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Pharmatechnik 14 Achema Highlights 2015 Turbulenz ist der Feind des gleichmäßigen Coatings. An der Luftführung hängt beim Tablettencoating nicht nur die Qualität des Überzugs, sondern auch die Prozess- dauer, die Sauberkeit der Trommel und des Sprüharms sowie Flexibilität der Maschine. Der Pharma-Maschi- nenspezialist Glatt hat auf der Achema einen neuen Trommelcoater vorgestellt, bei dem nicht nur die Luft- führung ganz neu gedacht wurde: Auch Containment, Reinigung und hohe Flexibilität bei der Chargengröße gehörten zu den Entwicklungszielen. Als ältestes Verfahren zur Beschichtung und Verede- lung von Arzneiwirkstoffen ist das Trommelcoating ein echter Klassiker. Tabletten, Kapseln oder sehr große Pellets werden in Trommelcoatern mit Zuckerüberzü- gen, Lacken und sogar Wirkstoffen überzogen. Die Schicht um die Tablette hat entscheidenden Einfluss auf die Wirkstofffreisetzung. Das Coating erleichtert dem Patienten außerdem die Einnahme und auch ein unan- genehmer Geschmack des Wirkstoffs lässt sich durch Coating maskieren. In den vergangenen Jahren zielte die Weiterentwick- lung bestehender Trommelcoater vor allem darauf, einzelne Aspekte wie das Handling für den Bediener zu vereinfachen, die Steuerung auf den neuesten Stand zu bringen oder die Reinigungseigenschaften zu verbes- sern. „Auch wir standen vor der Überlegung, ob wir unsere bestehenden Maschinen – darunter der Coater GC Smart – weiter verbessern wollen“, sagt Pascal Mo- ritz, Geschäftsführer der Schweizer Glatt AG – einem Glatt stellt neuen Coater GCC vor Tablettencoaten neu definiert Der Autor: Armin Scheuermann ist Chefredakteur von CHEMIE TECHNIK und Pharma+Food Der Trommelcoater wurde von Grund auf neu konstruiert Tablettenbett beim Entleervorgang: Durch Umkehren der Dreh- richtung werden die Tabletten restlos ausgetragen ENTSCHEIDER-FACTS Für Tabletten- hersteller Der zur Achema vorge- stellte Trommelcoater GCC verfügt über eine neuartige Luftführung und einen längeren und aufgeräumten Sprüh- arm, der per Laser-Ab- standsmessung wäh- rend des Prozesses automatisch positio- niert wird. Die Coatingzeit lässt sich um bis zu 30 Pro- zent reduzieren Der Coater kann mit ei- ner Befüllmenge ab 10 % betrieben wer- den. PROFI-GUIDE Branche Pharma Food Kosmetik Chemie Funktion Planer Betreiber Einkäufer Manager Tochterunternehmen des Pharmamaschinen-Spezialis- ten Glatt aus dem südbadischen Binzen. „Wir haben uns entschieden, eine komplett neue Maschine zu kon- struieren, weil erst im Zusammenspiel der verschiede- nen verbesserten und neuen Funktionen ein Quanten- sprung erreicht wird“, erläutert Moritz die Überlegung, die zur Entwicklung des auf der Achema erstmals vor- gestellten Coaters GCC führte. „Unser Ziel lautete, den Coatingprozess schneller und besser zu machen“, er- gänzt Dr. Jochen Thies, Entwicklungsleiter bei Glatt. Die wichtigsten Verfahrensschritte beim Filmcoating sind Sprühen, Trocknen und Mischen. Daneben werden

Tablettencoaten neu definiert - Glatt · GC Smart – weiter verbessern wollen“, sagt Pascal Mo-ritz, Geschäftsführer der Schweizer Glatt AG – einem Glatt stellt neuen Coater

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Page 1: Tablettencoaten neu definiert - Glatt · GC Smart – weiter verbessern wollen“, sagt Pascal Mo-ritz, Geschäftsführer der Schweizer Glatt AG – einem Glatt stellt neuen Coater

Pharmatechnik

14 Achema Highlights 2015

Turbulenz ist der Feind des gleichmäßigen Coatings. An der Luftführung hängt beim Tablettencoating nicht nur die Qualität des Überzugs, sondern auch die Prozess-dauer, die Sauberkeit der Trommel und des Sprüharms sowie Flexibilität der Maschine. Der Pharma-Maschi-nenspezialist Glatt hat auf der Achema einen neuen Trommelcoater vorgestellt, bei dem nicht nur die Luft-führung ganz neu gedacht wurde: Auch Containment, Reinigung und hohe Flexibilität bei der Chargengröße gehörten zu den Entwicklungszielen.

Als ältestes Verfahren zur Beschichtung und Verede-lung von Arzneiwirkstoffen ist das Trommelcoating ein echter Klassiker. Tabletten, Kapseln oder sehr große Pellets werden in Trommelcoatern mit Zuckerüberzü-gen, Lacken und sogar Wirkstoffen überzogen. Die Schicht um die Tablette hat entscheidenden Einfluss auf die Wirkstofffreisetzung. Das Coating erleichtert dem Patienten außerdem die Einnahme und auch ein unan-genehmer Geschmack des Wirkstoffs lässt sich durch Coating maskieren.

In den vergangenen Jahren zielte die Weiterentwick-lung bestehender Trommelcoater vor allem darauf, einzelne Aspekte wie das Handling für den Bediener zu vereinfachen, die Steuerung auf den neuesten Stand zu bringen oder die Reinigungseigenschaften zu verbes-sern. „Auch wir standen vor der Überlegung, ob wir unsere bestehenden Maschinen – darunter der Coater GC Smart – weiter verbessern wollen“, sagt Pascal Mo-ritz, Geschäftsführer der Schweizer Glatt AG – einem

Glatt stellt neuen Coater GCC vor

Tablettencoaten neu definiert

Der Autor:

Armin Scheuermann ist Chefredakteur von CHEMIE TECHNIK und Pharma+Food Der Trommelcoater wurde von Grund auf neu konstruiert

Tablettenbett beim Entleervorgang: Durch Umkehren der Dreh-richtung werden die Tabletten restlos ausgetragen

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Für Tabletten- hersteller

●● Der zur Achema vorge-stellte Trommelcoater GCC verfügt über eine neuartige Luftführung und einen längeren und aufgeräumten Sprüh-arm, der per Laser-Ab-standsmessung wäh-rend des Prozesses automatisch positio-niert wird.

●● Die Coatingzeit lässt sich um bis zu 30 Pro-zent reduzieren

●● Der Coater kann mit ei-ner Befüllmenge ab 10 % betrieben wer-den.

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Pharma ●●●●●

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Betreiber ●●●●●

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Tochterunternehmen des Pharmamaschinen-Spezialis-ten Glatt aus dem südbadischen Binzen. „Wir haben uns entschieden, eine komplett neue Maschine zu kon-struieren, weil erst im Zusammenspiel der verschiede-nen verbesserten und neuen Funktionen ein Quanten-sprung erreicht wird“, erläutert Moritz die Überlegung, die zur Entwicklung des auf der Achema erstmals vor-gestellten Coaters GCC führte. „Unser Ziel lautete, den Coatingprozess schneller und besser zu machen“, er-gänzt Dr. Jochen Thies, Entwicklungsleiter bei Glatt. Die wichtigsten Verfahrensschritte beim Filmcoating sind Sprühen, Trocknen und Mischen. Daneben werden

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Aspekte des Containments, der Reinigung und der Handha-bung für die Prozessbetreiber immer wichtiger. Um die Leis-tung zu erhöhen, wurde die Trommel des GCC gegenüber dem Vorgängermodell GC Smart etwas verlängert. „Das schafft Platz für ein bis zwei zu-sätzliche Düsen“, konkretisiert Thies. Um bis zu 30 Prozent soll dadurch die Coatingzeit sinken. Doch eine höhere Sprühleistung erfordert gleichzeitig auch mehr Luft, um die im Sprühlack ent-haltene Flüssigkeit abzuführen. Und mit „viel hilft viel“ ist es hier nicht getan. Denn die Kunst besteht darin, überall in der voll perforierten Trommel des Coa-ters dieselben, laminaren Strö-mungsverhältnisse einzustellen, um eine gleichmäßige Sprühbe-schichtung und Trocknung zu erreichen. Sonst kann es vor-kommen, dass Tabletten nicht nur ungleichmäßig beschichtet werden, sondern auch mitein-ander verkleben.

Erreicht wird die gleichmä-ßige Durchströmung der Trom-mel und des Tablettenbetts durch einen neu konstruierten Diffusor. Während bei anderen Herstellern und Maschinen der Luft-Einlass über einen an der sich drehenden Trommel anlie-genden Schuh erfolgt, sorgt der Diffusor für eine sehr gleich-mäßige Verteilung der Luft über eine große Fläche der per-forierten Trommel. Wie gut das funktioniert, lässt sich auch an der vergleichsweise geringen und gleichmäßigen Verschmut-zung der Düsen und des Sprüh-arms ablesen. Doch auch die bei Glatt genutzte Computersi-

mulation zeigt, wie gleichmä-ßig Trommel und Tablettenbett durchströmt werden. Im Bild sind Bereiche mit laminarer Luftströmung blau eingefärbt. Deutlich zu erkennen ist dabei, dass der Sprüharm sich an der Stelle mit der niedrigsten Luft-Strömungsgeschwindigkeit be-findet.

neuer düsenarm automatisch justierbarEin weiterer Schlüssel zu gleich-mäßigen und präzise beschich-teten Tabletten ist die Konstruk-tion und Einstellung der Sprüh-düsen. Diese hat der Hersteller gemeinsam mit dem Düsenspe-zialisten Schlick entwickelt. Die Besonderheit: Jede Düse auf dem Sprüharm kann einzeln an-gesteuert und individuell einge-stellt werden. Bei den bislang genutzten GCSD-Düsen waren dazu für jede Düse drei Luftlei-tungen und eine Produktleitung für den Coatinglack notwendig – auf dem Düsenarm ein ziemli-cher Schlauchsalat. „Unsere Kunden wünschten sich von uns, dass wir den Sprüharm ver-einfachen, ohne den Vorteil der individuellen Steuerung einzel-ner Düsen aufzugeben“, erklärt Moritz. Gelungen ist dies nun, indem die drei Luftleitungen in den Sprüharm integriert wur-den. Dadurch wird die Reini-gung des Sprüharms deutlich vereinfacht. „Wir hatten uns au-ßerdem die Aufgabe gestellt, dass möglichst viele gleiche Tei-le von den bisher verwendeten Düsen genutzt werden sollen. Bis auf den Düsenkörper wurde das auch erreicht“, sagt Thies. Neben der Konstruktion der

Pascal Moritz ist Geschäftsführer der Glatt AG in Pratteln

Wir haben uns entschieden, eine komplett neue Maschine zu konst-ruieren, weil erst im Zusammen-spiel der verschiedenen verbesser-ten und neuen Funktionen ein Quantensprung erreicht wird

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Einen Link zu einer Videopräsentation finden Sie unter www.pharma-food.de/1501pf913 oder per QR Code.

Düsen und des Sprüharms spielt aber noch ein weiteres Detail eine wichtige Rolle für ein gleichmäßiges Coa-ting: „Der Abstand zwischen Düse und Tablettenbett muss in einem sehr engen Spektrum angepasst werden“, erklärt Thies. Dazu hat der Hersteller in seinen Sprüh-arm eine Laserabstandsmessung integriert und steuert darüber den Abstand zwischen Düse und Tablettenbett vollautomatisch. „Die Elektronik dazu ist eigentlich Standard“, beschreibt Thies, „die Kunst besteht darin, Sensor und Elektronik vor den Umgebungsbedingun-gen zu schützen.“ Nicht nur hohe Temperaturen, son-dern auch automatische Reinigungsprozesse sowie Sprühnebel setzen der Optik im wahrsten Sinne des Wortes zu. Neben der Abstandsmessung übrigens auch bei der Infrarot-Temperatursensorik ein Problem. Um dieses zu lösen, sind die Sensoren in einem speziellen Gehäuse unterge-bracht und werden im Prozess und während Reinigung per Druckluft gespült.

Durch die hohe Sprüh- und Luft-leistung des neuen Coaters lässt sich einerseits eine engere Toleranz bei der Beschichtung erreichen (Coa-ting Uniformity), doch für Herstel-ler, die Präparate nach einem vali-dierten Rezept herstellen, dürfte der Zeitfaktor die wichtigere Rolle spielen: Der geforderte Lackauftrag wird nach sehr viel kürzerer Zeit erreicht.

Kleine Batches ab 10 % Befüllmenge möglichFür zahlreiche „Aha-Erlebnisse“ unter den Achema-Be-suchern sorgte vor allem auch die Flexibilität der Ma-schine: Während für Trommelcoater ein Arbeitsbereich zwischen 30 und 100 % Befüllmenge üblich ist, lassen sich mit der neuen Maschine auch kleine Batches verar-beiten, bei denen der Füllgrad bei lediglich 10 % liegt. Vor allem für Testzwecke ein nicht zu unterschätzender Faktor. „Diese niedrige Füllmenge lässt sich ohne auf-wändige Umbaumaßnahmen erreichen“, sagt Pascal Mo-ritz: „Lediglich die Mischelemente müssen entfernt werden.“ Für das gleichmäßige Durchmischen solch kleiner Tablettenmengen reichen dann die fest eingebau-ten Austragselemente.

Überhaupt hat der Maschinenhersteller sich im Hin-blick auf die immer wichtigere Forderung der Pharma-industrie nach „Full Containment“ intensiv mit dem Problem des Tablettenaustrags auseinander gesetzt. Nicht nur die automatische restlose Entleerung muss dabei gegeben sein, sondern es muss konstruktiv sicher

gestellt werden, dass keine unvollständig befilmten Ta-bletten während des Prozesses im Entleerkanal landen und dort verbleiben. Gelöst wurde das mit einer Klap-pe, die während des Coatings den Entleerkanal ver-schließt und erst beim Entleervorgang – für den die Drehrichtung der Trommel analog zur Ziehung der Lottozahlen umgekehrt wird – öffnet.

containment von charge zu chargeUm echtes Containment zu erreichen, sind die seitlichen Inspektionstüren sowie die vordere Tür des Coaters mit aufblasbaren Dichtungen ausgestattet und das Coating geschieht im Unterdruck. Damit auf keinen Fall Luft aus dem hinter der Wand untergebrachten Antriebs- und Technikbereich in den Prozessraum gezogen wird, wur-de die dafür zuständige Abdichtung neu konzipiert und mit einer Leckageüberwachung ausgestattet. Gleichzei-tig wird so sichergestellt, dass keine hochaktiven Subs-tanzen in den Wartungsbereich gelangen. Auch die Probenahme während des Prozesses erfolg unter „Full Containment“-Bedingungen. Befüll- und Entleervor-gänge lassen sich ebenfalls im geschlossenen Zustand durchführen.

„Containment bedeutet aber auch Reinigung“, er-klärt Dr. Jochen Thies. Diese lässt sich beim neuen GCC komplett automatisch durchführen. Dazu sind zwischen Coatergehäuse und Trommel sowie in der Trommel selbst Zielstrahlreiniger installiert. Auch der

Düsenarm ist mit rotierenden Reinigungsdüsen ausge-rüstet, welche die Coatingdüsen von vorne abstrahlen. „Der Coater ist so konstruiert, dass er auch CIP-fähig ist“, erklärt Thies. Damit sich schon vor der Reinigung möglichst wenig Rückstände im Coater ablagern, ha-ben die Elemente der Maschine glatte Oberflächen, wenig Ecken und Kanten und bei der Konstruktion wurden Hinterschneidungen vermieden.

„Wir haben uns bei der Neuentwicklung viele Ge-danken zu den einzelnen Funktionen und Verbesse-rungen gemacht und sicherlich dabei zahlreiche High-lights gesetzt. Aber entscheidend ist das Zusammen-spiel der einzelnen Eigenschaften – und das wird erst in der Praxis deutlich“, fasst Pascal Moritz zusammen: „Um das zu erleben, laden wir Interessierte Produzen-ten ein, den Coater bei uns im Labor zu testen – wir sind sicher, dass wir hier einen neuen Benchmark ge-setzt haben.“ ●

Luftströmung im Coa-ter. Per Computersimu-lation werden hier drei

vertikale Schnitte durch den Coater ge-

zeigt (vorne, mitte, hin-ten). Die Luft strömt vom Diffusor (rechts

unten) in Richtung Ab-luftschuh (links unten). Bereiche mit turbulen-ter Strömung sind rot eingefärbt. Zu erken-

nen ist, dass in der Trommel um den

Sprüharm die niedrigs-te Strömungsge-

schwindigkeit herrscht (dunkelblau)

Der Sprüharm ist mit einem Laser-Abstands-

sensor ausgestattet. Dadurch kann der Ab-stand zwischen Düse

und Tablettenbett automatisch geregelt

werden

Bild

er: G

latt

Dr. Jochen Thies ist Entwicklungsleiter bei Glatt in Pratteln

Unser Ziel lautete, den Coatingprozess schneller und besser zu machen