tieres war gegen die Norm stark zuriickgegangen. Die Untersuchung des Silberliniensystems so geseh~t- digter Tiere zeigt nun ein bereits sehr gesch~digtes Silberliniensystem, womit die Unkoordiniertheit der Cilienbewegung, die der Lebendbefund zeigte, gut in Einklang steht. Die betreffenden Schs bestehen, wie Abb. 5, b zeigt, vor ~llem in einer Vereinfaehung des Systems, was

Abb. 5. a --- norinales SilberIinicnsystem yon Glaucoma maupasi Kahl (Ciliat) ; b, c, d -- verschicdcne I) issoziat ionsstufen des Silberl iniensystems der gleichen Tiera r t , nach 24st i indigcm Aufen tha l t in 0,25proz. Chlora lhydrat l6sung. b ~ ~,Tereinfachung und Diskont inu i t~ ten ; c = Regression auf engmaschiges (Ji t ter und u d = Pana r ium. Vergr. 1200mal (9/i0). Aufn. B . M . Klein .

ein Vergloich mit Abb. 5, a ohno weiteres klar macht. Aber nieht nur Vereinfachungen, sondern auch Diskontinuitiiten in den Fibrillen treten sehr deutlich hervor. Die ursprfinglich in vollster Kontinuit~t verlaufen- den Fibrillen sind in einzelne Teilstrecken ,,zerbrochen", dissoziiert. Ferner f~llt auf, dab der Zellmund, das Cytostom, verschwunden ist, resorbiert wurde, wodurch sich das Tier gegen die soh~dliche Umgebung in w6rtlichem Sinne verschliel~t. Durch den Ausfall der N~hrungsauf-

Neue Befunde am Carcinom. 99

nahme bzw. der Ern//hrung erkl~rt sich auch die bedeutende Gr6Ben- ~bnahme gegeniiber der normalen GrSBe des Tieres. Abb. 5, c zeigt das Silberliniensystem eines Tieres, das die gleiehe Zeit fiber in der gleiehen Seh/~dliehkeit verbraeht h~tte, aber eine bereits fortgesehrittene forma- tive Re~ktion in seinem Silberliniensystem aufweist. Die noeh vorh~n- denen Fibrillenreste haben ein engmaschiges Gitter gebildet, sind ~uf die primitivste Systemtype regrediert 3, und g]eichzeitig treten schwere Verbalhmgen argentophiler Substanz naeh dissoziierten Fibrillen auf, wobei eine Zunahme, eine Hypertrophie dieser Substanz, ohne weiteres festzustellen ist. In Weiterbildung dieses Stadiums trifft man auf Tiere, die ebenfalls noeh leben, aber nur mehr sehr sehwaehe, v611ig unkoordi- nierte Bewegungen zeigen. Ihr Silberliniensystem giht Abb. 5, d wieder. Es ist hier unsehwer, ein aus dem Silberliniensystem hervorgegangenes Panarium zu erkennen, d. h. ein Gebilde, das dutch v611ige Dissoziation und Hypertrophie der lolasmatiseh-argentophilen Substanz des Silber- liniensystems hervorgegangen ist. In ihm ist das urspriinglieh Iibrill~Lre, im Ektoplasma gegebene Silberliniensystem zu einer membran6sen, den Kern mngebenden Hiille geworden. Die Parallelitgt des entspreehenden Gesehehens am Zwisehensystem bei Viel- und Einzelligen diirfte iiber- rasehen. Hinzugeffigt sei, dab sieh w/~hrend der Zeit, da sieh am Silber- liniensystem derart einsehneidende Anderungen des Form- und Struktur- zustandes einstellen, an Plasma und Kern der Zelle keine wahrnehm- baren Ver/~nderungen ergeben, eine Tatsaehe, zu deren Prfifung s/Lmt- liche Kern- und Plasmafgrbungen zur Verffigung stehen. Daraus ergibt sieh neuerlieh der frfiher aufgestellte Hinweis, dag das Silberlinien- oder neuro/ormative System mit wahrnehmbaren Veriinderungen den emt)/ind- lichsten Indicator au] SchiidlicMceiten darstellt.

Zwei Bilder aus anderen Versuehsreihen m6gen nun noeh weitere Beispiele geben yon der Dissoziation des Silberliniensystems. Abb. 6, a zeigt sehr seh6n den Zerfall nach dem Fraktur typus, die ,,zerbroehenen" Fibrillen des Systems und die Hypertrophie der pl~smatiseh-argento- philen Substanz, die bereits sehr ch~rgkteristische Baltungen bildet. D~s betreffende Tier (Colpidium campylum Stoc]ces, dessen normales System Abb. 5, a gleieht) wurde 48 Stunden in 0,5 proz. Coffeinl6sung gehalten, lebte naeh dieser Zei~ noch, zeigte aber schon sehr verminderte und sehr unkoordinierte* Bewegungen.

Abb. 6, b stellt einen Teil des Silberliniensystems yon Glaucoma maupasi Kahl dar (dessen normMes Silberliniensystem im Prinzip so aussieht wie das in Abb. 5, a dargestellte). Das Tier war 36 Stnnden in 0,01proz. NaOH-L6sung und zeigte naehher etwas verminderte, aber noeh gut koordinierte Bewegung. Der normale Formzustand des

* Unter koordinierter Bewegung ist natiirlich immer die Koordination des Cilienbes~andes gemein~. Solange die einzelnen der of~ vielen T~usenden yon Cilien in ihrer Arbeit koordiniert sind, sol~nge ist die Bewegung yon Ort zu Oft koordiniert.

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100 B. IV[. Klein und A. Mif~riegler:

Systems, der, wie schon erw~thnt, demjenigen gleicht, den die Abb. 5, a zeigt und weitmaschig streifig gehalten ist, hat sich sehr verdichtet, indem er beinahe v511ig auf die primitive Formtype des engmaschigen Gitters 3 regrediert ist und so eine sehr augenf~llige Reaktion auf die betreffende Schi~dlichkeit bildet. Weitere Beispiele aus der fiber 900 diesbezfigliche Versuchsreihen umfassenden Serie 4, 5 zu geben, verbietet hier der Raum.

Das Wesentliche, das alle diese Versuche zeigen, ist folgendes: alle Schs die wiihrend des Lebens auf die Zelle einwirken, 15sen strukturelle bzw. formative Reaktionen im Silberliniensystem aus. Die letzteren zeigen deutlich eine auf Verdichtung des Systems gehende

Abb. 6. a = Dissoziationserscheinungen am Silberlihiensystem eines 48 Stullden in 0,5proz. Coifein- 16sung gewesenen Ticres (Colpidium campylum Stockes) ; b -- Verdichtung des Si]berliniensystems dutch l~egression auf das engmaschige Git ter bei einem 36 Stunden in 0,01!0roz. 5TaOH-L6sung gewesenen Tier (Glaucoma pyri/ormis [Ehrbg.] Schew.). u 1200real (9/10). Aufn. lB. M. Klcin.

Tendenz, die so weit geht, dab fiber engmasehige Gitter 3 schlie61ich ein Panarium t, ~gebildetwird. I)iestrukturellenReaktionen bestehenimmer in einer ])issoziation der plasmatisch-argentophilen Substanz und fiihren unmittelbar oder mittelbar fiber abnorme Formzust~nde naeh dem Fraktur- bzw. Dispersionstypus zur teilweisen oder g~nzliehen ZerstSrung des Silberliniensystems in seiner fibrill~ren Form, es vollziehen sich also am Zwischensystem der Einzelligen unter bestimmten, experimentell gesetzten Bedingungen Ver~nderungen, die wesentlich in derselben Art am Zwisehensystem in eareinomat6sem Epithel ablaufen unter nicht experimentell gesetzten und deshalb noeh nieht exakt zu erfassenden, in einem bestimmten Krankheitsprozel~ liegenden Bedingungen. ttier werden gewisse M6gliehkeiten zur Erfassung des earcinomat6sen Krank- heitsprozesses sichtbar, auf die in diesem Rahmen nieht weiter einge- gangen werden soll.

Erw~thnt sei noch, da6 Tiere (Einzeller) der gleichen Art, die gleieh- zeitig auf demselben Glas der gleichen Seh~dlichkeit in der gleiehen I)auer ausgesetzt werden, die betreffende Reaktion im Silberlinien- system nieht gleichzeitig aufweisen, sondern diesbeziiglich individuelle

Neue Befunde am Carcinom. 101

Verschiedenheiten im Reaktionsan/all zeigen. Ebenso verhalten sieh ver- sehiedene Arten. Dieser individuell und artlich versehiedene Anfall der gleichen Reaktion zeigt eine individuell und artlich verschiedene Wider- stands/iihigkeit des Silberlinien- oder neuroformativen Systems an, was, wenn der folgende Vergleich auf fibertragene Verh~ltnisse gestattet ist, in dieser anderen Ebene etwa erkl~tren k6nnte, warum yon zwei Pfeifen- rauehern, die sich in gleicher Weise der gleichen Sch~dlichkeit aussetzen, der eine schlieBlich einen Lippenkrebs bekommt und der andere nieht.

5. Zusammen/assung. Im Carcinom vollziehen sich am Zwischensystem der Zellen charak-

teristische Ver/tnderungen, die sich vom normalen, fibrill~ren Form- zustand mit nieht dissoziierter Substanz herleiten, um fiber fortschrei- tende Stufen der Dissoziation und Hypertrophie der plasmatisch-argento- philen Substanz dieses Systems sich zu einer korbartigen Htille um den Kern, dem Panarium, zu entwiekeln. Die Dissoziation erfolgt entweder nach dem Fralctur- oder naeh dem Dispersionstypus, was in Itinbliek auf das Endergebnis, das Panarium, gleiehgfiltig ist. Die Panarioeyten, d. h. jene Zellen, deren Kern yon einem Panarium umhfillt ist, stellen das proli/erierende Element des Careinoms dar.

Den eben erw~thnten Vorggngen am Zwischensystem im Epithel des Metazoenk6rpers sind entspreehende Vorggnge am Zwischensystem des ProtozoenkSrpers parallellaufend, was auf die gleiche Natur des Zwi- schensystems bei Proto- und Metazoen ebenso hindeutet wie die Tat- saehe, dab sich das letztere fiber kolonienbildende Einzeller vom ersteren herleitet 3. Vom Standpunkt dieser Untersuehung stellt das Careinom ein Problem des Zwischenzelligen dar.

6. Uber den diagnostischen Weft der Silberbilder. Vergleicht man eine Reihe von Schnitten, die naeh der hier ange-

gebenen ?r versilbert wurden, mit einer Reihe yon Sehnitten dutch dasselbe Careinom, die aber in gebr~uehlieher Art mit irgendeiner Hs oder Anilinfs behandelt wurden, so f~llt die weitaus gr6Bere Distinktheit der Bilder an Silberpr/~paraten auf. Da in solehen augerdem noch in den Panarien mit gestoehener Seh/~rfe und /tugerst kontrastreieh Gebilde gegeben sind, die ein Careinom eharakterisieren, so k6nnen Silberpr/tparate ffir diagnostisehe Zweeke oft gute Dienste leisten, besonders in den nur zu h/tufigen zweifelhaften F/fllen. Nun ist bei der Diagnose naeh Silberpr/tparaten, um Irrtfimer zu vermeiden, so lange folgendes im Auge zu behalten, bis die n6tige eigene Erfahrung Fehlbeurteilungen aussehlieBt. Vorerst ist hie zu vergessen, dab ein Careinom nieht in seiner ganzen Masse aus Panarioeyten zu bestehen braueht, sondern dab es meist yore Rand gegen das Zentrum alle Vor- stufen zu diesen enth/ilt (nur Metastasen bestehen meist zur G/tnze aus Panarioeyten). Diese Vorstufen nehmen oft gr6gere Gebiete ein, und

102 B. M. Klein und A. MiBriegler.

Sehni t te durch solehe zeigen nur die be t re f fende Vorstufe. Da diese abe t aueh, wie fr i iher he rvorgehoben wurde, bei gu t a r t i gen epi thel ia len Neubi ldungen auf t re ten , is t aus ihnen eine Diagnose auf Krebs n i ch t ang/~ngig. I m Sehni t t mtissen unbed ing t typ i sehe Pa na r ioe y t e n anzu- t reffen sein, u m eine solche Diagnose zu reeht fer t igen. Es muB der Sehni t t also vor a l lem panar ioey t6s ver/~nderte Pa r t i e n treffen, voraus- gesetzt , dag solehe vo rhanden sind, d. h. dab es sieh im vor l iegenden Fal le wirkl ieh u m ein Careinom handel t . Zeigen die ers ten Sehni t te n ieht gleieh Panar iocy ten , so s ind noch wei tere evt l . aus einer anderen Pa r t i e der Gesehwulst zu untersuehen. Zeigen sich in keinem der Sehni t te Panar ien , so kann, well ja die M6gl iehkei t bes teht , aus dem eigent l iehen Krebsnes t keine Probe bekommen zu haben, n ieht mi t un- bed ing te r Sieherhei t Krebs verne in t werden. Hingegen is t nach Fest- stellung typischer Panariocyten Krebs immer gegeben. Voraussetzung fiir jede Diagnose s ind gelungene Pri~parate, die naeh genauer Beach tung der im 1. Abschn i t t gegebenen, aus mehrj/~hriger E r f ah rung gewonnenen An- gaben, n icht Mlzu schwer zu e rha l ten sind. Miglungene Pr/~parate 3, 1, 2. 4, 5 s ind als solche wegen feMender oder diffuser F / t rbung leicht zu erkennen und auszuschliel~en. P a n a r i o c y t e n suche m a n n ieh t in degenera t iv zer- fa l lenen P a r t i e n eines Carcinoms, do r t f inden sich nur Zel l t r f immer und Detr i tus .

Pana r ioey t en sehe man sich, wenn solche im P r s auf t re ten , immer mi t s t~rkerer VergrSBerung an, um n ieh t Gebilde, die bei schwa, cher Vergr5gerung s aussehen, erns t zu nehmen. Alle diese Gebilde, wie z. B. gewisse Bindegewebszel len usw., kSnnen bei sehw~eherer Ver- gr6Berung Panar ien vorti~uschen; sie alle, die m a n Ms Pseudopanar ioey ten bezeichnen kann , offenbaren ihre wahre N a t u r bei s t a rke r Vergr5Berung.

Nun noeh einige Marie yon Pana r i en : 203 gemessene und gezeiehnete Panar ien aus 17 verschiedenen Carcinomen sehwank ten in ihrer L~nge von 4 - - 4 0 #. Die h~ufigste grSl~te Ls be t rug 8 - -15 ff (Durchsehni t t 11,5 if).

Literaturverzeichnis. 1 Klein, B. M., u. A. Mifiriegler, Biol. Heiikunst 193.% Nr 4. - - 2 Klein, B. M.,

u. A. Mi/3riegler, Hippokrates 1933, H. 10, 11 u. 12. - - a Klein, B. M., Arch. Pro- tistenkde 56 (1926) ; 58 (1927); I~5 (1928) ; 65 (1929); 69 (1930) ; 75 (1930); 74 (1931) ; 79 (1933) - - Erg. Biol. 8 (1932). - - 4 Klein, B. M., tLeaktionen des Silberlinien- systems auf Sch/~dlichkeiten. 1933, Ann. d. 1~. Istit. Sup. Agrario di Milano 1934, im Druek. - - 5 Klein, B. M., Ann. d. Protist. 1934, im Druck.

Mitteilung des Reichsausschusses fiir Krebsbekiimpfung. Am 29. VI. ist das Mitglied des wissenschaftlichen Ausschusses Herr Ob.-Reg.-

Rat Prof. Dr. Busch, Mitglied des Reichs-Gesundheitsamtes, Berlin, nach l~ngerer Krankheit verstorben.