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Aus der Universit~tsklinik ffir Ohren-, Nasen- und Halskranke zu K6nigs- berg. (Direktor: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Stenger.) [Jber Blutbilduntersuchungen bei Ohrkomplikationen. Von Dr. Paul Kaiser, Assistent der Klinik. Seit l~ingerer Zeit wurden an unserer Klinik Untersuchungen des Blutbildes bei Ohrkomplikationen vorgenommen, um die in der Literatur aufgetauchten Widersprfiehe (vgl. z. B. Hesses 1) und Rosenos "~) An- sicht fiber das Verhalten der Leukozytenzahl bei operationsreifer Mastoi- ditis) zu kl~iren, oder eventuell, insbesondere bei den schweren Kompli- kationen (Hirnabszeg, Meningitis, ExtraduralabszeB, Sinusthrombose) neue Gesichtspunkte fiir die Diagnostik zu finden. Aus einem gr6geren Material will ich, ohne auf die bereits in friiheren Arbeiten fiber Blut- bilduntersuchungen hinreichend erw~ihnten rein h~imatologischen Fragen einzugehen, diejenigen F~ille er6rtern, die nach dieser oder jener Richtung lain in Beziehung auf das Verhalten des Blutbildes bedeutungsvoll sind und uns Ifir die betreffenden Erkrankungen kennzeichnend erschienen. Dabei muBte der Vollst~indigkeit halber auch erw~ihnt werden, wie sich das Blutbild bei den h~imatologisch bereits gekl~irten Komplikationen wie Meningitis, HirnabszeB, Extraduralabszeg verhielt. Da wir uns yon der Wichtigkeit der Blutbilduntersuchungen in der Otologie, besonders in der Nachbehandlung und auch zum Teil zur Fest- stellung der Operationsnotwendigkeit bei Mastoiditis fiberzeugt haben, glauben wir auch durch unsere Erfahrungen zu einer weiteren Kl~irung der diesbezfiglichen Fragen beizutragen. Es wurde die absolute Leukozytenzahl und wegen besonderer Wich- tigkeit die absoiute Zahl der Eosinophilen im Z~ihlkammerverfahren er- mittelt. Vom Blutausstrich wurden 3oo Zellen ausgez~ihlt. Die Blut- entnahme land durchweg in den frfihen Morgenstunden vor der ersten Nahrungsaufnahme oder in nfichternem Zustande kurz vor der Operation statt. In Betracht sollen nur diejenigen F~ille gezogen werden, die ohne 1) Hesse, Das Blutbild und die Entstehungsbedingungen yon Komplikationen. Zeitschr. f. Hals-, Nasen- u. Ohrenheilk., Bd. 15. 2) ~oseno, Die Bedeutung des Blu• in Symptomatologie und Theraphie der eitrigen Mastoiditis. .A~rch. f. Ohren-, Nasen- u. t~ehlkopfheilk., ]3d. 112.

Über Blutbilduntersuchungen bei Ohrkomplikationen

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Page 1: Über Blutbilduntersuchungen bei Ohrkomplikationen

Aus der Universit~tsklinik ffir Ohren-, Nasen- und Halskranke zu K6nigs- berg. (Direktor: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Stenger . )

[Jber Blutbilduntersuchungen bei Ohrkomplikationen. Von Dr. Paul Kaiser, Assistent der Klinik.

Seit l~ingerer Zeit wurden an unserer Klinik Untersuchungen des Blutbildes bei Ohrkomplikationen vorgenommen, um die in der Literatur aufgetauchten Widersprfiehe (vgl. z. B. Hesses 1) und Rosenos "~) An- sicht fiber das Verhalten der Leukozytenzahl bei operationsreifer Mastoi- ditis) zu kl~iren, oder eventuell, insbesondere bei den schweren Kompli- kationen (Hirnabszeg, Meningitis, ExtraduralabszeB, Sinusthrombose) neue Gesichtspunkte fiir die Diagnostik zu finden. Aus einem gr6geren Material will ich, ohne auf die bereits in friiheren Arbeiten fiber Blut- bilduntersuchungen hinreichend erw~ihnten rein h~imatologischen Fragen einzugehen, diejenigen F~ille er6rtern, die nach dieser oder jener Richtung lain in Beziehung auf das Verhalten des Blutbildes bedeutungsvoll sind und uns I fir die betreffenden Erkrankungen kennzeichnend erschienen. Dabei muBte der Vollst~indigkeit halber auch erw~ihnt werden, wie sich das Blutbild bei den h~imatologisch bereits gekl~irten Komplikationen wie Meningitis, HirnabszeB, Extraduralabszeg verhielt.

Da wir uns yon der Wichtigkeit der Blutbilduntersuchungen in der Otologie, besonders in der Nachbehandlung und auch zum Teil zur Fest- stellung der Operationsnotwendigkeit bei Mastoiditis fiberzeugt haben, glauben wir auch durch unsere Erfahrungen zu einer weiteren Kl~irung der diesbezfiglichen Fragen beizutragen.

Es wurde die absolute Leukozytenzahl und wegen besonderer Wich- tigkeit die absoiute Zahl der Eosinophilen im Z~ihlkammerverfahren er- mittelt. Vom Blutausstrich wurden 3oo Zellen ausgez~ihlt. Die Blut- entnahme land durchweg in den frfihen Morgenstunden vor der ersten Nahrungsaufnahme oder in nfichternem Zustande kurz vor der Operation statt. In Betracht sollen nur diejenigen F~ille gezogen werden, die ohne

1) H e s s e , Das Blutbi ld und die En t s t ehungsbed ingungen yon Kompl ika t ionen . Zeitschr. f. Hals-, Nasen- u. Ohrenheilk., Bd. 15.

2) ~ o s e n o , Die Bedeu tung des Blu• in Symptomato log ie und Theraphie der ei tr igen Mastoiditis. .A~rch. f. Ohren-, Nasen- u. t~ehlkopfheilk., ]3d. 112.

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238 PAUL KAISER,

jede Nebenerkrankung lediglich eine 0hrkomplikation aufwiesen. AuBer bei den Sinusthrombosen, wo wir auch F~lle aus iugendlichem Alter hin- zugenommen haben, werden nur die an Erwachsenen vorgenommenen Blutuntersuehungen in ihren Resultaten wiedergegeben. Folgende Kom- plikationen sollen in ihrem hiimatologischen Verhalten dargestellt werden: Meningitis, HirnabszeB, ExtraduralabszeB, Sinusthrombose, Mastoiditis.

Aus den beigegebenen Tabellen sollen die Ergebnisse veranschaulicht werden. Die oberste Rubrik stellt zum Vergleich die VerhAltnisse dar, wie sie sich im normalen Blutbild vorfinden. Die beiden Kolumnen rechts geben die absoluten Zahlen der Leukozyten und Eosinophilen wieder.

Meningitis. Fal l i. Durch Radikaloperation und Labyrinthektomie nicht be-

herrschte, labyrinthogene Meningitis mit eindeutigen klinischen Symptomen zeigte 2 Wochen nach der Operation folgendes Blutbild:

�9 Datum Lyre- Stab Ju Mono t Segm. pho Eos Baso

62 25 2 ] 44 I _ _ ~ / 5 - 7 / o , 5 - - i

23. V. 27 70,0 I 13 0,7] 8,3 5,31 2 0, 7 26. V. 27 79,7 5,7 0,3 6,3 6,3 i 1,3 0,3

Bald darauf Exitus.

Leuko ~os

5--8000 15o--2oo

18400 73 248oo 27

Fal l 2. Tympanogene, eitrige Meningitis mit schweren Allgemeinerschei- nungen. Kurz vor der Operation land sich folgendes Blutbild:

62_i 25 _ 2 4 o 5--7 o,5~1 o 5--8000 15o--2oo

28 9,3 o 62,7 I o o o o 22ooo o

Operation hatte keinen Erfolg. 2 Tage danach Exitus.

Hirnabszesse. Von besonderem Wert schien das Blutbild zur Diagnostik der Hirn-

abszesse zu sein, da ja hierbei die anderen Allgemeinsymptome wie Fieber, Puls, subjektive Beschwerden h~iufig im Stiche lassen.

Ich bringe nur die F~ille, bet denen wegen Verdachtes auf eine Komplikation das Blutbitd schon vor tier Operation und dem Auffinden des Hirnabszesses gemacht werden konnte.

Fal l I. Chronische Ohreiterung; Extradural- und Sehl/ifenlappenabszeB.

Lyre- / Datum Segm. pho Eos :Stab Ju Mono Bas0 Leuko Eos

62 25 2 4 o 5--7 o,5--1 5 - 8 0 0 0 I5O--2oo

9. VII. o 14 6 o 1,3 9700 8o 48 3o,5

Page 3: Über Blutbilduntersuchungen bei Ohrkomplikationen

U b e r Blu tb i ldunte rsuchungen bei Ohrkomplikat ionen. 239

Er6ffnung des Extradural- und Schl~fenlappenabszesses: 9. VII.

13 . VII. 5 I 19. VII. i 61,5 27 . VII. 47,3

3. VIII. 6o II . VxI.II. 42

7. �9 57,3 Entlassen

F a l l 2. abszeB.

39 0,5 26 I I,O 3 2 , 3 i 6,2 26,7 I 2 46 2 32,7 0,7

6,5 1,5 7 2,5 8,3 2,0

3,5 2,3 2,3

keine Beschwerden mehr.

o

0,5 3,3 I

4,5

1,5 9000 ` 1,5 7500 0,3 5500 0,3 i 6800 o 7Ioo 0,7 5500

143 13o 245 i i o

87 60

Chr0nische Ohreiterung mit Extradural- und Schl~fenlappen-

Segm l ym-I St4 r D a t u m pho Eos b Ju Mono! Baso Reiz Leuko Eos

62 25 2 o 5--71 o,5--1 o 5--8000 15o--20o

6. VII. 81 I2'7 0 2,3 1,7 1,3 I 13800 t. o

Operation: Er6ffnung des Extradural- und Schl~tfenlappenabszesses.

8. VII. 15. VII. 22. VII. 25. VII.

i. VIII. 9. VIII.

Allm

F a l l

54,3 33 1,7

73,5 i

72'3 I~,3 ~ 60,7 2,3 67,7 22,7! 1,7

.hliche Heilung.

4,7 5,5 4,5

6 4,7

6 I 0,3 2 ~ O

4,5 I 2, 7 I 2, 3 1,3 0,7 2,3

o,3 o

0,5 o I

0,3

o,5

1 1 8 0 0

10700 145oo 12100

7300 7600

133 IO

83 I o

13 ~ lO 7

3- Chronische Ohreiterung mit Extradural- Und KleinhirnabszeB.

D a t u m

9. VII.

S e g m .

62

64

Lym- pho Eos

25 2

22 0,3

Stab Ju Mono Baso Leuko Eos

4 o I 5 - 7 / o,5--I 5--8000 I50--2oo

9 3 O,3 1,3 / I87OO I 43 [ L

Operation" Er6ifnung des Extradural- und Kleinhirnabszesses

12. VII. [ 58,3 28 I I8. VII. i 5 4 35,7 2 27. VII. 30 61,5 2

44,7 2 4. VIII. 48

Allm~thliche Heilung.

4,7 o 3,3 o 0,5 0,5 I

1,71 2 ~ 1,3 I

I

o,3 o

0,3

I67OO IOOO0

7600 9 IOO

60 i2o

113 183

Bei dem erst erw~ihnten Falle wies eine Linksverschiebung von 2o % vor der Operat ion auf das Bes tehen eines des t ru ierenden Prozesses bin. Die Leukozy tenzah l war nur wenig erh6ht. Umgekehr{ lagen die V erh~iltnisse in dem zweiten Falle: Einer Leukozytose von 13 8oo s tand eine vo l lkommen normale Linksverschiebung gegeniiber. I n d e m dr i t t en Fall yon Hirnabszeg fanden wir vor der Operat ion sowohl Leukozytose

Page 4: Über Blutbilduntersuchungen bei Ohrkomplikationen

240 PAUL KAISER,

als auch Linksverschiebung. Das Fehlen, bzw. die geringe Zahl der Eosi- nophilen wies in allen drei F~illen auf einen schweren ProzeB bin.

Aus dem Blutbild der drei angeftihrten F~ille ist folgendes Iest- gestellt : Allein aus der Leukozytenzahl und allein aus dem Verhalten der Linksverschiebung kann auf das Bestehen oder Nichtbestehen eines so schweren Prozesses, wie es ein HirnabszeB ist, nicht geschlossen werden. Erst der ganze Blutstatus unter besonderer Beobachtung der Eosino- philen kann einen entsprechenden Anhalt geben.

In dieser Richtung konnte also auch in unseren drei F~illen aus dem Blutbild die Annahme einer schweren Komplikation gesttitzt werden. Trotzdem kam ihm eine entscheidende diagnostische Bedeutung vor der Operation nicht zu, da die Allgemeinsymptome und die lokalen Erschei- nungen mit hinreichender Sicherheit eine Komplikation erwarten lieBen.

Von groBem Werte war es bei der postoperativen Beobachtung der Kranken. Eine merkliche Verschlechterung des Blutbildes h~itte sofort den Verdacht auf eine nicht gentigend radikale Operation oder auf eine bei der Nachbehandlung entstehende Retention yon Eiter mit gr6Berer Sicher- heir als z. B. das Fieber angezeigt. Insofern wird durch laufende Blutunter- suchungen wie in unseren F~llen eine gewisse Sicherheit und eine nicht zu untersch~itzende diagnostische Stiitze bei der Nachbehandlung gegeben.

Extraduralabszesse. Subakute Otitis media; ExtraduralabszeB.

Segm. Lym- pho Eos Stab Ju Mono Leuko

I)atum I' 62 25 2 4 o 5--7 o,5--1 5--8000

31. V. 68,7 13,3 1,3 I3 2,3 1 0,3 11900

Operation: Er6ffnung des Extraduralabszesses

Baso ~Eos i

]15o---2oo

7. VI. I2. VL 24. VI.

I. VII.

51,7 33,7 2 9,3 49,7 29,7 2 I4, 3 70,7 20,3 2,3 4,3 42,5[ 32 [ I I 19

2 1,3 2,3 2 1,3 I

4 o

O O O

1,5

9600 9200

12200 I I 3 0 0

14o 14o I63 70

Die sp~itere Verschlechterung des Blutbildes war durch das Auf- treten eines Erysipels zu erkl/iren.

Im iibrigen geht aus dem Vergleich mit den vor der Operation an- gestellten Blutuntersuchungen bei den Hirnabszessen hervor, dab im 131utbild ein Unterschied zwischen den Erkrankungen im Ohrknochen- gebiet allein und solchen, die zu einer eitrigen Einschlnelzung der Hirn- substanz geffihrt haben, h~imatologisch nicht zum Ausdruck kommt. I)araus folgt, dab das Blutbild zur differenzialdiganostischen Feststel. lung yon Hirnabszessen keine Handhabe bietet.

Page 5: Über Blutbilduntersuchungen bei Ohrkomplikationen

l~Tber Blutbilduntersuchungen bei Ohrkomplikationen. 241

Sinusthrombosen. F a l l i. Akute Mittelohrentzfindung seit 8 Tagen. Sinusthrombose.

Lvm- I Segm Datum i " pho L 62 25

7. I. 33 8,7

2

Stab Ju Mono Baso

4 o 5--7 o ,5-- i

0

Operation:

55 2,3! 0,7

Reiz

O

o,3

Leuko gos

5--8000 15o--2oo

6700 o

Entfernung des Thrombus

68,3 9 ' 12. I. ' o 19,7! 2,3 I 0,3 o 0,3 26600 9 ~ 27. I. 60,7 I8 0,3 I6,3j o ,314 ,3 o o 11800 80

Zwischendurch hildeten, sich Abszesse an Ellenbogen und Schulter und wurden entleert. Heilung.

F a l l 2. Akute Mittelohrentztindung seit 8 Tagen. Sinusthrombose, yon interner Seite zuerst ftir Typhus (Leukozytenzahl!) gehalten; eingeliefert erst am Tage der Operation.

Datum Se:;. , Eos2

15 . I. 33 i42 ! 1 20. I. 38 I 34 o

t4b I o oi o 5--7 o,5--1

16 22

05]0 2 1 4 0

Operation: Ausr~tumung des Sinus.

R2iz Leuko [ 1gos

5 8000 15o--2oo

o 7800 o 10600

Jugularisunterbindung

59,7 I ' 28. I. 62 3,7 0,3 21 o 3 o o 9600 17

9- II. 15,7 2,7 20 o 1,3 0,7 o 9500 I57 Heilung.

F a l l 3- Zustand nach beiderseitiger Radikaloperation und chronischer Otitis media. Cholesteatomrezidiv. Bulbusthrombose, Sinusthrombose.

Datum ]Segm. ~ L}hn2- ] Eos Stab ] Ju Mono Baso

62 2 5 i 2 i 4 o i5-71 o,5-1

Reizl Leuko :Eos

o 5--8000 15o--2oo

I4 -XI . 54,73419,7 1 ,72421 ,3~ ' 3 ,3 0,3 o 8500 I9. XI- 35,3 1,7 I 3 o o 6200 77

19. XI. Bulbus freigelegt. 21. XI. Jugularis freigelegt

23 . X I . [ 6o,3I lO I o 125,7', 0,3 [ 3,3 [ o [ o [ 13800 lO Unterbindung der Jugularis; Schlitzen des Sinus

28. X I . ] 5 8 1 1 5 I 0 , 7 ] 2 4 I 1,3[ 1 ] o ] o [ 12600 40 Weitere Freilegung des Sinus bis zum Torkular

29 . X I . ] 6 8 [ 6 [ o 124,7[ I ] 0,3[ o i o 118IOO o Der Fall kam ad Exitum, weil, wie sich bei der Obduktion herausstellte,

tier septische ProzeB sich im KSrper infolge der Thrombosierung yon kleineren Venen im Hinterhauptbein hat welter ausdehnen k6nnen.

Archiv f. Ohren-, Nasen- u. Kehlkopfheilkunde. Bd. 119. I6

Page 6: Über Blutbilduntersuchungen bei Ohrkomplikationen

242 PAUL KAISER,

Fal l 4. Chronische Otitis media. Hohe Fieberzacken. Sinusthrombose.

Lym- Eos I Datum Segm. pho Stab Ju Mono i ~Baso Reiz Leuko Eos

62 25 2 i 4 o 5 - - 7 o,5--I I o 5--8o0o I5O--2oo

2I. IV. i 4~ 2~ 0,3 [ 3o,31 6,3 1,7 I o i 0,3 Io4oo ! o Bei der gleich nach der Blutentnahme vorgenommenen Operation land

sich eine ausgedehnte, gangr~tn6se Sinusthrombose.

Fal l 5. Akute Otitis media mit Mastoiditis und b e g i n n e n d e r Sinus- thrombose.

Seg~ " b~ I Mono [ Lym- Si Ju Baso Reiz Leuko Eos Datmn 62" pho Eos ; 25 2 o 15-- 7 o,5--I o i 5--8ooo 15o--2oo

25. VI. T i87,3i 2,71 o I 7 i 2 I o,71 0,3 I 0 ] 78oo so Antrotomie; Sinus bis zum Bulbus freigelegt, belegt

29 . VI. 51,3!27, 7 o,7 I I2,3 7,3l o I o,7 56oo 33 5. VII. 63,7118, 7 o [lO,3 7,3 / o [ o o 86oo 3

Sinus geschlitzt, kein Thrombus. Sinuswanderkrankung

9. VII.I 64,5123,5] 3 I 3 i 5 [ o,51 o i o,51 6900 [ ioo Zwischen der ersten und zweiten Operation hohe Fieberzacken, die an

eine Sinuserkrankung denken liei3en. Die Annahme best~itigte sich bei der zweiten Operation dutch das Vorfinden einer erkrankten Sinuswand. Heilung.

Diese fiinf F~ille stellen das gesamte Material von Sinuserkrankungen dar, welches an der Klinik v o r d e r O p e r a t i o n h~tmatologisch unter- sucht wurde. Die Leukozytenzahl bewegte sich vor der Operation zwi- schen 67oo und IO6OO, die Linksverschiebung zwischen 57,3 und 17,6 ~/o- Die Eosinophilen fehlten oder waren stark vermindert.

Wir haben den Ergebnissen, wie sich die Reaktion des blutbildenden Systems auf direkte Einbriiche der Infektion in die BIutbahn gestalten wiirde, mit besonderer Spannung entgegen gesehen. Die erw~ihnten F~iile von Sinuserkrankungen lieferten uns in unserem Fache dazu ein h6chst willkommenes Material. Es handelt sich bei der Sinusthrombose um Verh~iltnisse, wie sie vielleicht in h/~matologischer Hinsicht h~iufiger in der Gyn~ikoIogie vorkommen, wo das Ieichte i3bergreifen einer eitrigen Genitalerkrankung auf die benachbarten, ausgedehnten Venengeflechte einen ganz ~ihnlichen Vorgang darstellt, wie er in der Otologie durch den lJbergang der Eiterung vom Warzenfortsatz auf den Sinusverlauf ge- geben ist.

Wir erwarteten bei den F~tllen yon Sinuserkrankung eine sehr er- hebliche, besondere Beeinflussung des Blutbildes, und unseren Erwar- tungen entsprach auch sein eigenartiges Verhalten, das wir in den er- w~hnten F~llen feststellen konnten. Auffallend war n~imtich, dab bei

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l~lber Blutbilduntersuchungen bei Ohrkomplikationen. 243

einer hohen Linksverschiebung nur eine normale oder wenig erh6hte Leukozytenzahl gefunden wurde.

Auf Grund dieser Erfahrungen glauben wir im allgemeinen an einen gewissen diagnostischen Wert der Blutuntersuchung bei einer Blut- leitererkrankung. Es soll damit nicht gesagt sein, dab eine h6here Leuko- zytose gegen eine Sinusaffektion spricht; falls sich metastatische Ab- szesse im K~Srper bereits gebildet haben, oder vom Ohr aus die Absze- dierung auf die Weichteile oder ausgedehntere Knochenpartien tiber- gegangen ist, erwarten auch wir eine h6here Leukozytenzahl.

Eine Erkl~irung fiir die verh~iltnism~13ig geringe Leukozytenzahl bei einem den K6rper so angreifenden Prozeg wie eine Sinuserkrankung w~re dutch die Annahme gegeben, d a b der pl6tzliche Einbruch yon Infektionsmaterial direkt in eine grSgere Blutbahn naturgem~13ganz andere Reaktionen ausl6sen muB, als wenn die Toxine erst auf Umwegen allm~hlich an die St~tten der 13ildung der Leukozyten gelangten. I m letzten Falle diirften die Toxine auf das btutbildende System nur einen verh~ltnism~Big schwachen Reiz ausiiben, der vielleicht im Sinne einer ad~quaten, physiologischen Reizung zu deuten w~ire. Der Uberfall auf den Organismus geschieht eben bei der Sinusthrombose so pl6tzlich und so intensiv, dab die vorhandenen reifen Leukozyten schnell auf- gebraucht werden und die jungen Formen (Linksverschiebung), also ge- wissermaBen Ersatz, in den Abwehrkampf geworfen werden. "Eine Leukozytose kann wegen des grol3en Verbrauches an weil3en Blutk6rper- zellen nicht in dem erwarteten gr613eren Umfange in Erscheinung treten.

Mastoiditis. Die besprochenen schweren, bzw. vitaten Komplikationen sind

jedoch meist, abgesehen vom latenten HirnabszeB in stummer Him- region, auf dessen Vorhandensein, wie oben gezeigt, auch ein Blutbild nicht eindeutig aufmerksam machen diirfte, meist bereits durch die ge- w/Shnlichen, 6rtlich und allgemein hervortretenden Symptome hinreichend sicher zu diagnostizieren, so dab eine Blutuntersuchung bei ihnen mehr wissenschaftlichen als praktisChen Wert hat.

Anders abet liegen die Verh~iltnisse bei der auch zu den Ohrk0mpli- kationen zn rechnenden, operationsreifen Mastoiditis. Die Allgemein- symptome und die lokalen Erscheinungen lassen zur Stellung der Indi- kation zur Operation einer Mastoiditis sehr oft im Stiche. W~ire hier die Indikationsstellung auf eine breitere Basis, etwa durch das Blut- bild zu bringen, so wiirde sicher durch Kechtzeitige Operation ein groger Teil tier schweren Komplikationen zu vermeiden sein.

Um festzustellen, ob und inwieweit dies m6glich ist, bzw. das Blut- bild hier Verwendung finden k/Snnte, haben wit an einer Serie vom Ma- stoiditisf~illen entsprechende Untersuchungen angestellt.

16"

Page 8: Über Blutbilduntersuchungen bei Ohrkomplikationen

244 PAUL KAISER,

Fal l I. Akute, vor 2 Wochen begonnen; mehrfach Parazentese; geringe Temperaturen; heftiger Druckschmerz.

Lyre- - - Mono R e i 7 I . . . . [Se~m. , Eos I Stab [ Ju Baso Leuko Eos Da tum I _ pno i i

/ 02 I 25 1_~2 1 4 i o i5--7 o,5--I o J 5--8000 15o--2oo

30. I n . ]42 137,51 5,51 12 ! o 12,5i o o,51 IOOO0 I 147

Bet der Operation wurde ein schwerer destruierender ProzeB im Warzen- fortsatz gefunden. In diesem Falle h~ttte das Blutbild eine Indikation zur Operation gestiitzt (Linksverschiebung).

Fa l l 2. Verschleppte Otitis media acuta mit starker Sekretion. Druck- schmerzhaftigkeit des Warzenfortsatzes. Kopfschmerzen, keine Temperatur.

Datum J Lym- M Z -- I

]Segm. i , I Eos Stab Ju Baso i Reiz , p n o ] O

,} 62 I 25 [ 2 4 o ,t5~71 o,5--I , Leuko Eos

5--8000 15o--2oo

27 . III.] 36 34 9 16 ! z i 1,51 2,5 1 o I 10900 II7o'

Bet der Operation am 28. III. fand sich ein beginnender destruierender Eiterungsprozel3 in der hinteren und unteren Peripherie des Warzenfort- satzes. Heilung. Nach dem Blutbild (Linksverschiebung) w~ire auf einen Prozel3 zu schlieBen.

F a l l 3- Akutel seit I Woche; starke Sekretion, Druckschmerzhaftigkeit des Warzenfortsatzes, zunehmend; Temperatur bis 38.

Datum

26. III.

Lym- Segm. pho I

62 25

47 I 31,5; I

E o s Ju ~Baso i Leuko

2 4 I o o , 5 - - I o q 5 - - 8 o o o

3 j lO,5i 0,5 / 7,5 i- o / o ! 9900 Operation am 29 . I I I . 28

I. IV. i 65,3] 2o,3[ o,7 i 8[o,71 4I 1 ! o 7900

Eos

1 5 0 - - 2 0 o

187

4 ~ Bet der Antrotomie fand man einen ausgedehnten, destruierenden Prozel3

mit einer mit unter Druck stehendem Eiter angeftillten H6hle. Das Blutbild wies also auf den vorhandenen Eiterungsprozel3 bin.

Fa l l 4. Seit 4 Wochen Schmerzen im rechten Ohr. Trommelfell vor- gew61bt und rot; damals Parazentese; geringe Absonderung. Jetzt: Warzen- fortsatz stark drucksehmerzhaft. Keine besonders erh6hte Temperatur (urn 37); Puls um 8o.

Stab Ju Mono I r i 62 2 5 2 _ ~

Oatum I o ,5 -1 5--8ooo 15o--2oo

i

3. IV. !44,314o,7! 1,7 ~ 1,7! o I o j 71oo i 80 Antrotomie am 3. IV. : Mit Eiter und Granulationen angeftillte Zell-

komplexe im Warzenfortsatz.

Page 9: Über Blutbilduntersuchungen bei Ohrkomplikationen

Uber Blutbilduntersuchungen bei Ohrkomplikationen. 245

Auch hier, trotz normaler Leukozytenzahl Anhalt ftir einen, vorhandenen ProzeB (Linksverschiebung). Die Lymphozytose deutet auf eine l~tngere Zeit bestehende Erkrankung.

Fa l l 5. Vor I ~ Monaten Beginn einer akuten Mittelohrentztindung; sofort damals Parazentese. Die Schmerzen liegen nur nach, h6rten nicht ganz auf. Jetzt Pochen und Klopfen im Ohr; st~irkere SchwerhOrigkeit. Ge- ringe Sekretion. Trommelfell ger6tet; teigige Schwellung der hinteren oberen GehOrgangswand. Kein Fieber.

ym] r r r Datum / Segm' pho ] E o s Stab J u iMono' Baso ] Reiz Leuko Eos

62 I 25 i 2 4 1 o 5--7i o,5--1 I o 5--80oo I5O--2oo

19 . IV. 46 137 1~ 12 I I 3,5i o ' o 6700 1 53

Bei der sofort nach der Blutentnahme erfolgten Operation land mar/ : Warzenfortsatzzellen mit Eiter angeftillt, teilweise eingeschmolzen, teilweise mit sulzigen Schleimhautmassen gefiillt. Der eitrige Prozeg ging bis zur Sulkuswand und Schl~ifenlappendura. Die Operation best~ttigte auch bier die aus dem qualitativen Blutbilde hergeleitete Annahme einer Komplikation.

Fal l 6. Seit 14 Tagen akute. Trommelfell ger6tet, verdickt; Warzen- fortsatz druckschmerzhaft. Im ROntgenbilde glaubte man eine starke Ver- schleierung des Warzenfortsatzes zu erkennen. Kein Fieber. Parazentese am IX. IV.

Lp hYr~o -I i �9 Datum Segm. Eos Stab Ju Mono, 13aso Reiz Leuko [ " Eos

_ _ [ 62 I 25 I 2 0 5--7 0,5--I o 5--8000 115o 200 4

12. i v I3 2,51V-1 ,sF r o 5 I 1 o 8600 F 230 Aul3er einer Lymph0zytose zeigte das Blutbild nichts besonderes. Keine

Operation. Heilung.

Ich babe einige F~tlle beschrieben, bei denen aus dem Blutbild auf einen Prozeg geschlossen wurde und bei der Operation auch ein solcher gefunden wurde, ferner einen Fall, dessen Blutbefund gegen eine vor- handene Komplikation sprach und der auch ohne Komplikation heilte.

Im Iolgenden wird ein Fall angefiihrt, bei dem das Blutbild als nicht ungiinstig zu deuten war und doch bei der Operation ein de- struierender Prozel3 gefunden wurde.

Fa l l 7. Seit 2 Monaten linksseitige Ohrbeschwerden mit Absonderung. Seit i Monat m~tBige Druckschmerzhaftigkeit des Warzenfortsatzes. In den letzten Tagen vermehrte Beschwerden und Absonderung. Kein Fieber.

Segm. Lym- Datum 62 pho251 Eos2, Stab4

13. III. !64,51 27 ', x ! 2

ju Mono

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ZBaso

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27o

Page 10: Über Blutbilduntersuchungen bei Ohrkomplikationen

246 PAUL KAISER, Uber Blutbilduntersuchungen bei Ohrkomplikatiolaen.

Das qualitative Blutbild zeigte nichts yon tier Norm Abweichendes; es bestand lediglich eine Leukozytose nnd doch fand sich bei der Operation am 13. III. ein umfangreicher EinschmetzungsprozeB im Warzenfortsatz, his an Sinus und Dura reichend.

Die angeffihrten F~ille yon tells klinisch unklarer Mastoiditis zeigen, dab man ein Blutbild mit einer gewissen Linksverschiebung sehr wohl zur Indikationsstellung zur Operation anch bei fehlendem Fieber und fehlenden deutlichen lokalen Symptomen mit Recht heranziehen kann. Ferner zeigt der zuletzt erwfihnte Fall, dab man auf ein Blutbild ohne Linksverschiebung lain (eine Leukozytose kann auch sonst im Verlaufe von akuten Ohreiterungen in geringem Grade vorkommen) eine Lage nicht als gut beurteilen darf, auch wenn der prozentuale Anteil der Lym- phozyten und der Eosinophiten am weiBen Blutbitd auf einen Prozel3 im K6rper nicht hinweisen.

Zusammenfassend ist tiber den Wert der Blutuntersuchungen in der Otologie nach unseren Erfahrungen folgendes zu sagen: Schwere Komplikationen, wie Meningitis, HirnabszeB mit gr6Beren ~itiologisch iibergeordneten Eiterungsherden, Sinusthrombose, Extraduralabszel3 pr~igen sich immer in irgendeiner Form im Blutbild aus, sei es durch eine stark erh6hte Leukozytenzahl, eine hohe Neutrophilie oder eine Links- verschiebung. Diese letztere dtirfte meistens, jedoch nieht immer, zu erwarten sein. Von besonderem Weft ftir die Beurteilung erwies sich auch die Zahl der Eosinophilen. Eine normale oder wenig erh6hte Leuko- zytenzahl (unter oder um Ioooo) im Verein mit einer hohen Linksver- schiebung (tiber oder um 2o ~ diirfte im allgemeinen eine Sinusthrom- bose diagnostizieren lassen. Bei diesen schweren Komplikationen machen die anderen Symptome lokaler und allgemeiner Art meist bereits hin- reichend auf die Erkrankung aufmerksam. Von gr613erem Wert ist das Blutbild zur Kontrolle des Krankheitszustandes w~ihrend der Zeit nach der Operation in der Nachbehandlung. Hier kann es auf noch vorhandene AbszeBbildungen und erneut~ Thrombusbildungen oft besser aufmerksam machen als das Fieber und ~ler Puls.

Diagnostisch wertvoll im positiven Sinne ~tir die Indikationsstellung einer Operation kann das Blutbild bei unklar sich ~uBernder ~lastoiditis sein, doch nur dann, wenn eine Linksverschiebung (urn oder fiber Io ~o) vorhanden ist. Ein normales qualitatives Blutbild und eine normale Leukozytenzahl darf hie als Gegenindikation zur Operation einer Ma- stoiditis verwertet werden.