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12. MARZ 1923 KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. z. JAHRGANG. Nr. II 5oI Starre und Tetaniekr/impfe vorwiegend auf die kontralateralen Extremitiiten, bet Verletzung des Kerns selbst bzw, des Tegmentums knapp hinter diesem auf die homolateralen Extremit/iten beschr/inkt, soferne der zum Ruber der Gegen- seite ziehende Bindearm intakt blieb. Enthirnungsstarre ebenso wie Tetaniekr/~mpfe traten auch noch auf, wenn beiderseits die Strahlung aus dem roten Kern durchtrennt war. Es kSnnen also noch tiefer gelegene Zentren (vielleicht Deiterscher Kern, resp. die Pars magno-cellnlaris der Substantia reticularis) noch jene Reflexe vermitteln, welche die Starre bzw. die Tetaniekr/impfe ausl6sen. Die Ka-ampfanf/~lle der Tetanie lassen sich auch noch nach Abtragung des Kleinhirns beobachten; die Kleinhirnexstir- patton, war wie die mikroskopische Kontrolle zeigte, bis ailf I--2 Lifppchen des Lobulus petrosus vollst~indig. Der Reflex- mechanismus; der zum Auftreten der Tetanie ffihrt, nimmt also h6chstens teilweise den Weg fiber das Cerebellum. Es mul3 auch noch ein zweiter Weg fiber Oblongata und Brficke bestehen. Ahnlich wie /,at die Enthirnungsstarre ist aueh ]iir die Tetaniekr~impJe anzunehmen, daft sie dutch Re/lexe zu- stande kommen, die vorwiegend .iiber extracerebellare, zwisehen totem Kern und Riickenmark liegende Zentren ablau]en. In welcher Weise extrapyramidale Systeme diese Zentren yon kranial her beeinilussen, werden weitere Untersuchungen zu zeigen haben. Mit Riicksicht auf die in jfingster Zeit aufgestellte Theorie, dab der parathyriopriven Tetauie eine Guanidinvergiftung zugrunde liegt, wurde schliel31ich an Tieren, welche an akuter Tetanie erkrankt waren, untersucht, ob sich das bet akuter Guanidinvergiftung bekannt gewordene Bild der Meningo- EncephMitis auch hier wieder Iinden l{iBt. Das Fehlen der bet der Guanidinvergiitung beschriebenen entziindlichen Ver- /inderungen scheint darauf hinzuweisen, dab die Frage nach dem Wesen des der Tetanie zugrunde Iiegenden Stoff- wechsels mit der Aufdeckung der Analogien im klinischen Bilde dieser tirankheit und der Guanidinvergiftung noch nicht die letzte L6sung gefu~den hat. (Aus dem Neurologisehen .lnstitut der Universitdit Wien. Vorstand: Pro]. O. Marb~arff.) KASUISTISCHE MITTEILUNG. OTOGENER KLEINHIRNABSCESS UND TROCHLEARIS- LAHMUNG. Yon T. Sz~sz und H. RICHTER, Budapest. Die kurze Mitteilung eines Falles yon otogenem l:Iirnabsceg erscheint uns deshalb als gerechffertigt, weil die durch den Absce[i verursachten Nachbarschaftssymptome eine n/there Lagebestim- mung desselben gestatteten und das Auffinden des Abscesses bet der Operation erm6glichten. Leider konnte durch diese der t6dliche Ausgang, den ein zweiter Abscel3 im Kleinhirn herbeifiihrte, nicht aufgehalten werden. Einen guten Einbliek in die pathologischen Verh/iltnisse gew/ihrt das auf der beigef/igten Abbildung sichtbare anatomische Pr/iparat. Die akute Exacerbation der seit dem 6. Lebensjahr bestehenden linksseitigen Scharlachotitis /iu~3erte sich bet unserer gegenw/irtig 19 Jahre alten Patientin M. R. vor ca. i Mortar zuerst durch ver- mehrte Sekretion. Bald gesellen sich Kopfschmerz, Schwindel, sp~iter Ubelkeiten, zeitweise Doppeltsehen dazu und in den letzten Tagen eine Schw/iche des linken Armes. Patientin wurde von ihrem behandelnden Arzt (Dr. /3. Kiss) mit der Diagnose: Klein- hirnabscel3 in das Kinderspital zum WeiBen Kreuz eingeliefert. Oh renbe/und (Szisz): Rechts normal. Links: chronische Mittelohr- eiterung epitympanalen Charakters, Cholesteatom. Am kranken Ohr ist das Geh6r ffir die laute Sprache ad concham erhalten (mit I,firmapparat). Weber nach der kranken Seite, Rinne links o0 nega- tiv, Schwabach verkiirzt. Spontaner horizontaler Nystagmus I nach beiden Seiten, nach links st/irker. KaIorisch beiderseits er- regbar (l). Fistelsympiom 1~. Zeigeversuch wegen Ataxie nicht priifbar, ebensowenig die Fallreaktion. Neuro!oglscher Be/und (RIcH'rZR): I-Ieftige Kopfschmerzen in der linken Sch/idelh/ilfte, besonders hinten. Zeitweise Erbreehen. Keine Nackensteifigkeit. Leichte Ptosis 1inks. Facialis im ganzen Innervatlonsgebiet links etwas schw/icher als rechts. Zunge, Velum fret beweglich. Schluk- ken, Artikulation gut. Pupillen mittelweit, gleichmgBig fund, auf Lichteinfall und Akkomodatioif prompt reagierend. Die Sagittalachsen beider Bulbi verlaufen nicht parallel, das linke Auge schielt nach oben und innen, beim Abwgrtsschanen wird der Strabismus convergens auff/illiger. Gleichnamige schiefgestellte Doppelbilder unten. Seitenbewegungen des linken Auges sowohl nach innen als nach auBen gut. Auiiallende Hypotonie des linken Armes, hochgradige Ataxie (die Kranke bezeichnet dies mit den Xu ,,Der Arm ist bled"), Adiadochokinesis, Hypermetrie und Asynergie in demselben. Die motorische Kraft abgeschw/icht. Tricepsreflex links fehlend, rechts vorhanden. Das linke ]3ein ist ebenfalls sehwS.cher, zeigt anch deutliche Ataxie und Itypotonie, wenn auch nicht so ansgesprochen wie der Arm. Linker Patella.r- reflex im Verh/iltnis zum rechten abgeschw/icht. Aehillesreflex beiderseits gleieh. Patlmlogiscihe Reflexe fehlen, kein 141onus, kein Kernig. Bauchreflexe erhalten. Sensibilit/it fret. ttarn- befund ohne Belang. Normaler Augenhintergrund (Dr. VIDs Temperatur normal. Keine ps-ychischen Ausfallserscheinungen. Das ktinische Bild gestattete mit einer ungew6hnlichen Ein- deutigkeit die Annahme eines Kleinhirnabscesses mit Herdsympto- men, die auf die Iinke Hemisphgre hindeuteten. Unter den Nachbar- schaftssymptomen stand neben einer leichten Parese des linken . Oculomotorius (Ptosis) und Facialis die sehr au~f/illige L/ision des linken Trochlearis im Vordergrund. Bet der Operation (Szhsz) fand sich ein walnuBgrol3es Cholesteatom; mittlere und hintere Schiidelgrube lagen Irei. Granulierende Dura. Usur am horizon- talen Bogengang. Labyrinthoperation nach NEVMAU~ trotz vor- handener Labyrinthfnnktionen: beim Er6ffnen des hinteren 13ogenganges quillt ein Tropfen F1/issigkeit yon eitriger Beschaffen- heir aus beiden Offnungen. Incision der Dura im Trautmannschen Dreieck. Zwei Einstiche mit dem Messer i~ die linke Kleinhirn- hemisphere ohne Erfolg. In Anbetracht der im klinischen Bild au/~ /dlligen Troehlearisldhmung, die eine intensive Druck-~virku,ng haupt- Abb. x. sdchlich im vorderen, m,edialen Abschnitt der linke~ Hemisphdre zur Voraussetzung hatte, wurde im Einvernehmen mit dem Neurologen ein weiterer, etwa 3 cm tie/er Einschnitt medialwdrts ausge/iihrt: massenha/t dick/liissiger Eiter. Zigarettendrain. Am n/~chsten Tag: W0h!befinden, kein Kopfschmerz. Bulbi stehen parallel, keine Doppelbilder, keine Ptose, Facialis beiderseits gleich. Horizontaler Nystagmus II nach links. Ataxie kaum angedeutet, keine Adia- dochokinesis. Auch die Ataxie des 13eines gebessert. Hypotonie unver/indert, Tricepsreflex links fehlend. Patientin, die nach dieser Richtung jetzt t/~glich untersucht werden konnte, zeigte im linken Sehultergelenk spontan stdndig nach au/3en vorbei. Die ]3esserung in ihrem Zustande hielt unter andauernder Drainage I2 Tage lang an; Dann leiteten trotz Offenhaltung der AbsceB6ffnnng allms wiederauftretende Kopfschmerzen den Irtiheren Sym- ptomenkomplex ein: Nystagmus nach beiden Selten, Ataxie der linken K6rperhSMte, zuletzt auch das friihere Doppeltsehen. Ver- suche einer intensiveren Drainage blieben erfolglos. Die in Er- w/igung gezogene neuerliche I R ~ i ~ l ~ , ~ i n weiteres operatives Vorgehen scheiterte~ al~t~lem ~]6't}_lich~~infolge ~ Respi- rationsl/ihmung erfolgten Tode u Bet der Obduktion (Doz. V.~AN'k0vms) zeigte dds'G~hirn die Zeichen eines allgemeinen Hirr~rucks. ;Hi~nkammerm ~,axen fret.

Otogener Kleinhirnabscess und Trochlearislähmung

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12. MARZ 1923 K L I N I S C H E W O C H E N S C H R I F T . z. J A H R G A N G . Nr . I I 5oI

Starre und Tetaniekr / impfe vorwiegend auf die kont ra la te ra len Ext remi t i i t en , bet Ver le tzung des Kerns selbst bzw, des Tegmen tums knapp hin ter diesem auf die homola tera len Ex t remi t / i t en beschr/inkt, soferne der zum Rube r der Gegen- seite z iehende B indea rm i n t a k t blieb.

En th i rnungss ta r re ebenso wie Tetaniekr/~mpfe t r a t en auch noch auf, wenn beiderseits die S t rah lung aus dem ro ten Kern durch t renn t war. Es kSnnen also noch t iefer gelegene Zentren (viel leicht De i t e r scher Kern, resp. die Pars magno-cellnlaris der Subs tan t ia ret icularis) noch jene Reflexe vermi t te ln , welche die Starre bzw. die Tetaniekr / impfe ausl6sen.

Die Ka-ampfanf/~lle der Te tan ie lassen sich auch noch nach Ab t ragung des Kleinhirns beobach ten ; die Kle inhi rnexs t i r - patton, war wie die mikroskopische Kont ro l le zeigte, bis ailf I - - 2 Lifppchen des Lobulus petrosus vollst~indig. Der Ref lex- mechanismus; der zum Auf t r e t en der Te tan ie ffihrt, n i m m t also h6chstens tei lweise den Weg fiber das Cerebellum. Es mul3 auch noch ein zweiter Weg fiber Oblongata und Brficke bestehen. Ahnlich wie /,at die Enthirnungsstarre ist aueh ]iir

die Tetaniekr~impJe anzunehmen, daft sie dutch Re/lexe zu- stande kommen, d ie vorwiegend .iiber extracerebellare, zwisehen totem Kern und Riickenmark liegende Zentren ablau]en. In welcher Weise ex t rapyramida le Sys teme diese Zentren yon kranial her beeinilussen, werden wei tere Unte r suchungen zu zeigen haben.

Mit Riicksicht auf die in jf ingster Zeit aufgestel l te Theorie, dab der pa ra thyr iopr iven Tetauie eine Guanid inverg i f tung zugrunde liegt, wurde schliel31ich an Tieren, welche an aku te r Te tan ie e rkrank t waren, untersucht , ob sich das bet aku te r Guanid inverg i f tung bekannt gewordene Bild d e r Meningo- EncephMit is auch hier wieder I inden l{iBt. Das Fehlen der bet der Guanid inverg i i tung beschriebenen entzi indl ichen Ver- / inderungen scheint darauf hinzuweisen, dab die F r a g e nach

d e m Wesen des der Tetanie zugrunde Iiegenden Stoff- wechsels mi t der Aufdeckung der Analogien im klinischen Bilde dieser t i r ankhe i t und der Guanid inverg i f tung noch nicht die le tz te L6sung gefu~den hat . (Aus dem Neurologisehen .lnstitut der Universitdit Wien. Vorstand: Pro]. O. Marb~arff.)

K A S U I S T I S C H E M I T T E I L U N G . OTOGENER KLEINHIRNABSCESS UND TROCHLEARIS-

LAHMUNG.

Yon

T. Sz~sz und H. RICHTER, Budapest .

D i e kurze Mitteilung eines Falles yon otogenem l:Iirnabsceg erscheint uns deshalb als gerechffertigt, weil die durch den Absce[i verursachten Nachbarschaftssymptome eine n/there Lagebestim- mung desselben gestatteten und das Auffinden des Abscesses bet der Operation erm6glichten. Leider konnte durch diese der t6dliche Ausgang, den ein zweiter Abscel3 im Kleinhirn herbeifiihrte, nicht aufgehalten werden. Einen guten Einbliek in die pathologischen Verh/iltnisse gew/ihrt das auf der beigef/igten Abbildung sichtbare anatomische Pr/iparat.

Die akute Exacerbation der seit dem 6. Lebensjahr bestehenden linksseitigen Scharlachotitis /iu~3erte sich bet unserer gegenw/irtig 19 Jahre alten Patientin M. R. vor ca. i Mortar zuerst durch ver- mehrte Sekretion. Bald gesellen sich Kopfschmerz, Schwindel, sp~iter Ubelkeiten, zeitweise Doppeltsehen dazu und in den letzten Tagen eine Schw/iche des linken Armes. Patientin wurde von ihrem behandelnden Arzt (Dr. /3. Kiss) m i t der Diagnose: Klein- hirnabscel3 in das Kinderspital zum WeiBen Kreuz eingeliefert. Oh renbe/und (Szisz): Rechts normal. Links: chronische Mittelohr- eiterung epitympanalen Charakters, Cholesteatom. Am kranken Ohr ist das Geh6r ffir die laute Sprache ad concham erhalten (mit I,firmapparat). Weber nach der kranken Seite, Rinne links o0 nega- tiv, Schwabach verkiirzt. Spontaner horizontaler Nystagmus I nach beiden Seiten, nach links st/irker. KaIorisch beiderseits er- regbar (l). Fistelsympiom 1~. Zeigeversuch wegen Ataxie nicht

pr i i fbar , ebensowenig die Fallreaktion. Neuro!oglscher Be/und (RIcH'rZR): I-Ieftige Kopfschmerzen in der linken Sch/idelh/ilfte, besonders hinten. Zeitweise Erbreehen. Keine Nackensteifigkeit. Leichte Ptosis 1inks. Facialis im ganzen Innervatlonsgebiet links etwas schw/icher als rechts. Zunge, Velum fret beweglich. Schluk- ken, Artikulation gut. Pupillen mittelweit, gleichmgBig fund, auf Lichteinfall und Akkomodatioif prompt reagierend. Die Sagittalachsen beider Bulbi verlaufen nicht parallel, das linke Auge schielt nach oben und innen, beim Abwgrtsschanen wird der Strabismus convergens auff/illiger. Gleichnamige schiefgestellte Doppelbilder unten. Seitenbewegungen des linken Auges sowohl nach innen als nach auBen gut. Auiiallende Hypotonie des linken Armes, hochgradige Ataxie (die Kranke bezeichnet dies mit den Xu ,,Der Arm ist bled"), Adiadochokinesis, Hypermetrie und Asynergie in demselben. Die motorische Kraft abgeschw/icht. Tricepsreflex links fehlend, rechts vorhanden. Das linke ]3ein ist ebenfalls sehwS.cher, zeigt anch deutliche Ataxie und Itypotonie, wenn auch nicht so ansgesprochen wie der Arm. Linker Patella.r- reflex im Verh/iltnis zum rechten abgeschw/icht. Aehillesreflex beiderseits gleieh. Patlmlogiscihe Reflexe fehlen, kein 141onus, kein Kernig. Bauchreflexe erhalten. Sensibilit/it fret. t tarn- befund ohne Belang. Normaler Augenhintergrund (Dr. VIDs Temperatur normal. Keine ps-ychischen Ausfallserscheinungen.

Das ktinische Bild gestattete mit einer ungew6hnlichen Ein- deutigkeit die Annahme eines Kleinhirnabscesses mit Herdsympto- men, die auf die Iinke Hemisphgre hindeuteten. Unter den Nachbar- schaftssymptomen stand neben einer leichten Parese des linken

.

Oculomotorius (Ptosis) und Facialis die sehr au~f/illige L/ision des linken Trochlearis im Vordergrund. Bet der Operation (Szhsz) fand sich ein walnuBgrol3es Cholesteatom; mittlere und hintere Schiidelgrube lagen Irei. Granulierende Dura. Usur am horizon- talen Bogengang. Labyrinthoperation nach NEVMAU~ trotz vor- handener Labyrinthfnnktionen: beim Er6ffnen des hinteren 13ogenganges quillt ein Tropfen F1/issigkeit yon eitriger Beschaffen- heir aus beiden Offnungen. Incision der Dura im Trautmannschen Dreieck. Zwei Einstiche mit dem Messer i~ die linke Kleinhirn- hemisphere ohne Erfolg. In Anbetracht der im klinischen Bild au/~ /dlligen Troehlearisldhmung, die eine intensive Druck-~virku,ng haupt-

A b b . x .

sdchlich im vorderen, m,edialen Abschnitt der linke~ Hemisphdre zur Voraussetzung hatte, wurde im Einvernehmen mit dem Neurologen ein weiterer, etwa 3 cm tie/er Einschnitt medialwdrts ausge/iihrt: massenha/t dick/liissiger Eiter. Zigarettendrain. Am n/~chsten Tag: W0h!befinden, kein Kopfschmerz . Bulbi stehen parallel, keine Doppelbilder, keine Ptose, Facialis beiderseits gleich. Horizontaler Nystagmus II nach links. Ataxie kaum angedeutet, keine Adia- dochokinesis. Auch die Ataxie des 13eines gebessert. Hypotonie unver/indert, Tricepsreflex links fehlend. Patientin, die nach dieser Richtung jetzt t/~glich untersucht werden konnte, zeigte im linken Sehultergelenk spontan stdndig nach au/3en vorbei. Die ]3esserung in ihrem Zustande hielt unter andauernder Drainage I2 Tage lang an; Dann leiteten trotz Offenhaltung der AbsceB6ffnnng allms wiederauftretende Kopfschmerzen den Irtiheren Sym- ptomenkomplex ein: Nystagmus nach beiden Selten, Ataxie der linken K6rperhSMte, zuletzt auch das friihere Doppeltsehen. Ver- suche einer intensiveren Drainage blieben erfolglos. Die in Er- w/igung gezogene neuerliche I R ~ i ~ l ~ , ~ i n weiteres operatives Vorgehen scheiterte~ al~t~lem ~]6't}_lich~ ~infolge ~ Respi- rationsl/ihmung erfolgten Tode u

Bet der Obduktion (Doz. V.~AN'k0vms) zeigte dds'G~hirn die Zeichen eines allgemeinen Hirr~rucks. ;Hi~nkammerm ~,axen fret.

502 K L I N I S C H E W O C H E N S C H R I F T . 2. J A H R G A N G . N r . II ~. MARZ ~9~3

Keine Meningitis. Die beim I-Iirnstamm durchgetrennte Klein- hirnoblongata wurde nach vorheriger Formolfixierung untersucht und ergab auf der Schnittfl~iche alas auf der Abbildung sichtbare Bild:

Die ]inke I-temisph/ire enth/~lt zwei Abscel3hbhlen: eine etwa taubeneigroBe, mit eigener Membran ausgestattete H6hle, die im vorderen, medialen Abschnitt des Hemisphgrenmarkes lag (seitlieh die Rinne der Einstich6ffnung) und eine hintere, etwa walnuB- grol3e, die keine Eigenwand besaB und yon der vorderen durch eine sehmale Markschicht getrennt ist. (Es ist wahrscheinlich, dab an irgendeiner anderen Stelle die beiden AbsceBh6hlen miteinander kommunizieren.) Die ganze linke Hemisph/~re ist 6demat6s. Die Schwellung ist am Pr/iparat besonders im Markgebiet nm den Nucl. dentztus ausgesprochen; hier drflckt sie das Dach des IV. Ven- trikels stark ein (der Respirationstod dfirfte durch den Druck in dieser Richtung erfolgt sein). Man sieht am Pr~iparat den linken Trochlearis (IV) in jenem Abschnitt seines Verlaufes, wo der Nerv dem Drunk der 6demat6sen KleinhirnhemisphS~re am leich- testen zug~nglich ist. Es ist dies die Stelle, wo der Tr0chlearis aus seinem ira Mittelhirndach liegenden Kerngebiet zur Him- basis hinabsteigt und zwisehen Mesencephalon und dem vordersten, medialsten Tell der Ilemisphgre verl~uft. Naheliegend ist daher die Annahme, dab die sehr ausgesprochene Lghmung des linken Trochlearis im vorliegenden Fall durch den Druck dieser Stelle verursacht wurde.

]3eim heutigen'~Stand der Otologie kann der Fortschritt eines eitrigen Mittelohrprozesses gegen das Endocranium mit einer nahezu mikroskopischen Genauigkeit verfolgt werden. Um so schwieriger erscheint die nghere Bestimmung seiner weiteren Aus- breitung im Gehirn. Ist doch manchmal schon die Entscheidung, ob ein Kleinhirn- oder Schl~fenlappenabsceB vorliegt, nicht mit Sicherheit zu treffen. Eine solche Eindeutigkeit des klinischen Bildes, wie sie in unserem Falle vorlag, findet man fiberhaupt nur ganz selten verzeichnet. Interessant ist aber der Fall haupt- s~chlich deshalb, well bier zum erstenmal eine Trochlearislghmung als Nachbarschaftssymptom des Kleinhirnabscesses beobachtet wurde. Uber die Beteiligung der Augenmuskelnerven sind die Angaben in einem Tell der literarisch niedergelegten Fglle nicht genau; man finder nur ein Doppeltsehen verzeichnet, ohne die nghere Angabe, welcher Augenmuskelnerv dabei geschgdigt war. XATZ, BARLING (zit. nach KORNSR, Die otitischen Erkrankungen des Gehirns), NEUMANN (Der otitische KleinhirnabseeB, F. Denticke i9o7) beschrieben nine gleichseitige Abducensl~hmung, ORNE

G~EEN (bei K6rner) beriehtet fiber einen Fall von beiderseitiger und einem anderen yon gekreuzter Abducensl&hmung. In dieseu F~llen war die Abducensl~ihmung meist mit anderen pontinen Ausfallserscheinungen (gekreuzte Hemiplegie, Trismus, Dysarthrie) verbunden. Uber die Affektion des Oculomotorius liegen zahl- reiche Beobachtungen vor: sie pflegt sich meist, win in unserem Fall, in einer Prose zu ~uBern, es wurden abet auch Mydriasis sowie Parese des M. rect. int., r. superior und totale Oculomotorius- lghmung beschrieben. Von einer Trochlearislfihmung bei Klein- hirnabsceB ist in den bekannten Monographien yon OKADA, MEN- MANN und K6RN~R nichts vermerkt; IK6RNER sagt ausdriicklich (S. lO9 seines ]3uches): ,,Trochlearisl~hmung ist bei otitischen Hirnabseessen nicht beobachtet." Im diesjghrigen Zentralblatt fiir Hals-, Nasen- und Ohrenheflkunde (I3d. II, t teft 3, 1922. Verlag J, Springer) finden wit den Bericht fiber einen Fall yon J~NS KRAGH, in welchem Doppelbilder der L~hmung des M. obliquus sup. entsprechend vermerkt sind, doch bestand in diesem Falle neben dem KleinhirnabsceB eine Meningitis purulenta. Obige negativen Angaben wird man mit den anatomischen Verh&ltnissen nicht leicht in Einklang bringen k6nnen. Betrachtet man n~mlich die auch auI der Abbildung sichtbaren sehr innigen Lagebeziehungen zwischen Trochlearis und Kleinhirn, so wird man sich vor der Ein- sicht nicht verschliegen k6nnen, dab bei einem Kleinhirnabsceg, welcher mehr im vorderen und medialen Abschnitt der Hemisphgre liegt, der gegen verwgrts ausgefibte Druck in erster Linie und am unmittelbarsten den Trochlearis treffen muB, diesen hgufiger und intensiver als den Oculomotorius, welcher sowohl die Lage seiner IKerne als auch seinen extracerebralen u betreffend yore Kleinhirn mehr entfernt liegt als der Trochlearis. Wir vermuten deshalb, dab in jenen F~llen yon KleinhirnabsceB, wo irgendein Symptom der Oculomotoriuslgsion vorlag, auch der Trochlearis gesch/kdigt war. Die Trochlearislghmung ist in solchen F/illen, wo yon seiten des Oculomotorius nut eine Ptosis oder Pupillen- vergnderung besteht, leicht zu erkennen; schwieriger wird es aber, wenn neben dem M. obliqu, sup. auch noch andere vom Oculo- motorius versehene Muskeln gesch/~digt sind. Vom lokalisatorischen Standpunkt ist die Abgrenzung der TrochlearisI/~sion yon einer Oculomotoriusl~sion auch weniger wichtig als die Unterscheidung yon einer evtl. Abdueensl/ihmung. Denn w/~hrend die beiden ersteren dutch ihre Affektion.~'auf den mehr vorderen, medialen I-IemisphXrenteil Ms Sitzort des Abscesses hindeuten, scheint die AbducenslXhmung mehr fiir nine Lokalisation in den mittleren, tiefer liegenden Partien zu sprechen.

P R A K T I S C H E DIE THORAKOSKOPIE UND LAPAROSKOPIE,

Von P r i v a t d o z e n t Dr . U~qVERRICHT, Ber l in .

KEI~ING ha t t e I9O2 du tch T ie rexper imen te gezeigf, dab es m6glich ist, mi t te l s eines Endoskopes (gerades Cystoskop) die m i t Gas gefflll te Brus t - resp. ]3auchh6hle zu besicht igen und die A n w e n d u n g be im Mensehen empfohlen. Aber erst JACOBAEUS scheint als ers ter diese Un te r suchungsme thode be im ~ e n s c h e n prak t i sch angewand t zu haben. T r o t z d e m JACOBAEUS 1912 fiber die Thorakoskopie und Laparoskopie e ingehend be r i ch te t hat , haben sich andere nur vere inze l t und vorf ibergehend mi t dieser Methode besch&ftigt. E ine Ursache daffir df irf te v ie l le icht in d e m zu !deinen und nur re&Big hel len Gesichtsfeld, das eine Or ient ierung und Deu- t u n g sehr schwierig macht , zu suchen sein. D e n n Sch~di- gungen als Folge der Untersuchung, die ein Verlassen der Me thode begrf inde t h~t ten, wurden hie beobachte t , wie auch BRAUER betont .

I eh selbst habe nun eine Opt ik kons t ru ie ren lassen, die zwar e twas dicker, als das al te Ins t rumen t , daifir aber l ich ts t~rker is t und einen wei te ren Bi ldwinkel (60 ~ besitzt . D a d u r c h is t die Anwendung der Methode auch prakt i sch weniger Gefibten e r le ich ter t worden.

Die endoskopische ]3eslchtigung der Brus t - resp. ]3aueh- h6hle e r laubt die Oberfl~che der lebenden Organe, ih ren peri- pheren B lu tgeha l t und eventue l l ihre Bewegung zu beobaeh- ten. Da wir aber nur die Oberil&ehe der Organe resp. ihres ~be rzugs be t r ach t en k6nnen, k a n n die diagnost ische Unte r - s t f i tzung durch diese Un te r suchungsme thode nur fiir F/ille, die mi t Ver~nderungen an der Oberi l~che der Organe einher-

ERGEBNISSE. gehen, a priori e rwar te t werden. Vorbedingung zur Anwen- dung des Verfahrens is t nine Gasfii l lung der Brust- resp. t3auchh6hle. Wie bei sonst igen Punkf ionen wird ein T r o k a r t durch einen In t e r cos t a l r aum resp. durch die Banchwand eingestoBen und nach E n t f e r n u n g des St i le t ts durch die Hiilse das Endoskop eingefflhrt.

Die Thorakoskopie er laubt den Zustand der P leura costalis und visceralis und Ver/~nderungen auf ihnen festzuste!len, z. B. Mil iar tuberkulose, Konglomera t tuberke l , T u m o r m e t a - stasen, Auf lagerung yon Fibr in usw. Auch fiber die Be- schaffenhei t des Per ikards lassen sich manchma l Beobach- tungen anstellen. Wir haben einige F~lle mi t unklarer kli- nischer Diagnose durch 'die Thorakoskopie kl~tren k6nnen. So wurde uns kfirzlich nine 55 js F r a u fiberwiesen, die Seit 1/2 J a h r s t a rk abgemage r t war und wegen Ple~ri t is exsuda t iva haemor rhag ica in Behand lung stand. Der Kollege ha t t e wegen der Anamnese und des hgmorrhagischen Ergusses einen T u m o r angenommen. Wir war t e t en den Ablauf der aku ten Ersche inungen ab, en t l ee r ten fas t v611ig den ErguB und er- se tz ten ihn tei lweise durch Luf t (diagnostischer Pneumo- t h o r a x nach BRAVER). Die darau i folgende R6n tgenun te r - suchung brach te keine wei tere I<l~rung. Dagegen zeigte die Thorakosk0pie auf der P leura des rech ten Unte r l appens zahl- reiche d ich ts tehende graue kleine Kn6 tchen nnd 2 gr6Bere graugelbe IKnoten. Wi t deu te t en diese als mil iare und Kon- g lomera t tuberkel , ausgehend viel le icht yon e inem sub- pleural gelegenen tuberkul6sen Herd. Ins t rumente l l (Probe- excisionszange) wurde aus e inem K n o t e n etwas Gewebe ent- n o m m e n und auf e inem Objekt t r / iger zerquetscht . Es fanden sich zahlreiche Tuberkelbaci l len, so dab die Diagnose anch bakter io logisch gesichert war. Auch in vielen FAllen yon