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Über die entstehung der corpora amylacea im gehirn im zusammenhang mit den krystallisationsprozessen im zentralnervensystem

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Uber die Entstehung der Corpora amylaeea im Gehirn im Zusammenhang mit den Krystallisationsprozessen

im Zentralnervensystem. Von

Prof. Dr. L. I. 0morokow, Direktor (ier Nerven- and Psychiatrischen Klinik an der Universit/tt Tomsk.

(Einffegangen am 20. August 1925.)

Ein h/iufiger Befund bei destruktiven Prozessen im Zentralnerven- system sind im Parenchym der Nervensubstanz die sog. ,,Corpora amy- lacea". Sie sind zuerst von Purkin]e im Jahre 1837 beschrieben und seitdem ist ihrem Studium eine ganze Reihe Arbeiten hervorragender pathologiseher Anatomen wie Virchow, Rokitansky, Rind]leisch u.a. gewidmet. Nichtsdestoweniger kann die Frage iiber die Entstehung dieser eigenartigen Bildungen auch gegenw/trtig nicht als endgfiltig ge- 16st gelten; es sind die verschiedensten Theorien ~ufgestellt worden, um diese Bildungen zu deuten. Alle diese Theorien k6nnen in folgende 4 Gruppen eingeteilt werden:

1. Die gliogene Theorie -- Entstehung der Corpora amylacea aus gli6sen Zellen und Kernen (Obersteiner, Rind/leisch, Frommann, Nambu, Klebs, Besser, Redlich u. 8.).

2. Die neurogene Theorie -- Entstehung aus den Nervenfasern, und zwar :

a) Aus den Achsenzylindern (Homen, Ziegler, Heymann, Catalo, Achfecaro, Marchand u. a.).

b) Aus dem Aehsenzylinder und den Markscheiden, oder nur aus den Markseheiden allein und aus Myelintropfen (Rolcitansky, Leber, Treitel, Stroebe, Schae//er, Wol/, Nager).

3. Die lymphogene Theorie -- Entstehung durch das Niederschlagen des zirkulierenden Gewebssaftes mit Beteiligung des Myelins oder ohne dasselbe (K611iker, Meckel, Posner, Siegert, Wichmann, Ribbert, Delamare, Alzheimer u. a.).

4. Hdmatogene Theorie. (V on Recklinghausen, R. May, Touton, Saltykow, Ho/richter).

Ganz isoliert steht die Meinung von Stilling da, welcher in den Corpora amylacea postmortale Produkte sieht und die Hiiufigkeit ihres Auftretens mit den Fiiulnisprozessen in Zusammenhang bringt.

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AuBerdem unterscheiden sich die Meinungen der Autoren, welche eine und dieselbe Theorie vertreten, mitunter stark in ihren Einzelheiten voneinander.

Auch die Arbeit von La/ora ist yon Stiirmer einer strengen und nicht ganz gerechten Kritik unterworfen worden. La/ora beobachtete in einem Falle yon myokloniseher Epilepsie (23 Jahre) in dem Protoplasma der Ganglienzellen selbst Corpora amylacea, welche er unseres Erachtens nicht ganz passend amyloide KSrperchen nennt; mitunter land man in ein und derselben Zelle 7 an Zahl. Bisweilen waren die Ganglienzellen yon einer so groi]en Anzahl amyloider KOrperchen angefiillt, dab sie ein Konglomerat bildeten, das vom Zellprotoplasma wie von einer dfinnen Membran umlaut war. Die amyloiden KSrperehen fanden sich in grol]er Menge auch unter den Sehlingen des parenchymatSsen Gewebes. Das Vorhandensein der amyloiden K6rperchen im Protoplasma der Ganglien- zellen spricht nach der Meinung des Autors durchaus gegen ihren aus- schlief]lich myelinogenen oder gliogenen Ursprung. Aus dieser kurzen Darstellung der Theorien fiber die Entstehung der Corpora amylacea sieht man deutlich, wie wenig diese Frage noch gekl/~rt ist und dal] bei den hervorragendsten pathologischen Anatomen keine einstimmige Meinung herrscht; daher hat jede neue Beobaehtung, welehe diese Frage beleuchten kann, eine groBe Bedeutung. Sogar experimentelle Untersuchungen haben, infolge der nicht genfigend vollkommenen Analyse der bei experimentell erzeugter Degeneration des Zentralnerven- systems auftretenden Corpora amylacea auch keinen festen Grund ffir diese oder jene Theorie gegeben (Homen, Kerestszdgny und Harms, Stroebe).

Was die ehemische Natur der Corpora amylacea betrifft, so wird sie, soviel wir aus der vorhandenen Literatur wissen, durch folgende Be- sonderheiten gekennzeichnet.

In unseren gewShnlichen LOsungsmitteln sind sie unlOslich. Im Wasser 16sen sie sieh nicht, beim Erw~rmen und Kochen im Wasser und verdtinnter Essigsaure schwellen sie nicht auf. Dieses Kochen, und zwar ein sehr lange dauerndes, veri~ndert nur ihr Verhalten zum Jod, mit welchem sie dann sehon keine dunkel violettbraune Fi~rbung geben. Sie sind weder in Alkohol, noeh in J~ther, noch in Aceton, noch in Benzin, noeh in Chloroform, noch in Schwefelkohlenstoff 15slieh. In allen diesen LSsungsmitteln bewahren sie noeh deutlicher ihre konzentrische Schich- tung. Schwache S/~uren 15sen sie nicht. Starke Alkalien homogenisieren sie, spalten sie und dann kann eine allmahliehe L6sung ihres Segments zustande kommen. Nach Zusatz yon Alkohol, J~ther oder Chloroform oder sehwachen S/~uren geben sie mit Jod eine schwach violette Sehat- tierung. Eine schwaehe JodlOsung fi~rbt sie violett, eine starke braunrot, welche F~rbung sich in dunkelrote naeh I-Iinzuffigung verdiinnter

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im Zusammenhang rait den Krystallisationsprozessen ira Zentralnervensystera. 111

H2SO4 verandert. Durch ihre Beziehung zum Jod sind die Corpora amylacea in hohem Grade dem Glykogen ahnlich, und farben sich ebenso wie das letztere nach Best rot. Mit Hamatoxylin werden die Corpora amylaeea pragnant tingiert. Alle das Fett farbenden Farben tingieren die Corpora amylacea nieht mit Ausnahme des Nilblausulfats und des Neutralrots, dasselbe gilt von den Farbungsmethoden der Lipoide (nach Ciaccio).

Ihre Form ist aulterordentlieh eigentiimlich: es sind runde KSrper- chert mit pragnant ausgepragter, geometrisch regelmagiger Schiehtung, mitunter mit radiarer Striehelung. Oft ]iegt im Zentrum der Corpora amylacea ein feinstes Krystallchen. Im polarisierten Licht erhSlt mail keine doppelte Lichtbreehung.

Was die Bedeutung der Corpora amylacea anbelangt, so verdient der Umstand hervorgehoben zu werden, dag sie im jugetidlichen Alter nicht beobaehtet werden. Ihr friihestes Auftreten wurde yon Tuczeclc t)ei einem neunj~ihrigen Madchen entdeckt. Sie sind ein konstanter Befun(l im Zentralnervensytem nach dem 30. Lebensjahre und werden reichlich bei Greisen bemerkt. Sie scheinen das Resultat der nicht genfigend energischen Entfernung verschiedener Stoffwechselprodukte aus dem Nervengewebe zu sein.

An dem pathologisch-anatomischen Material unseres Laboratoriums beobachteten wir oft -- ebenso wie andere Forscher -- das Auftreten der Corpora amylacea.

Besonders zahlreich fanden sie sich in den Fallen deutlich ausge- sprochener Degeneration des Rfickenmarks bei verschiedenen patholo- gischen Prozessen.

Wir begegneten ihnen in groller Anzahl in einem Falle schwerer Schullverletzung des Riickenmarks im Bereich der Lumbalanschwellung bei einem jungen Menschen von 23 Jahren. Die Corpora amylacea waren in diesem Falle vorzugsweise an der Peripherie des Riickenmarks und den Set)ta entlang gelagert.

Besonders zahlreiche Corpora amylacea beobachteten wir in einem Falle hypertrophischer Meningitis mit tumorahnlichen Knochenwucherun- gen in den Hauten, welche eine Kompression des Riickenmarks und Degeneration der Fasern hervorriefen. In diesem Falle lagerten sich die zahlreiehen Corpora amylacea gleichfalls vorzugsweise an der Peri- pherie des Riickenmarks (Dr. Schubin aus unserem Laboratorium). in einem Falle von Riiekenmarkssyphilis mit Beteiligung der Wurzeln und peripheren Nerven (Wurzeleysten) land ieh ebenfalls eine groge Menge der Corpora amylacea und wiederum an der Peripherie des Riicken- marks und langs seiner Septa. Etwas anderes war der Befund in F~llen yon Encephalitis mit dem klinischen Bilde der Koshewnikowschen Epi- lepsie, welehe chirnrgisch behandelt waren, und in denen in der Mehr-

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zahl dcr F~ille mikroskopisch nur die Gro6hirnrinde untersucht wurde. Im ganzen hatten wir 23 solcher Falle, in einem Fall wurde eine vollkommene histopathologische Untersuchung des ganzen Zentralnervensystems aus- gefiihrt. Dieser Fall endigte letal 20 Stunden nach der Operation infolge Blutung aus dem w~hrend der Operation verletzten Sinus.

Das Studium des gew6hnlichen pathologisch-anatomischen Materials gab wenig Daten ffir das Urteil fiber die Art und Weise und fiber die Ursache der Entstehung der Corpora amylacea, daher ist diese Frage bis jetzt nicht endgfiltig gel6st; es sind mehrere Theorien vorhanden, yon denen oben die Rede war, aber das sind nur mehr oder minder ge- lungene Versuche, das Problem zu 16sen.

Als wir das iibliche pathologisch-anatomische Material studierten, konnten auch wir nur das Vorhandensein schon gebildeter Corpora amylacea als Resultat besonderer Umwandlungen des Nervenparen- chyms feststellen.

Anders verh~tlt es sieh mit jenen F/~llen yon Encephalitis, in welchen die Entfernung der durch den pathologischen ProzeB affizierten Hirn- abschnitte im frischen lebenden Zustande den ProzeB der Bildung der Corpora amylacea selbst zu erfassen erlaubte. Auch in dieser Beziehung erwiesen sich einige unserer F/~lle i~u$erst lehrreich -- sie erlaubten uns, mit grO6ter Sicherheit die Entstehungsweise der Corpora amylacea im Zentralnervensystem klarzustellen.

Das betrifft besonders jene F~lle, in welchen die Encephalitis alle Zeichen des akuten Prozesses aufwies, wo kleinzellige Infiltration der Gefi~6e, reichliehes Auftreten der Plasma- und Mastzellen, eine schwere Erkrankung der Ganglienzellen, ihrer Fasern und der Glia vorlag.

In einem Falle war eine begrenzte Encephalitis durch das Eindringen eines Cysticercus (T. solium) in die oberfl~ehliehen Rindensehichten er- zeugt. In dem dem Cystieercus anliegenden Hirngewebe, welches von dem Cysticereus selbst abgegrenzt war, wurden Corpora amylacea in verschiedenen Stadien ihrer Entstehung entdeckt. Die Kapsel selbst bestand aus aufeinanderfolgenden Sehichten faserigen kollagenen Ge- webes und eines Giirtels kleinzelliger Infiltration mit enormer Anzahl von Plasma- und Mastzellen. Neben einer Reihe verschiedenartiger pathologischer Abbauprodukte, deren Analyse wir eine besondere Arbeit 1) widmeten, konnte man aueh das Vorhandensein der Corpora amylacea konstatieren.

Neben typischen Corpora amylaeea, welche zerstreut in nekroti- sierte Hirngewebe in der N~he des Cysticercus und in der entziind- lichen Kapsel selbst lagen, war eine grol~e Anzahl kleiner Ktigelehen,

1) Omorokow, t~ber den Cysticercus des GroBhirns im Zusammenhang mit der Koshewnikowschen Epilepsie. Journal .psychologii, neurologii i psychiatrii. Moskau Nr. 2.

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izn Zusanlmr mit den Krystallisationsprozessen hll Zeniralnervensystem. 1 l 3

Schollen und K6rnehen vorhanden, welchc mit Jod eine br~iunliche Tingierung gat)en. Mitunter erhielt man den Eindruck, da[~ kleine KOrnchen, welche anfangs in der N~ihe des gli6sen Kerns lagen, die Neigung hatten, in gr6Bere Schollen zusammenzufllieBen, wobei sie eine runde Tropfenform erhielten. Noeh pr~ignanter konnte man die Tropfenbildung in besonderen Zellen des Infiltrats beobachten, welche wir ,,amyloidbildende" nannten.

In der ~iuBersten Zone der Kapsel sah man, neben typischen, bisweilen stark vakuolisierten Plasmazellen, Zellen mit kleinem schroff defor- miertem Kern und an Nisslsehen Pr~paraten mit metachromati~h ge- f:arl)tem Protop'_asma, das mit Vakuolen von regelm~iBig runder Form angefiillt war. Die Vakuolen haben mitunter ghnzlich gleiche Dimen- sionen, und sie erzeugen gerade die Deformation des Kerns, indem sie ihn yon allen Seiten zusammendrficken. Das Plasma umfaBt sic nur in Form eines dtinnen Saums. Die Vakuolen sind mit einer Substanz ange- fiillt, welche eine regelm~iBig runde Form anzunehmen sucht. Bemer- kenswert ist das Verhalten <lieser Tropfeneinschlfisse zu den Anilin- farben. So tingiert sic das Polychromblau von Unns~ und das Toluidin- blau in eine eigenartige beinah grfinlichblaue Farbe, deren Si~ttigung sich konzentrisch ver~indert. Auf van Giesonschen Pr~iparaten sind sie dunkelgelb gefiirbt, mit Jod fiirben sic sich sehwach gelb, wie auch das ganze sic umgebende Gewebe. Bei der Vergr6Berung des Tropfenvolums in der Zalle kommt ihr Zus~unmenflieBen in gr6Bere Tropfen zustande, und an den Pr/~paraten sieht man net)en der Zelle, welche mit 6--8 Trop- fen yon kleinem Durchmesser angefiillt ist, Zellen mit 2--3 gr6Beren Tropfen, welche von einem (l/innen Protoplasmasaum umgeben sind. In dem Ma$e der Vergr6Berung des Tropfenvolums sieht man ihr Zu- sammenflieBen zu zwei, es entstehen zwei Kfigelchen, welche so lest an- einanderliegen, dab sie gleiehsam durch ihre SeitenoberflBehen inein- ander dringen. Im Zellkern I)eobaeht(~t man Pyknose, seine ZerstOrung und schlieBlich liegen diese K6rl)erch('n schon frei im Gewebe. Dabei t r i t t eine prBgnanter und bestimmtcr ausgesprochene konzentrische Schichtung auf, und aul~er(lem t)eginnen sic, mit Jod sich dunkelbraun, mit H/~ma- toxylin dunkelblau und mit blauen Anilinfarben dunkelviolett zu f/~rben.

Auf diese Weise iiberzeugen wir uns im vorliegenden Fall mit roller Evidenz yon der Entstehung der Corpora amylacea aus besonderen, durch die Zelle aufgenommenen Sut)stanzen. Diese Substanz, welche sich allm~thlich in der Zelle anh~iuft, hat die Fiihigkeit zur Krystallisation und zu konzentrischer Schiehtablagerung. Anfangs gibt diese Substanz keine ffir die Corpora amylacea kemlzeichnenden Reaktionen, spBter aber, wenn sie sich aus der Zelle befreien, beginnen sie, vielleieht mit Kalksalzen sich impriignieren(t, die Reaktion mit Jod, H~imatoxylin und Anilinfarben zu geben.

Z. f. d. g. Neur. u. Psych. C.

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Von Interesse ist die Frage, welche Zellen sich an der Bildung der Corpora amylacea beteiligen.

Auf den ersten Blick zwingt gleichsam die nahe Nachbarschaft der vakuolisierten Plasmaze|len, sie fiir veri~nderte Plasmazellen anzusehen, aber die g/~nzlich verschiedene Struktur der Kerne dieser Zellen, welche nicht den Kernstrukturen der Plasmazellen i~hnlich ist, veranlagt uns die ,,amyloidbildenden Zellen" eher ffir gliOse zu hMten.

Schon im Stadium der Bildung groi3er Tropfen bewahrt der Kern seine charakteristische Form, welche ihn yon dem runden Kern der Plasmazelle mit radi~rer Chromatinlagerung unterscheidet. Die Kerne dieser Zellen sind entweder oval, oder yon unregelm~ig eingekerbter Form, mit kleiner Anzahl yon ChromatinkOrnchen, die im Karyoplasma zerstreut sind. Ein anderer Beweis des gliOsen Ursprungs dieser Zellen ist der Umstand, dab sie in dem i~ugersten Abschnitt der Kapsel auf- treten, wo sie ohne scharfe Grenzen in das Hirngewebe fibergeht. Jedoch kOnnen wir die Beteiligung auch der Plasmazellen nicht endgiiltig ab- leugnen, das Vorhandensein einer groBen Anzahl yon Plasmazellen mit pr~gnanter Vakuolisation kann aueh fiir diese Beteiligung spreehen. Eine andere nicht minder wiehtige als die Frage naeh der Bildung der Corpora amylaeea, ist die Frage, woher die Substanz eintritt, welehe zum Aufbau der Corpora amylaeea dient.

Zur L6sung dieser Frage war uns ein Fall yon Koshewnikowseher Epilepsie behilflieh, wo neben dem typisehen Verlauf des klinischen Brides der Epilepsie Erseheinungen der Athetose vorlagen.

Es handelte sich um einen ~ungen Mann, der nach einer Operation an der Rinde an einer t6dliehen epiduralen Blutung aus dem Sinus zu- grunde ging. Ohne auf die Ver~nderungen der Rinde einzugehen, werden wir die ffir unser Thema interessierenden Ver~nderungen beschreiben, welche wit im Gebiet des linken Hypothalamus fanden. Ungefi~hr im Zentrum des frontalen Schnittes in der Seitenwandung des III. Ventrikels zwisehen der Substantia nigra Sdmmeringii und dem Luyssehen K6rper zum Teil aueh letzteren ergreffend, lag ein MMaeieherd, weleher in der QuelTiehtung sich erstreckte, etwa 2 cm lang, 0,5 em breit, mit dem unbewaffneten Auge sichtbar. Bei der mikroskopisehen Untersuehung erwies sich der Malacieherd aus einer Anh~ufung yon gek6rnten Zellen bestehend, welche sieh reihenfOrmig lagerten, und aus Herden klein- zelliger Infiltration um die erweiterten Gef~tge. Zwisehen kleinen runden dunklen Kernen, welche die Hauptmasse des Infiltrats bildeten, sah man eine gro[~e Menge typischer Plasmazellen, in geringerer Anzahl begegnete man Mastzellen. Die endothelialen Zellenkerne der GefaBe zeigten An- schwellung mit vergr6gerter Protoplasmamenge. Die Wandungen der Gef~ge waren mit einer groBen Menge yon Abbauprodukten infiltriert, an lgisslsehen Pr~paraten bald yon dunkelblauer, bald griiner Farbe.

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Sie batten das Aussehen yon KSrnern oder Schollen von verschieden- artigster GrSite. An van Giesonschen Pri~paraten waren die Gefi~l~wan- dungen homogenisiert, hellrot und stark verdickt (hyaline Degeneration).

Im Zentrum des Herdes selbst waren die Ganglienzellen so stark ver- ~ndert, daft man viele yon ihnen nur mit Miihe erkennen konnte; je weiter vom Herde, desto schwi~cher waren die Ver~tnderungen der Ganglien- zellen ausgepri~gt, aber aueh hier lag eine schwere Erkrankung der Nisslschen Zellen vor: eine pr~gnante Deformation des Kerns, welcher gelappt wurde, der ZellkSrper wurde 5dematOs und im Zellprotoplasma erwiesen sich grol~e Fett- und Pigmentmengen (Lipochrom).

Von seiten der Nervenfasern beobachtete man auch pr~gnante Ver- i~nderungen. An Priiparaten nach Weigert-Kultschitz]cy sah man Fasern, die in ihrem Verlauf grofte Aufbliihungen bald zylindrischer, bald ovaler Form vorstellten, einmal ill der Mitte der Faserlichtung. Diese Auf- bli~hungen mit einer Masse angefiillt, die sich mit Hiimatoxylin nicht farbte, ordneten sich rosenkranzfSrmig an. Das Mark dieser Fasern war schwach tingiert. Die Menge der Myelinfasern war stark reduziert.

Die Gliakerne waren aufgebl~iht, yon wunderlich verschiedenartiger Form, einige von dunkel gefiirbter ovaler Form mit gro[~er Protoplasma- menge, die bald homogen, bald mit gro6er Menge dunkelblauer KSrnchen angeffillt war (Nisslsche F~trbung). Diese Zellen waren scharf yon dem gliSsen Syncytium abgegrenzt -- amSboide Zellen. In dem Bereich des Herdes und in seiner Nachbarschaft lagen Corpora amylacea an Nissl- Pr~paraten yon violetter Farbe, an van Giesonschen yon dunkelblauer Schattierung, yon regelm~i~iger runder Gestalt mit scharf und bestimmt ausgepr~gter konzentrischer Schichtung, mitunter mit einem feinsten Krysti~llchen im Zentrum.

Das ganze Gewebe war mit einer gro6en Menge yon n-Granula und mit Schollen durchsetzt, welche mit Toluidinblau eine Metachromasie gaben. Unsere Aufmerksamkeit wurde in Anspruch genommen durch das Verhalten der durch den pathologischen Prozeft pregnant ver~nder- ten Ganglienzellen zu den typischen Corpora amylacea. Beim Studium des mikroskopischen Bildes konnten wir an einer ganzen Reihe auf- einander folgender lJbergangsformen die allm~ihliche Bildung der Corpora amylacea aus den Ganglienzellen und ihren Forts~tzen beobachten.

Vor allem sahen wir an Nisslschen Pr~paraten im Zentrum des Herdes eine Anh~ufung dunkelblauer intensiv gef~rbter KSrnchen und Schollen, in denen es nicht schwer war, die Reste der Ganglienzellen zu erkennen; davon konnten wir uns iiberzeugen, da wir daneben mehr oder minder erhalten gebliebenen Zellen begegneten, welche dieser eigenartigen Nekrose anheimgefallen waren. Neben diesen Zellen sah man Zellen, yon denen ein Teil scholligen Zerfall vorstellte, w~hrend ein Teil derselben einer gleichsam festgewordenen Masse irgendeiner flfissigen

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Substanz glich. Die scharfe Zeichnung der Konturen mit pr~gnanter Lichtbrechung und ihr ununterbrochener Zusammenhang .verschaffte den vollkommenen Eindruck gleiehsam erstarrter Myelinfiguren. Bis weilen sah man Zellen, welche insgesamt in solche erstarrte wachsf6rmige Massen sich verwandelt hatten, in anderen Zellen erlitt eine derartige Verwandlung nur der Fortsatz, welcher an der Peripherie yon seiner Fortsetzung sich abgetrennt und kolbenf6rmig abgerundet hatte. Neben der Formver~nderung der nekrotisierten Zelle verl~tuft auch die Ver- ~nderung ihrer F~rbung; wKhrend die Schollen an Nisslschen Pr~paraten dunkelblau gef~rbt sind, sind die der Schmelzung und Homogenisierung anheimgefallenen Teile rosaviolett gef~rbt. Diese geschmolzenen lachs- artigen Elemente gaben anfangs sehr wunderliche Kontureu unregel- m~13iger Form, welehe an die Umrisse einer grol3en Ganglienzelle er- innern, aber allm~hlich beginnen sie eine immer mehr regelmg$ige Form zu gewinnen, die sich einem regelmggigen Diskus n~hert, dabei fangt immer deutlicher die regelm~Bige Schichtung an, sich zu ~uBern, welche in runden Tropfen eine scharf begrenzte konzentrische Schichtung ge- winnt. Mitunter begegnet man schon fertig gestalteten K6rperchen mit blauem Saum an der Peripherie und mit dunkelviolettem Zentrum (Nissl), welche vom Protoplasma der Gliazelle erfa[3t sind, die in Form eines Petschaftringes ein solches K6rperchen umfatt. Im Zentrum der geschmolzenen wachs~hnlichen Substanz kann man oft feinste Krystgll- chen sehen, welche auBerdem auch aul3erhalb der ver~nderten Zellen oder gerade im Gewebe oder im Protoplasma der Gliazellen vorkommen. Besonders viele dieser Krystgllchen, welche sich stark mit H~matoxylin fast schwarz und mit Anilinblau braunviolett f~rben, erwiesen sich in den Ependymzellen des Plexus und in den Wandungen seiner Gef~$e eingeschlossen.

Die Substanz, aus welcher die oben beschriebenen nekrotisierten Zellen bestehen, 16st sich weder in Alkohol, noch in Ather, noch in den anderen fiblichen LSsungsmitteln. Nach dem Kochen f~rbt sie sich noch pr~gnanter mit H~matoxylin dunkelblau. Zu gleicher Zeit gibt diese Substaaz nieht jene typischen Reaktionen, welche die Corpora amylaeea geben. Jod farbt diese Substanz gelb, Jod ~ H 2 SO 4 ver/mdert die Farbe nicht, nach Best fi~rbt sie sieh nieht, ebenso wie aueh nieht nach Lang- hans. Selbst jene Ganglienzellen, welche sich in eine homogene Masse mit scharfen lichtbreehenden Konturen verwandelt haben, werden mit H~matoxylin nicht tingiert; sie beginnen sich zu farben erst dann, wenn regelm~Bigere abgerundete Formen mit pr~tgnanter Sehichtung zustande gekommen sind.

Auf diese Weise konnten wir an unseren Pr~paraten feststellen, auf welche Weise und aus welchen Bestandteilen des Zentralncrvensystems sieh die Corpora amylacea bilden.

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Zu ihrem Aufbau wird die in den Ganglienzellen und in ihren Fasern befindliche Substanz verwendet; beim Untergange der Zellen erleidet diese Substanz in den einen Fallen die unmittelbare Verwandlung in den krystallinischen Zustand, in den anderen Fallen zerfMlt diese Substanz, wird in das umgebende Gewebe ausgeschieden und von den GliazeUen erfal3t, und erst da krystallisiert sie sich bis zur typischen Form der Corpora amylacea. Den allm~hlichen Verlauf dieses Prozesses kann man sich folgendermaBen vorstellen.

Unter dem Einflusse besonderer toxischer Momente kommt eine Ne- krose des Nervengewebes resp. der Ganglienzellen zustande. Bei dieser Nekrose zerfMlt das Protoplasma der Ganglienzellen, resp. Tigroid, in eine Reihe von Schollen, die sich mit Toluidinblau intensiv blau tin- gieren, der Kern verschwindet dabei g~nzlich. Dann geschieht die Schmelzung dieser SehoUen und ihre Verwandlung in tropfenfliissigen Zustand, bei welehem ihre Benetzung durch die Gewebefliissigkeit nicht stattfindet; als Resultat entstehen Massen homogener Substanz mit pregnant lichtbrechenden Konturen von mannigfaltigster Form. Mit Jod geben diese Massen eine gelbe F~rbung, an Nisslschen Pri~paraten wird ihre friihere dunkelblaue Fi~rbung durch violette verandert, mit Hi~matoxylin tingieren sie sich noch nicht. Das alles spricht fiir die allmi~hliche chemische Umwandlung der Substanz der Ganglienzelle.

Dieser Homogenisation braucht nicht die ganze Zelle anheimzu- fallen, sondern nur ein Teil derselben, oder sogar nur ihr Fortsatz, und dann sehen wir, dab der eine unver~nderte Zellenteil in Form einer Sehollenanh~ufung bestehen bleibt, und nur an einer Stelle der Fortsatz die oben besehriebene Modifikation erleidet. Weiter kommt die merk- wiirdigste Veri~nderung der physischen Eigenschaften der Substanz zu- stande, welche sich in einem K6rper von abgerundeter Form mit geo- metriseh regelm~tl~iger konzentrischer Schichtung zu gestalten beginnt. In diesem Stadium fi~rbt das Hi~motoxylin sie schon beinah schwarz, das Toluidinblau in eine (Tbergangsfarbe von blau zu rosa, und schlielL lich geben die g~nzlich isolierten konzentrischen K6rperchen auch die Reaktion mit Jod und tingieren sich nach Best.

Diese Entstehungsweise der Corpora amylacea, welche wir im letzten Falle haben, ist besonders deutlich dureh weitgehende Nekrose der Ganglienzellen und ihren Fasern ausgepragt. In den anderen FMlen, in welchen der pathologische Prozel3 nicht so pragnant ausgesprochen ist, geschieht eine allm~hhchere Degeneration der Ganglienzellen uud Fasern, welche nur von geringerer Ausscheidung derselben Substanzen in das Gewebe begleitet wird. Diese Substanzen k6nnen entweder yon den Gliazellen erfal~t werden, wie das in unserem Falle des Cystieercus war, oder sie kSnnen in dem Gewebe isoliert bleibend, die typische Form kleiner Corpora amylacea annehmen.

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Zu erwi~hnen ist das Fehlen der Gliareaktion beim Auftreten dieser Substanzen, da keine Erscheinungen der Neurophagie vorlagen, welche ge- w6hnlich bei anderen Veri~nderungen der Ganglienzellen beobachtet wird.

Unsere Untersuchungen stehen nicht im Einklange mit den An- sichten einiger Autoren (Tiegerth, La/ora u. a.), dalt die konzentrische Schichtung der Corpora amylacea durch allmi~hliche Aufschichtung der exkretiven Elemente um das krystallinisehe Zentrum bedingt ist. Wir sahen vollkommen deutlich, da8 das Auftreten der Corpora amylacea nieht durch einen langsamen Proze[3 der Sehichtenauflagerung um irgendein zentrales Krystallchen bedingt ist. Wenn dem so w~ire, so hi~tten wir solchen primi~ren eben entstehenden Corpora amylacea yon minimaler Gr6i3e begegnen mtissen und dann einer Reihe allmahlich wachsender Corpora amylaeea yon immer gr6Beren Dimensionen, aber in Wirklich- keit finden wir sie auf unseren Priiparaten nicht. In der Wirklichkeit besteht das vorl~ufige Stadium der Corpora amylacea in folgendem: Anh~ufung verhMtnism~13ig groSer Massen wachsartiger Substanz, die anfangs gi~nzlich homogen ist. Diese Masse erleidet unter dem Ein- flusse irgendwelcher Ursachen eine allm~hliehe chemisehe und physi- kalische Umwandlung, als deren Resultat die ganze Substanz eine ab- gerundete Form anzunehmen sucht und in eine Reihe konzentrisch regelmiiBiger Schichten zerfi~llt. Es handelt sich wohl um irgendwelche eigenartige Krystallisation der Kolloidsubstanz, welehe aus Eiweil3- stoffen, Myelin und anderen Lipoiden in einem Gemisch mit Salzen be- steht, und eine besonders feste, yon unseren- gew6hnlichen L6sungs- mitteln unangreifbare Substanz bildet. Das Fehlen der doppelten Licht- brechung im polarisierten Lichte spricht fiir die Imbitition der ganzen Bildung mit einer das Licht nichtdurchlassenden Kolloidsubstanz.

Dabei entsteht eine ganze Reihe yon Fragen, zu deren Beleuehtung das pathologisch-anatomische Material allein nicht mehr beitragen kann. Vor allem, welches ist die Bedeutung des Myelins in diesem gesamten Prozel3 ?

Bekanntlich ist das Myelin eine in physikalischer Beziehung sehr be- wegliche Substanz, welche einen sehr gro[~en Koeffizient der Oberfl~chen- spannung besitzt. Wie die Untersuchungen yon Nageotte zeigten, liegt in der unversehrten Markfaser eine regelm~13ige konzentrische Schichten- lagerung des Myelins, welches in Form regelm~t3iger zylindrischer La- mellen liegt. Diese Regelm~Sigkeit wird bei der Durchschneidung der Fasern vernichtet und das Myelin erleidet, sich gleichsam yon einer be- sonderen formenden Kraft befreiend, eine Fragmentation und zerfi~llt gleichzeitig damit in seine chemischen Komponenten. Diese formende Kraft, welche das Myelin in seinem Schichtengleichgcwicht erh~lt, ist wohl durch die T~tigkeit der Chondriomiten bedingt, welche in Ffille zwischen den Myelinschichten der Nervenfasern liegen.

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im Zusammenhang mit dea Krystallisationsprozessen im Zentralnervensystem. ] 19

Bei pathologischen Fhllen ist es mSglich sich vorzustellen, dab beim Zerfall der Ganglienzellen und der Nervenfasern sich die formende Kraft der Chondriokonten verzerrt ~iul3ert, infolge dessen die krystall/ihnliche Anlagerung der Substanz zustandekommt.

Dann ktinnen jene Krystallchen, welche wir gewOhnlich im Zentrum der Corpora amylacae linden, mit den Anhhufungen yon Chondrio- miten identifiziert werden.

Unsere Kenntnisse fiber ihre Rolle im Zentralnervensystem sind zu unvollkommen, aber eines ist zweifellos, dab sie ein notwendiger und konstanter Bestandteil sowohl der Nervenzelle als auch der Faser sind.

Meves meint, dal~ die Neurofibrillen sogar aus den Chondriokonten entspringen.

Bemerkenswert ist die Fiille der Mitochondrien in den Nervenzellen der Insekten, in welchen die Mitochondrien, wie die Untersuchungen von Bialkowska und Kulikowska zeigten, das ganze Plasma der Zelle ausffillen und in ihre Fortshtze eindringen, indem sie die Gestalt langer F~den haben. Wenn wir damit den m~chtigen motorischen Mechanismus der Insekten, die Gesehwindigkeit der Abweehslung der Leitung der Nervenimpulse zusammenstellen, so erweist es sich mSglich, die T~tig- keit der Mitochondrien mit den Erscheinungen der Nervenerregung zu verknfipfen. In unseren F~llen, in welchen sich besonders demonstrativ die eigenartige Degeneration der Nervenelemente mit J~ul~erung in den Degenerationsprodukten irgendeiner gewissen Krystallisationskraft zeig- ten, handelte es sich um Epilepsie. Der au[3ergewShnliche Befund von La]ora der Corpora amylacea innerhalb der Ganglienzellen und die eigentfimliche segment/~re Anschwellung der Nervenfasern bezog sich auch auf einen Epilepsiefall. Diese Angaben mfissen unser Augenmerk auf das eingehendere Studium der Epilepsie richten, deren Ursache vielleicht in der Befreiung uns noeh unbekannter Substanzen liegt, die unter normalen Bedingungen den Myelinbelag formieren und die gfinstigsten Bedingungen ffir die Leitung der Nervenerregung erschaffen.

Diese Befreiung von KOrpern, die frfiher im stabilen Gleichgewicht sich befanden, ~ul~ert sich morphologisch durch Organisation der den Corpora amylacea ~hnlichen Elemente und durch Steigerung der Erreg- barkeit des Zentralnervensystems. Eine interessante Tatsache ist die eigenartige Ver~nderung der Ganglienzellen, die augenscheinlich mit ihrer Nekrose verknfipft ist.

Die Erkrankung der Ganglienzellen ~ul~ert sieh in Abh~ngigkeit von pathologisehen Bedingungen entweder in Form einer akuten Erkrankung der 2Visslschen Zellen oder in Form einer chronischen. Der gewShnliche Ausgang dieser Erkrankungen ist die Sklerose der Zelle und ihre vSllige Vernichtung. Das erste Zeiehen der akuten Zellerkrankung ist das 0dem der Zelle und die Schmelzung der Nisslschen KSrnchen, im weiteren

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120 L.I. Omorokow: Uber die Entstehung der Corpora amylacea im Gehirll

schliel~t sich die Ver~nderung des Kerns, der Neurofibrillen und des Protoplasmas selbst (Fettablagerung) an. Diese Chromatolyse wird auch bei funktioneller Ermtidung der Nervenzelle beobachtet. So hat Mann gezeigt, da~ beim Hunde die Nervenzellen der optischen Gegend der Hirnrinde an basophfler Substanz bei Fehlen der optischen Reize reicher sind und ebenso bei ihrem Vorhandensein irmer werden. Diese Angaben sind spiter durch eine Reihe Arbeiten bestitigt worden (De- moor, Pergens, Geeraerd, Pugnat u. a.).

Legendre und Pieron zeigten, dab bei Hunden mit kiinstlicher Schlaf- entziehung eine Schmelzung der basophilen Substanz mit VergrSl~erung des Zellvolums entsteht. Alle diese Angaben sprechen dafiir, da~ die Zu- und Abnahme der basophilen Substanz eng mit den physiologischen Prozessen der Nervenerregung im Zusammenhang steht.

W~hrend die einen Autoren der basophilen Suhstanz die Rolle des Reservematerials zuschreiben, das fiir den Stoffwechsel der Zelle not- wendig ist (Ca]al, Van Gehuchten, Lugaro), halten die anderen (Prenant, Marinesco) sie fiir das echte Protoplasma hSherer Ordnung -- ffir das ,,Kinetoplasma". Nach Renauld-Capart ist die basophile Substanz das Substrat der Energetik der Nervensubstanz -- eine unumgingliche Be- dingung ffir die (psychischen) Prozesse im Gehirn.

Jene Verinderungen der basophilen Substanz, welche wir bei der funktionellen Titigkeit der Zelle beobachten, laufen bei ihrer Ermfidung auf die Fragmentation, ihre molekulare Desaggregation hinaus. Im Resultat dieses Prozesses wird eine groBe Menge yon Ionen frei, welche friiher gebunden waren, und der osmotische Druck in der Zelle steigert sich. Da die Nervenzellen vom isotonischen Gewebssaft umspiilt werden, so iul~ert sich die Verinderung des osmotischen Druckes innerhalb der- selben durch VergrSl~erung des Zellvolumens infolge des Eindringens der Gewebefliissigkeit in dieselbe.

In unserem Fall haben wir neben den gewShnlichen Erscheinungen der Chromatolyse eine iiberaus ungewShnliche Verinderung der baso- philen Substanz, welche wohl yon der chemischen Einwirkung entweder der Toxine oder der Autotoxine (Produkte des gestOrten Stoffwechsels, Bakterien) abhingt, unter deren EinfluB sich die basophfle Substanz einer radikalen chemischen und physikalischen Umwandlung unter- zogen hat.

Hier haben wir einen ganz neuen unbekannten Prozei3 der ,,Koagu- lation" der Nervenzelle, bei dessen Studium sich viele neue Gesichts- punkte fiir die Stoffwechselprozesse im Nervengewebe ergeben werden.

Alles oben Gesagte zusammenfassend, mfissen wir zu folgenden Schlu~folgerungen kommen:

1. Corpora amylacea stellen sich nach ihrer chemischen Zusammen- setzung nicht als gleichartige KSrper auf allen Stufen ihrer Entstehung

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im Zusammenhang mit den Krystallisationsprozessen im Zentralnervensystem. 121

vor; die charakteristisehen Reaktionen auf Jod und H2SO 4 und die Bestsche Farbung stellen sich erst dann ein, wenn die Corpora amylacea endgiiltig formiert und im Gewebe ffeiliegen.

2. Die Corpora amylacea entstehen aus der Substanz der Ganglien- zellen und ihrer Fasern. In einigen sehr seltenen Fallen findet eine un- mittelbare Verwandlung des KSrpers der Ganglienzelle in die Corpora amylacea statt, welche dabei folgende Stadien passieren:

a) Schwere Erkrankung des Kerns, seine Deformation und vOllige Vernichtung; das Protoplasma schmilzt und bildet eine Reihe KSrn- chen und Schollen, welche sich pri~gnant mit basischen Anilinfarben dunkelblau farben.

b) Dann kommt eine Schmelzung dieser Schollen in einzelne Tropfen myelinahnlicher Substanz, welche eine Metachromasie und mit Hama- toxylin dunkelblaue Farbung gibt.

e) Dann kommt eine physikalische Veranderung der friiher amorphen Massen zustande; eine pragnant ausgedrtickte Schichtung und Neigung zur Bildung spharisch regelmal~iger Kiigelchen tr i t t auf, wobei sich im Zentrum intensivgefarbte Krystallhaufchen befinden -- der Proze~ endet mit dem Auftreten typischer Corpora amylacea.

3. Neben diesem Prozel~ beobachtet man in den Ganglienzellen auch in den Nervenfasern analoge Veranderungen. Die Nervenfaser schwillt an einer Stelle in Form eines Zylinders oder Kiigelchens an, schniirt sich ab uhd erleidet die analoge Umwandlung in ein Corpus amylaceum.

4. In anderen Fallen, welche einen langsameren Verlauf haben, werden die Zerfallsprodukte der Ganglienzellen und Fasern durch Glia- zellen erfal~t und machen innerhalb ihres Protoplasmas dieselben Ver- anderungen dureh. Als Resultat gehen die Gliazellen zugrunde und die gebildeten Corpora amylaeea erweisen sieh im Gewebe freiliegend.

In diesem Falle treten ira Plasma der Gliazelle anfangs kleine homo- gene Tropfen auf, welehe sich mit basischen Anilinfarben dunkelblau tingieren, dann flie6en sic in gr61~eren Tropfen zusammen und nehmen allmahlich die typisch schiehtige Gestalt an.

5. Die Annahme ist m6glich, dal~ in diesem Vorgang eine grol~e Rolle die Chondriosomen der Nervenzelle und der Nervenfaser spielen.

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1 2 2 L . I . Omorokow: Ober die E n t s t e h u n g der Corpora amylacea im Gehirn .

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