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Heft 19. ] MEYERHOF und LOttMANN: Unterschied yon links- und rechts-Milchs~ure im Organismus. 437 7. 5. ~926j Ober den Unterschied yon links- und rechts-Milchs~iure im Organismus~). Von O. MEYERHOF und K. LOHMANN, Berlin-Dahlem. Wie friiher an dieser Stelle mitgeteilt~), kann yon auBen dem intakten ruhenden Muskel dar- gebotene Milchs~iure ebenso unter Atmungs- steigerung in Glykogen synthetisiert werden, wie es bei der oxydativen Erholung nach der Arbeits- leistung mit der im Muskelinnern gebildeten Milch- s~ure geschieht. Ein solcher Umsatz zugesetzten milchsauren Salzes finder sich nicht nur bei der Muskulatur, sondern in allen darauf nntersuchten Organen, wie Hirn, Leber, Niere des S~iugers, Ierner auch bei der Hefezelle. Im Fall des Lebergewebes und der Hefezelle ist ebenso wie im Muskel der oxydative Verbrauch der Milchs~iure mit einer bilanzmltBig nachweisbaren Zunahme des Kohlen- hydrats -- also einer S~mthese -- verkniipft. Dieser Umstand, dab dell Zellen yon aufien daf- gebotene Milchs~iure ebenso umgesetzt wird wie die im Stoffwechsel gebildete, gestattet nun auch zu entscheiden, ob zwischen der bei den hSheren Tieren allein vorkommenden d-Milchs~ure und ihrem optischen Antipoden Unterschiede bestehen. Ein einzelner Versuch in dieser Richtung ist schon yon .DAKIN u n d DUDLEY a) ausgefiihr~ und ergab, dab beim phlorrhizin-diabetischen Hund Zufuhr yon l-Lactat eine erhebliche. Ausscheidung yon Extra- zucl~er bewirkt. Indessen zeigte sich bei unseren Versuchen, dal3 zwischen d- und 1-Milchs~ure be- tr~chtliche quantitative Unterschiede bestehen. W~hrend allerdings bei der Here die Atmungs- steigerung durch die beiden Antipoden nur um 10--20% "differiert nnd entsprechend auch die Kohlenstoffassimilation keine bedeutenden Ver- schiedenheiten aufweist, ist sowohl beim Kaltblfiter- ~) Erscheint ausfflhrlich in der ]3iochem. Zeitschr. 2) Naturwissenschaften I2, 1137. 1924. a) Journ. of biol. chem. I5, I43. I913. muskel wie bei den verschiedenen Milchs~ure ver- brauchenden S~ugetiergeweben der Unterschied betr~chtlich. Die Geschwindigkeit des Lactatver- brauches und der ZucIcersynthese im intakten Frosch- muskel ist mit 1-Lactat etwa 4mal langsamer als mit d-Lactat bzw. mit racemischem Lactat (zwi- schen letzteren beiden ist bei etwas hSherer Kon- zentration natfirlich kein Unterschied mehr zu beobachten). Ahnlich verhMt sich die Atmungs- steigeruny, die mit -Lactat oft schon in die Schwan- kungsbreite der Kontrollversuche f~tllt. Noch ausgesprochener ist der Unterschied zwischen bei- den S~uren bei verschiedenen SAugetiergeweben. Im Lebergewebe bleibt die dutch d-Milchs~ure bewirkte betr~ichtliche Atmungssteigerung um nahezu lOO% mit l-Milchs~ure vollst~indig aus und eine wirkliche Kohlenhydratzunahme ist nicht mehr festzustellen, sondern h6chstens ein gegenfiber der Kontrolle verlangsamter Kohtenhydrat- schwund ; auch ist der Yerbrauch des Lactats nicht lnehr meBbar, h6c-hstens 1/10 so groB wie der yon d~Lactat. Ahnliches gilt ffir die graue Substauz des Gehirns, wo 1-Lactat nicht megbar verbraucht wird und nicht imstande ist, die normale Atmungsgr6f3e aufrechtzuerhalten, wie es Glucose und ebenso das racemische Lactat vermag. Nut beim Nieren- gewebe Iand sich eine allerdings geringffigige Stei- gerung der Atmung mit 1-Milchs~iure und ein geringer Verbrauch derselben. Die (soweit geprtift) allen Organen des Warmblfiters, nicht etwa nut dem Muskel und der Leber, zukommende Fiihig- keit, Milchs~Lure oxydativ umzusetzen, ist demnach mindestens in ihrer Geschwindigkeit yon der op- tischen Konfiguration abh~ngig. Die Regel, dab im Tierk6rper yon zwei" optischen Antipoden der eine weitgehend bevorzugt wird, ist also auch hier nicht durchbrochen. Ober die Bildung von Milchs~iure durch die Zellen grfiner Pflanzen. Won CARL IX~EUBERG und GONTHI~R GORR, Berlin-Dahlem. In grogen Zfigen zeigt der Stoffwechseltypus der Atmung, soweit diese an eine Spaltung yon Zucker geknfipft ist, bei den ~eterotrophen Ge- w~tchsen ein anaerobes Gepr~ge. Die alkoholische Gfirung sowie die ihr biologisch verwandte Milch- s~ureg~rung, die Haupterscheinungsformen der intramolekularen Atmung, dominieren bei Pilzen und Bakterien in offenbarer Weise. Weniger durch- sichtig sind die Atmungsvorg~inge bei den auto- trophen Pflanzen; hier iiberwiegt bilanzm~tBig der oxybiontische Stoffumsatz, so dab wir nur auf Umwegen zu Kenntnissen vom Ablaut anaerober Geschehnisse gelangen kSnnen. Nun weiB man seit langem, dab im Stoffwechsel tierischer Zellen und vieler Mikroorganismen die M~lchs~ure eine auBerordentlich wichtige Rolle spielt. Die Forschungen des letzten Jahrzehnts haben gelehrt, dab die Fghigkeit zur Produktion yon Milchs~ure eine der verbreitetsten Eigensehaf- ten der lebenden Zelle fiberhaupt darsteilt, l~ber die Bedeutung der 3iilcl~s~ure im Haushalt der h6her organisierten Vegetabilien liegen kaum Er- fahrungen vor, selbst ffir das bloBe Vorkommen yon 5fild~s~ure bei grtinen Pfianzei1 sind nur dfirftige und unsichere Unterlagen vorhanden. J. STOKLASAhat vor 20 Jahren fiber eine Bil- dung yon Milchs~ure durch Samenpflanzen berich- tet; von ihm rfihrt die bemerkenswerte Angabe her, dab bei der anaeroben Atmung yon Zuckerriiben, Gurken, ]3ohnen und Kartoffeln neben J~thyl- alkohol und Kohlendioxyd auch Milchs~ure aug tritt; in komplexer Reaktion sollen bei Luftzufuhr

Über die Bildung von Milchsäure durch die Zellen grüner Pflanzen

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Page 1: Über die Bildung von Milchsäure durch die Zellen grüner Pflanzen

Heft 19. ] MEYERHOF und LOttMANN: Unterschied yon links- und rechts-Milchs~ure im Organismus. 437 7. 5. ~926j

Ober den Unterschied yon links- und rechts-Milchs~iure im Organismus~). Von O. MEYERHOF und K. LOHMANN, Berlin-Dahlem.

Wie friiher an dieser Stelle mitgeteilt~), kann yon auBen dem intakten ruhenden Muskel dar- gebotene Milchs~iure ebenso unter Atmungs- steigerung in Glykogen synthetisiert werden, wie es bei der oxydativen Erholung nach der Arbeits- leistung mit der im Muskelinnern gebildeten Milch- s~ure geschieht. Ein solcher Umsatz zugesetzten milchsauren Salzes finder sich nicht nur bei der Muskulatur, sondern in allen darauf nntersuchten Organen, wie Hirn, Leber, Niere des S~iugers, Ierner auch bei der Hefezelle. Im Fall des Lebergewebes und der Hefezelle ist ebenso wie im Muskel der oxydative Verbrauch der Milchs~iure mit einer bilanzmltBig nachweisbaren Zunahme des Kohlen- hydrats - - also einer S~mthese - - verkniipft.

Dieser Umstand, dab dell Zellen yon aufien daf- gebotene Milchs~iure ebenso umgesetzt wird wie die im Stoffwechsel gebildete, gestattet nun auch zu entscheiden, ob zwischen der bei den hSheren Tieren allein vorkommenden d-Milchs~ure und ihrem optischen Antipoden Unterschiede bestehen. Ein einzelner Versuch in dieser Richtung ist schon yon .DAKIN und D U D L E Y a) ausgefiihr~ und ergab, dab beim phlorrhizin-diabetischen Hund Zufuhr yon l-Lactat eine erhebliche. Ausscheidung yon Extra- zucl~er bewirkt. Indessen zeigte sich bei unseren Versuchen, dal3 zwischen d- und 1-Milchs~ure be- tr~chtliche quanti tat ive Unterschiede bestehen. W~hrend allerdings bei der Here die Atmungs- steigerung durch die beiden Antipoden nur um 10--20% "differiert nnd entsprechend auch die Kohlenstoffassimilation keine bedeutenden Ver- schiedenheiten aufweist, ist sowohl beim Kaltblfiter-

~) Erscheint ausfflhrlich in der ]3iochem. Zeitschr. 2) Naturwissenschaften I2, 1137. 1924. a) Journ. of biol. chem. I5, I43. I913.

muskel wie bei den verschiedenen Milchs~ure ver- brauchenden S~ugetiergeweben der Unterschied betr~chtlich. Die Geschwindigkeit des Lactatver- brauches und der ZucIcersynthese im intakten Frosch- muskel ist mit 1-Lactat etwa 4mal langsamer als mit d-Lactat bzw. mit racemischem Lactat (zwi- schen letzteren beiden ist bei etwas hSherer Kon- zentration natfirlich kein Unterschied mehr zu beobachten). Ahnlich verhMt sich die Atmungs- steigeruny, die mit -Lactat oft schon in die Schwan- kungsbreite der Kontrollversuche f~tllt. Noch ausgesprochener ist der Unterschied zwischen bei- den S~uren bei verschiedenen SAugetiergeweben. Im Lebergewebe bleibt die dutch d-Milchs~ure bewirkte betr~ichtliche Atmungssteigerung um nahezu lOO% mit l-Milchs~ure vollst~indig aus und eine wirkliche Kohlenhydratzunahme ist nicht mehr festzustellen, sondern h6chstens ein gegenfiber der Kontrolle verlangsamter Kohtenhydrat- schwund ; auch ist der Yerbrauch des Lactats nicht lnehr meBbar, h6c-hstens 1/10 so groB wie der yon d~Lactat. Ahnliches gilt ffir die graue Substauz des Gehirns, wo 1-Lactat nicht megbar verbraucht wird und nicht imstande ist, die normale Atmungsgr6f3e aufrechtzuerhalten, wie es Glucose und ebenso das racemische Lactat vermag. Nut beim Nieren- gewebe Iand sich eine allerdings geringffigige Stei- gerung der Atmung mit 1-Milchs~iure und ein geringer Verbrauch derselben. Die (soweit geprtift) allen Organen des Warmblfiters, nicht etwa nu t dem Muskel und der Leber, zukommende Fiihig- keit, Milchs~Lure oxydativ umzusetzen, ist demnach mindestens in ihrer Geschwindigkeit yon der op- tischen Konfiguration abh~ngig. Die Regel, dab im Tierk6rper yon zwei" optischen Antipoden der eine weitgehend bevorzugt wird, ist also auch hier nicht durchbrochen.

Ober die Bildung von Milchs~iure durch die Zellen grfiner Pflanzen. Won CARL IX~EUBERG und GONTHI~R GORR, Ber l in -Dahlem.

In grogen Zfigen zeigt der Stoffwechseltypus der Atmung, soweit diese an eine Spaltung yon Zucker geknfipft ist, bei den ~eterotrophen Ge- w~tchsen ein anaerobes Gepr~ge. Die alkoholische Gfirung sowie die ihr biologisch verwandte Milch- s~ureg~rung, die Haupterscheinungsformen der intramolekularen Atmung, dominieren bei Pilzen und Bakterien in offenbarer Weise. Weniger durch- sichtig sind die Atmungsvorg~inge bei den auto- trophen Pflanzen; hier iiberwiegt bilanzm~tBig der oxybiontische Stoffumsatz, so dab wir nur auf Umwegen zu Kenntnissen vom Ablaut anaerober Geschehnisse gelangen kSnnen.

Nun weiB man seit langem, dab im Stoffwechsel tierischer Zellen und vieler Mikroorganismen die M~lchs~ure eine auBerordentlich wichtige Rolle

spielt. Die Forschungen des letzten Jahrzehnts haben gelehrt, dab die Fghigkeit zur Produktion yon Milchs~ure eine der verbreitetsten Eigensehaf- ten der lebenden Zelle fiberhaupt darsteilt, l~ber die Bedeutung der 3iilcl~s~ure im Haushalt der h6her organisierten Vegetabilien liegen kaum Er- fahrungen vor, selbst ffir das bloBe Vorkommen yon 5fild~s~ure bei grtinen Pfianzei1 sind nur dfirftige und unsichere Unterlagen vorhanden.

J . STOKLASA hat vor 20 Jahren fiber eine Bil- dung yon Milchs~ure durch Samenpflanzen berich- tet; von ihm rfihrt die bemerkenswerte Angabe her, dab bei der anaeroben Atmung yon Zuckerriiben, Gurken, ]3ohnen und Kartoffeln neben J~thyl- alkohol und Kohlendioxyd auch Milchs~ure aug t r i t t ; in komplexer Reaktion sollen bei Luftzufuhr

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weiterhin Essigs~ure, Ameisens~ure sowie Wasser- stoff, die beiden letzteren fiber das Methan, ent- stehen.

Uber die Menge solcher im Atmungsprozef3 er- zeugten Milchs~ure geben STOKLASA and seine Mitarbeiter fotgende Anskunft :

o,82% Milchs~ure ist der h6chste gefnndene ~Vert; er wurde bet I kg Gurkenmasse (als Trocken- substanz) wAhrend ioostfindiger anaerober Atmung bet 20 ° erreicht. Aus 5- -6 kg frischem Pflanzen- material wurden durch Auspressung unter 400 At- mosph~ren Druck 500 ccm zellfreier Salt erhalten, aus dem mit Alkohol-Ather 6--1o g Rohenzym niedergeschlagen wurden. 25 g dieses Ferment- pr~parates erzeugten innerhalb 52 Stunden aus 25o cem ISproz. Traubenzuckerl6sung bet anti- septisch geffihrter G~Lrung 0,53 g d,l-Milchs~ure. Diese im Wasserstoffstrom erzielte Ansbaute sank beachtenswerterweise bet Zuleitung von Sauerstoff auf o, I3 g herab.

Etwas niedrigere Werte hat J. BODNXR f/it die Milchs~ure ermittelt, die bet anaerober Glykolyse durch das als trockenes Pulver abgeschiedene Enzym tier Zuckerrfibenwurzeln und Kartoffel- knollen produziert wird.

Gleich den genannten Autoren scheint es ein Jahrzehnt sparer auch G. MUENK gelungen zu sein, das glykolyfische Ferment yon der intakten Pflan- zenzelle abzutrennen. Er verfuhr gem~B der Vor- schrift, die yon NEUBERG sowie DAKIN nnd DUDLEY zur Gewinnung des aus Methylglyoxal MilchsEure bildenden tierischen Fermentes ausgearbeitet wor- den war (s. unten), and teilte mit, durch Extraktion yon zerkleinerten Lupinensamen mit physio- logischer Kochsalzl6sung ein Enzym isoliert zu haben, das mit groBer LeichtJgkeit aus St~rke, Glykogen, Insulin, Traubenzucker, Galaktose, Mal- tose, Saccharose, namentlich abet aus Milchzucker 1V~ilchsiiure bildet und gegen Antiseptica, wie Toluol oder Fluornatrium, wenig empfindlich ist.

In K6rnern und Pjlanzensa]ten~ z. ]3. bet Gerste, Mats, in Kartoffeln, bet Tausendgfildenkraut und in der Agave ist ein Vorkommen yon Milchs~ure (zumeist yon d,l-Form) beobachtet (~VVINDISCtL HABERMANN, MC GEORGE). In den Bl~ttern der Himbeere, ]3rombeere sowie in IKirschsaft sind nach H. FRA-'~ZEN and seinen Mitarbeitern wechselnde Mengen ~Ichs~ure, oit alterdings nur Spuren, zu- gegen; doeh ist es nach FRANZEN and IKEYSS~ER unentschieden, ob sie prMornfiert oder durch bakterielle G~rung nachtr~glich entstanden ist. 0be rhanp t werden alle die erw~hnten Angaben fiber die Bildung yon Milchs~ure im Eigenstoffwechsel der grfinen Gew~chse yon FR. CZAPEK sowie C. OPPENI~EIMER in ihren bekannten Lehrbfichern skeptisch beurteilt. Eine Vorstufe der Milchs~ure, die dem Lactacidogen der tierischen Zelle entspre- chen wfirde, hat R. FLURY (1924) in Kartoffeln, Lnpinen und Spinat nicht aufzufinden vermocht, obgleich J . ]3ODNAR (1925) den wichtigen Nachweis erbracht hat, dab zum mindesten den Erbsen ein Phosphorylierungsverm6gen eigen ist. Es l~Bt

sich bisher nichts darfiber aussagen, ob das nach dem gegenw~rfigen Stand der Erkenntnis jeden- falls seltene und geringffigige Vorkommen yon Lactat in Vegetabilien etwa irdt einem schnellen Verbrauch zusammenh~ngt. G. CIAMtCIAN und C. RAVENNA haben vor einigen Jahren gezeigt, dab bestimmte Vegetabi~en (Spinat, ]3ohnen) zu- gefiigtes Lactat angreifen; es wird dabei tells oxydativ unter Abspaltung yon Acetaldehyd, tells durch Umwandlung in ~theruntSsliche Stoffe (Resynthese ?) ver~ndert.

Bet den besonders gearteten energetischen Ver- hMtnissen der h6heren Pflanzen erseheint das ,,Feh- len" von Milchs~ure unter gew6hnliehen Verh~It- nissen ebenso erkl~rlich wie ffir den normal funk- tionierenden Organismus der h6heren Tiere. So- fern mit GewiBheit bet den vorerw~hnten positiven Befunden die Mitwirkung yon Bakterien keine Rolle spielt, kann angenommen werden, dab es bet den vegetabilischen Zellen unter anaeroben Bedingun- gen zu einer Anh~ufung yon Lactat kommen kann.

Wenn nun die F~higkeit zur Milehs~Lurebildung tats~chlich ein Att r ibut auch der h6heren Pflanzen- zelle ist ,-so durften wir erwarten, dab sie diese S~ure aus derselben Vorstufe bildet, die wir heute mit guten Grfinden ffir die tierischen Gewebe and die Bakterienzelten als Mitchs~nrequelle annehmen.

Durch die Untersuchungen von C. NEUBERG, H. D. DAKIN und H. W. DUDLEY sowie P. A. LEVENE und G. M. MEYER iSt schon 1913 ffir ani- malische Organe der Beweis ge]iefert worden, dab sie sehr glatt Methylglyoxal in Milchs~ure fiber- zufiihren verm6gen. Fiir die entartete Zelle der Tumoren gilt nach O. WARBURG, I(. POSENER nnd ]~. NEGELEIN ein gleiches. Mit der seit mehr als einem Jahrzehnt yon uns vertretenen Ansicht, dab die Milchs~ure als Stabilisierungsprodukt des Methylglyoxals anzusprechen ist, steht das Ver- halten der in den Zellen vorhandenen, das Methyl- glyoxal nmwandelnden Ketonaldehydmutase auch nach neueren Untersuchungen 0. MEYERHOFS in bestem Einklange, indem dieses Enzym den Cha- rakter eines typischen Stoffwechselfermentes auf- weist.

Vor einiger Zeit haben C. NEUBERG and G. GoR~ dargetan, daf3 in niedrig organisierten p]lanzlichen Ge~itden, bet versch~edenen Bakterien, Methyl- glyoxal ebenfalls als ¥orstufe der Milchsiture gelten kann. F fir drei vers'chiedenen Gruppen angehSrende Vertreter, ffir den Lactobacitlus, das Bacterium co]i sowie ffir den ]3acillus propionicus, ist eine solehe Beziehung auBer allen Zweifel gesetzt. (Der erstgenannte Mikroorganismns ist ein regelrechter Milchs~kurebildner; wit haben mit ihm die reine Verg~rung yon Glucose zu Milchs~ure im Umfange yon 91,2% bewirkt.)

Im Hinblick auf das Problem, ob in der ganzen belebten Natur eine einheitliche. Bedeutung der Milchs~ure zur Geltung kommt and ob ihr haupt- s~chlicher Bildungsmechanismus als ~hnlich voraus- gesetzt werden dart, haben wir eiue Priifung der ~'rage fiir wichtig gehalten, ob ZeUen h6herer

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Heft I9. ] 7- 5- I926j

WAI~BURG und I~EGELEIN: ~)ber Abt6tung yon Tumorzellen im K6rper. 439

Pflanzen Methylglyoxal in typischer Weise zu Milch- ~ u r e dismutieren. Ats geeignete Objekte ermittel- ten wir die Erbsensamen, die zugleich den Vorzug leichter Zug~nglichkeit besitzen. Wie wit gefunden haben, enthalten diese das Methylglyoxat angrei- iende Ferment in so reichem MaBe, dab man die ruhenden Samen verwenden und nicht durch voran- gehende Keimung ihren verlangsamten Stoffwechsel anzufachen braucht. Da man mit starken anti- septischen Mitteln arbeiteu kann, so kommt eine Beteiligung yon Mikroben nicht in Betracht. Man kann die vorher mit o, Iproz. Sublimatl6sung keim- arm gemachten Erbsen, sodann die nicht vor- behandelten Erbsen in Gegenwart yon viel ToIuol, weiterhin Aceton-Trocken-Erbsen, ferner w~sserige Auszfige gemahlener Erbsen, sowie die dutch F~llung mit Alkohoi-)kther aus solehen Wasser- extrakten yon Erbsen erzeugten Niederschl~ge (nach ihrer Wiederaufl6sung) unter Beigabe yon ToIuol benutzen, l)berall ist das Ferment vor-" handen, das unter LuftabschluB l~ngstens in einem Tage I--2prom. L6sungen des Methyl- glyoxalhydrates quant i ta t iv umwandelt. Dabei sind 7o--8o% der theorefisch m6glichen Menge Milchs~ure nachgewiesen worden. An der als Zinklacta$ abgeschiedenen Substanz wurde kon- statiert, dab die racemische S~ure vorlag. Dieser Befund deckt sich mit den Erfahrungen yon J. GADA~ER, J. N. CURRtn sowie A. W. Dox und R. tC. NEIDm, dab die Bildung yon in- aktiver S~ure such bei Bakterien vielfach bevor- zug t ist; FRANZEN hat in den Bl~ttern und Frfichten grfiner Pflanzen jedenfalts nur d,l-Lac- ta t beobachtet.

Wit haben den ruhenden Erbsensamen stets frei yon prMormierter Milchs~ure befunden, so dag dieses in so vielfachen Zubereitungen taugliche Erzeugnis ein gfinstiges Material flit das Studium

der Ketonaldehydmutase bei h6heren Pflanzen abgibt.

Es hat sich bereits herausgestellt, dab solche Fermentpr~parate such auf analoge Glyoxale ein- wirken. Nach Versuchen, die Herr BINDER-KOTRBA ausgeffihrt hat, erzeugt das Erbsenenzym z. B. aus Phenylglyoxal in praktisch quant i ta t iver Ausbeute rechtsdrehende Mandels~ure.

Am gleichen Objekte, am Erbsensamen, haben unl~ngst C. NEUBERG und A. GOTTSCHALK gezeigt, dab die yon ibm ausgelSste alkoholische G~rung der Zuckerspaltung dutch Here analog verl~uft, indem sie hier ebenfalls fiber die Zwischenstufe des Acetaldehyds fortschreitet. In der reichlichen und leichten Bildung yon Milchs~ure erblieken wir einen Anhalt daffir, dab die im Effekt der alkoholi- schen GXrung sich schon verratende F~higkeit der grfinen Pflanzen zur Glykolyse unter best immten Bedingungen such mit einer Ansammlung yon Milchs~ure zutage tritt , d. h. mit der Stabilisierung des Intermedi~rproduktes Methylglyoxalhydrat, das sich in der Norm - - im Sinne der yon C.NEu- ]B:SRG und M. KOBEL gemaehten Ausffihrungen - - nicht anh~tuft oder umlagert, sondern der Restitu- tion unterliegt.

Jedenfalls verffigen Phanerogamen fiber ein vom lebenden Gewebe abtrennbares Stoffwechsel- ferment, das die bedeutsame Verschiebung in der 3-Kohlenstoffreihe besorgt. Damit ergibt sich eine w.esentliche ~bereins t immung im Grundtypus der Kohlenhydratumwandlung ffir die Zellen der grfinen Pflanzen, der Tiere sowie der Mikro- organismen. Im Sonderfalle der Erbsensamen wird als Eigentfimlichkeit die Tatsache offenkundig, dab die beiden glykolytischen Fermentsysteme, das der Mkoholischen Zuckerspaltung und das der Milchs~turebildung, wohl ausgebildet nebeneinander bestehen.

0ber Abtgtung yon Tumorzellen im K6rper. Von OTTO WARBURG u n d ERWIN NEGELEIN, Be r l i n -Dah lem.

Eine Tumorzelle gewinnt die zum Leben not- wendige Energie auf zweierlei Art: durch Atmung und durch GArang. Unterbreehen wir eine der beiden energieliefernden Reaktionen, so bleib~ die Tumorzelle am Leben, unterbrechen wir beide, so stirbt sie bei K6rpertemperatur im Laufe einiger Stunden ab.

Obwohl nicht nur Tumorzellen sondern alle K6rperzellen bei Unterbrechung der energie- Iiefernden Reaktionen zugrunde gehen, ist es, wie wir gefunden haben, m6glic5, Tumorzellen im lebenden Tier dutch Mangel an Energie zu tGten. Nach Versuchen yon F. WIND und den Verfassern beruht dies darauf, dab die Ver- sorgung des Tumors mit Sauerstoff und Glucose dutch den Blutstrom schleehter ist als die Ver- sorgung der normalen Organe. Senken wir bei- spielsweise den Sauerstoffgehalt des arteriellen

Blutes, so entsteht zun~ichst nur in dem Tumor und erst bei st~rkeren Senkungen in den nor- malen Organen Mangel an Sauerstoff.

Um die beiden energieliefernden Reaktionen des Tumors gleichzeitig zu hemmen, mfiBte gleich- zeitig die Glucose- und Sauerstoffkonzentration ira arteriellen Blut gesenkt werden, was aus tech- nischen Grfinden nicht gut m6glich ist. Hier kommt uns die Natur zu Hilfe. Denken wir uns den Tumor in eine ,,arterietle" und eine ,,ven6se" H~lfte zerlegt, so g~rt im K6rper nur die arterielle H~lfte betr/ichtlich. Die ven6se H~lfte g~rt kaum, weii die Glncosekonzentration auf dem \Vege dutch die arterielle H~lfte zu fief sinkt. Andererseits reicht die Versorgung des Tumors n i t Sauerstoff gerade aus, um die Atmung in dem Tumor zu er- halten. Gehen wir also mit dem Sauerstoffgehalt des arteriellen Blutes auf die H/ilfte herunter, so ge-