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Persönliche PDF-Datei für www.thieme.de Dieser elektronische Sonderdruck ist nur für die Nutzung zu nicht-kommerziellen, persönlichen Zwecken bestimmt (z. B. im Rahmen des fachlichen Austauschs mit einzelnen Kollegen und zur Ver- wendung auf der privaten Homepage des Autors). Diese PDF-Datei ist nicht für die Einstellung in Repositorien vorgesehen, dies gilt auch für soziale und wissenschaftliche Netzwerke und Plattformen. Mit den besten Grüßen vom Georg Thieme Verlag Verlag und Copyright: Georg Thieme Verlag KG Rüdigerstraße 14 70469 Stuttgart ISSN Nachdruck nur mit Genehmigung des Verlags

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Dieser elektronische Sonderdruck ist nur für die Nutzung zu nicht-kommerziellen, persönlichen Zwecken bestimmt (z. B. im Rahmen des fachlichen Austauschs mit einzelnen Kollegen und zur Ver-wendung auf der privaten Homepage des Autors).Diese PDF-Datei ist nicht für die Einstellung inRepositorien vorgesehen, dies gilt auch für sozialeund wissenschaftliche Netzwerke und Plattformen.

Mit den besten Grüßen vom Georg Thieme Verlag

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Georg Thieme Verlag KGRüdigerstraße 1470469 StuttgartISSN

Nachdruck nur mit Genehmigung des Verlags

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Zum Begriff Resilienz

Resilienz beschreibt die psychische Widerstandsfähig-keit von Menschen, sich gegen Umgebungsrisiken zuschützen oder mit Stress und schwierigen Lebensum-

ständen ohne nachhaltige Beeinträchtigungen umzu-gehen (Davydov et al. 2010). Menschen mit hoher Resi-lienz können besser als andere Krisen als Anlass für Ent-wicklung nutzen. In diesem Sinn wird der Begriff inzwi-schen auch für einen gesundheitsförderlichen Umgangmit belastenden Berufssituationen verwendet, obwohl

Älter werden im Pflegeberuf: Möglichkeiten für den Einzelnenund TeamsAnneli Röhr

Kommunikation & Organisation

Damit auch ältere Mitarbeiter in der Pflege möglichst lange in ihrem Beruf ver-bleiben können, ist es wichtig, sie darin zu stärken, mit Belastungen umzugehen.Dies berücksichtigt das Konzept der Resilienz – der Widerstandsfähigkeit desEinzelnen. Pflegekräfte sollten im Sinne der Selbstpflege darauf achten, was sietun können, um möglichst lange gesund im gewählten Beruf tätig zu sein. Aller-dings darf eine gute Selbstpflege nicht als Vorwand für Betriebe verstanden wer-den, sich aus der Verantwortung und Aktivitäten zum Erhalt der Arbeitsfähigkeitzurückzuziehen. Wenn im Folgenden auf den in diesem Zusammenhang oft ver-wendeten Begriff der Resilienz eingegangen wird, wird deutlich, dass zur indivi-duellen Vorsorge immer auch organisatorische Anstrengungen gehören, um Mit-arbeitern den Verbleib im Beruf bis zur Rente zu ermöglichen.

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er ursprünglich ein psychisch stabiles Aufwachsen vonKindern trotz Traumatisierungen, tiefer Armut o. Ä. be-zeichnete. Das Konzept der Resilienz wird wie die Salu-togenese nach Antonovsky und das von ihm beschrie-bene Kohärenzgefühl der positiven Psychologie inner-halb der Gesundheitspsychologie zugerechnet. Der Re-silienzbegriff wird inzwischen nicht nur für Individuen,sondern auch für Gruppen und Organisationen verwen-det.

Fördernde und hemmende FaktorenEs gibt verschiedene Faktoren, die als Ressourcen dieResilienz stärken: Als externe Ressourcen sind in derPflege insbesondere ein guter Zusammenhalt imTeam, unterstützende Angebote des Arbeitgebers wieSupervision oder Deeskalationstraining sowie ein si-cherer Arbeitsplatz und die regelmäßige Gehaltszah-lung zu nennen. Auf der persönlichen Ebene sind einguter Ausgleich und entspannende Tätigkeiten in derFreizeit sehr wichtig. Allerdings werden Familienange-hörige selten als Gesprächspartner zur Entlastung ge-nutzt, wie Richter und Heckemann bei einer Befragungherausfanden. Im Familien- und Freundeskreis könneman solche schwierigen Sachverhalte nicht besprechen(Richter, Heckemann 2014: 7). Hinzu kommen Persön-lichkeitsmerkmale, die je nach Ausprägung ebenfallsdie Resilienz erhöhen, so z. B. die Selbstwirksamkeits-überzeugung, das Gefühl eigener Kompetenz oder dasGefühl, Kontrolle über den Erfolg der eigenen Arbeit zuhaben.

Das Gefühl, Zielscheibe für unzufriedene Patienten zusein, ohne die Abläufe beeinflussen zu können und kei-ne Rückendeckung durch Vorgesetzte zu erfahren, ver-mindert dagegen die Resilienz.

Resilienztrainings – Die psychische Widerstandsfähig-keit wird somit durch individuelle Eigenschaften unddurch von außen vermittelte fördernde oder schwä-chende Faktoren beeinflusst. Eigenschaften können ineinem gewissen Umfang durch Lernen vermittelt wer-den. Da der Pflegeberuf mit vielen verschiedenen be-ruflichen Belastungen einhergeht, liegt es nahe, dassinzwischen Programme entwickelt wurden, um die Re-silienz der Mitarbeiter zu erhöhen und sie besser fürden Umgang mit Stress und belastenden Ereignissenzu wappnen (Zwack 2013). Richter und Heckemann ha-ben folgendes Programm entwickelt:▪ Einführung in den Resilienzbegriff▪ Selbstbeobachtung: Wie nehme ich Stress wahr?▪ Umgang mit Stress und Belastungen▪ Denkfallen erkennen▪ Arbeitsbedingungen gestalten und gute Beziehun-

gen pflegen▪ Umgang mit „schwierigen“ Patienten, Angehörigen

und Kollegen

▪ körperliche Gesundheit▪ Freizeitverhalten▪ Achtsamkeit

Eine „Denkfalle“, die in Resilienztrainings aufgegriffenwird, liegt in der Wahrnehmung vieler Menschen, sichals Opfer oder als Ursache belastender Situationen zuerleben, ohne dass es dafür objektive Tatsachen gibt.Damit gehen oft Gefühle von Hilflosigkeit oder Schuldeinher. In Übungen geht es dann statt einer kognitivenEngstellung um eine Erweiterung der Wahrnehmungs-und Handlungsoptionen. Ein Leitspruch, der daraufhinweist, dass wir Situationen unterschiedlich bewer-ten und dann entsprechend handeln können, lautet:Love it, change it or leave it. Aus Sicht der Resilienz lässtsich der Satz frei übersetzen: Es kommt weniger daraufan, wie man sich entscheidet, sondern eher, sich be-wusst zu machen, dass man Entscheidungsmöglichkei-ten hat, denn damit wächst das Gefühl der Handlungs-fähigkeit.

Züricher RessourcenmodellDas Züricher Ressourcenmodell (ZRM) stellt einen An-satz dar, um Gesundheit und Arbeitszufriedenheit zuverbessern und knüpft an das Resilienzkonzept an. Ins-besondere mit Blick auf das Älterwerden und den eige-nen beruflichen Weg kann das Modell dazu beitragen,sich über die eigenen Werte und Bedürfnisse klar zuwerden, Ziele zu entwickeln und die dafür nötigen Res-sourcen zu entdecken. Doch da es nicht reicht, wennMenschen wissen, was zu tun ist, sondern auch die Be-fähigung und den Antrieb benötigen, das Wissen inHandlung umzusetzen, vermittelt das ZRM auch Me-thoden, um die Ressourcen zu aktivieren. Dies soll zurEntwicklung der eigenen Selbstmanagementfähigkei-ten führen.

In einem ersten Schritt geht es um die Bewusstma-chung der eigenen Bedürfnisse und Motive. Darauswerden handlungsleitende Ziele (Intentionen) gebil-det, die in der Regel eine Veränderung der bisherigenVerhaltensweisen bedeuten und folgende Kennzeichenhaben:▪ Sie sind positiv formuliert; im ZRM wird von Annä-

herungszielen gesprochen, z. B. „Ich will in einer be-stimmten Situation gelassener reagieren“, anstellevon „Ich will in einer bestimmten Situation nichtmehr gleich wütend werden.“

▪ Sie sind sinnstiftend für den Handlungswilligen undvermitteln ein gutes Gefühl; das ZRM nutzt dabeidas „Bauchgefühl“ bzw. weitere körperliche Empfin-dungen.

▪ Sie liegen im eigenen Kontrollbereich und könnendirekt vom Handlungswilligen beeinflusst werden.

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Der ganze Ablauf wird als Rubikon-Prozess bezeichnetin Anlehnung an die römische Historie, wo ein Schrittüber den Rubikon eine bedeutsame, quasi unumkehr-bare Wegmarke darstellte. Dieser Schritt wird bei derUmwandlung des Motivs in die Intention getan. Aufdie Zielbestimmung folgen die Vorbereitung der Hand-lung und die Umsetzung selbst. Um die Realisierungder Ziele gerade in stressigen Situationen tatsächlichzu gewährleisten, ist es wichtig, zu wissen, dass unserGehirn unter Druck in alte Routinen verfällt, bis neueVerhaltensweisen als mehrfach erfolgreich erlebt wur-den. Diesen Umstand macht sich das ZRM in Trainingszunutze und empfiehlt, zu Beginn bei relativ einfachenVeränderungszielen und in überschaubaren Situatio-nen Erfolgserlebnisse zu sammeln. Zur Unterstützungwerden auch hierbei körperliche Signale bewusst ge-macht und Körperhaltungen reflektiert bzw. bewussteingenommen (Storch, Krause 2005).

GenerationsübergreifendeZusammenarbeitEin weiterer wichtiger Ansatzpunkt für die persönlicheArbeitszufriedenheit ist ein wertschätzender Umgangund eine gute Zusammenarbeit im Team. Kollegen un-terschiedlicher Kulturen, Qualifikationen und Genera-tionen können sich dabei durch ihre Einstellungen undFähigkeiten ergänzen. Insbesondere bei komplexenAufgaben treten die Vorzüge gemischter Teams her-vor. Gerade in stressigen Situationen kann aber dieseVielfalt auch als eine zusätzliche Belastung erlebt wer-den. Deshalb ist es wichtig, sich den Wert der Unter-schiedlichkeit bewusst zu machen und Diskriminierungoder Vorurteilen entschieden entgegenzutreten.

Teamkommunikation – Im Zuge des demografischenWandels bestehen Teams zunehmend aus einer größe-ren Zahl von meist langjährigen Mitarbeitern im mittle-ren und höheren Erwerbsalter und wenigen Nach-wuchskräften. Es gilt, die Bedürfnisse der Älteren mitdenen der Jüngeren in Einklang zu bringen. Wenn z. B.immer mehr ältere Mitarbeiter aus gesundheitlichenGründen weniger oder gar keinen Nachtdienst mehrmachen können, darf das nicht dazu führen, dass dieJüngeren durch (gefühlte) Überbeanspruchung undungünstige Arbeitszeiten unzufrieden werden undabwandern. Als hilfreiche Kommunikationsmethodekann die Gewaltfreie Kommunikation nach MarshallRosenberg eingesetzt werden. Hier werden Gefühleund Bedürfnisse anhand konkreter Beobachtungen ab-geleitet, sodass eine gemeinsame Gesprächsgrundlagegeschaffen wird. Es geht dann nicht mehr um Positio-nen, die schnell verhärten können, sondern um die Be-dürfnisse der Menschen. Eine Aussprache auf Basis derGewaltfreien Kommunikation mündet in der Formulie-rung von Bitten, denn Rosenberg hat erkannt: wennMenschen um Unterstützung gebeten werden und

sich freiwillig entscheiden können zu helfen, dann sa-gen sie oft und freudig „ja“. Der Unterschied zu einerForderung liegt darin, dass auch ein „Nein“ akzeptiertwird (▶Abb.1).

Richtlinien für junge Führungskräfte – Die Situation,dass jüngere Führungskräfte ältere Mitarbeiter führen,kommt ebenfalls immer häufiger vor. Dies erfordertviel Sensibilität und Respekt vor den jeweiligen Aufga-ben und Kompetenzen, aber auch ein klares Anspre-chen von Konflikten. Eine Bank hat folgende Leitsätzefür ihre Führungskräfte formuliert, die auf die Pflegeund ihre Teams durchaus übertragbar sind (Robke2016):1. Weg mit den Klischees, wonach Jüngere unerfahren

sind und Ältere zum alten Eisen gehören.2. Altersunterschiede sind Teil der gesellschaftlichen

Vielfalt, und Vielfalt ist ein Erfolgsfaktor.3. Respekt für jeden Einzelnen.4. Keine Privilegien für bestimmte Altersgruppen.5. Leistung und hierarchischen Status entkoppeln. Das

kann heißen, dass jemand, der lange Führungskraftwar, diese Verantwortung abgibt und in andererWeise zum Unternehmenserfolg beiträgt und sichdeshalb nicht degradiert fühlt.

6. Altersteilzeit stärker nutzen und individuell anpas-sen.

7. Betriebliche Gesundheitsvorsorge ist kein Luxusmehr, sondern notwendig zum Erhalt der Arbeits-fähigkeit.

Merkmale verschiedener Generationen – Wenn hiervon Generationen die Rede ist, sind Menschen ge-meint, die in einer bestimmten Zeitspanne geborenwurden und dadurch die gleichen gesellschaftlichen

▶Abb. 1 Altersgemischte Teams sollten nicht dazu führen, dass eineKonkurrenzsituation entsteht. Fotograf: Stephan Mugrauer Quelle:Thieme Verlagsgruppe

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und kulturellen Prägungen in ihrer Kindheit und Jugenderlebt haben, z. B. die Beatles, den Fall der Mauer oderdie ersten Handys, und damit auch in Bezug auf Einstel-lungen und Werte in ähnlicher Weise sozialisiert wur-den.▪ Nachkriegsgeneration (1946–1955): Kriege hinter-

lassen Spuren. Wirtschaftswundergeneration – undso lernen Kinder dieser Zeit: Aufwärts geht es nurmit harter Arbeit, Disziplin und Sparsamkeit – underleben, dass sich dadurch Lebensumstände verbes-sern. Charakteristika: traditionell, geschichtsbe-wusst, loyal, hart arbeitend

▪ Babyboomer (1956–1965): Mit Frieden und sozialerGerechtigkeit steigt die Geburtenrate. Und weil sieso viele sind, lernen sie zu kooperieren und sichdurchzusetzen. Arbeit wird zum Lebensmittelpunktund die Opferbereitschaft für den Erfolg ist groß.Charakteristika: karriereorientiert und konkurrenz-bewusst, hohe soziale Kompetenz, gut vernetzt,durchsetzungsstark, wollen partizipativ geführtwerden; Arbeitseinstellung: Leben, um zu arbeiten

▪ Generation X (Generation Golf, 1966–1980): Siewachsen behütet auf oder bekommen den Haustür-schlüssel der beschäftigten Eltern in die Hand ge-drückt. Diese Generation ist geprägt von einemindividualistischen Lebensgefühl. Die wachsendeArbeitslosigkeit führt allerdings zu Verunsicherung,ebenso wie die Macht der Märkte. Charakteristika:offen für Neues, gleichberechtigt, unabhängig,pragmatisch, ehrgeizig; Arbeitseinstellung: Work-Life-Balance muss stimmen

▪ Generation Y (1981–1995): Fernsehen, Videospieleund die Globalisierung gehören zum Alltag. Multi-kulturell und gleichzeitig kritisch blickt diese Gene-ration in die Zukunft. Y steht für „why“ im Sinne vonHinterfragen. Hierarchien werden abgelehnt. HohesAnforderungsprofil an den Arbeitsplatz, es wird eherder Job gewechselt als die eigenen Erwartungen an-gepasst. Charakteristika: gut ausgebildet, selbstbe-wusst und wenig kritikfähig, flexibel, sinnsuchend,nach Ausgleich strebend; Arbeitseinstellung: Arbeitsoll Spaß machen

▪ Generation Z (ab 1996): World Wide Web, digitaleKommunikation und soziale Medien sind das Le-bensgefühl der iGeneration. Neue Selbstinszenie-rungsmöglichkeiten werden entdeckt, der Zugangzu Wissen ist selbstverständlich. Charakteristika:souveräner Umgang mit digitalen Medien, pragma-tisch, nach Anerkennung strebend, global vernetzt;Arbeitseinstellung: Arbeit und Freizeit gehen inei-nander über (Niederhausen 2015, Schmidt 2011)

Wie wichtig eine wertschätzende Haltung und insbe-sondere ein positives Altersbild in einem Unternehmenund im Team ist, zeigt folgende Studie: In einem Groß-handel wurden aus einem Pool älterer Mitarbeiter zweigleich große Gruppen gebildet. Beide sollten dieselbe

Aufgabe erledigen. Die erste Gruppe wurde vor Beginnder Arbeit mit positiven Begriffen wie „erfahren“ und„weise“ eingestimmt, die zweite nicht. Die Mitarbeiterder ersten Gruppe arbeiteten deutlich effektiver undschneller (Niederhausen 2015: 22).

In dieser wie in anderen Untersuchungen wurde nach-gewiesen: Worte haben eine unbewusst verhaltensbe-einflussende Wirkung. Dieser Effekt wird Priming ge-nannt. Gemeint ist damit eine mentale Ausrichtungoder Sensibilisierung, die sich auf die nachfolgendeHandlung auswirkt. Neurologen bezeichnen dies alsReizfolge. Die Worte wecken Bilder, ein unbewussterVorgang, der nur wenige Minuten anhält. Nicht nurWorte, auch Gerüche, Bilder und Töne können „pri-men“, indem Erinnerungen oder Assoziationen wach-gerufen werden. Wenn Mitarbeiter sich anerkannt füh-len, gelobt werden und erleben, dass ihnen etwas zu-getraut wird, dann trägt diese Haltung zu einer positi-ven Selbstwahrnehmung bei.

Lebenslanges LernenDem (Weiter-)Lernen nach dem Berufsabschlusskommt immer mehr Bedeutung zu. Vor dem Hinter-grund einer fortschreitenden Wissens- und Dienstleis-tungsgesellschaft und der damit einhergehenden Ver-breitung neuer Informations- und Kommunikations-technologien, der Abnahme manueller und der Zunah-me wissensbasierter Arbeitstätigkeiten werden aktuel-les medizinisch-pflegerisches Fachwissen, Methoden-kenntnis sowie Sozial- und Selbstpflegekompetenzenimmer wichtiger. Außerdem müssen sich durch die im-mer größere Geschwindigkeit, in der ökonomische,technologische und soziokulturelle Veränderungenstattfinden, Unternehmen und Beschäftigte ständiganpassen. Über kontinuierliches Lernen sollen Innova-tionen ermöglicht, Wissen aufgebaut und erweitertund letztlich die Wettbewerbsfähigkeit am Markt ge-stärkt werden (Dehnbostel 2015: 34).

In der Pflege bietet sich ein widersprüchliches Bild.Zum einen ist eine weite Fort- und Weiterbildungsland-schaft entstanden, die Spezialisierungen und Erschlie-ßung neuer Arbeitsfelder ermöglicht. Pflege hat sichprofessionalisiert. Neben den klassischen Führungskar-rieren sind vielfach Möglichkeiten für Fach- und Pro-jektkarrieren entstanden. Gleichzeitig ist die Integra-tion von Pflegekräften mit erweiterten Kompetenzennach wie vor in vielen Einrichtungen eine noch nichtabgeschlossene Aufgabe.

Lernfähigkeit ändert sich im Lauf des Lebens – Wennvon lebenslangem Lernen die Rede ist, so ist das wört-lich zu verstehen: Menschen lernen ihr Leben lang, obbewusst oder unbewusst. Als Lernen werden die nach-haltige Aneignung von neuen Fähigkeiten oder Wissen

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und die relativ stabilen Änderungen im Denken, Fühlenund Handeln aufgrund von Erfahrungen bezeichnet.Dass die Lernfähigkeit auch im höheren Erwerbsaltererhalten bleibt, ist durch zahlreiche Untersuchungenbelegt (▶Abb. 2). Es ändert sich allerdings die Informa-tionsverarbeitung des Gehirns. Bis ins junge Erwachse-nenalter überwiegt die fluide Intelligenz. Die fluide In-telligenz spiegelt die grundlegenden informationsver-arbeitenden Prozesse des Gehirns wider und bestimmtdamit die Geschwindigkeit, Genauigkeit und die Koor-dination des Denkens, z. B. in Bezug auf Problemlösen,logische Schlussfolgerungen und räumliches Denken.Ab ca. dem 25. Lebensjahr überwiegt die kristalline In-telligenz. Darunter wird erworbenes Wissen verstan-den, das inhaltsreich, kulturabhängig und erfahrungs-basiert ist. Kristalline Intelligenz kann bis ins hohe Altergesteigert werden. Die beiden Verarbeitungsformensind abhängig voneinander und ergänzen sich. Wennuns z. B. etwas Neues begegnet, dann ist das schnelleErfassen der Situation der fluiden Intelligenz zuzu-schreiben, während die passende Reaktion dank derkristallinen Intelligenz erfolgt (Niederhausen 2015:20).

Altersgemischte Lerngruppen – Gute Fort- und Wei-terbildungsangebote sollten Lerntechniken aufweisen,die eine Qualifizierung entsprechend den individuellenBedarfen ermöglicht. Es kann sinnvoll sein, bei großenKompetenzunterschieden wie möglicherweise EDV-Kenntnissen die Altersgruppen zu differenzieren, umFrustrationen durch unterschiedliches Lerntempo zuvermeiden. Allerdings gibt es vielfach auch Synergiendurch alters- und erfahrungsgemischte Lerngruppen,gerade dann, wenn es nicht nur um Aneignung, son-dern auch um Austausch und Anwendung geht.

Motivation fürs Lernen – Weniger gut erforscht ist dieFrage, wie Lernfähigkeit in Lernbereitschaft umge-münzt werden kann (Stamov-Rossnagel 2016). Für äl-tere Beschäftigte sind die Anwendbarkeit bzw. der Nut-zen des Lernstoffs, eine Verknüpfbarkeit mit vorhande-nem Wissen sowie Anerkennung von Lernerfolgen be-sonders wichtig. Außerdem kommt einer lernförderli-chen Umgebung (z. B. Ruhe, Helligkeit) bei Älterenmehr Bedeutung zu als bei Jüngeren. Dem Lernen tutauch regelmäßige Bewegung gut, denn durch körperli-che Aktivität verbessern sich Durchblutung und Kon-zentration. Den vielleicht größten Einfluss haben frühe-re Lernerfahrungen. Wer viele frustrierende Erfahrun-gen gesammelt hat, wird sich viel schwerer wiederfürs Lernen begeistern als jemand, der öfters Erfolgs-erlebnisse hatte. Dabei kann gerade das Einlassen aufetwas Neues einen großen Motivationsschub für Pfle-gekräfte mit sich bringen, die lange und erfolgreich,aber auch irgendwann in großer Routine eine bestimm-te Tätigkeit erfüllt haben.

Der Neurologe Gerald Hüther beschreibt diese Wir-kung der Lernbiografie als selbstverstärkende Prophe-zeiung. Dies kann ein negativer Kreislauf sein, wennaufgrund früherer Misserfolge bei neuen Aufgaben Un-sicherheit, Abwehr bis hin zu Versagensangst auftauchtund mit diesen Gefühlen ein weiteres Erlebnis desScheiterns wahrscheinlicher wird, als wenn der Lernen-de unbefangen oder sogar positiv gestimmt an die Auf-gabe herantritt (Hüther 2012). Dabei kann es sich loh-nen, zu reflektieren, welche Bewertungsmaßstäbe füreinen Misserfolg zugrunde gelegt wurden und wie dieeigene Wahrnehmung von Fehlern ist. Wenn Fehler alsnormale Ereignisse in Lern- und Veränderungsprozes-sen, das heißt beim Handeln unter Unsicherheit, odersogar als Chancen interpretiert werden, um zukünftiganders handeln zu können, dann relativiert diese Per-spektive möglicherweise eine ablehnende Haltung ge-genüber dem Lernen. Es wirkt auf den ersten Blick pa-radox: Erfolg ist nicht zuletzt das Ergebnis von guterEinschätzung. Gute Einschätzung ist das Ergebnis vonErfahrung, und Erfahrung ist oft das Ergebnis vonschlechter Einschätzung (Sander 2010).

Einen positiv selbstverstärkenden Kreislauf des Lernensbezeichnet Hüther als Flow: Aufgrund früherer Erfolgs-erlebnisse geht ein Mensch mit Neugier, Motivation bishin zu Begeisterung an eine neue Aufgabe, bewältigtdiese gut und nimmt das Selbstbewusstsein mit, weite-re Herausforderungen ebenfalls meistern zu können(Hüther 2012). Es gibt eine einfache Möglichkeit, sichselbst oder andere aus Negativspiralen herauszuholen.Wichtig sind kurzfristig erfahrbare, kleinschrittige Zieleund ein bewusstes Wahrnehmen der durch den Lern-prozess eingeleiteten Veränderungen und Feiern derErfolge.

▶Abb. 2 Lebenslanges Lernen. Vor allem langjährige Mitarbeiter habenmehr Spaß am Lernen, wenn sie Verknüpfungen mit Erfahrungswissenherstellen können. Quelle: Paavo Blafield

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Gesundheitsförderung durchAnerkennungGerade für Menschen, die mit großem Engagement,Idealismus und einer Verausgabungsbereitschaft ihremBeruf nachgehen, führt langfristig fehlende Anerken-nung zu einer sogenannten Gratifikationskrise undkann neben Motivationsverlust auch gesundheitlicheBeeinträchtigungen nach sich ziehen. Das Risiko fürMuskel-Skelett-Symptome, Magen-Darm- Beschwer-den oder Müdigkeit und Schlafstörungen sowie fürHerz-Kreislauf-Erkrankungen nimmt zu (Siegerist1996). Finnische Längsschnittuntersuchungen weisenaußerdem nach, dass für Beschäftigte über 45–50 Jah-re das Vorgesetztenverhalten den größten Einflussfak-tor auf die Arbeitsfähigkeit darstellt. Bei den Beschäf-tigten, die mehr Anerkennung durch Vorgesetzte er-lebten, verbesserte sich die Arbeitsfähigkeit um das3,6-Fache (Ilmarinen 1995).

Gesundheitsförderung sollte aus betrieblicher Sicht einzentraler Aspekt zum Erhalt der Arbeitsfähigkeit derMitarbeiter sein, insbesondere bei zunehmender Zahlälterer Beschäftigter. In der Praxis werden allerdingsviele Maßnahmen darauf ausgerichtet, Fehlzeiten zureduzieren, und sind damit an die Abwesenden gerich-tet. Da Führungskräfte (wie viele andere Menschenauch) darauf getrimmt sind, zuerst Abweichungen vonder Norm in den Blick zu nehmen, wird oft übersehen,dass die große Mehrheit der Beschäftigten regelmäßigund leistungsorientiert anwesend ist. Dem erfolgreichbewältigten Alltagsgeschehen mehr Wertschätzung zugeben, ist eine Führungsaufgabe, kann aber auch kolle-gial im Team stärker beachtet werden.

Anerkennung durch Erfahrungsaustausch – Das In-strument „Anerkennender Erfahrungsaustausch“ zieltdarauf ab, von den Arbeitsfähigen zu lernen, und erfülltdamit sowohl betriebliche wie auch individuelle Inte-ressen von Mitarbeitern und Führungskräften (Geißler2007). Die Zielgruppe, die zu dem anerkennenden Er-fahrungsaustausch eingeladen wird, wird zwar in denverschiedenen Unternehmen unterschiedlich festge-legt, fokussiert aber immer die Mehrheit. Eine Möglich-keit besteht darin, alle Mitarbeiter, die seltener als diedurchschnittliche Fehlzeitenquote krank waren, einzu-beziehen. Damit soll Mitarbeitern, die stark engagiertsind, Anerkennung ausgedrückt werden, was zum Er-halt ihrer Motivation und Gesundheit beiträgt.

Es handelt sich um ein Mitarbeitergespräch, zu dem diedirekte Führungskraft einlädt, und das als offener Dia-log geführt wird. Die Ziele sind, dem Beschäftigten zuvermitteln, dass er als Person und in seinem Engage-ment für das Unternehmen gewürdigt wird, und dassseine Sichtweisen und Erfahrungen in Bezug auf Arbeitund Gesundheit wichtig sind. Es gibt keinen standardi-sierten Leitfaden. Das Gespräch soll mindestens einmalpro Jahr geführt werden und es sollte ein Protokoll an-gefertigt werden, um die Anregungen nachbereiten zukönnen. Die gesammelten Einschätzungen sind einAusdruck von Mitarbeiterbeteiligung und sollten alsPlanungsgrundlage für Verbesserungen genutzt wer-den.

Beteiligung wird besonders von älteren Mitarbeitern alsAnerkennung ihrer Fachkompetenz wahrgenommenund ist nicht zuletzt deshalb ein wichtiger Baustein invielen Gesundheitsprojekten und Demografievorha-ben. Kommunikation und Umsetzung sind sehr wichti-ge Aspekte, damit ein gut gemeinter Ansatz sich nichtins Gegenteil verkehrt: Kaum etwas zerstört Mitarbei-termotivation so nachhaltig wie Beteiligungsangeboteim Unternehmen, deren Ergebnisse „in der Schubladeverschwinden“.

Die Literaturangaben zur Lerneinheit finden Sie unter„Lernziele und Literatur“ auf: cne.thieme.de.

Erstveröffentlichung

Dieser Beitrag wurde erstveröffentlicht in: CNE.fortbildung2017; 4

Korrespondenzadresse

Dr. Anneli Röhr, Gesundheitswissenschaftlerin, Demogra-fieberaterin, Trainerin für Gewaltfreie Kommunikation,Leiterin des ESF-Projekts „Zukunft durch Bildung – Heutefür Morgen“ der Westküstenkliniken Brunsbüttel/Heide unddes Klinikums ItzehoeE-Mail: [email protected]

Bibliografie

DOI https://doi.org/10.1055/a-0624-5685Endo-Praxis 2018; 34: 185–190© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New YorkISSN 0177-4077

Kommunikation & Organisation

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