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Beglaubigte Abschrift
6 0 270t18 Verkündet am 02.07.2019
als Urkundsbeamtin/Urkundsbeamterder Geschäftsstelle
i,l(
Landgericht Düsseldorf
IM NAMEN DES VOLKESlii,r
Urteil?ir.lLr.l
lliDt-
ln dem Rechtsstreit
Klägers,
Prozessbevoll mächtigte : Rechtsanwälte Rogert und Ulbrich,
Niermannsweg 1 '1-15, 40699 Erkrath,
gegen
die volkswagen AG, gesetzlich vertreten durch den vorstand, dieser gesetzlichvertreten durch den Vorsitzenden, Herrn Herbert Diess, Berliner Ring 2, 3g440Wolfsburg,
Beklagte,
Prozessbevollmächtigte Rechtsanwälte KSP Dr.
Frankenheim und Partner,
Straße 40, 20355 Hamburg,
Seegers, Dr.
Kaiser-Wilhelm-
hat die 6. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorfaufgrund mündlicher Verhandlung vom 14.05.2019
durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht Matz als Einzelrichter
für Recht erkannt:
!Bml.
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INGE(IAN{!EN
0{. Juli 2019
Hiickspr. tl
oF rt"§,
U icJ.r
iti,"t);Srrr'll
t.
2
Die Beklagte wird verurteilt,
1.
an den Kläger 18.780,00 EUR nebst vier Prozent Zinsen vom 05.09.2012
bis zum 19.07.2018 und Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten überdem Basiszinssatz seit dem 20.07.2018 sowre weitere 841,13 EUR anDarlehenskosten zu zahlen, Zug um Zug gegen Rückgabe und
Übereignung des Fahrzeuges SEAT Leon Z.O TDI mit derFahrgestellnummer und unter Anrechnung einerN utzu ngsentschäd ig u ng von 0,075 EUR für jeden Kilometer, um welchedie bei Rückgabe abgelesene Laufleistung einen Tachostand von 0 km
übersteigt;
2
an den Kläger weitere 852,04 EUR an vorgerichtlichenRechtsverfolgungskosten nebst Zinsen in Höhe von fünf prozentpunkten
über dem Basiszinssatz seit dem 20.07,2018 zu zahlen.
E wird festgestellt, dass sich die Beklagte seit dem ZO.O7.2O1B mit derRücknahme des unter Ziffer 1.1. bezeichneten Kraftfahrzeugs inAnnahmeverzug befindet.
ilr.
lm Übrigen wird die Klage abgewiesen
Dieses Urteil ist für denSicherheitsleistung in Höhe
durchzusetzenden Betrages.
Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistu ng inHöhe von 120 Prozent des zwangsweise gegen ihn d urchzusetzenden
KIäger vorläufig vollstreckbar gegenvon 120 Prozent des zwangsweise
il.
tv.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 33 prozent und dieBeklagte zu 67 Prozent.
V,
3
Betrages abwenden, wenn nicht dieSicherheit in gleicher Höhe leistet.
Beklagte vor der Vollstreckung
Die Sicherheiten dürfen auch durch die unbedingte, unbefristete,unwiderrufliche und selbstsch uld nerische Bürgschaft einer im Gebiet derEuropäischen Union als Zoll- und Steuerbürgin zugelassenen Bank oderSparklasse erbracht werden.
Tatbestand:
Ausweislich einer als AnlageKl vorgelegten Rechnung vom 04.0g.20'12 (Anlage K1)
envarb der Kläger von der Firma Autozentrum Josten in Düsseldorf den erstmals fürden straßenverkehr zugelassenen Neuwagen sEAT Leon style copa 2.0 TDI mit der
Fahrgestellnummer . Der Kaufpreis betrug 1 g.780,00 EUR,
einschließlich der gesetzlichen Mehruertsteuer. Er wurde für den Kläger durch die
sEAT Bank teilfinanziert. Das Darlehen ist durch den Kläger inzwischen vollsiändigzurückgezahlt worden. Für die Finanzierung entstanden dem Kläger Kosten in Höhe
von 841,13 EUR.
Zum Zeitpunkt der in dem hiesigen Rechtsstreit am 14.05.2019 durchgeführten
mündlichen Verhandlung betrug die Gesamtfahrleistung des pkws 88.601 km.
Das Kraftfahrt-Bundesamt ordnete gegenüber der Beklagten mit Bescheid vom 15.
Oktober 2015 den Rückruf der Fahrzeuge mit dem Motor EAIBg an, um die aus
seiner Sicht unzulässigen Abschaltvorrichtungen zu entfernen und geeignete
Der Pkw des Klägers verfügt über einen Dieselmotor vom Typ EA 1gg und ist von der
Beklagten, der Herstellerin, mit einer Software ausgestattet worden, dre den
stickoxidausstoß im Prüfstandbetrieb optimiert. Diese im Fahrzeug verbaute
Motorsteuergerätesoftware verfügt über eine Fa hrzykluserkenn ung, die daraufreagiert, wenn das Fahrzeug den Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ)
durchfährt. lm NEFZ schaltet die software in den Nox-optimierten Modus 1, bei dem
es zu einer höheren Abgasrucifüh rungsrate kommt. unter Fahrbedingungen ist
hingegen der partikeloptimierte Modus 0 aktiv, so dass die im prüftstandbetrieb
erzielten Stickoxidwerte überschritten werden.
4
Maßnahmen zur Wiederherstellung der Vorschriftskonformität zu ergreifen. lnAnschluss an solche herstellerseits veranlasste Maßnahmen bescheinigte das
Kraftfahrtbundesamt der Beklagten, dass die von ihr zwischenzeitlich durchgeführte
Anderung der Applikationsdaten dazu geeignet sei, die Konformität der betroffenen
Fahrzeuge herzustellen. Zu einem hier nicht vorgetragenen Zeitpunkt wurde das
hierzu von der Beklagten entwickelte Software-Update auf die Motorsteuerung des
vom Kläger erworbenen Kraftfahrzeugs aufgespielt.
Gleichwohl entschied sich der Kläger dazu, den hier gegenstä nd lichen pkw
zurückzugeben. Unter anderem mit anwaltlichem Schreiben vom 12.07.2018 (Anlage
K10) ließ er die Beklagte zur Kaufpreisrückzahlung auffordern. Dieser Aufforderungleistete die Beklagte keine Folge.
Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagte habe ihn in seiner Kaufentscheidung arglistig
getäuscht und in sittenwidriger Weise geschädigt. Hierzu behauptet er, dass neben
zahlreichen Führungskräften, leitenden Managern und lngenieuren auch mehrere
vorstände und der damalige Vorstandsvorsitzende von dem Einbau und dem Einsatz
der nicht zulassungskonformen software gewusst hätten. sein Vertrauen in produkte
der Beklagten sei grundlegend erschüttert und eine weitere Nutzung des Fahrzeugs
sei für ihn nicht hinnehmbar. seine Teilnahme an der ,,Rückrufaktion" der Beklagten
habe daran nichts geändert. Nachdem das software-Update zur Motorsteuerung
aufgespielt worden sei, sei es bei seinen pkw wiederholt zu Störungen und
Auffälligkeiten sei, zu denen auf das sitzungsprotokoll vom 14.05.2019 venrriesen
wird. Seit dem Update würde der Motor nicht mehr so beschleunigen wie zuvor.
Der Kläger meint, auf den ersetzt verlangten Kaufpreis seien die aus dem
Kaufgegenstand gezogenen Nutzungen nicht anspruchsmindernd anzurechnen. Dies
deshalb nicht, weil sein Fahrzeug mit einer nicht zulassungskonformen
Motorsteuerung ausgerüstet gewesen sei, die dazu geführt habe, dass ihm mit derFahrzeugnutzung keine a nrechnu ngsfä higen Gebrauchsvorteile zuteil geworden
seien.
Der Kläger beantragt,
1.
die Beklagte zu verurteilen,
a)
5
an ihn 18.780,00 EUR nebst vier Prozent Zinsen vom 0S.09.2012 bis zum19,07.20'18 und Zinsen in Höhe von fünf prozentpunkten über demBasiszinssatz seit dem 20.07.2018 sowie weitere g41,.13 EUR anDarlehenskosten zu zahlen, Zug um Zug gegen Rückgabe undÜbereignung des Fahrzeuges SEAT Leon 2.0 TDI mit derFahrgestellnummer
:
b)
an ihn weitere 852,04 EUR an vorgerichflichen Rechtsverfolg ungskostennebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatzseit dem 20.07.2018 zu zahlen.
2
festzustellen, dass sich
Rücknahme des unter
Annahmeverzug befinde.
die Beklagte seit dem 20.07.2018 mit der
Ziffer 1,1. bezeichneten Kraftfahrzeugs in
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte rügt die örtliche unzuständigkeit des angerufenen Gerichts und
bestreitet mit Nichtwissen, dass es dem Kläger auf die umweltverträglichkeit des
Fahrzeugs angekommen sei. Zur Entwicklung und Verwendung der
Motorsteuerungssoftware bestreitet sie eine etwaige Beteiligung und ein wisseneinzelner Vorstandsmitglieder und behauptet, dass nach bisherigem Kenntnisstand
sei die Entscheidung, die Motorsteuerungssoftware zu verändern, von Mitarbeitern
unterhalb der vorstandsebene auf nachgeordneten Arbeitsebenen getroffen worden.
Das Fahrzeug sei sicher und in seiner Fahrbereitschaft nicht eingeschränkt. Zudem
verfüge es über alle erforderlichen Genehmigungen und die Gefahr des Entzugs der
Typengenehmig ung bestehe nicht, da das Kraftfahrtbundesamt den von ihr
vorgelegten Zeit- und Maßnahmenplan zur Durchführung des Softwareupdates und
die lmplementierung des Updates genehmigt und für verbindlich erklärt habe.
Bei der so genannten Prüfstandsentdeckungssoftware handele es sich nicht um eine
verbotene Abschalteinrichtung. Denn eine verbotene Abschalteinrichtung liege nur
dann vor, wenn im Laufe des realen Fahrzeugbetriebes die Wirksamkeit der
Abgasreinigungsanlage reduziert werde. Dies sei aber gerade nicht der Fall. Die
6
vormalige software habe nicht bewirkt, dass innerhalb des normalen Fahrbetriebs die
Wirksamkeit des Emissionskontrol lsystems verringert worden sei.
Es sei ferner nicht so, dass das Fahrzeug des Klägers mehr Schadstoffe,
insbesondere Stickoxide ausstoße, als angegeben. Für die Einhaltung der
lmmissionsgrenzwerte im normalen straßenbetrieb gebe es keine gesetzlichen
Vorgaben. Nach den gesetzlichen Vorgaben sei zut Erlangung der EG-
Typengenehmigung nur der synthetische Fahrzyklus unter Laborbeding ungen, der
NEFZ, maßgeblich. Davon zu unterscheiden seien die Bedingungen im normalen
Fahrbetrieb. So komme es naturgemäß zu Abweichungen zwischen den
angegebenen Abgaswerten (Laborwerte) und denjenigen Werten, die auf der Straße
erzielt würden.
Die Beklagte bestreitet Fehler und sonstige Defizite, die bei dem vom Kläger
erurorbenen PKW nach dem Aufspielen des software-updates aufgetreten sein
sollen, mit Nichtwissen. Das Software-Update habe dazu geführt, dass das
betroffene Fahrzeug alle lmmissionsgrenzwerte einhalte, ohne dass dieses
nachteilige Auswirkungen auf die Motorleistung, den Kraftstoffuerbrauch und die
CO2-Emissionen habe. Durch das Update sei an dem Fahrzeug keine
Wertminderung entstanden.
wegen des weiteren sach- und streitstandes wird auf den vorgetragenen lnhalt der
gewechselten Schriftsätze, der zur Gerichtsakte gereichten Anlagen und auf den
lnhalt des Sitzu ngsprotokolls vom 14.05,20,19 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage hat überwiegenden Erfolg lm übrigen ist sie unbegründet, so
dass sie insoweit abzuweisen ist.
A. Zulässigkeit
Die örtliche Zuständigkeit des hiesigen Gerichts folgt aus s 32 zpo. Nach dieser
Vorschrift ist für Klagen aus unerlaubten Handlungen das Gericht zuständig, in
dessen Bezirk die unerlaubte Handlung begangen wurde. Hierzu ist es für die
7
B. Begründetheit
t.
Dem Kläger steht ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen
Herausgabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs, allerdings nur
abzüglich Nutzungsersatzes gegen die Beklagte gemäß §§ 826 i.V,m, 31,249 tt.BGB zu. Die Beklagte hat dem Kläger durch eine gegen die guten Sitten
verstoßenden schädigenden Handlung vorsätzlich einen Schaden zugefügt.
1.
Der Kläger hat ein von der Beklagten hergestelltes Fahrzeug erworben. Dies hat er
durch Vorlage der Rechnung (Anlage Kl) nachgewiesen. Demnach hat der Kläger
für das streitgegenständ liche Fahrzeug, bei dem es sich um einen fabrikneuen Pkw
ohne bereits zurückgelegter Laufleistung gehandelt hat, 18.780,00 EUR bezahlt. Zu
diesem Kaufpreis ist es unbestritten geblieben, dass der Kläger ihn zum Teil hat
finanzieren lassen, wodurch ihn weitere 841,13 EUR an Darlehenskosten entstanden
sind,
Der Kläger hat durch eine der Beklagten zuzurechnende sittenwidrige Schädigung
einen Schaden erlitten
a)
Der § 826 BGB stellt hinsichtlich des Schadens nicht auf die Verletzung bestimmter
Rechte oder Rechtsgüter ab. Schaden ist danach nicht nur jede nachteilige
Einwirkung auf die Vermögenslage, sondern darüber hinaus jede Beeinträchtigung
eines rechtlich anerkannten lnteresses (BGH, Urteil vom 19. Juli 2004, ll ZR 4O2tO2,
BGHZ 160, 149-159, Rn. 41). Es genügt jede Schadenszufügung im weitesten
Sinne, also jede nachteilige Einwirkung auf die Vermögenslage in ihrer Gesamtheit
(RGZ 79, 55, 58; BeckOK BGB/Förster, BGB, 42. Edition, § 826 Rn. 25, beck-ontine).
Nach dem subjektbezogenen Schadensbegriff stellt auch der Abschluss eines
z
Zuständigkeit ausreichend, dass der Kläger, wie geschehen, die Voraussetzungen
für eine unerlaubte Handlung schlüssig vorträgt. Anknü pfungspu nkt ist unter
anderem der Ort, an dem der Erfolg der unerlaubten Handlung eingetreten ist (ZPO).
Dies war zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufuertrags der Wohnort des Klägers
in Neuss.
B
Geschäfts, welches nicht den Zielen des Geschädigten entspricht, einen Schaden im
Rahmen des § 826 BGB dar, ohne dass es darauf ankäme, ob die erhaltene
Leistung wirtschaftlich betrachtet hinter der Gegenleistung zurückbleibt (vgl. LG
Offenburg, Urteil vom 12. Md 2017, 6 O 1 19i 16, m.w.N., eingestellt bei juris; BGH,
Urteil vom 21.12.2004, Vl ZR 306/03, BGHZ 161, 361).
Der Schaden des Klägers besteht darin, dass er in Unkenntnis der nicht
gesetzeskonformen Motorsteuerungssoftware den skeitgegenständlichen pkw
erworben und damit einen für ihn wirtschaftlich nachteiligen vertrag abgeschlossen
hat. Die wirtschaftliche Nachteilhaftigkeit zeigt sich schon durch die überlegung, dass
kein verständiger Kunde ein Fahrzeug mit dieser Motorsteuerungs-Software
erwerben würde, wenn er vor dem Kauf darauf hingewiesen würde, dass die
software nicht gesetzeskonform ist und er deshalb bei Entdeckung der Manipulation
mit Problemen durch das Kraftfahrtbundesamt rechnen muss.
Die verbotene Abschaltvonichtung führt zu erheblichen Nachteilen für den Kunden
und damit für den Kläger. Zum einen entsprechen die Abgaswerte nicht jenen, die er
aufgrund der Fah rzeug beschreibu ng und der gesetzlichen Grenzwerte erwarten
durfte. Zwar geht der Kunde insoweit davon aus, dass die bekanntermaßen unter
Laborbeding u ngen ermittelten Werte im Alltagsbetrieb regelmäßig nicht erreicht
werden können. Er eMartet jedoch nicht, dass diese erwartete Abweichung durch
den Einsatz einer verbotenen Software noch erheblich vergrößert wird (LG
Offenburg, Urteil vom 12. Md 2017,6 O '1 19/16, aaO.). Dementsprechend geht auch
die nahezu einhellige Auffassung in der bisherigen Rechtsprechung und Literatur
zutreffend davon aus, dass die Verwendung der Abschaltsoftware durch die Beklagte
zut kaufrechtlichen Mangelhaftigkeit der betroffenen Fahrzeuge führt
(Reinking/Eggert, Der Autokauf, 13. Auflage, Rn. 627 m.w.N.; OLG München,
Beschluss vom 23. März 2017,3 U 4316/16, Rn, '13, eingestellt bei juris). Aufgrund
der vorgenannten Nachteile entsprach das Fahrzeug nicht den Vorstellungen des
Klägers, so dass dieser geschädigt wurde. Es ist bereits nach der allgemeinen
Lebenserfahrung davon auszugehen, dass ein Neuwagenkäufer stillschweigend
davon ausgeht, dass das erworbene Fahrzeug mangelfrei ist, den gesetzlichen
Vorschriften genügt und ohne Einschränkungen am öffentlichen Straßenverkehr
teilnehmen darf und dass diese Vorstellungen für seinen Kaufentschluss von
Bedeutung sind (vgl. BGH, Urteil vom'12. Mai 1995, V 2R34194, Rn. 17, zitiert nach
juris; Harke, VuR 2017, 83, 90). Wenn diese Vorstellung falsch ist, da die in der
9
Typgenehmigung ausgewiesenen und gesetzlich vorgegebenen Werte nur durch
Einsatz einer verbotenen Abschaltvorrichtung erreicht wurden, liegt damit mit dem
Enruerb des Fahrzeugs ein Schaden vor, allein schon deshalb, weil der Mark! und
Wiederverkaufswert eines solchen Fahrzeugs erheblich herabgesetzt ist (LG
Offenburg, Urteil vom 12.Mai2017,6 O 1'19/16, Rn.36, aaO,; LG paderborn, Urteil
vom 07. April 2017, 2O 118116, Rn, 37 f., eingestellt bei juris, LG Saarbrücken, Urteil
vom 07. Juni 2017, 12 O 174116, Rn. 54 f., eingestellt bei juris).
b)
Die den Kläger schädigende Handlung liegt in dem lnverkeh rbringen von
Fahrzeugen mit Dieselmotoren, deren (gesetzeswidrige) Motorsteuerungssoftware so
programmiert war, dass sie den Betrieb des Fahrzeugs auf einem prüfstand im NEFZ
erkannte und die Abgasbehandlung in den sogenannten Modus .1 versetzte (vgl. LG
Bielefeld, Urteil vom 16.'10.2017,6 O 149/16, eingesteflt bei juris).
Die von der Beklagten verbaute Software ist rechtswidrig, da es sich um eine
verbotene Abschaltvonichtung gemäß Art. 5 Abs, 2 VO (EG) 7litZOO7 i,V.m. Art.3Nr. 10 VO (EG) 71512007 handelt. Nach diesen Vorschriften ist eine
Abschalteinrichtung, die die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringert,
unzulässig, wobei eine Abschalteinrichtung als Konstruktionsteil legal definiert wird,
nämlich als ein solches, das in der Lage ist, einen beliebigen Teil des
Emissionskontrollsystems zu deaktivieren, so dass die Wirksamkeit des
Emissionskontrollsystems unter Bedingungen, die bei normalem Fahrzeugbetrieb
vernünftigerweise zu erwarten sind, verringert wird. Bei verständiger Auslegung der
Vorschrift muss die von der Beklagten installierte Software als Abschalteinrichtung
angesehen werden. Denn sie setzt die zu einem geringeren Stickoxidausstoß
führende, ausschließlich für den Prüfstand bestimmte Programmierung der
Motorsteuerung für den Fahrbetrieb auf der Straße außer Kraft mit der Folge, dass
der Stickoxidausstoß im Fahrbekieb auf der Straße höher ist als auf dem Prüfstand.
Das Kraftfahrtbundesamt hat mit rechtskräftigem Bescheid vom 15. Oktober 2015
festgestellt, dass es sich bei der von der Beklagten verwendeten Software um eine
,,unzulässige Abschaltein richtung'' im Sinne des Unionsrechts handele und den
verpflichtenden Rückruf der Fahrzeuge an, von dem auch in der Pkw des Klägers
betroffen ist. Das im Widerspruch hierzu vorgetragene Bestreiten der Beklagten,
wonach es sich bei der verwendeten ,,Optimierungssoftware'' nicht um eine
'1 0
,,unzulässige Abschalteinrichtung" handle, ist demgegenüber unzureichend
qualifiziert und daher unbeachtlich,
Es bestand eine Pflicht der Beklagten, jeden Endverbraucher ihre Produkte darüber
aufzuklären, dass in dem Fahrzeug eine Software verbaut worden war, die dafür
gesorgt hat, dass der Schadstoffausstoß nur im Prüfstandbetrieb die angegebenen
Grenzwerte einhielt. Angesichts eines bei lebensnah€r Bekachtung bestehenden
lnformations- und Wissensgefälle zwischen dem Käufer als Verbraucher und dem
Hersteller, durfte und musste der Verbraucher davon ausgehen, dass das von ihm
erworbene Fahrzeug die Schadstoffg renzwerte nicht nur im Prüfstandbetrieb,
sondern auch unter Realbedingungen im Straßenverkehr einhält. Soweit die
Beklagte vorträgt, dass es zwischen dem Prüfstandbetrieb und dem Straßenbekieb
,,naturgemäß" zu einer Abweichung des angegebenen Schadstoffa usstoßes komme,
kann derartiges Wissen zumindest von einem d u rchsch nittlichen Verbraucher nicht
erwartet werden.
Die subjektiven Voraussetzungen für einen Anspruch aus § 826 BGB gegen die
Beklagte sind zu bejahen. lhr sind das Wissen und der Vorsatz der an der
Manipulation und der diesbezüglichen Täuschung beteiligten Organmitglieder und
sonstigen Mitarbeiter zuzurechnen. Eine solche Zurechnung erfolgt bei einer
juristischen Person, wie der Beklagten, nach den allgemeinen Regeln der § 31 BGB.
Grundsätzlich muss, damit eine Zurechnung erfolgen kann, das jeweilige Wissen
bzw, Vorsatzelement bei einem maßgeblichen Organmitglied der Beklagten
festgestellt werden. Kann eine solche Feststellung nicht erfolgen, geht dies
grundsätzlich zulasten des hier beweisbelasteten Klägers.
Soweit teilweise gefordert wird, dass Käufer in vergleichbaren Fällen vortragen und
gegebenenfalls beweisen müssen, wer wann auf Seiten der Beklagten wie über
welche Tatsachen getäuscht haben soll und wie dies zu einem Vermögensschaden
geführt haben könnte (vgl. OLG München, Beschluss vom 25. Juli 2017, 13 U
566117), folgt das Gericht dem nicht. Der Kläger kann keine Kenntnisse über
in nerbetriebliche Abläufe bei der Beklagten haben, Diese kann jedoch wiederum
nicht zur Selbstbezichtig u ng verpflichtet werden. Auch sind die
staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen nicht abgeschlossen und werden umfangreich
11
und zeitaufwendig sein, Daher kann es dem Kläger zwar nicht erspart werden,
seinen Anspruch substantiiert und schlüssig darzustellen, aber dem hat er vorliegend
auch genügt, lm Rahmen seiner primären Darlegungslast ist es ausreichend, wenn
er, wie hier geschehen, konzerninterne Manipulationsvorgänge vorträgt, aus denen
ein kollusives Verhalten mehrerer Personen folgt, welches seinerseits entweder ein
Versagen unternehmensinterner Kontroll- und Aufsichtsmaßnahmen oder aber eine
Einbindung maßgeblicher Entscheidungsträger im Konzern der Beklagten nahe legt.
Der Kläger muss gerade nicht einen (oder mehrere) Täter benennen, deren Handeln
sich die Beklagte zurechnen lassen muss. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass
gemäß § 31 BGB ein verfassungsmäßig berufener Vertreter der Beklagten Kenntnis
von der Manipulation hatte Die Beklagte, die allein über entsprechende Kenntnisse
verfügen könnte, hat nicht dargelegt, dass diese erhebliche und weitgehende
Manipulation der Fahrzeugsteuerungssoftware ohne Genehmigung ihres Vorstands
erfolgt ist oder aber dass die Manipulation ohne Einbeziehung eines
verfassungsmäßigen Vertreters veranlasst worden ist. So oder so läge dann aber bei
dem verbleibenden Szenario eines unkontrollierten Verhaltens einzelner
unzuverlässiger Mitarbeiter ein Organisationsmangel vor, den sich die Beklagte in
gleicher Weise zurechnen lassen muss. Auch dann, wenn der Vorstand der
Beklagten oder der zuständige Organwalter persönlich keine Kenntnis von den die
Sittenwidrigkeit begründenden Umständen haben sollte, diese Kenntnis aber
innerhalb der Organisation der Beklagten vorhanden war und die Verpflichtung zur
aktenmäßigen Dokumentation der lnformation bestand, dann ist einer
Wissenszurechnung zu dem handelnden Organ vorzunehmen, wenn der informierle
Mitarbeiter innerhalb der juristischen Person es entgegen einer entsprechenden Frist
versäumt hat, das bei ihm vorhandene Wissen an die zuständige Stelle
weiterzuleiten (Münchener Kommentar, BGB, 7. Aufl.2017, § 826 Rn. 37 ff.). Alles
andere käme einer faktischen Rechtsverweigerung potenziell Geschädigter gleich,
die sich mit intransparenten Unternehmensstrukturen und den dortigen
Entscheidungs- und lnformationsabläufen konfrontiert sehen. Die Beklagte kann sich
daher nicht darauf zurückziehen, dass sich eine die Verwerflichkeit begründende
bewusste Täuschung nicht dadurch konstruieren lasse, dass dem Unternehmen der
Beklagten vorhandenen kognitiven Elemente der erforderlichen Wissenszurechnung
nicht dargetan seien. Es ist zwar zutreffend, dass das Wissen einzelner Mitarbeiter
der Beklagten nicht ,,mosaikartig" zusammengesetzt werden kann, um eine
Verantwortung verantwortlicher Vorstände anzunehmen. Eine solche Konstruktion ist
vor dem personalen Charakter der Schadensersatzpflicht gemäß § 826 BGB, die sich
12
hierdurch von der vertraglichen oder vertragsäh nlichen Haftung deutlich
unterscheidet, nicht gerecht (BGH, Urteil vom 28.06.2016, Vl ZR 536/15, NJW 2017,
250). Der Kläger hat seiner primären Darlegungslast Genüge getan, da er plausibel
dargelegt hat, dass entweder der Vorstand informiert war oder aber Deflzite in der
lnformations-, Kontroll- und Organisationsstruktur bei der Beklagten vorhanden
waren, die eine Täuschung von deren Kunden ermöglichte.
Vorliegend ist die Beklagte daher nach den Grundsätzen der sekundären
Darlegungslast weitgehend darleg u ngspfl ichtig zu ihrer Organisationsstruktur
gewesen. Eine solche sekundäre Darlegungslast besteht gerade dann, wenn der
beweisbelasteten Partei näherer Vortrag nicht möglich oder nichi zumutbar ist,
während die nicht darleg ungsbelastete Partei alle wesentlichen Tatsachen kennt und
es ihr auch zumutbar ist, nähere diesbezügliche Angaben zu machen. Die Beklagte
darf sich in einer solchen Situation nicht auf pauschalen Sachvortrag oder einfaches
Bestreiten beschränken, wenn die darlegungspflichtige Partei außerhalb des von ihr
darzulegenden Geschehensablaufs steht und keine nähere Kenntnis der
maßgebenden Umstände besitzt, während die Beklagte alle wesentlichen Tatsachen
kennt, die entsprechenden lnformationen hat und ihr nähere Angaben zumutbar sind,
Wie ausgeführt, war es dem Kläger gerade nicht möglich, näher dazu vorzutragen,
wer auf der Vorstandsebene der Beklagten bzw. wer von den maßgeblichen
Organen entsprechende Kenntnis hatte oder Anweisungen vorgenommen hat, da
dies Kenntnisse von den internen Strukturen, den Vorgängen und Abläufen sowie
konkreter, im Einflussbereich der Beklagten liegender Geschehnisse voraussetzen
würde. Die Beklagte hingegen hatte die Möglichkeit, die in ihrem Unternehmen im
Zusammenhang mit der Programmierung und lmplementierung der
streitgegenständlichen Software abgelaufenen Vorgänge und
Entscheidungsprozesse konkret darzulegen, um es dem Kläger zu ermöglichen,
seinerseits die ihm obliegende weitergehende Darlegung und die erforderlichen
Beweisantritte dann auf dieser Grundlage vornehmen zu können. Der diesbezügliche
Sachvortrag der Beklagten ist unzureichend. Die Beklagte hat dazu nämlich lediglich
eine Kenntnis von Vorstandsmitg liedern bestritten und dies als Maßnahmen von
Mitarbeitern abgetan, deren Kenntnisse sie sich nicht zurechnen lassen müsse.
Warum hier nach etwa zweieinhalb Jahren seil Bekanntwerden des Abgasskandals
trotz Einschaltung von internen Ermittlern immer noch keine diesbezüglichen
Erkenntnisse vorliegen sollen, ist unverständlich und lässt den Schluss zu, dass
solche Erkenntnisse von Seiten der Beklagten bewusst nicht vorgetragen werden,
13
Dies geht zu ihren Lasten, denn das diesbezügliche Vorgehen ist unzureichend und
genügt nicht den Anforderungen nach § 138 Abs. 1 ZPO, wonach die Parteien ihre
Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß
abzugeben haben. Zu einer substantiierten Darlegung hätte umso mehr Anlass
bestanden, als es sich bei der Einführung einer manipulierten, auf Verzerrung der
Prüfstandwerte ausgerichteten Motorsteuerung um eine wesentliche, strategische
Entscheidung mit erheblicher wirtschaftlicher Reichweite und ebenso großen Risiken
in einem weltweit tätigen Konzern gehandelt hat, bei der nicht anzunehmen ist, dass
die Entscheidung von einem eher am unteren Ende der Betriebshierarchie
angesiedelten Personenkreis getroffen worden ist, ohne dass die relevanten Organe
der Beklagten davon Kenntnis hatten bzw. dies sogar konkret angewiesen haben:
Vielmehr spricht unter Zugrundelegung normaler Lebensumstände und
Erfahrungswerte eine ganz erhebliche Wahrscheinlichkeit dafür, dass diese
Vorgänge mit Kenntnis und Billigung des Konzernvorstands erfolgt sind.
Dies und das unzureichende Vorbringen im Rahmen der sekundären Darlegungslast
hat für die Beklagte zufolge, dass ihr Bestreiten unerheblich ist und damit nach § 138
ZPO der Sachvortrag des Klägers zu den behaupteten internen Vorgängen zugrunde
zu legen ist (vgl. ergänzend LG Kleve, Urteil vom 3'1 . März 2017,3 O 252116, Rn. 89,
eingestellt bei juris und LG Hildesheim, Urteil vom 17. Januar 2017,1O 139/16, Rn.
38 f., eingestellt bei juris).
Die Beklagte hat mit Schadig ungsvorsatz gehandelt
Der Schädiger braucht nicht im Einzelnen zu wissen, wer der durch sein Verhalten
Geschädigte sein wird und wie viele Geschädigte es sein werden. Er muss nur die
Richtung, in der sich sein Verhalten zum Schaden anderer auswirken könnte, und die
Art des möglichen Schadens vorausgesehen und gebilligt haben (vgl. BGH, Urteil
vom 19. Juli 2004, n ZR 402102, eingestellt bei juris). Der Vorsatz enthält ein
,,Wissens-" und ein ,,Wollenselement". Der Handelnde muss die Umstände, auf die
sich der Vorsatz bezieht, im Fall des § 826 BGB also die Schädigung des Klägers,
gekannt bzw. vorausgesehen und in seinen Willen aufgenommen haben. Dies setzt
voraus, dass der Handelnde die relevanten Umstände jedenfalls für möglich gehalten
und billigend in Kauf genommen hat (vgl, BGH, Urteil vom 19. Juli 2004, llZ4O2|OZ.
14
aaO.), Die Manipulation der Abgaswerte hat nicht nur auf eine Umgehung von
Umweltvorschriften abgezielt, deren Einhaltung der Allgemeinheit dienen, sondern
auch auf die individuelle Vermögensdisposition der Kunden. Die Kunden sollten zum
Kauf eines Fahrzeugs bewegt werden, obwohl es zwingende umweltrechiliche,
un ionsrechtliche Vorschriften nicht einhält und das deshalb mit einem Mangel
behaftet ist. Den verantwortlichen Entscheidern bei der Beklagten war bewusst, dass
sie mit ihrem Verschweigen die Kaufentscheidung der Kunden beeinflussen würden.
Die Beklagte hat als Konzern in der öffentlichkeit offensiv mit der
umweltverträglichkeit ihrer Fahrzeuge geworben. Den verantworflichen organen bei
der Beklagten war dabei nach der allgemeinen Lebenserfahrung klar, dass die
Kunden aufgrund infolge der vorenthaltenen lnformation über den Einsatz der
sogenannten Prüfstandsentdeckungssoftware ihre Kaufentscheidung auf einer
fehlerhaften bzw. unvollständigen Tatsacheng rundlage trafen, die sie bei der
gebotenen Aufklärung entweder überhaupt nicht oder aber nur zu anderen
Konditionen getroffen hätten. Derartige schäden als Folgen ihrer vorsätzlichen
Handlungsweise nahmen sie zumindest billigend in Kauf. Angesichts der
Gesamtumstände bestehen hierin im Hinblick auf den Einsatz der sogenannten
Prüfstandsentdeckungssoftware keine vernünftigen Zweifel (so auch: LG paderborn,
Urteil vom 07. April 2017 ,2 O 1 18/16, eingestellt bei juris).
Die Schädigung erfolgte sittenwid rig.
ln objektiver Hinsicht kommt es für die Frage der Sittenwidrigkeit darauf an, ob das
Verhalten der Beklagten dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden
widersprochen hat. Dass das Verhalien gegen vertragliche Pflichten oder das Gesetz
verstößt, unbillig erscheint oder einen Schaden hervorruft, genügt nicht.
lnsbesondere ist die Verfolgung eigener lnteressen bei der Ausübung von Rechten
im Grundsatz auch dann legitim, wenn damit eine Schädigung Dritter verbunden ist.
Hinzutreten muss nach der Rechtsprechung eine nach den Maßstäben der
Allgemeinen Geschäftsmoral und des als ,,anständig'' Geltenden besondere
Verwerflichkeit des Verhaltens, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten
Mitteln, der zu Tage tretenden Gesinnung oder den eintretenden Folgen ergeben
kann (Palandt, BGB,78. Aufl.2018, § 826 Rn.4). Dies ist bei Würdigung der
Gesamtumstände hier zu bejahen. Die Beklagte hat in großem Umfang und mit
erheblichem technischem Aufwand im Profitinteresse zentrale gesetzliche
15
umweltschutzvorschriften ausgehebelt und zugleich ihre Kunden getäuscht. sie hat
dabei nicht einfach nur gesetzliche Abgaswerte außer Acht gelassen, sondern mit
der Abschaltvorrichtung zugleich ein system zur planmäßigen Verschleierung ihres
Vorgehens gegenüber den Aufsichtsbehörden und den Verbrauchern geschaffen. lm
Rahmen einer Gesamtwürdigung ist dieses Verhalten als sittenverstoß zu bewerten
(so auch: LG Saarbrücken, Urteil vom 07. Juni 2017, 12O 174t16, eingestellt bei
juris). Zudem gilt der Grundsatz, dass eine bewusste Täuschung zur Herbeiführung
eines Vertragsschlusses regelmäßig bereits die Sittenwidrigkeit begründet (BGH,
Urteil vom 21. Dezember 2004,VlZR 306/03, eingestellt bei juris; , BGH, Urteil vom
21.12.2004, Vl ZR 306/03, aaO.; BGH, Urteil vom 28. Juni 2016, Vl ZR 536/1S, Rn.
22, aaO.). Eine solche liegt vor. Die Beklagte hat mit dem lnverkeh rbringen des
Fahrzeugs stillschweigend erklärt, dass dieses den gesetzlichen Vorschriften genügt,
was tatsächlich nicht der Fall ist. Dieser Erklärungswert ihres Verhaltens und das
entsprechende Verständnis der Fahrzeugenverber kann ihr auch nicht verborgen
geblieben sein, so dass es sich um eine bewusste Täuschung handelt, um letzflich
Kunden zu dem Kauf eines Fahrzeugs aus der Produktion der Beklagten zu
bewegen.
ln subjektiver Hinsicht ist nicht das Bewusstsein der Sittenwidrigkeit erforderlich, es
genügt bereits die Kenntnis der sie begründenden Umstände. Eine solche Kenntnis
beim Vorstand der Beklagten ist aufgrund ihres unwirksamen Bestreitens und der
Lehre von Organisationsmängeln i.R.d. § 31 BGB zu bejahen (so auch: LG
Offenburg, Urteil vom 12. Mai 20'17,6 O 119/16, Rn.47, aaO.; LG Bielefeld, Urteit
vom 16. Oktober 2017,6 O 149/16, aaO.).
6.
Der unterlassene Hinweis auf die manipulierte Motorsteuerung ist für den
Fahrzeugerwerb auch ursächlich gewesen, so dass ein
Rechtswid rigkeitszusammenhang besteht. lnsoweit greift zu Gunsten der Klägerin
die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens ein. Dessen ungeachtet reicht es bei
einem täuschenden bzw. manipulativen Verhalten für die Darlegung des
ursächlichen Zusammenhangs zwischen Täuschung und Abgabe der
Willenserklärung aus, dass der Getäuschte Umstände dargetan hat, die für seinen
Entschluss von Bedeutung sein konnten und nach der Lebenserfahrung bei der Art
des zu beurteilenden Rechtsgeschäfts Einfluss auf die Entschließung gehabt haben
können (vgl. etwa BGH, Urteil vom 12. Mai 1995, V 2R34194, NJW 19S5,2361, LG
'16
Frankfurt (Oder), Urteil vom 17, Juli 2017, 13 O 174116, Rn. 1 13, eingestellt bei juris
) Hier ist es nachvollziehbar, wenn der Kläger darlegt, dass er das
streitgegenständliche Fahrzeug in Kenntnis des manipulierten Betriebsmodus im
Prüfungszyklus nicht en,uorben hätte, ohne dass es darauf ankommt, ob imVerkaufsgespräch über den Schadstoffa usstoß gesprochen wurde (so auch: LG
Kleve, Urteil vom 3'1.03.2017,3 O 252116, eingestellt bei juris). Das bloße Bestreiten
der Beklagten ist daher ohne Relevanz (so auch: LG Karlsruhe, Urteil vom 22. März
2017, 4 O 118/16, eingestellt bei juris; LG Frankfurt (Oder), Urteit vom 17. Juti 2017,
13 O 174116, Rn. 1 13, aaO.).
Der Schaden liegt vorliegend darin, dass dem Kläger aufgrund der ihm gegenüber
jedenfalls bedingt vorsätzlich vorgenommenen Schädigung ein Fahrzeug mit
manipulierter Abgassoftware erworben hat. Bei Kenntnis des Sachverhalts und der
damit verbundenen Risiken auch für den Fortbestand der Betriebserla ubnis hätte der
Kläger - wie jeder verständige und Risiken vermeidende Kunde - das in Rede
stehende Fahrzeug nicht enrvorben. Die Beklagte muss danach die wirtschaftlichen
Folgen des Kaufs dadurch ungeschehen machen, dass sie den Kaufpreis gegen
Herausgabe des Fahrzeugs erstattet (vgl. LG Frankfurt (Oder), Urteil vom '17. Juli
2017, 13 O 174116', aaO.; LG Baden-Baden, Urteil vom 27. April 2017, 3 O 163/16,
eingestellt bei juris; LG Karlsruhe, Urteil vom 22. Mär22017,4 O 118/16, eingestellt
bei juris, LG Bielefeld, Urteil vom 16. Oktober 2017,6 O 149/16, eingestellt bei juris;
LG Saarbrücken, Urteil vom 07. Juni 2017,12 O 174116, aaO.). Dabei verkennt die
Kammer nicht, dass die Beklagte im vorliegenden Fall Dritte und damit nicht
Vertragspartnerin des Klägers gewesen ist. Grundsätzlich ist der Schadensersatz
gemäß § 826 BGB, der auf die Befreiung einer durch Täuschung eingegangenen
vertraglichen Verbindlichkeit abzielt, in Art und Umfang nur gegen den direkten
Vertragspartner möglich. Ein Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufuertrages kann
aber auch gegenüber Dritten bestehen (OLG München, Urteil vom 20. August 1999,
14 U 860/98, zitiert nach juris).
7.
Die Beklagte hat dem Kläger somit nach §§ 826, 249 ff. BGB den entstandenen
Schaden zu ersetzen. Dabei richtet sich der Schadensersatzanspruch auf den Ersatz
des negativen lnteresses, Der Geschädigte hat einen Anspruch darauf, so gestellt zu
werden, wie er stehen würde, wenn ihm die Mangelhaftigkeit bekannt gewesen wäre.
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ln der Rechtsfolge sind analog § 346 Abs. 1 BGB die empfangenen Leistungen
zurück zu gewähren (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 23. Oktober 2006, 1 U 72106,
zitiert nach juris). Die Beklagte muss den gezahlten Kaufpreis in Höhe von 18.780,00
EUR brutto (s.o.) und die vom KIäger zur Kaufpreisfi nanzieru ng geleisteten
Darlehenskosten erstatten, erhält auf der anderen Seite neben dem
streitgegenständlichen Fahrzeug auch die durch den Gebrauch des pkws
eingetretene Wertminderung ersetzt, § 346 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Diese Nutzungsvorteile
sind nach folgender Formel zu berechnen:
Gebrauchsvorteile = Bruttokaufpreis x gefahrene Kilometer : eruvartbare Laufleistung
ln diesem Zusammenhang schätzt das Gericht die zu einem Dieselfahrzeug der
vorliegenden Art zu erwartende Gesamtlaufleistung gemäß § 287 ZPO mit 250.000
km. Ausschlaggebend hierfür sind allgemein zugängliche Erkenntnisses zu
vergleichbaren Kraftfahrzeugen, Unter Berücksichtig u ng der zum Zeitpunkt der
mündlichen Verhandlung nachgewiesenen 88.601 Kilometer ergibt sich daher ein
Nutzungsvorteil von 6.655,71 EUR, den das Gericht in der Tenorierung noch nicht
von dem Kaufpreis unmittelbar in Abzug gebracht hat, sondern anstelle dessen eine
Formel vorgegeben hat, mit der sich die bis zur tatsächlichen Rückgabe des
Kaufgegenstandes gezogenen Gebrauchsvorteile errechnen Iassen.
Die Anrechnung von N utzungsvorteilen auf den zu rückverlangten Kaufpreis ist auch
bei einem Kraftfahrzeug mit einem Mangel der vorliegenden Art vorzunehmen, und
zwar unabhängig davon, ob der Kläger infolge des Mangels dazu berechtigt gewesen
ist, seinen Pkw im öffentlichen straßenverkehr zu führen. selbst wenn der Kläger
sein Fahrzeug verbotswidrig im straßenverkehr benutzt haben sollte, kommt es nach
dem sinn und Zweck des § 346 Abs. 1 BGB allein auf die tatsächlichen
Gegebenheiten an, sprich, dass der Kläger das Fahrzeug genutzt hat.
Vom geschuldeten Schadensersatz, dort unter dem Gesichtspunkt des
Folgeschadens, schließlich umfasst sind die vorgerichtlichen
Rechtsverfolgu ngskosten, die dem Kläger dadurch entstanden sind, dass er den
Versuch unternommen hat, die hier gegenständlichen Ansprüche gegenüber der
Beklagten durchzusetzen. Dass eine solche Rechtsverfolgung von vorneherein
aussichtslos oder nicht zielführend gewesen ist, lässt sich nicht einsehen und ist von
den Parteien auch nicht schlüssig vorgetragen worden. Für die Kosten hat dieBeklagte aufzukommen, weil die ihr gegenüber erfolgte Rechtsverfolgu ng auf die
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d urch sie zu verantwortende Manipulation an der Motorsteuerungssoftware
zurückzuführen ist,
ilt.
Die Feststellung zum Annahmeverzug rechtfertigt sich im Lichte von ss 756, 765
ZPO aus § 298 BGB.
tv.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.
Ausschlaggebend für die Kostenverteilu ng ist es gewesen, dass der Anspruch des
Klägers auf Kaufpreisersatz bereits zum Zeitpunkt mündlichen Verhandlung um
6.655,71 EUR wegen der aus dem Kaufgegenstand gezogenen Gebrauchsvorteile
herabgesetzt gewesen ist.
Die Entsoheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr, 1 1 , 709, 71 1 ,
108 ZPO.
Der Streitwert wird auf bis zu 22.000,00 EUR festgesetzt, § 43 Abs. 1 GKG
Rechtsbehelfsbelehrung :
Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch
dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
V
lt.
Der Zinsanspruch rechtfertigt sich für die Zeit bis zum 19.07.2018 aus §§ 849, 246
BGB und für die Folgezeit aus §§ 280 Abs. 2, 286 Abs. 1, 2BB Abs. '1 BGB.
Wer, wie der Kläger hier, durch eine unerlaubte Handlung dazu bestimmt wird, Geld
zu übenveisen, kann vom Schädiger Verzinsung nach § 849 BGB verlangen (BGH,
Versäumnisurteil vom 26.11.2007, ll ZR 167/06, NJW 2008, 1084).
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1 . wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
2. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Landgericht zugelassen worden ist.
Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellungdieses Urteils schriftlich bei dem Oberlandesgericht Düsseldorf, Cecilienallee 3,
40474 Düsseldorf, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnungdes Urteils (Datum des Urteils, Geschäftsnummer und parteien) gegen das dieBerufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufungei ngelegt werde, enthalten.
Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zweiMonaten nach Zustellung dieses urteils schriftlich gegenüber dem oberlandesgerichtDüsseldorf zu begründen.
Die Parteien müssen sich vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf durch einenRechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und dieBerufungsbegründ u ngsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift desangefochtenen Urteils vorgelegt werden,
Hinweis zum elektronischen Rechtsverkehr:
Die Einlegung ist auch durch Übertragung eines elektronischen Dokuments an dieelektronische Poststelle des Gerichts möglich. Das elekkonische Dokument muss fürdie Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten
elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von derverantwortenden Person signiert und auf einem sicheren übermitflungsweg gemäß §130a ZPO nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischenRahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondereelektronische Behördenpostfach (BGBI. 2017 I, s. 3803) eingereicht werden. weiterelnformationen erhalten Sie auf der lnternetseite www.iustiz,de.
Matz
IU
Beglaubigt
Urkundsbeamter/in der Geschäftsstelle
Landgericht Düsseldorf