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Acta Chir. Austriaca Heft 1 1995 51 Orginalarbeiten Aus der I. Chirurgischen Abteihmg der Krankenanstalt Rudolfstif- tung, Wien Sp&tergebnisse nach Magenbypassoperation wegen morbider Fettsucht*) W. Blauensteiner, St. Kriwanek, L Blauensteiner und Ph. Beckerhinn Schliisselwi~rter: Morbide Fettsucht - Magenbypass - Spcitergeb- nis~'e. Key-words: Morbid obesity - gastric b3pass - long term results. Zttsammenfassung: Hintergrund: Der Magenbypass stelh eine effektive chirurgische Therapie der morbiden Fettsucht dar. Der Erfolg der Therapie wird durch die erreichte Gewichtsreduktion und die vom Patienten positiv empfundene Normalisierung des EI3verh',fltens bestimmt. Ziel dieser retrospektiven Studie war es, die Langzeitergebnisse zu evaluieren. Methodik: 103 Patienten wurden nach der Methode von Mason- Griffith operiert, Das prtioperative Durchschnittsgewicht betrug 123,5 kg. Der Body-Mass-lndex (BMI) war 44.6. Bei 54 Patien- ten liegen Langzeitergebnisse mit einem durchschnittlichen Be- obachtungszeitraum von 6,6 Jahren vor, Das K/~rpergewicht und der BMI wurden pr,ioperativ und bei der Nachuntersuchung mittels Student-t-Test ausgewertet. Ergebnisse: Die perioperative Letalit~it betrug 1%. lnsgesamt traten 10 chirurgisch (technische) Komplikationen auf (< 10%). Das Krrpergewicht bei der Nachuntersuchung betrug durch- schnittlich 88,5 kg, bei einer Reduktion yon 35 kg (p < 0.05). Der BMI konnte durchschnittlich um 12,9 auf 32,1 reduziert werden (p < 0,05). Die adiposit~s-assoziierten Begleiterkrankungen konnten um mehr als 50% reduziert werden. Bei 5 Patienten wurde die erreichte Gewichtsreduktion als nicht ausreichend angesehen (BMI fiber 35 bzw. BMI-Abnahme unter 10). Bei 2 Patienten waren technische Grfinde (Pouchgr68e, Anastomosen- weite) dafiir verantwortlich. Jene 3 Patienten, die trotz erreichter Gewichtsreduktion unzufrieden waren, hatten die Wirkungswei- se der Magenbypassoperation trotz em.sprechender Aufld~irung nicht richtig eingesch~itzt. Sie empfanden die UnmOglichkeit weiterhin viel zu essen als Manget. Schlul3folgerungen: In der Beurteilung des Effolges der chirurgi- schen Therapie der morbiden Fettsucht mul3 neben der Gewichts- reduktion, der Abnahme adipositas-assoziierter Begleiterkran- kungen, den operationsbedingten Sp~itfolgen auch die Anderung des EI3verhaltens berficksichtigt werden. Neben der korrekten Operationstechnik spieh die pr~ioperative Aufldfirung eine wich- tige Rolle. /Acta Chit. Austdaca 1995;27:51-54 Late Results of Gastric Bypass Surgery for Morbid Obesity Summary: Background: The gastric bypass is an effective therapy for morbid obesity. Its success depends on the achieved weight reduction and change of patients eating habits, which the patient describes as a good achievement, Aim of this retrospec- tive study was to evaluate the long term results, *) Univ.-Prof. Dr. Karl Dinstl zum 65. Geburtstag gewidmet. Methods: 103 patients underwent surgery according to the me- thod of Mason-Griffith. The average weight preoperative was 123.5 kg. The Body Mass Index (BMI) was 44.6. After a follow- up of average of 6.6 years long term results of 54 patients are presented. The body weight and the BMI were compared preop- erative and at the lbllow-up investigation with Student's paired t-test. Results: The perioperative lethality was 1%. 10 surgical com- plications were noticed (< 10%). The body weight at the long term follow-up investigation was 88.5 kg in average. The reduc- tion was 35 kg (p < 0,05). The BMI was reduced by at about 12.9 to 32,1 (p < 0.05). Adipositas associated concomittant diseases could also be reduced at about 50%. In 5 cases the results were not satisfactory. (BMI > 35, reduction of BMI < I0). In 2 cases the therapeutical failure was caused by technical reasons (size of the pouch, anastomosis). 3 patients were dissatisfied with the re- sult postoperatively. Despite their achieved weight loss and the apt preoperative information they were nevertheless not fully aware of the effects of the operation. Those patients were still longing for an increased intake of food. Conclusions: To evaluate the success one must not only into account the weight loss, the reduction of the adipositas associated concomittant diseases and the sequels, but also the change of eat- ing habits. However. not only surgical technique is an important tactor, it is also essential to instruct the patient before gastric by- pass surgery, to expect a change in his eating habits. Einleitung Die durch 13berern~ihrung. verursachte extreme Fettsucht stellt die Betroffenen und deren Arzte vor zahlreiche Probleme (5). Als Ubergewicht gilt eine mehr als 20%ige GewichtserhiShung fiber das Normalgewicht bzw. ein Body-Mass-Index (BMI) von mehr als 27,2 bei M~innern und 26.9 bei Frauen. Der BMI wird aus Krrpergewicht in Kilogramm/Krrpergrrl3e in Meter zum Quadrat errechnet. Der Krankheitswert der morbiden Obesitas (BIvll fiber 40) gilt als bewiesen (4. 10. l 1). Ein vermehrtes Auf- treten yon Hypertonie, Hypercholesterinfimie, Hyperlipid~imie. Diabetes mellitus, respiratorischen Problemen und Gelenkser- krankungen bei Adip6sen ist bekannt (12). Der ,.dicke" und um so mehr der ,,extrem dicke'" Patient kiimpfen in unserer Gesell- schaft h~iufig mit psychosozialen Problemen, was zusammen mit dem zumeist pathologischen El~verhalten zu einem Circulus vi- tiosus fiihrt. H~ufig sind konservative Therapieversuche frustran und ffihren nicht zum erwarteten Ergebnis (3, 4). So stellt die chirurgische Therapie eine zus~itzliche Hilfe zur konservativen Gewichtsreduktion dar. Im folgenden sollen die Sp~itergebnisse nach Magenbypassoperation analysiert werden. Patienten und Methodik In I0 Jahren wurde an der I. Chirurgischen Abteilung der Krankenanstalt Rudolfstiftung, Wien. an 103 Patienten ein Ma- genbypass zur Behandlung der morbiden Fettsucht durchget~ihrt. Von diesen 103 Patienten waren 82 Frauen und 21 M~,J.nnermit einem Durchschnittsalter yon 36 Jahren (16 his 64 Jahre). Das durchschnittliche Ausgangsgewicht der Patienten betrug 128 kg (93 bis 230 kg). Der errechnete BMI war im Durehschnitt 44.6 (32,0 bis 76.1). Bei tiber 80% der Patienten fanden sich praoperativ adipositas- assoziierte Begleiterkrankungen (Hypertonie, Hypercholesteri- mimie, Hyperlipid:,imie, Diabetes mellitus, respiratorische Er- krankungen und Gelenksprobleme). Bei allen Patienten, die zur Magenbypassoperation zugewiesen wurden, waren in der Ver- gangenheit glaubwtirdige jedoch erfolglose konservative Di~it- versuche durchgeftihrt worden. Nach Ausschlul~ yon endokrinen Ursachen (Morbus Cushing, Cushing-Syndrom, Hypothyreose) ffir das extreme lJbergewicht wurden die Patienten vom behan- delnden Chirurgen aufgeklart. In diesem Aufkl~irungsgesprfi.ch wurde die Wirkungsweise der Magenbypassoperation erklart. Korrespondenzanschrift: Dr. W. Blauensteiner, 1. Chirurgische Abteilung, Krankenanstalt Rudolfstiftung, Juchgasse 25, A-1030 Wien.

Spätergebnisse nach Magenbypassoperation wegen morbider Fettsucht

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Acta Chir. Aus t r i aca �9 Hef t 1 �9 1995 51

Orginalarbeiten

Aus der I. Chirurgischen Abteihmg der Krankenanstalt Rudolfstif- tung, Wien

Sp&tergebnisse nach Magenbypassoperation wegen morbider Fettsucht*) W. Blauensteiner, St. Kriwanek, L Blauensteiner und Ph.

Beckerhinn

Schliisselwi~rter: Morbide Fettsucht - Magenbypass - Spcitergeb- nis~'e.

Key-words: Morbid obesity - gastric b3pass - long term results.

Zttsammenfassung: Hintergrund: Der Magenbypass stelh eine effektive chirurgische Therapie der morbiden Fettsucht dar. Der Erfolg der Therapie wird durch die erreichte Gewichtsreduktion und die vom Patienten positiv empfundene Normalisierung des EI3verh',fltens bestimmt. Ziel dieser retrospektiven Studie war es, die Langzeitergebnisse zu evaluieren. Methodik: 103 Patienten wurden nach der Methode von Mason- Griffith operiert, Das prtioperative Durchschnittsgewicht betrug 123,5 kg. Der Body-Mass-lndex (BMI) war 44.6. Bei 54 Patien- ten liegen Langzeitergebnisse mit einem durchschnittlichen Be- obachtungszeitraum von 6,6 Jahren vor, Das K/~rpergewicht und der BMI wurden pr,ioperativ und bei der Nachuntersuchung mittels Student-t-Test ausgewertet. Ergebnisse: Die perioperative Letalit~it betrug 1%. lnsgesamt traten 10 chirurgisch (technische) Komplikationen auf (< 10%). Das Krrpergewicht bei der Nachuntersuchung betrug durch- schnittlich 88,5 kg, bei einer Reduktion yon 35 kg (p < 0.05). Der BMI konnte durchschnittlich um 12,9 auf 32,1 reduziert werden (p < 0,05). Die adiposit~s-assoziierten Begleiterkrankungen konnten um mehr als 50% reduziert werden. Bei 5 Patienten wurde die erreichte Gewichtsreduktion als nicht ausreichend angesehen (BMI fiber 35 bzw. BMI-Abnahme unter 10). Bei 2 Patienten waren technische Grfinde (Pouchgr68e, Anastomosen- weite) dafiir verantwortlich. Jene 3 Patienten, die trotz erreichter Gewichtsreduktion unzufrieden waren, hatten die Wirkungswei- se der Magenbypassoperation trotz em.sprechender Aufld~irung nicht richtig eingesch~itzt. Sie empfanden die UnmOglichkeit weiterhin viel zu essen als Manget. Schlul3folgerungen: In der Beurteilung des Effolges der chirurgi- schen Therapie der morbiden Fettsucht mul3 neben der Gewichts- reduktion, der Abnahme adipositas-assoziierter Begleiterkran- kungen, den operationsbedingten Sp~itfolgen auch die Anderung des EI3verhaltens berficksichtigt werden. Neben der korrekten Operationstechnik spieh die pr~ioperative Aufldfirung eine wich- tige Rolle.

/Acta Chit. Austdaca 1995;27:51-54

Late Results of Gastric Bypass Surgery for Morbid Obesity

Summary: Background: The gastric bypass is an effective therapy for morbid obesity. Its success depends on the achieved weight reduction and change of patients eating habits, which the patient describes as a good achievement, Aim of this retrospec- tive study was to evaluate the long term results,

*) Univ.-Prof. Dr. Karl Dinstl zum 65. Geburtstag gewidmet.

Methods: 103 patients underwent surgery according to the me- thod of Mason-Griffith. The average weight preoperative was 123.5 kg. The Body Mass Index (BMI) was 44.6. After a follow- up of average of 6.6 years long term results of 54 patients are presented. The body weight and the BMI were compared preop- erative and at the lbllow-up investigation with Student's paired t-test.

Results: The perioperative lethality was 1%. 10 surgical com- plications were noticed (< 10%). The body weight at the long term follow-up investigation was 88.5 kg in average. The reduc- tion was 35 kg (p < 0,05). The BMI was reduced by at about 12.9 to 32,1 (p < 0.05). Adipositas associated concomittant diseases could also be reduced at about 50%. In 5 cases the results were not satisfactory. (BMI > 35, reduction of BMI < I0). In 2 cases the therapeutical failure was caused by technical reasons (size of the pouch, anastomosis). 3 patients were dissatisfied with the re- sult postoperatively. Despite their achieved weight loss and the apt preoperative information they were nevertheless not fully aware of the effects of the operation. Those patients were still longing for an increased intake of food.

Conclusions: To evaluate the success one must not only into account the weight loss, the reduction of the adipositas associated concomittant diseases and the sequels, but also the change of eat- ing habits. However. not only surgical technique is an important tactor, it is also essential to instruct the patient before gastric by- pass surgery, to expect a change in his eating habits.

Einleitung Die durch 13berern~ihrung. verursachte extreme Fettsucht stellt

die Betroffenen und deren Arzte vor zahlreiche Probleme (5). Als Ubergewicht gilt eine mehr als 20%ige GewichtserhiShung

fiber das Normalgewicht bzw. ein Body-Mass-Index (BMI) von mehr als 27,2 bei M~innern und 26.9 bei Frauen. Der BMI wird aus Krrpergewicht in Kilogramm/Krrpergrrl3e in Meter zum Quadrat errechnet. Der Krankheitswert der morbiden Obesitas (BIvll fiber 40) gilt als bewiesen (4. 10. l 1). Ein vermehrtes Auf- treten yon Hypertonie, Hypercholesterinfimie, Hyperlipid~imie. Diabetes mellitus, respiratorischen Problemen und Gelenkser- krankungen bei Adip6sen ist bekannt (12). Der ,.dicke" und um so mehr der ,,extrem dicke'" Patient kiimpfen in unserer Gesell- schaft h~iufig mit psychosozialen Problemen, was zusammen mit dem zumeist pathologischen El~verhalten zu einem Circulus vi- tiosus fiihrt. H~ufig sind konservative Therapieversuche frustran und ffihren nicht zum erwarteten Ergebnis (3, 4). So stellt die chirurgische Therapie eine zus~itzliche Hilfe zur konservativen Gewichtsreduktion dar. Im folgenden sollen die Sp~itergebnisse nach Magenbypassoperation analysiert werden.

Patienten und M e t h o d i k In I0 Jahren wurde an der I. Chirurgischen Abteilung der

Krankenanstalt Rudolfstiftung, Wien. an 103 Patienten ein Ma- genbypass zur Behandlung der morbiden Fettsucht durchget~ihrt. Von diesen 103 Patienten waren 82 Frauen und 21 M~,J.nner mit einem Durchschnittsalter yon 36 Jahren (16 his 64 Jahre). Das durchschnittliche Ausgangsgewicht der Patienten betrug 128 kg (93 bis 230 kg). Der errechnete BMI war im Durehschnitt 44.6 (32,0 bis 76.1).

Bei tiber 80% der Patienten fanden sich praoperativ adipositas- assoziierte Begleiterkrankungen (Hypertonie, Hypercholesteri- mimie, Hyperlipid:,imie, Diabetes mellitus, respiratorische Er- krankungen und Gelenksprobleme). Bei allen Patienten, die zur Magenbypassoperation zugewiesen wurden, waren in der Ver- gangenheit glaubwtirdige jedoch erfolglose konservative Di~it- versuche durchgeftihrt worden. Nach Ausschlul~ yon endokrinen Ursachen (Morbus Cushing, Cushing-Syndrom, Hypothyreose) ffir das extreme lJbergewicht wurden die Patienten vom behan- delnden Chirurgen aufgeklart. In diesem Aufkl~irungsgesprfi.ch wurde die Wirkungsweise der Magenbypassoperation erklart.

Korrespondenzanschrift: Dr. W. Blauensteiner, 1. Chirurgische Abteilung, Krankenanstalt Rudolfstiftung, Juchgasse 25, A-1030 Wien.

52 A c t a Ch i r . A u s t r i a c a �9 He f t 1 �9 1995

Die Patienten wurden auf die Unm6glichkeit, weiterhin viel zu essen, besonders hingewiesen. Aul3erdem wurden die Patienten pr~ioperativ darauf aufmerksam gemacht, dal3 durch hochkalori- sche bzw. fltissige Nahrung der Operationserfolg beztiglich Ge- wichtsabnahme gefahrdet ist.

Alkoholabusus und psychiatrische Erkrankungen stellten Kon- traindikationen for diesen Eingriff dar. Bei allen Patienten wurde nach entsprechender internistischer Vorbereitung und DurchfiJh- rung einer atemphysiologischen Untersuchung bei pulmonalen Problemfallen ein Magenbypass nach Mason-Griffen angelegt.

Operationstechnik (Magenbypass nach Mason-Griffen)

Nach medianer Laparotomie und 2 bis 3 cm langer Skelettie- rung der grogen und kteinen Kurvatur im Bereich yon Fundus und Kardia wurde mit Hilfe yon 2 Klammemahtgeriiten (TA 90 USSC) ein Fundus-Pouch yon nicht mehr als 50 ml Fassungsverm6gen ge- bildet. Die Pouchgr61.~ wurde intraoperativ durch Messen mit einem Magband bestimmt (6 x 2 x 2 cm). Anschliegend erfolgte die Durch- trennung des Magens zwischen den Klammemahtreihen und die Anastomosierung des Pouchs mJt einer nach Y-Roux ausgeschalte- ten Jejunumschlinge, wobei die Anastomose maximal 10 mm im Durchmesser hatte. Die Fuf3punktanastomose wurde 80 cm distal der Gastrojejunostomie angetegt, um einen zus~itzlichen Malabsorp- tionseffekt zu erzielen (Abb. I). In allen F~illen wurde eine periope- rative Antibiotikaprophylaxe mit einem gtingigen Cephalosporin durchgef'tihrt (One-Shot-Gabe). Bis zur Entlassung (durchschnittlich am 10. postoperativen Tag) wurde eine Low-Dose-Heparinthmm- boseprophylaxe verabreicht.

4 Patienten wurden aus technischen Grtinden splenektomiert. An Begleiteingriffen erfolgte 86real eine Leberfeinnadelbiop-

sie, 18real eine Cholezystektomie, 2mal eine Hemienreparation. 6real eine Appendektomie und 1 real eine Zystikusstumpfnachre- sektion.

Nachuntersuchung

Die Patienten wurden in unserer Adipositasambulanz klinisch nachuntersucht. Die Lebensumst~inde, die Emahrungsgewohn-

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heiten und die Patientenzufriedenheit schrifllich mittels Frageb6- gen effragt. Die Laborchemie (komplettes Blutbild mit Differen- tialblutbild. Cholesterin- und Triglyzeridwerte, Ntichternblutzuk- ker und Leberparameter) wurde von den Patienten zur Nachun- tersuchung mitgebracht.

Statistische Methode

Alle Patientendaten wurden mittels der Datenbank dBase llI+ effagt.

Der Operationsertolg wurde objektiv durch den Gewichtsver- gleich vor und zur Zeit der Nachuntersuchung definiert. Die sub- jektive Zufriedenheit der Patienten mit dem Operationserfolg wurde nach einer 3stufigen Notenskala (1 = sehr zufrieden. 2 = zufrieden, 3 = wenig zufrieden) mit dem BMI kon'eliert. Dabei wurden die durchschnittlichen BMl-Werte der 3 Gruppen sowie das Gewicht vorund zur Zeit der Nachuntersuchung mittels Stu- dent-t-Test auf statistisch signifikante Unterschiede iiberpriift. Ein p < 0,005 wurde ats signifikant angesehen.

E r g e b n i s s e

Perioperative Morbiditfit und Letalit/it

Bei 10 Patienten traten chirurgisch (technische) Komplikatio- nen auf (10%). Bei 4 Patienten wurde eine Anastomosendehis- zenz der Gastrojejunostomie beobachtet. 1 Patient verstarb an den Folgen dieser Anastomosendehiszenz am 4. Tag nach Rela- parotomie (Letalit~t 1%). In 1 Fall trat eine Pouchnekrose ohne Peritonitis auf, die dutch Pouchresektion und Anlegen einer Oso- phagojejunostomie erfolgreich behandelt werden konnte. Ein kleiner subphrenischer Abszefl wurde ultrmschallgezielt punk- tiert. Eine durch Koagulationsschaden bedingte Magenperfora- tion mul3te iibem~ht werden. Bei 1 Patienten wurde dutch das Auftreten eines Platzbauches (bedingt durch Nahtbruch) eine Reintervention n6tig. An weiteren chirurgischen Komplikationen beobachteten wit eine oberflfichliche Wundinfektion und ein gr6i3eres Wundhtimatom.

Bei 6 Patienten (6%) traten interne nichtletale Komplikationen auf. Alle 6 Komplikationen waren pulmonal bedingt (4 Lungen- embolien trotz konsequenter Low-Dose-Heparinisierung). 4 Pa- tienten mugten maximal 3 Tage lang nachbeatmet werden.

Klinische Nachuntersuchung

Von 95 Patienten konnten durch klinische Untersuchung, Fra- gebogen und Laborbefunde Nachuntersuchungsdaten evaluiert werden. Von den iibrigen 8 Patienten sind 2 bei Verkehrsunf'fillen verstorben, 6 Patienten konnten aufgrund ihres Aufenthaltes im Ausland nicht nachuntersucht werden. Bei 54 Patienten (57%) liegen klinische Nachuntersuchungsdaten nach mehr als 3 Jahren vor. Das Durchschnittsgewicht bei der Nachuntersuchung betrug 88,5 kg (52 bis 170 kg). Das entspricht einer Reduktion von 35 kg (11 bis 83 kg) gegeniiber dem Ausgangswert von 128 kg (93 bis 230 kg; p < 0,05). Der durchschnitttiche BMI betrug 32,1 (19 bis 55,5) bei einer Reduktion von 12,9 (4,3 bis 30,5; p < O,O5).

An weiterbestehenden adipositas-assoziierten Begleiterkran- kungen konnten wir 5mal (8%) eine Hypercholesterin~imie fest- stellen, bei 3 Patienten (5%) bestand ein behandlungsbedtirftiger Diabetes mellitus, in 5 Fttllen (8%) eine Hypertonie (Tab. 1).

Tab. l. Reduktion der adipositas-assoziierten Begleiterkrankungen (54 Patienten wurden im Langzeitverlauf klinisch untersucht).

bei NU

i Diab. mell. l Hypertonie

I Hypercholestefin~nie

i Fcttleber (PE)

p~op.

n = 13 (25%)

rt = 17 (31%)

n = 13 (25%)

n = 29 (56%)

n = 3 (5%)

n = 5 (8%)

n = 5 (8%)

Pr~iop = praoperativ. NU = Nachuntersuchung, Diab. mell. = Diabetes mellitus, PE Abb. 1. Operationsskizze: Magenbypass nach Mason-Griffith. = Probeexzision, N'adelbiopsie

Acta Chir. Austr iaca �9 Heft 1 . 1995 53

An operationsbedingten Sp~itfolgen trat bei 7 Patienten eine Anttmie auf, 3 Patienten litten unter h~iufigem Erbrechen, 3 Pa- tienten unter Diarrhren. Bei keinem der Befragten bestanden Re- fluxbcschwerden. 30 Patienten arbeiten im selben oder einem gleichwertigen Beruf. Der Fragebogen zur subjektiven Beurtei- lung des Operationserfolges (= Gewichtsreduktion) war nur von 40 der 54 tiber 3 Jahre beobachteten Patienten auswertbar (Tab. 2).

Tab. 2. VerTleich der subjektiven Beurteihtng des Patienten zu objek- tiven Kriterien bei 40 Patienten. 14 Patienten machten at<f den Frtzge- brgen keine Angaben iiber die subjektive Beurteilung und konnten ~omir nicht ausgewertet werden.

Subjektive ~ Gew. bei Beurteilung Pat. NU (in k~) durch Pat. '

sehr zufrieden 15 82

zufrieden 7 88,7

unzufrieden 18 94

Obiektive Beu~eilun~

Abnahme BMI (in kg)

39,3 28.8

32.1 32,4

28,8 34,9*

BMI Abnahme

14+2

11,5

10.8"*

Relation ,.sehr zutrieden +" zu ,,unzufricden": p < 0,05 ** BMI-Abnahme: p < 0.05 BMI = B~ty-Mass-lndex (Ki~rpergewicht in Kilogramm / Korpergr,38e th Meter zum Quad~tt)

15 Patienten waren mit dem Operationsergebnis sehr zufrie- den, 18 Patienten unzufrieden (Tab. 2). In 5 Fallen wurde die er- reichte Gewichtsreduktion uns als nicht ausreichend beurteilt (BMI i.iber 35 und Abnahme des BM[ unter 10). Die Ursache fi.ir die zu geringe Gewichtsreduktion waren 2real technisch bedingt ( t in Magenpouch yon 100 ml, eine Gastrojejunostomie mit 20 mm Durchmesser). In den anderen 3 Fallen hatten die Patien- ten grol3e Kalorienmengen in vielen kleinen Portionen zu sich ge- nommen und deshalb wenig abgenommen.

Die Zufriedenheit der Patienten korrelierte mit der erzielten Gewichtsabnahme, wobei ouch in der Gruppe der unzufriedenen Patienten deutliche Gewichtsreduktionen erzielt worden waren (Tab. 2). 3 Patienten empfanden ihren Zustand trotz erfolgreicher Gewichtsabnahme wegen der erzwungenen ~,nderung des EI3ver- haltens als unbe[riedigend. Auch diese F~illen wurden als thera- peutische MiBerfolge gewertet.

An plastisch-chirurgischen Sekund~ireingriffen wurden 28 FettschiJrzenresektionen und 4 Reithosenplastiken durchgefbhrt.

Diskussion So sehr konservative Mal3nahmen mit wechselndem Langzeit-

erfolg in der Therapie des lYbergewichts zur Anwendung ge- bracht werden, so wenige Erfolgsaussichten bestehen damit in der Behandlung der morbiden Fettsucht. Die durch ~rztlich kon- trollierte Reduktionsdi~iten erzielten Gewichtsabnahmen bei ex- trem Ubergewicht!gen sind htiufig nur von kurzer Dauer (3, 4). Der Versuch, die Uberern:,ihrung durch Ver~inderung des El3ver- haltens mittels Psychotherapie in den Griff zu bekommen, ist hfiufig frustran. Am Ende all dieser MaBnahmen steht dann in vielen Ftillen die chirurgische Therapie der Fettsucht. Da die Ma- genbypassoperation eine invasive, aber trotzdem nur symptoma- tische Therapie des l~Tbergewichtes darstellt, ist die Indikation streng zu stellen. Auch darf die Operation immer nur in Kombi- nation mit konservativen TherapiemaBnahmen erfolgen. Zu for- dern ist die prfi- und postoperative F+.ihrung der Patienten in einer speziellen Adipositasarnbulanz. Wichtig ist auch eine interdiszi- plin~ire Beratung der Patienten durch Chirurgen, Internisten, En- dokrinologen, Psychologen und Di~itassistenten.

Um den Erfolg der chirurgischen Therapie zu objektivieren, ist es notwendig, die Sptitergebnisse zu untersuchen.

Dabei erscheint es wesentlich, nicht nur auf die objektiv eva- luierbaren Faktoren wie Abnahme des BMI und der adipositas- assoziierten Begleiterkrankungen, sondern ouch auf die Zufrie- denheit der Patienten zu achten. Die Effizienz der durch die Ope- ration erzielten Gewichtsabnahme ist unbestritten. Alle Studien

zeigen einen anhaltenden Gewichtsverlust (1, 7, 15, 16). Auch die positiven metabolischen Folgen der Gewichtsabnahme sind gesichert (6, 17). lm nachuntersuchten Patientenkollektiv konnte eine Reduktion des Diabetes mellitus von 25 auf 5% und eine Senkung der Hypercholesterintimie von 25 auf 8% erzielt wer- den. Trotzdem ist eine positive Auswirkung der Gewichtsreduk- tion auf das lJberleben noch nicht bewiesen. Deshalb muB die Letalit~it der chirurgischen Therapie geringer sein als das Risiko der Adipositas selbst (14). [ n d e r Literatur wird eine Operations- letalit~it von 0,2 bis 1,8% angegeben (1, 15, 16). Im hier beschrie- benen Krankengut lag sie bei knapp 1%. Auch die operationsbe- dingte Sp~itmorbidit~it muB gering sein. Im eigenen Patientengut trat nur in 7 F?ilten (13%) eine mti/3iggradige An~imie auf (2). Durch strengste Indikationsstellung, exakte chirurgische Technik und entsprechende perioperative Betreuung der Patienten ist es m6glich, die chirurgisch-technischen Probleme in den Griff zu bekommen (8, 13). Um technische Mit3erfolge zu vermeiden, ist eine exakte Pouchgr613e (50 ml) und Anastomosenweite (10 ram) anzustreben. MiBerfolge bedingt durch htiufige Aufnahme hoch- kalorischer Mahlzeiten (Soft-Drinks, Snacking) lassen sich auch durch wiederholte Erntihr'tmgsberatungen nicht immer vermei- den. Ein wesentl icher Unsicherheitsfaktor fi.ir den erzielbaren Therapieerfolg ist ouch die Psyche der Patienten. Oft ist es trotz eingehender prtioperativer Patientenautkl~xung nicht mOglich, die Patienten vor falschen Vorstellungen und Erwartungen be- zLiglich der chirurgischen Therapie der Fettsucht zu bewahren.

Trotz plastisch-chirurgischer Sekund~eingr i f fe gelingt es bei e inem Drittel der Patienten nicht, die Wunschvorstel lung vom idealen K0rper zu verwirklichen. Die Unterbrechung des patho- logischen Circulus vitiosus des EBverhaltens ist ein Schltisselfak- tot. D. h. die Patienten miissen akzeptieren, dab sie postoperativ nur mehr geringe Nahrungsport ionen zu sich nehmen krnnen. So raubt man nun rnanchem Patienten die Lust am Essen und somit

.zum Teil ouch die Lust am Leben. Dauerhafte Erfolge in der The- rapie der morbiden Obesitas sind nut dutch ein interdisziplin:,ires Gesamtkonzept (3) zu erzielen. Ideal ist eine Patientenbetreuung in einer Adipositasambulanz in der eine pr~i- und postoperative Ern~hrungsberatung durchgefiJhrt wird. Die Patienten miJssen ouch postoperativ psychologisch betreut werden. Weiters sollten auch oben erw~'ante plastisch-chirurgische Sekund~reingriffe an der behandelnden Abteilung angeboten werden. Berticksichtigt man all diese Faktoren, kOnnen gute Erfolge bez~glich Gewichts- reduktion. Abnahme adipositas-assoziierter Begleiterkrankungen und Patientenzufriedenheit erzielt werden.

L i t e r a t u r

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