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Sehen aus der Sicht des Neurologen
Funktion des visuellen Systems, Wahrnehmung und Erkennen
Visuelles System
Das Sehsystem liefert mehr Information an das Gehirn als alle anderen Sinne zusammen
Der adäquate Reiz ist ein Band elektromagnetischer Wellen zw 400 und 750 nm
Photopigmente der Retina absorbieren Photonen Das neuronale System leitet über getrennte Kanäle
Informationen über Form, Farbe, räumliche Tiefe und Bewegung an die Sehrinde
Die „Sehbahn“ beinhaltet 4 Neuronen von der Retina bis zum visuellen Cortex (Area 17)
Neben dem Teilsystem für bewusste Wahrnehmung gibt es 4 weitere Teilsysteme für bestimmte Reflexe
Visuelles System
Retino-genikulo-kortikales System (bewusste Wahrnehmung von visuellen Stimuli)
Retino-prätektales System (Regulation der Pupillomotorik und Akkomodation)
Retino-tektales System (Koordination von Augen- mit Kopf- und Rumpfbewegungen)
Akzessorisches optisches System (Okulomotorik)
Retino-hypothalamisches System (Hell/dunkel Informationen an zirkadianes System)
Auge und optischer Apparat
Optischer Apparat Kornea Pupille Linse (Inversion des
Bildes)
Glaskörper Retina Sehnerv Augenmuskeln
Retina - Augenhintergrund
Fundus Gelber Fleck
(zentrales Sehen)
Austritt des Sehnervs (blinder Fleck)
Gesichtsfeld: Temporal 90 Nasal 60 Oben/unten 70 grad
Aufbau der Netzhaut
1. Pigmentepithel 2. Neuroepitheliale
Schicht (Stäbchen und Zäpfchen)
3. Äußere Grenzschicht 4.Äußerer Körnerschicht 5. äußere plexiforme
Schicht 6.innere Körnerschicht 7. innere plexiforme
Schicht 8. Ganglienzellschicht 9. Nervenfaserschicht 10. innere Grenzschicht
Verschaltungen der Netzhaut
1. Neuron Stäbchen (s/w) Zapfen (Farbe)
2. Neuron Bipolare Zellen (IB, FB)
zapfenspezifisch) Stäbchenbipolare
Zellen (SB) 3. Neuron
Ganglienzellen (Gp, Gm) -> N. Opticus
Interneurone (H, A)
Photorezeptoren der Retina
Photorezeptoren
Zäpfchen (Farbsehen) und Stäbchen (hell/dunkel)
110-125 Mio Stäbchen und 5-7 Mio Zapfen Im gelben Fleck nur Zapfen
3 Photopigmente (Jodopsin) mit Absorptionsmaxima für blau (430 nm), grün (530 nm) und rot (560 nm)
Stäbchen haben nur ein Photopigment Rhodopsin (Dämmerungssehen)
Phototransduktion
Absorption eines Photons Aktivierung von Rhodopsin, Transducin, Phosphodiesterase
cGMP-Spiegel sinkt Lichtenergie elektrische Energie
Verschluss von Natriumkanälen Hypopolarisation
Elektrisches Signal chemisches Signal Freisetzung von Glutamat vermindert
Kaskade: Absorption eines Photons bewirkt Verschluss mehrer hundert Na-Kanäle und Umkehr der Depolarisation einer Zelle. Die verminderte Glutamat Freisetzung wird von den Bipolarzellen als Signal erkannt
Photorezeptoren sind bei Dunkelheit aktiv und werden durch Licht gehemmt
Kanäle der Retina
Von jeder Zapfenzelle nimmt ein ON und ein OFF Kanal seinen Ursprung
ON-center Kanal Bipolarzellen reagieren auf Licht mit Depolarisation und
erregen die ON-Ganglienzellen OFF-center Kanal
Hypopolarisation der OFF-Bipolarzelle führt zu Hemmung der OFF-Ganglienzellen
Stäbchenkanal Zwischenneurone zw Bipolarzellen und Ganglienzellen
des N Opticus Nur Ganglienzellen haben Aktionspotentiale, alle
anderen Zellen arbeiten mit gradierten post-synaptischen Potentialen
HERMANN-GITTER
Physiologie der Rezeptoren
Retinale Ganglienzellen
Die Axone der retinalen Ganglienzellen (N Opticus) ziehen zum Thalamus (CGL)
M-Zellen: schnell leitend, weit verzweigt Gute Bewegungsdetektion, schlechte Ortsauflösung Phasisches Antwortverhalten auf Reiz
P-Zellen: Langsam leitend, gering verzweigt Gute Ortsauflösung, schlechte Bewegungsdetektion Form und Farbanalyse Tonisches Antwortverhalten auf Reiz
C-Zellen: Dünne Nervenfaser, große Verzweigung Zieht zu visuellen Reflexzentren
Die Sehbahn
Projektion des Gesichtsfeldes auf die Netzhaut
Äußeres Gesichtsfeld kreuzt
Jeweils eine Hälfte des GF projiziert in eine Sehrinde
GF Defekte entsprechend dem Läsionsort
Anatomische Verbindungen
Visuelle Verarbeitung Cortex
Reizmuster
Abbildung des Reizes im CGL
Abbildung des Reizes in verschiedenen Zelltypen der Sehrinde
Topographische Projektion des Gesichtsfeldes auf den Cortex
Repräsentation des Gesichtsfeldes
Bildverarbeitung
Konvergenz Divergenz/Rekurrenz
1 Neuron erhält ~1000 –10‘000 Impulse pro ms von ~1000 präsynaptischen Neuronen.
1 (Pyramidal)Neuron projiziert auf ~1000Neuronen im nächst höheren Areal und 10‘000 Neuronen im vorhergehenden Areal.
Visuelle Reflexe I
Retino-tektales System Unbewusste Augen- und Kopfbewegungen
zur Fixation bewegter Objekte Colliculus superior
7 schichtige Struktur, Verknüpfung von Augenmuskelkernen, Halsmark mit retikulären, somatosensorischen und auditorischen Bahnen
Funktion: visueller Greifreflex Visueller Cortex sagt: was ist der Stimulus Colliculus superior sagt: wo ist der Stimulus
visuelle Reflexe II
Akzessorisch optisches System Registriert relative Eigenbewegungen zu
unbewegtem Gegenstand
Retino-hypothalamisches System Verbindung zu zirkadianem System, innerer
Uhr (Zeit Oscillator, Tag-Nacht Rhythmus)
Visuelle Wahrnehmung
Perzeption durch die Netzhaut Leitung von Information über
Farbe Helligkeit Ort Bewegung
Verschaltung mit anderen Sinnen Repräsentation in der Sehrinde Interpretation des Bildes Erkennen
Überblick visuelle Wahrnehmung
Informationsverarbeitung
Bewegung und Ort / Form und Farbe
Farbe und Bewegung aktivieren verschiedene Hirnareale
Wahrnehmung von Bewegung
Orientierungsspezifität
Mustererkennung
Studie zur Differenzierung von sequenziellen Mustern
Erkennung von orientierungs-spezifischen Texturen
Untersuchung der aktivierten Hirn-Regionen mittels Hirn-Durchblutungs-Messung
Pattern recognition task
Kontrollbedingung: Vier Quadranten
mit identen Mustern
Randomisierte Sequenz im Verhältnis 1:2
Aufgabe: Identifikation
eines Quadranten mit Sequenz in umgekehrtem Verhältnis
HMPAO-SPECT
SPECT
Aktivierung der primären und sekundären visuellen Rinderfelder und des frontalen Augenfeldes sowie des Thalamus
Befunde bei Blinden
MRT zeigt Substanzverluste im Sehnerv 33%, der Sehbahn 17%, aber keine Veränderungen in der Sehrinde
Lesen von Blindenschrift
Blinde Hoher rCBF inferior
und superior occipital unter beiden Bedingungen
Hoher rCBF im Kleinhirn
Hoher rCBF superior temporal li (Sprachzentrum)
Lesen von Blindenschrift
Blinde (Worte) Aktivierung von Sehrinde
und frontal Keine Aktivierung in
sensomotorischer Rinde Sehende (random dots)
Aktivierung in sensomotorischer Rinde
Gering in Sehrinde Sehende Lehrer
Aktivierung frontal und sensomotorische Rinde
Keine Aktivierung der Sehrinde
Taktile Vorstellung bei Blinden
1. taktile Präsentation unterschiedlicher Oberflächen (Stoff, Sand, Metall..)
2. Vorstellung der Oberflächenempfindung
Blinde: Aktivierung occipital und parietal ohne Lateralisation
Sehende: Aktivierung seitendominant, parietal
Sehende
Blinde
Erkennen
Auge: Extraktion der Information
Thalamus: Verknüpfung der Information mit anderen Sinnen
Sehrinde: Primäres Rindenfeld:
Helligkeit, Farbe, Orientierung, Bewegung Sekundäres Rindenfeld:
Bewusste Lokalisierung, Objektbildung Temporallappen:
Gedächtnisinhalte, Gesichtererkennung Frontalhirn:
Aufmerksamkeit, zielgerichtete Wahrnehmung, Erwartung
Objekterkennen
Psychologische Gestaltgesetze Gesetz der Nähe
Räumliche und/oder zeitliche Nachbarschaft Ähnlichkeit / Gleichheit
Farbe, Helligkeit, Größe, Orientierung, Form Gesetz der Schließung
Vollständige Kontur / Innen-Außen / vorne / hinten
Zwang zur Kontur Bildung vertrauter Formen
Objekterkennen
Bewegungswahrnehmung
Zeitliche Auflösung 20-25 Bilder pro Sekunde Verschmelzung
Räumlich-zeitlicher Sprung Objekt verschwindet an Punkt A Erscheint nach 30 sek an Punkt B Eindruck einer Bewegung zwischen A und B Zeitwahrnehmung relativ spät entwickelt (Piaget)
Bewegungswahrnehmung
Spontane Augenbewegungen bewegtes Bild auf der Netzhaut
Bewegtes Objekt alle Teile des Objekts bewegen sich Relativgeschwindigkeit zu anderen
Objekten Bewegungsrichtung räumliches Sehen nicht erforderlich, auch
einäugig möglich
Objektkonstanz als Konstruktion des Gehirns
Erfahrung Gedächtnis (semantisch, episodisch) Visuelle Vorstellung (Objekt, Raum) Erwartung Bestätigung Zuordnung von Objekt zu Gedächtnis Visuomotorische Koordination
Wahrnehmungsstörungen
Gesichtsfelddefekte Visuelle Agnosie
Störung im Erkennen
Neglect Wahrnehmungsdefizit bei normalem Sehen
Orientierungsstörungen Visuospatiale Störungen
Visuelle Agnosie
Apperzeptive Agnosie
Unfähigkeit relevante Strukturmerkmale zu analysieren Störung occipito-temporal (ein oder beidseitig) Störung beim Abzeichnen und Erkennen
Assoziative Agnosie
Korrektes Abzeichnen aber fehlendes Erkennen von Bildern oder Objekten
Semantische Sprachstörung (Benennung) oder Störung für den Gebrauch der Objekte
Occipito-temporaler Übergang, vorwiegend linkshirnige Läsionen
Neglect (halbseitige Aufmerksamkeitsstörung)
Störung in der Wahrnehmung einer Körperhälfte bzw eines Gesichtsfeldes ohne Störung des Sinnesapparates
Läsion meist rechts inferior-temporal oder Thalamus
Visuospatiale Störungen
Gekennzeichnet durch Störung visuo-motorischer Fähigkeiten
Imponiert als konstruktive Apraxie Unfähigkeit Figuren aus Einzelteilen
zusammenzusetzen Störung beim Erkennen maskierter Figuren Erkennen von Figuren unter verschiedenen
Blickwinkeln gestört Lokalistion rechts parietal
Gesichtsfelddefekte
Visuelle Agnosie bei Demenz
Test für Tiefenwahrnehmung
Stufen der visuellen Informationsverarbeitung
Umsetzung der Helligkeitsunterschiede des Sehbildes in Linien, Balken und Endpunkte
Rohe Primärskizze in primärer Sehrinde Extraktion von Konturen und relevanten Details von
Objekten nach den Regeln der Objektwahrnehmung Zusammenhänge der einzelnen Merkmale eines Objekts
erfordert Analyse der räumlichen Tiefe Gibt Auskunft über die räumliche Form und Ausdehnung
eines Objekts Information über Lage des Objekts relativ zum Betrachter
(unabhängige Verarbeitung in der sekundären Sehrinde) Bewegungsanalyse (für Objekterkennung nicht relevant)
Stufen der visuellen Informationsverarbeitung
Erstellen einer zweieinhalb-dimensionalen Skizze Gliederung des Sehbildes in einzelne Objekte und
Hintergrund Unabhängig von Bewegung und räumlicher
Beziehung zum Betrachter Zuordnung des Objekts im semantischen
Gedächtnis (Benennen des Gegenstandes, wissen, was ist, Erkennen)
Stufen der visuellen Informationsverarbeitung
Zwei Systeme visueller Wahrnehmung Von der Bildanalyse zum Objekterkennen geht
Information über die räumliche Lage der Objekte verloren um das Erkennen von Objekten unabhängig von ihrer Lage zu ermöglichen. (inferior-occipital, temporal)
Störung: Sehen aber nicht Erkennen Analyse des räumlichen Bezugs eines Objekts
unabhängig von den Charakteristika des Objekts (superior-parietal)
Erforderlich für (rasche) motorische Reaktion Störung der rein visuellen Raumwahrnehmung