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Zeitschrift der benediktinischen Gemeinschaften Einsiedeln und Fahr 3·2009 SALVE

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Zeitschrift der benediktinischenGemeinschaften Einsiedeln und Fahr

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Einer der Höhepunkte des Festakts vom 23.April 2009 war neben der Präsentation derAutobiografie und einer Festschrift diePreisverleihung des Schreibwettbewerbs fürJugendliche, der zu Ehren der bekanntenschreibenden Nonne im Herbst letzten Jah-res lanciert worden ist. Rund hundertzwan-zig Gäste aus Kirche, Politik und Kultur, aberauch Angehörige und Freunde der Jubilarinsowie rund siebzig jugendliche Autorinnenund Autoren nahmen an der Feier teil:«Weihnacht im Frühling», «Hochzeit mit dir,Mensch», «Die Erde singt» und «Sonntag» –diese Gedichte, musikalisch gestaltet von

Schwester Hedwig (Silja) Walters neunzigster Geburtstag

«Weihnacht im Frühling»

Mit verschiedenen Anlässen, unter anderem mit einem Festakt in der Fahrer Kloster-kirche, wurde der neunzigste Geburtstag der bedeutenden Schweizer Schriftstellerin,Lyrikerin und Benediktinerin, Schwester Hedwig (Silja) Walter gefeiert.

Carl Rütti, Pater Theo Flury und Ernst Pfiff-ner und interpretiert vom SchwesternchorFahr und Schwestern und Lehrerinnen derImpulsschule Wurmsbach verliehen demFestakt eine besondere Note. Den Feierlich-keiten vorausgegangen war am Nachmittagein Programm mit Workshopcharakter fürdie Nachwuchsautoren, an der die Jubilarinvoller Energie und Lebensfreude teilnahm.

Ein Freudentag für die Gemeinschaft

«Wenn wir heute den 90. Geburtstag vonSchwester Hedwig (Silja Walter) feiern, so istdas wie Weihnacht im Frühling», meintePriorin Irene Gassmann in ihrer Begrüssungzum Festakt anlässlich des 90. Geburtstagsder schreibenden Benediktinerin. «Weih-nacht – Gottesgeburt im Menschen – diesesMotiv zieht sich wie ein roter Faden durchdas literarische Schaffen von Silja Walter. Esist ein grosser Freudentag für die Gemein-schaft im Fahr.» Dass die auf den Festtag er-schienene Autobiografie der Dichternonne– «Das Dreifarbene Meer» (Paulus Verlag,Freiburg) – im Zeitalter moderner Kommu-nikation nicht nur als Buch vorliegt, präsen-tierte der Vorsteher des Klosters Einsiedelnund Fahr, Abt Martin Werlen, mittels Bea-mer: «Das Werk von Schwester Hedwig istab sofort auf Internet aufgeschaltet – aufwww.getabstract.com; die Kernaussagen desBuches sind auf fünf Seiten zusammenge-fasst; viele suchende Menschen auf der gan-zen Welt können einen kleinen Einblick in die

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Priorin Irene und Schwester Hedwig.

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Lebensgeschichte der Jubilarin erhalten undschmackhaft gemacht werden für mehr...»

Quelle sprudelnden Wassers

Mit Leidenschaft und sprühend vor Lebens-freude las Schwester Hedwig Passagen ausihrem neusten Werk «Meine Heilsgeschichte– Eine Biographie» vor, bevor Bischof Dr.Kurt Koch, Präsident der Schweizer Bischofs-konferenz, seine Glückwünsche überbrach-te. «Wer von Gott berührt ist, bleibt jung –wie Schwester Hedwig selbst mit neunzigJahren. Sie ist für viele Menschen zur Quellesprudelnden Wassers geworden. Könnteman über das Leben von Schwester Hedwigetwas Adäquateres sagen als eben dies, dasssie für viele Menschen zu dieser Quelle ge-worden ist? Wer ihr begegnen durfte, hatimmer wieder erfahren, dass es aus ihr spru-delt, weil es zunächst in ihr selbst sprudelt.Im Werk von Schwester Hedwig kann zwi-schen Dichtung und Gebet nicht unterschie-den werden – die Grenzen sind fliessend.» Erdankte der grossen Dichterin für ihr Werk,das sie auch der Kirche und der Liturgie ge-schenkt habe – von Gebeten, Kirchenlie-dern, Meditationen, über Hymnen und Mes-setexten bis zu Mysterienspielen. Sie selber

sei auch für die Kirche zur Quelle sprudeln-den Wassers ins ewige Leben geworden.

Fest- und Dank-Gabe an die Jubilarin

Dr. Ulrike Wolitz, redaktionelle Leiterin derSilja-Walter Gesamtausgabe, präsentierteder sichtlich ergriffenen Jubilarin als Überra-schung die Festschrift «Ozean Licht», in der52 Gratulantinnen und Gratulanten anhandeines ausgewählten Textes der Schriftstelle-rin persönliche Erinnerungen, Aspekte, Sicht-weisen und Interpretationen schenkten undihr so symbolisch einen bunten Geburtstags-strauss an Wortbeiträgen, Beiträgen auch inKunst und Musik überreichten. Ulrike Wolitz:«Indem unsere Festgabe sich mit deinemdichterischen Werk in einen kreativen Dialogeinlässt, versteht sie sich nicht nur als Fest-Gabe der Gratulanten und Gratulantinnen,sondern auch als Dank-Gabe aller, die in dei-nem grossen dichterischen Werk das Brausendes dreifarbenen Meers vernehmen.»

Preisverleihung des Schreibwett-bewerbs

Das Motiv «Ist hinter allen Dingen, diescheinbar nicht gelingen, doch einer, dermich liebt» aus einem frühen Gedicht SiljaWalters – «Lied der Armut» – sollte jungeSchriftstellerinnen und Schriftsteller im Al-ter zwischen 14 und 25 Jahren inspirieren,sich in einem im Internet ausgeschriebenenSchreibwettbewerb mit der Frage nach Gottund dem Sinn des Lebens auseinanderzuset-zen. Insgesamt wurden zwischen Ende Ok-tober 2008 und Ende Januar 2009 nicht we-niger als 146 Texte eingereicht; 125 vonweiblichen, 21 von männlichen Jugendli-chen. 89 Autorinnen und Autoren stammenaus der Schweiz, 29 aus Deutschland, 16 ausSüdtirol, 11 aus Österreich und eine sogaraus Kenia. Eine fünfköpfige Jury wählte ausden Arbeiten zwei Kategoriensiegerinnenaus: Bei den 14 bis 17-jährigen gewann Va-nessa Keller, Impulsschule Wurmsbach, denersten Preis (tausend Franken), während beiden 18 bis 25-jährigen die Zürcher StudentinSimone Höhn aus Bachenbülach den Haupt-

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Bischof Kurt Koch gratuliert der Jubilarin.

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preis (ebenfalls tausend Franken) entgegen-nehmen durfte. Als besondere Attraktionhatten die jungen Autorinnen und Autorenwährend des Schreibens die Möglichkeit,zwei Tage in klösterlicher Atmosphäre imKloster Fahr oder im Kloster Einsiedeln zuverbringen. Die Texte der Preisgewinnersind auf www.siljawalter.ch zugänglich.

Workshop für die jungen Schrift-stellerinnen und Schriftsteller

Schon am Nachmittag wurden die jungenAutorinnen und Autoren zu einem Work-shop ins Kloster eingeladen. Die klösterlicheJubilarin persönlich begrüsste zusammenmit der Fahrer Priorin Irene Gassmann dieJugendlichen des Schreibwettbewerbs zueinem Austausch untereinander und mitBenediktinerinnen und Benediktinern. Auf-grund des Wettbewerbszitats «Ist hinterallen Dingen, die scheinbar nicht gelingen,doch einer, der mich liebt» ging man in klei-nen Arbeitsgruppen den Themen Enttäu-schung und Sehnsucht nach; die jungenMenschen reflektierten eigene Erfahrungenund Gedanken.

«Habt Mut! Schaut hinter die Fassaden!»Der Einsiedler Abt gratulierte den Jungenfür den Mut, sich der zentralen Frage unse-res Lebens «Existiert Gott?» ohne Wenn undAber, mit der persönlichen Sehnsucht undErfahrung zu stellen. «Damit werdet ihr Bot-schafterinnen und Botschafter in einer Welt,in der gerade diese alles entscheidende Fra-ge so oft totgeschwiegen wird. Wir leidenalle unter der Folge dieses Tabus, der Ober-flächlichkeit und Banalisierung unseres Le-bens. Ihr habt euch von Schwester Hedwiganstecken lassen. Habt weiterhin den Mut,dahinter zu schauen – hinter die Kulissenund Fassaden. Denn dahinter – selbst hinterallen Dingen, die scheinbar nicht gelingen –ist einer, der uns liebt.»

Am Freitag, 24. April 2009 hielt Abtpri-mas Notker Wolf einen Festvortrag (siehe In-terview Seiten 72–75) und am 25. April 2009fanden die gelungenen Feierlichkeiten inder Klosterkirche Fahr mit «Wort undKlang», Werken von Silja Walter und CarlRütti, einen würdigen Abschluss.

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Von links nach rechts: Ulrike Wolitz, Bischof Kurt Koch, Vanessa Keller (1. Preis Kategorie 1),Priorin Irene Gassmann, Simone Höhn (1. Preis Kategorie 2), Abt Martin Werlen, SchwesterHedwig (Silja Walter), Florian Jäger (3. Preis Kategorie 2), Benedikt Hegglin (2. Preis Katego-rie 1).

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Schwester Hedwig, Sie schreiben in IhrerLebensbiografie «Das Dreifarbene Meer»,dass in allem, was ernstlich zu einem Buchentsteht und entstand, Sie selber darin sind.Vor allem in Gedichten werden meine per-sönlichen Erlebnisse verarbeitet. Was ich imKloster erlebe und erlebt habe, ist zumeistder Inhalt meiner Tagebuch-Bändchen, zumBeispiel über die heilige Regel «Er pflücktesie vom Lebensbaum», jetzt neu auch inmeiner Biografie «Das Dreifarbene Meer».

Bei Schwester Hedwig nachgefragt

«Gott, sonst nichts»

Die schreibende und dichtende Fahrer Nonne Schwester Hedwig, Silja Walter, istneunzig – die Zweitälteste in der Gemeinschaft der 26 Benediktinerinnen im KlosterFahr. Sie hat trotz ihres Alters eine Schaffenskraft, die überrascht und fasziniert,und sie spricht die Menschen – Junge wie Betagte – mit ihren Sprachbildern, ihrerPoesie und Mystik, ihrer reichen Spiritualität direkt und im Zentrum, im Herzen, an.

Autorinnen und Autoren geben sich immerin ihr Werk – sind darin.

Die zentrale Aufgabe für eine Benedik-tinerin ist es, Gott zu suchen (RB 58). Siesprechen oft vom Alltag – dem Weg durchdie Wüste – als dem eigentlichen Weg zuGott. Finden Sie im Alltag den Weg zu Gott?Gott zu suchen ist nicht nur die zentraleAufgabe, sondern der eigentliche Sinn desLebens für mich als Benediktinerin. Ich su-che und finde im Alltag nicht den Weg zuGott, sondern ihn selbst. In ihm fühle ichmich geborgen – Erfahrungen sind für michkeine Visionen. Ich erfahre Gottes Wirkenim praktischen Alltag – im Zusammenlebenmit verschiedenen Menschen; auch Versöh-nung fällt mir leichter.

Sie sind mit Ihren neunzig Lebensjahren einsehr beweglicher Mensch. Das Theater, derTanz sind, wie Sie immer wieder betonen,für Sie zeitlebens von grosser Bedeutunggewesen, Farben auch. Wie haben dieseThemen Platz in Ihrem klösterlichen Leben?Von Haus aus musisch zu sein, wie man dasnennt, bringt es mit sich, dass man es imKloster noch immer ist. Nur geht es da nichtum Entfaltung seiner künstlerischen Bega-bungen. Es geht darum, von Gott in denDienst genommen zu werden und an sei-nem Schöpfungswerk weiterzuwirken.

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Sie sagen, «monastisches Leben bedeutetauf dem Kopf zu stehen». Wie ist das zu ver-stehen?Das sagt Bernhard von Clairvaux, der Re-form-Benediktiner, schon im 12. Jahrhun-dert. Für Gott ins Kloster gehen heisst mitNachdruck: «Wer sein Leben gewinnen will,wird es verlieren, wer es aber um meinetwil-len verliert, wird es gewinnen» (Mt 10,39).Das heisst: In dieses Wort Jesu hineingehenwie an einen Ort und darin wohnen. Prak-tisch bedeutet es, aus seinem selbstischen Ei-genwillen heraus in Gottes Willen hinein zugehorchen. Darüber kann man nicht nach-denken. Wenn man sucht und liebt, nimmtman in Kauf, was der Gehorsam fordert. Jenäher ich durch das Älterwerden zu Gottkomme, desto leichter fällt es mir.

Priorin Irene schreibt im Vorwort zu IhrerBiografie, das Klosterleben sei kein beque-mer Sonntagsspaziergang, sondern eine an-spruchsvolle Bergwanderung, eine, die oftauch mit Grenzerfahrungen zu tun hatteund hat. Ist das so? Und weshalb?Auch da liegt die Antwort auf die Frage be-züglich «Sonntagsspaziergang» in einer Er-klärung des Herrn: «Schmal ist der Weg undeng die Türe, die ins (ewige) Leben führt»(Mt 7,14). Aus seinem persönlich-eigenen,

selbstbewussten Willen auf Grund seinerWeihe an Gott zeitlebens in Gottes Willenhinein zu gehorchen, das ist ein schmalerWeg und eine enge Türe. Das ist Leben inSchwierigkeiten, innerlich in Dunkel undAnfechtungen im Glauben, äusserlich imGemeinschaftsleben, im Arbeitsbereich –Grenzerfahrungen, wie sie jeder gläubigeMensch kennt. Aber auf diesem schmalenWeg und durch diese enge Türe geht man indie Freude ein, ein von Gott fraglos gelieb-ter Mensch zu sein.

Lassen Sie uns ein wenig teilnehmen andem, was für Sie ewig ist in der Zeit?Wer Sinn hat für Gott, der religiöse Mensch,findet er in seinem praktischen Alltag nichtvon selbst «sein Ewiges»? Hält er es aus oh-ne das «Ewige» in seinem Alltag? Er ist jaselbst durch seinen Glauben nicht nur mehr«diesseitig». Warum dann Eucharistie? Wo-zu Gebet? Es geht um die Frage: Glaube ichan Gottes Gegenwart in meinem Alltag oderglaube ich nicht an Gottes Gegenwart inmeinem Alltag? Das entscheidet, ob Ewigesin meinen Zeiten, in meinem Tag lebt odernichts sonst.

Sie bezeichnen Ihre Lebensgeschichte alsHeilsgeschichte. Gibt es ein Geheimnis, ei-nen Schlüssel, wie aus unseren eigenen Le-bensgeschichten Heilsgeschichten werdenkönnen?Seit Christi Auferstehung ist Geschichte, obWelt- oder Menschen-Geschichte, Heils-Ge-schichte. Seither ist das Ewige, das heisst dasHeil, er selbst. Gott ist da, wo ich bin. Seitherist meine Lebensgeschichte die Geschichtemeines Heils; es ist meine Beziehung zu Gott,von Gottes Beziehung zu mir.

Schwester Hedwig, der Schwyzer Germa-nist, Musikwissenschaftler und HistorikerDr. Joseph Bättig nennt Sie in der Festgabezu Ihrem neunzigsten Geburtstag eine derbedeutendsten und originellsten Lyrikerin-nen der Gegenwart. Sie sind berühmt. Wiegehen Sie damit um?

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Vanessa Keller, Benken(1. Preis Kategorie 1)

«Unsere ganze dritte Klasse an der Impuls-schule Wurmsbach hat am Wettbewerb mit-gemacht. Es war für mich eine grosse Heraus-forderung. Ich habe noch nie an einemWettbewerb teilgenommen. Ich lese sehrgerne, Liebesromane und Krimis vor allem,und auch das Schreiben macht mir Spass. Einschriftstellerisches Vorbild habe ich nicht. In-spiriert für den Wettbewerbstext hat michder Tod meiner Schwester. Sie ist vor siebenJahren gestorben – und ihr habe ich die Ar-beit gewidmet. Die ganze schreckliche Erfah-rung ist beim Schreiben in mir wieder hoch-gekommen; alles niederzuschreiben war fürmich ein Stück weit auch Verarbeitung. Dergewonnene Preis ist für mich ein herrlichesverspätetes Ostergeschenk. Ich habe nie da-mit gerechnet. Nach dem Schulabschluss imSommer werde ich eine Lehre als medizini-sche Praxisassistentin in Netstal im KantonGlarus beginnen – und vielleicht auch hieund da wieder schreiben, wer weiss!?»

Gewinnerinnen und Gewinner des Schreibwettbewerbs

Es ist schön, wie Dr. Josef Bättig, den ich sehrverehre, von meinem Schreiben denkt. Esnimmt mir aber nichts weg und gibt nichtsdazu von und an meiner Sehnsucht nachGott und meiner Freude, ihn in meiner Su-che immer wieder zu finden.

Angenommen, Sie hätten drei spezielleWünsche zu Ihrem neunzigsten Geburtstagfrei!Drei Wünsche? Wie im Märchen. Ein Wunschwar der Anschluss meines PC's ans Internet.Mein zweiter, dass die Leute, die mein Buch«Vom Dreifarbenen Meer» lesen, Gott in

ihrem Leben entdecken, und der dritteWunsch: Gott – sonst nichts.

Das Gedicht «Lied der Armut» liegt demSchreibwettbewerb zugrunde: Was warenIhre inneren und äusseren Beweggründe,dieses Gedicht zu verfassen?Ein Freund, von dem ich glaubte, er liebemich, teilte mir mit, er habe sich verlobt. Doch«Hinter allen Dingen, die scheinbar nicht ge-langen, war und ist einer, der mich liebt.»

Schwester Hedwig, herzlichen Dank für dasGespräch. Susann Bosshard-Kälin

Ein verspätetes Ostergeschenk und wie ein Traum

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Kategorie 1 (14–17 Jahre)1. Preis: Vanessa Keller, Benken (SG)2. Preis: Benedikt Hegglin, Zug (ZG)3. Preis: Saskia Budäus, Bernstadt (D)

Kategorie 2 (18–25 Jahre)1. Preis: Simone Höhn, Bachenbülach (ZH)2. Preis: Rahel Schär, Bern (BE)3. Preis: Florian Jäger, Bern (BE)

Simone Höhn, Bachenbülach (1. PreisKategorie 2)

Die 23-jährige Studentin Simone Höhn, diean der Universität Zürich vergleichendegermanische Sprachwissenschaften studiertund momentan an ihrem Lizentiat arbeitet,kam durch ihre Mutter, respektive einenZeitungsartikel auf die Idee, einen Beitrageinzureichen. Ihre erste Reaktion auf dieAusschreibung war: Tönt eigentlich span-nend, aber was soll ich damit anfangen?Schreiben ist ihre grosse Leidenschaft. Siehat bereits früher einen Phantasy-Romanveröffentlicht. Simone Höhn: «Ich ent-schied, mitzumachen am Schreibwettbe-werb. Anfangs hatte ich etliche Mühe undauch wenig Freude am Thema. Irgendwiefehlte mir ein Höhepunkt, eine Spannungs-kurve im Text. Je länger ich mich aber mitdem Text beschäftigte, umso faszinierenderwurde er für mich. Mit der Zeit verwob icheine meiner zehnseitigen Kurzgeschichten,die ich vor Monaten geschrieben hatte, mitAktuellem. Ich habe sehr hohe Ansprüchean mich und meine Geschichten, die immerauch einen Teil von mir selber berühren.Mir ist wichtig, dass ich meine Freude amSchreiben teilen, mitteilen kann. Der Preisfreut mich sehr; ich kann es kaum glauben –alles fühlt sich noch fast wie in einemTraum an.»

Die preisgekrönten Texte aus dem Schreib-wettbewerb werden in den nächsten SALVE-Ausgaben publiziert.

«Das Dreifarbene Meer – MeineHeilsgeschichte – Eine Biografie»,Paulus Verlag; CHF 32.–.

«Ozean Licht», Festgabe für SiljaWalter zum 90. Geburtstag, PaulusVerlag; CHF 29.80.

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Herr Abtprimas, Sie sind zum ersten Mal imKloster Fahr?Ja. Als Abt von St. Ottilien weilte ich schonim Kloster Einsiedeln und war als Abtprimasauch an der Weihe von Abt Martin im De-zember 2001. Im Kloster Fahr war ich nochnie. Die Einladung erfolgte von der Priorinfür einen Vortrag zu Ehren Silja Walters.

So einen Geburtstag, finde ich, gilt es zuhonorieren. Was mir besonders gefällt, sindnicht nur ihre Gedichte, die ich schon ausden siebziger Jahren kenne, sondern, dassdie betagte, rüstige Schwester sich einen In-ternetanschluss wünschte mit neunzig. Dasist unglaublich. Die Schwestern vom KlosterFahr erlebe ich als eine liebenswürdige Ge-meinschaft. Da ist frohes Leben im Kloster.

Begegnung mit Abtprimas Notker Wolf

«Ich halte alles zusammen,ohne etwas sagen zu dürfen»

Zu Ehren von Schwester Hedwig Walters neunzigstem Geburtstag hielt AbtprimasNotker Wolf im Kloster Fahr einen Vortrag. Am Rande seines Besuchs an der Lim-mat nahm er sich Zeit für das nachfolgende Gespräch.

Mit Steve Morse, dem Gitarristen von DeepPurple, standen Sie 2008 auf der Bühne. Derrockende Abtprimas?Ich mag Rockmusik, spiele seit Jahren Quer-flöte und E-Gitarre in einer Band aus ehema-ligen Schülern der Klosterschule von St. Otti-lien. Als wir wieder mal zusammen sassen,sagte ich: «Mensch, es ist so langweilig... Damuss sich doch was rühren!» Und einerschlug vor: «Machen wir Zirkus!» Seither or-ganisieren wir alle drei Jahre einen Zirkus.Beim ersten hiess es: «Da muss ja auch Musikhin! Vater Erzabt, du kannst so gut Querflö-te spielen; spiel doch was von Jethro Tull,‹Locomotive Breath›, das Solo!» Mit einemSolo auf die Bühne zu steigen ist uninteres-sant. Dann habe ich die E-Gitarre umge-hängt und spielte noch «It’s all over now» –das kann man als Ordensmann so mit gan-zem Herzen spielen und singen.

Nach dem Konzert ist ein Stück Lebensge-meinschaft mit diesen jungen Leuten ent-standen. Ich habe ihre Schicksale miterlebt –ihre Familien und ihre Kinder, die ich zumTeil auch getauft habe. So lernte ich fürs Le-ben. Wenn es sich ergibt, machen wir hinund wieder Konzerte. Ein Manager organi-siert sie. Und der hat es geschafft, dass wirmit unseren «Feedbacks» sogar Vorband derenglischen Rockgruppe Deep Purple wur-den, letzten August am Konzert im KlosterBenediktbeuern. Weil ich dabei war, kam dasBayerische Fernsehen, und ich führte ein In-terview mit dem Leadsänger Ian Gillen. Wirsprachen Backstage auch über Musik und Re-

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Abtprimas Notker Wolf repräsentiert welt-weit 800 benediktinische Klöster.

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ligion. Die Leute waren echt angetan vonunserer Musik. Ich gab den Technikern mei-ne E-Gitarre, die sie völlig umbauten, und siemeinten, ich solle beim vorletzten Stück aufdie Bühne kommen. Ich hörte Steve Morse,wie er anfing mit «Smoke on the Water» …und plötzlich schwenkte der volle Schein-werfer auf mich... Dann Schreie von den5000 Leuten! Das war eine Gaudi! Das Stückkannte ich bereits; wir hatten es ja gespieltmit unserer Band. Es war herrlich! Ich standda wie ein kleiner Bub unter dem Christ-baum. Viele Leute sagten mir, das sei supergewesen. Endlich haben wir gemerkt, dasswir auch einen Platz in der Kirche haben.

Sie haben Bekanntheit und Ruhm als Star?Da denke ich doch gar nicht dran. Manch-mal sagt man mir, ich sei ein Star. Was istdas? Ich habe so viel Arbeit und keine Zeitfür solch dumme Gedanken. Ich habe in Chi-na ein Krankenhaus bauen lassen mit fünf-hundert Betten, in Nordkorea ein Hundert-Betten-Krankenhaus – ja, wie fühlt man sichda? Gar nicht; es geht einfach weiter. MeinProblem ist: Wo kriege ich wieder Gelderher für neue Projekte? Ich bin laufend amVerhandeln. Es wird zum Beispiel immerschwerer, nach Nordkorea reinzukommen.Ich habe keine Zeit, über Bekanntheit undEhre nachzudenken. Ich muss nach Lösun-gen suchen. Was soll ich da darüber nach-denken, wie ich mich fühle – behüt’ michGott! Beim Aufstehen allerdings, da fühleich mich hundsmiserabel, weil ich oft zu we-nig geschlafen habe. Dann mache ich Früh-sport, Gymnastik – ich habe mein eigenesProgramm. Eigentlich bin ich zu faul dazu.Aber weil ich weiss, dass es mir hinterherbesser geht, darum mache ich es. Dann geheich unter die Dusche – dreimal heiss-kalt –und fühle mich wieder pudelwohl.

In einem Ihrer Bücher schreiben Sie, IhreMacht als Abtprimas sei die Machtlosigkeit.Ja. Die schafft Freiheit. Wir Benediktiner sindja nicht zentralisiert. Die ganze Vollmachtliegt beim jeweiligen Abt des Klosters und

seinen Mitbrüdern. Das ist die Grundstufe.Die nächste, die subsidiäre Stufe, ist ein Stufetiefer – nicht höher. Und das ist die Kongre-gation, beispielsweise die Schweizer Kongre-gation. Der Präses und sein Rat, die sorgendafür, dass alles läuft – da gibt es Visitationenund Generalkapitel. Weltweit existierenzwanzig solcher Kongregationen. Diese sindzusammengebunden in der Benediktiner-Konföderation, und die Repräsentationsfigurdafür ist der Abtprimas. Der soll das Ganzezusammenhalten, ohne irgendetwas sagenzu dürfen. Das ist etwas Herrliches. Ich binder offizielle Vertreter der Benediktinerin-nen und Benediktiner, könnte man sagen, fürden Vatikan, für staatliche Stellen, weltweit.Den einzelnen Klöstern kann ich nichts sagenoder befehlen. Das hat den Vorteil: Ich mussauch nichts sagen. Wenn Leute auf mich zu-kommen, sage ich, ich hab keine Befugnisse,einzugreifen. Viele meinen, man könne hin-ter dem Rücken dieser oder jener etwas ma-chen. Da lasse ich mich nicht reinziehen. ZumÄrger einiger, die mich immer mal wieder in-strumentalisieren wollen.

Wie viele Benediktiner gibt es weltweit?Knapp 8000 Männer und 17’000 Frauen.

Warum mehr Frauen?Weil die frömmer sind. Das ist so. Weil siemehr Verständnis für den Schöpfergott ha-ben. Sie sind offener. Nicht frömmelnd;fromm heisst, offen sein auf Gott hin. Diehaben viel mehr Verständnis für die Schöp-fung auch. Ein Kompliment an die Frauen.Ich erlebe immer wieder: In den Klösternsind die Frauen stark. Gott sei Dank! Fürmich ist beispielsweise die Priorin hier imKloster Fahr viel stärker als viele Pfarrer aufeiner Pfarrei draussen. Es hängt bei uns auchdamit zusammen, dass es verschiedene Ar-ten von Benediktinerinnen gibt. Es gibt dieKlausurierten und die Aktiven, die in Schu-len, Krankenhäusern und im Sozialdienstwirken. Schon von daher, von dieser Berufs-vielfalt her, gibt es natürlich auch mehr An-reiz für ein solches Leben bei den Frauen.

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Bei den Männern ist Potential da, aber eben,die Männer sind halt nicht so fromm. Das istbeim besten Willen so. Genauso wie es beiden Männern nicht so streng klausurierteKlöster gibt. Eine Frau weiss sich zu beschäf-tigen – ich finde, besser als ein Mann. EinMann ist schneller hilflos.

Überhaupt: Frauen, so finde ich, sind ge-nerell viel näher am Leben dran und damitam Ursprung des Lebens. Während die Män-ner – was machen denn die? Ein Kind zeu-gen – das ist nichts Besonderes. Ansonstenmachen sie Politik, laufen ihrer Arbeit nach,fahren und stehen herum. Und spielen auchgern. Und wenn sie gar nicht mehr wissen,was sie tun sollen, machen sie ihr Lieblings-spiel – das ist Krieg. Frauen schaffen das Le-ben, Männer vernichten es, wenn ich ganzbrutal ehrlich bin. Und deshalb sind dieFrauen auch frömmer. Ich habe Verhaltens-biologie studiert. Die Macht ist den Män-nern gegeben, vom Tierreich her schon. Wirwerden das nie abschaffen können.

Sind Sie ein Mensch, der provoziert?Es fasziniert mich, Leute zu provozieren,auch zu ärgern, zu stimulieren, etwas hoch-zujagen. Was sich liebt, das neckt sich! Ichmag die Menschen. Ich mache meinen Mundschon auf. Auch in der deutschen Gesell-schaft. Ich höre immer wieder: Da ist we-nigstens noch einer in der Kirche, der sagt,was er denkt, der nicht einfach wiederholt,was der Mainstream sagt. Kürzlich sagte mireiner: «Mensch, der Luther hätte an dir sei-ne helle Freude gehabt!»

Können Sie ein Beispiel geben?Für mich ist die Gnade bedingungslos. Gottschenkt seine Gnade, ob ich darum bitteoder nicht. Ob ich um Verzeihung bitte odernicht. Oder die Versöhnung: Das heisst, ichvergebe einem Menschen. Damit ist seineGeschichte nach hinten abgeschnitten undmeine auch. Das ist die grosse Befreiung fürbeide; für beide ein Neuanfang. Das ist mei-ne Erfahrung in einer klösterlichen Gemein-schaft: Nach dem Schuldigen zu suchen,

wenn was verpatzt ist, bringt uns überhauptnicht weiter. Wenn sich die Situation hoch-schaukelt, sind am Schluss beide Parteienschuldig; beide sind irgendwie Opfer undTäter. Was uns weiterbringt ist: Lassen wirVergangenheit Vergangenheit sein; ich ver-zeihe, du verzeihst; jetzt schauen wir, dasswir nach vorne arbeiten. Rechthaberei führtzum Querulantentum. Querulanten werdennie glücklich. Sie bohren immer: «Ich habedoch recht.» Ich kenne Leute, die haben da-mit ihr ganzes Vermögen verloren.

Wie lernt man, versöhnlich zu werden?Ich denke, das geht im Elternhaus los. Wennich grosszügige Eltern erlebe, die auch denKindern sagen: «Du, schau, der wollte dasnicht bös. Verzeih es! Lass es bleiben!» Ichhabe als Kind erlebt, wie meine Mutter undmein Vater vergeben haben. Mein Vaterwurde eine Zeit lang in seinem Betriebschwer gemobbt. Aber er hat vergeben –sagte, wir müssen doch weiterleben. Es istfür mich so: Wenn wir nicht vergeben, kön-nen wir nicht weiterleben; dann leben wir inder Vergangenheit. Aber ich muss doch indie Zukunft hinein leben. Das ist Versöh-nung – den Mut zu finden, in die Zukunft zugehen. Was habe ich davon, wenn ich nichtvergebe? Was habe ich davon, wenn ichRecht bekomme? Am Schluss habe ich dieScherben – grossartig schaut das dann aus!Die kann ich dann aber nimmer zusammen-kitten. Weil jeder nur Recht haben möchte,statt dem andern Recht zu schenken. Daswär’s. Ich bin nicht daran interessiert, dassmir einer Recht gibt. Soll er... Ich bin nichtdarauf angewiesen.

Versöhnung als Thema der Kirche?Ja sicher. Aber darüber kann ich zu wenig re-den – ich habe da kaum Erfahrungen. Ich binkein Soziologe. Ich glaube, die wesentlichs-te Aufgabe der Kirche besteht darin, Gottals den liebenden, verzeihenden Vater zuverkünden, als den barmherzigen, nicht denstrafenden, den drohenden. Ich habe denEindruck, Leute, die nicht strafen können,

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sagen immer, das muss der Herrgott danntun. Das sind auch die Apokalyptiker – jetztmuss mal der Herrgott endlich dreinfahren!In Wirklichkeit möchten sie selber dreinfah-ren und können es nicht. Gott ist so barm-herzig; den interessieren am Schluss meinesLebens meine Sünden überhaupt nicht. Dasist doch Kleinkariertheit. Meinen Sie, Gottsei so kleinkariert, dass er hinter mir hocktund jede Sünde aufschreibt? Viele Leuteprojizieren ihre eigenen Strafvorstellungenin Gott hinein und meinen, der müsse dannrichten. Wie heisst es so schön in der Wand-lung: «Das ist mein Leib, der für euch hinge-geben wird. Das ist der Kelch des neuen undewigen Bundes, mein Blut, das für euch undfür alle vergossen wird, zur Vergebung derSünden.» Das ist der Kernpunkt des Chris-tentums. Alles andere ist Fantasiererei.

Sie sind viel unterwegs. Wie verträgt sichdas mit «stabilitas loci», mit Kontemplation?Ich glaube, das Wichtige ist die innere Stabi-lität, die Verankerung in Gott – die eigentli-che Stabilität, dieses In-sich-ruhen in Gott.Und Kontemplation: Da habe ich sehr vieleGelegenheiten, Menschen zu betrachten,zu beobachten, wie sie reagieren. MancheMenschen werden durch das viele Reisenoberflächlicher. Für mich ist es eine Berei-cherung, was das menschliche Leben an-geht. In der Welt sein, aber nicht von derWelt. Für mich ist die persönliche Ausgerich-tetheit entscheidend. Ich habe natürlichauch sehr viele Jahre im Kloster gelebt unddas geübt. Ich strukturiere meinen Tag, pla-ne ihn. Nur wird mir diese Planung oft ausder Hand geschlagen. Da muss ich Geduldhaben – ohne die geht es nicht.

Welches ist der Traumjob nach Ihrer Amts-zeit als Abtprimas?Salatputzen und Nachhilfeunterricht gebenin meinem Kloster St. Ottilien. Ich hoffe, dassich in drei Jahren in mein Kloster zurückkeh-ren kann, wenn meine Amtszeit als Abtpri-mas ausläuft – dann bin ich 72 –, und dass ichdann nicht mehr ewig durch die Welt reisen

muss. Wir haben als Benediktinerinnen undBenediktiner immer etwas zu tun. Wir dür-fen etwas tun, werden nicht pensioniert. InWirklichkeit müssen wir etwas tun. Die Rei-serei ist eine solche Schinderei. Grausam! Ichversuche, das Beste daraus zu machen. Ichsagte früher mal zu Kardinal Ratzinger, alswir auf einem Flughafen ewig auf unser Ge-päck warten mussten: «Schauen’s, seit ich soviel auf Flughäfen stehe, glaube ich wiederan den Ablass. Ich hoffe, dass die ganze Zeit,die ich so nutzlos verwartet habe, einmalvon meinem Fegfeuer abgezogen wird!»Das sei eine komische Idee, fand der Kardi-nal. Aber eine gute, war meine Antwort…

Susann Bosshard-Kälin

K A L E I D O S K O P

Notker Wolf, geboren 1940 im Allgäu, iststudierter Theologe, Zoologe und Philo-soph. Der Benediktiner war Erzabt von St.Ottilien, lebte unter anderem in buddhis-tischen Klöstern in Japan und gründeteauf drei Kontinenten Benediktinerklöster.Seit 2000 ist er Abtprimas der Benediktinerund repräsentiert weltweit 800 Klöster. Erlebt im Kloster Sant’Anselmo in Rom.

Abtprimas Notker Wolf mit Priorin IreneGassmann und Susann Bosshard-Kälin imKloster Fahr.

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