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XX. (Aus der Privatklinik und Poliklinik des Professor Gerber.) Otologisoher Borioht fiber das Jahr 1905. Von Professor Gerber und Dr. Georg Cohn. Die Zahl der in der Privatklinik und Poliklinik im Jahre 1905 behan- delten, resp. untersuchten Patienten betrug: 4646 gegen 4530 des letzten Be- richtsjahres; yon diesen waren uns iiberwiesen worden: 434 F~lle ~on den Kgl Kliniken, 312 Fhlle yon Kollegen: Sa. 746. Wir selbst konnten in 113 Fi~llen normale Yerhhltnisse teststellen und iiberwiesen anderen Kliniken, resp. Kollegen 173 Patienten, so dab die Zahl der im Laufe des gahres be- handelten FRlle 43ti0 betrug. Als Assistenz~rzte waren thtig: Dr. G. Cohn, Dr. Magnus und Dr. S zielasko; an Stelle des Herrn Dr. Szielasko trat Dr. Schleusner und sparer Dr. Linck. Ohrenkranke wurden im Berichtsjahre konstatiert 2 55"2 gegen 2027 im letzten Berichtsjahre, w~hrend die Zahl der Ohroperationen sich auf 32t stellte. Das otologische Material verteilte sich auf die einzelnen Erkrankungen in folgender Weise: 1. Krankheitstabelle. 1. Ohrmusehel und UmgebuI/g. Ekzem . . . . . . . . . 49 FurunkeI . . . . . . . . . 3 Congelatio . . . . . . . . l Periehondritis . . . . . . . 3 Fistula aurium congenita . . . . 4 Parotitis . . . . . . . . . . 7 Adenitis periauriealaris . . . . Angioma . . . . . . . . . Senkungsabszesse . . . . . . Fibroma . . . . . . . . . Atheroma . . . . . . . . . Summa 2..~uBerer GehSrgang. Papilloma . . . . . . . . . 1 Ceruminalpfropf . . . . . . 247 FremdkiSrper . . . . . . . 7 Ekzem . . . . . . . . . . . 4 Periostitis . . . . . . . . 14 Stenose . . . . . . . . . 5 Otit. externa eireumscript .... 69 ~- = diffusa . . . . . 152 = des quamativa . , 7 Summa 506 3. Trommelfell. Einzlehung . . . . . . . . 124 Myringitis . . . . . . . . 13 Kuptura traumatica . . . . . 5 TrommelfellabszeB . . . . . 1 Kalklnfarkt . . . . . . . . 3 Summa 148 8 1 4. Mittelohr. i FremdkSrper in der Pauke. 2 I Akuter Mittelohrkatarrh . . . . 123 3 Tubenkatarrh . . . . . . . 41 81 Tubenstenose . . . . . . . 22 Chroniseher trockener Nlittelohr- katarrh . . . . . . . . 59 Sclerosis . . . . . . . . . 189 Stapesaukylose . . . . . . . 2 Otit. media a~uta . . . . . . 196 Otit. media subacuta . . . . . 27 = acuta perforat .... 16S ~ chronica ~ . _ 297 ~ duplex 80 =-- 160 ~ ~ = c. polyp . 27 Attic un4 hntrumeiterung . 78 Ubertrag 139i

Otologischer Bericht über das Jahr 1905

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Page 1: Otologischer Bericht über das Jahr 1905

XX.

(Aus der Privatklinik und Poliklinik des Professor Gerber.)

Otologisoher Borioht fiber das Jahr 1905. Von

Professor Gerbe r u n d Dr. Georg Cohn.

Die Zahl der in der Privatklinik und Poliklinik im Jahre 1905 behan- delten, resp. untersuchten Patienten betrug: 4646 gegen 4530 des letzten Be- r ichts jahres; yon diesen waren uns iiberwiesen worden: 434 F~lle ~on den Kg l Kliniken, 312 Fhlle yon Kollegen: Sa. 746. Wi r selbst konnten in 113 Fi~llen normale Yerhhltnisse teststellen und iiberwiesen anderen Kliniken, resp. Kollegen 173 Patienten, so dab die Zahl der im Laufe des gahres be- handelten FRlle 43ti0 betrug.

Als Assistenz~rzte waren thtig: Dr. G. C o h n , Dr. M a g n u s und Dr. S z i e l a s k o ; an Stelle des Herrn Dr. S z i e l a s k o t ra t Dr. S c h l e u s n e r und sparer Dr. L i n c k .

Ohrenkranke wurden im Berichtsjahre konstat ier t 2 55"2 gegen 2027 im letzten Berichts jahre, w~hrend die Zahl der Ohroperat ionen sich auf 32t stellte.

Das otologische Material verteilte sich auf die einzelnen E rk rankungen in folgender Weise:

1. K r a n k h e i t s t a b e l l e . 1. O h r m u s e h e l u n d U m g e b u I / g .

Ekzem . . . . . . . . . 49 FurunkeI . . . . . . . . . 3 Congelatio . . . . . . . . l Periehondritis . . . . . . . 3 Fistula aurium congenita . . . . 4 Parotitis . . . . . . . . . . 7 Adenitis periauriealaris . . . . Angioma . . . . . . . . . Senkungsabszesse . . . . . . Fibroma . . . . . . . . . Atheroma . . . . . . . . .

Summa

2 . . ~ u B e r e r G e h S r g a n g . Papilloma . . . . . . . . . 1 Ceruminalpfropf . . . . . . 247 FremdkiSrper . . . . . . . 7 Ekzem . . . . . . . . . . . 4 Periostitis . . . . . . . . 14 Stenose . . . . . . . . . 5 Otit. externa eireumscript . . . . 69

~- = diffusa . . . . . 152 = des quamativa . , 7

Summa 506

3. T r o m m e l f e l l .

Einzlehung . . . . . . . . 124 Myringitis . . . . . . . . 13 Kuptura traumatica . . . . . 5 TrommelfellabszeB . . . . . 1 Kalklnfarkt . . . . . . . . 3

Summa 148 8 1 4. M i t t e l o h r .

i FremdkSrper in der Pauke. 2 I Akuter Mittelohrkatarrh . . . . 123 3 Tubenkatarrh . . . . . . . 41

81 Tubenstenose . . . . . . . 22 Chroniseher trockener Nlittelohr-

katarrh . . . . . . . . 59 Sclerosis . . . . . . . . . 189 Stapesaukylose . . . . . . . 2 Otit. media a~uta . . . . . . 196 Otit. media subacuta . . . . . 27

= acuta perforat . . . . 16S ~ chronica ~ . _ 297 ~ duplex 80 =-- 160 ~ ~ = c. polyp . 27

Attic un4 hntrumeiterung . 78

Ubertrag 139i

Page 2: Otologischer Bericht über das Jahr 1905

Otologischer Bericht tiber das J a h r 1905. 2 9 3

~bertrag 1391 Caries der Geh~rknSehelehen . 33 Cholesteatom . . . . . . . 37 Residuen . . . . . . . . . . 51 Otalgia e eausis variis . . . . 18 Nicht ausgeheilte einfaehe Aufm. 3

~ totale ~ 2

Summa 1535

5. S e h l i ~ f e n b e in . Akute Mastoiditis . . . . . . 162 Chronische Mastoiditis . . . . 28 Caries des Warzenfortsatzes 11 Tuberkulose des Warzenfortsaizes 2

Summa 203

6. I n n e r e s Ohr . :Entotisehe Ger/iusche . . . . 15 Acastlcushyperaesthesia . . . . 1 Altersschwerh~rigkeit . . . . . 4

~ber t rag 20

II. Ope ra t i :Entfernung yon Fremdk6rpern 8 Inzision yon Furunke ln . . . . 57 Parazentesen . . . . . . . 99 W i l d e s e h e r 8ehnit t . . . . . 3 Operation einer Difformiti~t 3 FremdkSrperoperation . . . . 2 Retroauriculi~re Plastik . . . . :t Senkungsabszel} . . . . . . 1 Einfaehe AufmeiBlung (nach

S e h w a r t z e ) . . . . . 47 TotalaufmeiBl. (1 real naeh S t a eke) 53

~bcrtrag 273

I. J (usseres Ohr.

Ubertrag 20 Akute Labyrinthaffektion 2 Morbus M e n i 6 r e . . . . . . 7 Sclerosis des Labyrinths . . 1 Labyrinthnekrose" . . . . . . 1 Labyrinthfist¢l . . . . . . . 3

Summa 38

7. H i r n - - H i r n h i ~ u t e - - B l u t - l e i t e r etc.

Eplduraler Abszel~ . . . . . 2 PerisiuuSser Absze] . . . . . 11 Sehli~fe nlappenabsze]~ . . . . . 2 Sinusthrombose . . . . . . . 8 Bulbusthrombose . . . . . . 3 Pyiimie mit Thrombose . . . . 4

ohne ~ . . . . 1 0t. Meningitis . . . . . . . 5 Facialisparese (otogen) . . . . 4

Summa 39

o n s t a b e l l e . ~bertrag 273

Naehoperat. einfaeher AufmeiB1.. 2 totaler ~ 2

Frei legung des Bulbus . . . . 3 Sinuser~ffnung . . . . . . . 13 Jugular isunterbindung . . . . 9 Labyrinther~ffnung . . . . . i Lumbalpunkt ion . . . . . . 8 Spaltung der Dura . . . . . 4 /Sirnpunktion . . . . . . . 6 Operation eines Sehl/ifenlappenabsz. 1

Summa 321

Von b e m e r k e n s w e r t e a Beobach tungen am auBeren Ohre sollen folgende an d ieser Stelle mitgete i l t warden :

1. F i s t u l a a u r i s c o n g e n i t a . W. S,, 7 J a h r e , weiblich; n a c h Angabe der Mut t e r bes teh t bei dam

Kinde sei t der Gebur t vor dam Ohre eine kleine 0f fnung. S t a t u s : 1 cm fiber dam Tragus , ca. 3 mm vor dam Hel ix finder sich eine kle ine 0f fnung, in die m a n mi t e iner fe inen Sonde in der R i c h t u n g yon au{]en nach innen ca. 1/2 cm f ief h ine inge lang t . Kaus t i s che Ze r s t6 rung wird abgelehnt .

2. F i s t u l a a u r i c u l a e c o n g e n i t a . M. B.~ 8 Jahre , weibl ich; angeblicb h a t die Mut t e r seit dem 3. Lebens-

j a h r e bei der Toch te r am auBeren Ohr ein kleines L o c h bemerkt , au s dam ab und zu E i te r quell. Das Crus helicis is t leicht verd ick t ; a u f der I-]Sbe desse lben ist eine k le ine mi t E i te r bedeckte (3ffnung s ich tba r : a u f D r u c k , de r n ich t s chmerzha f t ist, quillt Sekre t heraus~ die Sonde ge langt ca. 3 m m in die Tiefe.

T h e r a p i e : Mit K a u s t i k wird die kleine 0 f fnung zers t6r t . Diese in die Ohrmusche l selbst f i ihrenden G?~nge s ind nach U n t e r s u c h u n g e n yon G r u n e r t genet i sch als sekundfixe E n t w i c k l u n g s s t 6 r u n g e n au fzu fas sen Und yon der F i s t u l a aur i s congeni ta zu t rennen . Das Sekre t , das m a n frfiher a ls aus der Paukenh6h l e s t ammend be t raeh te te , wird, wie dies j a auch bei den Halsf is teln der Fal l ist. yon der W a n d t m g des Ganges selbst , abgesen- da r t . W a s die H/mfigkeit dieser k le inen Anomal ie anbetrifft , die wir schon

Arehiv f. Ohrenheilkunde. Bd. 75. 20

Page 3: Otologischer Bericht über das Jahr 1905

294 XX. GERBER u. COHN

in: fri~heren Jahren 5 mal beobachtet haben, so berichtet U r b a n t s c h i t s c h , dal~ er unter 200 Fallen, sie 6 real einseitig, ~ real doppelseitig gesehen hat.

Von den N e u b i l d u n g e n d e r O h r m u s c h e l , die wir im Laufe des Jahres sahen, unter denen sich zwei Atherome und eine Cyste der Ohr- muschel befanden, sei an dieser Stelle folgender Fall ausffihrlich mitgeteilt~ da seine Lokalisation an diesem Punkte bisher niemals erw~hnt wurde.

3. A. B., 29 Jahre, weiblich, bat seit 1/4 Jahre auf der rechten Ohr- muschel ein anfangs stecknadelkopfgrol~es, scbnell grSl~er werdendes Ge- w~ichs beobachtet, welches ab und zu blutete; eine Ursache far die Ent- stehung well] Patientin nicht anzugeben. S t a t u s : Auf der hSchsten Kuppe des Helix sitzt eine etwa kirsch~ol~e Geschwulst, yon dunkelroter Farbe; der Tumor ist kurz gestielt, l i~t sich leichg bin und her bewegen, fahlt sich welch an und b lu te t bei Berfihrung.

T h e r a p i e : Abtragung mit heil~er Schlinge; Beizung des Stieles mit Acidum trichloracetic.~ die im Anfang recht starke venSse Blutung steht auf Druck. - - Reaktionslose Heilung.

M i k r o s k o p i s c h e r B e f u n d : Den eigentlicben Kern des Tumors nimmt ein Gewebe ein, das sich aus sehr reichen cavernSsen Blutr~umen und aus Bindegewebe zusammensetzt; letzteres ist meist sehr locker gebaut, doch kommen auch besonders an den ausgesprochen cavernSsen Partien derbe Bindegewebsstrakturen vor. Die Oberflache besteht nur zum Teil aus einer Epidermisschicht, meist wird sie yon einem eitrigen fibrinSsen Belage gebildet. - -

Diese Geschwfilste werden meist am Lobulus oder, wie wir auch im Jahre 190~ mitteilten, an der Vorderfli~che der Muschel sitzend gefunden. Eine Lokalisation an der Spitze des Helix finde ich nirgends berichtet: als ~tiologische Momente werden neben kongenitaler Entstehung besonders Er- frierungen der Ohrmuschel betont.

4. P a p i l l o m a d u r u m o d e r C a r c i n o m ? des ~ u S e r e n G e h f r - ganges .

IV. Fr. L., 30 Jahre, weiblich, klagt fiber pliitzlich entstandene Schwer- hiirigkeit, deren Ursache ein Thrombus, sofort beseitigt wird. Im ~ul~eren Gehfrgange, ca. 2 cm vom 5[eatus ext. entfernt, sieht man aul~erdem am Boden eine fiber erbsengrol~e; breitbasig aufsitzende warzige Excrescenz; dieselbe hat einen normalen Hauttiberzug, fiihlt sich hart an, schmerzt nicht. S ie wird als Papilloma durum angesprochen und mit der Sohlinge entfernt. Die im pathologischen Institut hierselbst vorgenommene mikroskopische Untersuchung ergab jedoch ein C a r c i n o m auf Grund folgenden Befundes:

Unter einer dichten Epithetschicht, die mehrfach breite Zapfen yon regelm~tBigem Aufbau und scharfer Begrenzung in die Tiefe schickt, liegt ein bald lockeres, bald derbes Bindegewebe. In letzterem befinden sich zer- streute Epithelnester, die Auslhufer in die Lymphspalten des Bindegewebes entsenden. Auch ge~en die oberflhchliche Epithellage dringen die Epithel- zapfen vor, ohue daft. ein direkter Zusammenhang mit derselben sich kon- statieren lh~t. - -

Die Patientin entzog sich der weiteren Behandlung. Operative Eingriffe infolge Entztindungen des hul~erea GehSrganges

mu~ten wir hhufig vornehmen; erwhhnenswert sind dabei zwei Fhlle, in deneu eineMastoiditis vorgeti~uscht wurde, so dal] erst der W i l d e s c h e Schnitt zur

r ichfigen Diagnose fiihrte. 5. C.L., 5 Jahre; hat angeblich seit 8 Tagen Ohrenlaufen nach einem

Bronchialkatarrh, seit 3 Tagen Fieber, Schmerzeu und Schwellung hinter dem Ohr.

.~ul~erer GehSrgang mit dfinnfliissigem Sekret angefiillt~ Trommelfeli in- folio Schwellung der Whnde nicht sichtbar; oberhalb der Ohrmuschel und dahmter starke Schwellung und Druckempfindlichkmt~ Abdrhngun~ der Ohr- muschel.

Diagnose: Mastoiditischer Abszef~. iNach Durchtrennung der Weichteile entleeren sich ca. 3 El]lSffel grfinem~

fStiden, dicken Eiters; unter dem Periost, etwa 2,5--~ cm unterhalb des oberen Ohransatzes findet sich eine Fistel, die in die Hinterwand des hul~eren

Page 4: Otologischer Bericht über das Jahr 1905

Otologischer Bericht fiber alas Jahr i905. 295

GehSrganges ca. 2 cm veto Meat. acust, ext. entfernt, mfindet; Knochen vSllig normal. - - Nach 4 Wochen Heilung.

6. In dem zweiten Falle: E .S . , 19 Jahre, m~nnlich, hatte der Patient angeblich nach einer Erkhltung seit 3 Wochen eine Ohreiterung, wahrend seit 14 Tagen hinter dem 0hre eine Schwellung bestand.

Ein otoskopischer Befund konnte wegen zu starker Schwellung der Weichteile nicht erhoben werden, dagegen sprach die tt0rprtifung: Rinne: -{-, Weber: unbestimmt, Schwabach: normal, gegen eine Affektion des Mitten o h r e s . - Auch hier entleerte sich beim Wi lde schen Schnitt viel Eiter, wie sich auch eine in den hul~eren GehSrgang ffihrende Fistel f u n d . - Nach 3 Wochen Heilung.

Zu den hffektionen des Mittelohres selbst leitet dann folgender Fall fiber: 7. FremdkSrper in der Pauke~ Facialisparese. iV[. Lk., 9 Jahre, m~nnlich, hat sich vor ca. 3 Wochen eine Erbse ins

0hr gesteckt. Zunhchst hatte er keine Beschwerden, erst naeh vergeblichen Extraktionsversuehen stellten sich Schmerzen ein; seit 5 Tagen ist die rechte Gesichtsh~lfte schief, seit 2 Tagen besteht 0torrhoe.

22. Dez. Blasser Knabe mit vollstiindiger Parese des rechten Nerv: fa- cialis; GehSrgang geriitet, versehwollen; in der Tiefe desselben eiu grauer, fest eingekeilter, sich hart anffihlender FremdkSrper.

T h e r a p i e : Vorklappung der Ohrmuschel, AblSsung des hhutigen Ge- hSrgangsschlauches; die Erbse l ~ t sich leicht heraushebeln; N a h t . - Feste Tamponade des aul~eren GehSrganges. ~ach 10 Tagen wird der Knabe an den behandelnden Arzt in die ~]eimat entlassen~ die Parese ist fast vSllig geschwunden, S e k r e t i o n aus d e r P a u k e s e h r g e r i n g ; der hul~ere Ge- hSrgang ist normal welt, liegt lest an, im TrommelfelI rechts unten Perfora- tion yon der Griil/e einer halben Erbse.

II. M i t t e l o h r . Eitrige Erkrankungen des Mittelohres beobachteten wir im Laufe des

Jahres 19(J5 in 630 F~llen. Erwhhnenswert scheinen uns - - au/]er dell zur Operation g e k o m m e n e n - die F~lle, bet denen wir T u b e r k e l b a z i l l e n im Ohreiter nachweisen konnten. Ebense wie wir schon 1904 fiber 3 Falle berich- teten, batten wir auch im Berichtsjahre Gelegenheit bet 3 Mannern~ welche neben einer Tuberc. pulmon, an Otit. reed. litten, Tuberkelbazillen im Ohr- eiter nachzuweisen. Bet allen Patienten handelte es sich um eine chronische Otitis, welche zur vOlligen Zerstiirung des Trommelfelles geftihrt butt% bei einem konnten wir veto ~ul]eren GehSrgang aus bequem eine Sonde in die weir klaffende TubenSffnung einffihren.

Von den Grundshtzen, die sich uns in frtiberen Jahren bet der Behand- lung der 0tit. reed. und ihrer Komplikationen bewhhrt batten, sind wir auch im Berichtsjahre nicht abgewichen, obwohl manche Mitteilungen fiber thera- peutische Erfolge uns zu Versuchen anregten; zu letzteren gehSrte auch die B i e r s c h e Stauungsbinde; wir haben sie nur in wenigen Fhllen benutzt und sind durch die Erfolge zu weiteren Yersuchen nicht gerade ermutigt worden.

Unsere eng gezogenen~ frfiher besprochenen lndikationen machen es er- kl~rlich, dal~ yon den mit Mastoiditis komplizierten F~llen nur 100~48,82 Proz. zur Operation kamen, eine Ziffer, welche den Feststellungen frfiherer Jahre 1904 ~ 43,6 Proz., 1902 ~ 54,4Proz. entsprieht.

Im Berichtsjahre kamen 47 zur einfachen Aufmeil]elung (4i im Jahre 1904) 53 , totalen ~ (30 , , ~ )

Wenn wir zunhchst die J~tioiogie des Eiterungsprozesses in unseren 100 Fgllen naher ins Auge fassen, so sind trotz eingehender Erkundigungen unsere Feststellungen als wenig befriedigende zu bezeichnen. Wir konnten im Berichtsjahre in 55 Proz. fiberhaupt keine Ursachen feststellen, in 30 Proz. waren es akute Infektionskrankheiten. Zu den selteneren Veranlassungen gehSrten in 2 Proz. Traumen, 2 real operative Eingriffe im Nasenrachenr..aum~ l real Epistaxis und I real KieferhShlensptiiung yon der Alveole aus. Uber- haupt machten wir die Beobachtung, dal~ a k u t e O t i t i d e n gar nieht so

20*

Page 5: Otologischer Bericht über das Jahr 1905

2 9 6 XX. G E R B E R u. COHN

selten, zu gle icher Zeit mit a k u t e n E m p y e m e n kombinier t s ind resp. yon diesen ~eranlal~t werden

Dos Lebensa l t e r der zu r Opera t ion gekommenen F~ile s chwank te bei den e in fach Aufgemeil]el ten zwischen "/3 und 65 J a h r e n , bei den To ta lauf - mei i te lungen zwischen 2 und 50 J a h r e n ; im e inzelnea wa ren bei der

I. E in f achen Aufmei l te lung: un t e r 10 J a h r e n 22 ~ 46,SProz. 10--20 J a h r e 9 ~ 19,0 -- 20- -40 -- i l ~ 23,4 fiber 40 ~ 5 ~ 10,6

If. Tota len AufmeiBelung: un t e r 10 J a h r e n 10 = !8,9 10--20 J a h r e 30 ~ 56,6 20--40 -- 12 ~ 22,7 fiber 40 ~ 1 ~ 1,9 --

Dos Durchschn i t t s a l t e r shmt l icher 0per ie r t e r stellte sich au f 17,6 Jahre . Dem G e s c h l e c h t nach waren yon:

1. E in fach Aufgemeil~elten) m~nnl ich 28 ~ 59,6 Proz. weiblich 19 ~ 40,4 --

II. To ta l Aufgemeif iel ten: m~tnnlich 27 ~--- 50,9 -- weiblich 26 ~--- 49,1

so dal] also yon s~mtt iehen 0pe r i e r t en 55 Proz. mi~nnlich, 45 Proz. weiblich waren .

Be t r ach t en wit dann noch die Zah lenve rhMtn i s s% wie die Seiten yon dem Prozesse ergriffen waren, so ergibt s ich :

A. E in f ache Anfmeii~elung: Rech t s . . 2 4 r e a l ~ 51,1 Proz. L i nks . . 19 ~ ~ 40,4 -- Beide Seiten 2 -~ ~ 8,5 -~

B. Tota le Aufmeil~elung: Rech t s . 23 ~ ~ 43,4 L i n k s . . 26 ~ ~ 4%0 Beide Seiten . 2 ~ = 7,5

C. In sgesamt : Rech t s . 47 -- = 47 Proz. L i nks . 45".~ ~ 45 -- B e i d e S e i t e n 4 -~ ~ 8 --

T o d e s f h l l e ba t t en wi r im Ber ich t s j ahre 6 . z u ve rze ichnen ; yon denen j edoch ~ Fal l , der e inen Mona t nach der Opera t ion an L u n g e n p h t h i s e s tarb, bei der B e r e c h n u n g der Mortalitfttsziffer in Abzug zu br ingen is t ; l e t z t e r e b e t r u g a l s o 5 P r o z , gegen 5,[i Proz. im J a h r e 1904.

Als eine F o l g e e r k r a n k u n g nach der Opera t ion , die uns sehr viel Un- annehml ichke i t en bereitete, s ind z u n h c h s t 12 FMIe yon E r y s i p e l a s zu er- whhnen , die a b e r o h n e ' Schhdigung i fir die Gesundhe i t verl iefen.

Von drei P a r e s e n d e s ~ e r v . f a c i a l i s , die whhrend oder n a c h der Opera t ion e n t s t a n d e n , g ingen zwei wieder vSllig zurf ick , whhrend bei zwei Pa t i en ten , die mi t bes t ehende r P a r e se zu uns kamen , e ine wesent l iche Bes- s e rung erzielt worde.

E ine ande re Kompl ika t ion , die wir d r e i m a l s ahen , war die P e r i e h o n - d r i t i s d e r O h r m u s c h e l nach P las t ik ; t rotz sofort iger ausgiebiger Inzi - s ion und AuslOffelung hei l ten 2 F~lle mit r e eh t e rheb l icher Veruns ta l tung , w~hrend in einem Fal le a l lerdings n u r ger inge Spuren die f ibers tandene Affektion andeu ten .

Bei l l yon den oper ier ten Fhl len waren mehre re Eingriffe nStig, und z w a r war es 4 real Nachope ra t ion wegen verz6ger ter Aushe i | ung , 6 real han- delte es s ich u m S inusope ra t ionen , meis t ve rbunden mi t U n t e r b i n d u n g der Vena jugular i s in tern, einige Tage nach dem ers ten Eingr i f f u n d e inmal u m Spa l tung eines Schlhfen lappenabszesses .

Page 6: Otologischer Bericht über das Jahr 1905

Otologiseher Berieht fiber das Jahr 1905. 297

Die Heilungsdauer nach der einfachen Aufmeii]elung betrug, wean sie nicht durch Komplikatioaen verzSgert wurde~ im allgemeinen 2--3 Monate; die totale Aufmeil~elung erforderte dagegen meist einen Zeitraum yon 4 bis 5 Monaten.

Wie sehon im vorigen Bericht hervorgehoben wurd% machte uns in vielen F~llen der endgtiltige Abschlul] des tympanalen Tubenostiums gro]]e Schwierigkeiteni im Berichtsjahre allein mufiten wir in 20 Ffdlen die Pa- tienten entlassen, ohne die Gewhhr zu haben, eine Dauerheilung erzielt zu haben. " Wenn auch in der Mehrzahl dieser 20 F~dle die Tube trockne war und blieb, so steht doch zu befiireht'en, daI~ jeder Schnupfen ein Recidiv bringt; diese ungenfigenden .Ergebnisse veranla~ten uns, in einigen Fhllen. den Versuch zu machen, die 0fihung mit Paraffin zu schliel~en; unsere Ver- suche mil]langen.

Im einzelnen stellen sich unsere 0perationserfolge:

A. E i n f a e h e Aufmei]~lung B. T o t a l e A u f m e i i ] l u n g 1) geheilt . . . . 34 ~ 72,37 °[o 1) vsllig geheilt 2l = 39,72°/oi 2) ungeheilt . . , 1 ~ 2,13°/o la) geheilt, Tube often | 3) unbekannt . . 9 ~ i9,14°/o ~ 13~2i°/o}77 360/0 5) gestorben . 1 - - 6,36°/o lb) geheilt, Tube seceriert 13 | ' •

24,53o/o/ 2) unbekannt 9 ~ 16,98°/o 3) gestorben 3 ~ 5,66°/o

Bevor wir nun nhher auf die Komplikationen und Todesfalle im Be- richtsjahre eingehe, set es uns gestattet, kurz zwei Fiille anzuffihren, denen bet ungestiirtem Heilungsverlauf eine a k u t e P s y c h o s e kurz nach der in Chloroformnarkose ausgeffihrten Operation gemeinsam war. Solche Fhlle sind ja bisweilen ffir den Operateur alarmierend, der unter Umst~nden den Beginn ether meningealen Komplikation befiirchten mul~.

F a l l I. Fran R., 25 Jahre, wird wegen einer beftigen 0titis media acuta mit Mastoiditis acut. auigemeil~elt, soll etwas potatrix sein und maneh- real ein etwas exzentrisches Wesen zur Schau tragen.

Am Tage nach der Operation ist Pat. vSllig unorientiert, glaubt sich verfolgt, hOrt Tierstimmen, versueht wiederholt zu entfliehen; dieser Zu- stand halt in den n~chsten Tagen an, dabei andauernde Schlaflosigkeit; Pat. wird deshalb in die psycb. Klinik iibergeffihrt; bier ist sie in der ersten Zeit sehr erregt, hat tIalluzinationen, ist wenig orientiert; sptiter ist sie wechselnder Stimmung, meist euphorisch, nach 2'/2 Woehen im ganzen ruhig und versthndig, so dal~ sie entlassen wird. Verdacht auf progressive Paralyse.

Im F a l l 2 handelt es sich um einen Patienten, der sein Ohrenleiden im Anschlul~ an e i n e S p f i l u n g d e r K i e f e r h S h l e a k q u i r i e r t e und ebenfalls wegen reeht stiirmischer Erscheinuagen einfacil aufgemeil]elt wurde; er leidet aul]erdem seit Jahren nach einem ~chadeltrauma an Jacsonscher Epilepsie. Am 2. Tage nach der Operation epileptischerAnfall, ebenso am 3. Tage; in der Folge heftige motorische Unruhe, vSllige Ver- wirrtheit, Ideenflucht, Schlaflosigkeit; wiederholt Fluchtversuehe, vSlliger Verlust des OrientierangsvermSgens; unter hohen Desert yon Brom und kalten Packungen klingen diese Erscheinungen allm~thlich ab, so da~ der sonst kr~ftige Pat. sehon 13 Tage nach der Operation die Klinik verlassen and ambulatorisch wetter behandelt werden kann.

Im Anschlul~ hieran ist noch zu erw~hnen, dal] uns ein Patient, dem ein etwa wallnul]grol~es Cholesteatom entfernt wurde, angab, s e i t d e r O p e r a t i o n yon s e i n e n e p i l e p t i s c h e n A n f ~ l l e n b e f r e i t zu seth.

Hieran schlieI~e sich folgender Fall: Chronische Mittelohreiterung mit m e n i n g e a l e n S y m p t o m e n . H i r n t u m o r . Caries des Felsenbeins. K e i n e M e n i n g i t i s .

3. Fr. P., 36 Jahre, Vater Potator. ¥or einem Jahre hatte Patient typhSses Fieber mit Krhmpfen und Genickstarre; seit dieser Zeit SehstSrung, die seit J/2 Jahr zur fast vS1]igen Erblindung gefiihrt hat; im letzten halbert Jahre Verfolgungsideen, Halluzinationen des Gesichts, Geruchs and Ge-

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schmacks. Seit vier Wochen befindet sich Pat. in der psychiatr. Klinik. Eierselbst folgender Bef:md: Leichte Nackenstarre. Abgelaufene Neuritis optica dextr, et sin. mit Ubergang in Atrophiel fast vSllige Taubheit. Zunge zittert, weicht nach rechts ab. Sprache langsam, skandierend.

Am 18. Februar wird folgender otolo~ischer Befund erhoben: Ausge- sprochene Nackenstarre; 5fteres Aufschreien~ Umdrehung des KSrpers ist sebr schmerzhaft; auf Anrufen und Ber[thrung keine Reaktion. R e c h t e s Obr mit dicken, stinkenden Eitermassen vSllig ausgeffillt; nach Entfernung derselben: ~-orn etwa erbsgrol]e Perforation, Trommetfellrest gerStet und stark verdickt. L i n k s : RStung des Trommelfells. - - Leib kahnfSrmig ein- gezogen, Extremithten fallen schlaff herab; auf Nadelstiche lebhafte Reaktion.

In der Cerebro-spinatflfissigkeit Zellen mit Kernteilung. 2 Tage sphter Exitus. Es w a r yon uns de r V e r d a c h t e i n e r o t o g e n e n M e n i n - g i t i s ge~u l~e r t w o r d e n , d e r a u c h von p s y c h i a t r i s c h e r S e i t e a k - z e p t i e r t w a r , d o c h e r g a b d i e S e k t i o n : a p f e l g r o l ~ e s , g r a u - r S t - ] iches~ w e l c h e s , yon d e r D u r a m a t e r a u s g e h e n d e s S a r k o m , das d e n r e c h t e n H i n t e r h a u p t s l a p p e n f a s t v S l i i g e r s e t z t .

Schlhfenbeine: Caries an der oberen Pyramidenfif~che, dem Tegmen antri et tympani; trotzdem Dura darfiber ganz normal.

Eine Verwechslung yon ttirntum0r mit Meningitis bei einem in ex- {remis befindlichen Fall ist nicht welter zu verwundernl sprachen doch alle klinischen Symptome, wie auch die Lumbalflt~ssigkeit ffir diese Erkrankung und liel~ doch der frtiher yon neurologischer Seite aufgenommene Status die Annahme eines Tumors unberficksichtigt. Allerdings ist zuzugeben, dab yon allen Cerebralerkrankungen Hirntumoren am h~ufigsten mit schwereu HSr- st6rungen einhergehen, und zwar besonders solche in der hinteren Schhdel- grube. Von Interesse i s t dieser Fall dadurch, dab bei Bestehen otogen. meningealer Symptome, wozu auch alle Vorbedingungen vorhanden waren (Caries der Pyramide)~ keine Meningitis, vielmehr ein Sarl~om vorlag.

Von operierten FhUen sellen in Kiirze zun~chst einige Komplika- tionen angeftihrt werden~ die allgemeineres Interesse beanspruchen kSnnten.

1. Ot i t . reed. per f . acut . sin., M a s t o i d i t i s - - T h r o m b o s i s s i n u s t r a n s v e r s , et bulb . v e n u e j u g u l a r , nach Operation eines Nasen- rachenfibroms.

E. K.~ 20 Jahre, m~nnlich, leidet seit einem halben Jahr an v611iger tNasenverstopfung~ an h~ufigen Nasenblutungen; seit der Kindheit an Enu- resis nocturna.

Postrhinoskopisch ist ein etwa pflaumengroi~er, blal~roter Tumor sicht- bar~ der nach rechts bis vor die rechte Choane, nach links bis zum Tuben- wulst reicht. Es werden wiederholt Stiicke mit Zange, Gltihsehlinge etc. entfernt, wobei jedesmal eine heftige Blutung entsteht, nach Herausnahme yon grOl]eren Tumormassen am 23. Juni am folgenden Tage heftige Ohren- schmerzen links, die am 26. Juni Parazentese nbtig machen.

27. Juni. Mastoiditis~ Schtittelfrost; Temp. 40~5. 28. Juni. Temp. 39/2- 38,1--39,6. Puls 120--112. Schtittelfrost, leichte

Benommenheit. 29. Juni. Akute Aufmeiflelung ergibt hochgradige Einschmelzung des

prec. mastoid, und einen perislnu0sen Abszel~, der Sinus selbst ist schwar- tig verdickt, wird freigelegt und erSffnet; er enthalt zuni~chst nur wenig mit Eiter vermischtes B!ut, welches jedoch nach Entfernung eines zerfalle- nen Thrombus starker abfliel~t. Verband.

Da am nf~chsten Tage die Temperatur ausgesprochen py~mischen Cha- rakter zeigt: 37,0--39~7--38,1--3% wieder SchiittelfrSste auftreten, wird am

l. Juli die Vena jugular, int. unterbnnden und der Bulbus jugular, frei- gelegt; aus letzterem quillt etwas Eiter hervor.

In den nhchsten Tagen noch ab und zu leichte Temperatursteigerun- gen, sodaun ungestSrter Heilungsverlauf, so dal~ am 18. Oktober der grSl~te Tell des retronasalen Tumors in Narkose entfernt werden und Pat. Anfang I)ezember als fast geheilt entlassen werden kann.

Einen ahnlichen Fall konnten wir im Jahresbericht 1904 bereits mit- teilen~ nur war dort der Einschmelzungsprozel] nicht so rapide fortge-

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schritten, wie in diesem Fall, wo bereits 4 Tage nach Beginn der Otit. reed. der Sinus thrombosiert war.

In der Literatur finden wit nur einen yon G r u n e r t publizlerten Fall mit gleich schweren Komplikationen; bier bedir.gten ebenfalls pyamische Erscheinungen nach Entfernung adenoider Vegetationen eine Aufmei~elung, Unterbindung und sphter Durchspfilung der Vena jugular.

2. Otit. reed. perf. a c u t a sin. - - M a s t o i d i t i s - - Thrombos . s inus t r a n s v e r s . - - Erys ipe l .

C. W, 30 Jahre~ mannl., ]eider seit einigen Tagen an Ohrenlaufen, Druckempfindlichkeit des Proc. mastoid., hohem Fieber, Schwindel, Er- brechen. Die deshalb sogleich vorgenommene Aufmei~elung entleert aus dem Antrum ein wenig Eiter, auch an der Spitze befinden sich einige ter- minale Zellen mit etwas Eiter, der Sinus wird bei der Aufmeil}elung in ge- ringer Ausdehnung freige|egt.

8. August. Am Tage nach der Operation Erysipel, welches nach 8 Tagen abgelaufen ist; sodann zunhchst :~ Tage Woblbefinden, am 19. August Schilttelfrost, Temperatur py~misch; Wunde ohne Granulationen, nirgends Schmerzhaftigkeit.

Da die Temperatur in den ni~ehsten 10 Tagen pyhmisch bleibt, sich an den Wundr~ndern etwas Odem zeig~ und t~glich ein his zwei Schtittel- fr6ste auftreten, die inneren Organe keine ¥erhnderungen zeigen, wird am 31. August die Wunde revidiert, die schlaffen Granulationen werden abg'e- kratzt, der Sinus freigelegt; er ist verfi~rbt, schwartig belegt; nach Unter- bindung der Venajugular int. wird er geschlitzt, wobei sich etwas mit Blur untermischter Eiter entleert. Tamponade, Verband.

In den nhchsten Tagen noch mehrmals Temperatursteigerungen, vom 7. September an ungest6rte Rekonvaleszenz~ die zur v611igen Heilung Anfang November ftihrte.

Hier batten wir es mit einem Falle zn tun, der uns in Anbetracht des geringen Befundes bei tier einfachen Aufmeil~elung zunhchst nicht an eine Thrombose des Sinus glauben lieB; erst die wiederholt negativen Ergebnisse bei der Untersuchung der inneren Organe, sowie 0demat(ise Schwellung am hinteren Abschnitt des Warzenfortsatzes lenkten unsere Aufmerksamkeit wieder auf das Ohr zurtick. Es ist anzunehmen, dal~ die Erkrankung des Sinus yon den wenigen terminalen Zellen der Spitze, die etwas Eiter zeigten, ausging.

3. Otit. reed. perf. acut . et M a s t o i d i t i s dupl. P e r i s i n u 6 s e r Abszel]. Nephr i t . h a e m o r r h a g i c a .

H. E., weibl., 8 Jahre, seit 3 Wochen nach Scharlach 0hrenschmer- zen und Ohrenlaufen. Hohes Fieber und Erbrechen. Heftige Druckempfiad- lichkeit beider Prec. mast.

7. Mhrz Otoskop. Perforation beider Trommelfeile. ttohes Fieber~ scblechter Allgemeinzustand.

Es wird zun~chst die rechte Seite aufgemei~elt, deren Spitze ausge- dehnt erkrankt und mit Eiter gefii]lt ist~ Sinus ist vorgelagert, hat obea normale Farbe, ist nach unten zu speekig belegt. Bei weiterer Freilegung des absteigenden Sinusteils entleert sich unter starkem Druck and heitiger Pulsation eine gro~e Menge dicken, rahmigen Eiters; da es zweifelbaft ist, ob derselbe nut den Sinus umspfilte oder mit ihm im Zusammenhang stand, wird nach ausgiebiger Reinigung der Sinus geschlitzt, wonach eine heftige :Blutung entsteht.

8. August. Temp. 39,6--39,8--39,2. Puls 120--122. Heftige Schmer- zen im ]inken Ohr, Warzenfortsatz links Druckempfindlichkeit.

9. August. Temp. 37,7--36,2--37,6--39,7. Puls 102--110. Status idem. :Erbrechen.

10. August. Da die Schmerzen ]inks nicht nachlassen, wird auch die linke Seite aufgemeil~elt, doch ist der Befund bier gering; deshalb Revision der Wunde rechts und Unterbindung der Ven. jugularis int. rechts.

il.--14. August. Temp. pyhmisch, t~glich Schiittelfr6ste, Appetit gut, thglich Verbandwechsel.

]5.--18. August. Temp. etwas besser; Schwankungen zwischen 36,9 bis 38,5.

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19. August. Schwellung im reehten Kniegelenk~ heftige Schmerzen und Schwellung im Ful~gelenk. Urirl enth£lt Albumen; hyaline Zylinder, rote und weil~e Blutk6rperchen. Temp. wieder py£misch. Wunden sehen gut aus.

2i. August. 0deme an den KnScheln und den Augen, heftige Schmerzen in den Gelenken. Urin sehr triibe, konzentriert 550 cm Alb.-~ 0,12 °/o o Cor. I, Ton unrein, blasend. Temperatur py£misch. Puls unregelmhi~ig, aussetz. 120. Therap. 3real thgl. 0,3 Aspirin. Theobromin -{- Digital - - Milchdi£t.

Veto 27. August wird die Temperatur normal; das Kind ist sehr schwach, erholt sich bei sorgf~ltiger Diht sehr langsam, die Albumenmenge wird allm~hlich gering, his nur noch Spuren nachweisbar sind; in den Ge- lenken des rechten Beins noch lange Zeit hindurch Schmerzen.

l i . September. L. Ohr geheilt. R. kleine (~ffnung, die noch etwas sezerniert. Allgemeinbefinden, ab-

gesehen yon grofier Schwhche, gut. Urin frei yon Alb. Cor. Insuflic. valv. mitral. Pat. wird zur Weiterbehandlung nach Haus entlassen.

4. O t i t i t i s reed. perf . chron, sin. Thrombos . s inus t r a n s - vers. sin.

L. K, weibl., 25 Jahre. Pat. hat seit fiber ein Jahr Ohrenlaufen, seit kurzer Zeit im und hinter dem 0hr heftige Schmerzen, abends Fieber nnd Frostgeffihl.

i. Februar. Geb6rgang durch einen Furunkel verlegt. Starke Infil- tration des Tragus und der Gegend unterhalb der Concha, reichliehe Sekre- tion arts dem GehSrgang bei Druckempfindliehkeit der gesamten Umgebung des Ohres. Trommelfetl nicht sichtbar. Ord. feuchte Umschl~tge. Inzision des Furunkels.

6. Februar. Subjektiv schlechtes Befinden; angeblich stets abends Fieber und Frostgeftihl; am Trommelfell links seblitzf(irmige Perforation; Aufnahme.

7. Februar. Totalaufmeil~elung: Sinus etwas vorgelagert, wird in ge- ringer Ausdehnung freigelegt, sieht gut aus; der Knochen ist besonders am Sporn und an der Spitze des Antrums zehr zellreich und mit reiehlichen Granulationen gefiillt.

11. Februar Temp. 39~8--39,5--40,0--3~,2. Puls i08--i12. Erbrechen, Kopfschmerz, Mattigkeit.

!2. Februar. Augenhintergrund normal. Verbandwechsel. Tempera~. 39,7--40,4--89~3. Puls ll0--12o. Wunde sezerniert reichlich. Erbrechen.

13. Februar. Patientin gibt an, seit ihrer Jugend magenleidend zu sein; zu diagnostischen Zwecken: Magensptilung, danach angeblich besseres Allgemeinbefin den.

14. Februar. Verbandwechsel. Zweimal heftiger Schfittelfrost, dem ein reichlicher Schweil~ansbrnch folgt; am

15. Februar Nachoperation. Sinus wird vorsichtig etwas welter frei- gelegt; sofort beim ersten Mei~elschlag quillt aus einer kleinen lhdierten Stelle dicker Eiter; die Wand 1st mil~farben, grau verf~rbt, eingesunken; an der Spitze und subkortikal hinter dem Sinus finden sich reichlich Eiter enthaitende Zellen und kariOse Knochenpartien i Freilegung des Sinus nach unten bis fast an den Bulbus. we er wieder normales h_ussehen erhhlt, nach oben wird der ganze horizontale Schenkel freigelegt. Unterb. der Vena jugularis~ Schlitzung des Sinus~ Exzision der Vorderwand~ Ausr~umung reich- licher Thrombusmassen nach dem Bulbus hin, ohne da$ eine starkere Blutung eintritt, yon obea her reichliche veniise Blutung. Komprossions-Verband.

W~hrend der Operation Atmung fiach~ aussetzend, Puls irregulhr, fadenfSrmig. Campher, ktinstiiche Atmung.

25. Februar. 5iach dem zweiten Eingriff noch etwas Fieber und zweimal Schiittelfrost~ sodann normaler Wund~erlauf. Patientin erholt sich sehr schnell.

Schon vor der ersten Operation war das subjektive Befinden derart, dais eigentlich eine weite Freilegung des Sinus hhtte stattfinden mi~ssenl aul~erdem scheint hier nicht bei der Aufmeii~elung der gesamte kari6se Knochen weggenommen worden zu sein, so dal~, falls nicht schon eine Thrombose vorher bestand, ihre Entstehung yon den fibersehenen erkrank- ten Zellen aus anzunehmen ist.

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Otologiseher Bericht fiber das Jahr 1905. 301

6. Otit . reed. perf . chron, dextr . Choles tea tom. Abszel~ des r e c h t e n Schlg, f en l appens .

E. Th., 22 Jahre, mannlich. Seit friihester Kindheit nach Diphtherie 0hrenlaufen, seit 14 Tagen Ohrenschmerzen, halbseitiger Kopfschmerz, Fieber, Erbrechen.

29. Mai. Otol ogi sch: Defekt~des Trommelfells. Attikfistel. Schmie- rige Massen in der Pauke.

H 6 r p r fi fun g r e c h t s : Flfistersprache : ad concham ; Konversations- sprache: 2 m; Rinne - - ; Weber nach rechts~ Fis 4 bei starkem Anblasen; kein Romberg, kein Nystagmus. Inhere Organe ohne Befund.

Die am Tage darauf vorgenommene Totalaufmeil~elung nach Schwartze ergibt ein grol~es Cholesteatom; dieses reicht nach hinten bis an den Sinus, der schwartig belegt ist, nach oben an die Dura der mittleren Sch~delgrube, die in grofJer Ausdehnung freiliegt.

Bis l0 Tage nach der Operation gules Allgemeinbefinden, am I I. gani plStzliche heftige Kopfschmerzen, Mattigkeit. Temp. 36,9, Pals 72. Beim Verbandwechseh Erbrechen. Collaps.

12 Juni. Temp. 38,8--37,5--37,3. Pals 72--56. Kein Sehwindel, kein Nystagmus, kein Romberg~ keine Koordinationsst0rungen, keine Sen- sibilit~its- oder SprachstSrungen, Refiexe normal, heftige Kopfschmerzen.

13. Juni. Sensorium frei, abends Erbrechen. Augenhintergrund: L. normal. R. Papille nach der nasalen Seite hin nicht scharf begrenzt, verwaschen. Schlangelung der Venen.

Druck auf die Wirbelshule sehr schmerzhaft. Temp. 37~1--36,2. Puls 70--60, nicht gespannt.

14. Juni. Temp. 36,9--38--37,5. Pals 54--56--78. Patient liegt mit geschlossenen Augen und wimmert vor Schmerz.

Kopfschmerzen am Morgen ~ering, abends heftig; Lumbalpuuktion: Unter m~tl~igem Druck werden 30 ccm trtiber Liquor abgelassen; im Sedi- ment sp~rliche polynucle~re Leukocyten, keine Bakterien. Bei Beklopien des K0pfes eine schmerzhafte Zone rechts yon der Stirn an nach hinten bis zum Os parietale, nach median bis iast zur Mittellinie, nach lateral bis zur Schlhfengegend reichend.

15. Juni. Revision der Wunde, Dura des Schl~fenlappens wird frei- gelegt and zun~,chst das Hirn nach vorn oben mit negativem Erfolge punk- tiert; beim Eingehen nach hinten and unten quillt unter hohem Druck reich- lich f6tider Eiter, ca. 3--4 El~liiffel, hervor. Erweiterung der Off'nuns, Drainage des Abszesses.

16. Juni. Puls 78--110. Temp. 36,1--37,4. Wohlbefinden. Welter- bin normaler Verlanf, nach 6 Monatea v611ige Heilung.

H6rprfifung: R. F1. 21/2 m, Konv. 12 m. E p i k r i s e . Der Operafionsbefund erklarte die Beschwerden, mit

denen der Kranke zuerst zu uns kam, vollkommen; die sparer auftretenden Symptome waren zun~chst so vieldeutig, dab sie eine bestimmte Diagnose nicht zutiel~en. Demgemhl~ glaubte auch der hinzugezogene Internist es mit einer beginnenden Meningitis zu tun zu haben, was ja auch das Vorkommen der polynuclehren Leukocyten in der Lumbalflassigkeit zu besthtigen schien, er hielt einen Eingriff deshalb ffir aussichtslos.

Auch wir hielten den Fall ffir ziemlicb aussichtslos, und nar die Er- wagung, dab das Bild der Meningitis doch kein yell ausgepr~gtes war, die M6glichkeit eines Hirnabszesses (Puls) nicht auszuschliel]en war, und schliel~- lich dal~ auch bei beginnender Meningitis durch v611ige Ausschaltung des Herdes in einzelnen Fallen noch Heilung erzielt wurde, liel~ uns hier mit gutem Erfolg nach einem HirnabszeB fahnden.

(Schlu~ folgt)