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Prof. Dr. Bernhard Wasmayr
Aktuelle Probleme der Aktuelle Probleme der SozialpolitikSozialpolitik
- Vorlesung VWL IPO WS 2011/12 - - Vorlesung VWL IPO WS 2011/12 -
© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 22
Einführung (1)
Basisproblematik: Die deutschen Sozialversicherungssysteme stehen unter erheb-lichem Druck (Demographie, mangelnde Wachstumsdynamik). Konsequenzen: Die Wirtschaftssubjekte werden zukünftig gezwungen sein, einen höheren Anteil ihres verfügbaren Einkommens für das Gut „Soziale Sicherheit“ aufzuwenden. Mögliche Ausweichmanöver:
Erhöhung der eigenen Sparquote (Altersabsicherung) Migration („Abstimmung mit den Füssen“) Wechsel in nicht sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen (z.B. Selbstständigkeit). Erzielung hoher Zuwachsraten bzgl. des eigenen Einkommens
1.1.
© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 33
Einführung (2)
Vorgehensweise der Vorlesung
a) Analyse der Begründungsmuster für staatliche Aktivitäten im Bereich Soziale Sicherheit
b) Darstellung der Sozialversicherungs(SV)-Systeme im Einzelnen
c) Analyse der volkswirtschaftlichen Aspekte der einzelnen SV-Systeme
d) Analyse der Probleme der SV-Systeme (generelle Probleme, spartenbezogene Probleme
e) Diskussion von Reformkonzepten sowie der Erfahrungen anderer Länder bei Gestaltung und Umbau Ihrer SV-Systeme (Gruppen-präsentationen)
1.1.
© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 44
Begründungsmuster und Gestaltungsprinzipien für soziale Sicherungssysteme
a) Zum Gut Sicherheit (1)
Basisentscheidungen eines Haushalts (HH)
Arbeit versus Freizeit (Preis für Freizeit = entgangener Lohn) Einkommens(EK)-Verwendung: Konsum versus Ersparnisbildung
Wesentliches Motiv der Ersparnisbildung: Abdecken von Risiken
konkret: Aufrecherhaltung des EK-Niveaus im Schadensfall (z.B. Krankheit, Arbeitslosigkeit) Sicherheit: Bewusstsein, dass bestimmte Lebensrisiken abgedeckt sind Sicherheit: „Freiheit im Zeitablauf“
2.2.
© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 55
Begründungsmuster und Gestaltungsprinzipien für soziale Sicherungssysteme
a) Zum Gut Sicherheit (2)
Umfang der Risikenabdeckung nur versicherungsfähige Risiken (keine Katastrophen)
Höhe der Risikoabsicherung i.d.R. keine absolute Absicherung ökonomisches Vorgehen: Absicherung bis die Grenznutzen der Zusatzabsicherung den Grenzkosten dieses Gutes entsprechen
Generell: Sicherheitsbedürfnis ist ein superiores Gut Gut Sicherheit wird mit steigendem EK verstärkt nachgefragt
2.2.
© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 66
Begründungsmuster und Gestaltungsprinzipien für soziale Sicherungssysteme
b) Vorsorgemethoden
Grundsatz: Generell hat Schadensverhütung (Risikofall tritt nicht ein bzw. wird vermieden) Vorrang.Systematik:
Vorsorge kann auf zwei Ebenen betrieben werden:
private Vorsorgesoziale Sicherung (= über staatliche Interventionen.)
2.2.
© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 77
Begründungsmuster und Gestaltungsprinzipien für soziale Sicherungssysteme
1. Private Vorsorge
Individuelle Vorsorge
Private Vermögensbildung Absicherung über privatwirtschaftliche Versicherungsprodukte
Absicherung über subsidiäre Institutionen
Familie Karitative Verbände Unternehmen (betriebliche Sozialleistungen, insbesondere betriebliche Altersversorgung.)
2.2.
© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 88
Begründungsmuster und Gestaltungsprinzipien für soziale Sicherungssysteme
2. Soziale Sicherung (staatliches Sicherungsangebot)
Absicherung über Pflichtversicherungssyteme (alle umlagefinanzierten deutschen Sozialversicherungssysteme)
Sicherungsangebot über staatliche Budgets. Mögliche Prinzipien:
Fürsorge Versorgung
2.2.
© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 99
Begründungsmuster und Gestaltungsprinzipien für soziale Sicherungssystem
c) Ist die Produktion des Gutes Sicherheit eine öffentliche Aufgabe?1. Ökonomische Begründungsmuster für staatliche Aktivitäten: Theorie der öffentlichen Güter Aufgabe des Staates Produktion öffentlicher GüterKriterien:
a) Nicht-Ausschließbarkeit ( kein WS kann von Konsum dieses Gutes ausgeschlossen werden)
b) Nicht-Rivalität im Konsum (Konsum des Gutes X durch WS A mindert die Konsummöglichkeiten des WS B nicht)Konsequenzen: Wenn kein Wirtschaftssubjekt vom Konsum ausgeschlos-sen werden kann, können keine Preisforderungen durchgesetzt werden (WS verhalten sich als free rider) und es kommt kein privates Angebot zustande
2.2.
© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 1010
Begründungsmuster und Gestaltungsprinzipien für soziale Sicherungsysteme
Zwischenfazit:
Bei solchen Gütern muss der Staat die Produktion übernehmen. Problematik:
Es gibt kaum „echte“ öffentliche Güter (innere und äußere Sicherheit, rechtliche Rahmenordnung)Soziale Sicherheit ist grundsätzlich kein öffentliches Gut (Ausschlussprinzip funktioniert).
2. Meritorische Güter: weiteres Begründungsmuster für staatliche Aktivitäten
Meritorische Güter werden privat angeboten, der Staat hält diese Güter für so wichtig/ verdienstvoll, dass er ein höheres Angebot wünscht als der private Sektor bereitstellt.
2.2.
© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 1111
Begründungsmuster und Gestaltungsprinzipien für soziale Sicherungssysteme
3. Soziale Sicherheit, ein meritorisches Gut?
Vordergründig nein, prosperierende Versicherungswirtschaft belegt, dass ein ausreichend hohes privates Angebot zustande kommt. Argumente, die für dennoch für eine Einstufung als meritorisches Gut sprechen bzw. sprechen könnten: a) Negativauslese von schlechten Risiken durch Versicherungen bei einer rein privatwirtschaftlichen Lösung (Beispiel: Arbeits- marktrisiko eines Ungelernten) b) Präferenzen der Wirtschaftssubjekte für das Gut Sicherheit sind angeblich vielfach zu gering (diese WS treffen keine Vorsorge und bergen das Riskiko späterer Sozialfälle)c) Einkomensschwache WS können sich ggf. keine adäquate Absicherung leisten.
2.2.
© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 1212
Begründungsmuster und Gestaltungsprinzipien für soziale Sicherunssysteme
4. Denkbare meritorisch-motivierte Staatseingriffe
Grundidee: meritorisch motivierte Ziele können über eine Reihe von unterschiedlich intensiven Eingriffen verfolgt werden:
a) Aufklärung (über Risiken, Vorsorge etc., durch Staat betrieben)b) Schutz der Versicherten Bundesaufsichtsamt für
Versicherungenc) Förderung privater Vorsorge z.B. im Rahmen der EK-Steuerd) Gesetzliche Auflagen Sicherungszwang / Pflichtversicherung
für jedes WS (ähnlich Kfz-Haftpflicht)e) Ultima ratio: Staatliches Sicherungsangebot
Über Pflichtversicherungsgemeinschaft ( Sozialversicherung)Über Staatsverband (Fürsorge / Versorgung)
2.2.
© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 1313
Begründungsmuster und Gestaltungsprinzipien für soziale Sicherungssysteme
d) Staatliche Vorsorgetechnik I: Fürsorge
Kriterium: Notlage eines Gesellschaftsmitgliedes ( unabhängig, ob verschuldet oder nicht)
Gewährung: nach Bedürftigkeitsprüfung
Höhe: subsidiär Hilfe zur Selbsthilfe
Träger: Gemeinden (Sozialämter)
Finanzierung: Steuermittel (der Kommunen, problematisch bei Brennpunkten)
Beispiel: Sozialhilfe
2.2.
© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 1414
Begründungsmuster und Gestaltungsprinzipien für soziale Sicherungssysteme
d) Staatliche Vorsorgetechnik II: Versorgung
Definition: Bei Eintritt des Risikofalls erhält jeder Staatsbürger eine Leistung
Höhe: Identisch Leistung für jedes WS („König und Bettler“)
Finanzierung: Über Staatsbudget tendenziell Grundsicherung
Aktualität: Derzeit existiert kein System auf dem VersorgungsprinzipAber: Reihe von Reformkonzepten gehen in diese Richtung, insbesondere Überlegungen zur steuerfinanzierten Grundrente
2.2.
© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 1515
Begründungsmuster und Gestaltungsprinzipien für soziale Sicherungssysteme
d) Staatliche Vorsorgetechnik III: Sozialversicherung
Kernelemente (1):
a) Beitragsbelastung richtet sich nicht nach dem individuellen Risiko, sondern allein nach EK-Höhe
sozialpolitisch erwünschte Konsequenzen: Bezieher niedriger EK werden bevorzugt
(geringere Beitragsbelastung für identische Leistungen)
Träger schlechte Risiken werden bevorzugt Konsequenz: ein solches System setzt eine Zwangsmitgliedschaft zwingend
voraus.
2.2.
© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 1616
Begründungsmuster und Gestaltungsprinzipien für soziale Sicherungssysteme
d) Staatliche Vorsorgetechnik III: Sozialversicherung
Kernelemente (2):
b) Es findet keine Kapitaldeckung ( wie bei einem privaten Versicherungsunternehmen) statt.
Finanzierung über Pflichtmitgliedschaft der nächsten Generation („Generationenvertrag“)c) Versicherungslösung Leistungsbezug ist keine Sozial- leistung, sondern basiert auf einem Rechtsanspruchd) Höhe gemildertes Äquivalenzprinzip (höhere Beiträge bedingen höhere Leistungsbezüge)e) Staatlicher Zwang ist nicht gleichbedeutend mit staatlicher Organisation (Selbstverwaltungsprinzip)
2.2.
© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 1717
Begründungsmuster und Gestaltungsprinzipien für soziale Sicherungssysteme
e) Risikoarten
Gemeinsamer Nenner aller Risikoarten: Risiko, dass der wirtschaftliche Status nicht aufrecht erhalten werden kann
Risiken
Marktrisiken Verlust des laufenden EK Altersbedingte Arbeitsunfähigkeit Krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit
EK reicht nicht aus, um den Lebensunterhalt abzudecken Marktpassive Risiken
Sonderbelastungen (Kinder, Ausbildung) Familienlastenausgleich
2.2.
© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 1818
Begründungsmuster und Gestaltungsprinzipien für soziale Sicherungssysteme
f) Personenkreis / Begünstigtenkreis
Versorgung alle WS innerhalb der geographischen Grenzen Fürsorge Bedürftige Sozialversicherung Gestaltungsmöglichkeiten
Mögliche Stellschrauben Versicherungspflichtgrenze
Versicherungsszwang nur bis zu gewisser EK-Höhe Beitragsbemessungsgrenze bis zu welcher Höhe
wird das Einkommen mit Beiträgen belastet Verhältnis beider Grenzen:
Versicherungspflichtgrenze kann oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze liegen (Regelfall), umgekehrt nicht.
2.2.
© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 1919
Begründungsmuster und Gestaltungsprinzipien für soziale Sicherungssysteme
g) Leistungsarten
Reihe möglicher Varianten:
Geldleistungen zweckfrei, Empfänger entscheidet über Verwendung Naturalleistungen Zweckbindung Erstattungsverfahren bspw. Private Krankenversicherung prophylaktische Dienstleistungen Kur
2.2.
© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 2020
Begründungsmuster und Gestaltungsprinzipien für soziale Sicherungssysteme
h) Leistungsumfang
Grundentscheidung: Vollabsicherung <-> Teilabsicherung
Aktuell: klare Tendenz in Richtung Teilabsicherunga) Rente:
Sockelrente (=Teilabsicherung) + private Vorsorge = Vollabsicherungb) Krankenversicherung:
Einführung von Selbstbeteiligungen, Reduktion des Leistungskatalogs etc.
2.2.
© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 2121
Begründungsmuster und Gestaltungsprinzipien für soziale Sicherungssysteme
i) Moral HazardSoziale Sicherungssysteme beruhen auf dem Solidarprinzip
Es finden verschiedene Transfers statt: Gesunde Kranke Beschäftigte Arbeitslose Beschäftigte Rentner
Grundsatz: Systeme funktionieren nur, wenn die Inanspruchnahme möglichst niedrig gehalten werden kann.Problem: Vielfach Künstliches Herbeiführung des Schadensfalls („Krankfeiern“) zu Lasten der Allgemeinheit (= „Moral Hazard“)
2.2.
© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 2222
Sozialversicherungssysteme im Einzelnen - Rentenversicherung
a) Ziel:
Absicherung des altersbedingten Ausfalls des laufenden MarkteinkommensMögliche Zielformulierungen
Lebensstandardsicherung „Eckwerterentner“ (typ. Rentner) Zielgruppe soll über Altersruhegeld ihr früheres Lebenshaltungsniveau aufrecht erhalten
können Verhinderung von Altersarmut
untere Grenze = Existenzminimum ( Sozialhilfeniveau)
3.1.3.1.
© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 2323
Rentenversicherung
Aktuelle Tendenz:
Politik betreibt klar erkennbar eine Zielverschiebung von der Zielformulierung Lebensstandardsicherung Verhinderung Altersarmut
Indikatoren
a) Einführung / Förderung / Diskussion privater Vorsorgeelemente unter dem Oberbegriff „Rentenlücke“b) Intensive Diskussion von Konzepten zur steuerfinanzierten Grundrente
3.1.3.1.
© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 2424
Rentenversicherung
Systeme der Altersversorgung: Überblick
Private Alterversorgung ( Kapitaldeckung) Betriebliche Altersversorgung ( Kapitaldeckung) Gesetzliche Rentenversicherung ( Umlagefinanzierung) Beamtenversorgung ( Finanzierung über öffentliche HH)Definitionen:
„Erste Schicht“ der Altersversorgung: GRV (68%) + Beamtenversorgung (12%)„Zweite Schicht“ der Altersversogung:Betriebliche Altersversorgung (10%)„Dritte Schicht“ der Altersversorgung:Private Altersversorgung (10%)
3.1.3.1.
© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 2525
Rentenversicherung
b) Überblick gesetzliche Rentenversicherung
Grundaussage:
Unter dem Dach der GRV existieren eine Reihe von Zweigen, in denen neben abhängig Beschäftigen auch Selbsständige versichert sind bzw. sein können.
BfA + Landesversicherungsanstalten Arbeiter + Angestellte
Knappschaften Bergleute ( abhängig Beschäftigte)
Freiwillig Versicherte sonstige Selbständige Künstler-SV Künstler Handwerkerversicherung Selbständige
3.1.3.1.
© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 2626
Rentenversicherung
b) Überblick gesetzliche Rentenversicherung (Fortsetzung)
Es existieren eine Reihe weiterer Einrichtungen im Bereich Alterssicherung. Beispiele (Auswahl) sind: Berufsständische Versorgungswerke insbesondere im Bereich der freien Berufe Alterssicherungseinrichtungen im Agrarsektor (Landwirte)
3.1.3.1.
© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 2727
Rentenversicherung
c) Einzelaspekte(1) Ermittlung der individuellen Rente: zwei
Kernelemente Punktwert
durchschnittliches EK und effektive Beitragszahlungen des WS nicht letztes (höchstes) EK, sondern Durchschnitt maßgeblich
Steigerungssatz Idee: längere Beitragszeit höhere Rente Steigerungssatz von 1,5% * 45 Richtjahre = 67,5%Berücksichtigt werden bzgl. der Beitragslänge:
Ersatzzeiten Kinder + WehrdienstAusfallzeiten Krankheit + Arbeitslosigkeit
3.1.3.1.
© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 2828
Rentenversicherung
(2) Dynamische Rente Idee: Inflationsschutz für Bezieher von Renten Technik: Lohnindexverfahren Rentensteigerung wird an die
Steigerung der Nettolöhne gekoppelt Aber: „Nullrunden“ bis 2008, auch danach kein Ausgleich der
Inflationsrate(3) Besteuerung der Renten Grundsansatz der EK-Steuer: Jeder Einkommenszufluss soll
besteuert werden ( auch Rente) Gestaltungsalternativen
Abführung der Rentenbeiträge aus versteuertem EK Stellung der Rentenzahlung = steuerfrei Rentenbeiträge vollständig steuerfrei stellen vollständige Besteuerung der Rentenbezüge
3.1.3.1.
© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 2929
Rentenversicherung
(3) Besteuerung der Renten (Fortsetzung)
Generelles Ziel beider Verfahren: Vermeidung von Doppelbesteuerung
Praxis: Mischform Überwiegend Bildung aus versteuertem EK ( Bezug überwiegend steuerfrei)Aber: Urteil Bundesverfassungsgericht erzwingt komplette Umstellung auf nachgelagertes Verfahren (Gleichbehandlung)
Aktueller Status der Rentenbesteuerung
Renten werden mit „Ertragsanteil“ besteuert (ca. 25%) Beamtenpensionen voll besteuertSonst. Alterseinkünfte voll besteuert
3.1.3.1.
© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 3030
Rentenversicherung
(4) Sozialversicherungspflicht für Rentner
Arbeitslosenversicherung kein Regelungsbedarf, Rentner ist im Ruhestand
Rentenversicherung kein Regelungsbedarf, Rentner erhält Bezüge
Kranken- und Pflegeversicherung hoher Regelungsbedarf durch steigendes Krankheits- und Pflegefallrisiko
Praxis: ermäßigte Krankenversicherungsbeiträge politisch gewollte Umverteilung
Beiträge sind im Regelfall niedriger als im Erwerbsleben
Arbeitgeberanteil entfällt / Übernahme BfA - LfA
3.1.3.1.
© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 3131
Rentenversicherung
(5) Sicherung von Hinterbliebenen
Grundidee: über die Rentenversicherung sollen die Hinterbliebenen abgesichert werden
Berechtigtenkreis:
Witwen/ Witwer 60% der Altersbezüge Halbwaisen 10% (Altersgrenzen) Vollwaisen 20% (Altersgrenzen)
Scheidungsfall: Splitting der während der Ehezeit erworbenen Rentenansprüche (Absicherung des erwerbslosen Partners im Scheidungsfall)
3.1.3.1.
© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 3232
Krankenversicherung
a) Zum Gut Gesundheit
Gesundheit ist wesentlicher Bestandteil von Humankapital ist Voraussetzung für Wahrung von Einkommenschancen
Gesundheit ist ein gefährdetes Gut ( Krankheiten, Alterung) Mögliche Gegenmaßnahmen:
Information Prävention Heilbehandlung RehabilitationMaßnahmen benötigen Ressourcen (= kosten Geld)
3.2.3.2.
© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 3333
Krankenversicherung
b) Überblick Gesundheitssektor (1)
Private Haushalte
Sind Träger des Gesundheitsrisikos Einflussfaktoren: Lebensweise, Selbstmedikation
Krankenversicherungen
Versichern das Gesundheitsrisiko Unterscheidung gesetzliche und private Krankenversicherungen
Gesundheitsbetriebe
Produzieren das Gut Gesundheit Vielzahl von Akteuren, bspw. Arztpraxen, Apotheken etc.
3.2.3.2.
© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 3434
Krankenversicherung
b) Überblick Gesundheitssektor (2)
Vorgelagerte Produktion
Pharmaindustrie, Medizintechnik, zahntechnische Labors etc.
Öffentliche Hand
Setzt Rahmenbedingungen (= Gesetzgebung) Regelungen und Einrichtungen bzgl. Hygiene, Seuchen, etc.
Unternehmen
Finanzierungsanteil im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung Werksarzt, Einstellungsuntersuchungen, etc.
3.2.3.2.
© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 3535
Krankenversicherung
c) Überblick / Systematik Krankenkassensektor
Aktuelle Struktur in Deutschland: Unterscheidung gesetzliche und private Krankenkassen Gesetzliche Krankenversicherungen
Umlagefinanzierung über generelle einkommensabhängige Prämien
Marktabdeckung rund 90% Private Krankenversicherung
Kapitaldeckung über risikoäquivalente Prämien Marktabdeckung rund 10%
3.2.3.2.
© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 3636
Krankenversicherung
d) Gesetzliche Krankenversicherung (1)
Versichertenkreis
Arbeiter und Angestellte mit einem Einkommen unterhalb der Versicherungspflichtgrenze Interpretation: mit Krankenversicherungsbeiträgen wird ausschließlich das Lohn-EK belastet. Der Versicherungspflicht im Rahmen der GKV unterliegen nicht:
Selbständige Beamte Bezieher von Kapitaleinkünften
3.2.3.2.
© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 3737
Krankenversicherung
d) Gesetzliche Krankenversicherung (2)
AnbieterEs existiert eine Vielzahl von Gesetzlichen Krankenversicherungen (Wettbewerb über Leistungsspektrum)
Finanzierung
Finanzierung erfolgt über generelle Beiträge, d.h. alle Mitglieder einer Krankenkasse zahlen nach Maßgabe ihres EK einen identischen Betragssatz Effekt: erhebliche Umverteilungseffekte
Gesunde Kranke Besserverdienende EK-Schwache
3.2.3.2.
© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 3838
Krankenversicherung
d) Gesetzliche Krankenversicherung (3)
Leistungen der Gesetzlichen Krankenversicherung
Grundprinzip: unentgeltliche Übernahme aller Krankheitskosten(Praxis: erhebliche Aufweichung des
Grundprinzips) Leistungsblöcke:
a) Ambulante ärztliche Behandlungb) Krankenhausaufenthaltec) Medikamente und Hilfsmittel
Besonderheit GKVFamilienangehörigen werden ohne zusätzliche Prämiemitversichert
3.2.3.2.
© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 3939
Krankenversicherung
d) Gesetzliche Krankenversicherung (4)Beziehungsnetz der Gesetzlichen KrankenversicherungHH AN-BeitragBehandlungU AG-Beitrag
Apotheken Preis- KK Honorierung Kassenärzte entgelte
Pharmaindustrie Fallpauschalen stationäre BehandlungKH
3.2.3.2.
© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 4040
Krankenversicherung
d) Gesetzliche Krankenversicherung (5)
Kostenblöcke der GKV I: Ärztehonorierung
Ökonomisch Interpretation: es liegt eine monopolähnliche Situation mit erheblichen Spielräumen für die Anbieter (Ärzte) vor. Wirtschaftssubjekte können die Leistungen der Ärzte inhaltlich i.d.R. nicht einschätzen Preiselastizität der Nachfrage ist extrem starr (hohe Wertschätzung des Gutes Gesundheit) Zusätzlich: Kostenübernahme durch Krankenversicherung
Ausweg: staatliche Gebührenordnung ( Höchstpreisregelung) Technische Umsetzung: Punktesystem und Budgetierungen
3.2.3.2.
© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 4141
Krankenversicherung
d) Gesetzliche Krankenversicherung (6)
Anpassung der Gebührenstrukturen (Höhe, Leistungskatalog): Wird in Verhandlungsprozessen zwischen den jeweiligen Interessensvertretern geregelt.
Kassenärztliche Vereinigungen Interessenvertretung der Ärzte
Krankenversicherungen Solidargemeinschaft der Versicherten
3.2.3.2.
© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 4242
Krankenversicherung
d) Gesetzliche Krankenversicherung (7)
Kostenblöcke der GKV II: Krankenhauskosten / Pflegesätze
Früher: Vollpauschalierung, d.h. vollständige
Kostenübernahme auf Basis Bettenbelegtag Reform:
Differenzierte Abrechnung nach Fallpauschalen (Bsp: Blinddarm-OP wird mit x T€ vergütet) Leistung Idee: Fallpauschalen sollen Anreize für wirtschaftliches Handeln setzen (Vollpauschalierung führte zu unnötig langen Behandlungszeiten) Kritik: auch hier negative Anpassungsreaktionen
3.2.3.2.
© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 4343
Krankenversicherung
d) Gesetzliche Krankenversicherung (8)
Kostenblöcke der GKV III: Medikamente
Reihe von Problemen
Apothekenmarkt vermachtete, wenig wettbewerbsfähige Strukturen
Pharmaindustrie Problematik von „Scheininnovationen“Fazit: Keine Gruppe hat Interesse an Kostendämpfung
3.2.3.2.
© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 4444
Krankenversicherung
d) Gesetzliche Krankenversicherung (9)
Krankengeld
„Lohnfortzahlung im Krankheitsfall“ Problem: unerwünschte Anpassungen (Moral Hazard = Anreiz zum „Krankfeiern“) Stellschrauben
- Prozentuale Abschläge vom Einkommen- Karenztage
Aktuelle Regelung: Krankengeld wird nach 6 Wochen Lohnfortzahlung
durch den Arbeitgeber für maximal 72 Wochen gezahlt.
3.2.3.2.
© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 4545
Krankenversicherung
e) Private Krankenversicherung (1)
Gemeinsamkeiten und Unterschiede zur GKV:
Ausgabenseite kein Unterschied zu GKV Beitragsbelastung erhebliche Unterschiede
Beitragssätze beruhen auf einer risikoadäquaten Kalkulation (Beiträge junger Menschen < Beiträge älterer Menschen) Für den jeweils Versicherten sollen die Beiträge konstant gehalten werden: Technisch: Rückstellungen in jungen Jahren (Beiträge > Gesundheitskosten) werden in späteren Jahren aufgelöst (Gesundheitskosten dann > Beiträge). Beitragskonstanz setzt allerdings Ausgabenkonstanz voraus. Da dies nicht vorliegt steigen auch die Beiträge der PKV.
3.2.3.2.
© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 4646
Krankenversicherung
e) Private Krankenversicherung (2)
Umverteilungswirkungen in GKV und PKV:
In beiden Systemen zahlen junge Versicherte höhere Beiträge als ihre individuellen Gesundheitskosten.
Gesetzliche Krankenversicherung:
Mitfinanzierung d. höheren Kosten anderer WS im gleichen Jahrgang
= interpersonelle Umverteilung
Private Krankenversicherung:
Aufbau eines Kapitalstocks für die eigenen Krankheitsrisiken
= intrapersonelle Umverteilung
3.2.3.2.
© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 4747
Pflegeversicherung
a) Historie: jüngste Zweig des deutschen Sozialversicherungssystems Gesetzliche Grundlagen: 1994 (N. Blüm)
b) Ziele: Absicherung des PflegerisikosHintergründe
Demographische Entwicklung (zunehmendes Pflegefallrisiko im Alter)
Veränderung der Familienstrukturen ( derzeit Pflege durch Familie 75% sinkend)
Derzeit rund 1,9 Mio. Leistungsempfänger in der PV. Projektionen: Anstieg auf 5 Mio. (2040)
3.3.3.3.
© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 4848
Pflegeversicherung
Ziele im Detail
Vorrang der häuslichen vor der stationären Pflege finanzielle Unterstützung der Familien
Vermeidung pflegebedingter Sozialhilfeabhängigkeit Aufbau eines leistungsfähigen Pflegesektors
(leistungsfähig, quantitativ ausreichend, wirtschaftlich).
Abgrenzung PV vs. KV enges Verhältnis Leistungen der KV i.d.R. zeitlich der PV vorgelagert
Krankheit Therapie keine Gesundheit Pflegefall Qualität der medizinischen Versorgung steigt
Schwerkranke leben als Pflegefälle weiter
3.3.3.3.
© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 4949
Pflegeversicherung
c) AusgestaltungDefinition Pflegefall
Lebensbewältigung dauerhaft nur mittels Versorgungsleistun- gen Dritter
Krankheitsfall reversibel Pflegefall irreversibel
sog. Verrichtungsorientierte DefinitionFähigkeit, selbstbestimmte Verrichtungen zu erfüllen, entfällt
An-/ Ausziehen, Hygiene Einkaufen
Dauer > 6 MonateKritik: ursprünglich Reihe von Krankheiten nicht erfasst (Demenz), seit Reform 2008 aber berücksichtigt
3.3.3.3.
© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 5050
Pflegeversicherung
Ausgestaltung (Fortsetzung)
Technik
Zwangsversicherung über generelle Beiträge nach dem UmlageprinzipHöhe der Beiträge: 1,95 des Brutto-EK bis Beitragsbemessungsgrenze, Aufschlag für Kinderlose i.H.v. 0,25% (nach Reform 2008, vorher 1,7%) Mitversicherung Familienmitglieder Vergangenheit: Beitragssatz in der Startphase der PV zu hoch Reserve von rund 5 Mrd.€ Beitragsdynamik: mittelfristig Beiträge von 3-4% ( 2040)
3.3.3.3.
© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 5151
Pflegeversicherung
Ausgestaltung (Fortsetzung)
Leistungen der PV
pauschalierte Beträge nach sog. Pflegestufen für:
Häusliche Pflege Stationäre Pflege
aber: Pauschalen sind nicht kostendeckend Ökonomische Interpretation: PV = Teilkasko mit Selbstbeteiligung
Differenz Pflegesatz zu tatsächlichen Pflegekosten?
eigene Mittel (z.B. Rente, Vermögen), danach Mittel der Angehörigen, ultima ratio Sozialhilfe
3.3.3.3.
© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 5252
Arbeitslosenversicherung
a) Problematik
Ziel: Absicherung des EK-Verlustes infolge unfreiwilliger Arbeitslosigkeit Arbeitslosigkeit = typisches exogenes Risiko (Marktrisiko)
Ziele der Instrumente der Arbeitsmarktsparte:
Verhinderung und Abkürzung von Arbeitslosigkeit (Qualifizierungsmaßnahmen)Vermittlung von ArbeitsstellenKompensation des EK-Verlustes
3.4.3.4.
© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 5353
Arbeitslosenversicherung
b) Arten von Arbeitslosigkeit
Freiwillige AL
Lohnersatzleistungen ausreichendSuch-Arbeitslosigkeit
Unfreiwillige AL
Fluktuations-/ Friktions-ArbeitslosigkeitKonjunkturelle ALStrukturelle ALSaisonale ALArbeitslosigkeit von Problemgruppen
3.4.3.4.
© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 5454
Arbeitslosenversicherung
(1) Fluktuations-Arbeitslosigkeit
Typische Anpassungseffekte einer dynamischen Volkswirtschaft
- neue Produktionstechniken und –abläufe kosten Arbeitsplätze- Nachfrageschwankungen - Anforderungen an Qualifikationsprofile ändern sich
Technik: Versicherung ideale Lösung.Friktionsarbeitslosigkeit weist Zufallscharakter auf (kann jeden treffen) typisches versicherbares Risiko
3.4.3.4.
© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 5555
Arbeitslosenversicherung
(2) strukturelle Arbeitslosigkeit
Arbeitslosigkeit durch:
Sektorale Krisen Regionale Krisen (neue Bundesländer) Aber auch: Fehlinvestitionen in Humankapital (falsche
Berufsbilder)
Strukturelle Arbeitslosigkeit: in der Vergangenheit vielfach Ursache für WanderungenLohnersatzleistungen tendenziell strukturkonservierend
3.4.3.4.
© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 5656
Arbeitslosenversicherung
(3) Saisonale Arbeitslosigkeit
Tritt periodisch in bestimmten Branchen auf: Bau, Tourismus, Landwirtschaft, Gastronomie
Problem: es handelt sich um permanente Risiken. Die jeweilige Branche weist jedes Jahr identische Risiken auf, wird aber nicht mit höheren Beiträgen zur ALV belastet
Fazit: de facto sind Lohnersatzleistungen Verdeckte Subvention bestimmter Branchen
Alternative: Branchenumlagen
3.4.3.4.
© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 5757
Arbeitslosenversicherung
(4) Konjunkturelle Arbeitslosigkeit
Konjunktur = zyklische Schwankung der wirtschaftlichen AktivitätRezessionsphasen führen zur Freisetzung von Arbeitskräften
Absicherung konjunktureller Arbeitslosigkeit?
Versicherung adäquates Instrumentzufallsbedingtes = versicherbares RisikoNebeneffekt: günstigstes Instrument der Konjunkturpolitik über antizyklische Wirkungen
Nachfrageausfall durch Arbeitslosigkeit (Markt-EK entfällt) wird durch Lohnersatzleistungen teilweise aufgefangen
3.4.3.4.
© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 5858
Arbeitslosenversicherung
(5) Problemgruppen-Arbeitslosigkeit
Definition:
verfestigte Dauer-Arbeitslosigkeit von Problemgruppen( AL personenbegründet)
Beispiele: Alte, Ausländer, Ungelernte; Junge (Frauen)
Derzeit größtes Problem der Arbeitsmarktpolitik. Gruppe wächst permanent - Rückkehr in den Arbeitsmarkt ist nach längerer Arbeitslosigkeit sehr unwahrscheinlich.
3.4.3.4.
© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 5959
Arbeitslosenversicherung
c) Versorgungstechnik – Arbeitslosengeld
1. Kernelemente
Versicherungsleistung Ausgestaltung: generelle Prämie im Umlageverfahren
(Prozentsatz des Brutto-EK; derzeit 2,8 %) Leistungen im Risikofall (=Arbeitslosigkeit)
%-Satz des letzten Netto-EK ohne Bedürftigkeitsprüfung ( Rechtsanspruch) Leistungen
- Lohnersatz (= Hauptleistung) + Reihe von Nebenleistungen
- Weiterzahlung SV RV, KV, Wohn-/ Kindergeld etc.
3.4.3.4.
© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 6060
Arbeitslosenversicherung
2. Kurzarbeits-Geld
Idee: Kompensationsmaßnahme bei kurzfristigem Arbeitsausfall Kurzarbeits-Geld greift in identischer Höhe wie AL-
Geld Ziel: Arbeitsplatzerhaltung Regeln: > 10% der Arbeitszeit reduzieren
> 1/3 der Belegschaft Idee: gleichmäßige Verteilung der Minderarbeit auf ganze Belegschaft ( keine Entlassungen) Befristung: aktuell: 18 – 24 Monate, weitgehende Flexibilisierung in der Wirtschaftskrise 2008 ff.
3.4.3.4.
© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 6161
Arbeitslosenversicherung
3. Arbeitslosengeld: Dauer und Höhe der Zahlungen
Bezug setzt Anwartschaft voraus ( Nachweis beitragspflichtige Beschäftigung > 4 Jahre) Bezugsdauer: max. 12 Monate, Sonderregelungen für altere Arbeitslose Höhe: 67 % eines korrigierten Netto-EK (Übernahme der Beiträgszahlungen für die anderen SV-Zweige wird
berücksichtigt).
3.4.3.4.
© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 6262
Arbeitslosenversicherung
d) Arbeitslosenhilfe
durch die Hartz-Gesetze mit Sozialhilfe verschmolzen (Hartz IV). Einzelregelungen siehe Vorträge
3.4.3.4.
© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 6363
Arbeitslosenversicherung
e) Moral Hazard-Problematik
Zentrales Problem der Arbeitsmarktsparte.
mutwilliges Herbeiführen des Schadensfalles (Moral Hazard) Unterstützung Anreiz, Arbeitsangebot herunterzufahren Unterstützung schafft damit das Risiko, das sie auffangen soll
Gegenmaßnahmen
1. Höhe Lohnersatzleistung: deutlich kleiner als Markt-EK2. Zeitachse: zeitliche Befristung der Leistungen3. Karenzzeiten bei Eigenkündigung4. Kürzungen bei Ablehnung zumutbarer Arbeiten
3.4.3.4.
© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 6464
Sonstige sozialpolitisch motivierte Sicherungssysteme
a) Sozialhilfe
Neuregelung im Rahmen der Hartz-Gesetze (s. Vorträge).
Zentrale Überlegungen:
1. Stellung nachrangig/ subsidiär Andere Systeme sind ausgereizt, es liegen keine persönlichen Vermögenswerte vor2. Ziel und Leistungen: Sicherstellung eines sozio-kulturelles Existenzminimum3. Vorkehrungen gegen Moral Hazard: Bedürftigkeitsprüfungen, unattraktive Höhe, Kürzungen bei Verweigerungen gemeinnütziger Arbeiten
3.5.3.5.
© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 6565
Sonstige sozialpolitisch motivierte Sicherungssysteme
b) Interventionen im Wohnungsbereich
1. Grundüberlegung:
Wohnen = ökonomisches Basisgut ( lebensnotwendiges Gut). Wahrung von Einkommenschancen setzt die Verfügbarkeit einer Wohnung zwingend vorausAber: Wohnungsmarkt weist Reihe von Besonderheit auf. Zentral: Wohnraum ist nicht beliebig produzierbar, weil
Lange Produktionszeit Bauland ist knapp Fülle von gesetzlichen Regelungen
3.5.3.5.
© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 6666
Sonstige sozialpolitisch motivierte Sicherungssysteme
2. Mögliche staatliche Eingriffe im Wohnungsbereich (Überblick)
Objektförderung
Sozialer Wohnungsbau Subjektförderung
Wohngeld Mieterschutz
Eigentumsförderung
3.5.3.5.
© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 6767
Sonstige sozialpolitisch motivierte Sicherungssysteme
3. Objektförderung sozialer Wohnungsbau
Staatliche Subventionierung des Wohnungsbaus. Förderung von Wohnbaugesellschaften gegen Sozialbindung. Instrumente
Zuschüsse Zinsverbilligte Darlehen
Probleme SWB Fehlbelegung EK der Mieter > Grenzen Überbelegung ( Einzel-HH in gr. Sozialwohnung) Kein Instrument für Problemgruppen
Fazit: SWB extrem zielungenaues Instrument
3.5.3.5.
© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 6868
Sonstige sozialpolitisch motivierte Sicherungssysteme
4. Subjektförderung WohngeldKonzeption: zweckgebundene Transfers an bedürftige Wirtschaftssubjekte (Nebeneffekt: Entlastung Sozialhilfe) Subjektbezug: Leistung geht unmittelbar an Wohnungsnachfrager Bedürftigkeitsprüfung: über EK-Grenzen
Technik Reihe von Regelungsbedarfen: Festlegung und periodische Anpassung der EK-Grenze Zumutbarer Eigenanteil? Größe je Familienmitglied Festlegung einer Obergrenze für geförderten Wohnraum Kappung
3.5.3.5.
© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 6969
Sonstige sozialpolitisch motivierte Sicherungssysteme
4. Subjektförderung Wohngeld (Fortsetzung)
Vorteil Wohngeld:
Relativ zielgenaues Instrument
Nachteil Wohngeld:
Prüfung der Verwendung (tw. Auszahlung über die Sozialämter notwendig) Kein adäquates Instrument für Problemgruppen (diese finden vielfach trotz via Wohngeld verfügbarer Mittel keinen Wohn- raum)
3.5.3.5.
© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 7070
Gesamtwirtschaftliche Aspekte der SV-Systeme Wirkung auf Konjunktur und Wachstum
a) Wirkungen der SV-Systeme auf die Konjunktur
Konjunktur: zyklisches Auf und Ab der Wirtschaftsleistung (Rezession – Boom)SV-Systeme: sind langfristig angelegt und dienen dem Abfedern von Risiken unabhängig von KonjunkturschwankungenZwischenfazit:
Soziale SS kein Instrument der KonjunkturpolitikAber:
Reihe von antizyklischen Effekten der SV-Systeme ( Dämpfung von Konjunkturzyklen)
4.1.4.1.
© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 7171
Gesamtwirtschaftliche Aspekte der SV-Systeme Wirkung auf Konjunktur und Wachstum
Antizyklische Effekte im Einzelnen
Generell: Mindereinnahmen in Rezession werden nicht über Beitragserhöhungen aufgefangen
Reserven sinken Kreditfinanzierung
Arbeitslosenversicherung
Wirkung als „Automatischer Stabilisator“ Bei konjunkturell bedingten Beschäftigungsverlusten steigen die Zahlungen aus AL-Versicherung
Nachfrageausfall wird begrenzt
4.1.4.1.
© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 7272
Gesamtwirtschaftliche Aspekte der SV-Systeme Wirkung auf Konjunktur und Wachstum
b) Wachstumseffekte
1. Faktor Arbeit (Arbeitsangebot)
Krankheitssparte positiv (Gesundheit = Arbeitsfähigkeit) Rente u. Bildung negativ
Ausbildungszeit verlängert sich Renteneintrittsalter verkürzt sichLebensarbeitszeit (= Erwerbsperiode) verringert sich
AL- u. Sozialhilfe-Sparte negativ wenn Abstand zum Markt-EK gering Arbeitsangebot sinkt
Transfers kein Verzicht auf Freizeit und Konsum Fazit: insgesamt negative Wirkung auf Arbeitsangebot
4.1.4.1.
© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 7373
Gesamtwirtschaftliche Aspekte der SV-Systeme Wirkung auf Konjunktur und Wachstum
b) Wachstumseffekte (Fortsetzung)
2. Auswirkung auf Kapitalbildung
These: Sozialversicherungen üben kapitalbildungshemmende Wirkungen aus wesentliche Sparmotive (AL, Krankheit) entfallen Effekte des Umlageverfahrens
Beitragszahlende Generation finanziert die Bezüge der aus dem Erwerbsleben ausgeschiedenen Personen
Es findet kein Kapitalaufbau statt; die Beiträge dienen der Deckung laufender Ausgaben
Gegeneffekt über Staatliche Sparförderung: quantitativ (noch) unbedeutend
4.1.4.1.
© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 7474
Gesamtwirtschaftliche Aspekte der SV-Systeme Wirkung auf Konjunktur und Wachstum
b) Wachstumseffekte (Fortsetzung)
3. Wirkung der Sozialversicherungssysteme auf die Produktivität
Negative Auswirkungen Negative Anreize, insbesondere auf die Mobilität des Produktionsfaktors Arbeit
Absicherung über ALV Mobilität der WS sinkt Negativeffekte einer ineffizienten Sozialbürokratie
4.1.4.1.
© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 7575
Gesamtwirtschaftliche Aspekte der SV-Systeme Verteilungseffekte
Generell: SV-Systeme Reihe von Verteilungseffekten
a) Intertemporale EK-Umverteilung
Gegenwarts-EK Zukunfts-EK (Alter) gleichmäßige Verteilung des Lebens-EK EK-Ausgleich zwischen Generationen
b) Risikoausgleich innerhalb einer Versicherung
Jeder Versicherungsnehmer erwirbt Gut Sicherheit nicht alle werden von Risiken betroffen Beispiel: WS nie krank, nie arbeitslos, Tod am 1.Rententag
Versicherungsimmanente Umverteilung (gilt für jede Versicherung)
4.2.4.2.
© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 7676
Gesamtwirtschaftliche Aspekte der SV-Systeme Verteilungseffekte
c) Interpersonelle Umverteilung innerhalb der SV-Systeme (Pflichtmitglieder)
Funktionsweise: generelle Prämien (%-Satz des EK)Risikoträger zahlen nicht mehr als Nicht-RisikoträgerBesserverdienende zahlen mehr für identische Leistungen
ökonomisch: Gut Sicherheit wird zu unterschiedlichen Preisen angeboten
Weitere Umverteilungskomponenten
Mitversicherung Familienmitglieder (KV) Existenz von Anrechnungszeiten
4.2.4.2.
© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 7777
Gesamtwirtschaftliche Aspekte der SV-Systeme Verteilungseffekte
d) Umverteilung der Steuerfinanzierung Manche Leistungen sind steuerfinanziert (Sozialhilfe,
Wohngeld), in andere Systeme fließen hohe Zuschüsse aus Steuermitteln (Rente)
Verteilungswirkungen
1. Steuerzahler Versicherte (Beispiel Unternehmer)2. Besserverdienende sozial Schwächere progressive
EK-Steuer
Vorsicht: Gegeneffekte
a) Regressionseffekt der Mehrwertsteuer / Verbrauchssteuernb) Besserverdienende profitieren als Kreditgeber von der
Staatsverschuldung
4.2.4.2.
© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 7878
Gesamtwirtschaftliche Aspekte der SV-Systeme Verteilungseffekte
e) Umverteilungswirkungen der SV-Systeme: Fazit
Gesamteffekt der Verteilungswirkungen ist methodisch kaum ernsthaft zu beurteilen
Fragen:
- überwiegt die vertikale Umverteilung (reich – arm)?- oder eher horizontale Umverteilungen (innerhalb einer Gruppe)?Tendenz: Vertikale Umverteilungskomponenten überwiegen (Umverteilungseffekte innerhalb der beitragsfinanzierten Systeme, Effekte der steuerfinanzierten / bedürftigkeitsorientierten Systeme)Aber: Ausgabeninzidenz (= Wo landen die Ausgaben) wird bei dieser Betrachtung vernachlässigt
4.2.4.2.
© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 7979
Probleme der Sozialversicherungssysteme Generelle Probleme
Generelle Probleme - Überblick
Demographische Entwicklung ( 5.1.1.) Mangelnde Wachstumsdynamik ( 5.1.2.)
5.1.5.1.
© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 8080
Probleme der Sozialversicherungssysteme Demographische Entwicklung
a) Zahlen zur Bevölkerungsentwicklung
1998 82 Mio. Einwohner
20 Jahre 22%26-60 Jahre 56%> 60 Jahre 22%
2010 81,5 Mio. Einwohner
< 20 Jahre 18%20-60 Jahre 55%> 60 Jahre 27%
5.1.1.5.1.1.
© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 8181
Probleme der Sozialversicherungssysteme Demographische Entwicklung
a) Zahlen zur Bevölkerungsentwicklung
2020 80 Mio. Einwohner
20 Jahre 16%26-60 Jahre 52%> 60 Jahre 32%
2050 65 Mio. Einwohner
< 20 Jahre 14%20-60 Jahre 42%> 60 Jahre 44%
5.1.1.5.1.1.
© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 8282
Probleme der Sozialversicherungssysteme Demographische Entwicklung
Entwicklung des Durchschnittsalters
2003 41 Jahre 2020 48 JahreEntwicklung der Beschäftigungsstruktur
2006
Produktion ca. 30% der WirtschaftsleistungDienstleistung ca. 70% der Wirtschaftsleistung
2010
Produktion 25% der WirtschaftsleistungDienstleistung 75% der Wirtschaftsleistung
5.1.1.5.1.1.
© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 8383
Probleme der Sozialversicherungssysteme Demographische Entwicklung
Ist die demographische Entwicklung irreversibel? Grundsätzlich nein, Stellschrauben
a) Geburtenpolitik zur Steigerung der Fertilitätsraten. Steigerung auf > 2 Kinder / Frau zur Aufrechterhaltung der Bevölkerungszahlen notwendig (derzeit rund 1,3). b) Zuwanderungspolitik: intensive Zuwanderung notwendig, damit die Bevölkerungszahlen gehalten werden können. Der Alterungsprozess wird dadurch nicht verhindert – das Geburtenverhalten von Zuwanderern passt sich innerhalb einer Generation an.
5.1.1.5.1.1.
© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 8484
Probleme der Sozialversicherungssysteme Demographische Entwicklung
b) Generelle ökonomische Auswirkungen der Demographie auf umlagefinanzierte Systeme
Umlagefinanzierte Systems auf der Basis genereller Prämien geraten bei Bevölkerungsdruck in existenzielle Problem
Zahl der Leistungsempfänger steigt Pro-Kopf-Ausgaben steigenZahl der Beitragszahler sinkt Einnahmen sinkenKonsequenz:
Grundsätzliche Sanierungsalternativen für alle Systeme:1. Ausgabenseite: Kürzungen2. Einnahmenseite: Erhöhungen, neue Quellen
© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 8585
Probleme der Sozialversicherungssysteme Demographische Entwicklung
1. Ausgabenseite
Leistungskürzungen Sachleistungen kürzen (keine Kuren, Weiterbildungsmaßnahmen etc.) Geldleistungen kürzen (AL-Geld, Rente)
2. Einnahmenseite
Arbeitszeit/ Beitragszeit verlängern Beitragssätze erhöhen Beitragsbemessungsgrenzen erhöhen Versicherungspflichtgrenzen erhöhen Personenkreis erweitern
5.1.1.5.1.1.
© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 8686
Probleme der Sozialversicherungssysteme Demographische Entwicklung
Fazit Demographie insgesamt
Verfügbares Einkommen breiter Schichten für Konsumzwecke wird sinken, weil größere EK-Teile zur Absicherung der Lebensrisiken in gewohntem Umfang benötigt werden
Anders: der Preis für das Gut Sicherheit steigt
Ausweichmanöver
Aufstockung Privatvorsorge / private Vermögensbildung Selbständigkeit, Ausweichen in nicht
sozialversicherungspflichtige Tätigkeiten Auswanderung Beruflicher Erfolg (EK-Dynamik > Beitragsdynamik)
5.1.1.5.1.1.
© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 8787
Probleme der SozialversicherungssystemeMangelnde Wachstumsdynamik
Grundproblematik: Wirtschaftswachstum seit Jahren nicht ausreichend für Vollbeschäftigung
Bei positiver Produktivitätsentwicklung ist Wachstum existenziell, um die Beschäftigung zumindest aufrecht zu erhalten
Hohe Arbeitslosigkeit hat extrem ungünstige Auswirkungen auf die SV-Systeme:
Beitragszahlungen der Arbeitslosen fehlen Leistungsbezug von Wirtschaftssubjekten im erwerbsfähigen Alter
5.1.2.5.1.2.
© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 8888
Probleme der SozialversicherungssystemeMangelnde Wachstumsdynamik
Problematik:
Infolge hoher Arbeitslosigkeit wird die ohnehin nicht ausreichende Beschäftigungsbasis weiter verknappt
Beitragsfinanzierte Systeme (hälftige Finanzierung durch Arbeitnehmer / Arbeitgeber) entwickeln eine negative Eigendynamik:
Bei steigender Arbeitslosigkeit sind Beitragserhöhungen notwendig, da zu wenig Beitragszahler für Finanzierung der Leistung vorhanden
Mehrbelastung des Produktionsfaktors Arbeit über steigende steigende Lohnnebenkosten Weitere Beschäftigungsverluste (Grenzanbieter scheiden aus) Fortsetzung des Teufelskreises
5.1.2.5.1.2.
© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 8989
Einzelprobleme - Rentenversicherung
a) Grundproblematik:
Demographische Entwicklung schlägt bei der RV am stärksten durch
Folge:
stark steigende Beitragssätze trotz scharfer Korrekturen (steigende Lebensarbeitszeit, Kürzungen des Leistungsniveaus) Prognosen: Beitragssätze 2025 > 35%
Tendenz:
Erhebliche Notwendigkeit Privatvorsorge Nicht länger funktionsfähiges Umlagesystem erzwingt mittelfristig eine steuerfinanzierte Grundrente auf Sozialhilfe- Niveau
5.2.1.5.2.1.
© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 9090
Einzelprobleme - Rentenversicherung
b) Alternative Kapitaldeckung?
Umlageverfahren weist keine Verzinsungskomponente eines gebildeten Kapitalstocks auf Konsequenz: Leistungen aus einem umlagebasierten Rentensystem sind erheblich kleiner, als bei der Alternative Kapitaldeckung (bspw. Versicherungszwang mit identischen Beträgen). Systemumstellung auf Kapitaldeckung würde zu Doppelbe-lastungen für die derzeitigen Beitragszahler führen:
a) Aufbau Kapitalstock durch Privatvorsorgeb) Zusätzliche Einzahlung in Rentenversicherung zur Finanzierung der heutigen Rentner
Aber: Modelle mit Teilkapitaldeckung ggf. eine Alternative
5.2.1.5.2.1.
© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 9191
Einzelprobleme - Krankenversicherung
Gesundheitssparte ist ebenfalls von der demographischen Entwicklung betroffen
Höhere Lebenserwartung hat auf Einnahmen und Ausgabenseite Konsequenzen für das Gesundheitswesen
Einzeleffekte:
1. Medizinisch-technischer Fortschritt
Wirkung: Lebensverlängerung durch Produktinnovationen
Kosten steigen Gegeneffekt: Prozessinnovationen Kosten sinken Nettoeffekt: Kostensteigerungen
5.2.2.5.2.2.
© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 9292
Einzelprobleme - Krankenversicherung
2. Medikalisierungsthese
Wirkung: steigende Zahl älterer Menschen + technischer Fortschritt steigende Zahl chronisch Kranker
Kosten steigen Gegenwirkung:
Bevölkerungsabnahme sinkende Krankheitszahlen Kosten sinken
Nettoeffekt: tendenziell steigende Pro-Kopf-Kosten und auch Gesamtkosten im Gesundheitswesen
5.2.2.5.2.2.
© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 9393
Einzelprobleme - Krankenversicherung
3. Einnahmenseite:
Zahl der Erwerbstätigen geht zurück – Zahl der Rentner steigt.Quersubventionierung zugunsten Rentner, da dies nur noch geringe KV-Beiträge zahlen
4. Versicherungsfremde Leistungen:
Krankenkassen übernehmen Leistungen, die mit Versicherungsfall Krankheit nichts zu tun haben (Mutterschaftsgeld, Krankengeld etc.)
5.2.2.5.2.2.
© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 9494
Einzelprobleme - Pflegeversicherung
Pflegebereich weist identische Probleme wie die Gesundheitssparte auf
Medizinisch technischer Fortschritt zwar kein unmittelbarer Kostenfaktor des Pflegebereichs.
Aber: mehr Kranke überleben infolge des technischen Fortschritts als langjährige Pflegefälle
Fazit: Steigende Ausgaben im Pflegebereich
5.2.3.5.2.3.
© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 9595
Einzelprobleme - Arbeitslosenversicherung
Arbeitsmarktsparte ist relativ unabhängig von der demographischen Entwicklung
Risikoabsicherung innerhalb der Gruppe der Beschäftigten keine ähnliche Dramatik wir bei Rentenversicherung, aber
Mangelnde Wachstumsdynamik schlägt voll durch
Fazit:
Arbeitsmarktsparte hat andere Probleme. Reformansätze zielen daher nicht auf grundlegend neue Systeme ab, sondern auf:
1. Beseitigung von Fehlanreizen innerhalb des Systems2. Effizienzsteigerung innerhalb der Arbeitsverwaltung
5.2.4.5.2.4.