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Thomas Erdmann DKW AUTOMOBILE - Delius Klasing · 2017. 4. 20. · DEW – Der Elektro-Wagen Die DKW Automobile mit Heckantrieb Das erste serienmäßige DKW Automobil: DKW P 15 Zahlenspiele:

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DKW AUTOMOBILE

Thomas Erdmann

Delius Klasing Verlag

Edition Audi Tradition

1907–1945

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Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

1. AuflageISBN 978-3-7688-3513-8© by Delius, Klasing & Co. KG, Bielefeld

Lektorat: Alexander FailingSchutzumschlaggestaltung und Layout: Gabriele EngelLithografie: scanlitho.teams, BielefeldDruck: Firmengruppe Appl, aprinta druck, WemdingPrinted in Germany 2012

Alle Rechte vorbehalten! Ohne ausdrückliche Erlaubnis des Verlages darf das Werk weder komplett noch teilweise reproduziert, übertragen oder kopiert werden, wie z. B.manuell oder mithilfe elektronischer und mechanischerSysteme inklusive Fotokopieren, Bandaufzeichnung und Datenspeicherung.

Delius Klasing Verlag, Siekerwall 21, D - 33602 BielefeldTel.: 0521/559-0, Fax: 0521/559-115E-Mail: [email protected]

Außerdem ist von Thomas Erdmann im Delius Klasing Verlag erschienen:Wanderer Automobile (zusammen mit Gerd-G. Westermann)

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Der lange Weg zum AutomobilJörgen Skafte Rasmussen – vom Ingenieur zum UnternehmerRasmussen macht DampfEin kleiner Zweitaktmotor weist den WegDie kleinen SB-Wagen von Slaby-BeringerDEW – Der Elektro-Wagen

Die DKW Automobile mit HeckantriebDas erste serienmäßige DKW Automobil: DKW P 15 Zahlenspiele: DKW 4=8, V 800 Krisenzeiten: DKW 4=8, V 1000Klassengesellschaft: DKW Sonderklasse (432)Vier Zylinder und Vier Ringe: DKW Sonderklasse 1001 und 1002Gegen den Strom: DKW SchwebeklasseHolz und Stahl: DKW Sonderklasse ’37

Die DKW Automobile mit FrontantriebMit Frontantrieb in die Großserienfertigung: DKW Front F 1Komfort in der kleinen Klasse: DKW Front F 2 und F 3Elegant gekleidet: DKW Front F 4Modellvielfalt: DKW Front F 5Mit Einheitskarosserien zum Erfolg: DKW Front F 7Das Übergangsmodell: DKW Front F 8Hohe Klasse: DKW Front F 9

Wahlverwandtschaften – Sportwagen mit DKW TechnikTornax Rex – der kleine KönigDie Karosserien der Gebrüder Ihle

Export und AuslandsfertigungDKW in aller WeltJawa 700 – ein DKW aus PragHolka – die Holzkarosserien aus der SchweizDKW Automobile aus dem Kopenhagener SüdhafenDie DKW Frontwagen von »Down Under«

DKW im AutomobilsportDer Beginn einer sportlichen Karriere DKW bei Rundstrecken- und BergrennenDKW im Gelände- und Zuverlässigkeitssport

Anhang

66

10121924

2727404753576883

9999

118139145174202222

234234237

239239243246253255

258258260271

287

Inhalt

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Die DKW Automobile mit Frontantrieb

Mit Frontantrieb in die Großserienfertigung: DKW Front F 1

Es waren zweifellos die Modelle mit Frontan-trieb, die den großen Erfolg der Marke DKW im Automobilbau begründeten und gleichzeitig entscheidend dazu beitrugen, dass die Auto Union AG in den 1930er-Jahren hinter Opel zum zweitgrößten Automobilhersteller in Deutsch-land aufstieg. Dass es auch die frontangetriebe-nen DKW Wagen waren, die nach dem Zweiten Weltkrieg das Überleben der Vier Ringe ermög-lichten, ist nur eine weitere Episode in einer faszinierenden und facettenreichen Geschichte.Das Jahr 1930 war für die deutsche Kraftfahr-zeugindustrie eine Katastrophe. Die Absatz-zahlen waren ins Bodenlose gesunken. Ständig wachsende Arbeitslosenzahlen gingen einher mit einem enormen Verlust an Kaufkraft und einer starken Verunsicherung der Kunden. Die Zschopauer Motorenwerke, in den voran-gegangenen Jahren durch Ankauf und Über-nahme unzähliger Nebenbetriebe inzwischen zu einem regelrechten Konzern herangewach-sen, besaßen mit ihrer ungemein hohen Ferti-gungstiefe besondere Probleme. Fast sämtliche Teile für die DKW Motorrad- und Automobil-produktion wurden im eigenen Haus herge-stellt. Dies rechnete sich allerdings nur bei einer ausreichend hohen Stückzahl. Ein Überleben in dieser Krise war nur noch durch Bankkredite möglich. Dies galt sowohl für DKW als auch für die seit August 1928 zum Rasmussen-Konzern gehörende Audiwerke AG in Zwickau. Allerdings stand man in Zschopau auch nicht mit leeren Händen da. Bereits seit Mitte 1928

hatte man ein neues und »allen Beteiligten nach zukunftsträchtiges Projekt in Angriff ge-nommen: ein Automobil mit Frontantrieb«. Die Idee, ein Automobil über die Vorderräder anzutreiben, war nicht neu. Dahingehende Ver-suche waren schon in der Frühzeit des Automo-bils angestellt worden. Ab Mitte der 1920er-Jah-re traf man dann auf eine Vielzahl interessanter Frontantriebs-Patente, die auf verschiedene Art und Weise eine Lösung der gleichförmigen Kraftübertragung auf gelenkte Räder boten. Hier nahmen vor allem die Amerikaner und Franzosen eine wichtige Vorreiterrolle ein, aber auch in Deutschland fanden sich Ingenieure, die ihr theoretisches Wissen im Bau von Proto-typen oder Einzelanfertigungen umsetzten.

DKW Front F 1 Roads-ter mit Blechkarosserie von Schneider & Korb

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100 | DIE DK W AUTOMOBILE MIT FRONTANTRIEB

Es ist davon auszugehen, dass Rasmussen über den Münchner Konstrukteur und Motorradfa-brikanten Fritz Cockerell, dessen eigentlicher Name Gockerell lautete, die Idee zum Bau eines Automobils mit Frontantrieb aufgegriffen hatte. Dieser hatte 1925 einen Sportwagen mit Front-antrieb gebaut. Angetrieben wurde der Wagen von einem ebenfalls von Cockerell konstruier-ten 1000-cm³-Vierzylinder-Zweitaktmotor. Im-merhin konnte dieser Wagen 1926 beim sei-nerzeit berühmten Gabelbach-Bergrennen in Ilmenau/Thüringen den zweiten Preis erringen. Das Cockerell’sche Frontantriebsprojekt war bei Rasmussen auf Interesse gestoßen. Im Som-mer 1929 erwarb Rasmussen die Reste der Cockerell’schen Frontantriebswagen zu eige-

nen Versuchszwecken. Im Oktober 1929 ver-meldet die Zeitschrift »Motor-Kritik«:»Wie wir hören, beschäftigt sich in letzter Zeit das Konstruktionsbüro von DKW unter Lei-tung von Blau eifrigst mit dem Vorderradan-triebsproblem, und man soll nach eingehen-den Studien und Versuchen an Cockerells Wägelchen den Entschluss gefasst haben, die Voran-Bauart zur Anwendung zu bringen. Als Antriebsmotor käme der fortentwickelte Vier-zylinder in Betracht. Man sucht die Arbeit zu beschleunigen, sodass schon im Frühjahr (1930, Anm. d. A.) mit der Produktion begon-nen werden kann. Kann – nach DKW Begrif-fen. Dort lässt man ja bekanntlich noch sehr stark den Kunden Versuchskaninchen spie-len. Sonst – der Gedanke, den DKW-Wagen mit Vorderradantrieb zu versehen – einfach bestechend. Das kann konstruktiv etwas Vollendetes geben.«Chefredakteur Josef Ganz machte mit dieser Notiz dem Namen seiner Zeitschrift einmal mehr alle Ehre. Die seinerzeit in der Fachwelt ge- fürchteten Kommentare der »Motor-Kritik« trafen auch hier den Kern, waren doch die DKW Produkte zum Zeitpunkt ihrer Marktein-führung bislang oft wenig ausgereift gewesen.Parallel zum Cockerell-Sportwagen hatte man in Zschopau auch die vielen anderen Frontan-triebs-Entwicklungen jener Zeit mit großer Auf-merksamkeit verfolgt. Das betraf vor allem Richard Bussien mit sei-ner 1926 gegründeten Voran-Automobilbau AG, dessen Frontantriebskonstruktion die An-ordnung von Differenzial, Getriebe und Motor hintereinander vorsah, während die Vorderach- se als Schwingachse mit zwei übereinander lie- genden Querblattfedern ausgelegt war. Ein wei- terer wichtiger Wegbereiter des Frontantriebs in Deutschland war Robert Schwenke, der bereits 1905 einen Wagen mit Vorderradantrieb gezeigt hatte. Dessen 1925 vorgestellte Frontantriebs- Konstruktion wartete – ähnlich der von Bussiens Voran-Wagen – mit einer vorderen Radaufhän-gung an übereinanderliegenden Querblattfe-dern auf. Allerdings wählte Schwenke zur bes-seren Gewichtsverteilung auf die Vorderachse

Der französische Tracta-Wagen mit Frontantrieb bildete die Grundlage für die Entwicklung des DKW Front.

Die Tracta-Gleichlauf-gelenke des Franzosen Jean-Albert Gregoire wurden anfangs im DKW Front verbaut.

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MIT FRONTANTRIEB IN DIE GROSSSERIENFERTIGUNG: DK W FRONT F 1 | 101

einen quer eingebautem Motor. Beide Konst-ruktionen besaßen eine auffallend große Ähn-lichkeit mit der Bauweise der späteren DKW Frontantriebswagen. Leider existieren keine Hinweise darauf, wann genau Rasmussen die Entscheidung traf, einen Wagen mit Frontantrieb im eigenen Hause ent-wickeln zu lassen. Es deutet jedoch vieles da-rauf hin, dass dies im Sommer 1928 geschah, also kurz nach der Markteinführung des DKW P 15 und während der Entwicklungsarbeiten am DKW 4=8. Erste konkrete Hinweise erge-ben sich aus einem Zusammentreffen zwischen Rasmussen und dem Franzosen Jean-Albert Grégoire anlässlich des Pariser Salons im Okto-ber 1928. Grégoire hatte zusammen mit seinem Geschäftspartner Pierre Fenaille 1926 einen Sportwagen mit Frontantrieb gebaut, der zur Kraftübertragung mit speziellen, von Grégoire

entwickelten Gleichlaufgelenken ausgestattet war. Der Sportwagen und die darin verbauten Antriebsgelenke erhielten den Namen »Trac-ta« – eine Wortschöpfung aus der Bezeichnung »traction avant«, dem französischen Begriff für Frontantrieb. Das Tracta-Gelenk bestand aus nur vier Einzelteilen, die in ingeniöser Weise in Gleitführungen gekoppelt waren und hohe Flä-chenpressungen zuließen. Zudem konnten die Einzelteile auf normalen Universalmaschinen gefertigt werden. Der Kontakt zwischen Ras-mussen und Grégoire war auf Vermittlung des böhmischen Textil- und Porzellan-Unterneh-mers Schmieger entstanden, der 1928 die deut-schen Verwertungsrechte an Grégoires Tracta-Patenten erworben hatte. Die Entwicklung des Frontantriebs-DKW leg-te Rasmussen in die Hände der Zschopauer Konstruktionsabteilung unter der Leitung von

Karosseriebauzeich-nung des DKW Front F 1 von 1931

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102 | DIE DK W AUTOMOBILE MIT FRONTANTRIEB

Vorstandsmitglied Richard Blau. Das Ziel war

zunächst nicht, einen »volkstümlichen« Kleinwagen auf die Räder zu stellen, sondern den in der Entwicklung befindlichen Vierzylin-der-Ladepumpen-DKW mit Frontantrieb aus-zurüsten.Der ursprünglich für das Frühjahr 1930 ins Au-ge gefasste Termin der Markteinführung des Frontantriebs-DKW erwies sich einmal mehr als illusorisch. Zu vielfältig waren die tech-nischen Probleme. Inzwischen hatte man in Zschopau erkannt, dass die favorisierte Bau-weise nach den Voran-Patenten (unabhängige Radaufhängung an zwei übereinanderliegen-den Querfedern und Hintereinanderschaltung von Differenzial, Getriebe und Motor) mit der selbsttragenden Holzbauweise der DKW Auto-mobile nicht vereinbar war. Im März 1930 ent-schied man sich daher für die Verwendung eines Hilfsrahmens aus Stahl, der die Funktion eines Aggregateträgers für Achsen, Lenkung, Mo-

tor und Getriebe besaß. Die Versuche wurden fortgesetzt, und die »Motor Kritik« vermeldete: »DKW hat zugelernt. Der Vorderradantriebs-wagen soll nicht herausgebracht werden, be-vor er wirklich durchgereift ist.« So zumindest hatte sich Richard Blau gegenüber Chefredak-teur Josef Ganz anlässlich dessen Besuchs bei den Zschopauer Motorenwerken geäußert. Inzwischen hatten sich allerdings die wirt-schaftlichen Rahmenbedingungen durch die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise grund-sätzlich geändert. Ein geradezu ruinöser Preis-kampf um die von Tag zu Tag kleiner werdende Schar von Kunden war zwischen den Kraftfahr-zeugherstellern ausgebrochen. Rasmussen war in dieser Situation klar, dass nur die technisch-konstruktive Besonderheit seiner Produkte in Verbindung mit einer hohen Wirtschaftlichkeit ein Überleben garantieren konnte. Es spricht vieles dafür, dass Rasmussen in dieser Phase die Idee entwickelte, die Frontantriebsentwicklung zweigleisig weiterzuführen. Ziel war ein größe-res Modell mit dem 4=8-Motor oder alternativ mit einem Viertaktmotor, und ein Kleinwagen für breitere Käuferschichten mit dem Zweizy-linder-Zweitaktmotor aus dem DKW P 15. Im Sommer 1930 reiste Rasmussen zusammen mit Dr. Carl Hahn nach Straßburg zur Firma Mathis, um über die Möglichkeiten einer Zu-sammenarbeit zu verhandeln. Die Firma Mathis, vor allem im Bereich der Kleinwagenkonstruk-tion erfolgreich, hatte einen neu entwickelten Einliter-Vierzylinder-Viertaktmotor in der Er-probung. An diesem zeigte Rasmussen Inter-esse, um ihn alternativ zu seinem Vierzylinder-Zweitaktmotor sowohl im bereits vorhandenen DKW 4=8 als auch möglicherweise für den in der Entwicklung befindlichen Frontantriebswa-gen zu verwenden. Das Geschäft mit den Mathis-Viertaktmotoren kam nicht zustande, wohl aber wenig später die Geschäftsverbindung zwischen den Zschopau-er Motorenwerken und der Firma Peugeot. Dieser Kontakt führte im Februar 1931 zur Vor-stellung des Audi Typ P (DKW 4=8-Karosserie mit Peugeot-Vierzylinder-Viertaktmotor), des-sen Montage im Spandauer DKW Werk erfolgte.

Prototyp des DKW Front mit Schneider-&-Korb-Karosserie

Die Frontantriebs-technik erforderte einen Hilfsrahmen als Aggregateträger.

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Dieser »Kompromisswagen«, wie er intern auch genannt wurde, sollte nach Rasmussens Plänen später zu einem Audi mit Frontantrieb weiter-entwickelt werden. Als im Sommer 1930 die Markteinführung des DKW Frontantriebswagens immer noch in wei-ter Ferne zu liegen schien, kam es zu dem be-reits erwähnten Zerwürfnis zwischen Rasmus-sen und seinem Cheftechniker Richard Blau. Als zu wenig verlässlich hatte sich Blau in den vergangenen zwei Jahren erwiesen. Die Proble-me mit dem Ladepumpen-Vierzylinder, die Blau unter anderem wegen der Wahl des falschen Kolbenmaterials mit verursacht hatte, dazu die nicht einzulösenden Versprechungen in Bezug auf die Fertigstellung des Vierzylinder-Reihen-motors als Ersatz für den Ladepumpenmotor und zu guter Letzt die nicht absehbare Fertig-stellung des Frontantriebswagens waren zuviel des Guten. Rasmussen, der in dieser Zeit auch seitens der Banken zunehmend unter Druck ge-riet, war mit seiner Geduld am Ende. Die ganze Situation erhielt noch zusätzliche Brisanz, als Rasmussen erfuhr, dass die Firma Stoewer auf der für den November 1930 geplanten Berliner Automobilausstellung einen 1,5-Liter-Frontan-triebswagen vorstellen wollte. Wie schon erwähnt, wurde die Automobilaus-stellung wegen der angespannten wirtschaft-lichen Lage schließlich auf das Frühjahr 1931 verschoben. Eine kurze Verschnaufpause für Rasmussen, der bestrebt war, als erster deut-scher Hersteller mit einem serienmäßigen Frontantriebsautomobil auf den Markt zu kom-men. So ganz ist ihm dies nicht gelungen, denn noch im Dezember 1930 stellten die Stoewer-Werke ihr neues Frontantriebsmodell Typ V 5 der Presse vor. Am 7. September 1930 schied Richard Blau aus dem Vorstand der Zschopauer Motorenwer-ke aus. Als offizieller Grund wurden Interes-senkonflikte genannt, da er nebenbei Besitzer der in Zschopau ansässigen Metall-Industrie GmbH war, bekannt auch unter dem Namen Blau-Werke. Dieses Unternehmen lieferte un-ter anderem Kurbelwellen oder Tankverschlüs-se nach Patent Blau für die DKW Automobile

und Motorräder. Nachfolger von Richard Blau als technischer Betriebsdirektor der Zschopau-er Motorenwerke wurde Anatol Dorin. Das Ausscheiden von Richard Blau verschärfte zunächst die Probleme in Bezug auf das Projekt Frontantrieb. Genau hier setzt jene Geschichte ein, die bislang in Bezug auf den Frontantriebs-DKW immer wieder Erwähnung gefunden hat: die Entwicklung eines Automobils in der un-glaublich kurzen Zeit von gerade einmal sechs Wochen. Rasmussen stand zu jener Zeit mit dem Rü-cken zur Wand. In dieser Situation wandte er sich, wie seinerzeit in Sachen Vierzylinder-Ent-wicklung, an Heinrich Schuh, den technischen Direktor der zum Rasmussen-Konzern gehö-renden Audiwerke AG. Seine Idee war es, die Entwicklung der Frontantriebswagen im Audi Werk fortsetzen und zum Abschluss bringen zu lassen. Oskar Arlt, neben seinem Kollegen Walter Haustein einer der beiden im Audi Kon-struktionsbüro verbliebenen Konstrukteure, er-innerte sich 1945 in einer Niederschrift an den denkwürdigen Augenblick:»Im Oktober 1930 erschien zusammen mit Herrn Dir. Schuh Herr J. S. Rasmussen im Konstruktionsbüro und wünschte kurzfristig die Konstruktion und den Versuchsbau eines Kleinwagens, und zwar unter Benutzung ei-nes von den Zschopauer Werken fabrizierten

Klein und äußerst kompakt präsentiert sich die komplette Antriebs-einheit des DKW Front.

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DKW-Zweitakt-Motorrad-Antriebsaggrega-tes. Herr Rasmussen äußerte sich dahin, dass er den Gedanken habe, einen billigen, leis-tungsfähigen, volkstümlichen Wagen zu bau-en, der großen Absatz findet. Für die Kons-truktion sollten berücksichtigt werden:� 350 cm³ Motorrad-Antriebsaggregat, evtl.

500 cm³,� Vorderradantrieb mit Tracta-Gelenken,� Radaufhängung vorn und hinten in Quer-

federn,� Schneckenlenkung, Fabrikat Spandau,� schmaler Rahmen,� besonders niedrige Schwerpunktlage.Es wurde kürzeste Terminabgabe verlangt und eine Zeit von fünf bis sechs Wochen für die Konstruktion festgelegt. Der Versuchsbau von drei Fahrzeugen sollte gleichzeitig erfol-

gen und mindestens ein Fahrzeug in sechs Wo-chen laufen.«Im Vorstandsbericht der Audiwerke AG für Oktober 1930 formulierte Heinrich Schuh: »Der kleine Versuchswagen mit Vorderradan-trieb und DKW-Motor wird voraussichtlich bis Ende November fertig. Daran anschließend wird mit dem Bau eines größeren Wagens mit Vorderradantrieb begonnen. In diesen Wagen wird ein 3-Liter-Sechszylindermotor und das französische Tracta-Gelenk eingebaut.« Bereits hier wurde also die Entwicklung des späteren Audi Front festgelegt, der dann aller-dings nach der Gründung der Auto Union mit dem 2-Liter-Sechszylindermotor des Wanderer W 22 auf den Markt kam.Rechtzeitig vor Ablauf der sechs Wochen konn-te am 29. November 1930 die Fertigstellung des

Die Audiwerke AG in Zwickau Ende 1931: Hier wurden ab Februar 1931 die DKW Frontwagen gebaut.

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MIT FRONTANTRIEB IN DIE GROSSSERIENFERTIGUNG: DK W FRONT F 1 | 105

ersten DKW Front Prototyps verkündet wer-den. Dazu Oskar Arlt in seinem Bericht:»Dieser Termin war nur dadurch zu halten, dass an die Werkstatt provisorische Zeichnun-gen zur Ausgabe gelangten, um die Zeichen-arbeiten auf ein Mindestmaß zu beschränken. Jede Formalität bei der Auftragserteilung an die Werkstatt wurde vermieden. Die Zeich-nungspausen kamen vom Konstruktionsbüro direkt zum Meister in den Versuchsbau. Eine Arbeitsplanung, wie sie bei späteren Typen durchgeführt wurde, entfiel. Kurz vor Ablauf der festgesetzten Frist von sechs Wochen star-tete der erste Versuchswagen nach der ›Hohen Straße‹ (Wegstrecke Zwickau – Dennheritz – Meerane). Im Beisein des Herrn Rasmussen und seines damaligen Versuchsleiters wurden auf dieser Strecke Fahreigenschaften und Ge-schwindigkeit überprüft. Der Wagen wurde zuerst von Herrn Dir. Schuh und dem Verfas-ser und dann von allen Beteiligten gefahren. Übereinstimmend wurden die hervorragen-den Fahreigenschaften und die gute Leistung festgestellt … Als maximale Geschwindigkeit wurde 85 km pro Stunde gestoppt. Nach die-sen Probefahrten fasste Herr Rasmussen so-fort den Beschluss, das Fahrzeug in Serie zu bauen und zur Automobil-Ausstellung im Frühjahr 1931 damit herauszukommen.«Ohne die Leistungen von Oskar Arlt und Walter Haustein bei der Entwicklung des DKW Front schmälern zu wollen, sei dennoch darauf hinge-wiesen, dass die Fertigstellung der Versuchswa-gen innerhalb einer derart kurzen Zeit von sechs Wochen ohne die Vorarbeiten von Richard Blau und der Zschopauer Entwicklungsmannschaft schlichtweg unmöglich gewesen wäre. Allein die Verhandlungen und technischen Vorarbei-ten in Bezug auf die verwendeten Tracta-Gelen-ke hatten sich über fast zwei Jahre hingezogen. Die ersten drei Versuchswagen, einer mit 350-cm³-, die anderen beiden mit 500-cm³-Zweizylinder-Zweitaktmotor, waren in vielerlei Hinsicht noch unfertig. Bis zur Serienfertigung bedurfte es noch einer Menge Feinarbeit, was vor allem die Motor-Getriebeeinheit betraf. Der Zweizylindermotor mit angeblocktem Getriebe

war, wie bei den DKW Motorrädern mit 500 cm³ Hubraum, quer eingebaut. Die Motorkraft wur-de mittels einer Rollenkette auf das im Hilfs-rahmen vorn befestigte Differenzial übertra-gen. Von dort aus führte der Antrieb über zwei Hardy-Scheiben zu den Tracta-Gelenkwellen. Da die Blockgetriebe aus dem Motorradbau stammten, gab es in den ersten Versuchswagen folglich auch keinen Rückwärtsgang. Für die Serienausführungen wurden Motor, Getriebe (jetzt natürlich mit Rückwärtsgang) und Diffe-

DKW Motorrad-Kons-trukteur Hermann Weber bei einer Testfahrt mit dem DKW Front Anfang 1931

DKW Front-Fahrge-stell mit Sitzkiste als Demonstrationsmodell der DKW Kundendienst-schule. Am Steuer: Wolf Doernhoeffer, Leiter der Kundendienstschule

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renzial in einem kompakten Antriebsaggregat zusammengefasst. Der Primärantrieb von der Kurbelwelle zur Mehrscheiben-Ölbadkupplung erfolgte durch Zahnräder. Das Getriebe ein-schließlich Primärantrieb, Kupplung und Dif-ferenzial erhielt eine Schmiermittelmischung von zwei Dritteln Getriebefließfett und einem Drittel Motoröl. Mit dieser Schmiermischung, so hatten die Versuche ergeben, arbeitete die Kupplung am besten.Was den ersten Versuchswagen ebenfalls fehl-te, war ein Anlasser. Die Fahrzeuge wurden an-geschoben. In der Serie kam eine Kombination aus Anlasser und Lichtmaschine zum Einsatz. Dabei handelte es sich um einen Anker, der auf dem einen Ende der Kurbelwelle saß, und ei-nem Polgehäuse mit entsprechenden Feldwick-lungen, das fest mit dem Kurbelgehäuse des Motors verschraubt war. Setzte man die Anlage per Starterfußknopf unter Strom, wurde die Kurbelwelle in eine rotierende Bewegung ver-setzt. Sobald der Motor lief, diente die gleiche Anlage als Stromerzeuger. Unter dem Namen

DKW Dynastart wurde diese Anlage zum festen Bestandteil aller Zweizylinder-DKW Frontwa-gen und kam daneben auch bei einer Reihe von DKW Motorradmodellen zur Anwendung. Er-finder und Patentinhaber war Friedrich Münz, der Mitte der 1920er-Jahre zur Herstellung von Kraftfahrzeug-Elektroanlagen die Luma-Werke AG in Stuttgart gegründet hatte. Am 26. Januar 1931 wurde eine Vereinbarung getroffen, dass Luma an DKW die alleinigen Nutzungsrechte der Dyna start-Anlage vergab und gleichzeitig als alleiniger Lieferant für diese Anlagen diente. Als die Luma-Werke im April 1932 in Zahlungs-schwierigkeiten gerieten, erwarben die Zscho-pauer Motorenwerke das Unternehmen ein-schließlich der Produktionsanlagen und aller Patente. 1934 wurde die Produktion in Stutt-gart eingestellt und die Fertigung der Dyna-startanlagen in das Auto Union Elektrowerk Rösslerstraße in Chemnitz überführt.Sowohl die Vorder- als auch die Hinterräder des Prototyps waren an je zwei Querfedern (Halbelliptik-Blattfedern) aufgehängt. Die Fe-

Präsentation des Frontantrieb-Fahrge-stells auf der Berliner Automobilausstellung im Februar 1931

Das kompakte Antriebsaggregat des DKW Front. Der Motor ist kaum größer als die Batterie. Rechts unter der verchromten Metallglocke sitzt die Dynastartanlage.

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MIT FRONTANTRIEB IN DIE GROSSSERIENFERTIGUNG: DK W FRONT F 1 | 107

dern ersetzten damit die Achsen. Während die Vorderräder an Schwenklagern befestigt waren, die wiederum oben und unten mittels Federga-beln drehbar mit den Federenden verbunden waren, erfolgte die Aufhängung der Hinterrä-der an den Bremsträgern, die zu diesem Zweck durch Bolzen mit den Federaugen der hinte-ren Quer federn verbunden waren. Um ein Aus-schlagen der Federbolzen durch die seitliche Beanspruchung auf die Räder zu verhindern beziehungsweise zu vermindern, wurden auf jeder Seite zwei U-förmig gebogene Blattfedern als sogenannte Führungs- und Dämpferfedern zwischen die beiden Querfedern eingesetzt. Diese Radaufhängung der Hinterachse wurde Rasmussen mit Wirkung vom 11. März 1931 pa-tentrechtlich geschützt. Ganz im Gegensatz dazu erwies sich die Pa-tentsituation in Bezug auf die Vorderachse und den Frontantrieb als sehr verworren. Die Li-zenzzahlungen der Zschopauer Motorenwer-ke erfolgten nämlich nicht an Grégoire oder an Tracta, sondern an die Firma Voran, worauf ein kleines Schild im Motorraum des F 1 hinwies. Fünf RM mussten pro Wagen gezahlt werden. Oskar Arlt äußerte sich in seinen Aufzeich-nungen zu diesem Punkt wie folgt: »Die Li-zenzzahlung an ›Voran‹ war deshalb erforder-lich, weil nach einem Voran-Patent Gelenke, welche sich nicht selbst zentrieren, also auf beiden Wellen abgestützt werden mussten, patentamtlich geschützt waren.« Erst 1934 be-kam Grégoire auf Intervention von Dr. Richard Bruhn, Vorstand der Auto Union, einen Teil sei-ner Lizenzgebühren für die im DKW F1 verwen-deten Tracta-Gelenke. Auch Robert Schwenke hatte 1933 Patentverletzungsklage erhoben, die aufgrund einer Anerkennungsgebühr der Auto Union AG in Höhe von 4000 RM »Ehrensold« zurückgezogen wurde.Die ersten drei Prototypen des DKW Front wa-ren mit zweisitzigen Blechkarosserien der Firma Schneider & Korb aus Bernsbach bestückt. Bei dieser Firma handelte es sich eigentlich nicht um einen der damals typischen Karosserieliefe-ranten, sondern um eine Firma, die sich auf die Herstellung von Press-, Stanz- und Ziehteilen

spezialisiert hatte und die Automobil- und Mo-torradindustrie belieferte. Der Senior-Chef der Firma, Herr Korb, hatte sich persönlich da-für eingesetzt, dass die Prototypenkarosserien

Die Roadster-Karosserie von Schneider & Korb be-saß einen kleinen Notsitz im Heck für die Mitnahme einer dritten Person.

Trotz der geringen Abmessungen besaß der DKW F 1 das Erschei-nungsbild eines voll-wertigen Automobils.

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innerhalb von vier Wochen geliefert wurden. Später ist diese Karosserie als Dreisitzer mit ei-nem Notsitz im Heck in einer kleinen Serie von 166 Stück gebaut worden.Kaum hatten die Frontwagen-Prototypen ih-re Feuertaufe bestanden, trieb es Rasmussen schon wieder um. Bis zur Eröffnung der Berli-ner Automobilausstellung am 19. Februar 1931 wollte er nicht warten, um den neuen »Volks-wagen« von DKW zu präsentieren. Die ADAC-Winterfahrt Garmisch-Partenkirchen vom 30. Januar bis zum 2. Februar 1931 schien ihm dafür eine passende Gelegenheit. Hier würde sich die interessierte Fachwelt treffen, und das Eisrennen auf dem Eibsee würde Rasmussens

Sohn Ove Gelegenheit bieten zu beweisen, wel-ches Potenzial in dem kleinen DKW steckt.Das Kalkül ging auf. Schon über den ersten Tag der Veranstaltung berichtete der seinerzeit be-kannte und geschätzte Fachjournalist Stefan von Szénásy in der »Motor Kritik«:»Tag der Zielfahrt. Vor dem Hotel zur Post in Garmisch ein Auflauf. Mitten drin im Men-schenknäuel ein weißes Etwas, daneben ein jovial behäbiger Herr, der etwas erklärt: Ras-mussen senior. Das weiße Ding ein allerliebs-ter kleiner Wagen, bekannt und doch fremd zugleich. Kühler à la DKW, aber mit einem verdächtig ausgebauchten Deckblech. Emp-findliche Nasen wittern Vorderradantrieb. Tatsächlich, Rasmussen hat es da hinten in Zschopau vor Ungeduld nicht mehr ausgehal-ten; trotzdem in wenigen Tagen die Automo-bilausstellung eröffnet wird, zeigt er hier be-reits seinen neuen Kleinwagen, den DKW mit Frontantrieb!«Von Szénásy ergreift die Gelegenheit zu einer Probefahrt im Schnee und ist restlos begeistert: »Schon nach wenigen Sekunden überkommt einen das Gefühl absoluter Sicherheit: der Wagen geht dorthin, wohin ihn der Fahrer diri giert, trotz Schnee, trotz tiefer Furchen ...

Start zum legendären Eibsee-Rennen, bei dem der DKW Front (links im Bild) erstmals öffentlich präsentiert wurde.

Ove Rasmussen im rechtsgelenkten DKW Front Prototyp auf dem Eibsee im Februar 1931

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MIT FRONTANTRIEB IN DIE GROSSSERIENFERTIGUNG: DK W FRONT F 1 | 109

Der Wagen ist buchstäblich willenloses Werk-zeug in der Hand seines Fahrers, dank seiner Schwingachsen und tiefen Schwerpunktlage.«Der getestete Wagen entsprach schon weitge-hend der späteren Serienausführung mit der typischen, zum Schutz des vorn liegenden Dif-ferenzials im unteren Drittel nach vorn abge-schrägten Kühlerverkleidung.Zwei weitere Prototypen des DKW Front hat-te Rasmussen nach Garmisch mitgebracht. Die-se waren für das Eisrennen auf dem zugefro-renen Eibsee vorbereitet worden; der eine mit dem 500-cm³-Ladepumpen-Rennmotor aus der DKW Rennmaschine PRe 500, der andere mit dem kleineren 350-cm³-Zweizylindermotor aus der PRe 350. Außerdem hatte man beide Wa-gen auf Rechtslenkung umgebaut, um bei dem im Uhrzeigersinn gefahrenen Rundkurs gegen die allesamt rechtsgelenkte Konkurrenz von

Amilcar und Bugatti in der Klasse der kleinen Rennwagen bis 1500 cm³ nicht im Nachteil zu sein. Das ursprünglich für Sonntag, den 1. Februar 1931, geplante Eisrennen musste wegen zu ho-her Temperaturen und Schmelzwasser auf den Montag verschoben werden. Ein Temperatur-sturz sorgte über Nacht für minus 25 Grad und ideale Bedingungen. Von den beiden Renn-DKW kam nur der größere mit 500-cm³-Motor zum Einsatz. Von Szénásy kommentierte das Rennen: »Stehen da nebeneinander am Start: ein 1,5 Liter Bugatti Kompressor-Rennwagen, daneben der kleine DKW. Alles lacht, alles amüsiert sich! ›Mit dieser Nuckelpinne, … dass ich nicht kichere … !‹ Das Kichern ver-geht dem Publikum aber bald! Die Post geht ab, vorn liegt der Bugatti, der Wagen mit den 150 Stundenkilometern im Leibe, mit einer

DKW Händlerkongress in Nürnberg im Februar 1931: Noch vor der Präsentation des DKW Front auf der Berliner Automobilausstellung erhielten die Händler die Möglichkeit, das neue DKW Modell eingehend kennenzulernen.

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Straßenlage, die wohl das Optimum dessen darstellt, was mit den Mitteln des Standard-baues überhaupt erreichbar ist, kurz ein Wa-gen, der so gut wie keine Widersacher kennt,

nur Siege. Auf und davon geht der Bugatti. Nun geht es in die Kurve: der Bugatti liegt vorn, gut 50 m zurück der DKW. Fünfzig Me-ter? Es sind doch nur noch 40, 30, … 20 … der DKW schießt am Bugatti vorbei, liegt im Aus-gang der Kurve zehn Wagenlängen voraus. In der Geraden holt sich der schnelle Rennwa-gen wieder die kleine Mücke, in der Kurve sägt wieder der Benjamin den großen Kerl ab. Das Publikum tobt; kein Auge, das den Blick von diesem Kampfe lösen könnte. Es dämmert in den Köpfen, dass sich da unten auf dem Eise ein Kampf abspielt, der nicht mehr allein Sport ist, sondern der Angriff einer neuen Ära der Technik auf das Althergebrachte.«In der vorletzten Runde passierte Ove Rasmus-sen ein Missgeschick. Der Wagen geriet in ein Eisloch und machte einen Satz. Dabei verriss Rasmussen junior das Steuer und landete in ei-nem Schneewall. Bis er sich wieder herausge-arbeitet hatte, war der Bugatti auf und davon. Es folgte eine faszinierende Aufholjagd, doch die Zeit reichte nicht, um den Sieg des Bugat-ti noch zu gefährden. Und dennoch, am Ende lag zwischen beiden Wagen eine Zeitdifferenz von gerade einmal sechs Sekunden. Die Durch-schnittsgeschwindigkeiten: Hans Ollendorff/München auf Bugatti: 68 km/h, Ove Rasmus-sen/Zschopau auf DKW: 67,3 km/h. Die De-monstration war gelungen, der kleine Wagen mit Frontantrieb war in aller Munde. Einmal in Bayern, nutzte man die Gelegenheit, um die in Garmisch gezeigte Straßenversion des DKW Front wenige Tage später auf dem DKW

Der DKW Front als Roadster mit Spandauer Holzkarosserie auf der Internationalen Auto-mobilausstellung in Berlin 1931

Die DKW Händler ließen sich viel einfallen, um den kleinen DKW Frontantriebswagen bekannt zu machen.

Wo immer der DKW Front F 1 auftauchte, stieß er auf ein großes Publikumsinteresse.

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