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C. Sticherling 1 · C. Schacherer 1 · H.-R. Brodt 2 1 Medizinische Klinik IV (Kardiologie) der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt 2 Medizinische Klinik III (Infektiologie) der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt Remittierendes Fieber bei einem 56jährigen Patienten nach Aortenklappenersatz mittels Homograft bei Aorteninsuffizienz postoperativen Tag eine antibiotische Therapie, zunächst mit Gentamicin, Flucloxacillin und Meropenem, bei Fortbestehen der septischen Tempera- turen ergänzt durch Vancomycin, ohne daß ein Erregernachweis geführt wer- den konnte. Echokardiographisch fan- den sich zu diesem Zeitpunkt keine Hinweise auf eine Endokarditis. Gleich- zeitig konnte während einer Antibioti- kapause nun erstmals Candida albicans in 2 von 3 Blutkulturen nachgewiesen werden. Bei der durchgeführten Emp- findlichkeitstestung war der nachge- wiesene Pilz auf Ketokonazol, Econazol, 5-Fluor-Cytosin, Miconazol und Fluco- nazol empfindlich. Der MHK-Break- point für Fluconazole lag bei 2000 μg/ ml (empfindlich bis 4000 μg/ml, mäßig empfindlich >4000 μg/ml). Serologische Tests untermauerten den Verdacht auf eine Candidainfektion (Candida Antigen 1:4; Candida-IgM-Ak max. 475 U/ml), so daß zunächst ein Be- handlungsversuch mit Fluconazol in ei- ner intravenösen Dosis von 800 mg/Tag unternommen wurde. Nach 5 Tagen wurde die Therapie auf Amphotericin B (1,2 mg/kg KG/Tag) umgestellt, worauf es erstmals zur Entfieberung sowie zu einem Rückgang der Entzündungspa- rameter kam. Nach einer Gesamtdosis von 3500 mg und einer Behandlungs- Der Internist 10·99 | 1089 Kasuistik Internist 1999 · 40:1089–1092 © Springer-Verlag 1999 Dr. C. Sticherling Medizinische Klinik IV (Kardiologie/Nephrologie), Johann Wolfgang Goethe Universität, Theodor-Stern-Kai 7, D-60590 Frankfurt am Main& / f n - b l o c k : & b d y : Redaktion K.Werdan, Halle Fallbericht Anamnese Fünf Monate vor Aufnahme in unsere Klinik wurde ein 56-jähriger Patient bei hochgradiger Aorteninsuffizienz mit einem Aortenhomograft versorgt. Die Aorteninsuffizienz des Patienten war bereits seit 7 Jahren bekannt. Bei nor- maler linksventrikulärer Funktion be- fand sich der Patient in engmaschiger kardiologischer Kontrolle und war sub- jektiv beschwerdefrei. Mit Ausnahme eines medikamentös durch einen ACE- Hemmer gut kontrollierten arteriellen Hypertonus und einer Hyperlipoprote- inämie bestanden keine weiteren Vor- erkrankungen. Einen Monat vor der Operation fielen echokardiographisch erstmals ein hochgradig dilatierter lin- ker Ventrikel (LVEDD 71 mm) und dila- tierter linker Vorhof bei noch guter linksventrikulärer Funktion und eine Aortenklappeninsuffizienz III° auf. Im Rahmen der präoperativen invasiven Diagnostik wurden eine koronare Herz- erkrankung sowie erhöhte Druckwerte im kleinen Kreislauf ausgeschlossen. Zwei Tage nach technisch problem- loser Implantation eines Aortenhomo- grafts (23 mm) in Miniroot-Technik entwickelte der Patient erstmals Fieber. Bei der Miniroot-Technik wird nur die Aortenklappe des Homografts ohne da- zugehörige Aorta ascendens implan- tiert. Bei klinischem und radiologi- schem Verdacht auf eine linksbasale Pneumonie erhielt der Patient ab dem 7. Liebe Leserinnen, liebe Leser Wie hätten Sie es gemacht? Wir behandeln Kranke, nicht Krank- heiten. Deshalb finden sich bei jeder unserer vorgestellten Kasuistiken individuelle Besonderheiten des Krankheitsverlaufs. Hätten Sie bei der Betreuung des Patienten einen anderen Weg gewählt? Schreiben Sie uns. Gerne regen wir einen Gedanken- austausch mit den Autoren an und bringen diesen ggf. zur Veröffentli- chung. Senden Sie Ihre Anregungen oder Kasuistiken an: Prof. Dr. K. Werdan Klinikum Kröllwitz, Innere Medizin III Martin-Luther-Universität, Halle-Wittenberg Ernst-Grube-Str. 40 D-06097 Halle/Saale Fax 03 45/5 57 24 22 [email protected]

Remittierendes Fieber bei einem 56jährigen Patienten nach Aortenklappenersatz mittels Homograft bei Aorteninsuffizienz

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Page 1: Remittierendes Fieber bei einem 56jährigen Patienten nach Aortenklappenersatz mittels Homograft bei Aorteninsuffizienz

C. Sticherling1 · C. Schacherer1 · H.-R. Brodt2

1 Medizinische Klinik IV (Kardiologie) der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt2 Medizinische Klinik III (Infektiologie) der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt

Remittierendes Fieber beieinem 56jährigen Patientennach Aortenklappenersatzmittels Homograftbei Aorteninsuffizienz

postoperativen Tag eine antibiotischeTherapie, zunächst mit Gentamicin,Flucloxacillin und Meropenem, beiFortbestehen der septischen Tempera-turen ergänzt durch Vancomycin, ohnedaß ein Erregernachweis geführt wer-den konnte. Echokardiographisch fan-den sich zu diesem Zeitpunkt keineHinweise auf eine Endokarditis. Gleich-zeitig konnte während einer Antibioti-kapause nun erstmals Candida albicansin 2 von 3 Blutkulturen nachgewiesenwerden. Bei der durchgeführten Emp-findlichkeitstestung war der nachge-wiesene Pilz auf Ketokonazol, Econazol,5-Fluor-Cytosin, Miconazol und Fluco-nazol empfindlich. Der MHK-Break-point für Fluconazole lag bei 2000 µg/ml (empfindlich bis 4000 µg/ml, mäßigempfindlich >4000 µg/ml).

Serologische Tests untermauertenden Verdacht auf eine Candidainfektion(Candida Antigen 1:4; Candida-IgM-Akmax. 475 U/ml), so daß zunächst ein Be-handlungsversuch mit Fluconazol in ei-ner intravenösen Dosis von 800 mg/Tagunternommen wurde. Nach 5 Tagenwurde die Therapie auf Amphotericin B(1,2 mg/kg KG/Tag) umgestellt, woraufes erstmals zur Entfieberung sowie zueinem Rückgang der Entzündungspa-rameter kam. Nach einer Gesamtdosisvon 3500 mg und einer Behandlungs-

Der Internist 10·99 | 1089

KasuistikInternist1999 · 40:1089–1092 © Springer-Verlag 1999

Dr. C. SticherlingMedizinische Klinik IV (Kardiologie/Nephrologie),

Johann Wolfgang Goethe Universität,

Theodor-Stern-Kai 7, D-60590 Frankfurt am Main&/fn-block:&bdy:

RedaktionK.Werdan, Halle

Fallbericht

Anamnese

Fünf Monate vor Aufnahme in unsereKlinik wurde ein 56-jähriger Patient beihochgradiger Aorteninsuffizienz miteinem Aortenhomograft versorgt. DieAorteninsuffizienz des Patienten warbereits seit 7 Jahren bekannt. Bei nor-maler linksventrikulärer Funktion be-fand sich der Patient in engmaschigerkardiologischer Kontrolle und war sub-jektiv beschwerdefrei. Mit Ausnahmeeines medikamentös durch einen ACE-Hemmer gut kontrollierten arteriellenHypertonus und einer Hyperlipoprote-inämie bestanden keine weiteren Vor-erkrankungen. Einen Monat vor derOperation fielen echokardiographischerstmals ein hochgradig dilatierter lin-ker Ventrikel (LVEDD 71 mm) und dila-tierter linker Vorhof bei noch guterlinksventrikulärer Funktion und eineAortenklappeninsuffizienz III° auf. ImRahmen der präoperativen invasivenDiagnostik wurden eine koronare Herz-erkrankung sowie erhöhte Druckwerteim kleinen Kreislauf ausgeschlossen.

Zwei Tage nach technisch problem-loser Implantation eines Aortenhomo-grafts (23 mm) in Miniroot-Technikentwickelte der Patient erstmals Fieber.Bei der Miniroot-Technik wird nur dieAortenklappe des Homografts ohne da-zugehörige Aorta ascendens implan-tiert. Bei klinischem und radiologi-schem Verdacht auf eine linksbasalePneumonie erhielt der Patient ab dem 7.

Liebe Leserinnen, liebe Leser

Wie hätten Sie esgemacht?

Wir behandeln Kranke, nicht Krank-heiten. Deshalb finden sich bei jederunserer vorgestellten Kasuistikenindividuelle Besonderheiten desKrankheitsverlaufs. Hätten Sie bei derBetreuung des Patienten einen anderenWeg gewählt? Schreiben Sie uns.Gerne regen wir einen Gedanken-austausch mit den Autoren an undbringen diesen ggf. zur Veröffentli-chung. Senden Sie Ihre Anregungenoder Kasuistiken an:

Prof. Dr. K.WerdanKlinikum Kröllwitz, Innere Medizin IIIMartin-Luther-Universität, Halle-WittenbergErnst-Grube-Str. 40D-06097 Halle/Saale

Fax 03 45/5 57 24 [email protected]

Page 2: Remittierendes Fieber bei einem 56jährigen Patienten nach Aortenklappenersatz mittels Homograft bei Aorteninsuffizienz

dauer von 28 Tagen wurde Amphote-ricin B abgesetzt und durch eine hoch-dosierte orale Fluconazol-Therapie(800 mg/Tag) ersetzt.

In der transösophagealen Echokar-diographie (TEE) vor Entlassung fan-den sich zwei paravalvuläre Hohlräumeim Bereich des akoronaren Segels undim Bereich des Septums, welche als Ab-szeßhöhlen nach abgelaufener Endo-karditis gedeutet wurden. Die Klappen-segel selber erschienen weiterhin in-takt, ohne Hinweis auf endokarditischeAuflagerungen oder Klappeninsuffizi-enz. Das linksbasale pneumonische In-filtrat war rückläufig.

Als weitere postoperative Kompli-kation entwickelte sich nach arteriellerKanülierung ein Aneurysma spuriumder A. radialis sinistra,welche bei Läsiondes N. medianus ligiert werden mußte.Vier Wochen nach der Operation wurdeder Patient fieberfrei unter Fortführungder Fluconazoltherapie (800 mg/Tag) indie Rehabilitation entlassen.

Nach weiteren 2 Wochen entwik-kelte der Patient erneut Fieber, es kamzu einem Anstieg der Entzündungspa-rameter sowie zu einer normozytärenAnämie. Das TEE zeigte nun einen Teil-ausriß des rechtskoronaren Segels, Hin-weise auf Vegetationen sowie den Nach-weis von 3 perfundierten Hohlräumen,welche den Miniroot des Homograftumgaben. Dieser Befund konnte com-

det sich eine Sinustachykardie (117/min)bei einem normalen Blutdruck von135/85 mm Hg. Auskultatorisch fallenneben einem gespaltenen 2. Herzton ein4. Herzton sowie ein 2/6 niederfrequen-tes Systolikum mit punctum maximumüber der Aortenregion auf. Die Fundus-kopie ist unauffällig. Pulmonal zeigtsich ein gedämpfter Klopfschall rechtsbasal mit verschärftem Atemgeräuschund grobblasigem Rasseln im Bereichdes rechten Unterlappens. Die abdomi-nelle Untersuchung einschließlich rek-taler Untersuchung erbringen keine pa-thologischen Befunde.

Laborbefunde

Leukozyten 5100/µl, Erythrozyten 3.06Mio/µl, Hb 8.1 g/dl, Hämatokrit 25%,MCV 81 fl., Thrombozyten 185 000/µl;CRP 21.5 mg/dl; Serum-Elektrolyte, Nie-renretentionswerte, Transaminasen, Ge-rinnung im Normbereich.

Mikrobiologische Befunde

In 8 von 11 Blutkulturen konnte Sta-phylococcus epidermidis sowie ein-malig auch Streptococcus pneumoniaenachgewiesen werden.Der erneute Nach-weis von Candida albicans gelang nicht.

Ergänzende apparative Untersuchungen

Echokardiographisch zeigt sich trans-ösophageal eine manschettenförmigdie Aortenwurzel sowie den linkenHauptstamm umgebende Struktur (Ab-bildung 1). Die Klappe selber stellt sichzart ohne Hinweis auf eine Endokardi-tis dar. Im Spiral-CT zeigt sich eine um

putertomographisch bestätigt werden,und der Patient wurde erneut in Mini-root-Technik operiert. Auf dem explan-tierten Homograft konnten Candidaspp. – Pilzsporen bzw.– Mycelen histolo-gisch nachgewiesen werden, die aufFluconazol und Flucytosin empfindlichwaren. Hinweise auf Selektion oder se-kundäre Resistenz ergaben sich nicht.Postoperativ erhielt der Patient für 12Tage Amphotericin B 100 mg i.v., an-schließend Fluconazol 800 mg oral. DasTEE vor Entlassung zeigte keinen er-neuten Hinweis auf eine Endokarditisbzw. Abszeßbildung. Im Verlauf zeigtesich jedoch ein kontinuierlicher Anstiegdes Candida-IgM-Ak bis auf 178 U/l beiEntlassung.

Nach einer weiteren Woche stelltsich der Patient mit erneutem Fieber-anstieg auf 39° C im Februar 1998, ausder Rehabilitationsklinik kommend,erstmalig in unserem Krankenhaus vor.

Befunde

Klinischer Untersuchungsbefund

Der 56jährige Patient stellt sich in deut-lich reduziertem Allgemeinzustand(178 cm, 62 kg) mit hohem Fieber (39° C)vor. Es zeigen sich eine reizlose Sterno-tomienarbe und keine Hinweise auf pe-riphere septische Embolisationen. Inder kardiopulmonalen Untersuchung fin-

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Kasuistik

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Abb. 1 m Transösophageale Echokardiographie. Transversalschnitt in Höhe der Koronararterien.LA=linker Vorhof; RA=rechter Vorhof, AO=Aorta, LV=linker Ventrikel. LCS=linkskoronares Aorten-klappensegel, HS=Hauptstamm der linken Koronararterie

Abb. 2 m Spiral-CT in Höhe der Aortenwurzel. Deutlich zeigt sich der durch den paravalvulärenAbszeß ziehende Hauptstamm der linken Koronararterie (Pfeil). Nebenbefundlich besteht einerechtsseitige Pneumonie

Page 3: Remittierendes Fieber bei einem 56jährigen Patienten nach Aortenklappenersatz mittels Homograft bei Aorteninsuffizienz

die Aortenwurzel und Koronararteri-enabgänge lokalisierte Flüssigkeitsan-sammlung, welche den linken Vorhofund die A. pulmonalis komprimiert(Abbildung 2). Zudem findet sich einUnterlappeninfiltrat rechts mit beglei-tendem Pleuraerguß.

Therapie und Verlauf

Zunächst wurde eine Therapie dermehrfach nachgewiesenen Gram-posi-tiven Kokken mit Vancomycin und Ri-fampicin begonnen. Bei weiterer klini-scher Verschlechterung wurde auf-grund der Anamnese die antimykoti-sche Therapie auf intravenöses liposo-males Amphotericin B (3 mg/kg/Tag)und Flucytosin (300 mg/kg/Tag) umge-stellt, ohne daß es nach 5-tätiger Be-handlung zu einer Befundbesserungkam. Bei zunehmender Schocksympto-matik bestand die Indikation zu einernotfallmäßigen Reoperation.Bei schwie-rigen Operationsverhältnissen verstarbder Patient intraoperativ im nicht be-herrschbaren hämorrhagischen Schock.

Makroskopischer Obduktionsbefund

Im pathologischen Präparat zeigtensich unauffällige Taschenklappen desHomografts, sowie ein 1.5×1 cm großesEndokardulkus 0.7 cm unterhalb derhinteren Aortentaschenklappe, unmmit-telbar oberhalb der proximalen Anasto-mose. Dieses stand mit einem 7 cm×12 cm×3 cm großen mykotischen Aneu-rysma in Verbindung, welches um die

führen ist, von einer Spätform durchtransiente Bakteriämie.

Die Pilzendokarditiden finden sichvor allem bei Patienten mit Kunstklap-pen und solchen mit intravenösemDrogenabusus und machen in diesemKollektiv 5–10% der Fälle aus [7]. AlsRisiko- und Prädispositionsfaktoren füreine Pilzendokarditis wurden nebendem Status nach offener Herzoperationund i.v. Drogenabusus eine peri- undpostoperative Prophylaxe mit Breit-bandantibiotika, eine chronische im-munsuppressive Therapie, intravenöseVerweilkatheter sowie abnorme nativeHerzklappen einschl. Status nach Endo-karditis identifiziert. Nach Prothesen-implantation stellt das Neoendokardam Insertionsrand des Prothesenringseine Prädilektionsstelle zur Pilzinvasi-on dar [8]. Aufgrund der vergleichswei-se lockeren fibrillären Matrix und desgrößeren Volumens der Vegetationenist die Inzidenz an peripheren Emboli-en bei der Pilzendokarditis deutlich hö-her als bei der bakteriellen und über-schreitet 50% [9]. Obgleich zahlreichePilze als Erreger nachgewiesen wurden,geht die überwiegende Zahl auf Candidaspp. und Aspergillus spp. zurück [10].

Klinischer Verlauf

Der langsam progrediente Verlauf derPilz-Kunstklappenendokarditis läßt häu-fig eine eindeutige Unterscheidung infrüh- und spätpostoperative Klappen-entzündung nicht zu, da sich über 70%der Fälle später als 2 Monate nach Klap-penoperation manifestieren [11]. MitAusnahme der höheren Inzidenz an pe-ripheren Embolien (z.B. als Osler-Knöt-chen, Janeway-Läsionen, Gesichtsfeld-ausfällen, Chorioretinitis, peripherenarteriellen Embolien, neurologischenHerdsymptomen bei zerebraler Isch-ämie, Myokardinfarkt) als Initialsym-ptom der Erkrankung, unterscheidetsich die Klinik der Pilzendokarditisnicht von der bakteriellen Herzklap-penentzündung und ist gekennzeichnetvon uncharakteristischen Allgemein-symptomen wie Abgeschlagenheit, Mü-digkeit und subfebrilen Temperaturen.

Diagnostik

Liegt der Verdacht auf eine Pilzendo-karditis vor, so hat die transösophagea-le Echokardiographie eine Sensitivität

gesamte Zirkumferenz einschließlichder in das Graft implantierten Koronar-arterien reichte, das Myokard des link-sventrikulären Septums arrodierte undmit älterem geronnenen Blut sowie ei-ner gräulich schmierigen Masse gefülltwar (Abbildung 3).

Histologische Obduktionsbefunde:

Aorta mit rechter Koronararterie undproximaler Graftnaht: Aortennekrose,bakterielle eitrige Entzündung para-aortal.Aorta ascendens mit Taschenklappeund paraortalem Hämatom: Ausge-dehnte bakterielle eitrige Entzündung.Mykotisches Aneurysma paraaortal mitNahtmaterial und Myokardnekrosen,partiell infiziertes Hämatom.Endokardulkus im linken Ventrikel un-terhalb der Aortenklappe: Eitrige bak-terielle Endokarditis parietalis.Die durchgeführten Sonderfärbungenergaben keinen Pilznachweis.

Diagnose

Mykotisches Aortenwurzel-Aneurysmanach Candida-Endokarditis bei Z.n. Aorten-klappenhomograft.

Diskussion

Die Endokarditis nach Herzklappener-satz stellt eine seltene und ernste Ope-rationskomplikation mit einer Inzidenzvon 1–3% pro Jahr und einer Letalitätvon 30–50% dar [1–3].Hierbei ist die bio-logische Aortenklappenprothese (1.1%)häufiger betroffen als die mechanischeAortenklappenprothese (0.53%). Mi-tralklappenprothesen tragen ein etwasgeringeres Risiko (biologisch: 0.63%/Jahr; mechanisch: 0.45%/Jahr). [4] DasErregerspektrum unterscheidet sichdeutlich von dem der Endokarditis aufNativklappen, bei der Streptococcusspp. (40–50%), Staphylococcus aureus(15–25%) und Enterococcus spp. (8–15%)überwiegen, Pilze jedoch nur 1–2% derFälle ausmachen [5].

Bei der Prothesenendokarditis hin-gegen überwiegen Koagulase-negativeStaphylococcus spp. (30–40%) [6]. Prin-zipiell unterscheidet man eine Früh-form, welche binnen der ersten 2 Mona-te auftritt und auf intraoperative Kon-tamination bzw. kontaminiertes peri-operatives Drainagematerial zurückzu-

Der Internist 10·99 | 1091

Abb. 3 m Pathologisches Präparat des Herzensim Sagittalschnitt. Um das Aortenklappenho-mograft erkennbares Aortenwurzel-Aneurysma(Pfeile)

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von über 80% hinsichtlich des Nach-weises von Vegetationen, Abszessenund deren Lokalisation [12]. Obligatsind Blutkulturen, in denen sich Candi-da spp. leichter nachweisen lassen alsAspergillus spp. (87% vs. 11%). DerNachweis von präzipitierenden Anti-körpern gegen Candida spp. kann nurbei signifikantem IgM-Titeranstieg wäh-rend des klinischen Verlaufes verwertetwerden. Die Bedeutung zirkulierenderCandida-Antigene bedarf weiterer kli-nischer Prüfung [9]. Alle anderen La-boruntersuchungen sind unspezifisch,eine erhöhte BSG findet sich in 80–90%,eine Anämie stellt sich bei den meistenPatienten ein, eine Leukozytose ent-wickelt sich lediglich in etwa 50% derFälle.

Therapie

Die bakterielle Kunstklappenendokar-ditis wird in der Regel kombiniert me-dikamentös-chirurgisch behandelt. Beiunkompliziertem Verlauf – z.B.mit emp-findlichen Streptococcus viridans –kann im Ausnahmefall auch nur einemedikamentöse Behandlung erforder-lich sein. Jede Pilzendokarditis erfor-dert jedoch zwingend eine medika-mentös-chirurgische Therapie. Nur beiInoperabilität sollte eine primär fungi-zide mit anschließend sekundär, dauer-hafter suppressiver Behandlung durch-geführt werden. Überleben nur etwa20% der Patienten unter rein medika-mentöser Therapie, so kann die Pro-gnose unter kombinierter medikamen-tös-chirurgischer Therapie auf rund50% verbessert werden [9].

Goldstandard der medikamentö-sen Therapie ist unverändert Amphote-ricin B in einer Dosierung von 1 mg/kg/Tag. Die Therapie sollte mindestens6–8 Wochen durchgeführt werden, beiabszedierenden Prozessen ist jedochvermutlich eine weitaus längere Be-handlung (6 Monate und mehr) erfor-derlich. Hierbei ist besonders auf dieNebenwirkungen einer längeren Thera-pie wie die Nephrotoxizität und Blut-bildveränderungen zu achten. Aushei-lungen unter dieser Therapie sind aller-dings nur anekdotisch beschrieben[13]. Der vor allem bei linksseitigen En-dokarditiden notwendige Klappener-satz mit Debridement sollte ca. 14 Tagenach Einleitung der antimykotischenTherapie erfolgen [14]. Die Behandlung

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von Endokarditiden durch Aspergillusspp. mit Itraconazol ist ebenso wie diedurch Candida spp. mit Fluconazol un-ter Berücksichtigung der bisherigen Er-gebnisse der Therapie mit Amphoteri-cin B unterlegen [15].

Handelt es sich um eine Pilzendo-karditis auf einer Kunstklappe, so ver-läuft diese nahezu immer kompliziert.So finden sich periprothetische Dehi-szenzen mit Ausbildung unterschiedlichschwerer Regurgitationen (74%) bis hinzur manifesten Herzinsuffizienz (47%),renale Komplikationen (52%), throm-bembolische Komplikationen (33%) so-wie Erregungsüberleitungsstörungen in26%. In bis zu 33% der Patienten mitKunstklappenendokarditis finden sichjedoch periprothetische Abszesse, wel-che häufig nicht vollständig exzidiertwerden können [4]. Trotzdem verbes-sert nur die dringlich durchgeführteReoperation die Prognose dieser schwer-kranken Patienten.

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Kasuistik

1092

Zusammenfassung

Wir stellen den Fall eines 56jährigen Patien-

ten mit Pilzendokarditis nach Aortenklap-

penersatz mittels Homograft vor, der nach

erfolgter Reoperation ein Rezidiv der

Pilzsepsis erlitt und an dieser Komplikation

verstarb.

Die Prothesenendokarditis ist eine seltene,

aber ernste Komplikation nach Herzklappen-

ersatz mit einer Letalität von 30–50%. Das

Erregerspektrum bei diesen Patienten unter-

scheidet sich deutlich von dem der Endokar-

ditis auf Nativklappen.Während dort Pilz-

endokarditiden nur 1–2% der Fälle ausma-

chen, sind sie bei Kunstklappenendokardi-

tiden in 5–10% für die Erkrankung verant-

wortlich. Selbst unter maximaler antimyko-

tischer Kombinationstherapie mit Einschluß

von Amphotericin B ist sowohl bei der Pilz-

endokarditis auf Nativ- als auch auf Kunst-

klappen mit einem Überleben von nur ca.

20% zu rechnen. Die kombiniert medika-

mentös-chirurgische Therapie ist daher der-

zeitiger therapeutischer Goldstandard mit

einer Überlebenswahrscheinlichkeit von

rund 50%. Handelt es sich um eine Pilz-

endokardititis auf einer Kunstklappe, ist die

Prognose wegen der höheren Inzidenz von

Komplikationen noch schlechter.

Schlüsselwörter

Endokarditis · Kunstklappen ·

Candida albicans