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ÖGD im inklusiven Sozialraum Prof. Dr. Rolf Rosenbrock
Berlin, 23. Juni 2014 Soziale Lage und Gesundheit
1
Soziale Lage und Gesundheit
Tagung Deutscher Verein
Öffentlicher Gesundheitsdienst im inklusiven Sozialraum
Prof. Dr. Rolf Rosenbrock
Berlin, 23. Juni 2014
ÖGD im inklusiven Sozialraum Prof. Dr. Rolf Rosenbrock
Berlin, 23. Juni 2014 Soziale Lage und Gesundheit
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Sozial bedingte Ungleichheit von Gesundheitschancen
Merkmale:
Ausbildung
Stellung im Beruf
Einkommen
Menschen aus dem „untersten“ Fünftel der Bevölker-
ung tragen im Durchschnitt in jedem Lebensalter ein
Ungefähr doppelt so hohes Risiko, ernsthaft zu
erkranken oder vorzeitig zu sterben, wie Menschen
aus dem „obersten“ Fünftel.
Rosenbrock (2000)
ÖGD im inklusiven Sozialraum Prof. Dr. Rolf Rosenbrock
Berlin, 23. Juni 2014 Soziale Lage und Gesundheit
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Das „soziale Dilemma der Gesundheitspolitik“
Dieselben Gruppen und Schichten der Bevölkerung, die das
größte Risiko tragen zu erkranken, behindert zu sein oder
vorzeitig zu sterben, verfügen zugleich über:
das geringste Einkommen,
den geringsten Bildungsstand,
die geringsten Gestaltungsmöglichkeiten,
die schwächste soziale Unterstützung durch kleine
soziale Netze (social support), und
den geringsten politischen Einfluss, sowohl individuell
als auch als Gruppe.
ÖGD im inklusiven Sozialraum Prof. Dr. Rolf Rosenbrock
Berlin, 23. Juni 2014 Soziale Lage und Gesundheit
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Jeder sollte eine faire Chance erhalten,
seine Gesundheitspotenziale voll
auszuschöpfen,
d. h. alle vermeidbaren Hemmnisse zur
Erreichung dieses Potenzials sollen
beseitigt werden.
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Berlin, 23. Juni 2014 Soziale Lage und Gesundheit
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Gesundheit der Bevölkerung
Drei Megatrends:
steigende Lebenserwartung
Dominanz chronischer Erkrankungen
sozial bedingte Ungleichheit von
Gesundheitschancen
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Berlin, 23. Juni 2014 Soziale Lage und Gesundheit
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Compression of
morbidity
Wenn das Lebensalter beim Beginn chronischer
Erkrankungen im Bevölkerungsdurchschnitt
schneller steigt als die Lebenserwartung
zunimmt, verringert sich der Anteil „kranker
Jahre“ an der Lebenszeit.
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Berlin, 23. Juni 2014 Soziale Lage und Gesundheit
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Versorgungsanforderungen Entwicklung der
Pflegebedürftigen im Vergleich
0
500000
1000000
1500000
2000000
2500000
3000000
3500000
4000000
4500000
2010
2011
2012
2013
2014
2015
2016
2017
2018
2019
2020
2021
2022
2023
2024
2025
2026
2027
2028
2029
2030
2031
2032
2033
2034
2035
2036
2037
2038
2039
2040
2041
2042
2043
2044
2045
2046
2047
2048
2049
2050
Status Quo
Kompressionsthese
Quelle: GBE (2009), Statistisches Bundesamt (2006a), eigene Darstellung, eigene Berechnung
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Herausforderung:
ungleiche Gesundheitschancen
70
8177
85
57
71
61
71
50
55
60
65
70
75
80
85
90
95
100
Lebenserwar tung
Männer
Lebenserwar tung
Frauen
Lebenserwar tung
i .g.G. Männer
Lebenserwar tung
i .g.G. Frauen
0-60% Net to Äquivalenzeinkommen
> 150% Net to Äquivalenzeinkommen
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Allgemeine und gesunde Lebenserwartung bei
Geburt nach Einkommensposition und Geschlecht
Quelle: Kroll et al. 2008
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Lebenslagen mit hoher Vulnerabilität
• Arbeitslosigkeit
• Alter
• Geringe formale Bildung
• Migrationshintergrund
• Allein erziehende Eltern
• Mehrere Kinder
• Behinderung
• Chronische Erkrankungen
…in Kombination mit geringem Einkommen/Armut
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Bedarf:
Nachhaltige Strategien und Interventionen, die ohne
Diskriminierung insbesondere bei sozial benachteiligten
Menschen
die Manifestation chronisch-degenerativer
Erkrankungen vermeiden oder verschieben
das Leben mit chronischer Krankheit bzw.
Behinderung qualitativ verbessern und verlängern
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Dahlgren und Whitehead (1991)
Die Determinanten von Gesundheit
Dahlgren und Whitehead (1991)
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Gesundheitschancen
^ =
Gesundheitsbelastungen Gesundheitsressourcen
physische physische
psychische psychische
soziale soziale
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Gesundheitsressourcen
werden benötigt, um
die psychischen und physischen Bewältigungsmög-
lichkeiten von Gesundheitsbelastungen zu erhöhen,
die Handlungsspielräume zur Überwindung
gesundheitlich belastenden Verhaltens zu vergrößern,
die Handlungskompetenzen für die Veränderung solcher
Strukturen zu entwickeln und freizusetzen, die
a) entweder direkt Gesundheit belasten oder
b) gesundheitsbelastendes Verhalten begünstigen.
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Gesundheitsressourcen (objektiv)
Bildung
Einkommen
Handlungsspielräume
soziales Kapital
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Gesundheitsressourcen
(subjektiv)
Selbstwertgefühl
Selbstwirksamkeit
Reziproke Einbindung
‚Sinn‘
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Gesundheitsressourcen („intern“, „subjektiv“)
Wille zum Sinn (Viktor Frankl)
self efficacy (Albert Bandura)
locus of control (Julian Rotter)
hardiness (Suzanne Kobasa)
sense of coherence (Aaron Antonovsky)
empowerment (Julian Rappaport)
control of destiny (Leonard Syme)
health literacy (Ilona Kickbusch)
…
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Interventionen nach dem ‚state of the art‘ der
Gesundheitsförderung
zielen sowohl auf Belastungssenkung als auch auf
Ressourcenförderung ab,
nehmen sowohl krankheitsspezifische als auch
unspezifische Belastungen und Ressourcen in den Blick,
berücksichtigen gesundheitsrelevante Kontexte (Settings)
und verändern sie,
beziehen in größtmöglichem Ausmaß die
Zielgruppen der jeweiligen Intervention auf allen
Stufen der Problembearbeitung ein,
sind projektangemessen qualitätsgesichert.
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Einkommensungleichverteilung
Quelle: Wilkinson/Pickett (2010), S. 102
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Monoton gleichgerichtete Befunde zu
Sozialer Mobilität (-)
Vertrauen (-)
Ängsten (+)
Menschen im Gefängnis (+)
Drogenkonsum (+)
Teenage Pregnancy (+)
Übergewicht (+)
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Arbeitsmarktpolitik
Verteilungspolitik
Sozialpolitik
Bildungspolitik
Familienpolitik
… ist Gesundheitspolitik
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Jährliche Todesrate durch Tuberkulose in
England und Wales 1840–1960
Quelle: McKeown (1976)
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Typen und Arten der Primärprävention
Forschungsgruppe Public Health43
Typen und Arten der Primärprävention
z. B.HIV/Aids-Kampagne
z. B.‚Esst mehr Obst’‚Sport tut gut’‚Rauchen gefährdet die Gesundheit’
Bevölkerung
z. B.Betriebliche Gesundheitsförderung als Organisationsentwicklung
z. B.Anti-Tabak-Aufklärung in Schulen
Setting
z. B.‚präventiver Hausbesuch’
z. B. Ärztliche Gesundheitsberatung
Individuum
Beeinflussung des Kontexts
Information, Aufklärung, Beratung
‚Peer education‘ Schwangerschaft, Alter
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Ein Setting ist ein durch
formale Organisation und/oder
regionale Situation und/oder
gleiche Lebenslage und/oder
gemeinsame Werte/Präferenzen
definierter Sozialzusammenhang.
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Setting-Intervention
systemische und partizipative
Intervention
Identifikation von Zielen und Aktionen
durch Stakeholder
Veränderung von Wahrnehmung,
Verhalten und Strukturen
Ziel: „lernende Organisation“
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Die Wirkung einer Intervention von
außen ist nicht vorhersagbar; sie hängt
von den komplexen internen
Kommunikationsmustern ab, die sich in
einem permanenten Veränderungsprozeß
befinden.
Grossmann/Scala (1994)
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Public Health Action Circle
Policy
Formulation
Evaluation
Assurance Assessment
Quelle: Institute of Medicine, The Future of Public Health, Washington, D.C., 1988
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Gesundheitsförderung
durch
Prozess
und
Ergebnis
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Setting-Interventionen
von
Knowledge – Attitude – Practice (KAP)
zu
Practice – Attitude – Knowledge (PAK)
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Gesundheitsförderung im Setting
≠
gesundheitsförderliches Setting
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Setting-Interventionen
Betrieb
Quartier/Dorf
Soziale Brennpunkte
KiTa, Schule, Hochschule
Altenheime
…
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Gemeinde/Kommune
‚besitzt‘ gestaltbare settings
kann gestaltbare settings beeinflussen
kann gestaltbare settings verbinden
ist ein gestaltbares setting
erreicht zusätzliche Zielgruppen
hat politische Gestaltungsmöglichkeiten
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Gemeinde/Kommune
Kindertagesstätten
Schulen
Eigenbetriebe
Ämter/Fachdienste/Verwaltung
…
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Prävention im kommunalen Sozialraum:
Gemeinschaftsaufgabe
Kommunalverwaltung/ÖGD
Zivilgesellschaft
Unternehmen
Medizinische Versorgung
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Setting-Interventionen
Zwei vermeidbare Konzeptfehler
‚zu kurz springen‘
falsche Versprechungen
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Die Politik bedeutet ein starkes
langsames Bohren von harten
Brettern mit Leidenschaft und
Augenmaß zugleich.
Max Weber (1919)