Sie sind klein. Sie sind bunt. Sie sind exklusiv. Sie sind die Eintritts-karte für das Abenteuerland der Gaumenfreuden. Einzigartige Röst-verfahren und feinste Arabicas geben den Sorten ihre charakteristische Noten, von blumig zart bis kräftig holzig. 16 verschiedene Exkursionen des Genusses stehen für die Kaffeeliebhaber zur Auswahl, jede Kapsel in schimmernder Farbe getaucht. doch nicht jedem ist auf Anhieb der Kurztrip zur Zungenwellness gegönnt. Die Exklusivität basiert auf dem Besitz einer kapselkompatiblen Maschine für die einzig authentische Zubereitung. Weiterhin benötigt man eine Mitgliedschaft des Nespresso Clubs für die Kauflizenz der Grands Crus. Maschine, Club, Kapseln - die heilige Dreifaltigkeit des modernen Kaffeekonsums. Bis zur ersten Tasse des flüssigen Glücks ist es ein interessanter Weg.

Das Schicksal hatte es schon gut gemeint, der Kauf einer Maschine war nicht mehr notwendig. Die beigelegte Lektüre erklärt den nächs-ten Schritt: die obligatorische Mitgliedschaft (heiliges Dreieck!). Der schnellste Weg führt selbstverständlich in das Worldwideweb: auf einer dezent animierten und glücklicherweise unvertonten Website lässt sich sofort und in wenigen Schritten ein Kunden-Account einrichten. Doch jetzt wird es erst spannend: das durch die einfache Anmeldung untypisch dynamisierte Exklusiv-Verfahren gewinnt auf einen Schlag wieder an statischer Seriösität, denn die Kapseln sind nur mit gültiger Kreditkarte bestellbar. Wer dieses bourgeoise Stück Plastik nicht sein Eigen nennen kann, muss sich doch noch unter das breite Volk mischen und sich in eine der wenigen, ausschließlich für Nespresso-Artikeln eingerichteten Verkaufsflächen, in die Nespresso Boutiquen, begeben. Heißt in diesem Fall - laut Fachhändler-Suche des Internetauftritts - in das Obergeschoss des Kaufhauses Breuninger in der Stuttgarter Innen-stadt. Der Kunde darf bald König sein!

Zum Glück gibt es zu jeder Maschine schon einmal ein Probe-Set mit jeweils einer Kapsel pro Geschmacksrichtung. Inklusive Service-Broschüre, in der Kapsel für Kapsel die verschiedenen Geschmacksnu-ancen definiert sind. Eine Vorauswahl für den späteren Kauf zu treffen würde jedoch in keinem Fall in Frage kommen. Die volle Bandbreite soll es sein.Die aufregende Reise beginnt an Breuningers Pforten. Aufmerksam werden diese durch einen Mitarbeiter mittleren Alters geöffnet, mit überraschend passenden Milchkaffee-Teint, in perfekt sitzendem Anzug und weißen Handschuhen. Die ebenso strahlend weißen Zähne blitzen und bilden den Rahmen für ein freundliches „Guten Tag die Dame!“. Guter Mann!

Eine Reise des guten Geschmacks

Um den Charakter ferner Kulturen zu erfahren bedarf es keiner weiten Reise in exotische Länder. Grand Cru heißt das Zauberwort zur Eröff-nung einer neuartigen Genusswelt der altbekannten Kaffeespezialitä-ten. Die Namen klingen wie tausendundeine Nacht: Rosabaya - Indriya - Dulsao... oder erwecken die Lust eines spontanen Wochenendtrips nach Italien: Ristretto - Arpeggio - Roma. Es ist jedoch eine spannende Reise bis zum Erwerb des eigenen braunen Pulvers.

Nach hastigem Eintritt durch die überdimensionierten Glastüren setzt die erste Lähmung in den Beinen ein: das eigentlich bekannte Gebäude lässt nur einen geringen Wiedererkennungseffekt zu. Hier sah‘s doch letztes Mal noch ganz anders aus? Das einmal offen und übersicht-liche Leder-Areal ist nun ringsherum in halb verglaste halb verspie-gelte Abteile der jeweiligen Taschenfabrikanten abgetrennt. Nur die Rolltreppen auf zwölf Uhr sind noch dieselben. Nach zehnsekündiger Orientierungsphase bleibt der Blick rechts an dem circa einem Meter breiten Durchgang zwischen Rolltreppe und in den Raum greifenden und verspiegelten Glasfront hängen. Unmissverständlich stet in breiten und goldenen Lettern Hermès auf der Glasfassade, der Taschenbote und -Gott zugleich. Doch der heutige Himmel der Geschmackssehnsucht strahlt woanders. Wie man das von psychologisch wertvoll ausgearbei-ten Grundrissen profitversprechender Verkaufsräume kennt (die sich meist noch dazu mit Einzelschicksal paaren) darf nun der komplette Haupt- und Mittelbau sowie jedes Stockwerk der insgesamt vier betre-ten werden. Zum Glück ist die Koffeinsucht größer als der kurzlebige Kaufrausch, daher wird schnell der eben erspähte Ausweg genutzt und die Reise durch das wieder bekannte Kaufparadies kann ohne weitere Ablenkung losgehen. Die erste Etappe führt weiter durch die unüber-sichtliche Lederlandschaft. Der Weg schlängelt sich über zwei Ebe-nen durch Tische voller Ledertaschen und -Accessoires, über ein paar Stufen vorbei an weitläufigen Regalen extravaganter Damenbesohlung. Kurz innehalten, tief einatmen und die Duftwolke der sich ankündigen-den Parfümabteilung durchbrechen. Auch die Kosmetika, die Flakons und Tiegelchen, Tuben und Dosen an den verspiegelten Wänden gilt es zu ignorieren. Der kluge Stuttgarter geht selbstverständlich, wenn er kann, unter der Woche in das Gebäude, so bleibt ihm das große Parcourlaufen zwischen Menschenmassen und Präsentationsmöbeln er-spart. Über die Rolltreppe 1. Stock - Damen Casual, 2. Stock - Damen Sport, 3. Stock - Herren Anzüge und schließlich 4. Stock - Bettenab-teilung! Dem Koffein-El-Dorado ganz nah. Der Duft des einzigartigen Aromas erreicht schon nach dem Absprung der letzten Rolltreppenstufe die Nase und verströmt im Körper eine warme Welle der Aufgeregt-heit. Die letzten Schritte gehen wie von selbst. Hinter Himmelbetten und Kissentürme erstreckt sich eine Wand des bunten Gaumenglücks! Jede Sorte in einer anderen Farbigkeit, so sind auch die stangenförmi-gen Verpackungen sortiert aufgestapelt. Vor der Wand befindet sich in geringem Abstand die Verkaufstheke. Die Verkäuferinnen, breunin-gerkonform in weißen Blusen und schwarzen Westen, tragen jedoch stilbruchgleich braune Halstücher mit dem unverkennbaren Nespresso-Aufdruck. Die jungen Frauen wirken klein im Gegensatz zu der meter-hohen und -langen Wand der Grands Crus.

„Guten Tag, was kann ich für Sie tun?“ Die doch sehr große Frau mit braunem Pagenkopf waltet ohne zu zögern ihres Amtes.„Einmal von allem bitte!“„Sehr gerne.“Sie stapelt Stange um Stange.„Sind Sie schon Clubmitglied?“„Ich habe einen Nespresso-Account auf der Kundenwebsite.“„Wie ist ihr Kundenkennwort?“„Wo steht das?“

Infokasten Die 16 Grands Crus auf einen Blick, sortiert nach Intensität:Ristretto: südamerikanische und ostafri-kanische Arabicas, kräftiger Geschmack, fruchtige und säuerliche Nuancen.Indriya from India: Arabica mit Spur Robusta aus Südindien. Kakao- und Gewürznote.Arpeggio: Arabicas aus Süd- und Mittel-amerika. Röst-, Holz- und Kakaonoten.Roma: Arabicas aus Süd- und Mittelame-rika, Spur Robusta, Röst- und Holznote.Fortissio Lungo: Arabicas aus Süd- und Mittelamerika. Bittere Note, Spur Ro-busta. Decaffeinato Intenso: kräftig, koffeinfrei, Kakao- und Getreidenote.Arabicas aus Südamerika. Hauch Robus-ta.Livanto: Arabicas aus Süd- und Mittel-amerika. Karamellisierte Röstnote mit fruchtiger Nuance.Rosabaya de Colombia: Kolumbianische Arabicas. Milde, fruchtige Note. Capriccio: Südamerikanische Arabicas. Getreidenote.Dulsao do Brasil: Brasilianische Arabi-cas. Getreide- und Malznote. Hauch von Honig und Sirup.Vivalto Lungo: Südamerikanische und Ostafrikanische Arabicas. Zarte blumige Note.Volluto: Brasilianische und kolumbi-anische Arabicas. Milde, an Gebäck erinnernde Note. Finezzo Lungo: Arabicas aus Ostafrika, Süd- und Mittelamerika. Blumige Note.Cosi: Ostafrikanische, Süd- und Mittel-amerikanische Arabicas. feine Zitronen-note, leichter Körper.Decaffeinato Lungo: Arabicas aus Bra-silien und Kolumbien. Samtiger Körper, Röst- und Getreidenoten. Decaffeinato: Südamerikanische Arabi-cas. Leichter Körper, entkoffeiniert. Note von roten Früchten und getrockneten Früchten und Getreide.

„Haben Sie schon mal etwas gekauft?“„Nein, heute das erste Mal.“„Haben Sie eine Nespresso-Maschine?“„Natürlich!“„Woher?“„Geschenkt gekriegt!“„Wenn Sie noch nichts gekauft haben, dann sind Sie noch kein richtiges Clubmitglied.“„Was heißt das jetzt?“„Sie kaufen nun diese Stangen und erhalten dazu eine Kaufbestätigung mit Kundenkennwort. Dies benutzen Sie auch bitte für den Account im Internet!“„Ah okay, danke!“„Und sollte mal etwas mit der Maschine sein, dann fordern sie unter der Service-Hotline einen Nespresso-Techniker an, kostenfrei natür-lich!“„Geht klar!“

Nach der gängigen Kaufabwicklung mit dem expliziten Verweis auf das neu erhaltene Kundenkennwort, welches auf der Rechnung steht, und die abermalige Erinnerung an einen ausgezeichneten Service, der immer unter der - ebenfalls auf der Rechnung gekennzeichneten - Hot-line erreichbar ist, darf das frischgebackene Nespresso-Clubmitglied den Weg zufrieden zurück antreten.

Endlich daheim angekommen, der Puls rast, Tür auf, Schlüssel - schnell auf Schreibtisch gepfeffert, Handtasche auf den Boden fallen gelassen, Jacke in die Ecke geschmissen ... doch dann behutsam die Tüte mit den Pappstangen, die den wertvollen braunen Pulver beinhal-ten, in die Küche getragen.Maschine an - die Taste die den Durchlauf in Gang setzt blinkt langsam in stechend grüner Farbe - warten, warten, warten bis es aufgeheizt ist, derweil Küchenschrank aufreißen und Tasse rausholen - jetzt! Blink blink blink es ist soweit!Sofort die volle Intensität, Pappschachtel aufreißen und die erste schwarze Kapsel landet ohne Umwege in die Maschine. Grüne Taste drücken und chhhrrrrhhhrrrr... das geliebte Surren, das die baldi-ge Suchtbefriedigung verspricht. Ein dünner brauner Rinnsal strotzt aus der Maschine. Die Finger suchen schon den Henkel, der köstlich kräftige Duft steigt empor, die letzten Tropfen fallen auf die Crema... mmmmhhhh....

Ein ruhiger Dienstagnachmittag, einige Wochen später. Das Telefon klingelt.„Eichner.“„Guten Tag Frau Eichner, hier ist Erika Schmidt von ihrem exklusiven Nespresso Service Team. Ich wollte nachfragen, ob bei Ihrer Maschine

InsidertippDas Breuninger in Stuttgart ist ein 35.000 Quadratmeter großes Kaufhaus, das schwerpunktmäßig Textilien des mittleren und gehoben Marktsegments anbietet. Auch wenn die Verkaufsfläche enorm klingt, an Samstagen und kurz vor und nach den großen Feiertagen sind die sch-malen Gänge zu meiden für diejenigen, die nur ein wenig bummeln und shoppen wollen. Man sollte keinen Rempler mit der Stuttgarter-Killesberg-Prosecco-Gesellschaft provozieren.Es ist unnötig, das Verkaufspersonal auf die überschaubare Kleiderfarbenordnung anzusprechen. Daran hat und wird sich seit Beginn der Firmengeschichte nichts ändern. Neben der Nespresso-Boutique hat erst kürzlich ein System-Gastronom eröffnet, der frisch und schnell und vor allem für Breuninger-Verhältnisse erschwing-lich zubereitet. Nutzen solange es ein Geheimtipp ist und es noch Spätzle statt Sushi gibt!

alles in Ordnung ist?“Unterdrücktes Lachen. „Meiner Maschine geht‘s super, danke der Nachfrage!“„Schön, das freut mich. Ist Ihnen nichts aufgefallen, das Ihnen unge-wöhnlich vorkommt, ein Geräusch oder etwas in der Art?“„Mhm, ne, manchmal brauch sie nur länger, liegt aber wahrscheinlich dran, dass ich die mal entkalken muss. Schwäbisch Gmünd hat sehr kalkiges Wasser, wissen Sie!“„Ja das kann sein. Aber nicht jede Kapsel läuft gleich schnell durch. Roma zum Beispiel braucht viel länger als Volluto. Jede Kapsel ist anders!“„Aber sie schmecken alle so unglaublich gut!“„Das freut uns, dass Sie mit dem Produkt zufrieden sind. Wenn irgend-was sein sollte können Sie uns jederzeit erreichen, Hotline steht im Internet oder auch auf den Rechnungen die Sie beim Kauf erhalten. Wenn was mit der Maschine nicht stimmt, schicken wir Ihnen einen Nespresso-Techniker direkt ins Haus, kostenfrei natürlich!“„Vielen Dank, werd ich machen. Schön dass Sie angerufen haben! Auf Wiederhören!“„Schönen Tag noch Frau Eichner!“

Hach, milde Stimmung. Rosabaya wäre jetzt gut.

Elisa Eichner, KG-A