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1PISA IM FOKUS 2012/09 (September) – © OECD 2012
PISASind Schulgutscheine mit Chancen-gerechtigkeit im Bildungsbereich verbunden?
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in den letzten Jahren sind immer mehr Bildungssysteme in den oECD- und Partnerländern dazu übergegangen, private Akteure, darunter Eltern, Nichtregierungs- organisationen und kommerzielle unternehmen, an der Finanzierung und Ver- waltung von schulen zu beteiligen. Dahinter steht die Absicht, den Eltern sowie den schülerinnen und schülern eine größere Auswahl zu bieten und die Kreativität und innovation in den schulen zu fördern. Kritiker machen geltend, dass dies unbeabsichtigt zu einem auf dem sozioökonomischen Hintergrund der schülerinnen und schüler basierenden Zweiklassenbildungssystem führen kann. Wenn die schülerinnen und schüler abhängig von der Vermögenslage ihrer Familie auf öffentlich verwaltete und privat verwaltete schulen verteilt werden, führt dies zu ungleichen Bildungschancen und -ergebnissen, was den sozialen Zusammenhalt untergräbt.
Die PisA-Daten zeigen, dass sozioökono-misch begünstigte Eltern ihre Kinder tendenziell häufiger auf eine privat verwaltete schule schicken als Eltern
aus benachteiligten Verhältnissen. Dies kann darauf zurückzuführen sein, dass sie davon ausgehen, dass diese schulen bessere Bildungsmöglichkeiten, ein dem Lernen förderliches umfeld und zusätzliche Ressourcen bieten. Hinzu kommt, dass besser-gestellte Eltern darüber hinaus tendenziell besser über die Qualitätsunterschiede zwischen den schulen informiert und damit vertraut sind. Die Ergebnisse von PisA zeigen, dass privat verwaltete schulen in den meisten Ländern tendenziell mehr Autonomie haben, besser ausgestattet sind und auf der PisA-Lesekompetenzskala bessere Leistungen erbringen als öffentlich verwaltete schulen. Die PisA-studie ergibt jedoch auch, dass privat verwaltete schulen sozioökonomisch begünstigte schülerinnen und schüler in allen Ländern vor allem deshalb anzuziehen scheinen, weil ihre schülerzusammensetzung günstig ist. Wenn die sozioökonomischen Vorteile berücksichtigt werden, ist die Leistungsqualität von öffentlichen und privaten schulen tendenziell sehr ähnlich.
Sozioökonomische Vorteile scheinen ein wesentlicher Aspekt privat verwalteter Schulen zu sein ...
� Privat verwaltete Schulen ziehen tendenziell Schülerpopulationen an, die einem begünstigten Milieu entstammen, der Unterschied zwischen den sozioökonomischen Profilen öffentlicher und privater Schulen wird jedoch verringert, wenn privat verwaltete Schulen mehr öffentliche Mittel erhalten.
� Der Unterschied zwischen den sozioökonomischen Profilen öffentlich verwalteter und privat verwalteter Schulen ist in Schulsystemen, die universelle Gutscheine verwenden, tendenziell doppelt so groß wie in Systemen, die selektive Gutscheine verwenden.
PISAiM FoKus
PISA IM FOKUS 2012/09 (september) – © oECD 20122
… in einigen Ländern ist der sozioökonomische Abstand zwischen öffentlich verwalteten und privat verwalteten Schulen jedoch kleiner.
in den meisten an PisA teilnehmenden Ländern und Volkswirtschaften ist der durchschnittliche sozioökono-mische Hintergrund der schülerinnen und schüler, die eine privat verwaltete schule besuchen, privilegierter als der Hintergrund von schülerinnen und schülern, die eine öffentliche schule besuchen. in Kanada, Chile, Griechenland, Mexiko, Neuseeland, Polen, slowenien, spanien, dem Vereinigten Königreich, den Vereinigten staaten, den Partnerländern Albanien, Argentinien, Brasilien, Kolumbien, Jordanien, Kasachstan, Kirgisistan, Panama, Peru, Tunesien, uruguay und in der Partner-
volkswirtschaft Dubai (VAE) ist der unterschied im sozioökonomischen Hintergrund zwischen diesen beiden schülergruppen sehr groß. in Luxemburg und der Partnervolkswirtschaft Chinesisch Taipeh dagegen ist der sozioökonomische Hintergrund der schülerinnen und schüler, die eine öffentlich verwaltete schule besuchen, tendenziell privilegierter als derjenige der schülerinnen und schüler, die eine privat verwaltete schule besuchen. in Estland, Finnland, israel, Korea, den Niederlanden, der slowakischen Republik, dem Partnerland indonesien und den Partnervolkswirtschaften Hongkong (China) und shanghai (China) gibt es indessen keinen unterschied im sozioökonomischen Hintergrund zwischen schülerinnen und schülern, die eine öffentlich verwaltete schule besuchen, und denjenigen, die eine privat verwaltete schule besuchen.
Der sozioökonomische Hintergrund der schülerinnen und schüler wird anhand des PISA-Index des wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Status gemessen. Die Länder sind in absteigender Reihenfolge des unterschieds in indexpunkten zwischen privat verwalteten und öffentlich verwalteten schulen angeordnet.
Quelle: oECD, PISA-2009-Datenbank.
Öffentliche Finanzierung ist entscheidend ...
Warum ist dieser unterschied in einigen Ländern ausgeprägter als in anderen? Die Ergeb-nisse der PisA-studie lassen darauf schließen, dass die Höhe der öffentlichen Finanzie- rung privat verwalteter schulen möglicherweise eine Rolle spielt. in Finnland, den Nieder-landen, der slowakischen Republik, schweden und der Partnervolkswirtschaft Hongkong (China) gaben die schulleitungen privat verwalteter schulen an, dass die Finanzmittel für die schulen zu 90% vom staat bereitgestellt werden, und in Belgien, Deutschland, ungarn, irland, Luxemburg und slowenien werden 80-90% der Finanzmittel für privat verwaltete schulen von der öffentlichen Hand bereitgestellt. in Griechenland, Mexiko, dem Vereinigten Königreich, den Vereinigten staaten, den Partnerländern Albanien, Jordanien, Kirgisistan, Katar, Tunesien, uruguay sowie der Partnervolkswirt-schaft Dubai (VAE) wird dagegen maximal 1% der Finanzierung privat verwalteter schulen vom staat bereitgestellt. in Neuseeland, den Partnerländern Brasilien, Kasachstan, Panama und Peru sowie in den Partnervolkswirtschaften Chinesisch Taipeh und shanghai (China) liegt der Anteil bei 1-10%.
Unterschied zwischen den sozioökonomischen Profilen öffentlich verwalteter und privat verwalteter Schulen
Statistisch signifikanter Unterschied Kein statistisch signifikanter UnterschiedUnterschied in Indexpunkten
(privat – öffentlich)
OECD-Durchschnitt: Unterschied von 0,45 Indexpunkten
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PISA IM FOKUS 2012/09 (september) – © oECD 2012
in den Ländern, in denen privat verwaltete schulen einen höheren Anteil öffentlicher Finanzierung erhalten, ist der unterschied zwischen den sozioökonomischen Profilen öffentlich verwalteter und privat verwalteter schulen weniger stark ausgeprägt. innerhalb des oECD-Raums ist die Variationsbreite dieses unterschieds zu 45% auf die Höhe der öffentlichen Finanzierung privat verwalteter schulen zurückzuführen, und bei Berücksichtigung aller teilnehmenden Länder ist die Variationsbreite dieses unterschieds zu 35% darauf zurückzuführen.
… ebenso wie die Art der Finanzierung.
Es gibt viele Möglichkeiten, öffentliche Mittel für privat verwaltete schulen bereitzustellen. Eine Möglichkeit besteht darin, die Eltern direkt durch Gutscheine zu unterstützen. in dieser Analyse wurden zwei Arten von Gutscheinsystemen betrachtet: universelle Gutscheinsysteme, bei denen für alle schülerinnen und schüler Gutscheine verfügbar sind, und selektive Gutscheinsysteme, bei denen nur benachteiligte schülerinnen und schüler Gutscheine erhalten. Gutscheine, die allen schülerinnen und schülern zur Verfügung stehen, können helfen, den Eltern mehr Freiraum bei der schulwahl einzuräumen und den Wettbewerb zwischen den schulen zu fördern. schulgutscheine, die nur auf benachteiligte schülerinnen und schüler abzielen, können helfen, die Chancengerechtigkeit im schulzugang zu verbessern. Eine Analyse der PisA-Daten zeigt, dass der unterschied zwischen den sozioökonomischen Profilen öffentlich verwalteter schulen und privat verwalteter schulen in Bildungssystemen, die universelle Gutscheine verwenden, doppelt so groß ist wie in systemen, die selektive Gutscheine verwenden, wenn systeme verglichen werden, in denen die Höhe der öffentlichen Finanzierung privat verwalteter schulen in etwa identisch ist.
In Ländern, die mehr öffentliche Mittel in privat verwaltete Schulen investieren, ist der Unterschied zwischen den sozioökonomischen Profilen
öffentlich verwalteter und privat verwalteter Schulen tendenziell geringer%
Unterschied in Indexpunkten (privat – öffentlich)
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Unterschied zwischen dem sozioökonomischen Profil privat verwalteter und öffentlich verwalteter Schulen
Griechenland Ver. Königreich Ver. Staaten Mexiko Neuseeland
Italien Japan Schweiz
Kanada Polen
Korea Portugal
Australien
Israel
Dänemark Spanien
Chile Tschech. Rep.
Estland
Ungarn Irland Luxemburg
Deutschland Slowenien
Slowak. Rep. Niederlande Finnland
Schweden
Belgien
0
20
40
60
80
100
-0.20 0.00 0.20 0.40 0.60 0.80 1.00 1.20 1.40 1.60
Der sozioökonomische Hintergrund der Schülerinnen und Schüler wird anhand des PISA-Index des wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Status gemessen. Dieser wird von Informationen über die höchste berufliche Stellung der Eltern, den höchsten Bildungsabschluss der Eltern und die im Elternhaus vorhandenen Besitztümer abgeleitet. Der Unterschied zwischen den sozioökonomischen Profilen von öffentlich verwalteten Schulen und privat verwalteten Schulen entspricht dem Unterschied in den sozioökonomischen Verhältnissen, aus denen die Schülerinnen und Schüler, die diese beiden Schularten besuchen, stammen.
Quelle: oECD, PISA-2009-Datenbank.
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PISA IM FOKUS 2012/09 (september) – © oECD 20124
Fazit: Länder, die mehr öffentliche Mittel für privat verwaltete Schulen bereitstellen, sind eher dazu in der Lage, zu gewährleisten, dass Schülerinnen und Schüler unabhängig von ihrem sozioökonomischen Hintergrund eine privat verwaltete Schule besuchen können. Wenn öffentliche Mittel über Schulgutscheine bereitgestellt werden, gewährleistet ein selektiver Ansatz ein größeres Maß an
Chancengerechtigkeit als ein universeller Ansatz.
Weitere Informationen
Kontakt: Miyako ikeda ([email protected])
Siehe auch Public and Private Schools: How management and funding relate to their socio-economic profile, oECD Publishing.
In der nächsten Ausgabe:
Sind die 15-Jährigen von heute umweltbewusst?
Informationen im Internetwww.pisa.oecd.org www.oecd.org/pisa/infocus
Es besteht ein Zusammenhang zwischen der Art der verwendeten Schulgutscheine und der Chancengerechtigkeit im Schulsystem
Unterschied in Indexpunkten (privat – öffentlich)
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0.0
0.1
0.2
0.3
0.4
0.5
0.6
0.7
Keine Gutscheine Universelle Gutscheine Selektive Gutscheine
Quelle: oECD, PISA-2009-Datenbank.
Die PisA-Ergebnisse zeigen jedoch auch, dass dieser unterschied durch die Aufstockung der öffentlichen Mittel für privat verwaltete schulen nicht automatisch beseitigt wird. in einigen Ländern ist der unterschied hauptsächlich darauf zurückzuführen, dass die Eltern mehr bezahlen müssen, um ihre Kinder auf eine privat verwaltete schule zu schicken, in anderen Ländern sind jedoch auch andere, nicht mit der Finanzierung zusammenhängende schulmerkmale für die unterschiede zwischen den sozioökonomischen Profilen der schulen mitverantwortlich, namentlich die Aufnahmekriterien, die Ergebnisse, die Regelungen und Praktiken sowie das Lernumfeld der schule.
Die PisA-Ergebnisse zeigen insbesondere, dass die Länder, in denen der unterschied zwischen den sozioökonomischen Profilen öffentlich ver-walteter und privat verwalteter schulen gering ist, tendenziell auch ein höheres Leistungs-niveau insgesamt aufweisen. Das bedeutet, dass die Politikverantwortlichen – und letztlich die Eltern sowie die schülerinnen und schüler – in ihrem schulsystem nicht zwischen Chancengerechtigkeit und hohem Leistungsniveau wählen müssen: Die beiden Ziele schließen sich nicht gegenseitig aus.