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RELIGION
DEMOKRATIE
VIELFALT
Kerstin Griese Tuba IşıkDietmar MolthagenWolfgang Thierse
ARBEITSPAPIER RELIGION UND POLITIK 3
INHALT
VORWORT DES HERAUSGEBERS
DIE BEDEUTUNG VON RELIGION IN DER DEMOKRATIE
WolfgangThierse
WAS IST HEUTE RELIGIONSPOLITIK UND WELCHEN BEITRAG KANN
DIE SOZIALDEMOKRATIE DAZU LEISTEN?
KerstinGriese
MULTIRELIGIOSITÄT ALS POLITISCHE HERAUSFORDERUNG UND CHANCE
TubaIşık
DIE RELIGIONSPOLITISCHE DIMENSION DER FLÜCHTLINGSFRAGE
DietmarMolthagen
ANHANG:
DIE AUTORINNEN UND AUTOREN
DIE FACHGESPRÄCHE DER WERKSTATT RELIGION UND POLITIK
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27
35
36
3INHALT
4 5RELIGION – DEMOKRATIE – VIELFALT
VORWORT DES HERAUSGEBERS:
Religion istpolitisch:DiedeutscheVerfassungsiehtanbestimmtenStellendieZusammen-
arbeit vonReligionundPolitik vor – etwabeimbekenntnisorientiertenReligionsunterricht
anSchulennachArt.7,Absatz3GG.ZudemistunserGrundgesetznichtlaizistisch,sondern
voneinerreligionsfreundlichenNeutralitätdesStaatesgeprägt.ReligionistzugleichausSicht
deseinzelnenGlaubendenpolitisch,dennausderreligiösenÜberzeugungerwächstVerant-
wortungsbewusstseinfürdasGemeinwesenundderAnspruch,Gesellschaftmitzugestalten.
Religionistaberauchdeswegenpolitisch,weilüberreligionsbezogeneFragenindenver-
gangenenJahrenintensivdiskutiertwurdeundamEndedieserDebattenpolitischeEntschei-
dungenoderdieNeuregelunggesellschaftlicherPraxis standen.ÖffentlicheDebattenüber
diereligiöseBeschneidung,dasKopftuchverbotfürLehrerinnenoderden„DrittenWeg“im
kirchlichenArbeitsrechtwurdenintensivgeführtundmündetenteilweiseinGesetzesänderungen.
UndreligionsbezogeneThemeninteressierenreligiösegenausowienichtreligiöseBürgerinnen
undBürger.
WeilReligionindiesendreigezeigtenDimensionenpolitischist,mussüberdieRollederReligion
inderDemokratieimmerwiederneunachgedachtwerden–auchwenneinegroßeMinder-
heitderBevölkerungsichkeinerReligionsgemeinschaftzugehörigfühlt.Diespassiertetwain
der„WerkstattReligionundPolitik“derFriedrich-Ebert-Stiftung. IndiesemProjektwerden
grundlegendeundaktuellereligionspolitischeFragenzurDiskussiongestellt.DasBesondere
istdabeiderinterreligiöseAnsatz,dastetschristliche,jüdischeundmuslimischePerspektiven
zuWortkommen.GenausosindinallenFachgesprächenPolitik,VerwaltungundWissenschaft
vertreten.Dadurchentstandeinmultiperspektivischer, interreligiöserundzugleich interkon-
fessionellerDiskussionszusammenhang,derbislangseltenist.
OftmalskreistendieDiskussionenindenWerkstattgesprächenumdiegrundlegendeFrage,
welcheRolleReligionsowieKirchenundReligionsgemeinschafteninderDemokratieundin
einervielfältigenGesellschaftspielen.SokameszudemtitelgebendenDreiklangReligion–
Demokratie–Vielfalt.
DieGesellschaftistindenvergangenenJahrenvielfältigergeworden.ZumeinendurchEin-
wanderungundes ist füreinenrealistischenBlickaufdasLandgut,dasssichseiteinigen
JahrendieErkenntnisdurchgesetzthat,dassDeutschlandeinEinwanderungslandist.Parallel
zurEinwanderungausverschiedenenLändernundvonMenschenverschiedenerkultureller
undauchreligiöserPrägunghatsichdieGesellschaftzumanderenaberauchinsgesamtplu-
ralisiert.EslebenheuteBürger_innensehrverschiedenerkulturellerPrägung,individueller
Lebensweise,WerthaltungundebenReligionoderWeltanschauungmiteinanderinDeutsch-
land.DieselebensweltlicheVielfaltisteinAusdruckderinDeutschlandherrschendenindivi-
duellenFreiheit.InsofernistsieunbedingtzuverteidigengegenjedeIdeeeiner(Re-)Homo-
genisierung,wiesieindenzugespitztenDebattendesHerbstes2015umdieEinwanderung
vonGeflüchtetendurchausauchzuhörenist.Sieführtaberzugleichalltagspraktischimmer
wiederzuHerausforderungenfürdasfriedlicheundgleichberechtigteZusammenlebenunter-
schiedlicherMenschen.
IstVielfalteinegesellschaftlicheRealität,dannbedeutetDemokratiedieStaats-undGesell-
schaftsform,dieVielfaltüberhaupterstermöglichtundsichert.DiedemokratischenGrundsätze
gebendabeizugleichauchdieGrenzenvielfältigerLebensentwürfevor:Diskriminierungist
ebensowenigzulässigwieeineÜberhöhungdereigenenÜberzeugung,dieandereabwertet.
DemokratieistsomitauchderGarantfürReligionsfreiheitundreligiöseVielfalt.
Esüberraschtalsonicht,dassderDreiklangReligion,Demokratie,Vielfaltimmerwiederdie
Diskussionen inderWerkstattReligionundPolitikderFriedrich-Ebert-Stiftunggeprägthat.
WobeiesindenaktuellenreligionspolitischenFragen–seiesnachReligionsunterricht,nach
Staatskirchenleistungen,nachderGleichberechtigungunterschiedlichgroßerReligionsgemein-
schaften–immerwiederderDebattebedarf,wiedieserDreiklangkonkretauszugestaltenist.
IndiesemArbeitspapierhabeneinigederWerkstattmitgliedernocheinmalihrespezifischen
Gedankendazuniedergeschrieben.EsistbewussteinZwischendokumentderWerkstattarbeit
undsoverstehensichdiehierversammeltenGedankenundVorschlägenichtalsletztgültige
Positionsbestimmung,sondernalsAnstoßfürdieimmerwiedernotwendigereligionspolitische
Diskussion.
DenAutorinnenundAutorendiesesArbeitspapiersdanktdieFriedrich-Ebert-Stiftungherzlich.
EbensogiltunserDankallenReferentinnenundReferentenderinzwischenneunWerkstatt-
gespräche(sieheAnhang)sowieallenTeilnehmenden.WenndiesesPapierDiskussionenanregt,
diezumeinendasVerständnisfürreligiöseVielfaltunddiejeweilseinzelnenreligiösenoder
weltanschaulichenÜberzeugungenvertiefen,unddiezumanderendazubeitragen,lebens-
praktischeLösungenfürdieOrganisationdesdemokratischenZusammenlebensreligiöser
MenscheninallihrerVielfaltzuentwickeln,hatesseinenZweckerfüllt.
Dr.DietmarMolthagen
Friedrich-Ebert-Stiftung,
ForumBerlin
VORWORT
6 7RELIGION – DEMOKRATIE – VIELFALT
DIE BEDEUTUNG VON RELIGION IN DER DEMOKRATIE
Wolfgang Thierse
JemodernereineGesellschaft,destosäkularerwerdesie.DaswarlangeZeitdie–fastschon
religiöse–ÜberzeugungindenwestlichenGesellschaften,jedenfallsunterderenlinken„Auf-
geklärten“.Säkularisierung(imSinnedesVerschwindens,wenigstensdesZurückdrängens
vonReligion)seieinirreversiblerProzess.DieserGlaubeist,wennnichtwiderlegt,sodoch
erschüttert:ReligionistamBeginndes21.Jahrhundertsvonüberraschender,kräftigerund
dabeigewisssehrwidersprüchlicherVitalität.ReligionistTeilderModerne.DerReligiöseist
offensichtlichnichteinfachunmoderneralsderAreligiöse.
DieseunübersehbareTatsachewidersprichtdurchausderErwartungvonSäkularistenver-
schiedensterSpielart.UndsiegiltfürunserenGlobusinsgesamtundauchfürDeutschland,
vondemwirfasttäglichdieBehauptunghörenundlesenkönnen,esseieinsäkularesLand
geworden.AlleZahlen–vomZensusbiszumReligionsmonitor–zeigenetwasanderes:Je
ca.30%ProtestantenundKatholiken,ca.5%Muslime,ca.5%AngehörigeandererReligions-
gemeinschaften,ca.30%Konfessionslose leben inDeutschland. (DieEx-DDR,alsoOst-
deutschlandwarundistnebenTschechiendasreligionslosesteLandaufdemGlobus:dereinzige
durchschlagende„Erfolg“desSED-Regimes.)ZudenErgebnissendesReligionsmonitorsge-
hörtauch:85%derMenschenmeinen,mansollegegenüberallenReligionenoffensein.
ZugleichsiehteineMehrheitinderzunehmendenreligiösenVielfalteinPotentialfürKonflikte.
UndgeradeinjüngsterZeitempfindenvieledenIslamalsGefahr,mindestensalsQuellevon
Beunruhigung.
SolcheZahlensindgewiss interpretationsbedürftig,aber lassensichdoch indemUrteilzu-
sammenfassen:Wir leben nicht einfach in einer säkularen Gesellschaft, sondern in einer
religiös und weltanschaulich pluralen Gesellschaft.SowieauchReligionen (ebensowie
AgnostizismusundAtheismus)selbstindividualistischerundalsopluralerverstandenundgelebt
werden.Esgibtnichtdeneinen,denreligiösenoderareligiösenDeutungsrahmensozialen
undindividuellenLebens(mehr).Traditionenwerdenschwächer,Bindungenlockerer,Autori-
tätenhabenwenigerWirkung.EineSituationderUnsicherheit.
Genaudiesaber,diesereligiös-weltanschaulichePluralitätisteineanstrengendeHerausfor-
derungfürdieGesellschaftinsgesamt,alsofürReligiösewieReligionslosegleichermaßen.
Toleranzistgefragt,Respekt,Anerkennung,damitPluralismusfriedlichgelebtwerdenkann.
Dieabersindwahrlichnichtselbstverständlich.
ManerinneresichandieweltanschaulichenundreligiösenKonflikte indenletztenJahren:
StreitumMoscheebauten,StreitumKopftücherundKruzifixeoderdieAuseinandersetzung
umBeschneidung.UndschauenwirüberunsereLandesgrenzenhinaus,erscheintReligion
(mindestensinFormdesislamistischenFundamentalismus)alsgeradezugefährliche,demo-
kratiefeindlicheKraft.DieReaktionenaufdiebrutalenMordeinParisimJanuar2015–ein
AktextremsterIntoleranz–warendurchauszwiespältig:VerteidigungvonMeinungsfreiheit
hier–ProtestgegenBlasphemieanderswo.
VordiesemHintergrundwillicheinpaarBemerkungenmachenüberdasVerhältnisvonReligion
undpluralerGesellschaft,vonKircheundsäkularemStaat,vonReligionundDemokratie.
DIE BEDEUTUNG VON RELIGION IN DER DEMOKRATIE
Erstensundganzgrundsätzlich:DieBundesrepublikDeutschlandistgeprägtdurcheinbeson-
deresVerhältnisvonStaatundKirche.DerStaatdesGrundgesetzesistweltanschaulichneutral,
erverfichtselbstkeineWeltanschauung,umsodieReligionsfreiheitseinerBürgerzuermög-
lichen.ManhatdiesesVerhältnisvonStaatundKirchealseinVerhältnisder„respektvollen
Nichtidentifikation“bezeichnet.DurchdieseZurückhaltunggibtderStaatausdrücklichRaum
fürdiestarkenÜberzeugungenseinerBürger,diedieZivilgesellschaftprägenunddamitauch
denStaattragen.Eristalsokein säkularistischer Staat, also auch kein Staat, der einen
säkularen Humanismus vorzieht und fördert und Religion aus der Öffentlichkeit ver-
drängt. WieesetwaLaizistenwünschenundaucheineMehrheitderveröffentlichtenMeinung
möchte:DieReligionen,dieKirchensollensichgefälligstzurückhalten.Soetwahatdie
SchriftstellerinMonikaMaronandieReligionsgemeinschaftendieForderunggerichtet,„die
SäkularitätdesLandeszuachten“.MitBlickaufeinennachihrerAnsichtintegrationsunwilligen
Islamformuliertsie:„WenndiereligiösenAnsprüchederMuslimemitdemGleichheitsgebot
desGrundgesetzeskollidieren,müssteman…diePrivilegienderchristlichenKirchenbe-
schränken,umdenZugriffdesIslamaufdasöffentlicheLebenvonunsallenzuverhindern.“
EineparadoxeArgumentation:DieAngstvordemIslamwirdgegenalle(öffentliche)Religion
gerichtet.Ichvermute,dasisteineverbreiteteStimmung.
DiegrundgesetzlichgarantierteReligionsfreiheitaber istdagegendieAufforderungandie
Religions-undWeltanschauungsgemeinschaften (alsonichtnurandiechristlichenKirchen,
sondernauchanandere)undihreMitglieder,ausdemRaumdesInnerlichen,desbloßPrivaten
herauszutretenunddenGemeinsinnmitzuformen,anderGesellschaftmitzubauen,alsoöffent-
lichzuwirkenundinsofern„weltlich“zuwerden.MitanderenWorten:Der moderne Staat
ist säkular nicht dadurch, dass er Religionen ausschließt, sondern dadurch, dass er
die Koexistenz einer Vielfalt religiöser wie areligiöser Überzeugungen ermöglicht.
WeilderStaatdesGrundgesetzesnichtallesselbsterledigenkannundwill,lädterdazuein,
dassdieBürgerausihrerjeweiligenÜberzeugungherausundnachgemeinsamenRegeln
subsidiärzusammenwirken,überreligiöseundkulturelleUnterschiedehinaus,gemeinsam
dassozialeundkulturellepolitischeLebenzugestalten.DieseEinladungauszuschlagen,sollte
fürChristenundenkbarsein,siegiltebensoauchfürJuden,Muslime,Atheisten,Agnostiker.
Zweitens:FürdenZusammenhalteinerpluralistischenDemokratie,einerwidersprüchlichen,
vielfältigenGesellschaftreichtoffensichtlichnichtdasalleinaus,aufdasganzselbstverständlich
zunächsthingewiesenwerdenkannundmuss:DiegemeinsameSprache,dieAnerkennung
vonRechtundGesetz,der vielgerühmteundgewissnotwendigeVerfassungspatriotismus.
AuchnichtdieBeziehungen,diedieGesellschaftsmitgliederüberdenMarktundArbeitspro-
zessemiteinandereingehen,nämlichalsArbeitskräfteoderKonsumenten.(Dassinddiezwei
Rollen,indenenderMarktunsMenschenüberhauptnurkennt.)AuchdasBeziehungsgeflecht,
daswirüberdiesebeidenRollenerzeugen,reichtoffensichtlichnichtaus,denZusammenhalt
einersowidersprüchlichenGesellschaftzugarantieren.
ÜberalldiesSelbstverständlicheundNotwendigehinausbedarfes,someine ich,grundle-
genderGemeinsamkeitenundÜbereinstimmungenindem,waswirMaßstäbe,Normenoder
„Werte“nennen.EsbedarftendenziellgemeinsamerVorstellungenvonderFreiheitundihrer
Kostbarkeit,vomInhaltundUmfangvonGerechtigkeit,vomWertundderNotwendigkeit
vonSolidarität,gemeinsameroderwenigstensverwandterVorstellungenvonsinnvollemund
gutemLeben,vonderWürdejedesMenschen,vonder IntegritätderPerson,vonRespekt
undToleranz.
Diesesnicht politische sondern ethische und kulturelle Fundament gelingender Demo-
kratie–dasistnichteinfürallemalda,sondernesistgefährdet,istumstritten,kannerodieren.
8 9RELIGION – DEMOKRATIE – VIELFALT DIE BEDEUTUNG VON RELIGION IN DER DEMOKRATIE
Esmussimmerwiederneuerarbeitetwerden,esmussweitgegeben,vitalisiert,vorgelebt,er-
neuertwerden.DasistderSinndessooftzitiertenSatzesdesehemaligenVerfassungsrichters
Ernst-WolfgangBöckenförde:„Derfreiheitliche,säkulareStaatlebtvonVoraussetzungen,die
ernichtselbstgarantierenkann.“DieVerantwortungfürdieseVoraussetzungen,fürdieses
ethischeFundamentunseresZusammenlebenstragen–überdieZuständigkeitdesBildungs-
systemshinaus–alleBürger,insbesonderediekulturellenKräfteeinerGesellschaftunddarin
ebenauchund inbesondererWeiseReligions- undWeltanschauungsgemeinschaftenund
alsoauchundselbstverständlichgeradediechristlichenKirchen!Gewissnichtsiealleinin
einerpluralistischenGesellschaft,nichtdieChristenunddiereligiösenMenschenalleinund
selbstverständlichnicht so,dassdieKirchennoch triumphalistischdaherkommenkönnten.
SondernsiemüssensichineinerpluralistischenGesellschaftalsDialogpartnerverstehen,sich
indieDebatte,jaauchindenStreiteinbringen.AberdieKirchen,ebensowiedieeinzelnen
Christensolltendabeiauchnichtleisetreterischundnichtängstlichsein.
Drittens: DiefüralleReligionwesentlicheDimensionderNächstenliebekannjanurkonse-
quentgelebtwerden,wennsiebisindieSphäredesPolitischenreichtundnichtdavorhalt
macht.VordiesemHintergrundzuverlangen,dassReligionalleinPrivatsacheseindürfeund
nichtmehr, solltensichChristen–ebensowenigwie JudenundMuslime–nichtgefallen
lassen.Gewiss ist Religion insofern Privatsache, als sie selbstverständlich Sacheder freien,
persönlichenEntscheidungdesEinzelnenist.Aberzuverlangen,siemüsseauchimprivaten,
nichtöffentlichenRaumbleiben,siedürfekeineöffentlicheExistenz,keinenpolitischenWirksam-
keitsanspruchhaben–dasverlangteeineVerfälschungvon–nichtnurchristlicher–Religion.
IchzitiereauseinemUrteildesBundesverfassungsgerichtsvon2009:„DieReligionsfreiheit
beschränktsichnichtaufdieFunktioneinesAbwehrrechts,sonderngebietetauchimpositiven
Sinn,RaumfürdieaktiveBetätigungderGlaubensüberzeugungunddieVerwirklichungder
autonomenPersönlichkeitaufweltanschaulich-religiösemGebietzusichern.“
TätigesZeugnis,CaritasundDiakoniegehörenzumWesenderKirche,derReligion.Siesind
abernotwendigmehralsindividuelleundgewisslöblicheMildtätigkeit.Siesindebenauch
EinmischungindendemokratischenStreit–nichtsosehralsparteipolitischeStellungnahme,
sondernvielmehralsWiderspruchoderZustimmung,wennesumGrundfragendesLebens,
desZusammenlebensgeht.MögenauchvieleBürgerdenKirchennichtmehrimmerfolgen,
derenmoralischeUnterweisungenfürihrpersönlichesLebennichtmehrfürsowichtighalten:
DieErwartungandieKirchen,sichzuäußern,wennesumGrundfragendesLebensoder
desZusammenlebensgeht,dieseErwartung ist–ausweislichvielerdemoskopischerUnter-
suchungen–immernocherheblich.Undsiesolltensichauchnichtirritierenlassen,dassfür
vieleMenschendieKirchenbestenfallsnoch„Anstaltender stellvertretendenMoral“ sind:
„Diesollenvorleben,wasmirfremdgewordenist.“(SohatesMatthiasDrobinskiinderSüd-
deutschenZeitungformuliert.)
DieKirchen,dieReligionsgemeinschaftenkönnensichdemDienstanderGesellschaftgar
nichtentziehen,selbstwennsieeswollten.WieeinBlickindiesozialeundpolitischeRealität
derBundesrepublikzeigt,erfüllensiedieseAufgabeaufvielfältigeWeise.UnsereGesellschaft
(undderdemokratischeStaat)lebtvomEngagementseinerBürger,lebtvonderenMotivation,
daseigeneInteresseimmerwiederneuaufdasGemeinwohlhinzurelativieren,zuübersteigen.
DabeispielenAngehörigevonReligionsgemeinschafteneinebesondersgewichtigeRolle.Sozial-
wissenschaftliche Studienbelegen immerwieder, dass christlicheReligionüber Identitäts-
undStatusgrenzenhinwegintegrierendwirkeundbrückenbildendesSozialkapitalbilde,also
einebedeutendeQuellesozialerIntegrationsei.ReligiösenMenschenkommtdemnachauch
inderachsosäkularisiertenGesellschaftderBundesrepublikDeutschlandeinegewichtige,für
denZusammenhaltunersetzlicheFunktionzu.
IchfügealsPolitikerhinzu,dassdersäkulare,demokratischeStaatsehrdummwäre,wenner
aufdiesesPotentialverzichtenwürde.Selbstbewusstdarfmansagen:ChristenundKirchen
habenGesellschaftundStaatderBundesrepublikDeutschlandmitgestaltetdurch ihrpoliti-
schesEngagement, ihresozialenLeistungen, ihreBildungsarbeit, ihremoralischenInterven-
tionen.DasChristentum isteinprägenderTeilDeutschlands.UnddiesesLand istbeiallen
Unzulänglichkeitenganzgutdamitgefahren.EshatvomEngagementderChristendurchaus
profitiert.Undesprofitiert zunehmendauch vomEngagementder Judenwiederundder
Muslimemehrundmehr.Derweltanschaulich neutrale demokratische Staat bleibt auf
Menschen angewiesen, die sich in Weltanschauungs- und Religionsfragen nicht neu-
tral verhalten – die sich aber ausdrücklich auf Fairness und Friedfertigkeit im Verhältnis
zueinanderverpflichtenlassen!
Viertens:WirlebenalsoineinerpluralistischenGesellschaft,dassagtsichganzleicht.Sieist
aberkeineIdylle,sonderneineZumutung.EinefreieGesellschaftistkeinegemütlicheGesell-
schaft.DennmitPluralismusistgemeint:diekonfliktreiche,strapaziösePluralitätvonÜber-
zeugungen,Weltbildern,Wahrheitsansprüchen,Wertorientierungen,Lebensweisen,sozialen
Lagen,kulturellenPrägungen.WielässtsichdieGleichzeitigkeitdesUngleichzeitigen,die
kulturelleundreligiös-weltanschaulicheVielfaltinunsererGesellschaftertragen,oderbesser
gesagtleben–ohneÄngste,ohneAusgrenzungen,ohneUnterdrückungundGewalt?Wie
istderZusammenhalteinerinvielerHinsichtwidersprüchlichenGesellschaftmöglichundzu
sichern?EineimmerwiederdrängendeFrage.
OhneToleranzistdieserZusammenhaltgewissnichtzuhaben.UnderstinsolcherGesellschaft
istToleranz geradezu existenziellnötig.Ineinerweltanschaulich-homogenenGemeinschaft
brauchtmansieebensowenigwie ineinertotalitärenGesellschaft.Erst ineinerGesellschaft
der Differenzen erweist sich Toleranz als notwendige und zugleich anstrengende Tugend,
dieabernichteinfachimmerschondaist,sondernumdiemansichsorgen,sichkümmern
muss–auchundgerade,wennReligions-undMeinungsfreiheitvonStaatswegen,alsover-
fassungsmäßiggarantiertsind.
Erstnämlich,wennausderobrigkeitlichenDuldungAndersgläubigereinRechtauffreieRe-
ligionsausübung geworden ist, das die Gläubigen wie die Ungläubigen einander als freie
Bürgergegenseitigeinräumenundanerkennen,erstdannkommtToleranzzusich.Soformu-
lierteesJürgenHabermasinseinemVortrag„Wannmüssenwirtolerantsein?“inBerlin2002:
Toleranzseidanngefordert,wennmarkantereligiös-weltanschaulicheDifferenzenzwischen
BürgerneinerGesellschaftaufbrächenundfortbestünden.Dasaberistunübersehbar–darin
sindwirunsdochwohleinig–diegegenwärtigeundzukünftigeSituationinunseremLand,
inEuropa,aufunseremGlobus.ReligiöseToleranzhatdieFunktion,„diegesellschaftlicheDe-
struktivitäteinesnicht-verhandelbaren,alsounversöhnlichfortbestehendenDissensesaufzu-
fangen.DassozialeBand,welchesGläubigemitAndersgläubigenundMitgliedernderselben
säkularenGesellschaftverbindet,sollnichtreißen.“(JürgenHabermas)
Toleranz ist aber eine herbe, anstrengende Tugend, weil sie eben nicht laissez faire,
Indolenz, Desinteresse, Gleichgültigkeit, Beliebigkeit meint.BeiderToleranzalseiner
TugendderpraktischenVernunftgehtesumdieschwierigeVerbindungvoneigenemWahrheits-
anspruchmitderAnerkennungdesWahrheitsanspruchsdesAnderen.Toleranzisteineuner-
setzlicheDimensionvonGerechtigkeit–sowieichalsSozialdemokratsieverstehe,Gerechtigkeit
10 11RELIGION – DEMOKRATIE – VIELFALT DIE BEDEUTUNG VON RELIGION IN DER DEMOKRATIE
nämlichalsgleicheFreiheit.TätigeToleranzistalso„dauerndeAufgabe“,istStrukturprinzip
eineslebbarenPluralismus,derja–wieerwähnt–wedernationalnochglobaleineIdylleist,
sondernvollerZumutungenundKonflikte.Toleranz ist Zentrum einer gelebten Kultur
der Anerkennung gleicher Lebens- und Freiheitsrechte.
DiechristlichenKirchenhabenseitderReformationeinenhöchstmühevollenErfahrungsprozess,
einebittereLerngeschichteinSachenToleranzundFreiheithintersich.IhrvorbehaltlosesJa
zurDemokratiealsderpolitischenLebensformderFreiheitistnochnichtsoalt,esstammtaus
dem20.Jahrhundert.Siehabeninzwischengelernt,aufpolitischeMachtodergarGewaltzur
DurchsetzungdeseigenenWahrheitsanspruchszuverzichten,sichdesMissbrauchsvonRe-
ligionzurBegründungvonGewaltzuerwehrenundihmenergischzuwidersprechen–ohne
anLeidenschaft,anÜberzeugungskraftzuverlierenundeine„lauwarmeReligion“werdenzu
müssen.AndieseLerngeschichtezuerinnernundheutezubeweisen,dassundwieToleranz
undFreiheitpraktischgelebtwerdenkönnen,istAufgabederchristlichenKirchenundkönnte
aucheinSinndeskommendenReformationsjubiläumssein.Undgenaudasmachtedieses
Jubiläumdannwichtig–fürdieganzeGesellschaft.
Fünftens:WirChristen,Juden,Muslime(auchAgnostikerundAtheisten–aberbleibenwir
beidenReligionen)sindTeildesPluralismus–wirstehennichtüberihm,habenkeinenOrt
außerhalb.DasistfürmichderSinndesnunvielfachwiederholtenSatzes:„DerIslamgehört
zuDeutschland“.ErgehörtgenausozuDeutschlandwie–geschichtlichselbstverständlicher–
dasChristentumunddasJudentumunddieAufklärungstraditionen.
Dasheißtebenauch:Christen,Juden,Muslimesindaufgefordert,sichamStreitderGesellschaft
zubeteiligen:SichzubeteiligenamGesprächderGesellschaftübersich,überdieFragenun-
seresZusammenlebens,überdenZusammenhaltunsererGesellschaft,überdasVerbindende
undTrennende,dasGemeinsameundUnterscheidende,überHerkunftundZukunft, über
dasBedrängendeunddasMögliche,überSinnundZwecke,überdasEigeneunddasFremde,
überKriegundFrieden,überGrundlagenundOrientierungmenschlichenLebensundsozialer
Gemeinschaft.
Undwir,wennichmicheinbeziehe,dannalsodieChristen,solltendasnichtüberheblichtun,
nichtvonobenher,nichtvomhöchstenmoralischenRossherab,nichtimGestusdesalleinigen
Wahrheitsbesitzes.Nichttriumphalistischargumentieren,sondernalsGleiche,aberauchals
Gleichberechtigte–nurundebeninderÜberzeugung,dasswiretwaszusagenundzube-
zeugenhaben.
WasichhierfürdieChristenformuliere,giltauchfürJudenundMuslime,ebensofürAgnos-
tikerundAtheisten.UndesgiltfürEinheimischewiefürEingewanderte.WirsindinDeutsch-
landmittendrin,daserstzulernen!„DiedeutscheGesellschafthatsichdurchMigrationstark
verändertundimmermehrMenschennehmenfürsichinAnspruch,alsBürgerdiesesLandes
diesenWandelmitzugestalten“–sosagtesdieBerlinerMigrations-undIntegrationsforscherin
NaikaForoutan.Esgehe„umdiefundamentaleAushandlungvonRechten,vonZugehörig-
keit,vonTeilhabeundvonPositionen.DasistdasneueDeutschland.Eshandeltsichundseine
(nationale)Identitätgeradepostmigrantischneuaus.“
DieserProzess,dersichdurchdiegegenwärtigemassenhafteZuwanderungverschärfenwird,
istoffensichtlicheineziemlicheHerausforderung,erzeugtMisstöneundRessentimentsund
macht vielen (Einheimischen) Angst. Pegida ist dafür ein Symptom. Eine gewichtige Rolle
spieltdabei,wasichEntheimatungsängstenenne:Vertrautes,Selbstverständliches,kulturelle
TraditionenundsozialeGewohnheitenwerdenunsicher,gehenverloren,Identitätwirdinfrage
gestellt. EinediffuseAbwehrvonReligiongreiftumsich: „IslamisierungdesAbendlandes“
heißtdie„Gefahr“aufderStraße,wobeiPegida-Anhängermeistkonfessionslossind.Von
denmonotheistischenReligionenals gewaltfördernd, als „Brandstifter undBrandbeschleu-
niger“istindenFeuilletonsdieRede.OhnedieReligionenwäredieWeltfriedlicher,istein
geläufigerGlaubenssatzunterdenintellektuellenEliten,diedabeiHitler,Stalin,Mao,PolPot
vergessenundReligiongenerellineinssetzenmitderenpolitischerIdeologisierungodermit
derenfundamentalistischenVarianten.
DieFragenachderGefährlichkeitvonReligion,nachihremGewaltpotentialistfraglosernst
zunehmen–auchwennsiegegenwärtigJudentumundChristentumnichtunmittelbarbe-
trifft,weilzumaldasChristentumeine(langeundwidersprüchliche)GeschichtederMäßigung,
derTrennungvonKircheundStaat,derUnterscheidungvonReligionundPolitik,desErwerbs
vonToleranzfähigkeithintersichhat.Aberwiegehtdas:AngesichtsderallabendlichenFern-
sehnachrichtenüberunterBerufungaufdenIslambegangeneGewalttatendieUnterschei-
dungvon IslamundGewalt festzuhalten,sie immerneuzubetonen–ohneeinensippen-
haftartigenBekenntniszwanggegenüberdendeutschenMuslimenauszuübenundohnedie
frustrierendeständigeDistanzierungsaufforderunganunseremuslimischenNachbarn?
Andererseits:DieständigeWiederholungderbeschwörendenAbwehrformel:„DieserTerror
hatnichtsmitdemIslamzutun“–siehat,fürchteich,gegenteiligeWirkungbeivielen,denn–
dasistjaTeildertäglichenNachrichten–dieTerroristensindnunmalMuslimebzw.undgenauer:
siebehaupten,eszuseinundberufensichunüberhörbarundunübersehbaraufdenKoran.
„EsgibteinefriedliebendeDeutungdesKorans,aberaucheinegewalttätige“,sagtderisla-
mischeTheologeMouhanadKhorchide.DerBerlinerMuslimAhmadMansourhatkürzlich
ineinemSpiegel-Essaygeschrieben:„WennKanzlerinAngelaMerkel jetzt sagt: ‚Der Islam
gehört zuDeutschland’,dannmöchte ich sie fragen:welcher Islam?Muslimegehörenzu
Deutschland,zweifellos.AbermeinIslamisteinandereralsderIslamderHassprediger,ein
Islam,dernichtineineDemokratiegehört.“
Wennwiralso jazumIslamalseinemTeilDeutschlandssagen,dannerlaubtundverlangt
diesesJaauchFragennacheinerReformdesIslams,nachseinerVielfalt,seinerinnerenDiffe-
renzierung,seinerTheologie,nachdenUnterschiedenzwischeneinemeuropäischen(deut-
schen?)IslamunddemIslametwainSaudi-ArabienoderanderenislamischbestimmtenStaaten
ohneReligionsfreiheit.
Die Überwindung von Ängsten und Vorurteilen gegenüber dem Islam hierzulande ist ge-
wisseinegemeinsameAufgabederReligionsgemeinschaftenundderdemokratischenGesell-
schaft.SieistesauchfürAtheistenundAgnostiker,wenndiesedenngegenüberdenMusli-
men,nichtnureinVerhältnisgnädiger,herablassenderDuldung,sondernwirklichenRespekts
einnehmenwollen.EsistaberganzwesentlichaucheineAufgabedermuslimischenGemein-
schaftenundihrerImameundSprecherundihrerOffenheitundGesprächsbereitschaft.Wir
habennochvielVerständigungsarbeitvoruns.DamitToleranzalsRespektgelebtwird.
Sechstens: BrauchtReligion ihrerseitsDemokratie?DieAntwortdaraufheißtneinund ja.
VonReligionsgemeinschaftenabsolutgleicheStrukturen,Mechanismen,Handlungsformen
zuverlangen,wiesiediepolitischeDemokratiecharakterisieren,wäreunangemessen,wäre
wohl auch illusionär. Und das ist offensichtlich auch nicht notwendig, damit Religion in
Demokratiepasst, jaDemokratietragenkann,wiewir inEuropaundaufandereWeise in
denUSAsehenkönnen.Übrigens:AuchWissenschaft,Kunst,WirtschaftpasseninDemokratie,
obwohl sie doch wirklich nicht gänzlich demokratisch strukturiert sind. (Über Wahrheit,
12 13RELIGION – DEMOKRATIE – VIELFALT
Schönheit,EffektivitätwirdhaltnichtperdemokratischerAbstimmungentschieden!)Aberum
ihre„Passfähigkeit“zurmodernenWelt,zurdemokratischen,pluralistischenGesellschaftzu
befördern,praktizierendieKirchenundReligionsgemeinschaftendurchaus–undmitgroßem
Gewinn–innereDemokratiestrukturen:Kirchenvorstände,Gemeinderäte,Synoden,Konzilien,
Konklave.AlleseinigermaßendemokratischeAngelegenheiten.MonolithischeBlöckekönnen
dieKircheninderindividualistischen,pluralistischenWeltderModerneohnehinnichtmehr
sein.DiesenUmstandkannmansogarbejahen,wieselbstmeinesostrengwirkendekatholische
Kirchezeigt:DieKirchesollesichselbstzumDialogmachen,hateinPapst,nämlichPaulVI.,
schon vor Jahrzehnten gefordert. Ich glaube, dass wir in der Katholischen Kirche weitere
VeränderungenderinnerenStruktureninRichtungaufeinenachinnenwienachaußendialo-
gischeKirchebrauchen.
Öffnung,Offenheit,Erfahrungs-undGesprächsbereitschaft,Weltzugewandtheit–dasalles
istübrigensaucheinwichtigerSchutzgegendieinnerenGefährdungenvonReligion,diees
jaauchgibt:Radikalisierung,Sektierertum,Fundamentalismus,MissbrauchvonReligionzur
BegründungvonGewalt.Dahilftnichtnurfrommsein,sondernOffenheitundGesprächs-
bereitschaft,Weltverbundenheit,innereStrukturendesDialogsunddesGesprächs.
ReligionbrauchtDemokratieaberineinemnochanderen,fundamentalerenSinn:Siebraucht
nämlichFreiheit (derenpolitischeGestaltdieDemokratie ist)zu ihrerEntfaltung.DieDiktatur-
erfahrungenvonVergangenheitundGegenwartsindeindeutig.Religionsfreiheitisteingenuines,
fundamentalesFreiheitsrecht.IhreGeltungundalsodiePraxisvonReligionsfreiheitistein
entscheidendesKriteriumfürFreiheitschlechthin(mehrnochalsGewerbefreiheit,dasandere
KonstitutivumderbürgerlichenGesellschaft).
DerEinsatzfürdieVerteidigungundVerwirklichungvonReligionsfreiheit,dieinvielenLändern
derWeltbedrohtodergarnichtexistent ist, stelltdeshalbnichteineArtvonchristlichem
Egoismus dar, wie manche meinen. Er ist Einsatz auch und vor allem für die Freiheit der
anderen.DasgiltebensofürunserLand:DasZurechtstutzenvonReligionaufeinereinePrivat-
sachewäreeineBeschneidungvonReligionsfreiheit.Dagegensichzuwehren,alsoaufdem
ÖffentlichkeitsanspruchvonReligionzubestehen,isteinegemeinsameAufgabeallerReligions-
gemeinschaftenundentsprichtunsererVerfassung,dieschließlichfürallegleichermaßengültigist.
WAS IST HEUTE RELIGIONSPOLITIK UND WELCHEN BEITRAG KANN
DIE SOZIALDEMOKRATIE DAZU LEISTEN?
Kerstin Griese
„WirallesindDeutschland.“MitdiesemSatzhatBundespräsident JoachimGauckam13.
Januar2015beieinerKundgebunginBerlinnachdenAnschlägenaufdieRedaktionvon
CharlieHebdoundeinenkoscherenSupermarktinParisausgedrückt,worumesgegenwärtig
inDeutschlandgeht:umdieGestaltungeinergegenüberderaltenBundesrepublikWestund
derDDRsehrvielpluralistischerenGesellschaft,zuderalleBürgerinnenundBürgergleicher-
maßendazugehören,egalwohersiekommenundwelcheSprache(n)siesprechen.
ZueinerpluralenGesellschaftgehörenwesentlichdieunterschiedlichenWertüberzeugungen
derBürgerinnenundBürger, seiensie religiösodernicht religiösbegründet.Unterschiedliche
Vorstellungendarüber,wasgutunderstrebenswertist,sinddurchausanspruchsvoll.Pluralität
ist „keine Idylle“ (WolfgangThierse), sonderneineAufgabe.DennselbstwenneinGrund-
konsensdarinbesteht,dass„allenBürgernohneAnsehenihrerkulturellenHerkunft,religiösen
Überzeugung und individuellen Lebensführung gleiche Freiheiten“ zustehen, so kann sich
doch„derangestrebteKonsensinFragenderpolitischenGerechtigkeit[…]nichtmehraufein
traditionelleingewöhntesEthosstützen“.1AberwelcheAuffassungsoll imZweifelsfallden
AusschlaggebenundzumMaßstabvonallgemeinenNormenundGesetzenwerden?Wieviel
Gemeinsamesbrauchtes,damitmöglichstvieleihreindividuellenVorstellungeneinesguten
Lebensverwirklichenkönnen?
VordemHintergrundsolcherFragenerhaltenreligiöseÜberzeugungeneinneuesGewicht.Ihr
MiteinandermussalsTeildergesamtgesellschaftlichenPluralitätneuausbalanciertwerden.
InDeutschlandgiltdiesnochinbesondererWeise,weilsichdieFragederReligionnichtnur
miteinerVielfaltvonLebensformen,sondernauchmitderFragenachdeutscherIdentitätver-
bindet.Werfragt:„GehörtderIslamzuDeutschland?“,fragtimGrundenachdemdeutschen
„Wir“.NavidKermanihatrecht:„DiewesteuropäischeDebatteüberdenIslamisteineDebatte
überWesteuropa.“2
EineklugeReligionspolitikmusskünftigalsoeinenweitenBogenspannen.Nebendie„klassi-
schen“ThemenvonKirche,ReligionsgemeinschaftenundStaat,(bio-)ethischenFragenund
solchendersozialenGerechtigkeittretenzunehmendkulturelleAspekte.WerüberReligion
spricht,sprichtnichtmehrnurüberdenindividuellenGlaubenvonMenschenoderüberbe-
stimmteSozialformendesReligiösenundihreRolle inderGesellschaft,sondernauchüber
die kulturellen Wurzeln unserer Rechtsordnung und den gesellschaftlichen Zusammenhalt.
WeltanschaulicheNeutralitätdesStaatesbedeutetjakeineswegsWertneutralitätderRechts-
gemeinschaftodereineethischeNeutralitätderdemokratischenProzessezurVerwirklichung
derGrundrechte.DaraufhatJürgenHabermaswiederholthingewiesen.AlsBeispielmag
diejüngstbeendeteDiskussionumdiekünftigeRegelungdergeschäftsmäßigenBeihilfezur
Selbsttötungdienen,dieüberweiteStreckenalsweltanschaulicheDebattegeführtwurde.
[1] Jürgen Habermas: Die Einbeziehung des Anderen. Studien zur politischen Theorie.Frankfurt/Main1996,S.99.
[2] NavidKermani:Weristwir?DeutschlandundseineMuslime.München2010,S.37.
WAS IST HEUTE RELIGIONSPOLITIK UND WELCHEN BEITRAG KANN DIE SOZIALDEMOKRATIE DAZU LEISTEN?
14 15RELIGION – DEMOKRATIE – VIELFALT WAS IST HEUTE RELIGIONSPOLITIK UND WELCHEN BEITRAG KANN DIE SOZIALDEMOKRATIE DAZU LEISTEN?
EinsolcherreligionspolitischerDiskurssetztfreilichvoraus,dassdieBürgerinnenundBürger
wissen,wosieselbststehen,unddasssiebereitundinderLagesind,sichaufÜberzeugungen
anderereinzulassen.ToleranzundVielfaltkönnenbessergelebtwerden,wennmandeneige-
nenStandpunktfundiertvertretenkann.DasgiltinbesondererWeisefürdenDiskursüber
Religion.DerBerlinerevangelischeBischofMarkusDrögehatineinemGastbeitragimTages-
spiegelgeschrieben:„Wenn[…]immerwenigerMenschenReligionverstehenundgleichzeitig
immermehrMenschenfürReligionempfänglichsind,dannistGefahrimVerzug.Werdie
ReligionennurnochvonihrenZerrbildernherversteht,istbesondersgefährdet,sichgegen
diejeweilsAnderenaufwiegelnzulassen.JewenigerreligiöseBildung,umsomehrGefahren-
potenzialfürTerrorismus.“3
Religion und Sozialdemokratie
Werverstehenwill,welcheResonanzdasThemaReligioninnerhalbderSozialdemokratiehat,
mussweitindieGeschichtezurückgehen.4DasBekenntniszumjüdisch-christlichenundzum
humanistischenErbeEuropaswarfürdieSPDeinweiterWeg.ErstdasHamburgerProgramm
von2007hatdiejüdischenWurzelnderSozialdemokratieausdrücklichbenanntunddamit
anerkannt.ImRahmender150-Jahr-FeiernderSPD2013wurdedieherausragendeBedeu-
tung,diebürgerlicheIntellektuelleundUnternehmerjüdischerHerkunftfürdieSPDhatten,
ineinereigenenVeranstaltunggewürdigt.MankenntNamenvongroßenjüdischenSozial-
demokrat_innen,weißumdiejüdischenWurzelnvonKarlMarx,FerdinandLassalle,Eduard
BernsteinundRosaLuxemburg.Welche jüdischenDenktraditionenaberdieProgrammatik
derParteiunddiePolitikgenaugeprägthaben,istnochweitgehendunbekannt.Diesesjü-
discheErbederSozialdemokratiegiltes(wieder)zuentdecken.WerweißzumBeispiel,dass
derjüdischeSPD-PolitikerundAbgeordnetederNationalversammlungHugoSinzheimerder
VaterdesdeutschenArbeitsrechtswar,dassganzePassagenderWeimarerReichsverfassung
aufihnzurückgehenundvonihmderAusspruch„Eigentumverpflichtet“stammt?5
VondenAnfängenbeiLassalleundBebelbisweit ins20.Jahrhunderthineinstandensich
KirchenundSozialdemokratienahezufeindlichgegenüber.FürdieSozialistenverkörperten
dieKirchenim19.JahrhundertdasalteRegime,egalobevangelischoderkatholisch.Umge-
kehrtbekämpftenauchdieKirchendiejungeSPD.„DieSozialdemokratiemitihrenUrsachen
isteinehöchstgefährlichestaatlicheundgesellschaftlicheKrankheit“,sagtederpreußische
HofpredigerAdolfStöcker1888.6UnddaswarnocheinederfreundlicherenFormulierungen.
SobegrüßtendieKirchendieSozialistengesetzeBismarcks,dieSozialdemokratiegaltalsanti-
christlich.DieSozialistenverschärftenihrerseitsdenTon.ReligionwurdezurPrivatsache
[3] BischofMarkusDrögeimTagesspiegelvom27.1.2015.
[4] Vgl.ausführlicherRüdigerReitz:ChristenundSozialdemokratie.Konsequenzenauseinem Erbe. Stuttgart 1983; Rainer Hering: „Aber ich brauche die Gebote ...“ HelmutSchmidt, die Kirchen und die Religion. Studien der Helmut-und-Loki-Schmidt-Stiftung 8/9. Bremen2012;RainerHering:SozialdemokratieundKircheninDeutschland–einhistorischerRückblick:http://www.spd.de/spd-webapp/servlet/elementblob/457384/content(Zugriffam2.11.2015);WolfgangThierse:Sofern–sonah.150JahreSozialdemokratieunddieKirchen.Redeanlässlicheiner TagungdesArbeitskreisesChristinnenundChristen inderSPD(AKC)gemeinsammitderEvangelischenundKatholischenAkademieBerlinam15.03.2013: http://www.spd.de/spd-webapp/servlet/elementblob/14143287/content (Zugriff am2.11.2015).
[5] WiederentdecktdurchAbrahamdeWolf:HugoSinzheimerunddasjüdischeGesetzes-denkenimdeutschenArbeitsrecht.Berlin2015.
[6] ZitiertnachMartinGreschat:Kirchen-undTheologiegeschichteinQuellenIV.Neukirchen-Vluyn1997,S.249.
erklärt–sostandes1875bis1921imParteiprogramm.SchonimEisenacherProgrammvon
1869 fordertendieSozialdemokratenvehementdieTrennungvonKircheundStaat sowie
dieTrennungderSchulevonderKirche.IndieserAnfangszeitstandensichChristentumund
Sozialismus,ummitAugustBebelzusprechen,„wieFeuerundWasser“gegenüber.
AuchderreligiöseSozialismuskonnteandiesemVerhältnisimKernnichtsändern.Ja,esgab
herausragendePersönlichkeitendieserBewegung,wieetwadenwürttembergischenPfarrerund
SozialdemokratenChristophBlumhardtausBadBoll,derumdieJahrhundertwende imSozia-
lismusdieHoffnungaufVerwirklichungdesReichesGottesbereitsaufErdensah.Späterver-
bandensichmitderreligiös-sozialenBewegunggroßeNamenwiePaulTillichoderKarlBarth.
DochfestFußfassenkonntederReligiöseSozialismusinDeutschlandnie.DieGräbenzwischen
ChristenundSozialistenkonntenselbstzurHochzeitderBewegunginderWeimarerZeitnicht
überbrücktwerden.GleichwohlhatdieLiteraturdieserBewegunginderspätenBundesrepublik
nochzahlreichekirchlichePositionsbestimmungenbishinzuEKD-Denkschriftenbeeinflusst,so
dassderKirchenhistorikerGüntherBrakelmannresümiert:„Obwohldiereligiös-sozialistischeBe-
wegung[…]innerhalbdesProtestantismusimmereineMinderheitenbewegunggewesenist,hat
siedieDiskussionumdasVerhältnisvonKircheundArbeiterschaft,KircheundSozialismuswie
KircheundWirtschaftsordnungentscheidendmitbestimmtundbefruchtet.“7
Erst imNachkriegsdeutschlandkonnteeine fürChristinnenundChristenoffenereSPDent-
stehen.KurtSchumachersWortevon1946mögenhieralswegweisendangesehenwerden:
„UnsererParteimussvieleWohnungenfürvieleArtenvonMenschenkennen[…].Magder
GeistdesKommunistischenManifestesoderderGeistderBergpredigt,mögendieErkenntnis-
serationalistischenodersonstirgendwelchenphilosophischenDenkensihnbestimmthaben,
odermögenesMotivederMoralsein,fürjeden[…]istPlatzinunsererPartei.“8
DamithatSchumacherdiereligiös-weltanschaulicheProgrammatikderSPDgrundlegendneu
ausgerichtet.DochessolltennochgutzehnJahrevergehen,ehedasGodesbergerProgramm
von1959einebessereAlternativeaufzeigenkonnte.WegweisendwarsicherderÜbertritt
GustavHeinemannszurSPD1957.ErhardEpplerhatteesvorgemacht,nunlösteHeinemann
dieGesamtdeutscheVolksparteiauf.MitihmkamenvielebekennendeChristinnenundChristen
zurSozialdemokratie,wiebeispielsweiseJürgenSchmudeundJohannesRau,aberauchdie
KatholikenGeorgLeberundHans-JochenVogel.
MitdemGodesbergerProgrammwurdedieSPDzueinerpluralistischen,linken,werteorien-
tiertenVolkspartei.AufderBasisderGrundwertevonFreiheit,GerechtigkeitundSolidarität
konnten fortan Menschen unterschiedlicher Wertehintergründe, Wurzeln und Bekenntnisse
miteinanderfürsozialdemokratischeZielekämpfen.Marxisten,HumanistenundChristen
konntenzusammenarbeiten,ohneihreweltanschaulichenDifferenzenaustragenzumüssen.
DieseÖffnungderSozialdemokratieermöglichteAnnäherungenzwischenderSozialdemo-
kratieunddenKirchen.WährendderRegierungsjahrevonWillyBrandtundHelmutSchmidt
gabesÜbereinstimmungeninderOst-undDeutschlandpolitikundzunehmendeSchnittmengen
inderFriedens-,Entwicklungs-,Ausländer-undUmweltpolitiksowie imUmgangmitderNS-
Vergangenheit.NichtzuletztdieserGemeinsamkeitenwegenundalsFolgedesdemokratischen
Aufbruchsinden1980erJahreninderDDRsindindenerstengesamtdeutschenBundestag
fürdieSPDvielePfarrerundTheologenausOstdeutschlandeingezogen.
[7] ZitiertnachHansProlingheuer:KleinepolitischeKirchengeschichte.Köln1985,S.510.
[8] ZitiertnachFriedWesemann:KurtSchumacher.FrankfurtamMain1952,S.109.
16 17RELIGION – DEMOKRATIE – VIELFALT
Sozialdemokratische Antworten in der Religionspolitik
WasbedeutetdieseGeschichtenunfüreinesozialdemokratischeAntwortaufdiereligions-
politischenHerausforderungenderGegenwart?Zunächstlässtsichfesthalten,dassdasVer-
hältniszudenKirchenaufderBasisdesGodesbergerProgrammssehrvielgelassenergeworden
ist.DaszeigtsichauchimaktuellenHamburgerGrundsatzprogramm.Zumeinenbegrüßen
dieSozialdemokrat_innendasEngagementderKirchenundReligionsgemeinschaftennicht
nur, sondernanerkennenes.Zumanderenwird–zumindest indirekt–dieNotwendigkeit
einerkritischenAuseinandersetzungnichtverschwiegen,indemalsGrundlagefürReligionsfrei-
heitdieVerfassungeigensbenanntunddieWertschätzungderKirchen,Religions-undWeltan-
schauungsgemeinschaftenmitihremBeitragfüreingutesMiteinanderinderdemokratischen
Gesellschaftverbundenwird.InderzentralenPassagezudenKirchen-undReligionsgemein-
schaftenheißtes:„Wirbekennenunszumjüdisch-christlichenundhumanistischenErbeEuropas
undzurToleranz inFragendesGlaubens.WirverteidigendieFreiheitdesDenkens,des
Gewissens,desGlaubensundderVerkündigung.GrundlageundMaßstabdafüristunsere
Verfassung.FürunsistdasWirkenderKirchen,derReligions-undWeltanschauungsgemein-
schaftendurchnichtszuersetzen,insbesonderewosiezurVerantwortungfürdieMitmen-
schenunddasGemeinwohlermutigenundTugendenundWertevermitteln,vondenendie
Demokratie lebt.Wir suchendasGesprächmit ihnenund,wowirgemeinsameAufgaben
sehen,dieZusammenarbeitinfreierPartnerschaft.WirachtenihrRecht,ihreinnerenAngele-
genheitenimRahmenderfürallegeltendenGesetzeautonomzuregeln.“9
DieseVerhältnisbestimmungistdie„Geschäftsgrundlage“dergemeinsamenArbeit.Sieistein
klaresBekenntniszueinemkooperativenMiteinanderundeineAbsageaneinenstriktenLaizis-
mus.DashatderParteivorstandmitseinereinstimmigenAblehnungeineslaizistischenArbeits-
kreisesam9.Mai2011nocheinmalklarbestätigt.
GeradeweildieSPDwertegebundenist,ohneselbstdenBezugaufeinbestimmtesBekenntnis
festzulegen, achten Sozialdemokrat_innen die persönlichen Überzeugungen Einzelner sehr
hoch.Dennsiewissen:EinEngagementfürFreiheit,SolidaritätundGerechtigkeitfälltnicht
vomHimmel,kannauchnichtverordnetwerden,sondernistTeileinesEthos,aufdasPolitik
ihrerseitsangewiesenist.NichtsanderesmeintdasvielzitierteWortdesehemaligenVerfas-
sungsrichtersErnst-WolfgangBöckenförde,derStaatlebevonVoraussetzungen,dieerselbst
nichtgarantierenkönne.
DieseAchtungverbindetsich–aucheinErbederGeschichte–miteinerGrundskepsisge-
genüberreligiösenAutoritäten.Positivgewendetbedeutetdies,dassReligionspolitikinderSPD
stetsemanzipatorischeZielehat:dieFreiheitsrechteEinzelnerundeinsolidarischesMiteinander.
EingutesBeispieldafür istdieDebatteumdasmuslimischeKopftuch,wogleichsamzwei
HerzenindersozialdemokratischenBrustschlagen:EinerseitssollkeineFrauwegenihrerRe-
ligiondiskriminiertwerdenundjedeFraumussfreientscheidenkönnen,obsiedasKopftuch
trägt.AndererseitsabergehörtdieGleichberechtigungvonMännernundFrauensosehrzur
DNAderSPD,daseinVerhüllungsgebotausreligiösenGründen,dasnochdazunurfürein
Geschlechtgilt,vielfachKritikerfährt.
Die programmatische Bestimmung, dass in der SPD Menschen unterschiedlicher Religions-
undWeltanschauungenaufderBasisgemeinsamerGrundwertezusammenarbeiten,hat
nocheineweitereKonsequenz.PluralitätgehörtwesentlichzurGrundausrichtungderSPD.
[9] HamburgerProgramm.DasGrundsatzprogrammderSPD.2007,S.39.
WAS IST HEUTE RELIGIONSPOLITIK UND WELCHEN BEITRAG KANN DIE SOZIALDEMOKRATIE DAZU LEISTEN?
Jede/r,dieoderderdieZielederSozialdemokratiebejaht,isteingeladenmitzuarbeiten,ganz
gleichobChrist,Jude,Muslim,Humanist,Atheistetc.
Organisierte Zusammenarbeit
Die Zusammenarbeit zwischen Kirchen und Religionsgemeinschaften findet auf den unter-
schiedlichstenEbenenstatt.EsgibtregelmäßigeGesprächskontakteaufPartei-undRegierungs-
ebene.SotrifftsichdasPräsidiumderSPDcircaallezweiJahremitdemRatderEKDundmit
derDeutschenBischofskonferenz.AuchmitdemZentralratderJudenundmitmuslimischen
VerbändengibteseinenkonstruktivenAustausch.
An der Basis wird der Dialog seit nunmehr fast vier Jahrzehnten durch einen Zusammen-
schlussvonEhrenamtlichengetragen,diesichausihremchristlichenGlaubenherausinder
SPD engagieren. Bis 2007 war der Arbeitskreis auf Bundesebene ein lockerer Zusammen-
schluss,der–zuerstevangelischundkatholischgetrennt,abdemUmzugnachBerlindann
ökumenisch–dieReferentenfürKirchenundReligionsgemeinschaftenbeimParteivorstand
unterstützthat,insbesonderebeiderVorbereitungundDurchführungsozialdemokratischer
AktivitätenbeiKirchen-undKatholikentagen.AnfangJanuar2008hatderParteivorstandden
KreisoffiziellalsArbeitskreisChristinnenundChristeninderSPD(AKC)anerkannt.Zusammen
mitvielenregionalenGruppenistereinwichtigesBindegliedzwischensozialdemokratischer
Politik und den Kirchen. Auf Bundesebene findet einmal jährlich zusammen mit der SPD-
BundestagsfraktioneineöffentlicheTagungmitVerantwortlichenausSPDundKirchenstatt.
2007 haben sich auch jüdische Sozialdemokrat_innen zu einem Arbeitskreis zusammenge-
schlossen,derebenfalls2008anerkanntwurde.UnterstütztwurdedieInitiativedadurch,
dassdasHamburgerProgrammerstmalsauchdie jüdischenWurzelnderSozialdemokratie
benannthat.2014istdannaucheinmuslimischerArbeitskreisgegründetworden,derden
zahlreichenmuslimischenSozialdemokrat_inneneinePlattformdesAustauschesbietet.
AlledreiArbeitskreiseverstehensichalspolitischeZusammenschlüsseinnerhalbderSPD,die
die Brücken in die jeweiligen Gemeinschaften verstärken. Sie verstehen sich ausdrücklich
nichtalsreligiöseArbeitskreise,sondernalspolitische.Zielrichtigistdaherauchdaspolitische
Engagement,durchausineinerBrückenfunktionzudenKirchenundReligionsgemeinschaften.
2015fanderstmalseinegemeinsameTagungallerdreiArbeitskreisezusammenmitderSPD-
Bundestagsfraktionstatt.
Perspektiven der Zusammenarbeit in einer zunehmend pluralen Gesellschaft
DieHandlungsfeldersozialdemokratischerReligionspolitikumfassenverschiedeneunddurchaus
komplexeAufgaben.Nurviermöchteichhiernennen.
1.DenvertrauensvollenDialogmitdenKirchenfortsetzen
DiekonstruktiveZusammenarbeitmitdenKirchenaufdenunterschiedlichenEbenenfortzu-
setzen,mussweiterdasZielsozialdemokratischerReligionspolitiksein.VieleThemenzeigen,
dassesgemeinsameZielegibt.AlsesimkirchlichenBereichumdenkonziliarenProzessfür
Frieden,GerechtigkeitundBewahrungderSchöpfungging,korrespondiertediesmiteinerPolitik,
deresumdieFörderungvonFreiheit,GerechtigkeitundSolidaritätgeht.Nachhaltigkeit,globale
Gerechtigkeit, entwicklungspolitischePerspektivenundBegrenzung vonRüstungsexporten
sindweitereFelderderZusammenarbeit. Innenpolitische-undsozialpolitischeThemenwie
18 19RELIGION – DEMOKRATIE – VIELFALT
dieBekämpfungvonArmut,AusgrenzungundArbeitslosigkeit,dieTeilhabeallerMenschen
andengesellschaftlichenGütern,dieInklusionvonMenschenmitBehinderungen,Bildungs-
undFamilienpolitikundökologischeFragenbildenebensoimmerwiederAusgangspunktefür
gemeinsamesHandeln–umderMenschenwillen.
VordiesemHintergrundeinesvertrauensvollenundkonstruktivenMiteinanderskönnenauch
strittigePunktemiteinanderverhandeltwerden,wieetwadieAusgestaltungdeskirchlichen
ArbeitsrechtsoderdieFragederAblösungvonStaatsleistungen.SeitensderSPD istesge-
lungen,statteinesKampfesproodercontra„DritterWeg“denBlickaufdieUrsachenfürdie
Problemezulenken,nämlichdenPreiskampfimGesundheitssektor.DieForderungnacheinem
BranchentarifSozialesistdasErgebnisvielerGesprächemitkirchlichenTrägernundGewerk-
schaften.DasschließtKritikundDifferenzenimEinzelnennichtaus,beschränktdieseaberauf
Sachpunkte,dienichtstellvertretendfüreineBestreitungdeskirchlichenRechtsaufSelbst-
bestimmungstehen.DazugehörenetwadieForderungnacheinerBeteiligungderGewerk-
schaftenamDrittenWegoderdieAuffassung,dassdasStreikrechtmitdemKonzepteiner
Dienstgemeinschaftvereinbarist.
2.GleichberechtigteTeilhabevonMenschenunterschiedlicherBekenntnissefördern
WirlebeninderBundesrepublikDeutschlandineinemweltanschaulichneutralenStaat,der
sich ausdrücklich aus religiösen Bekenntnisfragen heraushält, um der Religionsfreiheit des
Einzelnen–derpositivenwiedernegativen–breitenRaumzulassen.Umdieszutun,fördert
derStaatsogaraktivdieReligionsfreiheit,dieindividuelleebensowieihrekollektiveundkor-
porativeDimension.
SelbstverständlichgehöreninzwischenauchMusliminnenundMuslimezuDeutschlandund
mit ihnenderIslam.Religionsfreiheit inderpluralenGesellschaftbedeutet immerauchdie
FreiheitderAndersglaubenden.WirmüssendasStaatskirchenrechtimSinneeinesReligions-
verfassungsrechtsweiterentwickeln.DenndiegrundgesetzlicheOffenheitfüralleReligions-
gemeinschaftenmusssichauchinderRechtspraxisunddergesellschaftlichenGleichberechti-
gungniederschlagen.Nurdannkönnenwirwirklich„ohneAngstverschiedensein“,wiees
JohannesRaueinmalunterBezugnahmeaufAdornoformulierthat.DasichderIslam–wie
dasJudentumauch–nichtals„Kirche“verstehtundorganisiert,muss(sozialdemokratische)
ReligionspolitikzusammenmitVerantwortlichenaufmuslimischerSeitehiernachgeeigneten
Wegensuchen.WiederIslaminDeutschlandinunserGemeinwesenintegriertwird,istdie
entscheidendereligionspolitischeFrageunsererZeit.
DieDeutscheIslamkonferenzzeigt,wieseitensdesStaatesgemeinsameVereinbarungenge-
troffenwerdenkönnen.GrundlagehierfürsinddiedeutscheRechtsordnungunddieWerte-
ordnungdesGrundgesetzes.SiesindaufgleichberechtigteTeilhabeangelegt,wendensichaber
umgekehrtauchentschiedengegenjedeFormvonExtremismus,gegenIslamfeindlichkeiteben-
so wie gegen Antisemitismus und gegen Islamismus im Sinne eines religiös begründeten
ExtremismusunterMuslimen.AktuelldiskutiertdieDeutscheIslamkonferenz,wieinZukunft
einislamischerWohlfahrtsverbandanalogzuDiakonieundCaritasentwickeltwerdenkann.
EinislamischerWohlfahrtsverband,derinDeutschlandverankertist,pluralangelegtundwelt-
offen,kanneinwichtigesElementunsererGesellschaftwerden.GeradebeimThemaPflege
inunsereralterndenGesellschaftwirdesnotwendigerwerden,kultursensibleAngeboteim
SinneeinersubsidiärenVielfaltzugewährleisten.DieNachfragenachislamischenPflegeeinrich-
tungenundAltenheimenbestehtundsiewirdsteigen.
WAS IST HEUTE RELIGIONSPOLITIK UND WELCHEN BEITRAG KANN DIE SOZIALDEMOKRATIE DAZU LEISTEN?
Zur Förderung gleichberechtigter Teilhabe gehört natürlich nicht nur der organisierte Dialog
desStaatesmitdenmuslimischenGemeinschaftenaufBundesebene,sondernauchdieWeiter-
entwicklungaufLänderebene,wieesNordrhein-WestfalenmitdemKörperschaftsstatusgesetz
vorgemachthat,oderdieErweiterungdesReligionsunterrichtsinderSchule.ZuLetzterem
zähleninersterLiniebedarfsgerechteAngebotefürmuslimischeundalevitischeSchüler_innen–
aberaufDauerauchdieEntwicklungeinesintegrativen,interreligiösenKonzeptes,dasden
ErfordernisseneinerpluralenGesellschaftgerechtwird.HierhatdieEKDeinesehranregende
Diskussionsgrundlagevorgelegt.10
3.DiskursüberReligionineineroffenenGesellschaft–
GemeinsamExtremismusentschiedenbekämpfen
Eswärezukurzgegriffen,beiderGestaltungderpluralenGesellschaftnuraufdenStaatund
dieReligionsgemeinschaftenzuschauen.HieristdieZivilgesellschaftundhiersindauchdie
Parteiengefordert,übergemeinsameWerteundRegelnzudebattieren.ZumDiskurszählt
aucheinklarergemeinsamerKampfgegen Intoleranzund rechtsextremesowieantisemiti-
scheundantiislamischeEinstellungen.AntisemitismushatleiderauchinDeutschlandwieder
inerschreckenderWeisezugenommen.UnterdemDeckmantelvonIsraelkritikwerdenalte
antijüdischeVorurteilewieder hoffähig.Angesichts derDemonstrationen vonPegidawird
leiderdeutlich: EinepluraleundweltoffeneGesellschaftmuss sichmitRechtsextremismus
auseinandersetzen.DasEngagementgegenRechtsistundbleibteinezentraleAufgabefür
alleDemokratinnenundDemokraten.
4.InnerePluralitätalsRessourcebegreifen
DieSozialdemokratie ist von ihremSelbstverständnisheraufPluralitätangelegt.Diesegilt
eswahrzunehmenundzunutzen.StärkernochalsbisherwirdalsosozialdemokratischeReli-
gionspolitikdaraufbedachtseinmüssen,dasssich inallenFeldernsozialdemokratischer
PolitikmöglichstvieleMenschenmitunterschiedlichenPerspektivenbeteiligenkönnen.Die
erstegemeinsameTagungderdreiArbeitskreisevonchristlichen,jüdischenundmuslimischen
Sozialdemokrat_innen hat gezeigt, dass die Sozialdemokratie ein gutes verbindendes Drittes
ist, das über Unterschiede hinweg eine Plattform für gemeinsames Handeln bereitstellt.
Dadurch werden neue Netzwerke und Arbeitszusammenhänge entstehen. Wenn dies ge-
lingt, kann die Sozialdemokratie wichtige Impulse auch für andere Organisationen geben.
BereitsdiesekleineSkizzezeigt,dasskünftigesozialdemokratischeReligionspolitikmehrnoch
als früherdiegesamtgesellschaftlicheEntwicklung imAugehabenmuss.Diegleichberech-
tigteTeilhabevonMenschenunterschiedlicherBekenntnisseundReligionsgemeinschaftenan
denförderndenStrukturendesGrundgesetzesundamgesellschaftlichenLeben, ihresubsi-
diäreBeteiligungandenBildungs-undSozialangebotenunseresLandes,dasZurückdrängen
vonundemokratischenFundamentalismensindwichtigeZiele–füreingutesundsolidarisches
MiteinanderineinempluralenweltoffenenDeutschland.
[10]ReligiöseOrientierunggewinnen.EvangelischerReligionsunterrichtalsBeitragzueinerpluralitätsfähigenSchule.EineDenkschriftdesRatesderEKD.Gütersloh2014.
20 21RELIGION – DEMOKRATIE – VIELFALT
MULTIRELIGIOSITÄT ALS HERAUSFORDERUNG UND CHANCE
Tuba Işık
DerdemografischeWandelundJahrzehntederEinwanderunghabenDeutschlandstarkver-
ändertundvorneuepolitische,strukturelle, juristischesowiegesellschaftlicheHerausforde-
rungengestellt.Deutschlandistkulturellbunterundreichergeworden.Wennauchbisherdas
Christentum–sowieinweitenTeilendasJudentum–kulturformendwar,werdenzukünftig
wohlauchdieMuslimediesesLandmitprägen.DieserArtikelfragt ineinemerstenTeilda-
nach,wiereligiöseGleichberechtigungindermultireligiösenEinwanderungsgesellschaftpoli-
tischerreichtwerdenkann.DerUmgangmitdemIslamalsderzweitgrößteninDeutschland
gelebtenReligionistdabeivonbesondererBedeutung.IneinemzweitenTeilwirdderFrage
nachgegangen, wie jenseits eines religionsrechtlichen Rahmens auch zwischenmenschlich
interkulturelle und interreligiöse Begegnung gelingen kann, damit das Zusammenleben in
Vielfaltauchpraktischgelingenkann.
Innerislamische Vielfalt als religionspolitische Herausforderung
Obwohlgeistesgeschichtlichvon„demIslam“und„denMuslimen“alsGanzeszusprechen
eingeradezuvormodernesPhänomen ist, scheintdieseRede-undDenkweise seiteinigen
JahrzehntenimöffentlichenDiskursweitgehendenvoguezusein.Eineunbekannte,religiöse
GruppealseinenmonolithischenBlockverstehenzuwollen,erleichtertzwardenUmgangmit
ihm,verkenntjedochdengenuinenCharakterdesIslam.DenneinehierarchischeStrukturmit
Positionen,dieeinenfüralleGläubigenverbindlichenKanon inallenLebensbereichendefi-
nieren,gibtesimIslamnicht.ZwarsindbestimmteBereichewiedieGlaubensgrundsätze(die
fünfSäulenundsechsGlaubensartikel)untersunnitischenMuslimenunstrittig,weiteBereiche
undderenKonkretisierungjedochwerdeninAbhängigkeitvonderjeweiligenAuslegung
verstandenundführendadurchzudifferierendenAuffassungenundzuunterschiedlichen
religiösenLebensentwürfen.MuslimeundihrereligiösenVorstellungensindebensovielfältig
wiedieRosenvielfaltindenGärtenvonHerrenhauseninHannover.
DieinDeutschlandlebendenMuslimeprofitiereninsgesamtvominDeutschlandexistierenden
(undwohleinzigartigen)kooperativenVerhältniszwischenStaatundReligionbzw.denReligions-
gemeinschaften.Sieschätzendies,auchwenneinigederRechtezurUmsetzungdermusli-
mischenGlaubenspraxis,diediefreiheitlich-demokratischeRechtsordnungDeutschlandsmit
seinerumfassendenReligionsfreiheitvorsieht,erstvorGerichterkämpftwerdenmussten.
Allerdingsstelltsich inBezugaufdie islamischenReligionsgemeinschaftenmehrundmehr
dieFrage,obdiederzeitigeReligionspolitiktatsächlichdenmuslimischenGemeinschaften
gerechtwird,wennmanversucht,sieineinerreligionsverfassungsrechtlichverankertenOrga-
nisationsformzupressen.Esfragtsichalso,obessinnvollist,dasimBlickaufdiechristlichen
KirchenentwickelteReligionsverfassungsrechtaufdenIslamanzuwenden.Vielleichtmüsste
andersherumdieVielfaltvonGlaubensformeninDeutschlandauchineinerVielfaltvonrecht-
lichenGestaltungsmöglichkeitenAusdruckfinden.
Quo vadis Gleichberechtigung?
Auslöser für die Entstehung von Religionsgemeinschaften im juristischen Sinn war von je-
herdieDebatteüberdieinstitutionellenVoraussetzungenfürdieEinführungdesislamischen
ReligionsunterrichtsgemäßArt.7 IIIGG.DiestaatlicheForderungnacheinemAnsprech-
partnerhierfürfordertedieSelbstorganisationderMuslimestarkheraus.DieEntwicklungen
möchte ichandieserStellenichterneutnachzeichnen, sondern festhalten,dassdiemusli-
mischenPartner imZugedererstenDeutschen IslamkonferenzeinenSpitzenverband,den
Koordinierungsrat der Muslime (KRM), gründeten. Eine gewisse Paradoxie liegt in den je-
weiligen Bestrebungen großer Dachverbände, nun auch Landesverbände gründen zu wol-
len,obwohl siekonfessionellüberwiegenduniformsindundesbereitsbestehende isla-
mische Landesverbände gibt.1 So steht weiterhin die alte Frage im Raum, durch welches
identitätsstiftende Merkmal die Dachverbände sich unterscheiden? Es ist sicherlich nicht
die saudische Hotelauswahl zur Zeit der Pilgerfahrt (hajj) und weniger ist es die Art und
WeisederAusrichtungeinesRamadan-Iftars.DiebezeichnendeDifferenz liegtwohldarin,
dass sie politisch-historisch unterschiedlich gewachsen sind und nicht zuletzt ein Resultat
der kemalistischen Religionspolitik der Türkei zu sein scheinen. Denn dass die Ahmadiyya
oder die Alevitische Gemeinde als eigenständige Religionsgemeinschaften anerkannt und
damit berechtigt sind, ihren eigenen Religionsunterricht anzubieten, ist verfassungsrecht-
lich sowie theologisch nachvollziehbar. Doch wo soll es hinführen, wenn nach DITIB –
alsReligionsgemeinschaftenanerkannt inHessenundHamburg–nunauchdie jeweiligen
Landesverbände anderer Dachverbände als Religionsgemeinschaften de jure anerkannt
werden?Sollendanninsgesamtvierislamisch-sunnitischeReligionsunterrichtsangeboteneben-
einanderstehen?DasdürftedenmuslimischenEltern,dieihreKinderzumislamischenReligions-
unterrichtanmeldenwollen,kaumvermittelbarsein.Vorallem,daderbekenntnisorientierte
Religionsunterrichtnichtpolitischen,kulturellenodernationalenDifferenzen,sondernkonfes-
sionellenfolgt2,diebeidengenanntenDachverbändennichtgegebensind.
MirscheintdiestaatlicheForderungderAdaptationdesReligionsverfassungsrechts,dasmit
derhistorischenEntwicklungderbeidenKirchenentstandenist,demislamischenSelbstver-
ständnisvoneinerreligiösenGemeinschaft(umma) diametralentgegenzustehen.DasBeharren
aufdemRechtstitel(bzw.demBegriff)Religionsgemeinschafterscheintmirfürdeninneren
Frieden,dieHarmonieunddieSchaffungvonSynergienderislamischenGemeinschafteneher
kontraproduktivzusein.
DasseineReligionsgemeinschaftnichterstdannvorliegt,wennalleGläubigeneinerReligion
vereintsind,verdeutlichteauchdasBundesverwaltungsgerichtschonEndeder1990erJahre.3
EskannalsonichtumeineNivellierungder innerislamischen-konfessionellenUnterschiede
alsVoraussetzungfürdieEntstehungvonReligionsgemeinschaftengehen.Vielmehrscheint
es eher von politischen Interessen als von rechtlichen Erkenntnissen getrieben zu sein, ei-
nerseitsaufeinerbreitenAnzahlvonMitgliedern,derBeständigkeit,StabilitätundDauerals
Voraussetzungfürdie juristischeAnerkennungeinerVereinigungalsReligionsgemeinschaft
zubeharrenundandererseitskleineren,kürzlichgegründetenVereinenwiedemBundLibe-
ralerMuslimemitwenigerals100MitgliederndasselbeMitspracherechtbei religionspoliti-
schenPlattformeneinzuräumenwieeinemvorüber30JahrengegründetenDachverbandmit
über10000Mitgliedern.AuchwennesbeidiesemVergleichumverschiedeneEbenengeht,
[1] DieDITIBhatinHessensowieinNRW,derZentralratderMuslimeinDeutschlandeben-fallsinNRWeigeneLandesverbändegegründetmitdemZielderAnerkennungalsislamischeLandesreligionsgemeinschaften.
[2] ChristineLangenfeld:Die rechtlichenVoraussetzungen für islamischenReligionsunter-richtanöffentlichenSchulen,in:Dies.u.a.(Hg.):IslamischeReligionsgemeinschaftenundislamischerReligionsunterricht.ProblemeundPerspektiven.Göttingen2005,S.27.
[3] FrankFechner:IslamischerReligionsunterrichtanöffentlichenSchulen,NVwZ1999,Anm.21,S.298.
MULTIRELIGIOSITÄT ALS HERAUSFORDERUNG UND CHANCE
22 23RELIGION – DEMOKRATIE – VIELFALT
zeigterdennoch,wieschnellmitverschiedenemMaßgemessenwird.Ebensodestruktivund
irritierendistdiestarkemedialeBeachtungvonForenwiedasmitUnterstützungderKonrad-
Adenauer-Stiftunggegründete„MuslimischeForumDeutschland“.
WennzunehmendeinzelnekleineGruppierungendejurealsReligionsgemeinschaftanerkannt
werdensollten,somagdasoberflächlichbetrachtetalsZeichendafürerscheinen,dassdieRechts-
praxiseinerVielzahlvonreligiösenÜberzeugungenundihrerinnerenPluralitätgerechtwerden
möchte.TatsächlichjedochoffenbarteinsolchesVorgehen,dassPolitikundStaatdasislamische
(Selbst-)VerständnisinBezugaufKonfessionalitätundinnerislamischeVielfaltvölligverkannt
hat.UmausSichtmuslimischerTheologeneineGruppealseigenständigeGemeinschaftzu
definieren,bedarfesweitmehralseinigerunreiferThesen.Vorallemdann,wenndiese
hauptsächlichgesellschaftlicheundpolitischeFragenbetreffenundwenigertheologische.
Solässtsichtheologischfragen,worindiekonfessionellenUnterschiedezwischendensoge-
nanntenorthodoxenVerbändenunddenliberal-islamischenGruppendenntatsächlichliegen
undobdiesegravierendgenugsind,dieGründungeinereigenenReligionsgemeinschaftzu
legitimieren.SolltediePolitikdieseSichtweisebefördern,dannistdamitzurechnen,dasssich
weitereGruppenmitklangvollenNamen (wiebspw.progressiv-islamisch, reform-islamisch
u.ä.), aberwenig tatsächlichneuen revolutionären Inhaltengründenwerden.Auchwenn
dieseBestrebungentheologischbetrachtetnichtsNeuesbringen,sondernallenfallsbewirken,
diedemIslaminhärenteVielfalt(wieder)sichtbarzumachen,sindsieausjuristischerSicht
natürlichlegitim.DasAugenmerkwirddannallerdingsverstärktdaraufliegen,wiederStaat
mitdiesenoftpolitischhofiertenGruppenumgeht.Müssenauch sie sichdenMühender
verfassungsrechtlichenEbenestellenundalleorganisatorischenAuflagenerfüllen,dieman
dengroßenVerbänden abverlangt?Oderwirdmandie Beurteilung, ob alle Bedingungen,
diezurAnerkennungalsReligionsgemeinschafterfülltseinmüssen,eherlaxhandhaben?Im
praktischenUmgangwirdsichletztendlichentscheiden,obdiestaatlicheNeutralitätgewahrt
bleibtundobdasPrinzipderGleichbehandlungeingehaltenwird,daseinfriedlichesMitein-
andererstgewährleistet.NichtumsonstweistdasBundesverfassungsgerichtdaraufhin,dass
dieEinhaltungderstaatlichenNeutralitätdasultimativeMittelist,umzuverhindern,dassder
StaatvonsichausdengesellschaftlichenFriedengefährdet.4
SeitBeginndererstenDeutschenIslamkonferenzhabendieDachverbändeallerdingserfahren
müssen,dassderStaatnichtseltenmitzweierleiMaßmisst,bestimmteGruppenvonMus-
limenförderte,währenderanderenoftpersedieDemokratiefähigkeitabsprach.Dasund
dienachwievorfehlendenRessourcenundKompetenzenaufVerbandsseiteverdeutlichen5,
dassdieRealitätalternativeModelleverlangt.BetrachtetmandiegegenwärtigeSituationdes
praktischhandlungsunfähigenKRM–diedarinbesteht,ihnkünstlichamLebenzuerhalten–
istzuerkennen,dassdessenAuseinanderbröckelneineZustandsanzeigederEntwicklungder
letztenJahreistundeinBeweisdafür,dasseseineidealistischeWunschvorstellungwar,einen
einzigenAnsprechpartnerfürdenStaatetablierenzuwollen.DasZiel,durchäußerenDruck
eineVereinigungvonVerbändenzubefördern,diedazunochnichtbereitundvielleichtauch
nochnichtfähigwaren,istfolgerichtiggescheitert.
Einespannungs-undkonfliktärmereLösungscheintdasModellder Schura zusein,wiewir
sieausSchleswig-Holstein,Niedersachsen,Bremen,Rheinland-PfalzundHamburgkennen.
DenndieSchurenalsZusammenschlussverschiedenermuslimischerGemeindenhabensich
aufLänderebeneeheralsbrauchbarerAnsprechpartnererwiesen.AufderLandesebenekönnen
[4] Vgl.BVerfGvom27.01.2015(–1BvR471/10–und–1BvR1181/10–).
[5] Vgl.beispielsweiseEnginKarahan,IZ-Begegnungen,242.Ausgabe,August2015,S.2.
wesentlichereligionspolitischeFragenzwischenSchuraundPolitiksowieVerwaltungbesprochen
undggf.ineinemStaatsvertraggeregeltwerden–wiebspw.inNiedersachsen:Wennauch
dieDITIBausderReihetanzendnichtMitgliedderSchuraist,wirdderIslamischeReligions-
unterrichtdennochgemeinsammitdenanderenmuslimischenVerbänden/Akteurenverant-
wortet.NebenReligionsunterrichtfallenBestattungswesen,Seelsorge,Wohlfahrtspflegesowie
baurechtliche Fragen in die Handlungskompetenz der Länder. Dafür eignet sich ein föde-
raletabliertesSystem,wieesdieSchuravorsieht,fürdieVielfaltdermuslimischenVerbände
bisheramBesten.IndemModellsindethnischeundkonfessionelleDifferenzenamBesten
aufgefangen und repräsentiert, auch wenn die Schuren gegenwärtig gewisse strukturelle
Schwachstellenaufweisen.6IhreVorständeundVorsitzendenderLandesverbändesindbasis-
demokratischgewähltundgenießendamitsowohleinenstarkenRückhaltihrerMitgliedsver-
einealsauchdemokratischeLegitimität.AuchwenndasReligionsverfassungsrechtvoneiner
ReligionsgemeinschafteinedemokratischeVerfasstheitnichtabverlangt,demonstriertdas
Schura-Modell eineexemplarischeSynthesedesgenuin islamischenPrinzipsderBeratung7
undeinesDemokratiebewusstseins.
Möchteman verschiedenenReligionsverständnissen–hier sindnicht konfessionelleUnter-
schiedegemeint–gerechtwerdenunddenMuslimenermöglichen, innerislamischstrukturell
neueWegezugehen,diedemSelbstverständnisihrerreligiösenTraditionentsprechen,be-
darfesmöglicherweisegenauneuerWege,wiedieGründungderSchureneinerwar.Ein
unhinterfragtes Festhaltenanbestehenden juristischen Formaten sollteüberdachtwerden,
umoffendafürzubleiben,dasszunehmendereligiösePluralitätauchdenRahmendesVer-
hältnissesvonStaatundReligionenverändernkann.
Kulturelle Verständigung – Wie kann sie gelingen?
KinderundJugendlichewachsenheuteineinemkulturellsowiereligiöspluralenDeutschlandauf.
DieBegegnungmitMenschenandererHerkunft,ReligionszugehörigkeitoderHautfarbe in
Schule,Freizeit,NachbarschaftundimArbeitslebenistmittlerweilezurNormalitätgeworden.
DasgiltinbesondererWeiseauchfürdieBegegnungmitdemIslam,dermitca.4Millionen
Menschen–alsorund5%derGesamtbevölkerung–diezweitgrößteReligionnebendem
Christentum inDeutschland ist.Allerdings istder IslameineReligion,diedurchdieOrtho-
praxie,alsodie religionspraktischeDimension, im jeweiligenLeben imAlltaggewolltoder
ungewolltsichtbarundwahrnehmbarist.DarunterfallenbeispielsweisedasKopftuch,Alkohol-
verzicht, der Wunsch nach Gebetsorten in öffentlichen Räumen, halal-geschlachtetes
Fleischangebot,dasFasten,u.ä.DamitistderIslamvisuelldurchdiepraktizierendenMuslime
imAlltagstetspräsent.WomöglicherscheintderIslamdeswegenauchnebendemJudentum
alsdieReligion,diedasRechtaufReligionsfreiheit invollemMaßebeanspruchtunddiese
inDiskussionenmitNichtmuslimeneinfordert, indemaufdie Einhaltungdergrundgesetzlich
garantiertenRechtehingewiesenwird– ineiner fürNichtmuslimeoftüberraschendenAn-
wendung des Ausspruchs Wolfgang Schäubles: „Das Grundgesetz ist nicht diskutierbar.“
DiesesEmpfindenvonislamophobensowiereligionskritischenoderreligiösunmusikalischen
Menschen,MuslimewürdendieReligionsfreiheit inunverhältnismäßighohemMaßebean-
spruchen,istfreilichunberechtigt.EsistderTatsachegeschuldet,dassdieBedürfnisseder
[6] AuchbeidenSchurenfehltesanvielenStellenan„manpower“,daalleVorstandsmit-gliederdenverbandsorganisatorischenAufgabenehrenamtlichnachgehenmüssen.FernergehöreninmanchenBundesländernnichtallebestehendenMoscheevereinederjeweiligenSchuraanundsinddamitaufpolitischerEbenenichtrepräsentiert.
[7] DieBedeutungvonSchuraistBeratung,Beratungsgremium.
MULTIRELIGIOSITÄT ALS HERAUSFORDERUNG UND CHANCE
24 25RELIGION – DEMOKRATIE – VIELFALT MULTIRELIGIOSITÄT ALS HERAUSFORDERUNG UND CHANCE
christlichen Bevölkerung wie etwa die Sonderstellung des Sonntags, staatlich festgelegte
FeiertageanlässlichchristlicherFeste,konfessionellerReligionsunterrichtanSchulen,vielfäl-
tige Förderung christlicherReligionsgemeinschaften, bis hin zumEinzugderKirchensteuer
undderFinanzierungtheologischerHochschulen,schonsolangeundumfänglichimAlltag
berücksichtigtwerden.Sieerscheinenals„dasNormale“.VordiesemHintergrundwirktjede
ErfüllungeinerrechtlichbegründetenForderungeineranderenReligionalsZugeständnisder
Mehrheitsgesellschaft.
EsistdieAufgabederPolitikundderWissenschaft,dieseFehlinterpretationimmerwiederzu
thematisierenundsozuzeigen,dassallegleichermaßenvonderfreiheitlich-demokratischen
GrundordnungprofitierenunddasseineBeschneidungdesGrundrechtsaufGlaubens-und
BekenntnisfreiheitalleBürger,auchdiejenigen,diesichkeinerReligionsgemeinschaftzurechnen,
negativtreffenwürde.DenndamitwürdenalleBekenntnisse–seiensiereligiöseroderatheis-
tischerNatur–ausdemöffentlichenLebeninsPrivategedrängt.DerZwangzurPrivatisierung
vonReligionenundWeltanschauungenfindet seineGrenzen jedoch imgrundgesetzlich
garantiertenRahmendesArt.4GG.
In den vergangenen Jahrzehnten haben wir die Erfahrung gemacht, dass die Sichtbarkeit
vonMuslimenzweigrundsätzlicheReaktionenhervorruft:EntwederreagierenMenschenmit
AngstundweisendenIslammitdemArgumentzurück,dassdiechristlich-abendländische
KulturdieseTraditionennichtkenne.AllerdingsverkenntdieseThese,dassunserVerfassungs-
systemkeinen„christlichenReligionsvorbehalt“kennt.8OderMenschenfassendenreligiös
AnderenundseinereligiösenÜberzeugungensowieseineLebensformalsBereicherungund
Chance auf, etwas Neues kennenzulernen. Religiöse und kulturelle Vielfalt kann als Berei-
cherungundpositiveHerausforderungfüreineGesellschaftsowiefürjedesIndividuumver-
standenwerden.KulturelleVerständigungkannm.E.erfolgreicherüberdasVerstehenund
wenigerdurchErklärenerfolgen.Obwohlwiraufca.50JahrederinterreligiösenDialog-
erfahrung inDeutschlandzurückblicken,standen„dieMuslime“mitdemAufkommendes
sogenanntenIslamischenStaatsEnde2014wiedereinmalunterdemGeneralverdacht,eine
potenzielle Gefahr für die innere Sicherheit darzustellen. Diese und ähnliche Erfahrungen
inderVergangenheitzeigen,dassalleineinErklärenmuslimischerPositionenzuKriegund
GewaltodergareinsichRechtfertigenundDistanzierengegenüberislamistischemExtremismus
fürdieEtablierungeinertragfähigenVertrauensbasisoffensichtlichnichtausreichendwaren.
DasGefühlvonHeimatentstehtabernurdann,wennmananeinemOrtist,andemman
sichnichtmehrerklärenmuss,andemnichtDifferenzen imVordergrundstehen,sondern
Gemeinsamkeiten,andemdasGefühlvermitteltwird,aneinemStrangzuziehengegen
Bedrohungen,dieselbstverständlichniemandgutheißenkann.MeinerVorstellungvonVer-
ständigungliegteintheologisch-methodischerAnsatzzugrunde,derals„KomparativeTheo-
logie“einerechtjungeDisziplininderWissenschaftslandschaftDeutschlandsdarstelltundauf
gutemWegist,auchdiepraktischeBegegnungderMenschenimgesellschaftlichenAlltag
zuprägen.9
[8] Vgl.MathiasRohe:DerIslamimdemokratischenRechtsstaat,ErlangerUniversitätsredenNr.80/2012,3.Folge,S.13.
[9] KomparativeTheologie isteinederzeitnur ineinigenForschungszentren indenUSAundneuerdingsauchanderUniversitätPaderbornentwickelteneueForschungsrichtung,diedieInnenperspektivenverschiedenerTheologienvergleichendinsGesprächbringt,umdieseTheologienjeweilsweiterzuentwickeln.
Die komparative Perspektive
EshandeltsichbeidiesemAnsatzinersterLinieumeinenneuenTheologie-Stil.DieGrundidee
desKomparativenist,sichselbstunddenAnderenineinemwechselseitigenundreflexiven
Prozessbesserkennenzulernen.DieBegegnungunddasGesprächsindeinLernprozess,einer-
seitsdieeigeneReligionoder/unddiekulturelleFärbungausfremderSichtwahrzunehmen,
undandererseitsdenAnderensozusehenundzuverstehen,wieersichselbstversteht–ganz
imSinnederDialogphilosophieMartinBubers. In seinemWerk „IchundDu“ verdeutlicht
BuberdiesenKernpunktsehrschön.BegegnungsowieBeziehungsindreziprok.DasIchwird
erstinBeziehungmitdemDuzumIch.UndwenndasDunichtanderswäre,würdemirmein
Soseinnichtbewusstwerden.
DerkomparativeAnsatzverpflichtetsichalso,„sichersteinmalderAndersheitderanderen
auszusetzenunddiesezuverstehenzusuchen,umdannaufdieserBasis–undnichtapriori,
vorderinterreligiösenBegegnung–zuUrteilenzukommen“.10Damitistder„Dialogaufgleicher
Augenhöhe“keinLippenbekenntnismehr,sonderngelebteRealität, inderesnichtumein
Ver-undBeurteilendesAnderengeht,sondernumdenVersuch,denAndereninseinerDiffe-
renzverstehenzuwollen,indemmanihminOffenheitundAkzeptanzbegegnet.DieseHaltung
impliziertweitausmehralsdieSchlüsselqualifikation„InterkulturelleKompetenz“,dieledig-
lichdieWahrnehmungundAkzeptanzvonAndersheitfordert.DerkomparativeAnsatzsetzt
dasBewusstseinvoraus,nichtalleswissenzukönnen(dasPrinzipderepistemischen Demut)
undfolglichdieBereitschaft,vomAnderenlernenzukönnen.EsistvorallemeineEinladung,
sichindenAnderenundseinenGlaubensowieNichtglauben11hineinzudenkenunddasDenken
nachzuvollziehen.DurchdenIch-Du-PerspektivenwechselkannmaninderDifferenzerfahrung
dasEigenesehen,formenunddefinierenundzeitgleichlerntmandenAnderendabeikennen.
DurchdensolidarischenundfreundschaftlichenMitvollzugderDenkbewegungendesjeweils
AnderenentstehendannganzneueMöglichkeitendesDialogsunddesfriedlichenMiteinan-
ders,aberauchneueEntwicklungsmöglichkeitenfürdiejeweiligekonfessionelleTheologie.
ErstechteBegegnungkannein„Selbst“verändernundfürVerschiedenheitöffnen.Allerdings
setztdiesvoraus,dassmaneinerepressiveHaltungwiedassderGlaubean seinen (oderkeinen)
GottebendieseseineeineLebensformlegitimiere.FerneristsolcheineHaltungkeinewirkliche
BejahungvonPluralitätundDemokratie.DeshalbstelltdiegegenwärtigekulturelleVielfalt
aucheinegroßegesellschaftlicheHerausforderungdar.InnerhalbunsererGesellschaftgibtes
genügendMenschen,diesichdieserHerausforderungausunterschiedlichenGründennicht
stellenmöchtenoderkönnen.Sofälltesvielenleicht,lediglichzumehrToleranzgegenüber
Andersgläubigenaufzurufen,währendsieselbstvermeiden,sichauf„unsicheresTerrain“zu
begeben,indemsievermeiden,mitAndersglaubendenbzw.kulturellandersgeprägtenMen-
schenzukommunizieren.
VerständigungundVerstehenumfasstweitausmehralsnurToleranz.Verständigungsollte
zuRespektundWürdigungderDifferenzdesAnderensowiezueinerwechselseitigenAner-
kennungführen.KulturellesowiereligiöseVerständigungscheinenkonstitutiveKoordinaten
eines gemeinsamen Ethos zu sein, der das kulturelle und religiöse Mosaik der Menschen
[10]Vgl.KlausvonStosch:KomparativeTheologiealsWegweiserinderWeltderReligionen,Paderbornu.a.2012.
[11]FürdiesenAnsatzmüssendieGesprächspartnernichtnotwendigerweise religionsge-bundensein.ZwarkanndieserAnsatzverstandenwerdenalseineneueMethodedesinter-religiösenDialogs,musssieabernicht.MeinGegenüberverstehenzuwollen,istnichtnureineZielsetzungvonInterreligiösemDialog.DieseHaltungensetzennichtunbedingteineKonfessionsgebundenheitvoraus.
26 27RELIGION – DEMOKRATIE – VIELFALT
inDeutschlandzusammenbringenundzusammenhaltenkann.DieserLernprozessverlangt
letztlicheinebeidseitigeBewegungundkanndaherauchnurgelingen,wennbeideSeiten
dieseBegegnungwagen.ErsteSchrittedahingehendzeichnensichschonabwiebeispiels-
weisedieEtablierungvonislamisch-theologischenLehrstühlenandeutschenUniversitäten.
WedereinePazifizierungnocheineDämonisierungvonReligioninöffentlichen–vorallem
medialgeführten–DiskursenkannfüreinfriedlichesMiteinandereinenausreichendenNähr-
bodenbieten–daswürdenurzumehrPolarisierunginnerhalbunsererGesellschaftführen.
NurinwechselseitigemAufeinander-HörenundVoneinander-LernenkanneineAtmosphäre
der FreundschaftunddesVertrauensüberReligionsgrenzenhinwegentstehen.12Unddas
wiederumwäreoptimal fürdengesellschaftlichenFrieden ineinerheterogenenEinwande-
rungsgesellschaft.
[12]Vgl.KlausvonStosch:DermissverstandeneGott,PublikForum3/2015.
DIE RELIGIONSPOLITISCHE DIMENSION DER FLÜCHTLINGSFRAGE
Dietmar Molthagen
DaspolitischeJahr2015warundistinDeutschlandgeprägtvonFragenderFlüchtlingspolitik.
DiehoheZahlvonnachDeutschlandeinwanderndenFlüchtlingensinddafürebensoeinGrund
wiedieteilweiseerbittertenöffentlichenDebattenumdieAussetzungdesDublin-Verfahrensin
der Europäischen Union, die Frage nach vermeintlich notwendigen Obergrenzen der Zuwan-
derungnachDeutschlandunddenimmerwiederneuzulösendenpraktischenProblemender
Unterbringung,ErstversorgungundAntragstellungderneuankommendenGeflüchteten.
BegleitetwirddieseöffentlicheDebatte zumeinen voneiner immensenHilfsbereitschaft der
deutschenBevölkerung.NahezuflächendeckendhabensichimLandInitiativengegründetund
sindBürger_innenehrenamtlichaktiv,umdenFlüchtlingenzuhelfenundsieinDeutschlandwill-
kommenzuheißen.GeradevieleKirchengemeinden,genausowiemuslimische,jüdischeoder
anderereligiöseGemeindensinddabeivertreten.Zumanderenzeigtsichaberaucheineableh-
nendeBewegung.DieDemonstrationenderselbsternannten„PatriotischenEuropäergegendie
IslamisierungdesAbendlandes“(„Pegida“) inDresdenundandernortshabenzumJahresende
wiederdeutlichsteigendenZulauf.Die„AlternativefürDeutschland“hatsichimZugeihrerFüh-
rungskämpfeundderAbspaltungdesParteigründersBerndLuckeklarerdennjealsrechtspopu-
listischeKraftetabliert.ZuletztforderteMarcusPretzell,SprecherdesAfD-LandesverbandsNRW
gar,FlüchtlingezurNotauchmitWaffengewaltamBetretendesBundesgebietszuhindern–ein
VerstoßgegenRechtundGesetz,vommenschlichenAnstandganzzuschweigen.Parallelzur
anschwellendenflüchtlingsfeindlichenStimmungbrenneninDeutschlandtäglichFlüchtlings-
unterkünfteundwerdenGeflüchtetebedroht.
EskommenalsoeineaufgeheizteöffentlicheStimmungundsehrreale,politischeundpraktische
HerausforderungeninderFlüchtlingsfragezusammen.VieleKommentatorenweisendaraufhin,
dassdieLösungdieserFrageunddie langfristige Integrationder längerfristig inDeutschland
bleibendenGeflüchteteneineebensodauerhaftewiefundamentaleAufgabefürdiedeutsche
Gesellschaftbedeutet.DieserArtikelfragtdanach,welcheRollespezielldieReligionbeiderBe-
wältigungdieserAufgabespieltundwelcheHandlungsmöglichkeitendieReligionspolitikinder
Flüchtlingsfragehat.
Wer kommt nach Deutschland?
FragloserhöhtdiegegenwärtigeEinwanderungnachDeutschlanddieVielfaltderhierlebenden
Bevölkerung–auchdiereligiöseVielfalt.NachJahreneinesweitgehendstabilenWanderungs-
saldoskommenseit2010wiederdeutlichmehrMenschennachDeutschlandalsabwandern.
Das Jahr2015wirddabeimiteiner vonoffizieller SeitegeschätztenZahl vonallein800.000
FlüchtlingensicherlicheinenSpitzenwerterreichen.
DurchdieseZuwanderungkommenfraglosvieleMuslimenachDeutschland,aberbeileibenichtnur
sie.FürdasJahr2014liegenZahlendesBundesamtsfürMigrationundFlüchtlingevor,nachdenen
immerhinfasteinViertelderErstantragsteller_innenvonAsylanträgenChristenwaren,knappzwei
DIE RELIGIONSPOLITISCHE DIMENSION DER FLÜCHTLINGSFRAGE
28 29RELIGION – DEMOKRATIE – VIELFALT DIE RELIGIONSPOLITISCHE DIMENSION DER FLÜCHTLINGSFRAGE
Drittel(63,6%)Muslime.1AuchbeidenderzeitinhoherZahlanerkanntenAsylbewerber_innenaus
SyrienundEritreaistdieReligionszugehörigkeitnichthomogen.SokommenausSyrienunddem
IrakauchJesiden,AlevitenundChristennachDeutschland,ausEritreanebenFlüchtlingen,die
derchristlichenMehrheitangehören,auchMuslime.2
IstdasBilddergegenwärtignachDeutschlandeinwanderndenMenschenschonmitBlickauf
dieReligionszugehörigkeitheterogen,potenziertsichdieVielfalt,wennmannachKonfessionen
oderGlaubensstilenfragt.ZahlreicheKommentatorenhabenbereitsdaraufhingewiesen,dass
dieinnermuslimischeVielfaltzunehmenwird.DerbislangstarkvonderEinwanderungausder
Türkei geprägte Islam in Deutschland wird durch die Geflüchteten aus arabischen und auch
ausafrikanischenLändernheterogener.UndauchwenndiegroßeMehrheitderGeflüchteten
Sunnitensind,gibtesauchinnerhalbdessenverschiedenePrägungenundzahlreicheGlaubens-
stile.MehrfachzuhörenwarzuletztauchdieVermutung,dassdergelebteIslamuntervielen
FlüchtlingenausSyrienunddemIrakehersäkulargeprägtist.Obdieszutrifftundwennja,wie
diesdeninDeutschlandpraktiziertenIslamverändert,bleibtabzuwarten.Zudemwirdauch–in
geringeremAusmaß–dasChristentumheterogener.DiemeistensyrischenGeflüchtetenchrist-
lichenGlaubenswerdendemsyrisch-orthodoxenBekenntnisangehören,aberauchKoptenund
aramäischeChristenwerdenunterihnensein.
DienachDeutschlandkommendenMenschensindverschiedeninihrerHerkunft,ihrerPrägung,
ihrer Bildungs- und Arbeitserfahrungen usw. Religion ist dabei – genauso wie für die schon
inDeutschlandlebendeBevölkerung–einemöglicheDeterminantederpersönlichenIdentität,
abernichtnotwendigerweiseundvorallemnichtausschließlich.
Was passiert in der aufnehmenden Gesellschaft?
DieEinwohnerschaftDeutschlandswirdvielfältigerwerden–undbleiben.Kleinereundnicht
verallgemeinerbare Befragungen in Erstaufnahmeeinrichtungen haben aktuell ergeben, dass
runddieHälftederbefragtenFlüchtlingesagt,späterinihrHeimatlandzurückkehrenzuwollen.
ZudemweißmanausfrüherenFlüchtlingsbewegungen–etwawährendderKriegeimehema-
ligenJugoslawien–dassnacheinigenJahren ineinemneuenLandderBleibewunschstärker
wird.AuchwennalsonichtalledergegenwärtignachDeutschlandkommendengeflüchteten
Menschendauerhafthierbleibenwird,werdenesvieletun.Und„viele“bedeutetindiesemFall
alleinfürdaslaufendeJahr2015mehrereHunderttausendMenschen.
BemerkenswertpositivwarundistdieWellederHilfsbereitschaftgegenüberdenFlüchtlingen,
diesichüberallinDeutschlandzeigt.DabeisindwenigerdiemedialvielrezipiertenBildervon
winkendenBürger_innenamMünchenerHauptbahnhofentscheidend,sonderndievielgestaltige
praktischeUnterstützung,diegeleistetwird–vonEhren-undHauptamtlichen.Nichtzuletztre-
ligiöseBürger_innenpackenderzeitan.VieleKirchengemeindenberichtendavon,dassAktivitäten
derFlüchtlingshilfegeradezurevitalisierendaufihreMitgliedergewirkthaben.UnddasEngagement
istumfassend–vomBischofbiszumBasismitglied.
ÄhnlichesistausjüdischenundmuslimischenGemeindenzuhören.Genausosindhiergläubige
Bürger_innenfürGeflüchteteimEinsatz.VielenMoscheensindzuBeratungszentrengeworden,
[1] BundesamtfürMigrationundFlüchtlinge:DasBundesamtinZahlen2014.Asyl,MigrationundIntegration.Nürnberg2015,S.25.
[2] Ebd.
damandortdieSprachesyrischerundirakischerFlüchtlingeversteht,teilweiseselbstüberMigra-
tionserfahrungverfügtundvereinzeltauchüberkulturelleodersogarpersönlicheVerbindung
zudenHerkunftsregionen.3 Für vieleMoscheen isteseineneueundeinepositiveErfahrung,
gleichberechtigtundselbstverständlichnebenanderen,nichtmuslimischenAkteurenderFlücht-
lingshilfezuagierenunddafürauchöffentlicheAnerkennungzuerfahren.
AberHilfsbereitschaftund tätigeHilfe sindnureineSeitederReaktionaufdiegegenwärtige
ZuwanderungvonGeflüchteten.EbensosindAblehnung,DiskriminierungundauchGewaltzu
beobachten.DerZulaufzurentstehendenrechtspopulistischenBewegunginDeutschland–be-
stehendauseinersichradikalisierendenAfD,den„Pegida“-DemonstrationeninDresden,aber
auchandernorts,sowieeinemhohenMaßanAbwertungundHetzeimInternet–wirdauch
durchdieFlüchtlingskrisebeschleunigt.4UndbesondersdramatischistdieZunahmevonGewalt.
ImDurchschnittwurden imerstenHalbjahr 2015 jeden Tag eine Flüchtlingsunterkunft ange-
griffen:LautBundesinnenministeriumgabes202AngriffeaufFlüchtlingsunterkünfteimersten
Halbjahr2015,sovielewieimgesamtenJahr2014.5LautPolizeiistesreinerZufall,dassdabei
bislangkeinMenschumsLebengekommenist.6
DieZuwanderungsowiediedamitverbundenezunehmendeVielfaltderdeutschenGesellschaft
polarisiertalsodieBürgerinnenundBürger.DieöffentlicheAufmerksamkeitisthochundinUm-
fragenhatdieFlüchtlingspolitikmitgroßemAbstanddenSpitzenplatzalswichtigstesProblem
erobert.7DieHerausforderung fürdiedeutscheGesellschaft ist somitgroß.Beide stehenvor
einerimmensenIntegrationsaufgabe:diegeflüchtetenMenschenselbstebensowiedieAufnahme-
gesellschaft.Esistsomitnichtzuhochgegriffen,wennvoneinem„JahrzehntderIntegration“
(SPD-GeneralsekretärinYasminFahimi)dieRedeistodergarvoneinerAufgabegrößeralsdie
deutscheEinheit(soBundespräsidentJoachimGauckineinerRedeam3.Oktober2015).Vielfalt
istdabeieinschnellundgernverwendetesWort,dassjedochinseinerKonkretisierungkomplex
undkompliziertwird.DenndasGefühl,wievielVerschiedenheitfüreineGesellschaftinsgesamt,
vorallemaberfürdieeigeneStadt,dieeigeneNachbarschaftgutist,bleibtindividuellhöchst
unterschiedlich.„Vielfalt“istkeingesellschaftspolitischesWohlfühlprogramm,sondernechte
Arbeit.SieerfordertMut,dieBereitschaftzurkonstruktivenAuseinandersetzungundRespekt
füreinander,derdenandereninseinerAndersartigkeitanerkennt.8
Religion als Konfliktstoff oder Friedensstifter?
InderDiskussionüberFragenderFlüchtlingspolitikspieltReligionofteineRolle.DieerstenBe-
richteübergewalttätigeAuseinandersetzungeninFlüchtlingsunterkünftenzogendieForderung
nachsich,FlüchtlingesolltennachReligionszugehörigkeitgetrenntuntergebrachtwerden.9
[3] YaseminErgin:„UnterBrüdernundSchwestern“,FAZvom9.10.2015.
[4] Ausführlichdazu:AndreasZick,BeateKüpper:Wut,Verachtung,Abwertung.Rechtspo-pulismus inDeutschland.Herausgegeben fürdie Friedrich-Ebert-StiftungvonRalfMelzerundDietmarMolthagen,Bonn2015.
[5] „AngriffeaufFlüchtlingsheimehäufensichdramatisch“,SüddeutscheZeitungvom23.7.2015.
[6] FlorianGathmannundAnnaReimann:„NeuedeutscheGewalt“,spiegel-onlineam4.11.2015.
[7] Vgl.ZDF-Politbarometervom25.9.und23.10.2015.
[8] Vgl.dazudenAufsatzvonWolfgangThierseindiesemBand.
[9] DiesfordertetwaderstellvertretendeVorsitzendederGewerkschaftderPolizei,JörgRadek,inderWELTvom28.9.2015.
30 31RELIGION – DEMOKRATIE – VIELFALT
DieseForderungwurdebislangnichtumgesetzt,sondernstetsmitderAntwortbegegnet,dass
wenigerreligiöseDifferenzen,sonderndasZusammenlebenvieler,teilweisetraumatisierteroder
krankerMenschenaufengstemRaumursächlichfürentstehendeKonflikteseien.
DennochstehtdieseForderungexemplarischfürreligiöseUnsicherheit,dieinFragenderFlücht-
lingspolitik auftritt. So wird auch die Einrichtung von Gebetsräumen in Sammelunterkünften
sehrunterschiedlichgehandhabt.GibtessieindeneinenUnterkünften(beispielsweiseinBerlin),
entscheidensichanderedagegen(beispielsweiseinEssen).
ReligiöseUnsicherheitzeigtsichohnehinimmerwieder:vondenmedialstarkbegleitetenKopf-
tuchdebatten–inBerlinzuletztumdieFrage,obeineJuristinmitKopftuchineinemBezirksamt
alsBeamtinaufZeitarbeitenkönnensoll–überdenUmgangmitdemGesichtsschleierNiqab
beiSchülerinnen,KoedukationimSport-undSchwimmunterrichtbishinzuderAnfang2013
intensivundteilweiseverletzendgeführtenDebatteumreligiöseBeschneidung.Immerwieder
gingesdabeiumdasZusammenlebenvonMuslimenundNichtmuslimen,jedochgabesvorei-
nigerZeitauchDebattenzumKruzifixinSchulenundGerichtssälenoderderFrageeinesnötigen
BlasphemieverbotsangesichtsvondenPapstverunglimpfendenBildern.
Esistzuerwarten,dassdiejetzigeEinwanderungvonGeflüchtetenzahlreichesolcherreligions-
bezogenenKonfliktenachsichziehenwird.Zumeinen,daesmehrMuslimeinDeutschlandgibt,
dieeinerseitsihrenGlaubenöffentlichlebenmöchten(ausführlichdazuTubaIsikindiesemBand)
undzugleichdiehiesigenGewohnheitenimUmgangmitReligion(en)nochnichtkennen.Zum
anderenwirdauchdiegestiegeneAnzahlvonReligionenherausfordern,etwabeiderFrage,ob
esvielleichtauchjesidischenReligionsunterrichtanSchulengebensoll–oderbuddhistischen,
hinduistischen,etc.UndvermutlichwerdenauchneueKonflikteentstehen,diewirheutenoch
nichtahnen.
DieAufgeregtheit, inderreligionsbezogeneDebattenzuletztgeführtwurden,warkeingutes
ZeichenfürdengesellschaftlichenFrieden.DasUnverständniszwischendenAngehörigenver-
schiedenerReligionensowiezwischenglaubendenundnichtglaubendenBürger_innenistoffen-
kundiggroß.ImInteressedesgelingendenZusammenlebensistesdaherempfehlenswert,dieses
gegenseitige Unverständnis abzubauen. Dafür braucht es Orte der Begegnung und Möglich-
keiten zumDialog.Die lange Traditiondes interreligiösenDialogs ist dabei ein Baustein, der
inZukunftmehrWertdennjehabenwird.ZudemistToleranzgegenüberderAndersartigkeit
desanderennötig.WobeiToleranznichtGleichgültigkeitmeint,sondern„wichtigsindvielmehr
Menschen,diezuihreneigenenÜberzeugungenstehenunddeshalbdieÜberzeugungenanderer
respektieren“,wieesAltbischofHuberineinemGastbeitraginderSüddeutschenZeitungschrieb.10
IndervielfältigerwerdendenEinwanderungsgesellschaftwerdensicherlichauchinZukunftreligions-
bezogeneKonflikteentstehen.GeradeweilReligionnienurprivat,sondernimmerzugleichöffent-
lich ist.EineMöglichkeit,dasAustragendieserKonfliktezuerleichtern, ist inderTatreligiöse
Bildung.EinMindestmaßanWissenundErfahrungimUmgangmitReligionenbeugtÄngsten
vorundhilft,denanderenzuverstehen.InwieweitdiesimkonfessionellenReligionsunterrichtin
Schulenstattfindenkann,isteineandereFrage,diehiernichtdiskutiertwerdensoll.Dergrund-
sätzlicheBefund,dassreligiöseBildungihreBedeutungauchimweltanschaulichneutralenStaat
hat,bleibtdavonunberührt.InteressanterweisehatauchdiejüngsteMitgliederbefragungder
EvangelischenKirchenergeben,dassstarkandieKirchegebundeneGläubigetolerantersind.11
[10]WolfgangHuber:„ReligionimPlural“,SüddeutscheZeitungvom23.10.2015.
[11]Vgl.EngagementundIndifferenz.KirchenmitgliedschaftalssozialePraxis,hrsg.vonderEKD.Hannover2015,S.115.
DIE RELIGIONSPOLITISCHE DIMENSION DER FLÜCHTLINGSFRAGE
AllerdingssolltedieBedeutungvonReligioninderaktuellenDebatteüberdieFlüchtlingspolitik
nichtüberbewertetwerden. InersterLiniesindsozial-,bildungs-,migrations-undwohnungs-
baupolitischeFragenzuklären.DerislamischeTheologeBülentUçarhatdazutreffendgesagt:
„EhrlichgesagthabeicheinProblemdamit,dasswirdieDiskussionüberdieFlüchtlingezueinem
religiösenThemamachen.EssindMenschen,dievorKriegundFolterfliehenundaufeinbesseres
LebeninEuropahoffen.Religionist,wennüberhaupt,nureinAspekt,abersolltenichtdiege-
samteDebattedominieren.“12
Zunehmender religiöser Extremismus?
EineweitereSorgevielerBürger_innenundauchvonSicherheitsbehördenangesichtsdernach
DeutschlandkommendenFlüchtlingelautet,dasssiedieKonflikteausihrenHeimatländernmit-
bringen–nichtzuletztreligiöseKonflikte.DieseSorgeistberechtigtundunberechtigtzugleich.
Natürlichistesnichtauszuschließen,dasssichinDeutschlandGeflüchtetebegegnen,dieselbst
oder deren Verwandte sich in ihrem Heimatland als Konfliktgegner gegenüberstanden. Dass
solcheKonflikteauchinderDiasporaschwelen,hatsichauchbeiderEinwanderungvonFlücht-
lingenausdenehemalsjugoslawischenBürgerkriegsgebieteninden1990erJahrengezeigt.An-
dererseitsbeweistauchdieseshistorischeBeispielderjüngerendeutschenGeschichte,dasses
hierzulandekeineEntwicklungvondauerhaftaktivenkriminellenodergewalttätigenGruppie-
rungengegebenhat,diesichaufdenKonfliktimHerkunftslandberufen.Falschistdieskizzierte
SorgevormitgebrachtenKonfliktendahingehend,dassdieRollederReligionindenaktuellen
Konflikten insbesondere inSyrienunddemIrak,aberauch inAfghanistan invielenDebatten
überschätztwird.SchautmanaufdieTerroranschlägeimKriegsgebietfälltzumeinensofortauf,
dassdieOpferganzüberwiegendselbstMuslimewaren.Dochauch,wennmandieGewaltzwi-
schenSunnitenundSchiitenanalysiert,stehenhinterdenGewalttateninersterLiniepolitische
Machtinteressenundwennüberhaupt,dannnachgeordnetreligiöseMotive.13 InSyrien,dem
IrakundauchinAfghanistanherrschteinblutigerBürgerkrieg,keinReligionskrieg.
Nichtauszuschließenistallerdings,dassunterdenalsFlüchtlingennachDeutschlandkommenden
MenschenauchehemaligeKämpferderTerrormiliz„IslamischerStaat“(IS)oderandererOrgani-
sationendesislamistischenExtremismussind.GeradeangesichtsderaktuellhohenAnerkennungs-
quotenfürsyrischeFlüchtlingeistdieEinreisemiteinemsyrischenPassattraktiv,wasjabereits
inwenigenFällenzumEntsteheneinesentsprechendenkriminellenMarktsfürgefälschtePässe
geführthat.JedochsindbislangkeineentsprechendenFällebekanntgeworden,dassIS-Kämpfer
unterdenAsylbewerber_innenwaren.
MehrnochalsdieAngstvor islamistischenTerroristenbeschäftigtvieleKritikerdergegen-
wärtigen Zuwanderung von Geflüchteten die Sorge, dass unter den muslimischen Flüchtlingen
auch solche sind, die Werte oder ein Politikverständnis mitbringen, die nicht zu der frei-
heitlich-demokratischenGrundordnungpassen. Sorge vormangelnderGleichberechtigung
derGeschlechter,autoritäremVerständnisoderGewaltaffinitätwerdendabeioftgegenüber
muslimischenFlüchtlingengeäußert.AllerdingswärendiesVorwürfe,diemangenausoge-
genüber dennicht eingewandertenDemonstrantenbei „Pegida“ äußern kann.Menschen-
feindliche oder demokratie-verachtende Einstellungen sind nicht migrationsspezifisch, wie
[12]„DerIslaminDeutschlandwirdbunter“,InterviewinderRP-onlinevom25.Oktober2015.
[13] Vgl. Ehrhart Körting: Die Legende von der Rolle des Glaubens bei den AnschlägenislamistischerExtremisten,in:HandlungsempfehlungenzurAuseinandersetzungmitislamis-tischemExtremismusund Islamfeindlichkeit,hrsg. vonder Friedrich-Ebert-Stiftung.Berlin2015,S.151-155.
32 33RELIGION – DEMOKRATIE – VIELFALT
dieregelmäßigenRepräsentativbefragungenderFriedrich-Ebert-StiftungzumVorhandensein
rechtsextremenundmenschenfeindlichenDenkensinderBevölkerungbeweisen.14
Diessollnichtrelativieren,dassnatürlichauchdasAushandelnvonWertenimIntegrationsprozess
wichtig istunddassesunterFlüchtlingenEinstellungenundVerhaltensmustergibt,dienicht
zurfreiheitlich-demokratischenGrundordnungpassen.UmdieserebenfallsnichtgeringenInte-
grationsherausforderungzubegegnen,brauchtesspezifischeAngebote.Sobietetetwadie
Friedrich-Ebert-StiftungabNovember2015politischeundpartizipativ ausgerichteteBildungs-
seminarezudendemokratischenGrundwertenunddempolitischenSystemderBundesrepublik
inarabischerSprachegezieltfürGeflüchtetean–einBeispiel,wiemandieserHerausforderung
begegnenkann.15
Religionspolitik als Teil von Gesellschaftspolitik
Religion ist alsoein Faktor inder Flüchtlingspolitik–eineruntermehreren.Viele Fragen,die
gegenwärtig in Bezugauf das interreligiöse Zusammenleben inDeutschlandgestelltwerden,
zu religiösenRitenundzur zunehmenden religiösenVielfaltderdeutschenBevölkerung, sind
keineneuenFragen.EssindFragen,diesich inderEinwanderungsgesellschaft immerwieder
stellen–undangesichtsderaktuellenZuwanderungvongeflüchtetenMenschenwiederneu.
AberessindletztlichgrundsätzlicheFragennacheinemgelingendenZusammenlebeninVielfalt.
EinmalmehrzeigtsichdeshalbanhandderaktuellenHerausforderungen,dassReligionspolitik
keineNischenpolitik,sondernmehrdennjeeinBestandteilgesellschaftspolitischerEntwicklungen
undDiskurseist.AuchwennderAnteildernichtreligiösenMenscheninDeutschlandgroßist–
mehralseinDrittelderBevölkerung–heißtdassomitnichtautomatisch,dassReligionweniger
wichtigwürdeunddieBeschäftigungmitreligionsbezogenenFragenwenigerrelevant.Diezu-
nehmende religiöseVielfaltunddie innereHeterogenitätvon religiösenGemeinschaftenund
natürlich ebensoderGruppederNichtglaubendenmachen religionspolitischeDiskurse nötig
undwichtig–imInteresseeinesfriedlichen,einesrespektvollenundeinesdemokratischenMit-
einanders.
[14]DiejüngsteStudieindieserReiheist:AndreasZick,AnnaKlein:FragileMitte–feind-seligeZustände.RechtsextremeEinstellungeninDeutschland2014.Bonn2014.
[15]Näheresdazuunterhttp://fes-forumberlin.de/content/einwanderungsgesellschaft.php.
DIE RELIGIONSPOLITISCHE DIMENSION DER FLÜCHTLINGSFRAGE
34 35RELIGION – DEMOKRATIE – VIELFALT DIE AUTORINNEN UND AUTOREN
ANHANG
Die Autorinnen und Autoren
Kerstin Griese istmitkurzerUnterbrechungseit2000MitgliedimDeutschenBundestagund
dortVorsitzendedesAusschussesfürArbeitundSoziales.NebenanderenweiterenAufgaben
istsieBeauftragefürKirchenundReligionsgemeinschaftenderSPD-Bundestagsfraktionundseit
November2015MitgliedimRatderEKD.
Tuba Işık,Dr.phil.,istWissenschaftlicheMitarbeiterinamZentrumfürKomparativeTheologie
undKulturwissenschaftenanderUniversitätPaderborn.DiegebürtigeMainzerinstudiertePä-
dagogikundRechtswissenschaftenanderUniversitätGöttingen,warMitgliedderDeutschen
Islamkonferenzund isteinederBundessprecher_innendesArbeitskreisesmuslimischerSozial-
demokrat_innen.
Dietmar Molthagen, Dr.phil.,arbeitetimForumBerlinderFriedrich-Ebert-Stiftung(FES)und
leitetdortu.a.dasProjektReligionundPolitik.ErstudierteGeschichte,EvangelischeTheologie
undPolitikwissenschaftundistehrenamtlichimBundesvorstanddes„NetzwerkfürDemokratie
undCouragee.V.“aktiv.
Wolfgang Thierse, Dr.h.c.,warvon1998bis2005Präsidentundvon2005bis2013Vize-
präsidentdesDeutschenBundestags,demerseit1990angehörte.Von1990bis2005warer
stellvertretender Vorsitzender der SPD und in dieser Zeit auch Vorsitzender der Grundwerte-
kommissionderSPD.NebenweiterenÄmternisterSprecherdesArbeitskreisesChrist_innenin
derSPDundMitgliedimZentralkomiteederdeutschenKatholiken.
36 37RELIGION – DEMOKRATIE – VIELFALT
Die Fachgespräche der Werkstatt Religion und Politik
2013:
25. Februar 2013: Zankapfel Religion? Aktuelle Diskurse über die Rolle des Glaubens
in Politik und Gesellschaft
REFERENTEN:
Prof. Dr. Dr. h.c. Heiner Bielefeldt,LehrstuhlfürMenschenrechteundMenschenrechtspolitik
anderUniversitätErlangen-NürnbergundUN-SonderberichterstatterüberReligions-undWelt-
anschauungsfreiheit
Aydan Özoğuz,MdB,damals:IntegrationspolitischeSprecherindeSPD-Bundestagsfraktion,heute:
StaatsministerinundBeauftragtederBundesregierungfürMigration,FlüchtlingeundIntegration
Kerstin Griese,MdB,damals:Beauftragte fürKirchenundReligionsgemeinschaftenderSPD-
Bundestagsfraktion,heute:VorsitzendedesBundestagsausschussesfürArbeitundSozialessowie
BeauftragtefürKirchenundReligionsgemeinschaftenderSPD-Bundestagsfraktion
10. Juni 2013: Modernisierung des Religionsverfassungsrechts – Annäherung an eine
zentrale Zukunftsaufgabe
REFERENT_INNEN:
Prof. Dr. Gerhard Robbers,damalsFachbereichRechtswissenschaftderUniversitätTrier,heute:
MinisterderJustizundfürVerbraucherschutzRheinland-Pfalz
Prälat Dr. Karl Jüsten,LeiterdesKommissariatsderdeutschenBischöfe–KatholischesBüroin
Berlin
Dr. Cefli Ademi,JuristundwissenschaftlicherMitarbeiteramZentrumfürislamischeTheologie
anderUniversitätMünster
Aydan Özoğuz,MdB,damals:IntegrationspolitischeSprecherindeSPD-Bundestagsfraktion,heute:
StaatsministerinundBeauftragtederBundesregierungfürMigration,FlüchtlingeundIntegration
25. November 2013: Religion, Reformation, Reform – und ihre Bedeutung für Politik
und Gesellschaft
REFERENT_INNEN:
Prof. Dr. Gerhard Wegner,DirektordesSozialwissenschaftlichenInstitutsderEKD
Gesa S. Ederberg,RabbinerininerjüdischenGemeindeBerlin
Dr. Ali Özgur Özdil, ImamundDirektordesislamischenWissenschafts-undBildungsinstituts
Hamburg
Kerstin Griese, MdB, Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Arbeit und Soziales sowie
BeauftragtefürKirchenundReligionsgemeinschaftenderSPD-Bundestagsfraktion
2014:
17. März 2014: Toleranz und Respekt – Religionspolitische Leitbegriffe für die neue
Legislaturperiode?
REFERENT_INNEN:
Dr. Wolfgang Thierse,Bundestagspräsidenta.D.
Aiman A. Mazyek,VorsitzenderdesZentralratsderMuslimeinDeutschland(ZMD)
DanielAlter,Rabbiner
2. Juni 2014: Staatskirchenleistungen – Aktuelle Entwicklungen in einer langen Debatte
REFERENT_INNEN:
Dr. Christoph Thiele,LeiterderRechtsabteilungimKirchenamtderEKD
Robert Wessels,KommissariatderDeutschenBischöfe,KatholischesBüroinBerlin
Klara Geywitz,MdL,FinanzpolitischeSprecherinderSPD-FraktionimBrandenburgerLandtag
Kerstin Griese, MdB, Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Arbeit und Soziales sowie
BeauftragtefürKirchenundReligionsgemeinschaftenderSPD-Bundestagsfraktion
1. Dezember 2014: Wege zur rechtlichen Gleichstellung des Islams in Deutschland –
Vorstellung eines Gutachtens der Friedrich-Ebert-Stiftung
(http://library.fes.de/pdf-files/dialog/11386.pdf)
REFERENT_INNEN:
Dr. Riem SpielhausundMartin Herzog,ErlangerZentrumfürIslamundRechtinEuropa(EZIRE)
anderUniversitätErlangen-NürnbergundAutor_innenderStudie
Prof. Dr. Mathias Rohe,LeiterdesErlangerZentrumsfürIslamundRechtinEuropa(EZIRE)an
derUniversitätErlangen-Nürnberg
Monika Lüke,damals:IntegrationsbeauftragtedesBerlinerSenats
Anton Rütten,LeiterderAbteilungIntegrationimMinisteriumfürArbeit,IntegrationundSoziales
desLandesNordrhein-Westfalen
Firouz Vladi,MitgliedimVorstandderSchuraNiedersachsene.V.
2015:
2. März 2015: Sterbehilfe – ein religiöser Blick auf die aktuelle politische Debatte
REFERENT_INNEN:
Prof. Dr. Edgar Franke,MdB,VorsitzenderdesGesundheitsausschussesimDeutschenBundestag
Hilde Mattheis,MdB,gesundheitspolitischeSprecherinderSPD-Bundestagsfraktion
Kerstin Griese, MdB, Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Arbeit und Soziales sowie
BeauftragtefürKirchenundReligionsgemeinschaftenderSPD-Bundestagsfraktion
Oberkirchenrat Joachim Ochel,TheologischerReferentbeimBevollmächtigtendesRatesderEKD
Dr. Stephan Probst,OberarztfürHämatologie,OnkologieundPalliativmedizinamKlinikum
BielefeldundVorstandsmitgliedderjüdischenGemeindeBeitTikwa,Bielefeld
Dr. Nadeem Elyas,Arzt,undBeiratsvorsitzenderdesZentralratsderMuslimeinDeutschland(ZMD)
4. Mai 2015 Religionsunterricht und religiöse Bildung – welche Formen und welche
Inhalte brauchen wir?
REFERENT_INNEN:
Prof. Dr. Micha Brumlik,ZentrumJüdischeStudienBerlin-Brandenburg
Dr. Mark C. Bodenstein,AkademischerLeiterdesStudiengangsIslamischeStudienanderUni-
versitätFrankfurt/Main
Prof. Dr. Thomas Schüller,DirektordesInstitutsfürkanonischesRechtanderUniversitätMünster
Christoph Matschie,MdL,ThüringerBildungsministera.D.
29. Juni 2015: Religionspolitik in Europa – ein schlafender Riese?
REFERENT_INNEN:
Arne Lietz,MdEP,MitglieddersozialdemokratischenFraktionimEuropäischenParlament
Katrin Hatzinger,EvangelischeKircheinDeutschland,LeiterinderDienststelleBrüssel
Stephan J. Kramer,damals:AmericanJewishCommittee,DirectorEuropeanOfficeonAntisemitism
Dr. Sebastian Müller,DeutschesInstitutfürMenschenrechte
DIE FACHGESPRÄCHE DER WERKSTATT RELIGION UND POLITIK
38 RELIGION – DEMOKRATIE – VIELFALT 39IMPRESSUM
IMPRESSUM
ISBN978-3-95861-336-2
HERAUSGEGEBENVON
Dr.DietmarMolthagen
fürdieFriedrich-Ebert-Stiftung•ForumBerlin
Hiroshimastraße17•10785Berlin
Tel.:030/269357322•E-Mail:[email protected]
LEKTORAT:BarbaraHoffmann
GESTALTUNG:AndreaSchmidt•Typografie/im/Kontext
DRUCK:BrandtGmbHBonn
GedrucktaufRecyStarPolar,100%Recyclingpapier,
ausgezeichnetmitdemblauenUmweltengel.
EinegewerblicheNutzungdervonderFESherausgegebenenMedien
istohneschriftlicheZustimmungdurchdieFESnichtgestattet.
©2015•Friedrich-Ebert-Stiftung
ForumBerlin•www.fes.de
ISBN: 978-3-95861-336-2