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Aus dem Pharmakologischen Institut der Universit~Lt Mtinchen. Pharmakologische Untersuehung des kristallisierien Giftes ,,Phalloidin" des KnollenbUiitersehwamms. ~OI1 Marguerite Vogt. Mit 5 Textabbi]dungen. (Egngegange~ am 10. Juni 1938.) Bei der chemischen Aufarbeitung einzelner Fra.l~ionen aus Extrak~en des Knollenbl~tterschwamms bekam U. Wieland 1 einen kristM]isierten Stoff yon hoher charakteristischer Wirkung zur Abscheidung, der, da er die erste Reinsubstanz aus dem Kno]lenbl~ttersehwamln ist, Phalloidin genannt wurde. Pha]loidin hat die Bruttoformel C30Ha3OgNTS. Die Toxizit~t bei intravenSser Injektion an der Maus wurde yon U. Wieland zu 50 y pro Maus yon etwa 20 g ermitte]t, desglelehen wurde beobachtet, dM~ es ein schnell wirkendes Gift ist, das die Malls in etwa 24 Stunden tStet, im Gegensatz zu anderen hochwirksamen, noch unreinen Gift- fraktionen, oder auch dem Oesamtextrakt des Pilzes selbst, die erst nach Ablauf yon etwa einer Woche mit der Grenzdosis t5ten. Nach miindlicher Mitteilung sollen die Vergiftungselscheinungen yon denen der langsam wirkendell Fraktionen insofern abweiehen, als die Fettleber nicht auftritt, die sonst fiir Knollenbl~tterschwamm charak~eristiseh ist. Das Phalloidin soU etwa ein Drittel der Gesamtwirksamkeit des Prizes ausmaehen. Von diesem Phalloidin standen etwa 80 mg zur genaueren pharma- kologischen Untersuchung zur Verfiigung. Es wurde zungehst die Toxizitgt des PhMloidins an M~usen bei intramuskulgrer Injektion ermittelt, und zwar an groBem Material unter genauer Beriicksichtigung des KSrpergewichts. Tabel]e 1. Wirkungsstgrke des Phalloidins auf die 20 g scbwere weil~e lVigus. Giftmenge in mg I Zahl der pro 15 g I~6i'pergewieht Zahl de]- Z~thl der Yersuchstiere . m. iiberlebenden 1Miiuse gestorbenen M~use ! 11 0,0125 , 11 7 0,025 I 7 23 0,050 G.D. I 9 (= Grenzdosis) i 17 0,075 2 22 0,100 D.I. -- i(= sicher let. Dosis) 3 , 0,200 I -- 1 Lynen, F. u. U. Wieland: Liebigs Ann. 533, 100 (1937). 14 (vor 17 Std.) 15 (vor 23 Std.) 22 (vor 24 Std.) 3 (vor 15 Std.)

Pharmakologische Untersuchung des kristallisierten Giftes „Phalloidin” des Knollenblätterschwamms

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Page 1: Pharmakologische Untersuchung des kristallisierten Giftes „Phalloidin” des Knollenblätterschwamms

Aus dem Pharmakologischen Institut der Universit~Lt Mtinchen.

Pharmakologische Untersuehung des kristallisierien Giftes , ,Phalloidin" des KnollenbUiitersehwamms.

~OI1

Marguerite Vogt.

Mit 5 Textabbi]dungen.

(Egngegange~ am 10. Juni 1938.)

Bei der chemischen Aufarbeitung einzelner Fra.l~ionen aus Extrak~en des Knollenbl~tterschwamms bekam U. W i e l a n d 1 einen kristM]isierten Stoff yon hoher charakteristischer Wirkung zur Abscheidung, der, da er die erste Reinsubstanz aus dem Kno]lenbl~ttersehwamln ist, Phalloidin genannt wurde. Pha]loidin hat die Bruttoformel C30Ha3OgNTS. Die Toxizit~t bei intravenSser Injektion an der Maus wurde yon U. W i e l a n d zu 50 y pro Maus yon etwa 20 g ermitte]t, desglelehen wurde beobachtet, dM~ es ein schnell wirkendes Gift ist, das die Malls in etwa 24 Stunden tStet, im Gegensatz zu anderen hochwirksamen, noch unreinen Gift- fraktionen, oder auch dem Oesamtextrakt des Pilzes selbst, die erst nach Ablauf yon etwa einer Woche mit der Grenzdosis t5ten. Nach miindlicher Mitteilung sollen die Vergiftungselscheinungen yon denen der langsam wirkendell Fraktionen insofern abweiehen, als die Fettleber nicht auftri t t , die sonst fiir Knollenbl~tterschwamm charak~eristiseh ist. Das Phalloidin soU etwa ein Drittel der Gesamtwirksamkeit des Prizes ausmaehen.

Von diesem Phalloidin standen etwa 80 mg zur genaueren pharma- kologischen Untersuchung zur Verfiigung.

Es wurde zungehst die T o x i z i t g t des PhMloidins an M~usen bei intramuskulgrer Injektion ermittelt, und zwar an groBem Material unter genauer Beriicksichtigung des KSrpergewichts.

Tabel]e 1. Wi rkungss tg rke des Phal lo idins auf die 20 g scbwere weil~e lVigus.

G i f t m e n g e in m g I Zahl der pro 15 g I~6 i 'pe rgewieh t Zahl de]- Z~thl der

Y e r s u c h s t i e r e . m. i ibe r lebenden 1Miiuse g e s t o r b e n e n M~use

! 11 0,0125 , 11

7 0,025 I 7 23 0,050 G . D . I 9

(= Grenzdosis) i 17 0,075 2 22 0,100 D.I. --

i(= sicher let. Dosis) 3 , 0,200 I --

1 Lynen, F. u. U. Wieland: Liebigs Ann. 533, 100 (1937).

14 (vor 17 Std.)

15 (vor 23 Std.) 22 (vor 24 Std.)

3 (vor 15 Std.)

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Untersuchung kristallisierten Giftes ,,Phalloidin" des Knollenbliitterschwamms. 4:07

Die Streugrenze ffir Miiuse liegt bei 3,3 y pro g Maus, die mit 100 % tSdliehe Dosis ist 6,6 y. Dabei ist die Geschwindigkeit des Eintritts des Todes yon derselben GrSl]enordnung wie sie L y n e n und Wie land bei ihren intravenSsen Injektionen fanden..

Einige Mel]versuche wurden auch an Meerschweinchen angestellt, rnit dem Ergebnis einer Toxiziti~t gleicher Gr{51aenordnung wie bei Miiusen. Um das kostbare chemische Material zu schonen, wurden die Meerschweinchenversuche nieht weiter- getrieben.

Das Vergiftungsbild durch Phalloidin ist yon gleicher Art wie bei den Pilzextrakten, es treten zwar keine Darmerscheinungen (blutige, sehleimige Durchfalle) auf, doch der Ted tritt unter zunehmender Bewegungs]osigkeit and As~henie ein, die Sektion zeigt oft gelbe Fettleber, aber nicht regehniil.]ig. Eine besondere Gesetzmiil]igkeit scheint nicht zu bestehen. Bemerkenswert ist es, dal~ man durch Steigerung der Dosen den Ablauf auf weniger als 3--4 Stunden nieht drficken kann. Dies deutet darauf, dab fiber der Art und Geschwindigkeit der Wirkung gewisse Dosierungsbedingungen sehweben, die insbesondere fiir die im k]inisehen Verlauf der Vergiftung am Mensehen so charakteristische Fettleber yon Bedeutung zu sein scheinen.

Um die Zusammenhiinge zu kliiren, wurden Yersuehe angestellt an

einer Serie yon Miiusen, die mit der Grenzdosis Phalloidin vergiftet waren, die etwa innerhalb 68 Stunden tSdlich wirken mul]te. Die Tiere wurden zu verschiedenen Zeiten der fortlanfenden Vergiftung getStet und die patho- logiseh-anatomischen Befunde im Magen, Darm und an der Leber erhoben (Tabelle 2).

Ffir Magen und Darm ergab sich: Hyperiimie, Blutung, Exsudation setzen sehr frfih ein und w~hren etwa 12 Stunden, dann verschwinden sie wieder ohne je wieder zu kommen, wenn das Tier fiberlebt. Diese Er- schelnungen sind also Initialerscheinungen. Sie sind spezifisch, denn sie kommen such bei der intramuskulgren Injektion. Die makroskopisch sicht- bare grebe gelbe Fettleber kommt erst als spateres Symptom etwa urn die 24. Stunde herum. Sie kann ebenfalls wieder versehwinden und rut dies regelmiil3ig, wenn man giftdosen wghlt, die die Vergiftung fiber 48 Stunden hinaus laufen lassen (Tiere 18, 66, 24 und 30 der Tabelle).

Die Tabelle gibt in den 8tgben 5 und 6 aueh Aufsehlul~ fiber die Oewichtsveriinderungen der Leber (und der Milz) bei fortlaufender ger- giftung 2. Das Lebergewicht ist yon Anfang an vergr61~ert, ohne dab zu- niiehst das Bild der grol]en Fettleber makroskopisch sichtbar ware, diese erseheint erst, wenn die Verfettung ihr mSgliches Maximum bei etwa 50 o/Zunahme erreicht hat. Naeh dieser Zeit geht die Verfettung wieder zuriick (Tier 18 und 66). Wghlt man kleinere Dosen, die etwa in der Gegend

2 Hier ist zu erwiihnen, dab schon Raab eine Bestirnrnung des Fettgehalts der amanitavergifteten Meerschweinchen vorgenommen hat und den hSchsten Weft am 6. Tag, beirn endlir ss Ted abet nichts mehr yon Fettvermehrung fand.

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408 M. V o l T :

Tabelle2. P a t h o l o g i s o h - a n a t o m i s c h e r B e f u n d yon 10 Mausen , die in b e s t i m m t e n Z e i t a b s t ~ t n d e n naoh I n j e k t i o n des P h a l l o i d i n s g e t 6 t e t

wurden . Durchsctmitt yon 7 Mausen:

Normales Lebergewieht : 5,5 % des K6rpergewichts, Normales ~[ilzgewioht: 1,2 % des X6rpel'gewichts.

+ = sehwere kapillare Injektion, teilweise feinste H~morrhagien, + + = fliissiges Blur im Lumen.

~r . der

Maus

36

39

31

38

102

18

66

24

30

Stundenzahl i n~eh Inj. yon Dfinn

0,075 mg Magen ~ . - pro 15 g [ I ua~m

KOrpergewicht ] [

Dick- darm

Leber- l~lilz- [ ] gewieht gewichti

o/o Olo K5rper- KOrper- I

gew. gew.

1Kikroskopiseher Leberbefund

3 sehr ~path.

3~/o sehr ~p~th.

8 ParMyse

24 frisch

43 frisch

48 frisch

48 frisch

4 Tage naeh Inj. yen

0,05 m g pro 15 g KSrpel"ge wieh t

9 T~ge naeh Inj. yon

0,05rag pro 15g KSrpergewicht

+

+

+

+ +

+ -

7,9 0,9 +43%

7,3 1,1 +33%

8,0 1,2 +45%

8.6 2,2 +5~%[ +83%

F e t t l e b e r makr.

8,3 ~ 0,9 + 51% I

F e t t l e b e r

7,1 1,2 +29%

6,5 1,0

5,2 1,2

6,o !,7

G r e B e F e t ~ t r . im L a . p p - e h e n z e n t r s m , kleine Vacu- olen in Zellen der Lappehen-

peripherie

Siehe .Nr. 36

S e h r w e n i g kleine F e t t t r . im L ' ~ p p e h e n z e n t r u m , Ma- schenwerk sehwers~ vaeuoli- s ierter Leberzenen in L~pp-

ehenperipherie, Blutfiille

D i f f u s e f e i u t r o p f i g e V e r - f e t t u n g ~ im L g p p e h e n z e n - t r u m neue Art yon V a c n o l e n mit dutch E o s in rotgef~rbtem

H o f . Kundzel lenfi l t ra te

Siehe Nr. 88

K e i n e V e r f e t t u n g . Zaht- reichste Y f i t o s e n , Zellen mit 2 Kernen, P.undzelleninfil trate. Jm L a p p e h e n z e n t r u m die- selben Y a c u o l e n m i t t i e r

(l~r. 3S) Ganz zerstreute feintropfig ver- fettete Zellen, sonst Befund

wie Nr. 18 Fleckweise diffuse feinst- kSrnige Verfettnng, mas- senh~ft Rundzeltenin fil- trate. Zellen mit 2 Kernen

Siehe Nr. 24

de r S t reugrenze l iegen (Tier 24 und 30), so is t in spSten S tad ien weder Gewich tszunahme der Lebe rn noch s ich tbare Ver fe t tung zu sehen.

F i i r die Genese der F e t t l e b e r nach Phal lo id in heil3t das : Das Auf t r e t en de r aku ten F e t t l e b e r is t an b e s t i m m t e op t imale Bedingungen der Wirkungs- dauer des Pha]]oidin gekni ipf t , je ]~nger das Gif t e inwirken kann , desto le ieh ter k o m m t die F e t t l e b e r zus t ande ; Dosen, die rasch tSten, machen

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Untersuchung kristallisierten Giftes ,,Phalloidin" des KnollenblStterschwamms. 409

keine Fettleber, Dosen, die sehr ]angsam tSten (oder iiberstanden werden), zeigen deshalb bei der Sektion auch keine Fett]eber mehr, well in vivo bald ein Heilungsprozel~ eintritt. Das Entstehen der Fettleber geschieht also auf Grund sekund~rer Vorg~nge, die sich auf einen prim~ren Lebervorgang aufsetzen. Das Phalloidin ist abet yon ttause aus ein Lebergift. Dies macht verst~ndlich, warum die Fett]eber die Regel ist bei Vergiftung mit

Abb. 1. Leber : g~m.-Sudanf~irbung. (100 : 1). Maus Nr. 39, 31[2 Std. nachIn jek t ion yon 0,075 mg pro 1 5 g KSrpergewich t get~tet. G r o B t r o p f i g e V e r f e t t u n g im L a p p e h e n z e n t r u m , kleine Yacuolen in der L~ppehenperipherle. a und b: Pfor tader~ste ; Ga l lengang bei a oberhalb, bei

b l inks yore Ende der Marklerungsl in ie .

langsam wirkendem Gift und besonders bei der Vergiftung mit natiirlichem Knollenblgtterschwamm.

Die in der Tabelle 2 mitgeteilten sukzessiven Stadien der Leber- vergiftung wurden mikroskopisch untersucht. Das friiheste Stadium (Maus Nr. 39), bei dem makroskopisch eine etwas gelbliche gerfgrbung der Leber mit deutlicher Liippchenzeichnung vorhanden war, ergab im mikro- skopischen Bild (Abb. 1) grol]e Fetttropfen in den Leberzellen des Lgppchen- zentrums. Die peripheren Zellen waren noch frei. Dagegen enthielten diese zahlreiche kleine Vacuolen, die sich mit Sudan nicht fgrbten. Der-

Archly f. experiment. Path . u. Pharmakol . Bd. 190. 27

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410 M. VOG~ :

artige Vacuolen sind aueh yon Gr ~ ff bei Meerschweinchen]ebern beobachtet worden, die kurz vorher einen Ext rak t aus Knollenbli~ttersehwamm be- kommen hatten.

Die Lebern der M~use 38 und 102, sehon makroskopisch als grol~e Fett- lebern ersichtlich, zeigten im mikroskopisehen Bild eine diffuse, feintropfige Verfet~ung. Aul~erdem fanden sich neben einzelnen Rundzelleninfiltraten in den Zellen des Zentrums Vacuolen, umgeben yon einem dutch Eosin rotgefiirbten Hof. Bei Sudan- und Nilblausulfatf~irbung blieben die Vacuolen mit ihren HSfen ungef~irbt, so dal] eine Fett- oder Lipoidnatur

Abb. 2. Leber: tIi~m.-Eosinfi~rbung. (200: 1). Maus Nr. 18, 48 Std. nach Injekt ion yon 0,075:=mg pro 15g KSrpergewich t get0tet . Z a h l r e i c h s t e M i t o s e n (12 im Bild). a : Zwei Tochters terne. b : Tochters tern in Bildaag. c: ~_quatorialplatte. Pro top lasma aller Mitosenzellen homogen

and hell.

derselben wohl ausgesehlossen werden darf. Die rote, blutreiehe Leber der Maus Mr. 31i mit achtstiindiger Einwirkungsdauer~ enthielt nut mehr sehr wenig kleine Fetttropfen im L~ppchenzentrum. Die Li~ppchenperipherie war in ein Masehenwerk weitgehend vacuolisierter Zellen verwandelt, die Liicken teilweise mit roten Blutk5rperchen angefiillt. Die M~use des Sp~tstadiums der Vergiftung (Mr. 18) zeigten gar keine Verfettung mehr oder hSehstens noch zerstreut herumliegende einzelne verfettete Zellen, im L~ppchenzentrum wieder Vacu01en mit HSfen. Als Neues kommt hinzu das Auftreten zahlreichster Mitosen und Zellen mit zwei Kernen (Abb. 2), was einem Regenerationsvorgang entsprieht. In den Sp~tstadien der

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Untersuchung kristallisierten Giftes ,,Phalloidin" des Knollenbl~tterschwamms. 411

Miiuse 24 und 30, die 33 % weniger Phalloidin bekommen batten, zeigte sich nur stellenweise diffuseVerfettung, danebenabermassenhaftRundzellen- infiltrate.

Diese Befunde beziehen sich auf laufende und ab]dingende Vergiftung am lebenden Tier. Die nach dem Tode erfolgte mil~roskopische Unter- suehung der Lebern der M~use, die an Phalloidin gestorben waren, zeigte Befunde, wie sie fiir die M~use Nr. 36 und 31 beschrieben sind. Dagegen waren in den F~]len dieser an der Vergiftung gestorbenen Miiuse (etwa 50 Lebern sind untersucht worden) die yon einem Hof umgebenen Vacuo]en hie zu finden.

Immunisierungsversuch e.

Schon mehrf~ch ist mit Erfo]g versucht worden, Tiere gegen Knollen- bl~tterschwammvergiftung in der iiblichen Weise zu immunisieren durch wiederholte Injektion nicht tSdlicher Dosen der Extrakte. So ](onnten Fo rd 3 und Mitarbeiter Kaninchen his zur achtfachen tSdliehen Dosis eines Kno]lenblgtterschwammextraktes immunisieren. Sie konnten auch naehweisen, dal~ es sich um einen eehten Immunisierungsvorgang hande]t, nicht etwa um GewShnung oder Resistenzvermehrung, denn sie konnten mit dem Serum des geschiitzten Kaninehens die sechsfaehe t5dliehe Dosis des giftigen Pilzextra]~tes neutralisieren. Von Du ja r r i e de la Rivi~re a wurde im Pasteurschen Institut yon Pferden mit Pilzextrakten ein

Tabel]e 3. I m m u n i s i e r u n g s v e r s u c h e .

Vielfaehes Zahl Nr. der der der lebt tot Bemerkungen

D. 1. MiSuse Maus i

I l

2• +

3 • 1.

4 • 1.

6 • 1.

11

5

1 7 8 11

12

13 14 15 16

2 3 4 5 1 7

12 6

1

+

§ ++

+ +

+ 3~t

Weitere Injektion Naeh 4 Wochen 12--30 0/0 Gewichtszunahme

Weiterc Injektion

2. Mal 3 • ]. : Gelbsucht, noch n. 4 Wch., 12% Gew.-Abn. 2. ,, 3XD. I.: ,, ,, ,, 4 ,, 8O/o ,, Naeh 4 Wochen 8o/o Gewiehtsabnahme, Fell struppig

Nach 7 Tagen in gutem Zustand getOtet

Weilere Injektion 14 Tage Gelbsueht, 70/o Gewichts~bn.: naeh 4 Woehen

keine Gelbsucht mehr, 60/o Gewiehtsabn. Gelbsueht, noeh naeh 4Wochen, 6o% Gewichtszunahme

~aeh 6 Woehen 150]o Gewiehtszunahme trotz noel] 2maliger Injektion der 4XD. 1.

s F o r d , W . W . , u. E. ] 3 r o n s o n : g. Phar rn . exper . Ther. 4, 241 (1913); J . In fec t . D i s e a s e s 3, 191 (1906); 5, 116 (1908). _ 4 D u j a r r i c d e l a R i v i b r e : Thgse Pa r i s 1929.

27*

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412 M. VOGT:

Immunserum erhalten, das Kaninchen und M~use vor der vierfach tSdlichen Dosis schiitzte, und auch beim Menschen mit therapeutischem Erfolg angewandt wurde. Diese Versuche wurden auf das Phalloidin iibertragen. Eine Serie yon 16 M~usen wurde in fiinftKgigen Abst~nden mehrfach mit der halben tSdlichen Dosis des Pha]loidins behandelt. S~mtliche Tiere waren immun gegen die doppelte tSdliche Dosis von Phalloidin. Von diesen Tieren wurden zw5]f weiter immunisiert, w/ihrend vier 4 Wochen langaufihrenAllgemeinzustandbeobachtetwurden(Tabelle 3). Sienahmen in dieser Zeit 12--30 % an ihrem Gewicht zu. Acht Tiere, die weiter immunisiert waren, konnten auf eine Immunit~it gegen die vierfache t5dliche Dosis gebracht werden. Eines dieser acht Tiere wurde noch weiter immunisiert und erreichte sch]ieBlich eine Immunit/it gegen die sechsfache tSdliche Dosis.

Tabel le4 . P a t h o l o g i s e h e r B e f u n d b e i M ' ~ u s e n , d i e g e g e n P h a l l o i d i n i m m u n i s i e r t w o r d e n w a r e n .

der Maus

Zeit naeh letzter P-In].

Leber- gew. Makroskop. ~ Leberbefund

KSrper- gewieh!

Mikroskop. Leberbefund

6 n. 34 Std. gestorben

16 n. 46 Std. gestorben

2 n. 7 Tg. in gutem Zu-

s tand get(itet

3 n. 7 Tg. in gutem Zu-

s tand getOtet

7 n. 5 Wch. getStet ; seit 3 Wch. keine

Gelbsucht mehr: Ge- wichtszun.

12 n. 5 Weh. getStet; Gelb-

sucht, Ge- wiehtsabn.

14,7 rechter +167% Leberlapp.:

g e l b g l a s i g , l inker

Leberlapp.: g r f i n ,

b r S c k e l i g

12,4 g e l b g l a s i g +125%

10,9 leieht + 9 8 % i g e l b g l a s i g ' ,

l inker Leber- lappen zur

Hi~lfte g r i in

11,7 g e l b g l a s i g .113%

6,0 braungelb, m a t t

10,5 brgunlich, + 9 1 % m a t t

reehter Lappen: diffuse feinstkSrnige Verfe t tung*, fiber das g a n z e L / i p p - c h e n g r o B e V a e u o l e n mi t H o f ; l inker Lappen: a u s g e d e h n t e N e c r o - s e n zwischen sehr blab gef$rbten Par- tien. B r e i t e B i n d e g e w e b s s t r e i f e n

mi t massenhaf t Rundzel leninf i l t ra ten

k e i n F e t t ! Fas t a l l e Leberzellen durch g r o l~ e V a e u o 1 e n mi t H o f aufgetr ieben

k e i n F e t t ! G r o B e V a k u o l e n mi t H o f nu t noch im Z e n t r u m des L/~pp- che r t s . Zellen mi t 2 I ternen, Rund- zelleninfil trate; griiner Teil: siehe Maus

Nr. 6

schwache diffuse feinstkSrnige Verfet- t u n g ; r e i c h l i c h g r o l ] e V a c u o l e n m i t H o f , zentral am sti~rksten. Zellen mi t

2 Kernen, Rundzel leninf i l t ra te

n ich t verfet tet . Z e n t r a l nu r noch ganz k l e i n e V a e u o l e n mi t t t o f , meist das Z e n t r u m aueh mi t E o s i n g e f a r b t . Zellen mi t 2 Kernen, Rundze]leninfi l tr .

diffus feinstk6rnig verfet te t . Sonst Be- fund wie Maus lqr. 7

* Die diffuse feinstkiirnige Verfettung der Leber ist ein sehr hiiufiger normaler Leberbe- fund bei gut gefiitterten M~usen.

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Untersuchung kristallisierten Giftes ,,Phalloidin" des Knollenblgtterschwamms. 413

Die Immunisiernngsreaktionen und die Probevergiftung mit den hohen Dosen verlaufer~ nicht reaktionslos. Vom Immunitgtsgrad gegen die drei- faehe tSdliche Dosis ab tritt Gelbsucht (gelbe Ohren) und Gewichts- abnahme von etwa 10 % auf. Doch wird das alles im Latffe der Zeit wieder ausgegliehen, und die Tiere werden wieder gul~erlich normal.

Ein Tell der Tiere aus den verschiedenen Phasen der Immunitgts- erzeugung wurde getStet und die Leber mikroskopiseh untersucht.

Die akuten Reaktionen auf die jeweilige immunisierende Injektion zeigten sieh guBerlich als asthenisehe Zustgnde. Die Tiere schliefen viel,

Abb. 3. Leber : t t~tm.-Eosinfgrbung. (300:1). Maus Nr. 16; 46 Std. nach le tzter Injekt ion ge- s torben. Fas t alle LeberzeIlen dutch R i e s e n v a c u o l e n mit r o t e m H o f ~ufge~rieben. a : Leber- zellkern, b : Kapi l lare (die zwei grol~en Vacuolen l inks und rechts yon einer Kapi l lare umgeben,

so dab die intrazel lulhre Lage der Vacuolen deut l ich ist).

zeigten im allgemeinen einen leicht comatSsen Zustand, der nach zwei Tagen wieder abklang. Die mikroskopische Untersuchung der Lebern er- gab einen vSllig anderen Befund bei den immunisierten Tieren als bei den akut vergifteten (Tabelle 4). Es fehlte die zentrale Lgppchenverfettung. Eine hgufig vorhandene diffus e feinstkSrnige Verfettung war kein regelmii~iger Befund and diirfte mit der gleichzeitig beobach~eten Gewichtszunahme der ganzen Tiere zusammenhgngen, also Ernghrungsfolge sein. Dagegen waren die Leberzellen dutch Riesenvacuolen aufgetrieben, die yon einem dutch Eosin stark rot gefiirbten Hof umgeben waren (Abb. 3). Sie glichen den Vacuolen (siehe oben) yon Tieren, die 24 Stunden nach einer erstmaligen Vergiftung get6tet wurdenl Nut iibertrafen sie diese weir an gr61~e (siehe Abb. 3). Bei der Fettfgrbung und der Amyloidreaktion blieben die

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414 M. VOGT:

Vacuolen und ihre HSfe ungef~rbt. Auch zeigten sie ein gesetzm~l~iges Ver- halten in bezug auf die Zeit seit der ersten Injektion. W~hrend in den ersten zwei Tagen nach der Injektion fast alle Leberzellen die Vacuolen aufwiesen, schwanden sie nach sieben Tagen in der Peripherie des Leberl~ppchens wieder. Nach fiinf Woehen waren zentral immer noch kleinste Vacuolen zu sehen (Abb. 4). Daftir zeigten sich bier zum ersten~lal aueh Kugeln, die sich vollstiindig mit Eosin gefiirbt hatten, ferner solche mit einem ungefitrbten Spalt als {)bergang zu den grSl3eren gacuolen, die nur einen roten Hof zeigten. Diese eigenartige Ablagerung in den Leberzellen, die

Abb. 4. Leber : I:[gm.-Eosinfgrbang. (300: 1). M~us Nr. 12, 5 Wochea na~h le tz ter [njekt ion ge- t6tet . Neben nu t noch k l e i n e n V a c u o l e n mit r o ~ e m H o f im Li~ppchenze~trum auch v 5 I I i g mit E o s i n g e f a r b t e K u g e l n , a: 2 h in te re inander getreffene vSllig mit Eosin gefi~rbte Xugeln. b : 3 in einer Reihe l iegende vSllig gefitrbr Kugeln . c : Yacuole mit beginne~der Spal tbi ldung.

d: Vacuole mit n u t noch gefiirbtem Hof.

das Gewicht um 125 % zu vergrSBern imstande ist, kann nut eine Reaktion der Zellen auf Phalloidin sein. Es soll abet often bleiben, ob diese an sich ganz ungewShnlichen Bilder mit einer Antitoxinbildung im Leberzellen- protololasma zusammenhiingen, also Ausdruck einer Immunoreaktion sind.

Die anderen Organe dieser immunisierten Tiere, Niere, tterz und Muskulatur, zeigten eine nicht gew5hnliche Verfettung. Auf diesen Befund sol] jedoch kein 1Nachdruck gelegt werden, denn er wurde auch bei gut ge- fiitterten Kontrolltieren in ann~hernd gleicher Weise gefunden.

Die an Mensehen und am Tier auftretenden Symptome der Ver- giftung mit Knollenbl~tterschwamm sind Sinken der Temperatur, der Atemfrequenz, Ataxie, Asthenie, Kriimpfe, sie erscheinen in ganz gleicher Weise auch in der Wirkung des Phalloidins.

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Untersuchung kristallisierten Giftes ,,Pha]loidin" des Knollenbliittersehwamms. 415

Die Symptome sind ,~on S t e i n b r i n e k undMfineh 5, sowie B i n e t und M a r e k als hypoglykiimiseher Effekt angesehen worden, die Autoren er- braehten fiir die Amanitavergiftung des Kaninehens aueh den Naehweis eines Blntzueke~sturzes auf 20--40 rag%.

In dieser Riehtung wurde aueh das Phalloidin geprfift, und zwar an Meersehweinehen -- da Nguse nieht geniigend Blur liefern. Es ergab sieh, dag gleiehzeitig mit dem Auftreten der eharakteristisehen Symptome aueh der Blutzuekerspiegel sinkt, seinen tiefsten Stand erreicht er kurz vor dem Tode (Abb. 5). (Bei einer Maus, der kurz vor dem Tode Blur in hinreiehender Menge fiir eine Bestimmung naeh H a g e d o r n - J e n s e n entnommen wurde, ergab sieh 43 rag%, gegeniiber einem Mittelwert normaler M~use yon 135 rag%.)

Die Reinsubstanz Phaltoidin hat also ge- nan die gteiehen Wirkungen auf den Zucker- haushalt wie die sehon untersuchten Roh- extrakte.

Es lag nahe zu prfifen, ob etwa Zufuhr von Traubenzueker die Vergiftungssymptome zum Sehwinden bringt. 12 Mgusen, die mit der Grenzdosis yon Phalloidin vergiftet waren, wurde subeutan, intravenSs, intraperitoneal zu versehiedenen Zeiten der Vergiftung 0,2 bis 0,4 eem einer 10%igen LSsung yon Trauben- zueker gegeben. Alle Tiere starben an der Ver- giftung und bei keinem konnte ein sieherer Ein- flul~ auf die Symptome beobaehtet werden. Der Versueh verlief also vSllig negativ.

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Abb. 5. Wi rkung des Phallo- idins auf den Blutzucker bei Meerschweinchen. (Bestim- mung naeh B a n g - H a g e - d o r n - J e n s e n ) . Abseisse : StundenzahI naeh Injekt ion des ~Phalloidins. Ordinate : Blu tzuekerwer te in mgO/o.

Das Ausbleiben der Scbutzwirkung durch Zaeker kann die Vorstellung nicht ersehiittern, dal3 das Phalloidin ein Lebergift ist, das primer in den Zuekerumsatz dieses Organs eingreift. Dieser Eingriff ist zun~ehst fnnktionell und erfolgt wohl an den Leberfermenten, deren Unterfunktion dann sekund~r die morphologischen Seh~digungen veranlai]t. Dies deckt sieh mit Befanden und Vorstellungen yon A. Fis e h 1 e r 6 fiber die Entstehung der zentralen L~ippehennekrose der Leber.

Z a s a m m e n f a s s u n g .

Die kristallisierte Reinsubstanz aus Knollenbl~tterschwamm hat alle Giftwirkungen des Knollenbli~ttersehwamms. Die neben der Rein-

Steinbrinck, W.: Klin. Wschr 1924, S. 1029; W. Steinbrinck u. H. Miinch: Z. f. klin. iVied. 103, 108 (1926). -- ~ Fischler, A.: Physiol. u. Path. der Leber. Berlin 1925; A. Hj ~rre: Grenzgebiete d. Medizin u. Chirurgie 40, 665 (1928).

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substanz noch im Pilz enthaltenen anderen wirksamen Stoffe werden keine qua]itativ anderen Wirkungen haben.

Das Phalloidin ist hauptsi~chlich Leberg[ft, bewirkt eine zentrale Liippchenvacuolisierung mit sekund~irer Verfettung.

Dutch immunisatorisches Vorgehen kann man eine mehrfache Resistenz gegen Phalloidin erzielen.

Die dabei auftretenden morphologischen Yeriinderungen der Leber wurden untersucht.

Herrn Geheimrat B o r s t und Herrn Profi F i s c h 1 e r mSchte ich an dieser Stelle fiir ihre fretmdliche Unterstiitzung bei der Deutung der histologischen Pr/~parate meinen aufrichtigen Dank aussprechen.