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R. Clausius. 713 MetalldriLhten durch Gliihen besatigen zu kannen und will nicht unerwibhnt lassen, dass ich entgegen jenen Beobach- tungen auch bei Messingdraht in deutlichster Weise die Krystalle schon fiir das blosse Auge habe sichtbar machen konnen. Bei Aluminiumdrghten habe ich Krystallflkhen nicht direct sehen konnen, doch zeigten dieselben nach dem Gliihen stark muschelige BrucMkhen. Physikal. Inst., Freiburg i. 'Br., Mai 1882. In einem im Mlsrz d. J., veroffentlichten Aufsatze l) habe ich einige Betrachtungen iiber die zur Messung electrischer und magnetischer Grossen anzuwendenden Maasssysteme an- gestellt, worin ein Punkt vorkommt, der zu verschiedenezl Einwendungen Veranlassung gegeben hat, Gmlich die Be- stimmung der Einheit des Magnetismus im electrostatischen Maasssysteme. Einige dieser Einwendungen, welche sich im Junihefte des Phil. Mag. befanden, habe ich schon in einem im Augusthefie des Phil. Mag. veroffentlichten Artikel be- antwortet. Seitdem sind aber noch einige weitere, zum Theil von sehr beachtenswerthen Seiten stammende Bemerkungen iiber jene Bestimmungsweise gemacht, sodass ich glaube, den Gegenstand noch einmal zur Sprache bringen zu miissen. In friiheren Zeiten g d t der Magnetismus ds ein fiir sieh bestehendes , von dar Electricitit unabhhgiges Agens. Wenn man an dieser Ansohauung auch jetzt noch festhalten wollte, so wke. es nicht nathig, bei der Festsetzung eines Maasssystemes fiir den Magnetismus auf das far die Elec- tricitilt angewandte Maasssystem Riicksicht zu nehmen. E s 1) Claueius, Verhandl. dea naturhbt. Vereins der preuss. Rheinlande und Westfalens. 39. p. 105. 1882 und wid. Ann. 16. p. 589. 1882.

Ueber den Zusammenhang zwischen den Einheiten des Magnetismus und der Electricität

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R. Clausius. 713

MetalldriLhten durch Gliihen besatigen zu kannen und will nicht unerwibhnt lassen, dass ich entgegen jenen Beobach- tungen auch bei Messingdraht in deutlichster Weise die Krystalle schon fiir das blosse Auge habe sichtbar machen konnen. Bei Aluminiumdrghten habe ich Krystallflkhen nicht direct sehen konnen, doch zeigten dieselben nach dem Gliihen stark muschelige BrucMkhen.

Physikal. Inst., Fre iburg i. 'Br., Mai 1882.

In einem im Mlsrz d. J., veroffentlichten Aufsatze l) habe ich einige Betrachtungen iiber die zur Messung electrischer und magnetischer Grossen anzuwendenden Maasssysteme an- gestellt, worin ein Punkt vorkommt, der zu verschiedenezl Einwendungen Veranlassung gegeben hat, Gmlich die Be- stimmung der Einheit des Magnetismus im electrostatischen Maasssysteme. Einige dieser Einwendungen, welche sich im Junihefte des Phil. Mag. befanden, habe ich schon in einem im Augusthefie des Phil. Mag. veroffentlichten Artikel be- antwortet. Seitdem sind aber noch einige weitere, zum Theil von sehr beachtenswerthen Seiten stammende Bemerkungen iiber jene Bestimmungsweise gemacht, sodass ich glaube, den Gegenstand noch einmal zur Sprache bringen zu miissen.

In friiheren Zeiten gdt der Magnetismus ds ein fiir sieh bestehendes , von dar Electricitit unabhhgiges Agens. Wenn man an dieser Ansohauung auch jetzt noch festhalten wollte, so wke. es nicht nathig, bei der Festsetzung eines Maasssystemes fiir den Magnetismus auf das far die Elec- tricitilt angewandte Maasssystem Riicksicht zu nehmen. Es

1) Claueius, Verhandl. dea naturhbt. Vereins der preuss. Rheinlande und Westfalens. 39. p. 105. 1882 und wid. Ann. 16. p. 589. 1882.

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ist aber das grosse Verdienst von A'mpbre, und ich glaube hinzufiigen zu diirfen, einer der grossten Fortschritte der Physik , dass zwischen Electricitat und Magnetismus ein fester Zusammenhang nachgewiesen ist, sodass man den Magnetismus nicht mehr als ein besonderes Agens zu be- trachten braucht , sondern alle Krafte , welche gewohnlich magnetische Krafte genannt werden, als electrodynamische Krafte ansehen kann.

Denkt man sich namlich in einem gegebenen Magnet von messbarer Grosse jeden der unzahligen kleinen Magnete, aus denen er besteht, durch einen kleinen e,lectrischen Strom ersetzt, der so bestimmt ist, dass das Product aus der Strom- starke und dem von dem Mrome umflossenen Flachenraume gleich dem Producte aus der Lange des kleinen Magnets und der Stilrke seiner Pole, oder, anders ausgedriickt, gleich dem magnetischen Momente des kleinen Magnets ist, so ilbt die Gesammtheit dieser kleineu electrischen Strome auf andere electrische Strome oder andere Magnete dieselben Krafte aus, wie der gegebene Magnet. Man kann also nach Amp Br e den Magnetismus, ohne ein zweites, neben der Elec- tricitiit existirendes Agens anzunehmen , au8 der Existenz jener electrischen Strome erkliren.

Nach dieser Erklarung ist unter dem Worte Magnetis- mus nur noch ein electrodynamischer Begriff zu verstehen, und man muss daher auch in jedem Maasssysteme die zur Messung des Magnetismus anzuwendende Einheit diesem Begriffe gemass wahlen, niimlich so, dass das Product aus der Magnetismuseinheit und der Liingeneinheit, und das Pro- duct aus der Stromeinheit und der Flacheneinheit gleichwer- thige Grassen werden. Bezeichnen wir also die Einheit des Magnetismus mit [m.] und die Einheit der Stromstirke mit [i], und ferner die Langeneinheit mit [L] und demgemass

. die Flicheneinheit mit [ P I , so muss folgende Gleichung gelten:

woraus folgt : (1) [mL] = [iL",

(2) [m] = [iL].

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Da nun die Einheit der Stromstirke die Starke eines sel- chen Stromes ist, bei dem in der Zeiteinheit die Electri- cittitseinheit durch einen Querschnitt geht, so hat man, wenn [el die Electricittitseinheit und [ die Zeiteinheit bedeutet, zu setzen:

wodurch die vorige Gleichung iibergeht in: (3) [m] = [eLT-'J. Diese Gleichung driickt die der Amphre'schen Erkliirung des Magnetismus entsprechende Beziehung zwischen den Einheiten des Magnetismus und der Electricitit aus.

Wendet man sie auf das electrostatische Maasssystem an und bestimmt daher die Grosse [el, welche in diesem Falle zur Unterscheidung von der electrodynamischen Elec- tricitatseinheit mit [e,l zu bezeichnen ist, durch die Glei- chung:

(4)

[i] = [eT'],

[ t?J = [ M i L4 T'], worin [iVJ die Masseneinheit bedeutet, so erhalt man zur Bestimmung der e 1 e c t r o s t a ti s ch en Ma gn e ti s mu s ein- h e i t folgende Gleichung : (5) [m,] = [1vmT2].

Diese Gleichung ist es, welche zu den oben erwanten Einwendungen Veranlassung gegeben hat, weil sie von Max - well's Angabe abweicht, welche folgendermaassen lautet:

(6) [m,] = [ M i L t ] . Die Art, wie Maxwell zu seiner Gleichung gelangt ist,

beruht, wie sich aus dem Zusammenhange seiner Auseinan- dersetzungen schliessen lilsst, auf der Anwendung einer Glei- chung, welche sich in Bezug auf ihre Stellung zum electro- statischen und electrodynamischen Maasssy steme anders ver- hdt, als die Ampbre'sche Gleichung. Man muss nlmlich einen Unterschied machen zwischen Gleichungen, welche aus- schliesslich einem dieser Maasseysteme angehoren, und sol- chen, die auf b e ide Sjsteme anwendbar sind. Ausschliesslich electrostatisch oder electrodynamisch sind solche Gleichungen,

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welche eine electrostatische oder eine electrodynamische Kraft durch die mechanische Kraftformel darstellen.

Was nun die A m p Br e’sche Gleichung anbetrifft, so ist sie zwar aus der Betrachtung electrodynamischer Krhfte, namlich aus der Vergleichung der von einem Magnet und der von einem electrischen Strome ausgeubten Krafte hervorgegangen, aber sie stellt diese Krafte weder durch die mechanische Eraftforme19 noch durch irgend eine andere Formel dar, sondern sagt nur aus, dass der Magnet und der Strom sich in Bezug auf die von ihnen ausgeubten Krsfte untereinander gleich verhalten. Sie ist also nicht als eine ausschliesslich electrodynamische (+lei- chung anzusehen. Man muss ihr vielmehr, da sie nur die nach Am p e r e zwischen Magnetismus und Electricitat statt- findende Beziehutlg ausdruckt , sofern man uberhaupt die Amp Br e’sche Theorie als richtig anerkennt, eine allgemeine, von dem angewandten Maasssysteme unabhiingige Gultigkeit zuschreiben, und dadurch ist die Anwendung, welche ich von ihr gemacht habe, gerechtfertigt.

Maxwell’s Gleichung dagegen ist dadurch entstanden, dass eine electrodynamische Kraft, namlich die von einem Magnetpol auf einen electrischen Strom ausgeiibte Kraft,, durch die mechanische K raftformel dargestellt ist. Sie tragt somit den Charakter einer ausschliesslich electrodynamischen Gleichung an sich, und ihre Anwendung zur Bestimmung der electrostatischen Magnetismuseinheit kann nicht als ge- rechtfertigt anerkannt werden.

Ueber die zur Unterstiitzung dieser Bestimmungsweise von verschiedenen englischen Autoren angefuhrten Griinde habe ich mich schon in meinem oben erwahnten, im Phil. Mag. publicirten Artikel ausgesprochen, und ich will das dort Gesagte hier nicht wiederholen, sondern will mich da- rauf beschranken, einige Punkte hervorzuheben, welche mir fiir die Beurtheilung der sich gegenuberstehenden Bestim- mungsweisen maassgebend zu sein scheinen.

Die Maxwell’sche Bestimmiing ist nicht nur ohne Ruck- sicht a d die Amp Br e’sche Erkliirung des Magnetismus aus- gefiihrt, sondern sie steht auch mit derselben im Wider- spruche, wie man leicht erkennen kann, wenn man die in (6)

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fur [ma] gegebene Formel und zugleich die in (4) fiir [e.] gegebene Formel in die Gleichung (3) einsetzt, indem dann auf beiden 8eiten verschiedene Ausdriicke, und zwar Aus- driicke von verschiedenen Dimensionen entstehen. Ich muss aber sagen, dass ich es fiir einen entschiedenen Ruckschritt halten wiirde, wenn man die Amphre’sche Erklarung des Magnetismus, durch welche das grosse, die Electricitat, den Magnetismus und den Electromagnetismus umfassende Wissen- schaftsgebiet so wesentlich vereinfacht ist, wieder aufgeben wollte.

Ferner ist zu bemerken, dass, wenn man einmal die A m p Bre’sche Erklarung des Magnetismus verlasst, und die electrostatische Einheit des Magnetismus auf andere Weise, unter Anwenduhg einer der von einem Magnetpole ausge- ubten Krafte zu bestimmen sucht, dann die Maxwell’sche Formel nicht die einzig mogliche ist. Zu dieser Bemerkung sehe ich mich besonders durch einen neuerdings von Hm. EC e lm h o 1 t z veroffentlichten Aufsatz l) veranlasst.

Hr. H e l m h o l t z spricht von den Gauss’schen Einheiten der Electricitat und des Magnetismus, welche durch folgende Satze bestimmt sind: 1) Einheit der Electricitat ist diejenige Electricitatsmenge, welche auf eine gleiche Electricitatsmenge in der Einheit der Entfernung die Einheit der Kraft ausiibt, 2) Einheit des Magnetismus ist diej enige Magnetismusmenge, welche auf eine gleiche Magnetismusmenge in der Einheit cler Entfernung die Einheit der Kraft ausiibt; aus welchen Sitzen sich die nachstehenden Gleichungen ergeben:

(7) [el = [&Id L4 T ‘3 I [m] = [ M L 5 t T - * ] .

Ein Msasssystem, welches auf der gleichzeitigen Anwendung dieser beiden Gleichungen beruht, nennt Hr. H e l m h o l t z - d a s b i s h e r i g e e l e c t r o s t a t i s c h e S y s t e m und an einer Stelle auch d a s e lec t ros ta t i sch-magnet i sche Sys tem v o n Gauss .

Ich glaube nun freilich nicht, dass G a u s s die Absicht gehabt hat, diese beiden Gleichungen zur Grundlage eines

1) Helmhol tz , Wied. Ann. 17. p. 42. 1882.

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und desselben in sich zusammenhiingenden Maasssystems ZU

machen, sondern bin vielmehr der Ansicht, dass er das elec- trische und das magnetische Maasssystem als zwei fiir sich bestehende Maasssysteme betrachtet hat, deren jedes eine der beiden Gleichungen zur Grundlage haben solle. Indessen will ich andererseits gern zugestehen, dass, wenn man die A m p Br e’sche Erklarung des Magnetismus einmd verlassen hat, man ebensogut d i e se beiden Gleichungen zu e i n e m System vereinigen kann, wie die dem Maxw ell’schen elec- trostatischen Maasssystem zu Grunde liegenden Gleichungen.

Wir haben somit, unter Zuziehung des von Hrn. H e l m - h o 1 t z empfohlenen Systemes drei verschiedene electrosta- tische Maasssysteme, welche in Bezug auf die rein electri- schen GrBssen vollkommen untereinander tibereinstimmen, und nur in Bezug auf die Einheit des Magnetismus von einander abweichen ! und es mogen der Uebersichtlichkeit wegen die drei die letztere darstellenden Formeln hier zu- sammengestellt werden.

I Maxwell 1 Helmholtz 1 Clausius

Sofern es sich nur um die Vergleichung magnetischer Grossen untereinander handelt, konnen alle drei Formeln gleich gut als Einheitsformeln fur den Magnetismus dienen. Vergleicht man aber magnetische Grossen mit electrischen Grossen, so entsteht die Frage, zu was fiir Beziehungen zwi- schen Magnetismus und Electricitat die verschiedenen For- meln fuhren.

I m e l e c t r o d y n a m i s c h e n Maasssysteme gilt zwischen den Einheiten des Magnetismus und der Electricitat folgende allgemein angenommene Gleichung:

Hiermit wollen wir die Gleichungen zussmmenstellen, welche man im e l e c t r o s t a t i s c h e n Maasssysteme, je nach den drei verschiedenen Auffassungen desselben, zwischen den Einheiten des Magnetismus und der Elect,ricit.iit zu bilden hat.

(8) [md] = [e& T - 7 ,

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Nach meiner Auffassung hat man zu setzen:

(9) [ma] = [e,L T-’1 . Diese Gleichung hat dieselbe Form, wie die im electrodyna- mischen Maasssysteme geltende, und man erhiilt somit bei dieser Auffassung eine bestimmte Beziehung zwischen Mag- netismus und Electricitat, welche von dem angewandten Maasssystem unabhangig ist. In den Gleichungen ist aus- gedruckt, dass die Magnetismuseinheit eine Grosse von der Dimension eines Products aua der Electricitiitseinheit und der Geschwindigkeitseinheit ist. Das Hinzukommen einer Geschwindigkeit als Factor druckt aus, dass der Magnetis- mus nicht mit ruhender, sondern mit stromender Electricivat in gleiche Linie zu stellen ist, wie es der Ampbre’schen Erkliirung entspricht.

Nach H e l m h o l t z ’ Auffassung ha t man zu setzen:

Dieses ist eine ganz andere Gleichung, als die im electro- dynamischen Maasssysteme geltende, und ich muss gestehen, dass ich nicht weiss, welche Vorstellung man sich vom Wesen des Magnetismus bilden soll, wenn in einem Maasssysteme die Magnetismuseinheit als eine Grosse von derselben Dimension erscheint, wie die Electricitiitseinheit, und im anderen Maass- systeme als eine Grosse von der Dimension eines Produckes aus der Electricitatseinheit und der Geschwindigkeitseinheit.

(9,) [m,] = [ea].

Nach Maxwell’s Auffassung hat man zu setzen:

Dieses ist ebenfalls eine andere Gleichung, als die im elec- trodynamimhen Maasssystem geltende. Statt eines Productes aus der Electrici’tlltseinheit und der Geschwindigkeitseinheit steht hier ein Bruch, welcher die Electricitatseinheit zum Zahler und die Geschwindigkeitseinheit zum Nenner hat, und es wirft sich wieder die Frage auf, welche Vorstellung vom Wesen des Magnetismus man sich aus zwei so verschie- denen Ausdrucken bilden soll.

B o n n , September 1882.