Upload
truongdung
View
221
Download
1
Embed Size (px)
Citation preview
Kommunikation – Konflikt -
Kontakt
Praxis für Supervision, Coaching
und Mediation
email:
Norbert Scholz: Supervision und Konfliktklärung – für Teams und Organisationen
Scholz, Norbert: Supervision und Konfliktklärung – für Teams und Organisationen
1
Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Supervision
Würzburg, Karlstadt, 2015
Scholz, Norbert: Supervision und Konfliktklärung – für Teams und Organisationen
2
Konfliktklärung – in der Supervision
Ein Grenzgang zwischen Supervision, Mediation und Klärungshilfe Steigender Blutdruck, feuchte Hände, leicht gerötete Hautmaserung oder
abgewandter Blick, verkrampfte Körperhaltung, minimaler Ausdruck – die
somatischen Ausdrucksformen von Betroffenen, wenn sie einen Konflikt erleben,
sind so vielschichtig, aber oft auch gut wahrnehmbar für Außenstehende.
Konflikte sind in der Arbeit alltäglich und in der Regel kein personifizierbares
Problem, sondern das Nadelöhr zur Weiterentwicklung der Alltagskommunikation,
der Aufgaben- und Strukturklärung in Teams und Organisationen.
Fragt man die Personalentwicklerin heute nach Lösungsstrategien für Konflikte fällt
ihm ganz schnell "Mediation" als Unterstützungsinstrument ein. Mediation hat sich
in den letzten Jahren einen hohen Stellenwert geschaffen, einen, der sich auch im
Alltagssprachgebrauch verankert hat und von dem Supervisoren nur träumen
können.
Die unübersichtliche Vielfalt methodischer Herangehensweisen, die bisweilen
überschaubar-knappe Ausbildung der Praktizierenden und die Beliebigkeit der
Einsatzfelder, die sich unter Mediation subsummieren, lässt indes viele fragend
zurück.
Jetzt hat sich in den letzten 10 Jahren noch ein drittes Format zur Unterstützung in
Konfliktlagen zunehmend etabliert, die Klärungshilfe, wie sie C.Thomann erstmalig
formulierte.
Als Supervisor in nahezu 20-jähriger selbständiger Praxis sind mein primärer
Auftragsgegenstand aber auch Konflikte, weniger die kochenden, eher die
eingefrorenen oder zunehmend heißer werdenden. Wie viele Teams suchen
Teamsupervision, wenn nicht Konflikte, die zudem oft noch ganz anders bezeichnet
werden, die eigenständige Aufgabenklärung behindern? Dies heißt dann
"Störungen", das "Team muss mehr zusammenkommen", "Vereinbarungen werden
nicht eingehalten", "Diskussionen laufen mühselig". Diese Störungsbeschreibungen
werden bisweilen nur dezent und von einzelnen wahrgenommen geschweige denn
artikuliert.
Scholz, Norbert: Supervision und Konfliktklärung – für Teams und Organisationen
3
Manchmal liegt der gefühlte Konfliktverursacher auch im außen, das ist dann der
zaudernde Chef, die undankbare Organisation, die dominante Parallelabteilung.
Auch Menschen in der Einzelsupervision/ -coaching suchen in der Regel die
Beratung
(in diesem Kontext verwende ich Supervision und Coaching synonym, deren
vorhandene Unterschiede müssen an anderen Orten definiert werden)
als Unterstützung in Konfliktkonstellationen und seien es Konflikte mit eigenen
divergenten Anteilen (einerseits....andererseits). Eine konfliktfreie Auftragslage
erlebe ich im Kern nur in Gruppensupervisionen, in denen die Teilnehmenden keine
gemeinsame Arbeitsaufgabe teilen. (auch dort können sich welche entwickeln, sind
aber nicht offener oder versteckter Auftrag).
In meiner Alltagspraxis fällt mir Immer wieder auf, dass zwar häufig meine
Kompetenz bei Konflikten nachgefragt werde, oft aber nicht als Supervisor (das ist
meine berufliche Kernidentität), manchmal als Mediator, nicht selten mit einem
"da müsste man mal was machen". Andererseits wird Supervision naiv bei
hocheskalierten Konflikten gewünscht, wofür dieses Format dann wirklich nicht
mehr hinreichend ist.
Im Folgenden möchte ich aufzeigen, welchen Grenzgang der drei genannten
Formate ich als wegweisend empfinde, unter der Prämisse, dass Supervision die
erste Anlaufstelle für Konfliktlagen ist. Dem Berater/Supervisor kommt die
Kernaufgabe zu,
- die Auftragslage gut zu verstehen (was oft erst im laufenden Prozess
möglich ist),
- ein tiefes Verständnis zu (und im Prozess weiterzu-)entwickeln: Was ist
eher ein strukturbedingter Organisationskonflikt, ein gruppendynamischer
Team-, oder ein persönlichkeitsbedingter Beziehungskonflikt. Bzw., welche
Anteile wirken hier wie zusammen.
- eine innere Konfliktbearbeitungsstrategie zu entwickeln,
- variabel in der Gestaltung der Settings aufzutreten und
- nicht zuletzt methodische Elemente aus allen drei Formaten zur Verfügung
zu haben, um auf die entsprechende Auftragslage adäquat zu antworten.
Der Begriff des "Formats" (Buer) hat für mich hier eine hohe Relevanz. Er
unterscheidet hier zwischen "Verfahren", also intensiv konzeptualisierte
Denkschulen, wie z.B. der Psychoanalyse, Verhaltenstherapie, Psychodrama,
Scholz, Norbert: Supervision und Konfliktklärung – für Teams und Organisationen
4
nondirektive Gesprächstherapie und "Methoden" (= zirkuläres Fragen, leerer Stuhl,
fish-bowl......). Als Formate lassen sich strukturierte Rahmenbedingungen
verstehen, Gefäße, in denen die Verfahren praktiziert werden wie Unterricht,
Psychotherapie, Fortbildung oder eben auch Supervision und Mediation. Die
Klärungshilfe will sicher auch ein Format sein (oder ist sie nur ein komplexes
Methodenbündel?).
1. Supervision und Konfliktlagen
Ganz selten erlebe ich bei Supervisionsanfragen, dass die Existenz von Konflikten
frühzeitig geschildert wird. Wenn Teamteilnehmer anfragen, dann will "das Team
zusammenwachsen", die "Integration neuer Mitglieder klappt nicht",
unterschiedliche "Interessenslagen erschweren die Zusammenarbeit", etc.. Aus
deren Sicht scheint das Wort Konflikt oft noch derart angstbesetzt und mit hoher
Eskalationsstufe verbunden, dass sie von dieser Beschreibung zurückschrecken.
Wenn Führungskräfte für Ihre Mitarbeiter um Supervision anfragen, formulieren sie
"Störungen, auch mal gravierendere Störungen, in der Zusammenarbeit", eine
konflikthafte Beteiligung ihrer Person am Geschehen wird selten genannt, wenn
dann "kann sein, dass ich auch nicht ganz unbeteiligt bin". Aufgrund dieser
Situationsdeutungen bin ich ja bereits gefordert, zumindest für das
Auftragsklärungsgespräch ein stimmiges Setting und stimmig betroffene Personen
für diese Kontraktsitzung vorzuschlagen. Inwieweit sich hinter diesen ersten
Beschreibungen in welcher Art eskalierte Konflikte verstecken, sind aufgrund von
großer Erfahrung zu ahnen, aber noch nicht zu benennen. Unter Umständen - gar
nicht als Ausnahme - hat der bisher Ruhigste und „Zurückhaltendste“ aus dem
Team den größten Konflikt, einer, der für die Auftragsklärung leicht übersehen
hätte werden können. Im Laufe eines offen gestarteten Sv-prozesses kann ich für
mich nach der Auftragsklärung erste Hypothesen bilden, die zu diesem Zeitpunkt
noch kaum bestätigt werden würden, würde ich sie laut artikulieren. Gerade Teams
haben oft eine große Meisterschaft im Verstecken der Kernkonflikte entwickelt und
bieten durchaus überzeugend und nicht bewusst inszeniert spannende
Nebenbaustellen zur Reflexion an.
Beispiel: eine Mitarbeiterin eines Teams von 9 Beratern in der Migrationshilfe fragt wegen Supervision an. Schon die Dauer bis zum Kontraktgespräch zieht sich über 3 Monate, ebenso lange dauert es, bis das Team inkl. seinem Leiter die Supervision konkret beauftragt. Störungen in der Zusammenarbeit sind schon im
Scholz, Norbert: Supervision und Konfliktklärung – für Teams und Organisationen
5
Kontraktgespräch spürbar, die ich auch thematisiere, worauf ich aber noch keine Resonanz erfahre. Ein großer Strauß an Themen und Zielen wird genannt. Schon zu Beginn des Sv-prozess wird das Bedürfnis nach Beziehungsklärungen formuliert, im Folgenden dann, werden diese, sobald die Beteiligten ausfindig gemacht sind, zurückgeschoben. "Heute bin ich nicht in der Lage dazu", "Ach, das hat sich erledigt, ich habe das gut einsortiert". Selbst der relativ konfliktfreudige Leiter wirkt enttäuscht, wenn er Konflikte anspricht, auf die keiner mehr eingehen will. So dauert es 6 Sitzungen, bis sich die Atmosphäre aufgewärmt hat, ein Grundvertrauen tragbar scheint, und die ernsthafteren Störungen zwischen einzelnen Teilnehmern thematisierbar erscheinen. Diese Konflikte erwiesen sich dann als gar nicht so hoch eskaliert, im Erleben der harmoniebedürftigen Mitarbeiter in einer sehr konfliktvermeidenden Organisation schienen sie ihnen lange unbesprechbar. Bedeutsamere Konflikte kann ich häufig in der dritten bis vierten Sitzung derart
markieren, dass sie benennbar sind und dadurch bearbeitbar werden. Würde ich
diese versteckten Konflikte zu früh als solche benennen, käme eine große Anzahl
von Auftragslagen nicht zustande. In Supervisionen gibt es sensible Phasen, in
denen das Kind beim Namen genannt werden kann und unsensible Phasen, die sich
in Widerstand ausdrücken.
Das klassische Supervisionssetting umfasst eine Sitzungsdauer von 2 (bis zu 3
Stunden) in einem 3-6 wöchigen Turnus und ist heutzutage nicht selten auf eine
engere Sitzungsanzahl (z.B. 6 Sitzungen) begrenzt. (die allerdings bei hilfreicher
Entwicklung auch gerne verlängert wird). Sie passt sich insofern relativ gut in eine
normale Arbeitswoche ein, der Akutaufwand ist überschaubar.
Ein weiterer zentraler Faktor sind die zwischen den Sitzungen liegenden Wochen
des (Zusammen-)Arbeitens. Eingefrorene Konflikte lassen sich in einer Sitzung
"antauen", die Protagonisten nehmen dieses „Angetaute“ mit, machen ihre
Zwischenerfahrungen und entwickeln die Bereitschaft, den "Tauprozess"
fortzusetzen in der folgenden Sitzung. Vereinbarungen oder Erkenntnisse, die
erzielt wurden, können dem Realitätscheck unterworfen werden (Was bewährt sich
wie im Alltag?), werden mit Sicherheit (durchaus auch vom Supervisor) in der
kommenden Sitzung nochmal aufgegriffen, modifiziert oder aus einem neuen
Blickwinkel beleuchtet.
Scholz, Norbert: Supervision und Konfliktklärung – für Teams und Organisationen
6
2. Konfliktklärungshilfe
Die Klärungshilfe, deren prägnanteste Vertreter Thomann und C. Prior sind, haben
ein wohldurchdachtes Vorgehen für eskalierte Konflikte entwickelt. Deren
deutlichste Merkmale sind:
• Arbeiten in längeren Zeitblocks (häufig ein ganzes Wochenende als
Bearbeitungszeitraum)
• höchst intensive Auftrags- und Vorklärung:
- keine Vorklärung mit den Parteien
- aber Intensives Einholen der Beteiligung und der Bereitschaft
beim Hierarchiehöchsten des Konfliktsystems (unter Umständen
sehr lange Auftragsklärungsphase)
• die Notwendigkeit zum emotionalen Kern der Konfliktantagonisten
vordringen zu wollen
• Methode des Doppelns im "Dialog der Wahrheit" (die Phase, die auf die
emotionalen Tiefenschichten fokussiert).
Dieses in sich sehr stimmige, auf hohe Authentizität und Direktheit ausgelegte
Vorgehen, hat viele Vorteile:
- Für ein Wochenende bleiben die Beteiligten intensiv am Konfliktthema dran.
- Die Chefetage ist involviert.
- Echte Klärungen benötigen das Berühren tiefer emotionaler Schichten
An Nachteilen sehe ich jedoch:
- man kann erst anfangen, wenn alle Betroffenen (oder die meisten) auch bereit
sind, die Störung einen „Konflikt“ nennen
- diesen Zeitaufwand en bloc zu fordern, stößt an viele organisationale Grenzen
- die emotionale Tiefenschicht anrühren zu wollen, evoziert bei vielen "normalen"
Arbeitnehmern hohe Widerstandskräfte
In meinem Grenzgang können die Supervisorinnen aber wesentliches aus der
Klärungshilfe lernen:
a) ohne ausführliche Beteiligung und Reflexion mit dem betroffenen
Hierarchiehöchsten haben Konfliktklärungsbemühungen zu wenig sicheren
Boden
Scholz, Norbert: Supervision und Konfliktklärung – für Teams und Organisationen
7
b) die Bereitschaft und Fähigkeit des Konfliktklärers/Supervisors emotionale
Tiefenschichten zu berühren, schützt uns vor oberflächlichen Sachlösungen,
die bisweilen nur eine geringe Karenzzeit besitzen.
c) das Doppeln als Konfliktklärungs- und Verstehensmethode ist ein einzigartiges
Instrument aus der Gestaltpsychotherapie oder dem Psychodrama, das Dialoge
entzerrt, verlangsamt, so dass die unterschiedlichen Deutungen der
Konfliktpartner zunächst nachvollziehbarer und in Folge davon verstehbar
werden.
3. Mediation
Im Unterschied zur Klärungshilfe ist das Feld der Mediation bei weitem nicht so
homogen. Dutzende Ansätze reflektieren derart unterschiedliche Einsatzfelder
(Paar-Mediation, Mediation bei Bauprojekten im öffentlichen Raum,
Wirtschaftsmediation, u.v.a.), dass von einem gemeinsamen Vorgehen kaum
gesprochen werden kann. In Fällen hochstrittiger Paarauseinandersetzungen bei
Scheidung verordnen Familiengerichte und Erziehungsberatungsstellen Mediation
nach einem eng definierten Regelungskorsett. Dies ist die klar umrissene
Mediationsaufgabe einerseits. Bei einem öffentlichen Großkonflikt zwischen
Anwohnern und jugendlichen Festgästen mit täglich wechselnder
Musikbeschallung halten sich öffentlich bezahlte Mediatorinnen wochenlang auf
einer Berliner Brücke auf, um über „Gut-zu-reden“, verständnisweckendem small-
talk und diversen runden Tischen eine Lösung zu finden. Das soll beides das gleiche
Format sein?
Das Harvard-Verfahren, ein wichtiges Mediationskonzept, stellt einige wichtige
Schritte im Aushandeln eher politischer Meinungsdivergenzen in den Vordergrund,
eine Schulmediation versucht Schülern kommunikative Mittel an die Hand zu
geben, Streitigkeiten unter Schülern zu schlichten. Das soll beides das gleiche
Format sein?
Was ist für meinen Grenzgang das Wertvolle an der Mediation?
• Der Schritt von äußerlich formulierten Anklagepunkten zu inneren Bedürfnissen
und Interessen
• Jeder Protagonist wird vom Berater intensiv mit seiner eigenen Perspektive
interviewt und ernst genommen. Der Berater geht erst dann zum nächsten
Protagonisten, wenn er jeden in seiner Perspektive sehr gut verstanden hat.
Scholz, Norbert: Supervision und Konfliktklärung – für Teams und Organisationen
8
• Die Suche nach win-/win-Lösungen, was bedeutet, dass jeder Beteiligte einen
Gewinn, eine Bedürfnisbefriedigung aus der Lösung erzielen muss
• Der jeweils für das konkrete Feld und Thema festgelegte strukturierte Verlauf,
die der Berater im Vorfeld plant und den Konfliktpartnern transparent macht.
• Die bisweilen konkrete Arbeit mit Fakten und Zahlen.
4. Die individuelle Konfliktspirale Ein Standard-Instrument in der Analyse von Konflikten, sozusagen das
Basishandwerkszeug, ist die Eskalationsspirale nach Friedrich Glasl. Auch wenn sie
beim erfahrenen Leser vorausgesetzt werden kann, möchte sie hier nochmal knapp
skizzieren:
I. Phase I: Harmlose Reibereien verhärten sich und polarisieren
a. Verstimmung, Verärgerung, Verhärtung
b. Debatte, Streit, Polemik
c. Taten statt Worte
II. Phase II: Das eigene Ansehen ist wichtiger als die Sache
d. Koalitionsbildung und Sorge ums eigene Image
e. Gesichtsverlust und Demontage
f. Offene Drohungen
III. Phase III: Sieg oder Niederlage
g. Begrenzte Vernichtungsschläge
h. Zersplitterung
i. Gemeinsam in den Abgrund
Dieses Modell beschreibt nicht nur hervorragend einzelne sich aufschaukelnde
Eskalationsniveaus, sondern macht auch den Kerngedanken deutlich, dass es das
Wesen von Konflikten ist, zu eskalieren, wenn nicht Menschen oder Organisationen
zwischen den Stufen deeskalierend einwirken, oft gar nicht derart bewusst,
sondern weil es überall menschlich deeskalierende Kommunikationsmuster gibt
(eigentlich jeder von uns zur inneren Verfügung hat). Dieses Modell zu verstehen
könnte zur Folge haben, nach durchaus rationaler Überlegung abzuwägen, welche
Verhaltensweise in einem Konflikt eskalierend oder vielleicht auch deeskalierend
Scholz, Norbert: Supervision und Konfliktklärung – für Teams und Organisationen
9
wirken könnte. Auf den Treppenstufen bewusst nach unten zu steuern, ist ein
Handwerkszeug des Konfliktberaters.
Das Modell fokussiert stark auf die Interaktion und hat einen speziellen Blick auf
Konflikte in Organisationen, also mit einer Gruppe von Beteiligten.
Aufgrund dieser Blickwinkel habe ich mich anregen lassen, den Fokus genauer auf
die individuelle Konfliktentwicklung zu legen. Was passiert beim Einzelnen, wenn er
sich zunehmend einer Konflikteskalation ausgesetzt sieht?
Ich habe 12 Konflikteskalationsstufen aus der Sicht des Betroffenen identifiziert, die
den ähnlichen Systemgesetzen entsprechen wie die Glasl’schen Stufen.
Scholz, Norbert: Supervision und Konfliktklärung – für Teams und Organisationen
10
Scholz, Norbert: Supervision und Konfliktklärung – für Teams und Organisationen
11
Auf einer ersten Ebene A „befremdet“ unseren Protagonisten (PP) das Verhalten
einer anderen Person (X), ausgehend vom anfänglichen Unverständnis deren
Verhaltensweisen, verstärkt sich dieses Unverständnis zu steigender
Verwunderung, die schon eine Störung beinhaltet und sichert sich ab, indem aus
der Sicht des Individuums (PP), die andere Person (X) auf „meist“ dezente Hinweise
nicht reagiert.
„Auf meine email mit diesem Inhalt muss Kollege (X) doch antworten. Er tut das
nicht, was ich nicht nachvollziehen kann. Bereits zum dritten oder vierten Mal
reagiert Kollege (X) auf emails oder andere Mitteilungen nicht, außerdem habe ich
auf einem Meeting doch in der Runde gesagt „Wir sollten intensiver in der
Diskussion bei wichtigen Fragen bleiben“. (PP) fühlt sich abgesichert und erfährt
dennoch Tage später wiederum eine derartige „Nicht-Reaktion“, die er als
neuerliche Abfuhr einordnet.
Hier landen wir schon in der Ebene B, (PP) fühlt sich irritiert und der Ärger steigt
langsam in ihm höher. Während wir auf der Ebene A=Befremden noch nicht von
einem Konflikt sprechen können, sind wir auf der Ebene B) dort bereits angelangt.
Unser Mitarbeiter (PP) spürt Ärger in sich aufsteigen und wartet innerlich bereits
auf die nächste Situation, die in das erwartete Verhaltensstereotyp passt, worauf
jetzt Anklage gegen Kollege (X) erhoben wird, leise im Selbstgespräch, gegenüber
Dritten oder vorwurfsvoll, vielleicht auch öffentlich, aber nicht direkt.: „Dies ist kein
adäquates Verhalten in einer Abteilung wie der unseren“. Spätestens hier geht
unser Kollege (PP) wieder einmal nach außen, hat inzwischen in der
Ärgerentwicklung einige Stufen übersprungen und drückt bei Kollegen auf
Flurgesprächen oder im nächsten Meeting seine innere Distanz zum Kollegen (X)
aus, meist im Kontext einer neuen Situation „Dieses Schweigen bei derart
wichtigen Entscheidungen von manchen gefährdet unser gesamtes Projekt“.
Da Kollege (X) sein Verhalten noch nicht ändert, ist der Konfliktpegel von (PP)
soweit gestiegen, dass er sich im Umgang mit (X) zunehmend blockiert fühlt, ihn
kaum noch direkt anspricht, ihn vielleicht aus dem mail-Verteiler genommen hat,
die Lockerheit und Sicherheit der Alltagskommunikation ist für ihn verloren.
Inzwischen wertet längst unser (PP) nicht mehr nur das Verhalten ab, sondern die
gesamte Person: integriert das „unkommunikative Verhalten von (X) in ein Bündel
ähnlicher Verhaltensweisen. Kollege (X) ist als Person nicht aushaltbar. Der
eskalierende Gedanke, dass (PP) mit so einem Menschen wie (X) nicht
zusammenarbeiten möchte, liegt nahe. Diese innere Ablehnung einer weiteren
Kooperation wird auch von anderen als „Point of no return“ (Thomann) bezeichnet.
Scholz, Norbert: Supervision und Konfliktklärung – für Teams und Organisationen
12
Eine derartige innere Ablehnung kann sich im konkreten äußeren Verhalten
durchaus noch in weiterer gemeinsamer Projektbearbeitung ausdrücken. (PP) hat
seinen Konflikt „auf Eis gelegt“, „implodierend nach innen verlagert“ - mit der
Gefahr psychosomatischer Beschwerden oder „wartet auf den nächsten richtigen
Ausrutscher, dann wird er es ihm heimzahlen“.
Die nächsten Eskalationsstufen suchen dann die Lösung in äußeren Maßnahmen:
der Kollege (X) wird in der Firma verleumdet, Herr (PP) beschwert sich beim Chef,
droht mit eigener Kündigung, wenn (X) nicht versetzt wird und schlussendlich bleibt
nur die Flucht (d.h. eigene reale Kündigung, innere Kündigung, Krankheit) oder die
Vernichtung von (X) (Kampagne gegen ihn, Boykott der Zusammenarbeit,
Dauerkampf) als Hilfsstrategie übrig.
Wie im Glasl’schen Modell haben wir unendlich viele kommunikative
Kompetenzen, dieser Eskalation Einhalt zu gebieten, persönliche Strategien, die
charakterlich sehr unterschiedlich ausfallen, ob wir
- Bei bestimmten Eskalationsstufen eine innere Bremse ziehen, weil wir eine
Eskalation nicht aushalten
- Erst bei bestimmten Eskalationsstufen einsteigen, weil wir für die
vorhergehenden kein ausreichendes Empfindungsvermögen haben
- Unheimlich schnell von Stufe 1 in Stufe 8 springen (innerhalb eines Tages),
weil unsere Muster eine Zwischenabstufung nicht kennen oder
- im Gegenteil unendlich langsam realisieren, schon in Stufe 9 angekommen zu
sein (nach 3 Jahren), weil wir innerlich die kleinen Eskalationssteigerungen
kaum bewusst wahrnehmen.
5. Was heißt das für die Konfliktklärung in der Supervision?
Eine Grundvoraussetzung von Mediation oder Klärungshilfe ist, dass alle beteiligten
Personen ihre Störung bereit sind, einen Konflikt zu bezeichnen. Jeder hat
entsprechend unserer Stufen sich bereits oberhalb der Stufe 6 verortet. Dies
bedeutet, dass für diese beiden Formate nicht nur hocheskalierte, sondern auch für
alle Parteien emotional hocheskalierte Konflikte als Auftragsgrundlage die
Voraussetzung sind.
Die Realität der Auftragsformulierungen zeigt mir, dass ein sehr großer Teil von
durchaus gravierenden Konfliktkonstellationen dadurch außen vor bleiben.
- Eine der häufigsten Anfragen bezieht sich auf Konflikte, in der nur ein
Teammitglied oder Partner einen Konflikt verspürt, der subjektiv durchaus
Scholz, Norbert: Supervision und Konfliktklärung – für Teams und Organisationen
13
auch schon auf Stufe 9 angekommen sein kann. Nicht wenige Menschen
behalten ihr persönliches Konfliktbarometer für sich, vielleicht teilen sie sich
dem (Ehe-)Partner mit. In der Organisation schweigen sie, aus dem Gefühl
heraus, durch das Ansprechen „alles noch viel schlimmer zu machen“. Dieser
„Schweigeschutz“ wird erst recht dann aufgebaut, wenn der Konfliktpartner
hierarchisch höhergestellt ist, oder die Atmosphäre in der Abteilung sehr
„harmoniebedürftig“ erscheint. „Jetzt habe ich schon mein Problem mit X,
jetzt will ich es mir nicht noch mit allen anderen verscherzen“.
- Ein Kernbestandteil von Konflikten liegt genau hierin, dass ein Protagonist
(PP) eine erheblich emotional belastende Störung wahrnimmt, Antagonist (X)
nur von einer sachbezogenen Meinungsdifferenz ausgeht (und, weil er sich
durchsetzen konnte, schon längst wieder vergessen hat)
- Auch assoziiert für viele Mitarbeiter das Wort „Konflikt“ bereits die
beidseitige Störung und Belastung. Erlebt sich nur (PP) belastet (z.B. Stufe 6),
nimmt aber Kollegen (X) entspannt wahr, kann er das zwar als „unsensibel“
sich gegenüber interpretieren, bleibt aber dennoch unsicher, dies mit dem
hochaufregenden Wort „Konflikt“ zu belegen. Hierdurch überschreitet er eine
gefühlte Schwelle der Dramatik, in der seine Unsicherheit über die
Unwägbarkeit der Reaktionen anderer (des Chefs?) sich unermesslich
steigern kann.
- Diese begriffliche Schwelle kann durchaus auch dann entstehen, wenn beide
Partner ihre Störung als Konflikt bezeichnen würden. „Ich/Wir wollen uns
doch nicht als Versager abstempeln lassen“. Kognitiv ist doch den meisten
Menschen klar, dass ein Ansprechen hilfreich sein könnte, sie schaffen es
dennoch nicht, oft, weil ihre Worte bereits eine derart abwertende oder
beleidigende Ausdrucksform wählen würden („Sie sind so ein Idiot, wenn sie
nicht kapieren, dass…“), die ihnen wiederum in der Arbeitskonstellation nicht
angemessen erscheint (jedoch ihrer Gefühlslage auf hoher Eskalationsstufe
entspricht ).
- In der Komplexität vielfältigster Team- oder Organisationssysteme hängt
jeder bipolare Konflikt von derart vielen anderen Beziehungssystemen
zwischen den Mitgliedern ab, dass sich der eine Konflikt mit X und Y mit den
gefühlt konstruktiven Beziehungen zu B,C und E kompensiert. Obwohl diese
Konstellation andere ganz erheblich in Ihrer Souveränität einschränken kann.
Supervisionsaufträge sind häufig offener gestaltet, es sollen die gesamten
Arbeitsbeziehungen reflektiert werden. Hierdurch kann ich als Supervisor mit dem
Scholz, Norbert: Supervision und Konfliktklärung – für Teams und Organisationen
14
entsprechend geschulten Blick den Eskalationen frühzeitig vorbeugen, einseitig
eskalierte Konflikte können identifiziert und dem Konfliktpartner seine
Verantwortung bei der Klärung bewusst gemacht werden. Erst mit der
Bewusstwerdung einer Störung entsteht die Möglichkeit einer Bearbeitung. Diese
Identifizierung benötigt zum einen ein Vertrauen, dass sich oft erst über mehrere
Sitzungen im „gefahrfreien Raum“ entwickelt, zum zweiten die Wahrnehmungen
Dritter, also relativ unbeteiligter Teammitglieder, die als Katalysatoren zur
Bewusstmachung wirken (über den wachsamen Blick und das
Interventionsrepertoire des Supervisors hinaus).
Grundsätzlich habe ich als Supervisor in der Klärung konflikthafter Konstellationen
immer fünf Ebenen oder Folien im Blick. Der Begriff der Folie ist hier sehr hilfreich,
weil sie erst übereinander gelegt ein tieferes Verständnis ermöglichen. Sie wollen
sowohl einzeln und unabhängig betrachtet, erst recht in ihrem „Aufeinander-
bezogen-Sein“ verstanden sein:
Die Folie der Organisationskultur
Wie werden grundsätzlich in der Organisation Konflikte
verstanden und interpretiert und welche etablierten
Lösungsstrategien werden angewendet oder vermieden?
Die Folie des Leitungsverständnisses
Welche Aufgabe kommt der Leitung in Konfliktklärungen
zu? Wird Leitung einbezogen oder ausgeklammert.
Welches Leitungs-verständnis existiert grundsätzlich und
wie wird es gelebt? (die besondere Bedeutung von
Führungskräften und Konfliktlösung wäre in einem
eigenen Artikel zu betrachten)
Die Folie der Teamverständnisses
Welcher Anspruch wird an Teamarbeit gelegt, wie
abhängig oder autonom handeln Teams innerhalb der
Organisation? Welche Strukturen sind zu erkennen und
definieren die Konfliktregelung?
Die Folie der Beziehungsgestaltung
Wie werden zwischen den Beteiligten Beziehungen
gestaltet und welche Grunderwartung liegt diesen
Scholz, Norbert: Supervision und Konfliktklärung – für Teams und Organisationen
15
zugrunde? Welche Beziehungsmuster laufen quer zu den
üblichen in der Organisation?
Die persönliche Folie der Protagonisten
Jeder der Beteiligten hat seine persönlichen
Konfliktbearbeitungs- oder auch –vermeidungsmuster.
Wie hoch ist das eigene reflexive Bewusstsein hierüber,
was wird bei den Kolleginnen wahrgenommen?
6. integrierte Formate
Ich hoffe, aufgezeigt zu haben, dass Supervision oft erst den Rahmen schafft, in
denen der Konflikt überhaupt bearbeitbar wird. Ist der Konflikt jedoch identifiziert,
wird es quasi zur Voraussetzung, dass der Berater ein konzeptionelles Bewusstsein
und methodisches Repertoire aus den beiden anderen Formaten heranziehen
kann, will er den Auftrag nicht an andere Mediatoren abgeben. Diese
Weiterreichung könnte zwar durchaus ein professionelles Vorgehen sein, der
bisherige Prozess basiert jedoch zu einem erheblichen Teil auf Vertrauen zum
Supervisor und einem gefestigten Beziehungsverständnis aller Beteiligten. Ein
„Weiterreichen“ bedeutet nicht selten einen kompletten Neustart. Der neue
Mediator wählt divergierende Settings, Rahmenbedingungen, Strategien und setzt
auf anderen Prämissen auf, die letztlich oft sogar den Ursprungsprozess entwerten.
Also liebe Supervisorinnen und Berater, nicht das Weiterreichen lautet hier die
Maxime, sondern die Kompetenzentwicklung im Handeln identifizierter Konflikte.
Meine konkrete Arbeit basiert auf der Integration der Formate mit der zentralen
Prämisse: Supervision stellt das weitreichendste, und gleichzeitig präziseste Format
dar, was eine Integration von Mediation oder Klärungshilfe in die Supervision zur
Folge haben sollte.
a) Mediation im Kontext eines Supervisionsprozesses Beispiel. Team in Behindertenhilfe: Ein 9-köpfiges Team in der Behindertenhilfe beschreibt im Erstgespräch Ihre eingefahrenen Abläufe, ihr in den letzten Jahren geringeres Engagement, da sie doch schon seit über 10 Jahren in ähnlicher Besetzung zusammenarbeiten. Auch um die Rolle des erfahrenen und stark auftretenden Gruppenleiters drehen sich einige Fragen. Eine bedrückend schwermütige Stimmung geht von diesem Team aus. Es
Scholz, Norbert: Supervision und Konfliktklärung – für Teams und Organisationen
16
benötigt eine weitere Sitzung, bis ich diese verzagte Ausstrahlung thematisieren kann, wofür ich allgemein Zustimmung erhalte und ich die Mitarbeiter nach ihrer Betroffenheit dieser Schwermütigkeit aufstellen lasse. Es identifiziert sich ein Innenkreis von drei Frauen, von denen sich zwei miteinander solidarisiert (Thea und Vanessa) haben gegen eine dritte (Sabine). Hier wird klar, dass Vanessa eher eine Randrolle spielt, sie ist die jüngste und neueste in diesem Team, sie wurde von Thea als Vertrauensperson gewonnen, da ihr Konflikt mit Sabine schon seit Jahren schwelt und sie sich enttäuscht von ihr abwendete. Dieser Kernkonflikt zwischen Thea und Sabine hat sehr viele private Anteile (gekränkte Freundschaft), zu deren Bearbeitung ich nicht das Team wähle. Ich schlage eine Mediationssitzung nur dieser beiden vor, die beide gerne annehmen. In zwei 1-stündigen Sitzungen können wir die Kränkungen der beiden gut aufarbeiten, beide erscheinen sehr erleichtert über die Überwindung ihrer gegenseitigen Blockade zu sein. Das Team wird nachher von beiden kurz über ihre Einsichten, ihr neues aufeinander bezogenes Gefühl und den Prozess informiert, ohne dass die restlichen Mitglieder alle persönlichen Fragen zwischen den beiden nachvollziehen müssen. Der Supervisionsprozess findet dann weiterhin mit dem gesamten Team statt.
b) Supervision im Anschluss an eine Konfliktklärung Beispiel Klinik:
Die interne Personalentwicklerin einer großen Klinik in Süddeutschland kontaktiert
mich bzgl. einer heftigen Konfliktlage in einem Dozententeam einer angegliederten
Fachschule. Ich vereinbare ein Auftragsklärungsgespräch mit ihr und der
Schulleiterin. Eine Kollegin dieses 8er Teams hat sich über viele Jahre ins Abseits
gestellt, kooperiert kaum noch mit den restlichen Kollegen, das Team ist
weitgehendst erschöpft und resigniert über den Konflikt, die Schulleiterin sucht nach
einer Haltung in dieser Konstellation. Ich vereinbare zunächst zwei Sitzungen
Konfliktklärung (nicht en bloc, aber immerhin 4 Stunden im Abstand von 3 Wochen).
in diesen 2 Sitzungen wird vieles deutlich auf den Tisch gelegt, der große Mut der
Außenseiterin, dem Restteam die Stirn zu bieten, aber auch die Resignation der
anderen MitarbeiterInnen über deren sehr ichbezogene Denkweise. im Abschluss
zeigt sich, dass die zukünftige Perspektive nicht mehr über ein "Wir" gehen kann,
sondern nach Wegen gesucht werden muss, wie die Kollegin Z, bzw. Schulleitung
und Kollegen für (Z) einen Sonderrahmen innerhalb dieser Schule gestalten können -
auch zum Schutz der anderen Betroffenen, solange eine Trennung noch nicht
möglich ist. Es schließen sich 5 Supervisionssitzungen an, an denen Z nicht mehr
teilnimmt, in denen das Restteam inkl. der Schulleiterin Strategien des Nicht-
Scholz, Norbert: Supervision und Konfliktklärung – für Teams und Organisationen
17
Involvieren-Lassens reflektiert, des Schutzes, um die im Kern sehr zufriedenstellende
Arbeitsaufgabe wieder befriedigend bewältigen zu können. Hieran schließt sich
wiederum ein Einzelcoaching der Schulleiterin an, mit dem Ziel für die Schulleiterin,
Z einen adäquaten Platz im Schulganzen zu organisieren.
c) Mediation als Vignette in der Supervision
Der Begriff der Vignette wurde im Psychodrama geprägt und beschreibt im
Unterschied zu ausführlichen und zeitintensiven Inszenierungen eines Themas eine
kurze Rollenspiel-Sequenz, quasi aus dem Stehgreif in der Situation. Ich möchte mit
der „Mediations-Vignette“ die Form beschreiben, die ebenso spontan in einem
Supervisionsprozess eingeschoben wird. Stoßen wir in einer Supervisionssitzung auf
eine akut verschärfte Konfliktsituation zwischen 2 oder 3 Beteiligten, arbeite ich
gerne im Sinne einer solchen Vignette an den aufgeworfenen Fragen. Beide
Parteien werden gefragt, ob sie sich hier auf eine stark strukturierte Sequenz zur
Klärung einlassen (entspricht der Kontraktphase).
a. Jeder der Protagonisten erhält ohne Zwischenfragen der anderen
Teilnehmer einen angemessenen zeitlichen Rahmen (10 Min.), um seine
Sicht des Konflikts darzustellen.
b. Als deutlich steuernder Supervisor frage ich intensiv nach, bis ich (und die
restlichen Teilnehmer) die Zusammenhänge und in der Regel das
wechselseitige Aufschaukeln verstanden haben (Phase der
Perspektivendarstellung) und
c. versuche, die Entwicklung und Aspekte in eine chronologische Reihenfolge
zu stellen (evtl. am Flip-Chart).
d. Darauffolgend werden Motive, Interessen und Hintergründe beleuchtet.
e. Im weiteren frage ich nach dem Verstehen der Erlebensweisen des
jeweiligen anderen und
f. erste Wünsche an den anderen formuliert.
g. Inwieweit werden die Wünsche verstanden, wie klar sind sie formuliert,
welche davon kann der andere annehmen, welche nicht?
h. Dies wird ergänzt durch die Identifikationen und Wünsche der anderen Sv-
teilnehmer.
i. Abschließend können erste Vereinbarungen getroffen werden.
Scholz, Norbert: Supervision und Konfliktklärung – für Teams und Organisationen
18
In der Regel fühlen sich die Betroffenen sehr erleichtert und sind wieder in der
Lage, aktiv die Beziehung zum Gegenüber zu gestalten, ohne dass alle emotionalen
Fragen genau beleuchtet sind. In der darauffolgenden Sitzung wird zu dieser
Klärung nochmal ausführlich Bezug genommen, die Konflikteskalationsstufe der
Beteiligten gemeinsam - jetzt, 4 Wochen später - erhoben und überlegt, inwieweit
hieran verstärkt gearbeitet werden muss oder die Betroffenen Ihre zukünftige
Arbeitsbeziehung wieder selbst konstruktiv gestalten können. In dieser Vignette
strukturiert der Supervisor sehr stark, definiert, welche Redebeiträge möglich sind,
welche jetzt zurückgehalten werden, welche emotionalen Dimensionen bearbeitet,
welche ein besonderes Setting benötigen. Eine derartige Mediationsvignette
innerhalb einer Supervisionssitzung kann zwischen 30 und 60 Minuten dauern.
d) Doppeln in Supervisionsklärungen
Die Klärungshilfe hat das Doppeln nicht erfunden, aber als Kunst der
Konfliktklärung weiterentwickelt. Als Hilfs-ich kommt diese Doppeln aus dem
Psychodrama, in der Gestalttherapie wurde es auch schon vor 40 Jahren eingesetzt.
Als Berater hole ich mir die Zustimmung seitens der Protagonisten und versuche
aus einer Position seitlich neben oder hinter dem Protagonisten dessen
Äußerungen zu präzisieren (als Zuspitzung), zu wiederholen (zur Verlangsamung)
oder potentielle, aber noch nicht artikulierte Bedürfnisse oder Gefühle
auszusprechen. (dabei kann ich deeskalierend oder eskalierend formulieren, je
nach Klarheit des Konflikts), muss mir aber die Zustimmung des Protagonisten
einholen, bzw. lasse ihn es selbst nochmal verändern oder präzisieren. In der
Klärungshilfe erfährt das Doppeln speziell im "Dialog der Wahrheit" seinen Platz, in
vielen kleineren oder größeren Klärungen innerhalb der Supervision ist dies ein
hervorragendes, sehr situativ einsetzbares Handwerkszeug des Supervisors.
e) Exakte Auftragsklärung mit Top-Leitung vor Supervisionen
Die Klärungshilfe hat sich sehr intensiv mit relevanten Fragen der Vorklärung vor
Beginn des Beratungsprozesses auseinandergesetzt. Da gerade Konflikte meist eine
lange - oft institutionsrelevante - Vorgeschichte haben, sind meist auch höhere
Führungsebenen in die Konfliktfragen und -beteiligten involviert, evtl. haben schon
andere Lösungsideen intendiert, die fehlschlugen oder versandeten. Das Paradigma
der Klärungshilfe, den Hierarchiehöchsten aus dem betroffenen System um einen
aktiven Auftrag für die Klärung zu bitten, sollten sich auch die Supervisorinnen
Scholz, Norbert: Supervision und Konfliktklärung – für Teams und Organisationen
19
regelmäßig zu eigen machen. Wie leicht werden wir von Teammitgliedern in
Absprache mit dem Restteam oder von der Personalleitung angefragt, der
Hierarchiehöchste im System stimmt dem dann eher formal zu und erteilt sein ok.
Dies ist sicherlich Praxis vieler Supervisionsaufträge. Spätestens, wenn uns die
Eskalationsstufe möglicher Konflikte bewusst wird und wir auch strukturelle
Komponenten hierin entdecken, müssen wir uns von den Supervisionsteilnehmern
nochmal die Zustimmung holen, einen diesbezüglichen Auftrag und eventuell
Beteiligung des Hierarchiehöchsten einzuholen. Ich erlebe durchaus, dass
Supervisoren hiermit nicht immer sehr pedantisch umgehen, hier verweist uns die
Klärungshilfe auf eine manchmal verdrängte Notwendigkeit. Eine Anwesenheit des
Hierarchiehöchsten kann im SV-prozess nicht immer gewährleistet werden, sollte
aber vom Supervisor bei eskalierteren Konfliktlagen thematisiert und gewünscht
werden. Oft bieten diese deutlichen und transparenten Wünsche die Grundlage im
weiteren Verlauf, den Hierarchiehöchsten doch noch direkter einzubeziehen. die
Grundprämisse des Dreiecksauftrags im supervisorischen Verständnis ist der
Vorgehensweise der Klärungshilfe nahe, letztere hat sich hier nur noch mit einigen
Fallstricken intensiver auseinandergesetzt.
7. Konkrete Schritte in der Konfliktbearbeitung
Im Folgenden blicke ich auf die Schritte, die jeder der am Konflikt beteiligten
Protagonisten zur Klärung gehen sollte. Dieses Phasenmodell orientiert sich an
meinen Stufen der Konflikteskalation, wie ich sie unter 4. skizziert habe.
Gleichzeitig hat ein derartiges Phasenmodell nichts statisches, nichts, was sklavisch
von oben nach unten durchlaufen werden muss, sondern soll vielmehr eine
Interpretations- und Wahrnehmungsfolie für die Konfliktklärerin darstellen, an der
sie das Erleben der Konfliktpartner erkennen und unterstützen kann.
Jedes Konfliktgeschehen impliziert eine ausgeprägte Einmaligkeit,
- durch die beiden oder mehrere beteiligte Personen,
- den jeweiligen Organisationskontext,
- die Historie des Teams,
- deren Größe und grundsätzliche Dynamik,
- deren Leitungsstruktur
- das Tätigkeitsfeld mit seinen gesellschaftlichen Zuschreibungen
Jedes Konfliktgeschehen ist ein Unikat, insofern hat auch jede Konfliktklärung
ein Unikat zu sein. Diese Komplementarität aus Einzigartigkeit und
Scholz, Norbert: Supervision und Konfliktklärung – für Teams und Organisationen
20
Phasenablauf ist kein Paradoxon, sondern die künsterlisch-handwerkliche
Aufgabe des Supervisors.
a) vom Flucht- oder Ausschlussimpuls zur Wahrnehmung des Phänomens Bei einer eskalierten Konfliktauseinandersetzung liegt zumindest bei einem der
Beteiligten meist schon länger ein Trennungsimpuls vom anderen vor. "ich will ihn
loshaben", wünscht sich (oft heimlich) der Protagonist. „Näheorientiertere“
Menschen (s.8.) verbieten sich selbst bisweilen schnell diesen Impuls, schämen sich
hierfür oder werden krank, handlungsorientiertere äußern ihn durch Anklage beim
Vorgesetzten, bei Kollegen oder durch eigene Strategien der Flucht (Kündigung,
innere Kündigung). Der erste Schritt auf der Deeskalationsspirale ist die
Rückführung dieses Handlungsimpulses auf die neu zu gewinnende Wahrnehmung
der Gesamtsituation, auf die Konfliktgeschichte der Beteiligten. Wie kann der
Protagonist die Erkenntnis wiedergewinnen, dass der „Trennungs-„Impuls auf einer
Geschichte beruht, in der auch er an der Eskalationsspirale geschraubt hat. In
dieser Phase muss zunächst ein Bild der Konfliktgeschichte mit den jeweiligen
"Interpunktionen" aufgezeichnet werden, d.h. den Markierungspunkten der
Eskalation, die beide Protagonisten sehr unterschiedlich setzen. Eine
chronologische Darstellung der Entwicklung am Flipchart ist hier sehr hilfreich.
b) Von äußeren („nach außen gerichteten“) Denkweisen zu äußeren Menschen In einer stark belastenden Konfliktkonstellation werden von den Protagonisten
meist die Denkweisen, die grundlegende Einstellung (zur Arbeit, zu den Kollegen,
zum Leben) des jeweiligen anderen abgewertet und verurteilt: „So verhält man sich
nicht!!“. Ein weiterer Schritt in der Konfliktbearbeitung ist es, den anderen
Menschen mit seiner Erlebnisweise und unterschiedlichen Wahrnehmung der
Situation wieder gewahr zu werden. Hinter den verurteilten Denkweisen stehen
Menschen mit eigener Bedürfnislage und emotionaler Einschätzung der jeweiligen
Situationen.
Der gegenseitige Blickkontakt ist ein deutliches Signal für die Anerkennung, dass es
sich hier um einen anderen eigenständigen Menschen handelt. Die
Blickvermeidung, die Augen auf den Supervisor gerichtet, auf den Boden oder an
die Wand, sind kennzeichnend für eine Gesamtabwertung der Person. Das
konsequente Ansprechen dieser Blickvermeidung, die Frage, was den
Protagonisten hindert, Blickkontakt zum Gegenüber aufnehmen zu können, sind
Interventionen, die ich als sehr hilfreich erlebt habe.
Scholz, Norbert: Supervision und Konfliktklärung – für Teams und Organisationen
21
c) Von äußeren Menschen zu äußeren konkreten Verhaltensweisen Diese konkreten Menschen mit ihren Bedürfnissen und Interessen haben sich in
gewissen Situationen zu speziellen Verhaltensweisen entschlossen. In dieser Phase
liegt die Aufmerksamkeit auf der Unterscheidung dieser Menschen und ihren
Verhaltensweisen. (X) hat sich entschieden, auf die mail von (PP) zur
Projektabstimmung nicht zu reagieren, weil er befürchtete, seine Reaktion, die
sachlich noch im Widerspruch stand, könnte von (PP) missinterpretiert werden.
Deshalb entschloss er sich zum Schweigen - für (X) eine gefühlte
Deeskalationsmaßnahme, für (PP) ein weiterer dramatischer Eskalationsschritt. Erst
wenn die konkreten Verhaltensweisen nicht mehr identisch mit der Person
betrachtet werden, sondern nur als ein möglicher Ausdruck, kann (PP) sich wieder
mit dem Verhalten von (X) auseinandersetzen und im positiven Fall erkennen, dass
auch für (X) diese Reaktion nur eine von mehreren Optionen war.
d) von äußeren Verhaltensweisen zur inneren Resonanz dieser Verhaltensweisen Der nächste Schritt, der sehr nah beim letzten liegt, bedeutet die Hinarbeitung auf
das Erkennen, dass es nicht die abgewertete und Ärger auslösende
Verhaltensweise von X ist, die A) hat so wütend werden lassen, sondern die eigene
Interpretationsfolie dieser Verhaltensweise. Vielleicht hat A) auch schon
abgewogen, X nicht mehr eine mail-info zukommen zu lassen, aber aufgrund der
eigenen Werthaltungen oder Prioritäten hat er hiervon abgesehen und eine noch
dezidiertere mail geschrieben. Hier wäre die Einsicht anzustreben, die Abwertung
als Ausdruck eigener Bedürfnisse anzusehen. Dieser Schritt bedeutet das
Ankommen beim Protagonisten selbst, weg vom anderen hin zu eigenen
Maßstäben.
e) aus der „inneren Resonanz“ hin zu eigenen Bedürfnissen
Jetzt kommen wir auf der Ebene der Bedürfnisse des jeweiligen Protagonisten an.
Was brauche ich, was sind meine Prioritäten, was fühle ich unter welchen
Bedingungen und bei welchen Auslösern. "ich bin ein Mensch, der im
kontinuierlichen Kontakt zu den anderen stehen muss, der wissen möchte, was
andere denken und wie sie es einschätzen, fehlt mir das, fühle ich mich unsicher.“,
wäre eine mögliche Einsicht in unserem Beispiel bei A).
Das Doppeln stellt hier eine hilfreiche Technik der Gesprächsverlangsamung und
des Förderns im Verstehen dar (s.5b)
Scholz, Norbert: Supervision und Konfliktklärung – für Teams und Organisationen
22
f) von eigenen Bedürfnissen zu inneren Mustern In der Abwärtsspirale (die im Konfliktklärungssinne eine Aufwärtsbewegung zum
positiven ist) folgend, wäre der darauffolgende Schritt die Einsicht, dass es mir
nicht nur in Bezug auf (X) so geht, sondern ich diese Reaktion als ein
wiederkehrendes Muster bei mir wiedererkenne. Schon in diesen und anderen
Situationen habe ich ähnlich reagiert. (Da wir hier in die Tiefenschichten der
Persönlichkeit gelangen, bleibt die Frage, was hiervon in Supervisionsprozessen in
Teamkonstellationen wirklich erarbeitet werden kann. Hier hat die Klärungshilfe
sicherlich das Plus, über einen längeren gemeinsamen Zeitraum des
Zusammenarbeitens im Klärungssetting, Schutzmuster der Personen zur Abwehr
genau dieser Mustererkenntnis reduzieren zu können. Dies bringt uns auf der
Rückseite der Medaille jedoch zur Frage, inwieweit die Erhaltung dieser
Schutzmuster für einige der Beteiligten notwendig sein könnte, da die
Protagonisten ja weiterhin zusammenarbeiten müssen und - aufgrund neuer
Aufgabenstellungen oder Organisationsinterventionen - wieder gebraucht werden.
Wir können in den Klärungsprozessen nicht davon ausgehen, dass unsere
Beteiligten immer so lernfähig sind, die in diesem Kontext erkannten Muster ohne
weiteres auf neue Situationen anzuwenden. Dies ist der Idealfall, aber nicht die
Regel. Eine für die Konfliktklärung sehr hilfreiche Durchlässigkeit dieses
Schutzmechanismus kann sich als offene Flanke in zukünftigen (auch neuen oder
auf andere Teilnehmer bezogenen) Konflikten erweisen. Aus diesem Grund möchte
ich hier nur so weit gehen, wie es der grundsätzlich Charakter des Teams/der
Organisation zulässt (eine Behörde hat hier sicherlich andere Begrenzungen als ein
freies Projektteam einer Pionierinitiative)
g) vom kognitiven Verstehen zum emotionalen Empfinden dieser Muster. Für die Konfliktklärung extrem hilfreich wäre, wenn, darauf aufbauend, nicht nur
ein rationales Verstehen und Benennen dieser Muster, sondern auch ein
emotionales Zulassen der Gefühle möglich wird. Keine Tiefenänderung ohne
Wahrnehmen der eigenen Gefühle. “Wie einsam fühle ich mich, wenn in derartigen
Situationen nicht auf mein Kontaktbedürfnis eingegangen wird?“
Mit ihrem faszinierenden Gefühlsrepertoire hat die Klärungshilfe hier auch eine
Sprache gefunden, die die Beschreibung dieser Ebene fördert. Tränen, die die
Beteiligten zulassen können, sind ein wahrnehmbarer Schritt des Berührens dieser
Ebene. Die Klärungshilfe arbeitet im Dialog der Wahrheit direkt auf das Erreichen
dieser Ebene hin, was ich unter den gleichen Vorbehalt wie im vorhergehenden
Schritt stellen möchte. Gleichzeitig können sich manche Menschen so weit öffnen
Scholz, Norbert: Supervision und Konfliktklärung – für Teams und Organisationen
23
und diese emotionale Ebene zulassen, anderen ist sie in Organisationskontexten
weitgehend versperrt. Diese Akzeptanz solch unterschiedlicher Bereitschaft und
unterschiedlicher Notwendigkeit eines Schutzraums für sich selbst, setze ich für
mich voraus.
8. Supervision und Raum-Zeit-Modell Das Raum-Zeit-Modell oder auch Riemann-Thomann-Kreuz genannte Modell der
Persönlichkeit und der Teamstrukturen stellt meine Basis der Konfliktdiagnose dar.
Fritz Riemann hat dieses zentrale Persönlichkeitsmodell in seinen „Grundformen
der Angst“ erstmals dezidiert beschrieben, C. Thomann kommt das Verdienst zu,
diese Dimensionen aus dem psychiatrischen Denkhintergrund in die Wirklichkeit
nicht-kranker Menschen, Mitarbeiter und Organisationen gehoben zu haben.
Eine ausführliche Darstellung überschreitet diesen Rahmen hier.
Der Dimension zwischen Nähe- und Distanzorientierung begegnen wir in Konflikten
zwischen unterschiedlichen Persönlichkeitsmustern von Mitarbeiterinnen:
Einerseits eher selbstbewusst, rational oder sachbezogen, starke Emotionen und
Betroffenheiten aus einem gewissen Abstand noch gut betrachten können,die ein
Problem - sei es persönlich oder organisationsbezogen – gerne thematisieren oder
anklagen können. Auf der anderen Seite sind Mitarbeiter beteiligt, die sich schnell
emotional betroffen fühlen, evtl. zu einer gewissen konfliktscheu neigen, weil sie
niemanden verletzten und die Harmonie nicht auf Spiel setzen wollen.
Die andere Polarität spannt das Verhältnis von Dauer- oder Wechselorientierung
auf: „Dauerorientiertere“ Menschen, für die klare Strukturen und Abläufe, Regeln,
Konzepte einen sehr hohen Stellenwert haben, suchen nach Vereinbarungen oder
Qualitätstandards. Hingegen betonen Menschen aus einer ausgeprägteren
Wechselhaltung heraus, die notwendige Flexibilität und Spontaneität, das Handeln
nach konkreten situativen Herausforderungen und der Fähigkeit mit direkter
Kommunikation und Charme Probleme schnell lösen zu können.
Dieses Modell hat in der Konfliktbearbeitung viele Einsatzbereiche:
a) Als Diagnoseinstrument des Supervisors
b) Als theoretische Einordnungshilfe nach einer Klärung
c) im methodischen Einsatz in Teams und Organisationen, um in
Aufstellungen Haltungen und Bedürfnisse zu veranschaulichen und
Teamtendenzen beschreibbar zu machen.
Scholz, Norbert: Supervision und Konfliktklärung – für Teams und Organisationen
24
d) als Entwicklungsinstrument, um zukünftige Schritte zu vereinbaren.
„Wenn sie jetzt einen Schritt in Richtung mehr Distanz gehen, was würden
sie da konkret vereinbaren?“
Ich mache sehr gute Erfahrungen in den unterschiedlichsten Einsatzbereichen mit
diesem Modell, da es einerseits für wenig reflektierte Menschen oder Mitarbeiter
mit geringer pädagogisch-psychologischer Ausbildung eine erste
Persönlichkeitsunterscheidung bedeutet, die schnell nachvollzogen werden kann.
Aber gerade auch für hochreflexionsfähige Mitarbeiter lassen sich hier Störungen in
der Zusammenarbeit auf ein neues Erkenntnisniveau heben.
9. Supervision und Humor
Konflikte sind eine sehr ernste Angelegenheit. Für die betroffenen zunächst
überhaupt nicht mit Humor zu nehmen. Der Humor ist den betroffenen geradezu
verlorengegangen.
Darf ich als Supervisor/ Konfliktklärer in derartigen Situationen mit einer gewissen
Leichtigkeit herangehen?
Ich mache die Erfahrung, wenn ich selbst Konflikte als etwas allzu menschliches
betrachte, sie aus dem Dunstkreis des persönlichen Versagens herauslöse, ihnen
einen Sinn in der Erkenntnis zentraler Fragestellungen in der Organisation oder im
Team zuspreche, können wir auf sie mit höherer Entspanntheit herantreten.
Wenn der Konflikt kein Fehler war, sondern bei unterschiedlichen
Persönlichkeitshaltungen (s.8.) eine zwangsläufige Folge in der Organisation
darstellt, wenn die beteiligten Protagonisten nicht den Stempel der
„Teamunfähigkeit“ erhalten, sondern ihnen die Fähigkeit zugeschrieben wird,
vorhandene Ungereimtheiten nur deutlich zum Ausdruck zu bringen, dann können
wir auch hierüber lachen, auch wenn sie emotional für die Betroffenen schwer
auszuhalten sind.
Die zentrale Botschaft des Humors heißt: „Der Konflikt ist nichts peinliches, dafür
muss man sich nicht schämen, es ist eine Stärke von dir Betroffener, dass du
Differenzen nicht wegschiebst, sondern in dir spürst und ausdrückst. Lass uns
gemeinsam nach hilfreicheren Kommunikations- und Ausdrucksformen für die
Unterschiede und ihre Bewältigung suchen!“
Wenn Humor nicht ins Auslachen der Beteiligten und Ihren eskalierenden
Verhaltensweisen umschlägt, und Konflikte und deren Austragung als positiver
Scholz, Norbert: Supervision und Konfliktklärung – für Teams und Organisationen
25
Gewinn des Teams gesehen werden, darf der Berater auch in zugespitzten
Konflikten einen Scherz wagen, der die Problematik auf eine andere Ebene hebt.
Er kann dadurch zum Ausdruck bringen, dass Konflikte genauso wie Zuneigung zum
Leben gehören und wir keine Angst vor ihnen haben brauchen.
In den meisten Fällen löst sich durch Humor zunächst die Anspannung der anderen,
weniger betroffenen Teammitglieder, bis diese Entspannung auch auf die
unmittelbaren Protagonisten übergehen kann. Allerdings muss der Berater bei
denjenigen, die noch in ihrer emotionalen Verstrickung gefangen sind, hier auch
höchste Sensibilität für deren Schutzbedürfnisse an den Tag legen.
Fazit: Die Unterscheidung zwischen Mediation und Supervision kann nicht lauten: Für Konflikte bitte Mediation wählen, für alle anderen reflexiven Beratungsanfragen probieren Sie es doch mit Supervision. Die Klärungshilfe ist irgendetwas dazwischen. Supervision ist das Kernformat der Konfliktbearbeitung und –klärung. Dadurch, dass in der Mediation und erst recht in der Klärungshilfe die Beteiligten Ihre Arbeitsstörung bereits „zum Konflikt erhoben“ haben, und in der Supervision nicht zwangsläufig, findet nur eine Selektion der Konfliktanlässe statt. Hieraus kann ein gesteigertes Eskalationsniveau abgeleitet werden, muss aber nicht zwangsläufig. Will der Supervisor/ die Supervisorin jedoch sich adäquat auf eine Klärung des Konfliktgeschehens einlassen, braucht er/sie Handwerkszeug aus den beiden anderen Formaten. Und der/die Mediatorin und der/die Klärungshelferin kommen noch weniger um supervisorisches know-how herum, wenn sie sich nicht auf eng umgrenzte Felder spezialisieren und auf die komplexe organisatorische Einbettung von Konflikten adäquat reagieren wollen.
Literatur: Thomann, Christof: Klärungshilfe: Konflikte im Beruf, Reinbek, 1998
Prior, Christian und Thomann, Christof: Klärungshilfe 3, Reinbek 2007
Pühl, Harald: Konfliktklärung in Teams und Organisationen, Berlin, 2010
Pühl, Harald (HRSg.): Mediation in Organisationen, Berlin, 2006
Schreyögg, Astrid: Konfliktcoaching, Frankfurt, 2002
Glasl, Friedrich: Konfliktmanagement, Bern, 2004
Buer, Ferdinand: Praxis der psychodramatischen Supervision, Wiesbaden 2004
Altmann G., Fiebinger H., Müller R.: Mediation: Konfliktmanagement für moderne
Unternehmen, Weinheim, 1999
Scholz, Norbert: Supervision und Konfliktklärung – für Teams und Organisationen
26
Impressum: Kommunmikation- Konflikt- Kontakt
Praxis für Supervision, Coaching und Mediation Norbert Scholz
Domstraße 8 97070 Würzburg Josef-Zöller-Str. 10 97753 Karlstadt 09353/9090090 www.supervision-scholz.de [email protected]
Scholz, Norbert: Supervision und Konfliktklärung – für Teams und Organisationen
27
…die Energie entfalten
für die Dinge, die ich
verändern kann…,
die Gelassenheit
entwickeln, für die
Dinge, die ich nicht
ändern kann…,
…Und die
Weisheit suchen, das eine
vom anderen
unterscheiden zu
können.!