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www.UTFscience.de    4/2008 Behrens et al.: Simulation der Mikrostruktur ... SCHMIEDEN Simulation der Mikrostruktur und des Verzugs geschmiedeter Bauteile Bernd-Arno Behrens, Philipp Olle, Tobias Götze Eigenspannungen und Verzüge können zu vorzeitigem Bauteilversagen bzw. zur Nichteinhaltung vorgegebener Maß- und Formgenauigkeiten führen. Die Vorhersage dieser Bauteileigenschaften ist jedoch wichtig, um eventuelle Maßnahmen zur Prozessoptimierung abzuleiten. An diesem Punkt setzt die vorliegende Studie an. Dazu wird ein kommerzielles FE-System mittels Unterroutinen erweitert, um wesentliche Werkstoffvorgänge zur Berechnung von Eigenspannungen und Bauteilverzug zu berücksichtigen. Die Vorhersage von Eigenspannungen und Verzügen mittels numerischer Si- mulation bei der Bauteilkonstruktion und Auslegung von Umformvorgän- gen, insbesondere in der Massivum- formung, ist von großer wirtschaftli- cher und technischer Bedeutung. Da- durch ist die Möglichkeit gegeben, ei- ne große Anzahl von Versuchen zur Auslegung der Wärmebehandlungs- und Umformprozesse einzusparen, da sich mit Hilfe der Prozesssimulation leicht Maßnahmen zur Prozessopti- mierung ableiten lassen. Die wesentlichen Ursachen für den Verzug sind nach [1] nichtthermische Volumenänderungen und plastische Verformungen. Die erstgenannte Ursa- che wird durch Volumenänderungen des Werkstoffs aufgrund von Gefüge- umwandlungen während der Wärme- behandlung hervorgerufen. Plastische Verformungen treten auf, wenn die im Bauteil vorliegenden Eigenspannun- gen die materialspezifische Streckgren- ze überschreiten. Da in kommerziellen FEM-Program- men die Gefüge-, Eigenspannungs- und Verzugsentwicklung bei der Warm- und Halbwarmmassivumformung zu- meist nur unzureichend abgebildet wird, erfolgt die programmtechnische Erweiterung um die relevanten Werk- stoffmechanismen in Form von Unter- programmen in das FEM-Programm Msc.Marc 2007r1. Die entwickelten Unterprogramme basieren auf be- kannten physikalischen und empi- rischen Gleichungen sowie auf zahl- reichen Werkstoffdaten, die z.B. das Zeit-Temperatur-Umwandlungsverhal- tätsanalyse eines Umformprozesses mittels statistischer Versuchsplanung zur Bestimmung der wesentlichen Ein- flussparameter auf den Verzug. Simulation von Auf- und Entkohlungsvorgängen Auf- und Entkohlungsvorgänge beru- hen auf Diffusionsvorgängen von Koh- lenstoff im Stahl und werden ther- misch aktiviert bzw. gewinnen mit steigenden Temperaturen zunehmend an Bedeutung. Triebkraft ist dabei eine vom Werkstoff verschiedene Kohlen- stoffkonzentration in der Umgebungs- atmosphäre des Werkstücks. Diffusionsvorgänge können durch das 2. FICKsche Gesetz ten beschreiben. Aufgrund der ro- busten automatischen Remeshing- und Kontaktalgorithmen im genutzten FE- System können auch komplexe Bauteil- geometrien in der Simulation abgebil- det und die Veränderung der in den Unterroutinen berücksichtigten Werk- stoffmechanismen während des Um- formprozesses berücksichtigt werden. Im Rahmen dieser Studie wird die Ent- und Aufkohlung der Werkstücke, die Gefügeumwandlung und die durch diese induzierten Eigenspannungen in der Prozesssimulation berücksichtigt. Im Folgenden werden die grundle- genden Ansätze zur Beschreibung die- ser Werkstoffmechanismen vorgestellt und anhand von Versuchen validiert. Anschließend erfolgt eine Sensitivi- Analogie zwischen der Lösung von Diffusionsvorgängen und Temperaturfeldern Bild 1

SimulationMikrostrukturVerzugGeschmiedeterBauteile

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Simulation of Microstructure and Deformation of Forged Parts, German

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    Simulation der Mikrostruktur und des Verzugs geschmiedeter Bauteile

    Bernd-Arno Behrens, Philipp Olle, Tobias Gtze

    Eigenspannungen und Verzge knnen zu vorzeitigem Bauteilversagen bzw. zur Nichteinhaltung

    vorgegebener Ma- und Formgenauigkeiten fhren. Die Vorhersage dieser Bauteileigenschaften ist jedoch

    wichtig, um eventuelle Manahmen zur Prozessoptimierung abzuleiten. An diesem Punkt setzt die

    vorliegende Studie an. Dazu wird ein kommerzielles FE-System mittels Unterroutinen erweitert, um

    wesentliche Werkstoffvorgnge zur Berechnung von Eigenspannungen und Bauteilverzug zu

    bercksichtigen.

    Die Vorhersage von Eigenspannungen und Verzgen mittels numerischer Si-mulation bei der Bauteilkonstruktion und Auslegung von Umformvorgn-gen, insbesondere in der Massivum-formung, ist von groer wirtschaftli-cher und technischer Bedeutung. Da-durch ist die Mglichkeit gegeben, ei-ne groe Anzahl von Versuchen zur Auslegung der Wrmebehandlungs- und Umformprozesse einzusparen, da sich mit Hilfe der Prozesssimulation leicht Manahmen zur Prozessopti-mierung ableiten lassen.

    Die wesentlichen Ursachen fr den Verzug sind nach [1] nichtthermische Volumennderungen und plastische Verformungen. Die erstgenannte Ursa-che wird durch Volumennderungen des Werkstoffs aufgrund von Gefge-umwandlungen whrend der Wrme-behandlung hervorgerufen. Plastische Verformungen treten auf, wenn die im Bauteil vorliegenden Eigenspannun-gen die materialspezifische Streckgren-ze berschreiten.

    Da in kommerziellen FEM-Program-men die Gefge-, Eigenspannungs- und Verzugsentwicklung bei der Warm- und Halbwarmmassivumformung zu-meist nur unzureichend abgebildet wird, erfolgt die programmtechnische Erweiterung um die relevanten Werk-stoffmechanismen in Form von Unter-programmen in das FEM-Programm Msc.Marc 2007r1. Die entwickelten Unterprogramme basieren auf be-kannten physikalischen und empi-rischen Gleichungen sowie auf zahl-reichen Werkstoffdaten, die z.B. das Zeit-Temperatur-Umwandlungsverhal-

    ttsanalyse eines Umformprozesses mittels statistischer Versuchsplanung zur Bestimmung der wesentlichen Ein-flussparameter auf den Verzug.

    Simulation von Auf- und Entkohlungsvorgngen

    Auf- und Entkohlungsvorgnge beru-hen auf Diffusionsvorgngen von Koh-lenstoff im Stahl und werden ther-misch aktiviert bzw. gewinnen mit steigenden Temperaturen zunehmend an Bedeutung. Triebkraft ist dabei eine vom Werkstoff verschiedene Kohlen-stoffkonzentration in der Umgebungs-atmosphre des Werkstcks.

    Diffusionsvorgnge knnen durch das 2. FICKsche Gesetz

    ten beschreiben. Aufgrund der ro-busten automatischen Remeshing- und Kontaktalgorithmen im genutzten FE-System knnen auch komplexe Bauteil-geometrien in der Simulation abgebil-det und die Vernderung der in den Unterroutinen bercksichtigten Werk-stoffmechanismen whrend des Um-formprozesses bercksichtigt werden.

    Im Rahmen dieser Studie wird die Ent- und Aufkohlung der Werkstcke, die Gefgeumwandlung und die durch diese induzierten Eigenspannungen in der Prozesssimulation bercksichtigt. Im Folgenden werden die grundle-genden Anstze zur Beschreibung die-ser Werkstoffmechanismen vorgestellt und anhand von Versuchen validiert. Anschlieend erfolgt eine Sensitivi-

    Analogie zwischen der Lsung von Diffusionsvorgngen und TemperaturfeldernBild 1

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    beschrieben werden. Hierbei ist die Variable c die Kohlenstoffkonzentrati-on, der Faktor D der Diffusionskoeffi-zient des Kohlenstoffs im Grundmate-rial sowie der Faktor t die Zeit. Weiter-hin werden die drei Raumrichtungen in kartesischen Koordinaten mit x, y, und z bezeichnet.

    Im Bereich des bergangs von Werk-stck und Atmosphre finden ver-schiedene chemische Reaktionen statt. Beispielsweise sind dies nach [1] bei der Aufkohlung von Stahl vor allem Reaktionen des Metalls mit den in der kohlenstoffreichen Atmosphre vor-kommenden Verbindungen CO, H2, CH4 und anderen Kohlenwasserstof-fen. Zur Beschreibung dieser mannig-faltigen Vorgnge wird die Massen-stromdichte

    (2)

    des Kohlenstoffs herangezogen [2]. Dabei besteht ein linearer Zusam-menhang zur Differenz des Kohlen-stoffanteils in der Umgebung cU und dem Kohlenstoffanteil an der Ober-flche cO des Werkstcks. Der Faktor ist die Kohlenstoffbergangszahl und wird nach [3] mit einem Wert von=110-5cm/sangenommen.

    Die Lsung des Differentialglei-chungssystems fr die Auf- und Ent-kohlung erfolgt ber das gesamte Bau-teil mit Hilfe der Finite-Element-Me-thode (FEM). Um dies zu erreichen, wird die Entsprechung zwischen den Gleichungen zur Beschreibung der Diffusion und der Wrmeleitung aus-genutzt. Die hnlichkeit der Glei-chungstrukturen ist zur Veranschauli-chung in Bild 1 dargestellt.

    Die mathematische Struktur beider Gleichungssysteme ist hnlich. Somit knnen Diffusionsvorgnge auf die gleiche Weise wie Temperaturfelder numerisch gelst werden. Die gesuch-te Konzentration entspricht der Tem-peratur und die weiteren Feldgren stehen wie in Bild 1 dargestellt in Ana-logie zueinander. Bei der Berechnung der Kohlenstoffdiffusion kann die Wrmekapazitt cp und die Dichte auf den Wert 1 gesetzt werden, sodass der Wert fr die Wrmeleitfhigkeit dem Diffusionskoeffizienten D ent-

    Betrachteter GesenkumformprozessBild 4

    Gegenberstellung der Gefgeanteile und Eigenspannungen aus Messung und Simulati-on (C45E)

    Bild 3

    Vergleich der simulierten und gemessenen Entkohlungstiefe bei einer Ofenerwrmung auf 850 C

    Bild 2

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    spricht. Da der Diffusionskoeffizient D des Kohlenstoffs stark temperatur-abhngig ist und ebenfalls von der Ge-fgestruktur abhngt, mssen beide Einflsse bei der Simulation von Ent- und Aufkohlungsvorgngen berck-sichtigt werden. Dies geschieht durch die sequentielle Kopplung des Modells zur Berechnung des Temperaturfeldes und dem zur Berechnung der Diffusi-onsvorgnge. Die Berechnung der Ge-fgeumwandlung bei der Erwrmung erfolgt entsprechend dem in [4] vorge-stellten Modell.

    Dieser Ansatz zur Berechnung von Ent- und Aufkohlungsvorgngen wird mit Hilfe von Erwrmungsversuchen validiert. Dazu wird eine zylindrische Probe aus dem Stahl C45E (1.1191) in einem Ofen in einer Zeit von 20 min auf 850 C erwrmt und anschlieend in Wasser abgeschreckt. Durch das schnelle Abschrecken wird eine weite-re Kohlenstoffdiffusion weitgehend verhindert. Im Simulationsmodell werden als Randbedingungen ein kon-vektiver Wrmebergang und ein Kohlenstoffbergang nach Gleichung (2) an den Kontaktflchen der Probe zur Atmosphre angenommen. Wei-terhin wird ein konstanter Kohlen-stoffanteil von 0 % in der Ofenatmo-sphre zugrundegelegt.

    Ein Vergleich der gemessenen und berechneten Entkohlungstiefe in der Probe ist in Bild 3 dargestellt. Die me-tallographische Untersuchung der Randschicht ergibt eine Entkohlungs-tiefe von 139 m < Exp < 153 m. Zur Auswertung der Simulation wird die Definition nach [5] herangezogen. Da-nach entspricht die Entkohlungstiefe dem Oberflchenabstand, bei dem die Kohlenstoffkonzentration c einem Wert von 92 % der Ausgangskonzen-tration c0 im Werkstck betrgt. Somit wird eine Entkohlungstiefe von Sim = 141 m berechnet.

    Bercksichtigung des Kohlenstoff-gehalts bei der Gefge- und Eigenspannungssimulation

    Aufgrund des unterschiedlichen Koh-lenstoffgehalts der Werkstckrand-schicht und des Werkstckkerns weicht das Umwandlungsverhalten in beiden Bereichen voneinander ab. Insbeson-dere wird durch eine Erhhung des Kohlenstoffgehalts die Umwandlung von Austenit in die Sekundrgefge

    Paretodiagramm hinsichtlich der Zielgre VerzugBild 6

    Beschreibung des Verzugs mittels symmetrischer DifferenzBild 5

    Ferrit, Perlit, Bainit und Martensit ver-zgert.

    Die Umwandlung des Austenits in die Sekundrgefge wird entspre-chend des Ansatzes in [6] modelliert. Hierfr werden isotherme ZTU-Schaubilder bentigt. Um den Ein-fluss des Kohlenstoffes auf das Um-wandlungsverhalten zu bercksichti-gen, wird das empirische Modell von Li et al. [7] fr die Modellierung der diffusionsgesteuerten Phasenumwand-

    lungen verwendet. Die Kalibrierung dieses Modells erfolgte anhand vieler kontinuierlicher ZTU-Schaubilder verschiedener Sthle, sodass das Um-wandlungsverhalten als Funktion der chemischen Zusammensetzung be-schrieben wird.

    Zur Beschreibung der diffusionslo-sen Umwandlung von Austenit in Martensit in Abhngigkeit des Koh-lenstoffgehalts wird die empirisch ge-wonnene Formel

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    Ms[C]=520320.C50.Mn30.Cr20.(Ni+Mo)5. (Cu+Si) (3)

    nach PoPov [8] fr die Martensitstart-temperatur Msverwendet. Die Kinetik der martensitischen Gefgeumwand-lung wird mittels der KoISTINEN und MARBURGER Gleichung

    (4)

    beschrieben. Dabei wird der Phasen-anteil des Martensits mit M und die Temperatur mit T bezeichnet. Die Pa-rameter und sind nach Tabelle 1 in Abhngigkeit der Martensitstart-temperatur Ms zu bestimmen.

    Der Kohlenstoffgehalt eines Stahls beeinflusst nicht nur sein ZTU-Verhal-ten, sondern auch die Eigenspan-nungsentwicklung. Zur Bercksichti-gung der Gefgeumwandlung in der numerischen Simulation der Eigen-spannungsentwicklung wird der fol-gende Ansatz gewhlt. Das Dehnungs-inkrement dij wird durch die Summe des elastischen (el), plastischen (pl), thermischen (th), umwandlungsbe-dingten (tr) und des umwandlungspla-stischen (tp) Dehnungsanteils

    (5)

    beschrieben. Durch eine nderung des Kohlenstoffgehalts werden vor al-lem die thermischen, umwandlungs-bedingten und umwandlungsplasti-schen Dehnungen beeinflusst.

    Die Modellierung der thermischen und umwandlungsbedingten Span-nungen erfolgt durch Zusammenfas-sen beider Dehnungsanteile zu (6)

    Die Summe beider Dehnungsanteile wird dabei als Funktion der gemittel-ten Gitterkonstanten an und der Tem-peratur T zu Beginn (t) und am Ende eines Zeitschritts (t+t) beschrieben. Der Faktor ij steht fr das KRoNE-CKERsymbol. Die gemittelten Gitter-konstanten werden durch die Gefge-anteile und die Gitterkonstanten der einzelnen Phasen bestimmt. Diese sind nach [9] in Abhngigkeit des Kohlenstoffanteils definiert.

    Durch Volumen- und Formnderun-gen der Kristalle whrend der Phasen-umwandlung muss sich die weichere

    Phase an die Umgebung der hrteren Phase anpassen. Dies fhrt zu kompli-zierten Eigenspannungszustnden, die plastisches Flieen verursachen, auch wenn die ueren Spannungen kleiner als die Fliespannung des Werkstoffs sind. Durch uere Spannungen wird der Effekt entweder initiiert oder ver-strkt. Diese Vorgnge werden durch die umwandlungsplastischen Dehnun-gen (7)

    modelliert. Entsprechend des Ansatzes fr die umwandlungsbedingten Deh-nungen kann die Volumennderung (dV/V),k bei der Umwandlung von Au-stenit () in ein Gefgegemisch aus Fer-rit, Perlit, Bainit und Martensit (Pro-duktphasen k, Phasenanteile k) in Abhngigkeit des Kohlenstoffgehalts beschrieben werden. Weiterhin sind die Fliespannung des Austenits y, , die Vergleichsspannung nach MisesvM und der Spannungsdeviator sij gege-ben. Die Korrekturfunktion h ist nach [10] definiert durch (8)

    Damit wird die Eigenspannungsent-stehung in Abhngigkeit des lokalen Kohlenstoffgehalts des Werkstoffs be-schrieben.

    Am Beispiel kombinierter Stauch- und Abkhlprozesse werden die Un-terprogramme und werkstoffbezoge-nen FEM-Simulationen experimentel-len Untersuchungsergebnissen gegen-bergestellt. Dieser relativ einfache Versuchsaufbau erlaubt Parameterva-riationen bei gleichzeitig vernachls-sigbaren Geometrieeinflssen auf die Werkstoffvorgnge. Die Umformtem-peratur betrgt 1200 C, wobei die Probe bis zu einem Umformgrad von = 0,7 gestaucht wird. In Bild 3 sind die berechneten und experimentell er-mittelten Gefgeanteile sowie Eigen-spannungen bei Wasserabkhlung auf halber Hhe der gestauchten Probe ge-genbergestellt. Die experimentellen Ergebnisse beruhen auf umfangrei-chen qualitativen und quantitativen metallographischen Auswertverfahren (Linearanalyse und Punktzhlmetho-de) bezglich der Gefgeanalyse. Die

    Eigenspannungen werden mittels Rntgendiffraktometrie gemessen. Die sehr gute bereinstimmung der Er-gebnisse aus der Simulation und dem Experiment ist ein Indikator fr die Qualitt der entwickelten Unterpro-gramme.

    Simulationsgesttzte Sensitivittsanalyse

    Im Allgemeinen wird zur Optimierung von Prozessen die One-factor-at-a-time Methode angewendet. Dem Namen entsprechend wird bei dieser Methode whrend einer Versuchsreihe bzw. Si-mulationsreihe immer nur ein Ein-flussfaktor variiert. Die anderen Para-meter werden konstant gehalten. In anschlieenden Versuchen wird dieser Faktor auf dem optimalen Niveau ge-halten und jeweils ein anderer Parame-ter verndert. Auf diese Weise knnen keine Wechselwirkungen zwischen den unterschiedlichen Faktoren festgestellt werden. Somit wird nur ein scheinbar optimales Versuchsergebnis erzielt. Ei-ne Mglichkeit zur Ermittlung opti-mierter Prozessparameter ist die Me-thode der statistischen Versuchspla-nung. Diese wird in diesem Beitrag auf den in Bild 4 beschriebenen Gesenk-schmiedeprozess angewendet.

    Die bercksichtigten Einflussgren und ihre Minimal- und Maximalwerte sind in Tabelle 2 zusammengefasst. Ziel dieser Analyse ist die Bestimmung der wesentlichen Einflussgren auf den Verzug des betrachteten, rotati-onssymmetrischen Bauteils. Dieser wird als

    (9)

    definiert. Dabei bezeichnet die Opera-tion Aist Asoll die symmetrische Dif-ferenz der Istflche Aist mit der Sollfl-che Asoll (Bild 5). Bei der symmet-rischen Differenz handelt es sich um die Flchenelemente, die jeweils in ei-ner, aber nicht in beiden Flchen lie-gen. Eine Erweiterung auf dreidimen-sionale Problemstellungen ist mglich, wenn die Flchen durch Volumina er-setzt werden.

    Zur Gegenberstellung der Auswir-kungen einzelner Einflussgren auf die Zielgre Verzug eignet sich das sogenannte Paretodiagramm. Das Pa-retodiagramm zeigt die Effekte nach ihrer absoluten Gre sortiert (Bild 6).

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    In diesem Paretodiagramm sind eben-falls die sogenannten p-Niveaus (p > 0,01, p > 0,001) eingetragen. Das p-Ni-veau gibt die Wahrscheinlichkeit fr einen Fehler bei der Akzeptanz eines beobachteten Ergebnisses an. Liegt ein Effekt auerhalb des Bereichs p > 0,01 bzw. p > 0,001 bedeutet dies, dass der Effekt grer als die Zufallsstreuung ist und im 99 %- bzw. 99,9 %-Vertrauens-bereich der Untersuchung liegt. Im Fol-genden werden Effekte im 99 %-Ver-trauensbereich als signifikant und Ef-fekte im 99,9 %-Vertrauensbereich als hochsignifikant bezeichnet.

    Wie in Bild 6 zu erkennen ist, ist die Temperatur T der hochsignifikante Einflussfaktor. Die gilt sowohl fr den linearen als auch den quadratischen Faktor. Einzige signifikante Gre ist der Faktor v2. Interessant ist, dass die Abkhlmethodik bei dem betrachte-ten Bauteil weder einen hochsignifi-kanten noch einen signifikanten Ein-fluss besitzt. Dies ist darin begrndet, dass im Rahmen dieser Untersuchun-gen ein sehr kompaktes Bauteil be-trachtet wird, das weniger verzugsan-fllig als Bauteile mit filigranen Struk-turen ist.

    Zusammenfassung

    Die Vorhersage von Eigenspannungen und Verzgen stellt groe Anforderun-gen an die numerische Prozesssimula-tion, da komplexe Werkstoffvorgnge einbezogen werden mssen. Im Rah-men dieser Studie wurden verschiede-ne Anstze zur Bercksichtigung von Ent- und Aufkohlungsvorgngen, der Gefgeumwandlung und Eigenspan-nungsentwicklung vorgestellt. Diese wurden anhand experimenteller Unter-suchungen validiert.

    Durch die im Rahmen dieses Beitrags entwickelten Unterprogramme und die gewonnenen Erkenntnisse wird dem potenziellen Nutzer die Mglichkeit erffnet, optimierte Prozessbedingun-gen bei der Warm- und Halbwarmmas-sivumformung einzustellen und ein Hchstma an Ma- und Formhaltig-keit der gefertigten Bauteile mit den gewnschten mechanischen Eigen-schaften zu realisieren.

    Parameter Approximation

    0,36102 + 0,1104 MS 0,34106 MS2 + 0,32108 MS3 0,521011 MS4

    2,08 0,76102 MS + 0,16104 MS2 0,9108 MS3

    Tabelle 1 Parameter der KOISTINEN-MARBURGER-Gleichung, vgl. [8]

    Einflussgre Bezeichnung Minimal Maximal

    Werkstcktemperatur T [C] 600 900

    Erwrmungsdauer tErw [min] 20 120

    Umformgeschwindigkeit v [mm/s] 300 1000

    Reibfaktor m [-] 0,1 0,3

    Wrmebergangskoeffizient hkont [W/m2K] 10.000 40.000

    Werkzeugtemperatur TWz [C] 100 300

    Abkhlmethode hAbk [W/m2K] 20 (Luft) 12.000 (Wasser)

    Tabelle 2 Bercksichtigte Einflussgren in der Sensitivittsanalyse

    Literatur[1] Grosch, J.: Einsatzhrten: Grundlagen Ver-fahren Anwendung Eigenschaften einsatzge-hrteter Gefge und Bauteile. 2. Auflage, Expert Verlag Renningen, 2007

    [2] Bargel, H.-J.; Schulze, G.: Werkstoffkunde. VDI-Verlag, Dsseldorf, 1988

    [3] AWT-Fachausschuss 5, Arbeitskreis 4: Die Prozessregelung beim Gasaufkohlen und Einsatz-hrten. Expert Verlag, Renningen, 1997

    [4] Doege, E.; Dittmann, J.: Vorhersage der Mik-rostruktur und mechanischen Eigenschaften ge-schmiedeter Bauteile durch FEM-Simulation. Ma-terialwissenschaft und Werkstofftechnik, Verlag WILEY-VCH, S. 683 - 690, 02/2002

    [5] Gegner, J.: Komplexe Diffusionsprozesse in Metallen. Expert Verlag, Renningen, 2006

    [6] Doege, E.; Dittmann, J.; Neumaier, T.: FEM- Simulation of Phase Transformations for Steel in

    Metalforming with integrated Heat-treatment. Euromat99, Munich, Proceeding, Vol. 7, S. 39 - 44, 09/1999

    [7] Li, M. V.; Niebuhr, D. V.; Meekisho, L. L.; At-teridge, D. G.: A Computational Model for the Pre-diction of Steel Hardenability. Metallurgical and Materials Transactions B, Volume 29B, S. 661 - 672, 1998

    [8] Schumann, H.: Metallographie, 13. Auflage, Deutscher Verlag fr Grundstoffindustrie GmbH, Leipzig,1991

    [9] Wildau, M.: Zum Einflu der Werkstoffeigen-schaften auf Spannungen, Eigenspannungen und Manderungen von Werkstcken aus Stahl. Dis-sertation, RWTH Aachen, 1986

    [10] Leblond, J. B.: Mathematical modelling of transformation plasticity in steels II: coupling with strain hardening phenomena. International Jour-nal of Plasticity 5, S. 573 591, 1989

    Autoren

    Prof. Dr.-Ing. Bernd-Arno Behrens studierte Ma-schinenbau an der Universitt Hannover und pro-movierte am Institut fr Umformtechnik und Um-formmaschinen (IFUM) der Universitt Hannover. Seit 2004 ist er Direktor des IFUM.

    Dipl.-Ing. Philipp Olle studierte Maschinenbau an der Universitt Duisburg-Essen. Seit 2005 ist er wis-senschaftlicher Mitarbeiter am IFUM.

    M. Sc. Tobias Gtze studierte Computergesttzte Ingenieurswissenschaften an der Leibniz Universi-tt Hannover. Seit 2008 ist er wissenschaftlicher Mit-arbeiter am IFUM in der Abteilung Numerische Methoden.

    IFUM Institut fr Umformtechnik und Umformmaschinen

    An der Universitt 2

    D-30823 Garbsen

    Tel.: +49 511 762-2264

    Internet: http://www.ifum.uni-hannover.de