11
VIII. Aus der Medizinisehen Klinik in Heidelberg. tlber den Chloraustausch zwischen den roten Blutkiirperehen und der umgebenden Liisung. II. Mitteilung: Die Beeinflussung des Chloraustaus'ehes durch Narkotika. Veil R. Siebeck. (Teilweise nach Versuehen van D. Haekmack.) (Eingegangen am 17. VI. 1922.) Dureh die vorhergehenden Untersuehungen 1) hatte ieh nach- gewiesen, dab Chlor aus den BlutkSrperehen austritt, wenn diese in isotoniseher Natriumsulfat- oder RohrzuekerlSsung suspendiert werden. Diese Beobaehtung wurde vor allem dutch Wieehmann 2) best~itigt und erweitert. Den Angaben yon Falta und Richter-Quittner3), dab die roten BlutkSrperehen unter physiologisehen Verhiiltnissen frei yon Zueker, ReststickstoffkSrpern und yon Chloriden seien, wurde vielfaeh widersproehen4), so dab ihre Annahme, die an sieh sehr un- wahrseheinlieh ist, nicht aufreeht erhalten werden kann. Straub und K1. Meier 5) sehliel~en aus ihren Beobaehtungen auf eine Chlor- permeabilit~it der roten BlutkSrperchen unter bestimmten Bedingungen, indessen sind die VerhNtnisse in ihren Versuehen iiberaus kompliziert und die SehlUsse nur indirekte, so dab es sehr sehwer sein dtirfte, tiber einen speziellen Vorgang wie den der Chlorpermeabilitiit mit 1) Arch. f. exp. Path. u. Pharm. 1919, Bd. 85, S. 214. 2i Pfliigers Archiv 1921. Bd. 189, S. 109. 3) Biochem. Zeitschr. 1919, Bd. 100, S. 148. 4) Vgl. Wiechmann, a. a. 0., S. 110, Anmerk. 3. -- Btirger, Ztschr. f. d. ges. ~xp. ]~{ed. 1921, Bd. :[2, S. 161. -- van Creve]d, Biochem. Zeitschr. 192J, Bd. :[23, S. 304. 5) Biochem. Zeitschr. 1919, Bd. 98, S. 205,

Über den Chloraustausch zwischen den roten Blutkörperchen und der umgebenden Lösung

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Über den Chloraustausch zwischen den roten Blutkörperchen und der umgebenden Lösung

VIII.

Aus der Medizinisehen Klinik in Heidelberg.

tlber den Chloraustausch zwischen den roten Blutkiirperehen und der umgebenden Liisung.

II. M i t t e i l u n g : D i e B e e i n f l u s s u n g des C h l o r a u s t a u s ' e h e s d u r c h N a r k o t i k a .

Veil

R. Siebeck.

(Teilweise nach Versuehen van D. Haekmack.)

(Eingegangen am 17. VI. 1922.)

Dureh die vorhergehenden Untersuehungen 1) hatte ieh nach- gewiesen, dab Chlor aus den BlutkSrperehen austritt, wenn diese in isotoniseher Natriumsulfat- oder RohrzuekerlSsung suspendiert werden. Diese Beobaehtung wurde vor allem dutch W i e e h m a n n 2) best~itigt und erweitert. Den Angaben yon F a l t a und R i c h t e r - Q u i t t n e r 3 ) , dab die roten BlutkSrperehen unter physiologisehen Verhiiltnissen frei yon Zueker, ReststickstoffkSrpern und yon Chloriden seien, wurde vielfaeh widersproehen4), so dab ihre Annahme, die an sieh sehr un- wahrseheinlieh ist, nicht aufreeht erhalten werden kann. S t r a u b und K1. Meier 5) sehliel~en aus ihren Beobaehtungen auf eine Chlor- permeabilit~it der roten BlutkSrperchen unter bestimmten Bedingungen, indessen sind die VerhNtnisse in ihren Versuehen iiberaus kompliziert und die SehlUsse nur indirekte, so dab es sehr sehwer sein dtirfte, tiber einen speziellen Vorgang wie den der Chlorpermeabilitiit mit

1) Arch. f. exp. Path. u. Pharm. 1919, Bd. 85, S. 214. 2i Pfliigers Archiv 1921. Bd. 189, S. 109. 3) Biochem. Zeitschr. 1919, Bd. 100, S. 148. 4) Vgl. Wiechmann, a. a. 0., S. 110, Anmerk. 3. -- Btirger, Ztschr. f. d.

ges. ~xp. ]~{ed. 1921, Bd. :[2, S. 161. -- van Creve]d, Biochem. Zeitschr. 192J, Bd. :[23, S. 304.

5) Biochem. Zeitschr. 1919, Bd. 98, S. 205,

Page 2: Über den Chloraustausch zwischen den roten Blutkörperchen und der umgebenden Lösung

9/[ VIII. R. SI~B~CX.

ihrer Methode bestimmtere Aufsehltisse zu gewinnen. Sehliel~lich hat van Crevg ld ~) naehgewiesen, da[~ die roten BlutkSrperehen im ha- riven Blut in vivo Chlor enthalten und far Chlor durchlassig sind. van Creve ld legt ganz besonderen Wert auf die Untersuchung vSllig unver~nderten Blutes; alas ist ffewil] in einer Beziehung aueh sehr wiehtig, abet man mug doch sagen, dab eine experimentelle Unter- suehung nur dutch irgendeine Beeinflussung und Ver~ndernng mSg, lieh ist. Es sind eben ganz versehiedene Aufgaben: ein, ma~l den Zustand der roten BlutkSrperchen bei mSgliehster Ann~herunff an die Verh~ltnisse im strSmenden Blute, und dann deren Eigensehaften naeh mSglichst vielen Riehtungen hin zu untersuehen. Far die zweite Aufgabe ist eine Beeinfiussung, sind irgendwie abnorme, eben will- ktirlieh" geseezte Bedingungen notwendig; freilieh mull dann stets besonclers sorgfaltig gepri~ft werden, ob die Zellen nieht in ihren wesentliehen Eigensehaften i r r e v e r s i b e l verandert, das heiBt eben zerstSrt sind. Die Priifung auf Reversibilit~t ist iiberaus wiehtiff und mul~ immer, je nach der Versuehsanordnung, vorgenommen werden2).

Naehdem nun die Chlorpermeabilitat der roten Blutk~rperehen in einfachen Versuehen festgestellt war, war die MSglichkeit gegeben, den vorgang der Ionendurehl~ssigkeit der Zellen~ der fur alas Ver- st~ndnis so vieler physiologischer Prozesse yon grundlegender Be- deutung ist, genauer zu untersuehen. DaB bei diesen Vorg~ngea Oberfl~ehenwirkungen eine grol]e Rolle spielen, ist nach neueren Vorstellungen an sich sehr wahrseheinlieh. Es lag daher nahe, den Vorgang unter dem EinfluB yon Stoffen zu prUfen, die bei anderen biologischen VorgKngen an der OberflKehe wirksam sind. Von solehen Wirkungen sind vor allem dutch Untersuehungen yon W a r b u r g 3) Uber die Oxydationsprozesse in den Zellen, die der sogenannten in- d i f f e r e n t e n N a r k o t i k a sehr weitgehend aufgeklart. Ieh habe daher den EinfluI~ dieser Stoffe auf die ChlorpermeabilitKt der roten Blutzellen untersucht.

Permeabilitsttsanderungen an Zellen spielen in der Theorle der :Nar- kose eine ziemlich grol]e Rolle4), darauf kann aber bier nicht eingegangen

1) a. a. O. 2) Vgl. z. B. Siebeek, Pfliigers Archiv 1912, Bd. 148, S.(443. 3) Zeitschr. f..physiol. Chemie 1910, Bd. 69, S. 452. -- Ergebnisse d. Phy-

siologie 1914~ Bd. 14, S. 253. 4) z.B.H.H. Meyer, M~inch. meal. Woehensehr. 1909, Iqr, 31 (Erweiehung

der lipoiden Plasmahaut mit verm ehrter Durchl~ssigkeit). -- Fiih n e rund 1~ o u- bauer, Arch. f. exp. Path. u. Pharm. 1907, Bd. 56, S. 333 (H~imolyse dutch Nar- kotika). --. Hfiber, Pfli~gers Arehiv 1907, Bd. 120, S. 492 "11. a. (Diehtung der Plasmahaut).

Page 3: Über den Chloraustausch zwischen den roten Blutkörperchen und der umgebenden Lösung

,~,v~ u~n tJntoraustausch zwischen den roten Blutkiirperchen ttsw. 95

werden. Erwahnt sei, dag Tr0ndle 1) an Pflanzenzellen ~_nderu~gen der plasmolytischen Grenzkonzentration nachgewicsen hat, die durch .Narkotika beeinfiul~t werden.

Zunachst teile ich einige Versuche i~ber die Wirkung yon Ure- t han mit. Im Prinzip war die M e t h o d e die, dab ein gemessenes Volamen ]~lutktirperchenbrei in SulfatlSsungen mit verschiedenen Zu- s~ttzen suspendiert, dab nach einer bestimmten Zeit zentrifugiert and der Chlorgehalt der Ltisung analysiert wurde. Die absolute 5~enge Chlor, die aus den Ktirperehen in die L~sung tibergeht, kann naeh diesen Versuehen zunaehst nieht bestimmt werden, denn aueh im Beginn des Versuehes ist in der Ltisung stets eine gewisse Menge Chief aus dem Serumrest des Blutktirperehenbreies gegeben. In einzelnen Versueben babe ieh den Chlorgehalt in der Ltisung naeh ganz kurzem UmsehUtteln and Zentrifugieren bestimmt, um dureh Subtrakt'ion dieser Menge yon der naeh einer halben Stunde gefun- denen die in dieser Zeit wirklieh ausgetretene Menge Chlor zu er- halten. In einigen Versuehen wurde versueht, den BlutkSrperehenbrei mehrmals ganz raseh mit SulfatlSsung auszuwasehen; abet dabei geht doeh sehon immer so viel Chlor tiber, dab die Verh~tltnisse unbe- stimmter werden.

Um eine siehere Grundlage zu haben, untersuehte ieh zunaehst die G e s e h w i n d i g k e i t des C h l o r a u s t a u s e h e s in S u l f a t l S s u n g . Es ergab sieh, da$ bei meiner Anordnung bei 20 ~ die Blutktirperehen sehon in 1/2 Stunde fast alles Chlor abgegeben haben, naeh l~tngerer Zeit nahm der Chlorgehalt der LSsung kaum mehr zu.

Ieh ging im allgemeinen so vor~ dab ieh stets die gleiche Blut- kSrperehensuspension zu mehreren ganz entspreehenden Parallelver- suehen mit versehiedenen L0sungen, Sulfat ohne und mit Zusi~tzen, bent~tzte and naeh einer gewissen Zeit den Chlorgehalt der L~sungen untersuehte. Dies Vorgehen ist tiberaus einfaeh, und dutch Parallel- versuehe mit gleiehes Lt~sungen habe ich reich davon iiberzeugt, dab die Ergebnisse gut tibereinstimmen (~Tgl. S. 100).

Da das Volumen der LSsung immer viel gr~l%r war als das der Ktirperehen, meist r real so groi3, spielten Konzentrationsgnderungen dutch Anh~tufuug der zugesetzten Stoffe in den Ktirperehen keine wesentliehe Rolle. Immerhin konnte die Gesehwiudigkeit des Ein- dringens yon Bedeutung sein; ieh babe daher in einigen Versucben den BlutkSrperehenbrei erst zweimal mit entspreehenden Koehsalz- 10sungen ausgewasehen, also in Parallelversuehen teils mit Koehsalz-

1) Biochem. Ztschr. 1920~ Bd. 112, S. 259.

Page 4: Über den Chloraustausch zwischen den roten Blutkörperchen und der umgebenden Lösung

96 Vlll. R, SIEJ~SCK.

15sung ohne Zusatz, tells mit Kochsalzurcthanl(isung, und babe dann erst die Koehsalz- dureh die entspreehenden SulfatlSsungen ersetzt. Durch das mehrmalige Ab- and Znpipettieren wurde der Feh]er aller- dings deutlich grS•er, so da[~ ich dieses Verfahren nieht allgemein durehgeftihrt habe.

In einzelnen Versuehen babe ich dureh den BlutkiJrperehenbrei zungehst Sauerstoff geleitet, immer warden die K~rperehea ausgiebig an der Luft geschUttelt. Einen Untersehied maehte dies nieht ansi). Die Ltisungen waren meist dutch Zusatz yon Natriumbikarbonat neutralisiert, so da~ sie mit Neutralrot eben einen gelben Farbenton gaben ~).

Die Suspeaslonea warden stets bei konstanter Temperatur (etwa 20 ~ im Wasserbad bewegt.

Die Versuehe ergaben, dag die BlutkSrpere .hen bei Zusa tz yon Ure than in Su l fa t lSsnngen wen ige r Chlor abgeben. Die Grenzkonz en t ra t ion der Urethanwirkung liegt etwa bei0,1--0,2 tool pro Liter. Bei Zusatz you 0,115 tool Urethan bleibt (in 1/2 S~lande) etwa '/5~ bei 0,23 tool I/4 , bei 0,46 tool fast die H~lfte des Chlors in den KSrperehen zurttek. Zum Vergleieh Nhre ieh an, dag nach den Versnehen yon Warbnrg bei einer Konzentration yon 0~33 tool Urethan die Oxydationen in den kernhaltigen BlutkSrper- ehen um etwa 500/0 gehemmt werden. U r e t h a n hemmt also in ann~thernd g le iehen K o n z e n t r a t i o n e n d ie Oxyda t ionspro- zesse and die Ch lo rabgabe in Sul fa t lSsungen.

Es fr~tgt sieh nun zuni~ehst, ob dieser geringeren Chl0rabgabe wirklieh eine Hemmung der Diffusion zugrunde liegt oder etwa die Verschiebung d~s Gleiehgewiehtes. Zur Entscheidung dieser Frage wurden Versuehe yon verschiedener Dauer ausgeftihrt, die ergaben, dab in 3--4 Stunden bei Urethanzusatz ebensoviel Chlor in die SulfatlSsung Ubergeht, wie in reiner SulfatlSsuug in 1/2 Stunde. Das Gleiehgewieht ist also nieht verschoben, es dauert nut l~nger, bis es erreieht wird, d. h. eben, die Dif fus ion des Chlors ist gehemmt. .

Es mugte nun geprUft werden, ob diese Urethanwirkung ebenso reve r s ibe l ist wie die Hemmung der Oxydationsprozesse. Ieh babe Blntktirperehen genau wie in diesen Versuehen 1/2 Stunde lung teils in reiner SulfatlSsung, teils in Salfatlgsung mit Urethan suspendiert, dann in beiden Fi~llen genau entspreehend die Sulfur-

1) Vgl. Mitteilung I. 2) Uber den EiafiuB der Re~ktion vgl. die folgende Mitteiiung.

Page 5: Über den Chloraustausch zwischen den roten Blutkörperchen und der umgebenden Lösung

{Jber den Chloraustausch zwischen den roten BlutkiJrperchen usw. 97

Risung abzentriefugierf, abpipettiert und dureh isotonische Kochsalz- liisung ersetzt, dieses Auswaschen wiederholt und dann zu dem BlutkSrperehenbrei in beiden F~tllen wieder reine SulfatlSsang ge- geben. Es fand sieh dana, (lab die BlutkSrperchen, die unter der Einwirkung yon Urethan gestanden batten, ebensoviel Chlor ab- gaben als die anderen. Die Hemmung der Diffusion dureh Urethan ist also reversibel.

Sehliel]lieh wurde noeh die Einwirkunff yon Urethan auf die Wasserrerschiebnng bei verschiedenem osmotischen Druck untersueht. Das V.olumen, das die BlutkSrperehea in isotonischen and hypotoni- schen KoehsalzlSsnngen einnehmen, wird dureh Zusatz yon Urethan nieht beeinfiuBt. Aueh BlutkSrperchen, die I/2 Stunde unter der Einwirkung yon Urethan gestanden hatten, nahmen in hypotoni- sehen LSsungen ebenso zu wie andere. Die dureh den osmofisehen Druek der umgebenden LSsung bedingte Wasserrerschiebung wird also durch Urethan nicht beeinflugt. Auch das zeig% dab Urethan die Blntktirperehen in SulfatlSsung nicht sebadigt, denn bei geseha- digten Zellen werden diese osmotisehen Erseheinungen sehr rasch ge~ndert ').

Weiterhin babe ieh die Wirkung v e r s e h i e d e n e r Alkoho le und subs t i t u i e r t e r H a r n s t o f f e untersueht, yon Alkoholen Methyl-, ~_thyl-~ Propyl-, n-Butyl- and (Gitrungs)-Amylalkohol, yon Harnstoffen Di~ithyl- and Phenylharnstoff. Diese Stoffe setzte ieh in den Kon- zentrationen der Sulfatltisung zu, die naeh W a r b u r ~ die Oxydations- prozesse der Blutzellen um etwa 50o/0 hemmen. In allen Fallen ergab sieh eine deutliehe Hemmung der Chlorbewegung. So ver- schieden diese Konzentrationen s i n d - die yon Methylalkohol ist z. B. 100real so groB wie die yon Amylalkohol --, so war doch die Wirkung yon der gleiehen Gr(iBenordnung. In parallelen Versuchen mit versehiedenen Alkoholen wirkte l~{ethyl- und Athylalkohol genau gleicb~ Propylalkohol etwas starker, Butyl- !rod Amylalkohol schw~teher.

Ieh babe nun mit dem Traubesehen Statagmometer die Tropfenzahl tier beuutzten Liisun~en bestimmt und dabei gefunden, daft die PropylalkohollSsung eine deutlieh grSl]ere~ die mit Butyl- alkohol eine kleinere Tropfenzahl hatte; die hemmende Wirkung und die Tropfenzahl verhielten sich also entspreehend, nut Amylalkohol fiillt aug tier Reihe. Stelite ieh nun Alkohol-Sulfatli3sungen gleicher Tropfenzahl her, so wirkten sie - - auger Amylalkohol - - sehr an- ni~hernd tibereinstimmend.

1) Vgl. Siebeck, Pfliigers Archir 1913, Bd. 150, S. 316. A r c M v f. experiment . Pa th . u. Ph~rmakol . Bd. r

Page 6: Über den Chloraustausch zwischen den roten Blutkörperchen und der umgebenden Lösung

98 VIII. R. S~E~CK.

Die Ergebnisse der Harnstoffversuehe sind noeh deutlicher, wohl deshalb, well ieh bier den BlutkSrperehenbrei vor dam Versuehe mehrmals mit Koehsalzl~sung ausgewasehen habe. Ieh ftihre folgende Tabelle an:

Diathylharnstoff Phenylharnstoff

0,021 tool pro Liter 11 o/o Hemmung 0,00072 tool pro Liter 13 o/o Hemmung 0~104 ~ ~ ~ 35 ~ ~ 0,0036 ~ ~ ~ 32 ~ ~ 0,52 ~ ,~ ~ 86 ~ ~ 0,018 ~ ~ ~ 91 ~ ~

Die zuletzt angeftihrten Konzentrationen hemmen naeh W a r - bu rg die Oxydationen um etwa 500/o.

D i e U n t e r s u e h u n g e n fUhren zu dem E r g e b n i s , d a B i n - d i f f e r e n t e l q a r k o t i k a in r K o n z e n t r a t i o n e n , in denen sie die O x y d a t i o n s p r o z e s s e in den Ze l l en u n t e r - dr i teken , aueh die C h l o r b e w e g u n g aus den Ze l l en hemmen.

Was gewinnen wit nun damit far das yerstandnis der Ionen- aufnahme und -abgabe yon Zellen, die ja yon grundlegender Bedeu- tung fur jede Sekretion nnd Resorption stnd, denn dauernder Weehsel der Stoffaufnahme und Stoffabgabe ist die erste besondere Ersehei- hung bei allen diesen Vorgangen.

Von den angeftthrten Stoffen sind zunaehst einige allgemeine gigensehaften bekannt. Seit Over ton und H. It. Meyer weiB man, dab solehe Stoffe narkotiseh wirken, die in 51artigen LSsungsmitteln, in sogenannten ,Lipoiden~ leieht, in Wasser sehwer 15slieh sind, und dab die narkotisehe Wirkung eines Stoffes um so starker ist, je grSBer das TeilungsverhDAtnis O1: Wasser dieses Stoffes ist. T r a u b e hat dann gefunden, dab diese Stoffe die Oberflaehenspannung des Wassers deutlieh herabsetzen, u n d e r hat einen Parallelismus zwi- sehen narkotiseher Wirkung und Oberflaehenaktivitat festgestellt. Sehliel~lieh hat W a r b u r g gezeigt, dab die Aufnahme dieser Stoffe in den Zellen jedenfalls nieht als LSsung in einer lipoiden Phase, sondern als Adsorption an Oberflaehen aufgefaBt werden muB.

Auf den Strait aber das Wesen der Iqarkose soil hier nieht ein- gegangen werden. Ieh besehrgnke reich absiehtlieh darauf, kurz an- zudeuten, was mir fur alas Verst~ndnis des bier behandelten Problems wiehtig erseheint. DaB etwa in den Lipoiden gelSste Stoffe auf die Diffusion in die oder aus den Zellen einwirken, ist an sieh nieht wahrseheinlieh. Zahlreiche Beobaehtungen aus der unbelebten wie aus der belebten ~atur weisen auf die Bedeutung der D i s p e r s i t ~ t tier Membran hin (Per t !n , HSber , Gi ra rd , S. LSwe u. a.).

Page 7: Über den Chloraustausch zwischen den roten Blutkörperchen und der umgebenden Lösung

l~ber den Chloraastausch z~vischen dan roten Blutk~irperehen asw. 99

Es ist nun hier daran zu eri~nern, daI] W a r b u r g 1) bei Zusatz dieser Narkotika zu Hefepref~saft, dann, wenn die Garnng gehemmt wurde, eine Flockung nachgewiesen ha~. Man kann sich danaeh vorstellen, dab in den Zellen ~ihnliehe leiehteste, nicht sichtbare Ein- fitisse auf die Dispersitiit der Kolloide die Ionenbewegung in die und aug den Zellen hemmen. Diese Annahme liegt um so naher, als diese Stoffe eben naeh den mitgeteilten Versuehen in entsprechenden Kon- zentrationen wirken, in denen gie die Oberi%ehenspannung des Wassers erniedrigen. Was bei dieser weehselnden Ionenbewegung sieh i~ndert, ist der W i d e r s t a n d , den Zellteile der Diffusion ent- gegensetzen; das ist das Wesentliehe. Ob man sieh diese Zellteile als ~Grenzsehieht, am Rande der Zellen angeordnet denkt oder als sine in der ganzen Zelle verteilte Struktnr, etwa wie in einem Sehwitmmehen, ist znn~ehst yon sekundiirer Bedeutung. Wiehtig ist vor allem, dab die Elemente tier Struktur, die die Ionenbewegung in die und aug den Zellen beherrsehen, als beeinfluBbar erwiesen sind, und zwar beeinfluBbar dureh Oberfliiehenwirkungen.

Belege.

}r

C h l o r a n a l y s e nach Rusznyak2): die sich in ausfiihrlichen Kon- trolluntersuchungen (Serum mit C1-Zusatz) ausgezeiehnet bewi~hr~ hat. B e- sch re ibung eines Versuc-hes: Blutentnahme aus der Armveue; Zusatz yon 1/4VoL l~5~ Natriumzitratl~stmg. Nach SchtttteLu wird zentri- fugier~ und der griSgte Teil des Plasmas abpipettiert: Der BlutkSrperehen- brei wird griindlieh an der Luft geschfittel~. - - In die Zentrifuge passende, mit eingesehliffenem StSpsel verschlieflbare Glaschen yon etwa 50 ccm In- halt werden geriehtet~ in jedes werden 5 cem Blutk~rperehenbrei und dann 20 oder 25 ecru der betreffendeu L~isung abgemessen: z. B. Glas 1: Sulfat: Glas 2 :Su l fa t@0~625 me1 Methylalkohol: Glas 3: Sulfur-{-1,25 reel IMethylalkohol, Glas 4: Sulfa~-b 2,5 reel Methylalkohol. Die Gli~sehen werden sorgfitltig versehlossen und nach kin'zero Durchsehittteln auf eine Seheibe gesteekt, die im Wasserbad rotiert. Naeh einer halben Stunde werden die Glaschen (ohne St~psel) zentrifugiert, die LSsungen abpipettiert, je zweimal 5 ccm (Doppelanalyse) zur Chlorbestimmung.-

Ieh gebe immer an, wieviel Kubikzentimeter 1/10o n AgNO s fiir 5 ecru LSsung verbraueht win'den. Da es sieh nur um Vergleichswerte handelt, ist jedeweitereUmreehnung iiberflassig. Indem angefiihrtenVersueheergab sich:

Glas 1 : Sulfur . . . . . . . . . . . . . 3,07; 3~03 ,> 2: ,> -]--0~625 reel Methylalkohol 2,81; 2,83 �9 3: )> -4- 1,25 ~ , 2,79; 2,76 , 4: ~ -4- 2,5 �9 >) 2~67; 2~65

1) Vgl. Pitiigers Archly 1912, Bd. 144, S. 465. 2) Biochem. Zeitschr. 1921, Bd. 114, S. 23.

7*

Page 8: Über den Chloraustausch zwischen den roten Blutkörperchen und der umgebenden Lösung

100 VIII. R. SIEBECK.

Beispiele. Gesehwindigkei t der Chlorbewegung.

Glas 1 und 2; je 5 ccm BlutkSrperchen-+- 30 ccm Su!fat. Gemischt, sofort zentrifugiert; je 5 ccm abpip~ttiert zur Analye: 1 : 2,67; 2 : 2,45. Dann beide wieder auf die Scheibe (keine neue L6sung zugesetzt), 1 nach 1 Stunde zentrifugiert usw.: 4,05; 3,97. 2 nach 2 Stunden: 4,07; 4 j 4 .

Ebenso. Sofort: 1 : 2,75; 2 : 3,07; 1 nach 1/2 Stunde: 3~78; 3:71; 2 nach I Stunde: 3,81; 3,80.

Ebenso. (Doppelversuch mit zwei gleich behandelten GIitschen):

Sofort . . . . 3,04; 2~99 Naeh 1/2 Stunde 3~64; 3,57

), i >~ 3:62 ; 3,62 ~, "2 ,, 3,58; 3~59

Gleiehangesetzte P~rallelversuche zur Kontrolle.

Gllischen 1--4; je 5 ecru Blutkfrperchen @ 25 ecru Sulfat. Naeh 25 Minuten: 4,47; 4~53; 4,50; 4~47. Ebenso: 4,57; 4,58; 4,54; 4,60.

Urethanversuehe.

a) Ve r sch i ed en e Konzen t r a t ionen .

1 o/o Ur., 0,115 Mol.: Sulfat

Sofort 2,49 bTach 20 Minuten 3,67

1,2

Sofort 2727 ~ach 30 Minuten 4,10

1,8

Sofort 2,20 Nach 20 Minuten 3,69

1~5

2 ~ Ur., 0,23 Mol. :

40/0 Ur., 0,46 Mol.:

Sulfat + Ur. 2,41 3,44

1,0 Differenz: 0,2

2,18 -- 3,51

1,3 Differenz : 0,5

2,22 3,10

0,9 Differenz : 0,6

b) V e r s c h i e d e n e Versuchsdauer .

I~ach 3 Stunden

Nach 1/2 Stunde "~ 4 >>

Sulfat Sulfur + lO/o Ur. 3:97 3 , 9 4 3,96 3,88

Sulfat Sulfat + 0,5 % Ur. 3,80 3,57 4,13 4,07

Page 9: Über den Chloraustausch zwischen den roten Blutkörperchen und der umgebenden Lösung

l~ber den Chloraustauseh zwischen den roten Blutk~irperchen ~sw. 101

e) Pr•fung der Reversibil i t~tt .

Gl~sehen 1 : 5 eem Blutk0rperehen d- 30 cam Sulfat~ ,, 2 : 5 ~ , -~ 30 ~ ,, -~- 10/o Urethan.

Beiite 1/2 Stande gedreh~ dann zentrifugiert~ LSsnng annithernd quanti- tativ abpipettiert: zu beiden Gliisehen 30 ecru 0,9~ KoehsalzlSsung, 1/2 Stunde gedreht~ zentrifugiert, abpipettiert und wieder 30 eem NaCI dazu, J/~ Stunde gedreht usw., zu beiden Gliisehen 30 ccm Sulfat, kurz gesehtittelt, zentrifugiert~ je 2 ~ 5 ecru zur Analyst ( a ) , dann Gliisehen wieder 1/2 Stunde gedreht, zentrifugiert, wieder 2 ~ 5 cem zar Analyse (b).

1 2 a) 2~11 2,65 b) 3~53 4,21

Differenz: 1~42 1~56

Ergebn is : Die Blutk6rperehen~ anf die Urethan eingewirkt hatte, geben etwa ebensoviel (etwas mehr)Chlor ab ars die anderen.

d) Osmo~isehe Versuehe.

(gethode vgl. I. Mitteilu~g~ S. 223.) Gl~sehen 1 : 8 ecru Blutktirperehen q- 30 cem O,9~ NaC1,

2 : 8 , ,, d- 30 ,, (0,9~ NaC1 + 1~ [Jr.).

Beide ~/2 Stunde gedreh~, zentrifugier~, LSsung erganzt. Von den Blutk6rperehen je 1 ecru in H~tmatokritr(ihrchen. Dazu je 1 ecm

a) isotonisehe LSsung (NaCI~ bzw. NaCI q-Ur.), b) zur Hiflfte verdiinnie Ltisung.

Alle gut Kemiseht, 1/~ Stunde zentrifugiert; I-IShe der Blutsiiule in Pro- zent der Gesamthtihe:

1. (ohne Ul'.) a) b) 2. (mi~ ,,) a) 4 4 ~ , b) 54,>.

Ergebnis : Die Wasseraufnahme der Blutktirperehen in hypotonisehen LSsungen wird dutch Zusatz yon Urethan nieht beeinfluflt.

Fernerl):

Versuche rnit A!koholen.

Methyla lkohol .

(Vgt. Ve~such S. 99.) Sulfat . . . . . . . . . . . 2,96

~ 0~31 reel Methylalkohol 2,78 ,, -~- 1,25 ~ ,, 2~69

1} In den folgendeu Verst~ehen jeweils 5 ccm Btutk(~rperchen -q- 20 cem LSsung I/~ Stunde gedreht.

Page 10: Über den Chloraustausch zwischen den roten Blutkörperchen und der umgebenden Lösung

102 VIII. R. SIEBEOK.

A t h y l a l k o h o l .

Suifat . . . . . . . . . . 2,79 >> -[- 0,1 tool Athylalkohol 2,73 ~> -~- 0,4 >> >~ 2,56 ~> %- 1:6 >> >> 2,29

M e t h y l - , A t h y l - und A m y l a l k o h o l .

Sulfat . . . . . . . . . . . 4,46 )~ + 5 tool Methylalkohol 3,79 >> + 1,6 ~> -~thylalkohol 3,76

~> ~- 0,045 >> Amylalkohol 4,03

)~ thy l - , P r o p y l - ~ B u t y l - u u d A m y l a l k o h o I .

' Tropfenzahl Sulfur --~ 1,6 tool Athylalkohol 3~83 86

>> -+- 0~8 ,> Propylalkohol 3:51 100 )) @. 0,15 >~ Butylalkohol 4,16 79 ~) + 0,045 ~ Amylalkohol 3,95 90

Tropfenzahl mit T r a u b e s Stalagmometer (Wasser ~---61). E r g e b n l s : Die tIemmung der C1-Diffusion entspricht der Tropfenzahl.

D i e s e l b e n A l k o h o l e in K o n z e n t r a t i o n e n yon e t w a g l e i c h e r T r o p f e n z a h l (86).

Gliischen 1 sofort nach dem Mischen zentrifugiert~ die iibrigen nach 1/2 Stunde.

1. Sulfur (sofort) . . . . . . . . 2,13 2. ~ (nach 1/2 Stunde) . . . . 3,28 3. ~> -+- 1:6 tool Athylalkolhol 2f l3 4. , -{- 0:4 >> Propylalkohol 2,62 5. ~> -+- 0:2 >> Butylalkohol 2,95

Es ist also diffundiert in einer 1/~ Stunde:

Sulfur . . . . . . . . l~t5 )~ -}- Athylalkohol 0,60 Hemmung : 46 O/o >> + Propylalkohol 0,49 >> 57 >> ~> + Butylalkohol 0,82 >> 29 >>

S u b s t i t u i e r t e H a r n s t o f f e .

In diesen Versuchen wurde der BlutkSrperchenbrei vorher zweimal mit Koehsalzl~isung gewaschen,

D i i ~ t h y l h a r n s t o f f .

Sulfur (sofort) . . . . . . . . . 4,98 >> (nach 1/2 Stunde) . . . . . 7,53 ~> --~ 0,021 tool Di~tthylharnstoff 7:2~ >> --}- 0,104 ~ _>~ 6,63 >> -~- 0~52 ~ ~ 5,33

Page 11: Über den Chloraustausch zwischen den roten Blutkörperchen und der umgebenden Lösung

Uber den Chloraustausch zwisehen den roten BlutkSrperchen usw. 103

Es ist also in 1//2 8tunde diffundiert:

In Sulfat . . . . . . . . . . . . 2~55 ~ ~> -]- 0 ,021 mol Di~thylharnstoff 2,26

~ ~ 0 ,104 ~ ,, 1~65 ~ ,~ - ~ 0,52 ~ .~ 0~35

Hemmung 1 i ~ ~ 35 ~ 86 ~

P h e n y l h a r n s t o f f .

Sulfat (sofort) . . . . . . . . . . 5,04~ (nach 1/2 Stunde) . . . . . . 7,82

,~ d - 0~00072 mol Phenylharns toff 7,47 ~ -[- 010036 ~ ~ 6193 ~ ~- 0,018 ~ ,, 5~29

Es ]st also in 1/2 8tunde diffundiert :

In 8ulfat . . . . . . . . . . . . . 2,78 ,~ ~ -]- 0100072 tool Phenylharnstoff 2143

~ -t- 010036 7, ~, 1,89 . ,~ ~ ~- 0,018 ~ , 0,25

Hemmung: 13 O/o