1
Psychologische Diplomarbeit Psychologische Diplomarbeit Konzeption, Durchführung und Evaluation eines Konzeption, Durchführung und Evaluation eines interkulturellen Trainings für Rettungsdienstpersonal interkulturellen Trainings für Rettungsdienstpersonal“ Christian Hannig, Christian Hannig, Dipl Dipl.-Psych -Psych., Ethnologe (B.A.), Hamburg ., Ethnologe (B.A.), Hamburg vorgelegt und angenommen an der vorgelegt und angenommen an der Universität Hamburg, Fachbereich Psychologie, 2007 Universität Hamburg, Fachbereich Psychologie, 2007 1. Prüfer: 1. Prüfer: Dr Dr. . med med. . Dipl Dipl. -Psych -Psych. B. . B. Fittschen Fittschen, 2. Prüfer: , 2. Prüfer: Prof Prof. . Dr Dr. . phil phil. . Dipl Dipl. -Psych -Psych. A. Redlich, Note: 1,0 . A. Redlich, Note: 1,0 Zusammenfassung Zusammenfassung Diese Arbeit thematisiert die Begegnungen von Menschen mit ungleichen kulturellen Hintergründen im Rahmen von rettungsdienstlichen Einsatz- situationen. Zunächst werden der deutsche Rettungsdienst im Allgemeinen und seine Anforderungen an das Einsatzpersonal durch interkulturelle Begegnungen im Besonderen dargestellt. Dann werden theoretische Grund- lagen zu interkulturellen Trainings erläutert und ausgewählte Beispiele präsentiert. Darauf und auf einer Befragung von Ausbildungsexpertinnen und –experten aus dem Gesundheitswesen basierend, wird ein 1 1 / 2 -tägiges Trainingskonzept zur Entwicklung und Förderung von interkultureller Kom- petenz bei Rettungsdienstpersonal eingeführt. Dessen Durchführung und Evaluation werden ausführlich beschrieben. Die Evaluation verwendet ein quasi-experimentelles Design mit Pilot-Gruppe, Experimental- und Warte- Kontroll-Gruppe sowie Pretests, Posttests und eine Nachbefragung. Es werden ein stresstheoretischer Trainingsansatz, die Akzeptanz des Trainings sowie seine Lerneffekte und Auswirkungen auf Verhalten und Einstellungen der Teilnehmenden untersucht. Dabei zeigen sich positive Effekte aber auch erhebliche methodische Probleme. Das Trainingskonzept wird als innovative Reaktion auf einen latenten Qualifizierungsbedarf und die Evaluation als Exploration eines wenig strukturierten Forschungsfeldes bewertet. Es werden Entwicklungsperspektiven des Themas aufgezeigt und einige Forschungs- desiderate formuliert. Summary Summary This diploma thesis focuses on encounters of culturally diverse persons in medical emergency situations. First, the German emergency medical system in general is sketched and the specific demands which intercultural encounters make on its personnel are examined. Second, the basics of current theories on intercultural trainings are described and illustrated by some practice examples. Then, based on these theoretical aspects and on the results of an inquiry among experts in emergency-medical education, a program for an intercultural training for emergency medical personnel is introduced and discussed. This 1.5-day training was carried out three times in two different emergency medical schools. Its effects were evaluated in a quasi-experimental pilot-/experimental-/control-group design with the maxi- mum of three measurements for two groups (e.g. pre-, post-training and follow-up). The subsequently presented results yield some positive effects (e.g. concerning acceptance of the training and learning its theoretical contents) but also reveale substantial methodological problems. The latter are well known in the scientific field of training evaluation - and therefore were anticipated here - but still, they limit the validity of conclusions drawn from this study. Thus, finally, the examined training program is assessed as a promising ‚stopover‘ on the way to programs, which can respond to the intercultural qualification requirements in this work-field. Nevertheless, to foster and ensure the theoretical soundness of such programs as well as their practicability, further research seems indispensable. Untersuchungsdesign Untersuchungsdesign Hier liegt ein quasi-experimentelles Design vor, da die Stichprobe (N = 34) aus drei natürlichen Gruppen (Ausbildungsklassen an zwei Rettungsdienstschulen) bestand, welche als Pilot- (n = 14), Experi- mental- (n = 9 ) und Warte-Kontroll-gruppe (n = 11) fungierten. Die Datenerhebung erfolgte mittels eigens entwickelter Fragebögen mit quantitativen (z.B. Notenvergabe oder Multiple-Choice-Fragen) und qualitativen (z.B. offene Fragen mit nachfolgender Quantitativer Inhaltsanalyse) Items. Als Evaluationsebenen wurden die Akzeptanz des Trainings, dessen Lerneffekte und Veränderungen von Verhalten und Einstellungen bei den Teilnehmenden untersucht. Trainingsphilosophie Trainingsphilosophie‘: Die doppelte Blickrichtung Die doppelte Blickrichtung“ Blicken wir auf (das) Fremde,... ... sehen wir immer auch uns selbst! (in Anlehnung an SCHULZ VON THUN, 2001, Miteinander reden 1-3, Reinbek: Rowohlt.) Bezüge Bezüge und Inhalte und Inhalte des Trainings des Trainings Ergebnisse Ergebnisse "Interkulturelle Kompetenz für Rettungsdienst- personal" Klinische P. Pädago- gische P. Sozial-P. Notfallmedizin Angewandte / Praktizierende E. Interkulturelle Pädagogik Interkulturelle Kommunikation Interkulturelle Trainings Medizinische P. Notfall-P. Kommuni- kations-P. Kultur- vergleichende P. Ethnomedizin Medizin-E. Psychosomatik/ Psychiatrie Transkulturelle Pflege Kultur-P. Linguistik Soziologie Arbeits- /Organisations-P. G E T 0P IkT P G W G P Expert(inn)en T 1P T 2w T 1W T 1E T 0W T 0E Dezember 2005 März 2006 Mai 2006 T Exp IkT W IkT E T 2E G P = Pilotgruppe, G E = Experimentalgruppe, G W = Warte-Kontroll-gruppe, IkT = interkulturelles Training, T XY = Erhebungszeitpunkte für jeweilige Gruppe mit Zeitbezug zum Training (Bsp.: T 0E = Pretest, T 1E = Posttest, T 2E = Katamnese) Die Ergebnisse der Evaluations- ebene Akzep- tanz zeigten eine weitgehend positive Reso- nanz seitens der Teilnehmenden. Verteilung der Schulnoten für „Das Training als Ganzes“ Akzeptanzwerte für verschiedene Aspekte des Trainings (Maximum = 60) Auf der Ebene Lernen ergaben sich statistisch signifikant positive Ergebnisse bei einzelnen kognitiven Lerninhalten - ansonsten ließen sich keine Lerneffekte belegen. Für die Ebene Veränderung von Verhalten bzw. von Einstellungen deuteten ledig- lich qualitative Ergebnisse auf positive Ten- denzen hin. Fazit: Akzep- tanz gut - Wir- kung unklar aber mit posi- tivem Trend Dieses interkulturelle Training ent- hält Bezüge zu diversen Wissen- schafts- und Praxisfeldern (s. Abb. rechts). Die Kulturvergleichende Psychologie, die Transkulturelle Psychiatrie, die Transkulturelle Pflege und die (Medi- zin-)Ethnologie tragen vor allem theoretische Grundlagen bei. Beson- ders die Kommunikationspsychologie und die interkulturelle Pädagogik liefern Ansätze zum didaktischen Vorgehen. Die Inhalte des Trainings sind in Module gegliedert (s. Tab. unten), die je nach Zeitrahmen, Zielgruppe und Trainingszielen kombiniert werden können. (* Diese Module werden als essenziell für die Durchführung angesehen) Migration Begriffe und Konzepte Kultur allgemein Begegnung mit Kultur- experten (z.B. für Islam) Identität & Lebenswelt Analyse von Praxis- fällen (KPS-Modell) * Interkulturelle Kommunikation * Medizin & Kultur * Wahrnehmung & Kultur *

Psychologische Diplomarbeit „Konzeption, Durchführung · PDF fileintroduced and discussed. This 1.5-day training was carried out three times in ... und die interkulturelle Pädagogik

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Psychologische Diplomarbeit „Konzeption, Durchführung · PDF fileintroduced and discussed. This 1.5-day training was carried out three times in ... und die interkulturelle Pädagogik

Psychologische DiplomarbeitPsychologische Diplomarbeit„„Konzeption, Durchführung und Evaluation einesKonzeption, Durchführung und Evaluation eines

interkulturellen Trainings für Rettungsdienstpersonalinterkulturellen Trainings für Rettungsdienstpersonal““Christian Hannig, Christian Hannig, DiplDipl..-Psych-Psych., Ethnologe (B.A.), Hamburg., Ethnologe (B.A.), Hamburg

vorgelegt und angenommen an dervorgelegt und angenommen an der Universität Hamburg, Fachbereich Psychologie, 2007Universität Hamburg, Fachbereich Psychologie, 20071. Prüfer: 1. Prüfer: DrDr. . medmed. . DiplDipl..-Psych-Psych. B. . B. FittschenFittschen, 2. Prüfer: , 2. Prüfer: ProfProf. . DrDr. . philphil. . DiplDipl..-Psych-Psych. A. Redlich, Note: 1,0. A. Redlich, Note: 1,0

ZusammenfassungZusammenfassungDiese Arbeit thematisiert die Begegnungen von Menschen mit ungleichenkulturellen Hintergründen im Rahmen von rettungsdienstlichen Einsatz-situationen. Zunächst werden der deutsche Rettungsdienst im Allgemeinenund seine Anforderungen an das Einsatzpersonal durch interkulturelleBegegnungen im Besonderen dargestellt. Dann werden theoretische Grund-lagen zu interkulturellen Trainings erläutert und ausgewählte Beispielepräsentiert. Darauf und auf einer Befragung von Ausbildungsexpertinnen und–experten aus dem Gesundheitswesen basierend, wird ein 1 1/2-tägigesTrainingskonzept zur Entwicklung und Förderung von interkultureller Kom-petenz bei Rettungsdienstpersonal eingeführt. Dessen Durchführung undEvaluation werden ausführlich beschrieben. Die Evaluation verwendet einquasi-experimentelles Design mit Pilot-Gruppe, Experimental- und Warte-Kontroll-Gruppe sowie Pretests, Posttests und eine Nachbefragung. Eswerden ein stresstheoretischer Trainingsansatz, die Akzeptanz des Trainingssowie seine Lerneffekte und Auswirkungen auf Verhalten und Einstellungender Teilnehmenden untersucht. Dabei zeigen sich positive Effekte aber aucherhebliche methodische Probleme. Das Trainingskonzept wird als innovativeReaktion auf einen latenten Qualifizierungsbedarf und die Evaluation alsExploration eines wenig strukturierten Forschungsfeldes bewertet. Es werdenEntwicklungsperspektiven des Themas aufgezeigt und einige Forschungs-desiderate formuliert.

SummarySummaryThis diploma thesis focuses on encounters of culturally diverse persons inmedical emergency situations. First, the German emergency medical systemin general is sketched and the specific demands which interculturalencounters make on its personnel are examined. Second, the basics ofcurrent theories on intercultural trainings are described and illustrated bysome practice examples. Then, based on these theoretical aspects and onthe results of an inquiry among experts in emergency-medical education, aprogram for an intercultural training for emergency medical personnel isintroduced and discussed. This 1.5-day training was carried out three times intwo different emergency medical schools. Its effects were evaluated in aquasi-experimental pilot-/experimental-/control-group design with the maxi-mum of three measurements for two groups (e.g. pre-, post-training andfollow-up). The subsequently presented results yield some positive effects(e.g. concerning acceptance of the training and learning its theoreticalcontents) but also reveale substantial methodological problems. The latterare well known in the scientific field of training evaluation - and thereforewere anticipated here - but still, they limit the validity of conclusions drawnfrom this study. Thus, finally, the examined training program is assessed as apromising ‚stopover‘ on the way to programs, which can respond to theintercultural qualification requirements in this work-field. Nevertheless, tofoster and ensure the theoretical soundness of such programs as well astheir practicability, further research seems indispensable.

UntersuchungsdesignUntersuchungsdesign

Hier liegt ein quasi-experimentelles Design vor, da die Stichprobe(N = 34) aus drei natürlichen Gruppen (Ausbildungsklassen an zweiRettungsdienstschulen) bestand, welche als Pilot- (n = 14), Experi-mental- (n = 9 ) und Warte-Kontroll-gruppe (n = 11) fungierten. DieDatenerhebung erfolgte mittels eigens entwickelter Fragebögen mitquantitativen (z.B. Notenvergabe oder Multiple-Choice-Fragen) undqualitativen (z.B. offene Fragen mit nachfolgender QuantitativerInhaltsanalyse) Items. Als Evaluationsebenen wurden dieAkzeptanz des Trainings, dessen Lerneffekte und Veränderungenvon Verhalten und Einstellungen bei den Teilnehmenden untersucht.

‚‚TrainingsphilosophieTrainingsphilosophie‘‘::„„Die doppelte BlickrichtungDie doppelte Blickrichtung““

Blicken wirauf (das) Fremde,...

... sehen wir immerauch uns selbst!(in Anlehnung an SCHULZ VON THUN, 2001,Miteinander reden 1-3, Reinbek: Rowohlt.)

Bezüge Bezüge und Inhalte und Inhalte des Trainingsdes Trainings

ErgebnisseErgebnisse

"Interkulturelle

Kompetenz fürRettungsdienst-

personal"

Klinische P.

Pädago-gische P.

Sozial-P.

Notfallmedizin

Angewandte /Praktizierende

E.

InterkulturellePädagogik

Interkulturelle

Kommunikation InterkulturelleTrainings

Medizinische P.

Notfall-P.

Kommuni-kations-P.

Kultur-vergleichende P.

Ethnomedizin

Medizin-E.

Psychosomatik/

Psychiatrie

TranskulturellePflege

Kultur-P.

Linguistik

Soziologie

Arbeits-/Organisations-P.

GE

T0P IkTP GWGP

Expert(inn)en

T1P T2wT1W

T1E

T0W

T0E

Dezember 2005 März 2006 Mai 2006

TExp

IkTW

IkTE T2E

GP = Pilotgruppe, GE = Experimentalgruppe, GW = Warte-Kontroll-gruppe, IkT =interkulturelles Training, TXY = Erhebungszeitpunkte für jeweilige Gruppe mitZeitbezug zum Training (Bsp.: T0E = Pretest, T1E = Posttest, T2E = Katamnese)

Die Ergebnisseder Evaluations-ebene Akzep-tanz zeigteneine weitgehendpositive Reso-nanz seitens derTeilnehmenden.

Verteilung der Schulnoten für „Das Training als Ganzes“

Akzeptanzwerte für verschiedene Aspekte des Trainings(Maximum = 60)

Auf der EbeneLernenergaben sichstatistisch signifikant positive Ergebnisse bei einzelnen kognitivenLerninhalten - ansonsten ließen sich keine Lerneffekte belegen.

Für die EbeneVeränderungvon Verhaltenbzw. vonEinstellungendeuteten ledig-lich qualitativeErgebnisse aufpositive Ten-denzen hin.Fazit: Akzep-tanz gut - Wir-kung unklaraber mit posi-tivem Trend

Dieses interkulturelle Training ent-hält Bezüge zu diversen Wissen-schafts- und Praxisfeldern (s. Abb.rechts).Die Kulturvergleichende Psychologie,die Transkulturelle Psychiatrie, dieTranskulturelle Pflege und die (Medi-zin-)Ethnologie tragen vor allemtheoretische Grundlagen bei. Beson-ders die Kommunikationspsychologieund die interkulturelle Pädagogikliefern Ansätze zum didaktischenVorgehen.

Die Inhalte des Trainings sind in Module gegliedert (s. Tab. unten), die jenach Zeitrahmen, Zielgruppe und Trainingszielen kombiniert werden können.

(* Diese Module werden als essenziell für die Durchführung angesehen)• Migration• Begriffe und Konzepte• Kultur allgemein

• Begegnung mit Kultur-experten (z.B. für Islam)

• Identität & Lebenswelt• Analyse von Praxis-fällen (KPS-Modell) *

• InterkulturelleKommunikation *

• Medizin & Kultur *•Wahrnehmung &Kultur *