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Julius Brockmann/Charlotte Winter
Regionale Interventionsmöglichkeiten:
AU, OAS und MERCOUSUR als Akteure in Afrika und Amerika
Die in dieser Publikation behandelten Fälle der schwachen Staatlichkeit Ruandas sowie der
Demokratischen Republik Kongo und des südamerikanischem Staates Kolumbien zeigen,
dass eine Reaktion seitens internationaler Organisationen auf Staatszerfall dringend vonnöten
ist. Doch nicht nur die Vereinten Nationen, die Weltbank, die Europäische Union (EU) und
die Vereinigten Staaten von Amerika (USA) sind Akteure, die versuchen, Einfluss auf die
Krisenregionen dieser Welt zu nehmen: Auch regionale Strukturen bilden sich heraus, wirken
auf Staaten ein und erarbeiten Interventionsstrategien. In Bezug auf die behandelten
Fallstudien beschäftigt sich dieser Beitrag deshalb erstens mit dem Akteur der Afrikanischen
Union (AU), deren Hauptprogramm New Partnership for Africa's Development (NEPAD)
sowie dessen Kontrollmechanismus African Peer Review Mechanism (APRM). Es soll
hinterfragt werden, welche Rolle die AU einnehmen kann und über welche
Einflussmöglichkeiten sie verfügt. Darüber hinaus wird unter Berücksichtigung der bisherigen
Ergebnisse eine Prognose für die Zukunft der Initiative sowie des Kontinentes Afrika erstellt,
der medial durch die Gruppe der Acht (G8)-Gipel in Gleaneagles und Heiligendamm erneut in
den Fokus der Öffentlichkeit gerückt ist. Dies geschieht unter der zentralen Fragestellung der
Relevanz der Afrikanischen Union. Wie effizient kann eine Union aus zum Teil selbst
schwachen bis zerfallenen Staaten überhaupt sein? Im Fazit soll ein Ausblick gegeben
werden, unter besonderer Berücksichtigung der African Standby Force, die mit ihren
ehrgeizigen Zielen einen Völkermord, wie er in Ruanda passierte, künftig unmöglich machen
soll. Im zweiten Teil des Aufsatzes soll auf die Ziele und Projekte der regionalen Akteure der
beiden Amerikas, nämlich der Organization of the American States (OAS) und des Mercado
Común del Sur (MERCOSUR), eingegangen werden. Beide Akteure unterscheiden sich in
ihrer Größe und damit auch ihrem Einflussgebiet sowie hinsichtlich der Akzentuierung ihrer
Handlungsweisen und -absichten. Während die Mitgliedstaaten der OAS aus allen Teilen
Amerikas stammen, besteht der MERCOSUR ausschließlich aus lateinamerikanischen, sich
entwickelnden Staaten. Daher sind Unterschiede und Gemeinsamkeiten sowohl in Bezug auf
Effizienz als auch auf Strategien von Interesse. Um diese Faktoren analysieren zu können,
müssen die Hegemonialstaaten, in diesem Fall die USA und Brasilien, ihr Verhältnis
zueinander und zu den anderen Mitgliedstaaten beleuchtet werden, da sie entscheidenden
Einfluss auf die Organisationen ausüben. Häufig scheint der Erfolg der Projekte vom Agieren
der beiden genannten Hegemonialstaaten abzuhängen. Abschließend wird die Frage
diskutiert, ob diese Akteure in der Lage sind bzw. in Zukunft in der Lage wären, eine aktivere
Rolle vornehmlich in ihrer Region einzunehmen.
1. Afrikanische Union
Afrikanische Union
Die AU, die 2002 ins Leben gerufen wurde, ist
die Nachfolgeorganisation der Organisation
für Afrikanische Einheit (OAE). Mit dem
Zusammenschluss soll die Einheit Afrikas
gestärkt und die Entwicklung des Kontinents
vorangetrieben werden. Sitz der Organisation
ist Addis Abeba in Äthiopien. Mitglieder sind
alle afrikanischen Staaten mit Ausnahme
Marokkos, das 1985 aus der OAE austrat und
auch weiterhin nicht bestrebt ist, der AU
beizutreten (Schmidt 2005: 25). Die OAE
wurde bereits 1963 gegründet, blieb aber
weitestgehend unbeachtet, da divergierende
Meinungen, mangelnde Kooperationsfähigkeit
der Staatschefs und das Fehlen einer
Kontrollinstanz eine effektive Zusammenarbeit für den Kontinent unmöglich machten. Auf
interne Angelegenheiten der Mitgliedstaaten wurde seitens der OAE keinerlei Einfluss
genommen, so dass extreme Menschenrechtsverletzungen und Bürgerkriege wie in Ruanda
und dem Kongo nicht verhindert werden konnten. Auch institutionell war die Organisation
schwach. So zahlten viele Mitgliedstaaten keine Beiträge, woraus ein Mangel an Ressourcen
resultierte. Einziger Konsens unter den Regierungschefs herrschte bei der Frage der
territorialen Souveränität; eine Änderung der Grenzen und Neugründungen von Staaten wurde
stets strikt abgelehnt (Schmidt 2005: 26).
Mitgliedstaaten: 53, alle außer Marokko Sitz der Organisation: Addis Abeba (Äthiopien) Präsident: Alpha Oumar Konaré Gründung: Juli 2002 Größe: 29.797.500 km² Einwohnerzahl: Ca. 766.8 Mio. Projekte: NEPAD, APRM, African
Standby Force Hymne: Let us all unite and
celebrate together Währung: gemeinsame Währung
geplant Quelle:African Union 2007
Der zunehmende Bedeutungsverlust bedingte eine Neuausrichtung der Organisation in den
1990er Jahren. Der Versuch, Frieden auf dem Kontinent zu sichern und den Staatszerfall
einzudämmen, scheiterte jedoch kläglich (Matthies 2004: 225-248). Schließlich erfolgte der
Übergang der OAE zur AU. Es liegen Parallelen der AU zur Europäischen Union vor: Nach
deren Leitmotiv, welches in den 1950er Jahren unter den Eindrücken des Zweiten Weltkriegs
entstanden war, nämlich den Frieden in Europa zu festigen, entstand auch die AU. Eine
gemeinsame Währung, Wohlstand und Demokratie liegen zwar in weiter Ferne, trotzdem
scheint dies zumindest ein erstrebenswerter Zustand zu sein und die EU fungiert hierbei als
eine Art Vorbild (Meyns 2002: 51-67). Es sei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die AU
nicht auf Initiative der EU entstanden ist, sondern auf eigenes afrikanisches Engagement
zurückgeht.
Ferner ist zu beachten, dass die AU in ihrem Gründungsdokument unter Artikel 4 erstmalig in
einem völkerrechtlichen Vertrag die Möglichkeit erwähnt, eine gemeinsame Sicherheitspolitik
zu betreiben und unter Artikel 4 (h) sogar von „the right of the Union to intervene in a
Member State pursuant to a decision of the Assembly in respect of grave circumstances,
namely: war crimes, genocide and crimes against humanity“ spricht (AU 2000). Unter dieser
Voraussetzung wird nun auf New Partnership for Africa's Development, kurz NEPAD,
eingegangen, welches das wichtigste Programm der AU darstellt.
1.1 New Partnership for Africa's Development (NEPAD)
NEPAD steht für „Neue Partnerschaft für Afrikanische Entwicklung“, deren
Gründungsdokument im Oktober 2001 der Weltöffentlichkeit präsentiert wurde. Bereits zuvor
gab es Bemühungen seitens des damaligen südafrikanischen Vizepräsidenten Thabo Mbeki,
die Zukunft des Kontinents besser und mit mehr Eigenverantwortung als bisher zu gestalten
(Jakobeit 2006: 21). Diese Bemühungen fanden Ausdruck in dem Mitte der 1990er Jahre
entstandenen Begriff der „afrikanischen Renaissance“ und dem „Millennium African
Renaissance Programme“ (Orischnig 2004: 12-18). Einige der wichtigsten Regierungschefs
Afrikas, darunter u. a. der Staatschef Nigerias, Olusegun Obasanjo, sowie der Algeriens,
Abdelasis Bouteflika, setzten sich gemeinsam für den Entwurf einer Initiative für
Gesamtafrika ein. So entstand schließlich das NEPAD-Grundsatzpapier mit zwei Teilen und
205 Paragraphen. Der erste Teil beschäftigt sich dabei programmatisch mit der neuen
Initiative, der zweite Teil beinhaltet ein Aktionsprogramm (Orischnig 2004: 12-18).
Im Folgenden soll deshalb auf die Ziele der NEPAD näher eingegangen werden, insbesondere
unter der Fragestellung, inwieweit diese den Staatszerfall einzudämmen vermögen.
Als wichtigstes, langfristig angestrebtes Ziel ist wohl die Bekämpfung der Armut zu nennen.
Damit einher geht der Wunsch, Afrika zu einer Region des Wachstums und der Entwicklung
zu machen (Kempf 2005). Hier wird der ökonomische Erfolg ins Auge gefasst, insbesondere,
wenn die Zielbestimmung im Grundsatzpapier lautet: „[t]o achieve and sustain an average
gross domestic product (GDP) growth rate of over 7 per cent per annum for the next 15 years“
(NEPAD 2001: 14). Weiterhin wird in Paragraph 67 das Langzeitziel der Stärkung der Frau
genannt. Zur Erreichung dieser Ziele wurden seitens der NEPAD Aufgabenfelder definiert,
die weitere sekundäre Zielsetzungen beinhalten. Im Folgenden sollen diese Ziele, unter der
Berücksichtigung der in dieser Publikation behandelten Fallstudien, in das Schema nach
Schneckener (2004: 510-524)1 eingeordnet werden.
1 Die aufgeführten Ziele sind den Ausführungen von Orischnig (2004: 12-18), Jakobeit (2006: 21), dem Gründungspapier der NEPAD (2001), insbesondere Paragraph 66/67 sowie Kempf (2005) entnommen und beinhalten größtenteils nur die übergeordneten, langfristigen Zielsetzungen. Nicht mit eingeflossen in die Darstellung sind die seitens der NEPAD formulierten Ziele in Paragraph 102, 107, 109, 111 und 113 des Gründungspapiers, da diese sektorale Prioritäten sind. Diese sind unterschiedlich betrachtet und definiert sowie teilweise kurzfristig umzusetzen.
Tabelle 1: Aufgabenfelder der NEPAD
Sicherheitsfunktion Wohlfahrtsfunktion Legitimitäts- bzw. Rechtsstaatsfunktion
Sicherheit Beseitigung der Armut Demokratie Frieden Wachstum und Entwicklung
des Kontinents gute Regierungsführung
Stärkung von Mechanismen für Prävention, Behandlung und Lösung von Konflikten
Integration in die Weltwirtschaft
Verantwortungsvolle Wirtschaftspolitik und Unternehmensführung
Ausbau und Stärkung von unabhängigen Gerichten und der Justiz
Stärkung der Rolle der Frau Stärkung regionaler und subregionaler Integration
Ausbau der Infrastruktur, d.h. der Informations- und Kommunikationstechnologie, der Energie- und Wasserversorgung und der Transportwege
Menschenrechte
Entwicklung der menschlichen Ressourcen durch Verringerung der Armut, Stärkung der Bildungssysteme und Ausbau des Gesundheitswesens
Ausbau und Stärkung von unabhängigen Gerichten und der Justiz
Förderung der Landwirtschaft und Hebung des Lebensstandards der ländlichen Bevölkerung
Verbesserung des Umweltschutzes
Bewahrung des kulturellen Reichtums
Förderung von Wissenschaft und Technologie
Bruttoinlandsprodukt-steigerung von sieben Prozent in 15 Jahren
Bekämpfung von HIV/AIDS, Malaria und Tuberkulose
Entwicklung von Standards für die Fiskal- und Geldpolitik
Quelle: Eigene Darstellung
Das Schema zeigt, dass vor allem die Wohlfahrtsfunktion gestärkt werden soll und hier
seitens der AU der Schlüssel zur Stabilisierung der schwachen Staaten und des Kontinents
vermutet wird.
In weiteren Treffen der Mitgliedsstaaten der AU wurden einzelne Punkte ergänzt, deren
Bedeutung gewertet und in Gruppen Aktionsprogramme erarbeitet. So beläuft sich die Zahl
der Aktionsziele auf über 150 (Orischnig 2004: 27). Festzuhalten bleibt, dass die Umsetzung
der oben genannten Ziele sowohl die einzelnen Staaten Afrikas stärken würde als auch den
Kontinent insgesamt. Die Vielzahl der Aktionen, Ziele und Programmvorhaben kann dabei
nur durch Schaffung von Institutionen und Gremien erfolgen. Dies geschah ebenfalls im
Laufe des Jahres 2001. Dabei ist zu beachten, dass NEPAD keine Sanktionsmöglichkeiten
gegenüber einzelnen Staaten besitzt, die letztlich für die Umsetzung der Programme
alleinverantwortlich sind. Da die Kompetenzen, anders als bei der EU, jedoch rein
supranational geregelt sind, bleiben die Ziele zunächst einmal unverbindlich (Orischnig 2004:
29).
Nicht alle afrikanischen Staaten sind Mitglied der NEPAD. Für den Norden sind Ägypten,
Libyen, Algerien und Tunesien vertreten. Ostafrikanische Mitgliedsstaaten sind Kenia,
Äthiopien und Mauritius. Angola, Mosambik, Botswana und Südafrika gehören nach der
Einteilung dem südlichen Afrika an, für den Westen sind Nigeria, Senegal, Mali und Ghana
vertreten. Auch zentralafrikanische Staaten gehören der NEPAD an, dazu zählen Ruanda, die
demokratische Republik Kongo, Gabun und Kamerun (NEPAD 2005).
Laut Völkerrecht handelt es sich bei der NEPAD nicht um einen eigenständigen
Rechtskörper, da die AU als Überbau steht und sich die Arbeit der NEPAD auf die Länder
sowie die regionalen Wirtschaftseinheiten verteilt (Orischnig 2004: 19). Dennoch sind
mehrere Organe mit der Umsetzung des Programms beschäftigt. Kontrolle über die
Aktivitäten übt die Konferenz aller Staaten, die der AU angehören, aus. Diese Konferenz
gründete ein Komitee aus Staats- und Regierungschefs, das offiziell Heads of State and
Government Implementation Committee (HSIC) heißt und aus oben genannten Vertretern aller
Regionen Afrikas besteht. Das Gremium kommt alle vier Monate zusammen. Ein neu
gegründetes, eigenständiges Sekretariat soll die Ausführung der Programme überwachen. Als
drittes Gremium ist der Leitungsausschuss zu nennen (Steering Committee), der sich aus den
fünf Staatsoberhäuptern der Länder Südafrika, Algerien, Nigeria, Senegal und Ägypten
zusammensetzt.2 Diese sollten ursprünglich NEPAD leiten. Um eine bessere Vertretung aller
afrikanischen Regionen zu gewährleisten, entschieden sich die Regierungschefs der AU dann
aber doch für das HSIC (Kempf 2005). 2 Südafrika, Algerien und Nigeria waren maßgeblich an der Entwicklung von MAP (Millennium Partnership for the African Recovery Programme) beteiligt. Senegal zeigte sich für den OMEGA-Plan verantwortlich.
1.2 African Peer Review Mechanism (APRM)
Anders als die Vorgängerorganisation OAU fordert die AU von den Mitgliedstaaten, die
Menschenrechte einzuhalten und entwickelte mit dem African Peer Review Mechanism
(APRM) ein Novum. Während zuvor über eine strikte Nichteinmischung in innerstaatliche
Angelegenheiten in der OAU Konsens bestand, soll mit dem APRM ein Instrument eingeführt
werden, das die Regierungsführung jedes Landes transparent macht (DIE 2006: 1). Der
APRM ist ein freiwilliges Gutachterverfahren, das der NEPAD und deren Zielen gerecht
werden soll. Dazu muss sich jedes Land gesondert noch einmal dazu bereit erklären, ein
Gutachten durchführen zu lassen. Dies bedeutet, dass nur wenige AU-Mitglieder zurzeit auch
am Peer Review Mechanism teilnehmen. Bisher sind es 27 Staaten, die sich der freiwilligen
Kontrolle unterziehen wollen,3 unter ihnen auch die in Fallstudien betrachteten Länder
Ruanda und die DR Kongo.4 Dabei ist der Peer Review Mechanism kein verpflichtendes
Instrument, auch das anschließende Gutachten kann allenfalls öffentlichen Druck ausüben,
bindet die Staaten aber nicht an Reformen. Begründet wurde der APRM offiziell auf dem AU-
Gipfel in Durban im Jahre 2002 (Zimen 2006: 3). Zu den zu untersuchenden Themenfeldern
gehören: “Democracy and Good Political Governance, Economic Governance and
Management, Corporate Governance und Socio-economic Development.”
Um die Durchführung des Verfahrens sicherzustellen, wurde eine komplexe
Organisationsstruktur gebildet, die aus dem Komitee der Staats- und Regierungschefs der
teilnehmenden Staaten, einer Gruppe namhafter Persönlichkeiten (Panel of Eminent Persons,
APR-Panel) sowie dem Sekretariat (APR-Secretariat) besteht. Zusätzlich gibt es eine Gruppe
(APR-Team), die schließlich den APRM-Länderbericht erstellt (Weyel 2006). Das Verfahren
läuft in sieben Schritten ab. Zunächst muss der teilnehmende Staat sein Einverständnis geben
(Memorandum of Understanding), damit das APR-Sekretariat ein Background Paper erstellen
kann. Zur gleichen Zeit evaluiert sich das zu begutachtende Land selbst und bearbeitet den
individuell zugeschnittenen Frageboden, den es vom Sekretariat erhalten hat. Gegebenenfalls
wird zur Unterstützung eine Kommission entsandt. Nachdem der Eigenbericht verfasst wurde
und dem APR-Sekretariat vorliegt, erstellt dieses ein Issues Paper im Vergleich zum zuvor
3 Stand: Juni 2007 (NEPAD 2007) 4 Außer ihnen zählen hier Ägypten, Algerien, Angola, Äthiopien, Benin, Burkina Faso, Gabun, Ghana, Kamerun, Kenia, Lesotho, Malawi, Mali, Mauritius, Mosambik, Nigeria, Sambia, Senegal, São Tomé & Principe, Sierra Leone, Südafrika, Sudan, Tansania und Uganda.
verfassten Background Paper. Eine Kontrollgruppe (Country Review Team) reist in das Land,
das es zu begutachten gilt und erstellt den Country Report sowie das Final Programme of
Action. Das APR-Panel berät über das ihm vorliegende Gutachten und leitet es an das Forum
weiter, also an alle Staats- und Regierungschefs, die am APRM teilnehmen. Diese müssen
den Bericht absegnen, ansonsten wird er nicht veröffentlicht (Zimen 2006).
Wie bereits geschildert, steht das Ziel der good governance im Gründungsdokument des
NEPAD an oberster Stelle. Gerade der APRM soll eine Aussage über die Qualität der
Regierungsführung ermöglichen. In Hinblick auf Schneckener, der diesem Kriterium
ebenfalls einen nicht unwesentlichen Spielraum bei seiner Einteilung und Bewertung eines
Staates einräumt (Schneckener 2004: 510-524), wäre eine genauere Definition der good
governance hilfreich. Hierzu könnte der Corruption Perception Index (CPI) dienen.5 Dieser
zeigt, dass die in diesem Band näher untersuchten Staaten Ruanda und die DR Kongo mit
Platz 83 und 144 von 158 untersuchten Ländern zu den korruptesten Ländern der Welt zählen
(Transparency International Deutschland 2005). Auch der Index von Funke/Nsouli
bescheinigt den Afrikanischen Staaten ein Entwicklungsdefizit. Sie untersuchten „Quality of
Governance, Institutions and Public Services“ (Funke/Nsouli 2003: 10) und kamen zu dem
Ergebnis, dass afrikanische Länder weit hinter den aufstrebenden Ländern Asiens liegen.
Damit kann in der DR Kongo und Ruanda keinesfalls die Rede von good governance sein.
Obwohl Ruanda eines der ersten Länder war, das der Untersuchung mit Hilfe des APRM
zustimmte, liegt bis heute noch kein endgültiger Country Review Report vor. Einzig Ghana
und Kenia haben den Prozess bisher vollständig durchlaufen (NEPAD 2007). Weiterhin gibt
es seitens des Deutschen Institutes für Entwicklungspolitik Befürchtungen, dass Ruandas
Präsident manipulierenden Einfluss auf den Bericht nehmen könnte (DIE 2006: 4). De facto
sind anders lautende Ergebnisse als die oben aufgeführten von Funke/Nsouli sowie des CPI
nicht zu erwarten.
5 „Der Korruptionswahrnehmungsindex (CPI) listet Länder nach dem Grad auf, in dem dort Korruption wahrgenommen wird. Neun unabhängige Institutionen befragen dafür Amtsträger, Politiker, Geschäftsleute und Länderanalysten.“ (Morschhäuser 2006).
1.3 NEPAD und APRM – Chancen und Risiken
Ist im bisherigen Verlauf eine erste Kritik an NEPAD und dem APRM bereits vereinzelt
ersichtlich geworden, so soll es im Folgenden nun konkret um die Fragen gehen, welche
Chance die neue Initiative für die afrikanische Entwicklung bietet bzw. welche
Erfolgsergebnisse konstatiert werden können.
Zunächst einmal stellt sich die Frage nach der Notwendigkeit des APRM, besonders unter
Berücksichtigung der Tatsache, dass der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung (OECD) mit ihren Berichten zu Afrika eine ähnliche Rolle zukommt. Die
Berichte sind Empfehlungen ohne rechtliche Bindungswirkung wie die des APRM. Die
Chance des APRM liegt jedoch darin, dass es der erste eigene Begutachtungsversuch von
Afrikanern für Afrika ist, d.h. keine externe Institution oder ein von westlichen
Industriestaaten oktroyiertes Verfahren darstellt. So ist davon auszugehen, dass trotz des
bloßen naming and shaming von den afrikanischen Regierungen ein sanfter Druck
untereinander ausgeht, die eventuell eher auf innerkontinentale Kritik reagieren als auf
Repression von außen durch Weltbank und EU. Positiv formuliert könnte es heißen: Es gibt
keine Sanktion von externen Akteuren, sondern eine Hilfestellung durch Korrekturen bei
eigenem Fehlverhalten (Jakobeit 2006: 22). Hier schwingt ein neues Selbstverständnis mit.
Nicht die ehemaligen Kolonialherren sind für die heutigen Probleme der afrikanischen Staaten
verantwortlich, sondern diese werden sich ihrer Bedeutung und Verantwortung bewusst und
agieren nun von selbst und aus sich selbst heraus (Kempf 2005). Dieses Argument für die
Existenzberechtigung von NEPAD sowie des APRM unterstützt auch die Tatsache, dass laut
Eigenaussage NEPAD keine Parallelstrukturen schaffen wollte, sondern nur bereits
bestehende Institutionen neu beleben wollte (Orischnig 2004: 92).
Ob NEPAD wirklich darauf ausgerichtet ist, die gesellschaftlichen Verhältnisse in Afrika zu
ändern, wird jedoch von Melber hinterfragt. Er geht davon aus, dass NEPAD ein nach außen
gerichtetes Programm ist und nicht die lokale Wirtschaft fördern, sondern die internationale
Wettbewerbsfähigkeit verbessern will. So entwickelt sich seiner Meinung nach NEPAD zu
einer „Mega-NRO, die Hilfsgelder an Entwicklungsprogramme vermittelt“ (Melber 2005),
aber nicht die regionale Zusammenarbeit fördert.
Bis jetzt gilt es jedoch auch positiv festzuhalten, dass der Evaluierungsprozess alle
gesellschaftlichen Gruppen mit einbeziehen soll. Es geht hier also nicht um die Sichtweise der
zur Begutachtung stehenden Regierung. Diese Stärkung der zivilgesellschaftlichen
Institutionen ist sehr sinnvoll (die 2006: 4), allerdings darf zurzeit noch bezweifelt werden, ob
die Beteiligung breiter Gesellschaftsgruppen wirklich gegeben ist (Zimen 2006: 12). Es ist an
den Regierungen, sich am APRM zu beteiligen und diesen auch zu kommunizieren,
beispielsweise im Parlament, um die öffentliche Diskussion weiter anzuregen (Orischnig
2004: 92). So zeigt auch der bisherige Prozess, dass es von zentraler Bedeutung sein wird, die
afrikanischen Staatschefs davon abzuhalten, manipulativ in den Evaluierungsprozess
einzugreifen. Während Ghanas Regierung hier stets Zurückhaltung walten ließ, gibt es bei
Ruanda Befürchtungen, dass dort Einfluss genommen wird (Zimen 2006: 12). Allgemein
zeigen sich Schwierigkeiten im Bereich der Partizipation durch Bevölkerung, Regierungen
und regionale Institutionen. So verzögern sich Prozesse erheblich. Ging man anfänglich von
einer Gesamtbeurteilungsphase von knapp neun Monaten aus, so kann bereits jetzt festgestellt
werden, dass dieser Zeitraum zu kurz gewählt ist (Zimen 2006: 12). Lediglich die Reviews
Ghanas und Kenias sind momentan im Internet frei zugänglich (NEPAD 2007). Auch eine
Messung der Fortschritte ist kaum möglich, da im Vorfeld keine genauen Kriterien oder
Indikatoren festgelegt wurden (Kempf 2005).
Selbst wenn das Gutachterverfahren voranschreiten sollte, bleibt eine zentrale Frage im
Raum: Wie werden die Regierungschefs mit den Empfehlungen umgehen? – Zwar plant
Ruanda ca. 100 Millionen US-$ für Aktionsziele ein, doch werden diese dann tatsächlich auch
umgesetzt (DIE 2006: 4)? So weist Schwikowski zu Recht darauf hin, dass bisher nur Ghana
ernsthaften Reformwillen zeigte und die Kritik des APRM in Gesetze einfließen ließ. Es gab
in den letzten Jahrzehnten mehr als 40 Initiativen in Afrika, die allerdings ohne
Auswirkungen und sichtbare Folgen blieben (Kempf 2005).
Da die afrikanischen Staaten stets finanzielle Probleme haben, lohnt es zu fragen, woher das
Geld für den APRM und die Aktionsprogramme kommt. Hauptfinanzierer sind die EU, die
Weltbank und die Staaten der Gruppe der Acht (G8) (Schmidt 2005: 31). Dabei reagierten die
Staats- und Regierungschefs der führenden Wirtschaftsnationen sehr positiv auf die
Ankündigungen der NEPAD und dessen Ziele. Mehrere 100 Millionen Euro wurden in
Aussicht gestellt, um Programme zu fördern, die sich für Reformen im politischen sowie im
Infrastrukturbereich starkmachen. Auch friedenssichernde Maßnahmen und die AIDS-
Bekämpfung stehen bei der finanziellen Hilfe im Vordergrund (Schmidt 2005: 31). Zum einen
stellt sich dann die Frage der Unabhängigkeit von NEPAD und des APRM. Wenn die
afrikanischen Staatschefs Änderungen auf ihrem Kontinent vornehmen wollen und immer
wieder hervorgehoben wird, dass der APRM ein afrikanisches Projekt sei, sollte er dann nicht
auch eigenständig finanziert werden? „Nunmehr [tragen] Länder wie Großbritannien, Kanada,
Norwegen oder Schweden zur Finanzierung des APRM bei; vom Entwicklungsprogramm der
Vereinten Nationen (UNDP) [kommt] beachtliche technische und finanzielle Unterstützung“
(Weyel 2006). Oder ist das Programm nur eine geschickte Tarnung, um mehr
Entwicklungshilfe zu bekommen (Jakobeit 2006: 23)? Zumindest bleibt ein fader
Beigeschmack, wenn die bisherigen Transferleistungen in Bezug zu den Erfolgen bzw.
Misserfolgen gesetzt werden und so ist die Enttäuschung seitens der G8, was den Fortgang
des Evaluierungsprozesses angeht, nicht verwunderlich (Schmidt 2005: 31; Jakobeit 2006:
22). Positiv zu vermerken bleibt dann aber doch, dass zumindest das Thema Afrika wieder
ganz oben auf der Agenda der führenden Wirtschaftsnationen steht. Und so bleibt zu hoffen,
dass die angekündigte Linie, nur mit afrikanischen Staaten zu verhandeln beibehalten wird,
die „ihren politischen und finanziellen Willen zu guter Regierungsführung und
Rechtsstaatlichkeit, zu Investitionen in ihre Bevölkerung und zur Verfolgung von Politiken,
die das Wirtschaftswachstum anregen und die Armut bekämpfen […]“ (Kempf 2005).
1.4 African Standby Force
Die African Standby Force (ASF) soll „a force to support and keep peace for Africa’s
prosperity and a better life for all in the world” sein (The African Standby Force: 2007).
Dabei ist ihre Existenz, wie oben bereits erwähnt, durch das Gründungsdokument der AU
legitimiert. Die Kontrolle unterliegt dem Friedens- und Sicherheitsrat (PSC), der seit dem
Jahre 2004 funktionsfähig ist. Der PSC setzt sich aus wechselnden Mitgliedern zusammen,
die wie die NEPAD auch, jeweils eine Region Afrikas vertreten (Klingenbiel 2005: 12).
Bis zum Jahre 2010 soll die ASF eine Stärke von 15.000 Mann haben und militärisch voll
einsetzbar sein. Ob dieses Ziel erreicht werden kann, ist stark zu bezweifeln, da es zurzeit
noch Unklarheit über Finanzierung, Struktur und Aufgabenfelder gibt (Klingenbiel 2005:
13f.). Dies zeigte sich auch bei der African Mission in the Sudan (AMIS), die hauptsächlich
von der EU und den USA finanziert wurde und nicht, wie ursprünglich vorgesehen, durch die
AU (Regenbrecht 2003: 3-6).
Zudem ist es fraglich, ob die Bereitschaftstruppe überhaupt in ihrer derzeitigen Planung
zustande kommt, da viele Staaten ihre militärische Kompetenz nicht an eine höhere Instanz
abgeben wollen. Ob dieses „Problem“ bis 2010 gelöst werden kann, hängt vor allem von der
Kooperationsbereitschaft der AU-Staaten ab. So liegt der Schluss nahe, dass die ASF
allenfalls eine unterstützende Funktion übernehmen, Einsätze der UN aber nicht ablösen kann
(Regenbrecht 2003: 5).
Zusammenfassend bleibt also festzuhalten, dass es wesentlich an der Kooperationsbereitschaft
der AU-Mitglieder liegt, wie die Zukunft Afrikas gestaltet wird und ob der Staatszerfall
eingedämmt werden kann. Die Peer Reviews zeigen nur langsam Fortschritte, konkrete
Gesetzesinitiativen gab es bislang wenige. Auch die finanzielle Unterstützung seitens der EU
und den USA für eine nachhaltige Entwicklung und Etablierung eines neuen, institutionellen
Rahmens ist begrüßenswert, sollte aber stets an Forderungen gebunden sein, Ergebnisse zu
präsentieren. Eine unabhängige, eigenständige Friedenstruppe zur Sicherung der Grenzen, der
Ordnung und der Menschenrechte scheint vorerst nicht möglich zu sein, sollte deshalb aber
nicht gänzlich unbeachtet bleiben. Jahrzehntelange Entwicklungshilfe ist bisher wirkungslos
geblieben, was der aktuelle Failed States Index des Fund for Peace erneut konstatiert hat (The
Fund for Peace 2007). Nach wie vor sind besonders zentralafrikanische Staaten massiv vom
Staatszerfall bedroht, daher sollte der neue Ansatz aus Afrika für Afrika weiter beobachtet
und gefördert werden.
2. Organization of the American States (OAS)
Die OAS umfasst 35 Mitglieder aus Nord- und Südamerika sowie der Karibik, von denen 34
aktiv beteiligt sind. Kuba ist auf Drängen der USA seit 1962 nicht mehr stimmberechtigt
(OAS 2006), was zu einer Erosion der Organisation in den 1960er Jahren führte. Die OAS ist
eine der ältesten internationalen Organisationen der Welt (Gründung 1948) und vor dem
Hintergrund der amerikanischen Kolonialgeschichte entstanden. Sie agiert primär in der
amerikanischen Region, sprich innerhalb ihrer Gemeinschaft. „The OAS is the region’s
principal multilateral forum for strengthening democracy, promoting human rights, and
confronting shared problems such as poverty, terrorism, illegal drugs and corruption” (ebda.).
In erster Linie wollen die Mitgliedstaaten Frieden und Stabilität in der westlichen Hemisphäre
fördern sowie die oben genannten Ziele verwirklichen. Sie entscheiden im Konsens in der
Generalversammlung, in der Delegierte der Regierungen der Mitgliedstaaten sitzen. Dieses
Gremium beschäftigt sich auch mit Problemen, die außerhalb der amerikanischen Region
vorhanden und von allgemeinem Interesse der Weltöffentlichkeit sind, aber in erster Linie
stehen regionale Themen auf der Agenda. Des Weiteren wohnen den Sitzungen der
Generalversammlung ständige Beobachter aus Nationen anderer Regionen bei. Sie sammeln
Informationen über Einstellungen und Handlungsabsichten zu bestimmten Themenbereichen
oder Projekten der OAS.
Am 11. September 2001 verabschiedete die Organisation binnen kürzester Zeit eine neue
Grundlage politischen Handelns, die Inter-American Democratic Charta, die zunächst
Demokratie definiert und festlegt, dass die OAS aus freiheitlichen Staaten bestehen solle und
Rechtsstaatlichkeit sowie die Einhaltung der Menschenrechte im gesamten Gebiet
verwirklicht werden sollen (Taft/Ladnier 2006: 23). Daher ist die Verbreitung, Stärkung und
Erhaltung der Demokratie in der amerikanischen Region das oberste Ziel, dem die anderen
Ziele wie Armutsbekämpfung als Mittel zum Zweck dienen. Letztendlich unterstreicht diese
schnelle Verabschiedung der Charta die bedeutende Rolle der USA und den Beistand der
Mitgliedstaaten. Der Generalsekretär der OAS bekundete an diesem Tag in seiner Rede:
“On a day we were attacked as a Hemisphere – citizens of 30 hemispheric countries died that day – we committed not only to defend our territory, our security, and our people. We, on behalf of over 800 million people, committed to defend democracy.” (US Department of State 2006)
Im Juni 2005 z.B. setzte die Generalversammlung eine Mission ein, um zu verhindern, dass
separatistische Bewegungen in Nicaragua die Regierung auseinander brechen und sandte
2007 Wahlbeobachter in das Land (OAS 2007). Als weiteres Beispiel für eine
konfliktpräventive Intervention seitens der OAS zum Schutz der demokratischen Ordnung
und Rechtsstaatlichkeit kann der Einsatz der Missionen in Ecuador angeführt werden. Des
Weiteren wurde hier der Aufbau eines unabhängigen Gerichtes angestrebt, der durch zwei
Juristen der OAS immer noch überwacht wird.
Aber auch bilaterale Beziehungen zwischen OAS-Staaten oder einem OAS-Staat mit Dritten
werden durch die Organisation unterstützt bzw. vermittelt, wie zwischen Belize und
Guatemala, deren Beziehungen durch territoriale Streitigkeiten angespannt sind. Daher
schlossen diese beiden Staaten ein Abkommen im Rahmen der OAS, die seitdem
Rahmenbedingungen für Gespräche festsetzt.
Generell sieht die OAS selbst eine positive Entwicklung im Bezug auf den fortschreitenden
Demokratisierungsprozess wie Generalsekretär José Miguel feststellte. Gleichzeitig stellt er
die enormen Schwierigkeiten in der Region dar, die großen Einfluss auf die Stabilität von
Staaten haben.
”The region still faces enormous challenges, particularly because underdevelopment and extreme poverty continue to frustrate people’s dreams and aspirations. But one very positive sign is that people are participating in the democratic process and consider democracy as the only viable path to follow.” (OAS 2007).
Die OAS entsendet außerdem Wahlbeobachter, die Transparenz und Chancengleichheit von
Wahlen in den Staaten der Region überwachen sollen sowie als Hilfe zum Aufbau der nötigen
Institutionen und Einführungen in die demokratische Praxis eingesetzt werden. Allerdings
arbeitet die OAS in diesem Bereich nicht nur allein, sondern auch in Kooperation mit
internationalen Organisationen wie z.B. bei der Präsidentschaftswahl auf Haiti im Februar
2006. Bei dieser Mission unterstützte die OAS eine UN-Kampagne zur Wählerregistrierung.
Die Organisation hat den Anspruch, die Missionen auf die spezielle politische Situation eines
Landes zuzuschneiden, die daher unterschiedlich intensiv sind und bezüglich der Dauer und
des Umfangs des Projektes variieren. Dennoch sollen alle Missionen den gleichen
Grundsätzen entsprechen, die in der Inter-American Democratic Charta festgeschrieben sind.
„All missions shall be conducted in an objective, impartial, and transparent manner and with
the appropriate technical expertise” (OAS 2007).
Nicht nur demokratische Wahlen sollen unterstützt werden, sondern auch andere
demokratische Prinzipien wie die Einhaltung der Grund- und Menschenrechte, die
Gewaltenteilung, eine unabhängige und funktionierende Justiz sowie ein pluralistisches
Parteiensystem. Zu diesem Zweck kooperiert die OAS auch mit einzelnen Institutionen und
lokalen sozialen Organisationen. Durch das Sekretariat für politische Angelegenheiten kann
die OAS in einzelnen Staaten verschiedene Projekte beispielsweise zur Stabilisierung des
Gesetzgebungsprozesses oder der Etablierung einer demokratischen Kultur in einer
Gesellschaft bearbeiten. Auf der anderen Seite gibt es eine Initiative zur Beobachtung
politischer Parteien und deren Entwicklung. Im Zuge dessen wird ebenfalls die
Kommunikation in den Parlamenten überwacht. Seit 2006 existiert ein regionales Training für
junge politische Eliten, die in Funktionsweisen der Demokratie eingeführt werden und
Hilfestellungen für ihre Amtsführung bekommen, u. a. beteiligen sich Politiker aus Haiti,
Guatemala und Peru. Als weiterer Ansatz, der in die Richtung der Etablierung von
Demokratie arbeitet, kann auch das Schulprojekt angesehen werden. Democratic classrooms
vermitteln demokratische Werte und lehren die Schüler, wie sie als Staatsbürger politisch
partizipieren können, so dass hier bereits der Grundstein für den Erhalt der Stabilität und
Demokratie gelegt werden soll und die jüngeren Generationen in ihre Rolle als Staatsbürger
hineinwachsen können (OAS 2007a).
Die größten Probleme in der Region, die schwache Staaten charakterisieren, sind, neben dem
Defizit demokratischer Kultur, Armut und Arbeitslosigkeit. Aus diesem Grund hat der
Generalsekretär als weitere Ziele die Bekämpfung dieser Probleme formuliert.
”Governments must create a climate conductive to investment, with clear rules that open up markets and cut back on bureaucracy; they must also adopt policies that help lift people out of poverty and meet their basic needs. […] The fundamental task for policy and politicians is to solve people’s problems and not create new ones.” (OAS 2007b).
Trotz der Notwendigkeit einer gut koordinierten Zusammenarbeit im wirtschaftlichen Sektor,
um Kinderarbeit und Ausbeutung zu verhindern und eine stabile Wirtschaftslage in der
gesamten Region zu erzielen, gibt es keinen Konsens bezüglich der Wiederaufnahme der
Verhandlungen über die Schaffung eines gemeinsamen Wirtschaftsraumes FTAA (Free Trade
Area of the Americas). Dieser Prozess wird ebenfalls durch die wirtschaftliche Teilung der
gesamten Region in MERCOSUR (Mercado Común del Sur) und NAFTA (North American
Free Trade Agreement) erschwert, deren Zielsetzungen sehr unterschiedlich sind (Ammon
1998: 203).
Trotz aller Bemühungen seitens der OAS, Stabilität und Demokratie in den Mitgliedstaaten zu
fördern, betrachten externe Beobachter die OAS und ihre Projekte weitaus kritischer und
beurteilen die Entwicklungen als unzureichend. „The OAS has been reluctant to apply
coercive measures, not only when confronted with humanitarian emergencies like the Haiti
crisis“ (Taft/Ladnier 2006: 23). Dennoch war sie bisher auch in den meisten Fällen in der
Lage die Krise zu entschärfen, wie z.B. in Peru. Trotzdem liegt bisher kein konkreter
Maßnahmenkatalog für den Fall einer Krise vor, die eine Intervention erforderte, obwohl dies
ebenfalls ein Ziel der OAS darstellt. Langfristig soll nämlich eine gemeinsame
Sicherheitsstrategie aufgebaut werden (OAS 2003).
Die Entscheidungsfindung im Konsens schränkt ebenfalls den Erfolg der Operationen ein, da
lange in der Generalversammlung debattiert werden muss. Einige Mitgliedstaaten wie z.B.
Brasilien stehen ihrer eigenen Organisation kritisch gegenüber, weil sie diese selbst nur als
Sprachrohr der USA ansehen. Außerdem versucht in der OAS die Regierung Venezuelas, eine
Beistandsregelung zu militärischen Interventionen in innerstaatlichen Konflikten zu
verhindern, die auf Vorschlag der USA in die Charta aufgenommen werden soll. Insofern ist
die Angst vor einer militärischen Intervention der USA wie in Afghanistan oder dem Irak
größer als der Glaube an die Fähigkeit der lateinamerikanischen Staaten, selbst eine aktivere
Rolle einzunehmen (Taft/Ladnier 2006: 24).
Als weiterer Kritikpunkt wird die Haltung der OAS angesehen, dass sie in erster Linie
versucht, staatliche Souveränität zu schützen und dies auch ein Grund für oft zögerliche oder
keine Intervention ist. So kritisierte z.B. eine OAS-Wahlbeobachterkommission die
Beurteilung der Wahlen in Nicaragua 2006 durch ausländische Vertreter, die dem Obersten
Wahlrat mangelnde Objektivität vorwarfen.
„Die Zukunft der politischen Einrichtungen in diesem Land hängt ausschließlich von der Entscheidung der nicaraguanischen Bürger ab. Für die OAS-Kommission besteht die Rolle der internationalen Gemeinschaft darin, dass sie mit den nicaraguanischen Einrichtungen und Organisationen zusammenarbeitet, damit der Wille des nicaraguanischen Volkes in freien und transparenten Wahlen zum Ausdruck kommen kann.“ (zitiert in Nicaragua-Forum Heidelberg 2006)
Generell lässt sich die gewichtige Stellung der USA in der OAS sowie das
Konkurrenzverhältnis zu Brasilien und die die USA unterstützende Einstellung Mexikos nicht
bestreiten. Die unterschiedlichen Interessen lähmen sowohl den Entscheidungsprozess als
auch die Weiterentwicklung der Institutionen und das koordinierte Agieren.
3. Der Mercado Común del Sur (MERCOSUR)
Der MERCOSUR wurde 1991 zwischen sich entwickelnden, aber für sich allein
wettbewerbsschwachen Staaten gegründet (Fischer 1999). Er ist ein Zusammenschluss der
Staaten Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay, die sich in erster Linie auf
wirtschaftlicher Ebene annähern wollen, um einen gemeinsamen Markt zu errichten. Im Zuge
dessen wurden als Ziele Wohlfahrtssteigerung, Schutz der eigenen Märkte vor
Marginalisierung, politische und sicherheitspolitische Stabilität in der Region festgehalten
(Fuchs 2005: 10). Dabei hat Chile lediglich einen Beobachterstatus inne. Dennoch sind durch
ein Assoziationsabkommen auch Chile und Bolivien in den Integrationsprozess involviert.
„Der regionale Pakt umfasst damit ungefähr die Hälfte der Bevölkerung und
Wirtschaftsleistung Lateinamerikas und hat daher das Potential, eine wirtschaftlich und
politisch signifikante Rolle in der Welt zu spielen“ (Fuchs 2005: 12).
Der MERCOSUR versteht sich selbst als Stabilitätsmoment in der Region (Mercosur 2007)
und versucht durch ein Netz der politischen Sicherheit, eine gute Grundlage für eine
gesteigerte Wirtschaftsleistung zu schaffen. Durch die vertiefte wirtschaftliche Verflechtung
und Vernetzung der jeweiligen Interessen der unterschiedlichen Akteure aus Wirtschaft,
Politik und Gesellschaft soll längerfristig auch eine verstärkte politische Kooperation
entstehen bzw. die politische Integration voranschreiten. „En efecto, los avances en la
construcción del mercado común implican necesariamente la conformación de un ‘espacio
político común’ en el que en forma implícita rige una ‘política MERCOSUR’” (ebda.).
Tatsächlich impliziert der Vorstoß zur Schaffung eines gemeinsamen Marktes
notwendigerweise die Bildung einer gemeinsamen politischen Ebene, auf der eine
MERCOSUR-Politik geformt werden kann.
Im Gegensatz zum nordamerikanischen Wirtschaftsbündnis NAFTA, in dem der Markt als
entscheidender Faktor über Maßnahmen der Mitgliedstaaten gilt, dienen innerhalb des
MERCOSUR die politischen Eliten als Förderer der Integration (Ammon: 1998: 97). Im
Consejo del Mercado Común treffen Vertreter der Mitgliedstaaten aus den Außen- und
Wirtschaftsministerien verbindliche Entscheidungen, denen allerdings keine Frist für die
Umsetzung zugrunde liegt und die nach dem Konsensprinzip intergouvernemental getroffen
werden. Der Grupo Mercardo Común, das Exekutivorgan, kann ebenfalls verbindliche
Resolutionen verabschieden. Alle weiteren Organe können nur beratend agieren, sie
beschäftigen sich u. a. mit sozialen Fragen (Fuchs 2005: 14). Generell beschlossen die
Mitgliedstaaten in multi- und bilateralen Abkommen, v. a. nach der Krise, die 1998
kulminierte, die Vernichtung von Landminen sowie die Nichtproliferation von Nuklearwaffen
(Taft/Ladnier 2006: 24).
Dennoch muss hervorgehoben werden, dass innerhalb des MERCOSUR die Interessenlagen
weit auseinander liegen und dass somit die Mitgliedstaaten nur zögerlich bereit sind,
Entscheidungskompetenzen in politischen Bereichen von der nationalstaatlichen auf die
supranationale Ebene abzutreten. So liegt z.B. der brasilianische Markt an der Spitze
innerhalb der Organisation, so dass Brasilien eine Hegemonialstellung einnimmt, um deren
Verlust die brasilianischen Machthaber fürchten, falls eine ausgedehnte Integration stattfindet.
Parallel dazu möchte Brasilien eine bilaterale Annäherung zwischen Argentinien, dessen
Markt ebenfalls große Kapazitäten besitzt, und den USA verhindern. Insofern sind die
brasilianischen Vertreter aus eigenen Machtinteressen sowohl in der OAS als auch im
MERCOSUR skeptisch gegenüber Annäherungsbestrebungen seitens der USA zu
lateinamerikanischen Staaten eingestellt.
Tabelle 2: MERCOSUR in Zahlen
Land Bruttoinlandsprodukt in US-$ Mrd. 2001
Bruttoinlandsprodukt je Einwohner in US-$ 2001
Brasilien 501 2.896 Argentinien 263 6.414 Chile 63 4.200 Bolivien 7 875 Paraguay 7 1.166 Uruguay 19 6.334 total 860 3.647
Quelle: Brasilien.de 2007
Vor allem seit 1998 verdeutlichten Handelskonflikte und Kapitalflucht, insbesondere aus
Brasilien, dass die Mitgliedstaaten nicht in der Lage sind, sich auf längerfristig angelegte
Lösungen zu einigen. Vollkommen entgegen dem Vorhaben, die politische Integration zu
verwirklichen, versuchten die Staaten kurzfristige Lösungen unilateral zu beschließen und
durchzuführen. Dies bewirkte auch eine Kooperation der beiden wirtschaftsstärksten Nationen
Argentinien und Brasilien, wodurch die Staaten mit schwächeren Volkswirtschaften verstärkt
die Krise zu spüren bekamen (Fuchs 2005: 16). Aber auch die kleineren Staaten verfolgten in
der jüngeren Vergangenheit zunehmend eigene Interessen wie z.B. Paraguay, das nach Ende
der Diktatur internationale Anerkennung gewinnen wollte.
Außerdem wollen die Mitgliedstaaten keine Entscheidungsgewalt der Organisation im
sicherheitspolitischen Bereich, sondern versuchen sich eher mit nationalen Ressourcen an
internationalen Operationen zu beteiligen, wie Brasilien und Chile auf Haiti. Allerdings
scheuen z.B. Argentinien und Uruguay eine militärische Intervention ohne UN-Mandat und
damit völkerrechtliche Absicherung (Taft/Ladnier 2006: 24). Insofern sind die
Mitgliedstaaten des MERCOSUR weit davon entfernt, eine gemeinsame Position zu
Konflikten zu beziehen bzw. als Einheit zu operieren.
4. Fazit
Wie die Darstellung der beiden amerikanischen Organisationen zeigt, gibt es verschiedene
Akteure in der amerikanischen Region mit unterschiedlicher Zielsetzung. Die Mitgliedstaaten
beider Organisationen scheuen noch davor zurück, nationalstaatliche Kompetenzen an eine
höhere Ebene abzutreten und sich von bilateralen Abkommen in Richtung einer effektiven
Einbindung in multilaterale Organisationen zu lösen.
Die weit auseinander liegenden Interessen sorgen für eine Fragmentierung, die sowohl in der
OAS als auch im MERCOSUR zu beobachten sind. Als besonders problematisch für die
Weiterentwicklung der Organisationen sind die Haltungen der Hegemonialstaaten, der USA
aber auch Brasiliens, zu bewerten. Beide wollen weder ihre Stellung verlieren noch an den
oder die anderen Staaten Zugeständnisse machen. Aber auch Mexiko nimmt eine
Schlüsselstellung im Integrationsprozess der OAS ein; durch seine Mitgliedschaft in der
NAFTA und dem Bestreben, die USA zu einer moderateren Migrationspolitik für
mexikanische Staatsbürger zu bewegen und daher das eigene Verhalten eventuell an der
Haltung der USA zu orientieren.
Das gravierendste Problem in der Region oder für die Region stellt der parallele Ablauf
mehrerer Integrationsprozesse dar, die jeweils unterschiedliche Ansätze verfolgen. Letztlich
ist es viel schwieriger für die amerikanischen Staaten einen Konsens zu finden, wenn sie
gleichzeitig in anderen Bündnissen auch unterschiedliche Ziele verfolgen.
Der Ansatz, nach dem ein regionaler Akteur besser in einer Region intervenieren kann als ein
fremdregionaler Akteur oder eine internationale Organisation, kann nur dann verwirklicht
werden, wenn die oben genannten Probleme und Defizite beseitigt werden. Das heißt, es
sollte ein einheitlicher Wirtschaftsraum geschaffen werden, der ebenfalls die politische
Integration anstrebt. Außerdem muss ein gemeinsamer Maßnahmen-, Handlungs- und
Sanktionskatalog geschaffen werden, der für alle Mitgliedstaaten verbindlich sein muss. Des
Weiteren müssen klare Richtlinien für die Umsetzung der jeweiligen Projekte beschlossen
werden, die die Umsetzung vereinfachen.
Letztlich könnten, so die Hoffnung, die gelegentlich von außen an die von Staatsverfall und
Staatszerfall betroffenen Regionen herangetragen wird, regionale Akteure besser auf
regionale Gegebenheiten reagieren und dort aus der jeweiligen Tradition heraus agieren.
Allerdings können auch diesen Akteuren von der internationalen Staatengemeinschaft nur
dann Kompetenzen übertragen oder Aufträge zur selbständigen Durchführung von Projekten
bis hin zur eigenen Entscheidung über eine Intervention erteilt werden, wenn die
amerikanischen Organisationen an Glaubwürdigkeit und Ernsthaftigkeit in der internationalen
Staatengemeinschaft und Weltöffentlichkeit gewinnen und beweisen, dass sie in der Lage
sind, die positive Entwicklung ihrer Region voranzutreiben. Momentan zeichnet sich keine
solche Entwicklung ab; dennoch sollten vor allem die Vereinten Nationen den
Integrationsprozess in der amerikanischen Region fördern, um in Zukunft auch auf die
Handlungsstrategien der regionalen Akteure als Ressource zurückgreifen zu können.
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