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Redaktion
K. Diedrich, Lübeck
R. Felberbaum, Kempten
S. von Otte, Lübeck
Gynäkologe 2007 · 40:908–910
DOI 10.1007/s00129-007-2065-9
Online publiziert: 6. Oktober 2007
© Springer Medizin Verlag 2007
J. Bauer · J. Schmolling
Frauenklinik, Krankenhaus der Augustinerinnen, Köln
Thrombozyten-aggregationshemmer zur Prävention der PräeklampsieMetaanalyse individueller Patientendaten
Für Sie gelesen
Eine Präeklampsie kompliziert 2–8%
der Schwangerschaften und kann zu
Leber- und Nierenkomplikationen,
Krampfanfällen sowie Gerinnungs-
störungen führen. Für den Fetus be-
steht daher ein erhöhtes Risiko für ei-
ne Frühgeburtlichkeit, aber auch für
eine direkte intrauterine Beeinträch-
tigung durch Wachstumsretardie-
rung. Weltweit sind 10–15% der jähr-
lich rund 500.000 mütterlichen Todes-
fälle durch hypertensive Störungen
während der Schwangerschaft und
ihre Komplikationen verursacht.
Die Ätiologie der Präeklampsie bleibt un-
klar. Bekannt ist, dass eine gestörte Tro-
phoblasteninvasion der maternalen Spi-
ralarterien zu einer Minderperfusion der
Plazenta mit nachfolgender Ischämie und
Infarzierung führen [10]. Die resultieren-
de Plazentaschädigung aktiviert Blutplätt-
chen und Gerinnungssystem und führt
zu einer Störung des Gleichgewichts zwi-
schen vasodilatierendem Prostazyklin
und vasokonstringierendem Thrombo-
xan, welches außerdem die Thrombozy-
tenaggregation stimuliert [3]. Acetylsali-
cylsäure (ASS) greift ein, indem es die Zy-
klooxygenase inaktiviert und konsekutiv
die Synthese von Thromboxan blockiert.
Dieser Zusammenhang war Grundlage
für zahlreiche Untersuchungen zur Wirk-
samkeit von Thrombozytenaggregations-
hemmer in der Prävention einer Präe-
klampsie [4], doch die Ergebnisse waren
widersprüchlich. Auch wenn systemati-
sche Übersichtsarbeiten eine mäßige Ri-
sikoreduktion für Präeklampsie, Frühge-
burt oder kindlichen Tod unter Throm-
bozytenaggregationshemmern zeigen,
bleiben die Kontroversen weiterhin be-
stehen.
Methoden
Um diese zu klären, wurde die PARIS-
Gruppe (Perinatal Antiplatelet Review of
International Studies) gebildet mit dem
Ziel, eine Metaanalyse auf der Basis indi-
vidueller Patientendaten durchzuführen.
So sollte der Nutzen der Thrombozyten-
aggregationshemmer in der Primärprä-
vention der Präeklampsie herausgearbei-
tet werden und die Schwangeren identi-
fiziert werden, die von einer Behandlung
möglicherweise am meisten profitieren.
Die Autoren suchten dafür in Daten-
banken nach allen geeigneten Arbeiten,
die bis Dezember 2005 veröffentlicht wor-
den waren. Eingang in die Untersuchung
fanden randomisierte Studien, die bei
Schwangeren mit erhöhtem Risiko für ei-
ne Präeklampsie entweder aufgrund einer
belasteten Anamnese (z. B. SIH oder SGA
in vorheriger Schwangerschaft), einer prä-
existenten Erkrankung (z. B. Diabetes,
chronischer Hypertonus etc.) oder einer
frühen geburtshilflichen Risikokonstella-
tion in der aktuellen Schwangerschaft ei-
nen oder mehrere Thrombozytenaggrega-
tionshemmer gegen Placebo oder gar kei-
ne Therapie im Hinblick auf die Primär-
prävention einer Präeklampsie testeten.
Ihre Metaanalyse führten die Autoren mit
individuellen Patientendaten durch, die
sie aus den Studien extrahierten. Sie hat-
ten hierfür vier bzw. fünf Endpunkte de-
finiert: Präeklampsie (Hypertonie mit neu
aufgetretener Proteinurie in der 20. Ge-
stationswoche oder danach), intraute-
riner Fruchttod oder Tod des Säuglings
vor Entlassung aus der Klinik, Frühge-
burt vor der 34. Woche, zu niedriges Ge-
burtsgewicht des Säuglings und Schwan-
gerschaften mit ernsthaften Komplikati-
onen (z. B. Tod der Mutter).
Ergebnisse
Von ursprünglich 115 identifizierten Stu-
dien erwiesen sich letztlich 31 als geeignet
und gingen in die Auswertung ein. Die-
se lieferten Daten von 32.217 Schwange-
Folgender Originalbeitrag wurde für Sie
gelesen und kommentiert:
Askie LM, Duley L, Henderson-Smart DJ, Ste-
wart LA, on behalf of the PARIS Collaborative
Group (2007) Antiplatelet agents for preven-
tion of pre-eclampsia: a meta-analysis of indi-
vidual patient data. Lancet 369: 1791–1798
908 | Der Gynäkologe 11 · 2007
ren und 32.819 Säuglingen. In 27 Studi-
en wurde ausschließlich Acetylsalicylsäu-
re in einer täglichen Dosis von 50–150 mg
gegeben, was 98% der Teilnehmerinnen
(n=31.678) betraf. In 3 Arbeiten wurde
zusätzlich Dipyridamol (n=177) verwen-
det, 362 Schwangere erhielten ein anderes
Schema (Dipyridamol und/oder Heparin,
Ozagrel). Die Randomisierung und damit
der Therapiebeginn lag bei 59% aller be-
teiligten Schwangeren vor der 20. SSW.
Mehr als die Hälfte der Studienteilneh-
mer (54%) waren Erstgebärende, 92% hat-
ten nur eine einzige Schwangerschaft, 70%
waren zwischen 20 und 35 Jahre alt und
90% wiesen mindestens einen Risikofak-
tor auf.
Insgesamt 2599 (8%) der Teilneh-
merinnen entwickelten im Verlauf der
Schwangerschaft eine Präeklampsie.
Frauen, die einen Thrombozytenaggrega-
tionshemmer einnahmen, hatten jeweils
ein um 10% reduziertes Risiko, eine Prä-
eklampsie zu entwickeln, vor der 34. Ge-
stationswoche zu entbinden oder in der
Schwangerschaft eine ernsthafte Kom-
plikation zu erleiden. Diese Ergebnisse
erwiesen sich als statistisch signifikant.
Umgerechnet bedeutete dies, dass pro 51
behandelter Schwangerer ein ernsthaf-
tes Ereignis in einer Schwangerschaft ver-
hindert werden konnte. Um einen Fall ei-
ner Präeklampsie zu verhindern, mussten
114 Frauen mit einem Thrombozytenag-
gregationshemmer behandelt werden. Die
ebenfalls beobachtete 10%ige Reduktion
des relativen Risikos für das Auftreten ei-
ner Wachstumsretardierung (SGA) sowie
die 9%ige Verminderung des relativen Ri-
sikos eines intrauterinen Fruchttodes oder
Tod des Säuglings vor Entlassung waren
statistisch nicht signifikant. In einer Sub-
analyse bezüglich des Endpunktes Präe-
klampsie profitierte von vier unterschied-
lichen Risikogruppen, die aufgrund von
anamnestischen oder aktuellen geburts-
hilflichen Risikofaktoren der jetzigen
Schwangerschaft definiert wurden, keine
mehr von dem Medikament als die ande-
ren, die Dosierung von ASS mit 75 bzw.
>75 mg zeigten ebenso wie der Zeitpunkt
des Therapiebeginns (vor bzw. nach der
20. SSW) keine Relevanz. Es wurde kein
erhöhtes Risiko für Blutungen unter ASS-
Behandlung festgestellt, weder bei der
Mutter noch beim Fetus bzw. Neugebore-
nen [7], und auch eine Behandlung in der
Frühschwangerschaft zeigte in Bezug auf
das Fehlbildungsrisiko keinen negativen
Einfluss [9].
Kommentar
In einer Metaanalyse mit individuellen
Patientendaten untersucht die PARIS-Ar-
beitsgruppe, ob Thrombozytenaggrega-
tionshemmer das relative Risiko für das
Auftreten einer Präeklampsie und die
Folgen für den Fetus bzw. das Neugebo-
rene in einem Risikokollektiv reduzie-
ren kann. Großer Vorteil dieser Metho-
de ist die Möglichkeit, zahlreiche Unter-
gruppen, die in den Originalstudien bei-
spielsweise wegen zu geringer Fallzahlen
nicht berücksichtigt wurden, in Bezug auf
das Outcome auswerten zu können. Die
PARIS-Gruppe stützt sich in dieser Arbeit
unter anderem auf die Daten großer kon-
ventioneller Metaanalysen.
> Der positive Effekt von ASS bei günstigem Nebenwirkungsprofil wurde bestätigt
Überraschend ist nicht, dass die Diag nose
der Präeklampsie und die Rate der Früh-
geburtlichkeit vor der 34. SSW durch Ace-
tylsalicylsäure jeweils statistisch signifi-
kant um 10% vermindert werden konn-
ten. Auch für das Auftreten einer Wachs-
tumsretardierung bzw. einer Totgeburt
oder eines Kindstodes vor Entlassung aus
dem Krankenhaus wurde eine Reduktion
um 10 bzw. 9% festgestellt, diese war auf-
grund der größeren Abweichung jedoch
statistisch nicht signifikant. Enttäuschend
war allerdings, dass trotz der sehr großen
Zahl von ausgewerteten Patientinnen we-
der die Einteilung in unterschiedlich de-
finierte Risikogruppen einen Hinweis für
diejenigen Patientinnen ergaben, die be-
sonders von einer solchen Behandlung
profitieren könnten, noch dass irgendein
Unterschied für den Nutzen der ASS-Be-
handlung in Abhängigkeit von Thera-
piebeginn und -dosis festgestellt werden
konnte. Relevante Risiken für Mutter und
Kind durch die Behandlung mit Throm-
bozytenaggregationshemmern zeigten
sich nicht, wobei das Ausmaß der Blu-
tung im Rahmen der normalen Geburt
und der Kaiserschnittgeburt naturgemäß
schwer zu beurteilen ist.
Insofern wurde der bereits in vielen
Metaanalysen nachgewiesene positive
Effekt der ASS-Behandlung bei günsti-
gem Nebenwirkungsprofil zwar bestä-
tigt, entscheidende Hinweise auf Patien-
tinnengruppen, die besonders profitieren
könnten, ergaben sich allerdings nicht. In
diesem Zusammenhang dürfen die Ergeb-
nisse vorangegangener Studien nicht un-
erwähnt bleiben, die gezeigt haben, dass
insbesondere Patientinnen mit hohem Ri-
siko für das Auftreten einer Präeklampsie
von einer ASS-Behandlung profitierten
[6, 11]. Als fast sichere Risikofaktoren für
das Auftreten einer Präeklampsie gelten
dabei eine anamnestisch auf dem Boden
einer chronischen Hypertonie entstande-
nen Präeklampsie und mehr als eine Prä-
eklampsie in vorangegangenen Schwan-
gerschaften. Insbesondere in entwickelten
Ländern mit gutem Versorgungsstandard
909Der Gynäkologe 11 · 2007 |
muss auf den Wert der Doppler-sonogra-
phischen Untersuchung der uteroplazen-
taren Perfusion, vorgenommen im 2. Tri-
menon, hingewiesen werden. Hiermit ge-
lingt eine gute Eingrenzung eines Risiko-
kollektivs, indem bereits pro 16 behandel-
ter Schwangerer ein Fall einer Präeklamp-
sie vermieden werden kann [8, 5].
Unberücksichtigt ist in dieser Ar-
beit auch das Problem der Adipositas,
das mit einer bis zu 3fachen Risikoerhö-
hung für das Auftreten einer Präeklamp-
sie einhergeht. Dabei steigt das Risiko li-
near mit steigendem Bodymaßindex an [1,
2]. Die Wirkung von ASS bei diesen Frau-
en konnte aus der vorliegenden Arbeit der
PARIS-Gruppe nicht eruiert werden. Se-
rologische Parameter, die in einer Vielzahl
von Studien in Bezug auf ihren prädikti-
ven Wert untersucht worden sind, haben
bisher keinen Eingang in die klinische
Routine gefunden und blieben daher in
dieser Metaanalyse unberücksichtigt.
Fazit für die Praxis
Bei Patientinnen mit anamnestischen Ri-
sikofaktoren für das Auftreten einer Prä-
eklampsie kann – insbesondere wenn die
Doppler-Sonographie der uteroplazen-
taren Perfusion eine Pathologie aufweist
– großzügig zu einer prophylaktischen
Behandlung mit ASS geraten werden. Bei
eher niedrigem Risikoprofil muss die Ent-
scheidung individuell nach Absprache
mit der Patientin getroffen werden, wo-
bei hier das günstige Nebenwirkungs-
spektrum der Thrombozytenaggregati-
onshemmer berücksichtigt werden kann.
KorrespondenzadresseProf. Dr. J. SchmollingFrauenklinik, Krankenhaus der AugustinerinnenJakobstraße 27-31, 50678 Kö[email protected]
Interessenkonflikt. Der korrespondierende Autor
gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
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Omega-3-Fettsäuren
Neue Ernährungsempfehlungen
für Schwangere
Die positiven Auswirkungen von omega-
3-Fettsäuren auf die Gesundheit sind
schon länger bekannt. Bisher herrschte
jedoch Unklarheit über die empfohlene
Menge, die man täglich zu sich nehmen
sollte. Daher hat die Europäische Kommis-
sion die Perinatal Lipid Nutrition Group
(PeriLip) und das Early Nutrition Program-
ming Projekt mit einer entsprechenden
Untersuchung beauftragt. Die Experten
stellten fest, dass eine ausreichende
Zufuhr von omega-3-Fettsäuren zu gesün-
deren Schwangerschaften, einem höheren
Geburtsgewicht, weniger Frühgeburten
und einer positiveren kindlichen Entwick-
lung, besonders bei Augen- und Hirnfunk-
tion, führt.
Darauf basierend gab die Europäische
Konsensuskonferenz nun eine neue Richt-
linie heraus. 200 mg Docosahexaensäure
sollen in Schwangerschaft und Stillzeit mit
der Nahrung pro Tag zugeführt werden.
Dies entspricht 2 Portionen fettem See-
fisch (beispielsweise Lachs oder Makrele)
pro Woche. Frauen, die wenig oder keinen
Fisch verzehren, sollten die Verwendung
von omega-3-Supplementen erwägen.
Quelle: Klinikum der Universität München,
www.med.uni-muenchen.de
Fachnachrichten
910 | Der Gynäkologe 11 · 2007
Für Sie gelesen