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Praktikumsbericht des Praktikums in der Kinder- und Jugendpsychiatrie Köln Von Cora Lüdicke 1. Vorstellung der Einrichtung Die Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie an der Universitätsklinik zu Köln wurde 1988 neu eingerichtet, das Gebäude der ehemaligen Plastischen Chirurgie entsprechend umgebaut und 1989 bezogen. Zunächst mit 26 stationären Betten ausgestattet, kam zwei Jahre später eine Tagesklinik mit 14

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Praktikumsbericht des Praktikums in der Kinder- und Jugendpsychiatrie KölnVon Cora Lüdicke

1. Vorstellung der Einrichtung

Die Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie an der

Universitätsklinik zu Köln wurde 1988 neu eingerichtet, das Gebäude der ehemaligen

Plastischen Chirurgie entsprechend umgebaut und 1989 bezogen. Zunächst mit 26

stationären Betten ausgestattet, kam zwei Jahre später eine Tagesklinik mit 14

Plätzen hinzu. 1994 wurde die „Villa Kunterbunt“ errichtet. Sie ist ein Therapie- und

Schulgebäude für Kinder. 2004 wurde die Klinik mit 14 weiteren Betten zur

stationären Behandlung ausgestattet. Klinikdirektor ist Univ.-Prof. Dr. med. Dipl.-

Psych. Gerd Lehmkuhl. Dazu kommen 16 Ärzte und Ärztinnen, 12 Psychologen und

Psychologinnen, 9 wissenschaftliche MitarbeiterInnen, 3 soziale MitarbeiterInnen, 5

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Fachärzte und Fachärztinnen und 7 StationsleiterInnen. Es gibt in der Klinik

verschiedene Schwerpunkte und Stationen: eine Kinderstation, drei Jugendstationen,

eine Eltern-Kind-Station sowie eine Kinder-Tagesklinik. Zum einen gibt es

wissenschaftliche und klinische Schwerpunkte wie die Entwicklung und Evaluation

diagnostischer Verfahren, Entwicklung und Evaluation psychotherapeutischer

Methoden, Epidemiologie psychischer Störungen, Patient Reported Outcomes (PRO)

– Lebensqualität, Pathogenese und Verlauf psychischer Störungen,

Pharmakotherapieforschung, Präventionsforschung und Versorgungsforschung und

Public Health.

Dann gibt es noch die störungsbezogenen Schwerpunkte wie Angst- und

Zwangsstörungen, Anorexia nervosa, Aufmerksamkeitsdefizit- /

Hyperaktivitätstörungen, Bindungsstörungen, Enuresis, Frühkindlicher Autismus,

Persönlichkeitsstörungen, Posttraumatische Belastungsstörungen, Psychotische

Erkrankungen, Regulationsstörungen und Schlafstörungen.

Bei stark ausgeprägten psychischen oder psychosomatischen Problemen kann ein

stationärer oder teilstationärer (tagesklinischer) Aufenthalt mit den vielfältigen

Diagnostik- und Behandlungsmöglichkeiten geeignet sein, schwierige Situationen zu

klären und Distanz zu schaffen.

Eine frühzeitige gezielte Diagnostik und eine rechtzeitige und qualifizierte stationäre

Behandlung helfen, dass psychische Störungen nicht chronisch werden und nicht die

persönliche und schulische Entwicklung des Kindes / Jugendlichen beeinträchtigt

wird.

2. Ziele, Arbeitsformen, besonderes Programm der Einrichtung

Das Ziel der Einrichtung ist es natürlich, die psychischen Störungen und Ängste der

Patienten zu beseitigen und sie auf ein Leben ohne ärztliche Hilfe so gut es geht

vorzubereiten. Nebenbei gibt es viele Vorlesungen, Seminare und Weiterbildungen

(meist für Mediziner und Medizinstudenten). Doch es gibt auch Präventions- und

Therapieprogramme als Hilfestellung für Eltern und Kinder. Es gibt z.B. ein

Präventionsprogramm für Kinder mit expansivem Problemverhalten, ein

Therapieprogramm für Kinder mit hyperkinetischem oppositionellem

Problemverhalten, ein Therapieprogramm für Kinder mit Angst- und,

Zwangsstörungen, ein Therapieprogramm für Kinder und Jugendliche mit Selbstwert-

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Leistungs- und Beziehungsstörungen und ein Therapieprogramm für

Schlafstörungen.

Der gute Drache ist das Wahrzeichen der Villa Kunterbunt.

SPIELEND WERDEN WIR GESUND IN DER VILLA KUNTERBUNT (KINDERLIED)

Das bunte Gebäude der „Stiftung Villa Kunterbunt“ ist eine kleine Oase unter

schattigen Bäumen auf dem Gelände der Kinder- und Jugendpsychiatrie der Uniklinik

Köln und ist die Fluchtburg für psychisch kranke Kinder und Jugendliche

Warum entstand überhaupt diese „Stiftung Villa Kunterbunt“?

15 – 20 % aller Kinder und Jugendlichen leiden unter psychischen Störungen und ein

Drittel davon ist dringend behandlungsbedürftig. Weil viele Kinder von zu Hause

weglaufen, weil viele Mädchen sich fast zu Tode hungern, weil Bettnässer verspottet

werden und viele Kinder sich von allen sozialen Kontakt fernhalten oder große Angst

vor der Schule haben. Viele Kinder und Jugendliche haben auch große Angst vor der

großen Angst. Die Stiftung wurde gegründet, weil die öffentlichen Kassen leer sind

und für diese Kinder und die gesunde Zukunft dieser Kinder kein Geld von der Politik

zur Verfügung stand.

DIE SEELE EINES KINDES IST HEILIG (Johann Gottfried Herder)

Die Stiftung Villa Kunterbunt für psychisch kranke Kinder und Jugendliche strebt eine

umfassende Behandlung und Unterstützung psychisch kranker junger Menschen an.

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Hier arbeiten (Heil-)-Pädagogen, Psychologen, Ärzte, Erzieher gemeinsam

zusammen.

In dem Haus der Villa Kunterbunt werden junge Schüler (bis zur 4. klasse) mit

Schulphobie unterrichtet, diese jungen Menschen würden sonst gar nicht zur

Grundschule gehen.

IN JEDEM KIND LIEGT EINE WUNDERBARE TIEFE (Robert Schumann)

3. Meine Aufgaben innerhalb der Woche und Erfahrungen

Meine Aufgaben innerhalb der Woche waren dezent, jedoch sehr interessant.

Als ich am Montagmorgen um 9.00 Uhr in der Kinder- und Jugendpsychiatrie ankam,

war schnell klar, wen ich den Rest der Woche begleiten sollte. Herr Daub ist ein

Mitarbeiter der ambulanten Therapie und betreut die Jugendlichen während und

nach dem Aufenthalt. Mit ihm sollte ich die nächsten Tage einige Eltern- und

Therapiegruppen begleiten. Doch mir war klar, dass ich nicht jede Gruppe begleiten

kann, da viele zu sehr ins Detail gehen und ich ja „nur“ eine Praktikantin für eine

Woche war, die zusätzlich noch in der Schule ist, denn das ist sehr selten, da die

Einrichtung eigentlich nur Studenten und Studentinnen oder Männer und Frauen, die

ihr praktisches Jahr in der Psychiatrie absolvieren wollen, nimmt. Also hielt ich mich

zurück und beobachtete den Umgang mit den Patienten. Doch manchmal hatte ich

das Gefühl, dass ich in die Therapie mit einbezogen wurde, was mir sehr gefiel.

Montag, 11.6.2007

Ich kam etwa um 9.00 Uhr in der Klinik an und wartete erstmal auf Pro. Dr.

Lehmkuhl. Doch da er keine Zeit für mich haben würde, wurde ich Herrn Daub

anvertraut, der für die ambulante Behandlung der Patienten zuständig ist. Wir stellten

uns vor und er zeigte mir die einzelnen Stationen und stellte mir die Angestellten vor.

Wir unterhielten uns lange darüber, wieso ich genau in der Kinder- und

Jugendpsychiatrie mein Praktikum machen wollte und ob dies auch meinem

späteren Berufswunsch entspreche. Ich beantwortete dies mit ja und dass ich

hoffentlich viele Erfahrungen sammeln kann, da ich neben dem theoretischen

Unterricht gerne mal praktische Erfahrungen sammeln wollte, da es dann auch

einfacher sei, die Theorie zu verstehen und anzuwenden, wenn man die passende

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Übung hat. Da es mein erster Tag war, sollte ich mich erstmal eingewöhnen und

mich in das Metier der Einrichtung einlesen. Dazu gab er mir 2 dicke Ordner, in

denen verschiedene Krankheitsbilder beschrieben waren, die in der Psychiatrie

behandelt werden. Ich las mir beide sehr intensiv durch. Nach einer Pause gingen

wir wieder durch das Gebäude und unterhielten uns mit den Patienten. Herr Daub ist

bei ihnen durch seine lockere Art sehr beliebt und wirkt nicht wie ein Gegner,

deswegen war es sehr einfach Zugang zu den Mädchen und Jungen zu gelangen,

wenn man nicht abgelehnt zu werden als Zugang bezeichnen kann, denn das war

meine größte Angst. Um 16.00 hatte Herr Daub einen 15 jährigen Jungen zu

betreuen, der seit etwa 1 Jahr zu ihm kommt. Der Junge ist Autist, doch zuerst wirkt

er wie ein sehr ruhiger Teenager. Er hatte vor, am Mittwoch beim Uni-Lauf Köln

teilzunehmen, der 5 km lang ist und innerhalb von 45 Minuten zu schaffen sein muss.

Deswegen übten wir mit ihm diese Distanz, Herr Daub und ich fuhren Fahrrad, und

er brauchte 30 Minuten für die 5 km, was wir als sehr gut empfanden. Als wir wieder

an der Klinik waren und wir den Jungen verabschiedeten, fragte Herr Daub mich,

was der größte Fortschritt bei diesem Lauf bzw. bei dieser Begegnung sei. Ich

antwortete, dass er die 5 km in der vorgegeben Zeit schaffte, sei der größte

Fortschritt gewesen, doch ich lag falsch. Der größte Fortschritt war, dass mich der

Junge begrüßte und am Ende freiwillig wieder verabschiedete. Denn für ihn bin ich

zu 60 % nur ein Gegenstand, eine Art Fremdkörper und zu 40 % jemand mit

menschlichen Eigenschaften. Doch die Bandbreite des Autismus ist sehr different

und er gehört zu denjenigen, bei denen man diese Störung nicht direkt bemerkt.

Ebenfalls ein großer Fortschritt war, dass er sich seiner Umwelt zeigte. Er joggte

dort, wo auch viele andere Jogger waren. Ebenfalls auffällig war, dass er mit

Komplimenten nur sehr schwer umgehen konnte, doch er wirkte an sehr interessiert

und nahm an unseren Gesprächen so es ging teil. Er macht immer kleinere

Fortschritte und wird wohl bald in der Lage sein, sein Leben ohne Herrn Daub als

Stütze zu leben, denn seinen Eltern öffnet er sich überhaupt nicht und sieht sie als

eine Art Feind, obwohl sie sich gerne kümmern würden, doch er lässt sie nicht an

sich ran.

Dienstag. 12.6.2007

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Am Dienstag stand eine Fahrt zum Gutenberg-Gymnasium in Bergheim an. Herr

Daub sollte einen Vortrag über die Kinder- und Jugendpsychiatrie und über seine

Arbeit im Allgemeinen berichten und ich begleitete ihn. Der Lehrer dieser 7. Klasse

war sein Cousin und er bat ihn, bei dieser Gelegenheit zwei Kinder dieser Klasse

etwas genauer zu beobachten, um die er sich Sorgen machte. Es ging um einen

Jungen, der immer den Klassenclown spielt und andere in seiner Umgebung vom

Unterricht abhält und um ein Mädchen, das, wie ihm scheint, wenig bis gar keine

Freunde hat. Sie machte einen etwas ungepflegten Eindruck, arbeitete jedoch gut

mit. Die Klasse war insgesamt sehr aufgeschlossen und hatte Spaß an kleinen

Spielen, die Herr Daub dazu nutzte das Vertrauen und die Sympathie der Kinder zu

erlangen. Er beschrieb erst die Klinik und brachte die Kinder dazu, scharf

nachzudenken und alles zu sagen, was sie über psychische Krankheiten wissen.

Da ich vor dem Unterricht gesagt bekommen habe, auf welche Kinder ich achten

sollte, hatte ich vielleicht keine objektive Meinung mehr, doch ich bemerkte, dass das

Mädchen zwischendurch sehr apathisch wirkte und es schien, als passe sie gar nicht

auf, doch sie meldete sich sehr oft spontan auf eine Frage und beantwortete sie.

Ich fand es sehr interessant zu sehen, wie viel Interesse sie an den Erzählungen

über die Klinik hatten und wie ruhig sie wurden, als sie verstanden hatten, dass

andere Kinder in ihrem Alter Tag für Tag mit Problemen zu kämpfen haben, die sie

gar nicht kennen.

Um 15.00 Uhr hatte Herr Daub einen 13 jährigen Patienten, der schlecht in der

Schule ist, sich nicht konzentrieren kann und nicht gut mit seinen Eltern klar kommt.

Herr Daub nutzte meine Anwesenheit und ließ mich mit dem Jungen alleine, um zu

sehen wie er auf andere reagiert. Ich machte mit ihm eine Art Intelligenztest. Wir

hatten einen Karton mit Karten, auf denen Fragen waren, die das Nachdenken

anregten, doch Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit einem entsprechend

„normal“ hohen IQ sollten diese Aufgaben recht schnell lösen, doch ihm vielen die

Aufgaben schwer. Ich wollte ihm nicht zu viel helfen, hatte aber zwischendurch das

Gefühl, er vergaß, dass er gerade diese Aufgaben macht und dass er an etwas ganz

anderes denkt. Ich fragte in kleinen Abständen nach, ob er die Frage verstehe. Er

sagte immer „Ja“ und nach einer kurzen Pause kam dann meist die Lösung.

Komischerweise fielen ihm die schweren Aufgaben, bei denen man viel rechnen

musste, leichter als andere Aufgaben. Sinn meiner alleinigen Anwesenheit war

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ebenfalls zu sehen, ob er andere mit Respekt behandelt und höflich ist. Ich wurde,

wie von allen anderen Patienten auch, von ihm gesiezt und auch höflich

verabschiedet. Bei ihm sah man eindeutig, dass er eine starke

Konzentrationsschwäche hatte.

Um 16.00 kam eine kleine Gruppe von 11 bis 14 Jährigen, die alle die

Aufmerksamkeitsdefizitstörung hatten. Mit ihnen machten wir zuerst ebenfalls den

Intelligenztest und hatten als Belohnung Kekse und machten aus der Aufgabe eine

Art Wettkampf. Das hatte als Folge, dass sie sich mehr anstrengten, um auf jeden

Fall der Beste im Spiel zu sein. Nachdem wir etwa eine Stunde saßen und die Kinder

langsam nicht mehr sitzen konnten, gingen wir mit ihnen raus um Tandem zu fahren.

Dies sollte ihr Teamverhalten prüfen. Von den generellen Schwierigkeiten

abgesehen, klappte das Tandem-Fahren sehr gut. Interessant an der Aufgabe war,

dass ein Junge, dessen Mutter seit einem schweren Fahrradunfall ein Pflegefall

geworden ist, nicht ohne Helm auf das Rad steigen wollte, was bei den anderen

Jungen für Gelächter sorgte, doch als er ganz ernst und kurz erklärte, wieso, wurden

alle andere Jungen, die vorher wie aufgescheuchte Ameisen wirkten, ganz ruhig und

stellten interessiert Fragen und verstanden ihn direkt.

Neues Teamverhalten setzte das spontane Fußballspiel am Ende voraus, das sie

gegen einen anderen Jungen führten, der technisch gesehen viel besser war als

zwei der Gruppe, die Fußball spielten. Als sie dies bemerkten versuchte einer der

Jungs sein Glück mit unfairem Spiel und faulte seinen Gegenspieler ständig. Doch

die beiden bemerkten schnell, dass sie besser als der andere Junge sein können,

wenn die zusammen arbeiten. Und sie spielten miteinander und hatten somit eine

Chance.

Mittwoch, 13.6.2007

Da an diesem Tag eine Besprechung war, an der ich nicht teilnehmen durfte, da

diese zu detailliert und persönlich war, musste ich erst um 16.30 Uhr da sein, da Herr

Daub und ich uns um 17.00 Uhr mit dem Jungen, der an diesem Tag am Uni-Lauf

mitmachen wollte, treffen sollten. Um 17.30 Uhr begann der Lauf und man merkte

seine Anspannung, denn es waren viele Läufer und viele Zuschauer anwesend. Er

schaffte die Distanz diesmal innerhalb von 37 Minuten. Doch die Zeit spielte keine

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große Rolle, sondern eher die Tatsache, dass er überhaupt bei so einem Lauf

mitmacht (wie schon bei Tag 1 beschrieben). Wir erwarteten ihn im Ziel und als er

ankam, lächelte er und freute sich darüber, dass er mitgelaufen ist.

Donnerstag, 14.6.2007

Heute war ich ab 8.15 Uhr in der „Villa Kunterbunt“, wo die kleineren Patienten

unterrichtet werden. Der Unterricht der Klasse, die ich besuchte, war etwa dem der 3.

Klasse angepasst, bei dem vier Kinder mitmachten. Zwei Mädchen und zwei Jungen.

Die zwei Mädchen (8 und 9 Jahre) haben eine große Angst vor einer richtigen Schule

und haben dort auch dementsprechend schlechte Noten. In der Einrichtung „Villa

Kunterbunt“ wird den Kindern vermittelt, keine Angst mehr vor einer Schule zu haben

und es wird darauf hingearbeitet, dass sie bald ihre alte Schule wieder besuchen

können. Doch dies bedeutet nicht, dass sie die Klinik nicht mehr besuchen, denn die

Schlaf-, Bindungs- oder Essstörungen können noch länger andauern. Einer der

Jungen war Autist, und ihm merkte man die Störung viel mehr an als dem Jungen,

den ich beim Lauf begleitete. Mit ihm war ein normaler Unterricht kaum zu führen, er

machte seinen eigenen. Er wollte nichts anderes machen als Rechnen und lehnte

alle anderen Arbeiten ab. Bot man ihm ein Buch zum Lesen an, wurde er aggressiv.

Der andere Junge hatte ADHS und war das genaue Gegenteil des Autisten. Doch im

Allgemeinen wirkte es, als machte den vier Kindern die Schule Spaß, nur die beiden

Mädchen scheuten sich davor laut vorzulesen, da sie Angst davor hatten etwas

falsch zu machen, doch mit einiger Überredungskunst lasen auch sie einen Text vor.

Am Nachmittag war eine Elterngruppe angesetzt. Es waren die Eltern der Gruppe

vom Dienstag, die sich gegenseitig noch nicht kannten. In der Gruppe sollten die

Eltern über das Verhalten und die eventuellen Fortschritte ihrer Kinder informiert

werden. Alle Eltern stellten sich zunächst einmal vor und erklärten ihre Probleme mit

den Kindern. Schnell war der Schwerpunkt des Treffens auf einen Jungen gesetzt,

dessen Vater auch schnell der Meinung war, sein Sohn befinde sich in der falschen

Gruppe, denn er weise ganz andere und viel schwerwiegendere Probleme auf als die

anderen Kinder. Er ist adoptiert und seine Mutter trank während der

Schwangerschaft, weshalb er sehr viel kleiner ist als andere in seinem Alter. Er ist

sehr aggressiv und lässt sich absolut nichts sagen. Also leidet er an FAS, an dem

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fetalen Alkoholsyndrom, wohingegen die anderen Kinder hauptsächlich an ADHS

leiden. Es tat mir leid mit anzusehen, wie ein Paar, das ein Kind adoptiert und dazu

noch Pflegekinder hat, bewusst ein krankes Baby zu sich genommen hat, das ihm

jetzt so viele Sorgen bereitet. Die Eltern zeigten sich sehr engagiert und doch

verzweifelt. Denn jede Art von Hilfe schlug fehl. Das Medikament, das er einnimmt,

um sich in der Schule konzentrieren zu können, hat den Nachteil, dass es das

Wachstum der Kinder beeinträchtigt und er deshalb überhaupt nicht mehr wächst.

Wir beendeten die Sitzung damit, dass wir den Eltern vorschlugen, ihn noch etwas

länger in der Gruppe zu lassen, da er am Dienstag seine Fähigkeit, im Team arbeiten

zu können, bewiesen hat.

Freitag, 15.6.2007

An diesem Freitag begleitete ich die Kinder der „Villa Kunterbunt“ bei der

Reittherapie. Sie durften nach und nach eine Zeit lang auf Ponys reiten, um das

Gefühl von Verantwortung zu spüren. Es war schön zu sehen, wie sie mit den

Pferden umgingen, denn sie behandelten sie ganz anders als ihre Mitschüler. Es sah

so aus, als sähen sie sie als eine Art Schützling.

Dies war auch mein letzter Tag in der Kinder- und Jugendpsychiatrie, denn ab

Montag würde Herr Daub im Urlaub sein und er war der Meinung, dass es etwas

problematisch werden könnte, mich jemand Neuem anzuvertrauen, der mich noch

zwei Tage herumführe. Und da ich auch schon viel an Erfahrung mitgenommen

hatte, war ich vollkommen zufrieden.

Meine Erfahrungen in dieser Woche waren sehr positiv. Ich lernte die Welt von

autistischen, magersüchtigen und hyperkinetischen Kindern und Jugendlichen in der

Praxis kennen.

Dank dieses Praktikums bin ich mir bei meiner Berufswahl noch sicherer, dass ich

sicherlich einen pädagogischen Beruf erreichen will oder sogar in die medizinische

Psychotherapie gehen möchte.

4. Bezüge zum Unterricht

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Die ersten Bezüge zum Unterricht konnte ich erstellen, als mir Herr Daub von der

Gruppentherapie erzählte. Im Unterricht besprachen wir, dass einem in der Gruppe

Verhaltensweisen auffallen, die man im Einzelgespräch nicht erkennen kann.

Ebenfalls ist es wichtig, nicht nur den Patienten zu befragen, sondern auch dessen

Familie, da sie ja alle Teil ihres Familiensystems sind. Und da mehrere bei der

Therapie dabei sind, werden mehr Mitglieder dieses Systems zum Denken angeregt

und so könnte man schneller zu einer Lösung kommen. All dies sind Teile des

Unterrichts.

In der Zeit des Praktikums habe ich mich am meisten mit der Geschichte von

schizophrenen Patienten beschäftigt und viele Fallbeispiele und Verhaltensweisen

von Schizophrenen kennen gelernt.

Auch konnte ich Ähnlichkeiten zu dem Text „Ich bin anders wie die anderen“

erkennen, denn dieselben Probleme, die Widersprüche, in die sich die Kinder selber

begeben, Autonomie, die sie gerne erlangen würden und dennoch der Wunsch, in

einem behüteten Heim aufwachsen zu wollen bis zur Suche nach Liebe innerhalb der

Familie - alles war vertreten. Ich sah, dass das größte Problem meistens die Eltern

waren. Sie steckten entweder zu viel Enthusiasmus in die Erziehung ihrer Kinder und

zwangen sie, Dinge zu tun, die sie nicht wollten, oder sie gaben ihren Kindern zu

wenig Zeit und Liebe. Die Kinder mit ADHS waren wilde kleine Menschen, die

durchaus liebenswert sind, jedoch viel Zeit und Aufmerksamkeit benötigten. Da

wurde dann an die Eltern appelliert, sich gemeinsam mit ihren Kindern in eine

Therapiestunde zu setzen und diese besser kennen zu lernen.

Ebenfalls bekam ich viel Einblick in die Welt von depressiven, ängstlichen

Jugendlichen. Leider wurde mir nicht erlaubt, an einer Sitzung teilzunehmen, da dies

zu privat ist, jedoch bekam ich Einblicke in ein Gutachten einiger Patienten und eines

dieser Gutachten fand ich besonders interessant, da ich die Problematik und die

Symptomatik gut mit unserem Unterricht verbinden konnte. Es ist mir leider nicht

gestattet, aus diesem Gutachten zu referieren.