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Mehrere Identitäten, aber nur eine Mannschaft - Österreich oder Balkanstaaten? Wenn Fußballspieler mit multinationalem Hintergrund zwischen zwei verschiedenen Nationalmannschaften entscheiden müssen
Thomas Kuhelnik
University of Graz, Austria
Working paper, No. 11
July 2014
Summary
This article examines on what motives male football players who are eligible for more
than one national football team choose the nation they play for. As a result five
categories are developed based on interviews with affected football professionals
who are eligible to play for Austria or a state from former Yugoslavia. The first
category, namely esteem, subsumes players who decided in favor of the football
association that reached out earlier or more persistently. The second category,
loyalty, shows players who are grateful to one nation - e.g. for enabling them a good
football education. The third category, patriotism, refers to players who identify
themselves with one nation only. The fourth category, pragmatism, summarizes
those players who decided on the basis of practical reasons - e.g. the perspective of
getting nominated or the strength of the national squad. And finally there exists a
fifth category named multi-antecedens. This category sums up the small group of
players whose decision is based on numerous equal reasons.
About the Author
Thomas Kuhelnik currently studies History and German at University of Graz.
Furthermore he works as a freelance journalist at Kleine Zeitung in Graz. He holds a
BA in German Studies.
Contact: [email protected]
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung ............................................................................................ 2
2. Die derzeitige Situation in Österreich ..................................................... 3
3. Die Akzeptanz von Nationalspielern mit Migrationshintergrund in der Öffentlichkeit ....................................................................................... 5
4. Untersuchung der Motive bei der Entscheidung anhand von Spielerinterviews .................................................................................. 7
4.1. Reputation ...................................................................................... 8
4.2. Loyalität ....................................................................................... 11
4.3. Patriotismus .................................................................................. 12
4.4. Pragmatismus ............................................................................... 13
4.5. Multiantezedens ............................................................................ 14
5. Zusammenfassung und Reflexion ........................................................ 15
6. Quellenangaben ................................................................................. 17
2
1. Einleitung
Viele Fußballspieler haben heute aufgrund ihrer multinationalen Herkunft die
Möglichkeit, sich zwischen verschiedenen nationalen Auswahlteams zu entscheiden.
So fanden sich im Betrachtungszeitraum 2013 etwa in der österreichischen
Nationalmannschaft pro 23-Mann-Kader bis zu neun Nationalspieler mit mindestens
einem nicht-österreichischen Elternteil.
Die vorliegende Analyse ist primär durch die Frage nach den unterschiedlichen
Motiven geleitet, welche die Entscheidungen von Fußballspielern bei der Wahl der
Nationalmannschaft beeinflussen. Mit anderen Worten ist diese Arbeit der Frage
nachgegangen, welche Beweggründe die ausgewählten Fußballspieler veranlasst
haben, die für Österreich UND ein südosteuropäisches Land spielberechtigt wären,
sich für das eine oder andere Team zu entscheiden. Die Relevanz einer
wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dieser Fragestellung ergibt sich aus
mindestens zwei Merkmalen der gegenwärtigen empirischen Entwicklungen, die sich
sowohl in den aktuellen breiteren Gesellschaftsentwicklungen als auch speziell in den
Entwicklungen im Feld (Bereich?) des Fußballs widerspiegeln. Bei der ersten
Entwicklung handelt es sich um die Transnationalisierung der Lebensweisen1 und die
dementsprechende verstärkte Transnationalisierung von Gesellschaftsschichten wie
z.B. Fußballspieler. Die bezieht sich auf die Migration – in diesem Falle aus
Südosteuropa – in Richtung Europa, die hybriden Identitätsmuster bei
Menschen/Fußballspielern, (re)definieren, stärken bzw. in Frage stellen. Beide
Entwicklungen spiegeln sich in der Praxis der Fußballspieler bei der Auswahl der
Nationalmannschaft wider und sind bis dato – in Bezug auf Fußballprofis aus
Südosteuropa in Österreich – großteils unerforscht geblieben. Anhand von Antworten
in den für die Zwecke der Studie durchgeführten Spielerinterviews sowie
Spielerinterviews die schon in ausgewählten österreichischen Printmedien publiziert
sind, konnten Kategorien bestimmt werden, die Aufschluss darüber geben, was für
den jeweiligen Spieler hauptausschlaggebend ist/war.
1 Ludger Preis, „Die Transnationalisierung der sozialen Welt. Sozialräume jenseits von Nationalgesellschaften“, Frankfurt/Main: Suhrkamp, 2008.
3
Beispiele aktueller und ehemaliger Teamspieler fanden sich in Sportzeitschriften und
auf Onlineportalen, die nach Stellungnahmen zum Thema durchforstet wurden. Die
im August 2013 für diesen Artikel durchgeführten Interviews mit Robert Žulj, Cican
Stankovic und Mihret Topčagić veranschaulichen auch die Entscheidungsfindung von
potentiellen Nationalspielern. Ferner wurde für diesen Artikel ein
Hintergrundgespräch mit dem ehemaligen Nachwuchsnationaltrainer Helmut L.
Kronjäger geführt, einem profunden Kenner des österreichischen Nachwuchsfußballs.
Durch dieses in Österreich relativ neue Phänomen – vor 1999 gab es nur vereinzelt
eingebürgerte österreichische Nationalspieler; erst seit den letzten rund fünf bis zehn
Jahren gibt es zahlreiche Spieler, die auch ohne Einbürgerung für mehrere
Länderauswahlen spielberechtigt sind – ist auch die Forschungsliteratur, die konkret
zur derzeitigen österreichischen Situation Stellung nimmt, rar. Mit Wolfgang Kühnelts
2006 erschienenem Werk über die „Legionäre aus dem Süden“ und Barbara Liegls
und Georg Spitalers 2008 veröffentlichtem Buch „Legionäre am Ball“ gibt es aber
erste hervorragende Anhaltspunkte. Zur allgemeinen Betrachtung von
transnationalen Identitäten im Fußball werden infolge Zeitungsartikel ebenso
herangezogen wie Marion Müllers Werk zum „Fußball als Paradoxon der Moderne“.
Diese Literatur ermöglicht auch eine Einordnung, wie diese Entwicklung in der
Öffentlichkeit akzeptiert wird.
2. Die derzeitige Situation in Österreich
Blickt man auf die aktuellen Kaderlisten der österreichischen Fußballnational-
mannschaften (A-Team + Nachwuchs), so findet man zahlreiche Spieler mit
multinationalem Hintergrund. Viele davon werden zur sogenannten „zweiten
Generation“ gezählt. Darunter versteht man „Spieler, die mindestens einen nicht aus
Österreich stammenden Elternteil haben, aber selbst in Österreich geboren wurden
oder als Kinder nach Österreich gekommen sind2.“
2 Barbara Liegl und Georg Spitaler, „Legionäre am Ball: Migration im österreichischen Fußball nach 1945“, Wien: Braumüller, 2008, 2.
4
In der A-Nationalmannschaft haben folgende Spieler einen familiären Bezug zu einem
anderen Land [Herangezogen wurden die Kaderlisten des Länderspieljahres 2013
inklusive jener Spieler, die auf Abruf standen.]:
Ramazan Özcan, Yasin Pehlivan, Veli Kavlak (türkischer Hintergrund)
Aleksandar Dragović, Marko Arnautović (serbischer Hintergrund)
Zlatko Junuzović (bosnischer Hintergrund)
Christoph Leitgeb, Robert Žulj (kroatischer Hintergrund)
David Alaba (nigerianischer und philippinischer Hintergrund)
Rubin Okotie (pakistanischer und nigerianischer Hintergrund)
Martin Harnik (deutscher Hintergrund)
György Garics (ungarischer Hintergrund)
Alexander Gorgon (polnischer Hintergrund).3
In den 23-Mann-Kaderlisten waren meist bis zu neun Spieler angeführt, die
mindestens einen Elternteil mit nicht-österreichischer Herkunft haben. Das ergibt
einen Anteil von knapp 40 Prozent. Ähnlich ist das Bild auch in den diversen
Nachwuchsmannschaften.
Diese Entwicklung ist in Österreich vor allem ein Phänomen der letzten fünf bis
maximal zehn Jahre. Liegl und Spitaler bezeichnen 2008 den Beitrag der zweiten
Generation am österreichischen Team als selbstverständlicher werdend.4 Das erste
echte „Gastarbeiterkind“ sei mit Zoran Barišić aber erst 1999 zu seinem A-
Länderspiel-Debüt gekommen. Davor gab es keine A-Team-Spieler der zweiten
Generation, sondern nur einige wenige, die eingebürgert worden sind. Als Beispiele
werden genannt: Bernd Krauss, Frenkie Schinkels, Goran Kartalija, Ivica Vastić,
Tomislav Kocijan und Željko Vuković.5 Vor allem ab 2002 (Božo Kovačević, Alen
3 Zudem gehört die seit Generationen in Österreich lebende Familie von Andreas Ivanschitz der Minderheit der Burgenland-Kroaten an. 4 Vgl. Liegl und Spitaler, Legionäre, 89. 5 vgl. ebd.
5
Orman, Muhammed Akagündüz, Volkan Kahraman) kam es vermehrt zum Einsatz
von Spielern aus der zweiten Generation. Im EM-Kader 2008 standen mit Ivica
Vastić, Ümit Korkmaz, Ramazan Özcan, Martin Harnik, Christoph Leitgeb, György
Garics und Ronald Gercaliu übrigens schon sieben Spieler mit ausländischen
Wurzeln.6
3. Die Akzeptanz von Nationalspielern mit Migrationshintergrund in der
Öffentlichkeit
„Ivo, jetzt bist du ein echter Österreicher!“ titelte die „Kronen Zeitung“, nachdem
Ivica Vastić bei der WM 1998 in Frankreich gegen Chile zum 1:1-Endstand traf.7 Die
Schlagzeile bringt damit etwas auf den Punkt, das von entscheidender Bedeutung ist:
„Sportlicher Erfolg erleichtert die jeweilige Akzeptanz […].“8 Nicht immer ist es mit
dieser Akzeptanz nämlich einfach. Gerade beim Nationalteam scheint es in der
breiten Masse der Öffentlichkeit Erwartungen zu geben, wie sich ein Spieler zu
verhalten hat. Marion Müller schreibt dazu:
„Zumindest auf der Ebene der Nationalmannschaft besteht die Erwartung, dass
eine emotionale Bindung an den „Arbeitgeber“ bestehen soll und die Zugehörigkeit
zu einer Mannschaft genau so wenig auswechselbar ist wie die nationale
Herkunft.“9
Geht es um die nationale Auswahl, ist oft der Begriff „Ehre“ im Spiel. Ein Begriff, der
es für einen Spieler nicht unbedingt leichter macht, wenn er sich zwischen zwei oder
mehreren Teams entscheiden muss. Umso mehr, wenn für ihn selbst mehrere
Identifikationspunkte existieren. Journalist Armand Feka erläutert das in einem
Artikel der Zeitung „Der Standard“: 6 vgl. „Sieben ÖFB-Teamspieler haben Wurzeln im Ausland“, in Kleine Zeitung online 4.6.2008, unter http://www.kleinezeitung.at/sport/fussball/euro2008/gruppeb/1314703/index.do 7 vgl. Wolfgang Kühnelt, „Legionäre aus dem Süden. slowenische, kroatische, serbische und bosnische Fußballer bei GAK und Sturm“, Graz: Artikel VII Kulturverein für Steiermark, 2006, 48. 8 Liegl und Spitaler, Legionäre, 15. 9 Marion Müller, „Fußball als Paradoxon der Moderne: Zur Betrachtung ethnischer, nationaler und geschlechtlicher Differenzen im Profifußball“, Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2009, 190.
6
„Transnationale Identität entwickelt sich, wenn Menschen nicht mehr an einem Ort
geboren werden, dort aufwachsen und bis zu ihrem Lebensende dort bleiben,
sondern dass sehr viele Menschen – zum Teil auch ungewollt – ihr Heimatland
verlassen, um an einem anderen Ort zu leben. Dadurch bringen sie andere
Ressourcen mit und haben mehrere unterschiedliche Identifikationspunkte im
Leben.“10
In der Öffentlichkeit gibt es dafür aber nicht immer Verständnis. Bekennt man sein
Zugehörigkeitsgefühl zu einem Team, bedeute das für viele gleichzeitig ein
Abgrenzen von den anderen, so Feka.11
Der ehemalige kroatische Staatspräsident Franjo Tuđman war der Meinung, dass
Fußballerfolge die Identität einer Nation ähnlich prägen wie Kriege.12 Kein leichter
Ausgangspunkt also für eine Entscheidung zwischen zwei Nationen. Stille Statements,
wie Marko Arnautovićs Anbringen der österreichischen und serbischen Flagge am
Fußballschuh, sorgen bei vielen Fans für Aufregung. Schon 1987 hieß es in der
„Kleinen Zeitung“ während der Diskussion um die letztendlich gescheiterten
Einbürgerungen von Rapid-Stürmer Zlatko Kranjčar und Wacker-Innsbruck-
Verteidiger Ivica Kalinić pejorativ, dass Ausländer durch die Verleihung der
Staatsbürgerschaft eingefärbt würden und den Spielern die nötige Loyalität zu
Österreich fehle.13 Dass aber auch die Loyalität zu mehreren Staaten gegeben sein
kann, wird hierbei nicht bedacht.
Liegl und Spitaler verweisen in ihrem Buch darauf, dass die Zusammensetzung des
Nationalteams auch ein Abbild der Gesellschaft ist – und in dieser gebe es eben viele
EinwohnerInnen mit Migrationshintergrund.14 Im Artikel von Armand Feka ergänzt
Liegl als Interviewpartnerin diese Feststellungen übrigens, indem sie sagt, „dass eine 10 Armand Feka, „Steilpass in den Nationalismus“, in Der Standard online, 20.6.2010, unter http://dastandard.at/1276413562573/Steilpass-in-den-Nationalismus 11 vgl. ebd. 12 vgl. Dario Brentin, “The Nation's Most Holy Institution: football and the construction of Croatian national identity”, in OpenDemocracy, 30.6.2013, unter http://www.opendemocracy.net/dario-brentin/nations-most-holy-institution-football-and-construction-of-croatian-national-identity 13 vgl. Liegl und Spitaler, Legionäre, 134. 14 vgl. ebd, 90.
7
ethnisch diversifizierte Nationalmannschaft in diesem Prozess einen Teil dazu
beitragen kann, dieses „wir und die Anderen“ aufzulösen und ein anderes Bild zu
bekommen, wie Österreich eigentlich aussieht.“15 Und Helmut L. Kronjäger,
langjähriger Sportdirektor des Steirischen Fußballverbands und selbst Trainer bei
verschiedenen Profi- und Nachwuchsmannschaften (auch im Nationalteam) schließt
in einem Hintergrundgespräch, das für diesen Artikel geführt wurde, nicht aus, dass
es am Ende dieser Entwicklung statt Nationalmannschaften irgendwann „eine Art
Super-Champions-League“ geben könnte. Schließlich könne der Nationalstolz ja auch
hemmend sein – „man schafft dann Auswahlmannschaften nicht nach der Nation,
sondern nach der Liga, in der die Spieler kicken.“16
4. Untersuchung der Motive bei der Entscheidung anhand von
Spielerinterviews
Können Spieler bei ihrer Nationalteamkarriere rechtlich zwischen mehreren
Verbänden entscheiden, spielen bei der Entscheidungsfindung viele Faktoren eine
Rolle. Doch bei Spieleraussagen zeigt sich, dass meist ein Grund im Vordergrund
steht und in der Verbandswahl hauptausschlaggebend ist.
In diesem Kapitel wird untersucht, welche Argumente bei österreichischen Spielern
mit südosteuropäischem Hintergrund bei der Verbandswahl entscheidend sind bzw.
waren. Dafür wurden Interviews dieser Zielgruppe herangezogen oder eigens
geführt. Anhand dieser Gespräche konnten dann Kategorien entwickelt werden, die
beschreiben, welche Hauptmotivationen vorherrschen, wenn es gilt, sich für das eine
oder andere Nationalteam zu entscheiden.
15 Feka, Steilpass in den Nationalismus. 16 Interview mit Helmut L. Kronjäger, Geführt am 8.8.2013.
8
Die Kategorien:
Reputation: In diese Kategorie lassen sich Spieler einordnen, die sich für
jenen Verband entschieden haben, der sich intensiver oder schneller um sie
bemüht hat und ihnen so nötige Wertschätzung zu teil werden ließ.
Loyalität: Hier werden Spieler angeführt, die sich aus Loyalität für einen
Verband entschieden haben. Sie fühlen sich einem Land verpflichtet, weil es
ihnen beispielsweise die fußballerische Ausbildung ermöglicht hat.
Patriotismus: In diese Kategorie fallen Fußballer, bei denen der Nationalstolz
als Hauptursache für ihre Entscheidung gilt. Der Patriotismus geht über die
Loyalität zum Land hinaus, da die Spieler dieser Kategorie zwar einen
multiethnischen Hintergrund haben, sich jedoch nur über ein Land definieren.
In der Loyalitäts-Kategorie ist das Angehörigkeitsgefühl hingegen auch zu
einer zweiten oder dritten Nation ausgeprägt.
Pragmatismus: Jene Fußballer, die in dieser Kategorie angeführt sind, haben
sich aus pragmatischen Gründen für die eine oder andere Auswahlmannschaft
entschieden. Sei es, weil sie mit einer Mannschaft bei einem sportlichen
Großereignis spielen können, sei es, weil sie nur in einem der möglichen
Nationalteams Aussicht auf Einsätze haben.
Multiantezedens: In seltenen Fällen stehen zwei, drei oder vier der in den
bisherigen Kategorien genannten Ursachen fast gleichwertig nebeneinander.
Eine Reihung dieser Antezedenzien ist nicht möglich und sinnvoll.
4.1. Reputation
Bei Spielern, die für mehrere Nationalmannschaften einsatzberechtigt wären, ist es
oft entscheidend, welcher Verband sich mehr um sie bemüht. Als Beispiel dafür ist
Österreichs Innenverteidiger Aleksandar Dragović genannt. Er fühle sich laut einem
Interview mit der „Basler Zeitung“ zwar als Österreicher17, gegenüber der serbischen
Zeitschrift „Blic“ gibt er aber auch zu, dass sich die Frage nach dem serbischen Team 17 vgl. Marcel Rohr, „Ich hätte gern den echten Dragovic gezeigt“, in Basler Zeitung, 26.5.2013, unter http://bazonline.ch/sport/fussball/Ich-haette-gern-den-echten-Dragovic-gezeigt/story/16112591
9
nicht stellte, weil sich nur Österreich bei ihm meldete. Gegenüber dem Interviewer
erklärt er, dass er schon für das Nachwuchsteam Serbiens nicht eingeladen wurde
und dann „teška srca“ – schweren Herzens – Österreich zusagte, als diese
anfragten.18
Andersherum war es bei Sturm-Mittelfeldspieler Anel Hadžić. Dieser bekundete in der
Vergangenheit mehrmals, trotz Doppelstaatsbürgerschaft, nur noch auf die
Einberufung ins bosnische Team zu warten. Er erklärt:
„Das Ausschlaggebende war, dass mich Samir Muratović und Ivica Osim angerufen
haben. […] Sie [der bosnische Verband] haben sich sehr um mich bemüht, sie
haben einfach zu wenige Spieler im defensiven Mittelfeld und durch meine
Leistungen habe ich auf mich aufmerksam gemacht.“19
In einem weiteren Interview lässt er kein gutes Haar am ÖFB: „Ich habe seit zwei
Jahren kontinuierlich meine Leistung gebracht, trotzdem hat sich nie jemand um
mich bemüht. Bei Bosnien war das anders.“20 Außerdem zähle in Österreich weniger
die Qualität als die Vereinszugehörigkeit der Spieler, findet der ehemalige SV-Ried-
Profi.21
Auch bei Ex-Mattersburg-Spieler Ilčo Naumoski hätte die Nationalmannschafts-
karriere einen anderen Weg nehmen können, wenn sich der österreichische Verband
mehr um ihn bemüht hätte. Im Gegensatz zu den vorher erwähnten Spielern ist
Naumoski seit jeher ausschließlich mazedonischer Staatsbürger – er lebt jedoch seit
seiner Kindheit in Österreich. Der Österreichische Fußballverband lud ihn zu einem
18 Originalzitat: „Teško mi je zbog toga, ali mene nikad niko, ni u mlađim kategorijama, nije pozvao iz Srbije u reprezentaciju. Čekao sam Srbiju iz koje niko nije reagovao, u međuvremenu sam dobio poziv Austrijanaca i teška srca sam prihvatio.“ Zitiert nach: Igor Velimirović, „Dragović: FSS me nije zvao, teška srca sam prihvatio poziv Austrije“, in Blic online, 11.12.2011, unter http://sport.blic.rs/Fudbal/Evropski-fudbal/207089/Dragovic-FSS-me-nije-zvao-teska-srca-sam-prihvatio-poziv-Austrije 19 Alois Lipp, „Anel Hadzic. „Vor Osim hat sogar Platini Respekt““, in Sturm12, 11.7.2013, unter http://www.sturm12.at/2013/07/11/vor-osim-hat-sogar-platini-respekt/#comment-89521 20 David Mayr, „Nein zum ÖFB-Team!“, in Sportnet, 28.10.2011, unter http://sportnet.at/home/fussball/bundesliga/1368729/Hadzic_Nein-zum-OeFBTeam 21 vgl. ebd.
10
U17-Freundschaftsspiel ein, bei dem er auch zu überzeugen wusste. Doch dass er
keinen österreichischen Pass besitzt, war den Teamverantwortlichen laut Aussagen
Naumoskis nicht klar. Als er den damaligen Coach Paul Gludovatz darauf ansprach,
habe sich dieser sogleich verabschiedet.22
Naumoski auf die Frage, ob er gerne für Österreich gespielt hätte: „Ja! Das ist meine
Heimat.“23 Inzwischen spielt der Stürmer in Aserbaidschan bei Inter Baku. Bisher
brachte er es auf 46 Einsätze im mazedonischen Nationalteam.
Das Bemühen wird auch von zwei weiteren in der österreichischen Bundesliga
spielenden Fußballprofis als Hauptargument genannt. Ähnlich wie bei Ilčo Naumoski
verhält es sich bei Wacker-Innsbruck-Verteidiger Stipe Vucur. Seine Eltern sind beide
kroatische Staatsbürger – so ist er auch in Besitz des kroatischen Passes. Dennoch
könne er sich eine Einbürgerung vorstellen – aber nur, wenn sich die
Verantwortlichen in Österreich bemühen würden. Bisher habe es nur Kontakt mit
dem kroatischen U21-Team gegeben.24
Ebenfalls fürs kroatische Team spielberechtigt wäre SV-Ried-Profi Robert Žulj. Dieser
spielt derzeit für die österreichische U21-Auswahl und stand zuletzt auch im Kader
des österreichischen A-Teams. Über eine mögliche Nationalteamkarriere in Kroatien
habe er sich noch keine Gedanken gemacht, erklärt er. Dafür gäbe es keine
Veranlassung – seit der U18 spiele er für Österreich, vom kroatischen Verband habe
sich noch nie jemand gemeldet.25
Viele Länder betreiben übrigens intensives Scouting, um Nachwuchsspieler zu
entdecken, die auch für ihren Verband spielberechtig wären. So erklärt Ivica Osim bei
einem Vortrag an der Uni Graz augenzwinkernd: „Wir [Anm.: bosnischer
22 vgl. Fabian Zerche, „Gebt Osim den Friedensnobelpreis“, in Sturm12, 14.11.2011, unter http://www.sturm12.at/2011/10/14/ilco-naumoski-%E2%80%9Egebt-osim-den-friedensnobelpreis%E2%80%9C/ 23 Ebd. 24 vgl. Philipp Kessler, „Stipe Vucur: „Mit Sturm gab es intensive Gespräche““, in Sturm12, 20.7.2013, unter http://www.sturm12.at/2013/07/20/mit-sturm-gab-es-intensive-gesprache 25 vgl. Interview mit Robert Žulj, Geführt am 20.8.2013.
11
Fußballverband] sind überall, wir haben überall Spione. Wir bereiten uns vor für den
nächsten Krieg.“26 Helmut L. Kronjäger nennt als Beispiel den türkischen Verband:
„Diese haben ein sehr enges Netz in Europa, um Spieler zu rekrutieren, zu besuchen.
Da machen wir viel weniger.“ 27
4.2. Loyalität
Diese Kategorie sammelt Spieler, die aus Dankbarkeit Loyalität für ein Land
entwickelten. Sie eint das Gefühl, dass ein Land viel für sie getan hat, etwa bei der
fußballerischen Ausbildung. Deshalb möchten sie etwas zurückgeben.
So erklärt U21-Teamspieler Toni Vastić, Sohn von Ex-Nationalspieler Ivica Vastić, bei
ihm sei die Entscheidung für Österreich zu spielen, erst mit der Zeit gereift:
„Als Kind habe ich immer gesagt, ich würde für Kroatien spielen. Ich bin im Herzen
für Kroatien und schaue immer zu, wenn die Vatreni (die „Feurigen – die
kroatische Nationalmannschaft A.d.Ü.) spielen. Ich habe auch ein Angebot vom
Kroatischen Fußballverband bekommen, aber ich bin Österreich einfach zu dankbar
[…].“ „Österreich hat mir alles gegeben, was meine Karriere betrifft, ich bin in
Wien geboren und fühle mich hier zuhause. Letztlich habe ich mich also
entschieden, ein feuriger Kroatienfan zu sein, aber auf dem Spielfeld für Österreich
zu kämpfen.“28
Bei ihm zeigt sich deutlich die Abgrenzung zu den anderen Kategorien. Der
Nationalstolz ist bei ihm nicht ausschlaggebend – diesen empfindet er in ähnlichem
Maße auch für Kroatien. Ebenso spielt für ihn Ästimation keine Rolle. Dass sich auch
der kroatische Verband um ihn bemüht hatte, änderte seine Meinung nicht.
26 Roland Radlinger, „Ivica Osim zu Gast an der Universität Graz“, podcast vom 18.3.2013, unter http://gams.uni-graz.at/fedora/get/podcast:pug-zentrumsuedosteuropa/bdef:Podcast/get 27 Interview Kronjäger 28 KOSMO-Redaktion, „Alaba ist mein Vorbild“, in Online Kosmo, 30.4.2013, unter http://www.kosmo.at/news/Alabama-ist-mein-Vorbild
12
Gleiches gilt auch für den in Bosnien geborenen Cican Stanković. Der derzeitige U21-
Teamtorhüter und Grödig-Tormann erklärt: „Ich möchte, als gebürtiger Serbe, für die
österreichische Nationalmannschaft auflaufen, denn ich bin in Österreich
aufgewachsen und gleichfalls wurde ich hier zum Fußballer ausgebildet und deshalb
kommt es für mich nicht in Frage, Österreich den Rücken zu kehren.“29 Daneben
wäre er aber auch für Serbien spielberechtigt. Die bosnische Staatsangehörigkeit
musste er ablegen.30 Da er sich gleichermaßen als Österreicher und Serbe fühlt, ist
er nicht der Patriotismus-Kategorie zuzuordnen. Er legt Wert darauf „Österreicher
serbischer Abstammung“31 zu sein und möchte „nicht als Bosnier bezeichnet
werden.“32
4.3. Patriotismus
Die Grenze zwischen Loyalität und Patriotismus ist gut bei Mateo Kovačić zu
erkennen. Der heutige Inter-Mailand-Spieler lernte das Fußballspielen in Linz – als
Kind flüchtete er mit seiner Familie vor dem Krieg. Die Verbundenheit zum
Heimatland Kroatien war bei seiner Entscheidungsfindung aber ausschlaggebender
als die Verbundenheit zu Österreich durch die Ausbildung in Linz. Seit März 2013 ist
er A-Nationalspieler Kroatiens. Hans Freudenthaler, Sportlicher Leiter des LAZ Linz,
dazu: „Obwohl er in Österreich ausgebildet wurde, stand nie außer Frage, dass er
sich für Kroatien entscheiden würde. […] Aber Österreich hat Mateo nicht verloren.
Nein, Österreich hat ihn nie gehabt.“33
A-Team-Spieler Zlatko Junuzović‘ Familie flüchtete vor den Kriegswirren in Bosnien,
als er fünf Jahre alt war. Die Frage nach dem Nationalteam habe er sich nicht
gestellt. Für ihn sei Österreich sein Heimatland, auch wenn es für die Familie
29 Interview mit Cican Stankovic, Geführt am 9.8.2013. 30 vgl. ebd. 31 ebd. 32 ebd. 33 Philipp Eitzinger, „Vom LAZ Linz in die Champions League“, in Doppelpass 4/2011, z.n. Oberösterreichischer Fußballverband, „Portrait Kovacic in der Doppelpass-Ausgabe 4/2011“, unter http://www.ofv.at/ofv/page/839373659018036818_565183092675704852_880150418629930423,de.html
13
natürlich anders sei. Doch seine Erinnerungen an Bosnien seien sehr
verschwommen.34 „Man weiß natürlich, dass man andere Wurzeln hat, alleine wegen
der Sprache. Aber ich bin mit den Jahren immer mehr zum Österreicher geworden.“35
4.4. Pragmatismus
Pragmatische Gründe können ausschlaggebend sein, wenn ein Spieler in einem Land
die Konkurrenzsituation als geringer ansieht oder wenn ein Land sportlich reizvoller
ist. Angesprochen auf diesen letzten Punkt scherzte Ivica Osim bei einem Vortrag an
der Uni Graz: „Für Deutschland ist leicht zu spielen, weil sie gewinnen immer. Muss
man für Bosnien spielen, das ist schwer. Da gewinnt man nicht oft und wenn wir
gewinnen, dann feiern wir drei Jahre.“36
Auch die Aussicht auf die Teilnahme an einem sportlichen Großereignis kann ein
Anreiz sein, sich für die eine und gegen die andere Nationalmannschaft zu
entscheiden. Geld hingegen scheint bei Nationalteamentscheidungen im Gegensatz
zu Vereinswechseln nicht im Vordergrund zu stehen.
Gerade in der Pragmatismus-Kategorie finden sich viele Spieler, die eingebürgert
wurden bzw. sich einbürgern ließen. Schon früher entschieden sich Spieler für eine
Einbürgerung, um fürs österreichische Team spielen zu können. So erklärt der
heutige Altach-Trainer Damir Canadi, der als Sohn jugoslawischer Eltern in Wien
aufwuchs, dass die Familie für die Einbürgerung des damals 13-Jährigen Geld
zusammenlegte, damit er für die österreichische Nachwuchsauswahl spielen kann.
Für einen A-Team-Einsatz reichte es später übrigens nicht.37
34 vgl. Gerald Gossmann, „Junuzovic: ‚Andi Herzog weiß anscheinend nicht welche Position ich spiele‘.“, in 90Minuten.at, 10.10.2012, unter http://www.90minuten.at/index.php/meinung/qfq/2797-junuzovic-andi-herzog-weiss-anscheinend-nicht-welche-position-ich-spiele 35 Ebd. 36 Radlinger, Ivica Osim. 37 vgl. Kühnelt, Legionäre, 85.
14
Und darauf, dass auch bei Ivica Vastić die Entscheidung durchaus pragmatisch
erfolgt sei, weisen Liegl und Spitaler hin: „Die Kroaten hatten zu dieser Zeit eine
Unmenge brillanter offensiver Spieler, Österreich verfügte mit Andreas Herzog und
Toni Polster gerade einmal über zwei Kicker, die internationale Erfahrung vorweisen
konnten.“38 Vastić war vor seiner österreichischen Teamkarriere sogar schon einmal
im Kader der kroatischen Auswahl – er kam dort aber nicht zum Einsatz.
Oft geht/ging es bei Einbürgerungsentscheidungen aber nur am Rande um
Nationalteamkarrieren. Durch die frühere Beschränkung der Ausländeranzahl in der
österreichischen Bundesliga, entschieden sich einige Spieler wohl ebenfalls aus
pragmatischen Gründen für eine Einbürgerung (bzw. wurden vom Verein dazu
ermuntert).
4.5. Multiantezedens
Nicht immer lässt sich ein wichtigster Beweggrund aus den Interviews filtern. Jene,
die mit mehreren Argumenten gleichermaßen aufwarten, finden sich in dieser
Kategorie. So gibt Marko Arnautović in einem Interview der Zeitschrift „Datum“
Einblick in sein Seelenleben:
„Was soll ich machen? Soll ich auf die Österreicher hören? Oder auf die Serben?
Ich bin doch beides. Das kann ich nicht ändern. Deshalb spiele ich mit beiden
Flaggen auf den Schuhen. Irgendwann habe ich beschlossen: ich bin, was ich bin.
Ich kann meine Geschichte nicht verändern.“39
Für viele Serben in Wien sei er ein Verräter, weil er für Österreich spielt. Österreicher
hingegen würden es nicht lustig finden, wenn er mit der serbischen Flagge am Schuh
kickt. Ähnliches wurde Helmut Kronjäger übrigens auch vom türkischstämmige
38 Ebd., 11. 39 Axel Brüggemann, „Kein Prügelknabe“, in DATUM online, 1.7.2012, unter http://www.datum.at/artikel/kein-pruegelknabe/seite/alle/
15
Nationalspieler Veli Kavlak erzählt: „Er hat mir gesagt: In der Türkei ist er der
Österreicher, bei uns ist er Türke.“40
Was bei Arnautović letztendlich den Ausschlag für Österreich gegeben hat, lässt sich
in seinen Interviews nicht feststellen.
Wolfsberg-Stürmer Mihret Topčagić, der im Winter 2013/14 zu Schachtjor Karaganda
wechselte, erklärt hingegen, dass er sich mit Bosnien sehr verbunden fühle. „Ich
fühle mich auch als Bosniake. Also bei mir würde das Herz entscheiden.“41 Dennoch
lässt er sich nicht ohne weiteres in die Kategorie „Patriotismus“ einordnen. Der Grund
ist: Würde jemand vom österreichischen Team anklopfen, würde er es sich dennoch
überlegen: „Denn Österreich hat mir sehr viel im Leben ermöglicht und dafür bin ich
dankbar.“42 Bisher habe es mit dem bosnischen Team aber keinen Kontakt
gegeben43, so Topčagić, auch wenn Ivica Osim an der Uni Graz erklärte:
„Ich kann Ihnen jetzt zehn Namen geben, Bosnier, die in Österreich spielen, die
interessant für uns sind […] Topčagić spielt bei Wolfsberg als Spitze, ist
interessant, weil wir müssen schon jetzt rechnen, dass jemand irgendwann statt
Ďzeko spielen kann.“44
5. Zusammenfassung und Reflexion
Diese Studie zeigt, welche Faktoren bei Fußballspielern mit Migrationshintergrund bei
der Entscheidung für eine möglichen Nationalmannschaften eine Rolle spielen. Viele
der hier einbezogenen Spieler nennen einen Grund, der für sie
hauptausschlaggebend war. Dieser wird herangezogen, um verschiedene Kategorien
der Entscheidungsgrundlage benennen zu können. Während sich die einen Spieler
für das Team entschieden, das sich mehr um sie bemühte (Reputation), fühlen sich
40 Interview Kronjäger. 41 Interview mit Mihret Topčagić, Geführt am 9.8.2013. 42 Ebd. 43 vgl. ebd. 44
Kühnelt, Legionäre.
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andere einer Nation verpflichtet – sei es aus Patriotismus, sei es aus Dankbarkeit
dafür, hier eine schöne (Fußball-) Jugend verbracht zu haben (Loyalität). Wieder
andere ziehen vorrangig pragmatische Gründe zur Entscheidungsfindung heran
(Pragmatismus). In einer fünften Kategorie (Multiantezedens) sammeln sich jene, die
mehrere gleichwertige Gründe in Erwägung zogen bzw. ziehen. Doch nicht nur bei
ihnen wird auch offensichtlich, dass eine eindimensionale Betrachtungsweise
schwierig ist. Auch bei jenen, die einen klaren Hauptgrund nennen können, darf die
Summe der anderen, weniger wichtigen Faktoren nicht außer Acht gelassen werden.
Keiner der für diese Studie miteinbezogenen Fußballspieler nannte Geld als Grund
seiner Entscheidung. Natürlich bedeutet das Spielen für eine sportlich besser
dastehende Nationalelf auch mehr Prestige und in weiterer Folge wohl auch mehr
Verdienst für einen Spieler. Der sportliche Anreiz, die Ehre beim Nationalteam zu
spielen, scheint jedoch eher im Vordergrund zu stehen – im Gegensatz zu vielen
Entscheidungen auf Vereinsebene. Dennoch, der Umstand, dass die Fußballprofis
Geld als Beweggründe nicht erwähnt haben, weist gleichzeitig sowohl auf die
mögliche Regeln des Spiels45 – Ausweichen von Geld als Thema – des Fußballs, als
auch auf die methodologischen Grenzen des ausgewählten Forschungsansatzes hin.
Das Thema wird auch in den nächsten Jahren nicht an Bedeutung verlieren. In
unserer globalen Gesellschaft ist Multiethnizität schon jetzt selbstverständlich. Ein
Blick auf die Nachwuchsnationalmannschaften genügt, um zu sehen, dass sich diese
Multiethnizität auch im Fußball widerspiegelt. Auch die gesetzlichen und
sportrechtlichen Voraussetzungen, die in diesem Artikel vorgestellt wurden, fördern
dies. Spieler, die von der Thematik betroffen sind, haben häufig familiäre Bezüge zu
Ländern des ehemaligen Jugoslawiens, ferner gibt es auch etliche Fußballer mit
türkischem oder kurdischem Hintergrund.
Das Konstrukt Nationalmannschaft befindet sich in einem Wandlungsprozess. Waren
früher Spieler mit Migrationshintergrund im Team eher die Ausnahme, ist es nun –
nicht nur in Österreich – schon die Regel. Das Nationalteam ist ein Abbild der
45 Pierre Bourdieu, „Politik, Schriften zur Politischen Ökonomie“, Berlin: Suhrkamp, 2013.
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Gesellschaft und kann durch seine Diversität für alle in Österreich lebenden
Menschen als Identifikationspunkt herhalten. Sollte die, vor allem in Europa, starke
Entwicklung weg von vielen autonomen Einzelstaaten, hin zu einem großen Ganzen
in der EU anhalten, könnte aber auch die derzeitige Form der Nationalmannschaften
bald zu einem Auslaufmodell werden und durch anderes ersetzt werden.
6. Quellenangaben
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ich spiele‘.“, in 90Minuten.at, 10.10.2012. unter http://www.90minuten.at/index.php/meinung/qfq/2797-junuzovic-andi-herzog-weiss-anscheinend-nicht-welche-position-ich-spiele [abgerufen am 13.4.2014].
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Mehrere Identitäten, aber nur eine Mannschaft - Österreich oder Balkanstaaten? Wenn Fußballspieler mit multinationalem Hintergrund zwischen zwei verschiedenen Nationalmannschaften entscheiden müssen Working Paper, No. 11 © Kuhelnik Contact: [email protected]
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