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406 KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 14 . JAHRGANG. Nr. 12 e3. MARZ I935 gesichts der Schwere des Zustandes, der wachsenden Not der nun schon in der 8. Woche bedrf~ngten Kranken injizierten ~,ir langsam Digipu~'a~ in die Vene. Wfihrend ich selbst auskultierte, lieB der Assistent das Digipurat einlaufen. Nach I1/~ Minuten waxen 3 ccm injiziert. Dabei ging der Pals pl6tzlich auf 72 zuriick etwa ffir die Dauer l/e_ i Xviinute, sprang dann wieder hoch. Wit gaben jetzt noch 11/~ ccm Digipurat aus der noch in der Vene belassenen Spritze, also im ganzen 41/2 ecru. Sofort Mieb die Pulszahl bet 72, jetzt fort- dauernd regehn~gig bis zum Abend. Am Abend versuchte das Herz noch einmal hochzugehen auf 24o. Nach etwa einstiindiger Dauer gaben wir noeh einmaI 2 cem Digipurat intraven6s mit dem Erfolg, dab sofort der Puls herunterging und langsam und regeI- m~tBig blieb. In den n~chsten 2 Tagen ging die Herzerweiterung zurfick, die Leber wurde normal, die Stauungen schwanden votl- kommen. Als nach etwa 8 Tagen die Kranke Bach Hause ent- lassen werden sollte und yon ihren Angeh6rigen abgeholt wurde, setzte im Angenblick der Abreise gerade, Ms die Pat. die Priv.-Abt. verlieg, erneut ein Anfall ein. Wiederum 21/~ ccm Digipurat intra- venSs gegeben beseitigte sogleich wieder den Anfall. SchlagfoIge 7~, rhythmisch. Das Elektrokardiogramm wurde v611ig normM. Nach Wochea zu Besuch bet Verwandten noch einmal ein 2~/etagiger Anfall. Wir wurden sofort Bach ausw~rts hinzugezogen, injizierten wieder 3 ecru. Als wir etwa nach 8--1o Minuten Bach der Injektion, die wit wegen der mangelnden Uberwachung auBerhalb der Klinik nicht gr6Ber zu gestalten wagten, das EIaus verlieBen, war der An- falI beseitigt. Die Pat. ist jetzt ein Vierteljahr v611ig anfaIlsfrei kei roller 13etf~tigung. Entspreehend diesem Vorgehen, lieBen sich aneh bet anderen (3) Kranken, ant die sich unsere Eriahrnng stfitzt, dureh diese groBen pl6tzlichen Digitalisgaben, die wit wegen der Gefahr der akuten Digitalisvergiftung sonst Hie zn geben gewagt h~ttten, die Anfalle beseitigen. WiT brauchten bisher nieht fiber die Dosis als einmalige Gabe yon 41/a ccm Digipnrat intraven6s hinanszngehen. Doeh m6chten wir die Meinnng vertreten, dab in verzweifelten F~llen yon wochen- und monatelangem anfallsweisem Herzjagen mit drohender De- kompensation, bet denen die anderen HiKsm6glichkeiten er- sch6pft sind, gegebenenfaIIs anch noch gr613ere Digitalisgaben gewagt werden diirfen. GewiB liegt Bier die unmittelbare Gefahr akuter Digitalisvergiftnng vor. Es kann vielleieht zur Blockbildung am Herzen kommem Bei einigermat3en vor- siehfigem und priifendem Weitertasten in der Dosis noch w~rend des Einspritzens, wird aber eine t6dliche Gabe zu vermeiden setH. Der z-a beffirchtende ~31ock dfirfte vorfiber- gehend setH. Diese Einwendungen, die wit uns machten nnd die fiberhaupt nur gemacht werden k6nnen, sind glfieklicher- weise nut rein theorefischer Natur, besonders, soweit es nnsere Erfallrungen betrifft. Wir m6chten abet doch diesen ]3etrachtungen Raum geben, um nnvorsichtiges Drauflos- spritzen bet solchen, h~ufig nHr kurzdanernden und ja Bur funktionellen AnfAtlen yon paroxysmaler Taehykardie zu verhfiten. Aber bet schweren Zust~nden yon anfallsweisem Herz~agen mit Pulszahlen fiber 2oo und woehenlanger Dauer, bin ieh der Meinung, dab man unserer Kranken die Digitalis in der genannten Znffihrungsweise nieht mehr vorenthalten sollte. Die Digitaliswirkung bet der p. T. dfirfte ganz vorzngs- weise auch in einer Vagusreizung zn suchen setH. Wir m6ehten glauben, dab es das sieherste Mittet zur Beseifigung dieses schwe- ren Leidenszustandes ist. Kfinftige Darlegungen fiber die Be- handlung paroxysmaler Tachykardien sollten unseres Erachtens nieht mehr untertassen, gerade ant diese Anwendung groger intraven6ser Gaben der Digitalis als segensreich hinznwNsen. Literatur: x A. HOFFMANN, Die paroxysmale Tachykardie (Anf~lle yon Herzjagen). Mfinchen : J. F. Lehmann 19oo. -- "~ G. A. GIBSON, Die nerv6sen Erkrankungen des Herzens. %~/iesbaden: J. F. Bergmann ~91o. -- ~ E. ROM~:~RG, Krankheiten des Herzens und der Blutgef~ge. 3. Anti. Stuttgart: Ferd. Enke I921. -- NO~HNAGEL, Dtsch. Arch. klin. Med, I867; 17 (I876) -- V~ien. reed. ]31. ~887, -- ~ W~NT~NI~'Z, I3erl, klin. Wschr. I883, 93 -- Die Hydrotherapie. 2. Aufl. Wien ~893. -- s PRIBRAM, Wien. reed. Presse i88e, 2L -- ~ HUCHARD, L'union med. 1879, Nr io8 -- Rev. g6n. clin. etther. 189o, 17 -- Gaz. d. Med. et Chir. I889, Nr I6. __ 8 WINTERBERG, Karlsbad, ~irztI. V0rtr. 5 (I925). -- ~ SrEPP u, SCHLIEPHAKE, Mfinch. reed, Wschr. I9e5, I997. -- xo C. GERHARDT, Volkmanns Samml. klin. Vortr. I881, Nr 2o 9. -- n TH. IKL~E u. O, GROSSMANN, Mfinch. reed. Wschr. 1925, 25L -- TM R, FRANCI% Yiode~ne Therapie. Berlin: F. C. W. Vogel 1934, -- ~a E. Sem, n~p- HAXrr Dtsch. Arch, klin. Med. 15e, II 3 (~926); ~54, 240 (1927), -- 14 K:~LLY, Med. a. Surf. Rep. 75, 513 (1896). -- is HONmMANN, Dtsch. reed. Wschr. I888, 919, -- 16 VAQuEz, Maladies du c~ur, I92I. -- i7 Die Digitalis und ihre therapeutische Anwendung, Im Auftrage des niederl~dischen Reichsinstitutes flit phaimako- therapeutische Untersuchungen. Bearbei~e% won U. G. BIJLSMA, A, A. HIJMANS VAN DEN BERGII, R. MAGNUS, j s. I%'IBULENIIOFF, M. J. ROESSINGH. Berlin: Julius Springer i923. OBER DIE RESPIRATORISCHE INSUFFIZIENZ. Von Prof. Dr. H. W. KNIPPING, Direktor der Med. Polik~nik der MedizinischenAkademieDi~seldorf. Wenn wir heute den Begriff der respiratorischen Insuffi- zienz klar herausstellen und nahezu file verschiedenen Formen derselben in der klinischen PraMs quantitativ erfassen k6nnen, so verdanken wir das einem Jahrzehnt mfihevollster wissen- schaftticher Arbeit. Von den vielen Forschern, die daran Anteil haben, nenne ich nur BANSt, BRAUER nnd Mitarbeiter, BRUNS, COBET, DAUTREBANDE, GOLLWITZER-~{EIER, HALDANE, HERBST, HILL, HOFBAUER, JAHN, Jr MEANS, INIONNEN - BRUCH, PEABODY, ROHL, SIEBECK, STRAUB, UHLENBRUCK tlnd verweise im fibrigen auf die umiassende Darstellung der Ent- wicklung des Gebietes dutch BRAUERIund durch STAEHELIN 2. Seit der Ietzten Mitteilung fiber die Arbeiten der Med. Klinik Hamburg-Eppendorf (BR~R 1. c., ANT~ONya, JANSSEN-KNIP- PING-STROMBBRaER a) haben Mr unsere damals dargestellte Methode, die einzelnen pulmonalen Krankheitsbilder im Hin- blick auf die Funktionsst6rung zu anMi, sieren, vielf~tltig in der Praxis anwenden kSnnen. Die Prfifung der ambulanten und der zur Begutachtung eingewiesenen Patienten stand da- bet ganz im Vordergrund. An Hand der so gewonnenen Er- fahrungen m6chte ich erneut, und zwar in erster Linie vom Standpnnkt des Praktikers, zu der Frage der respiratorischen Insuffizienz Stellung nehmen. Die theoretischen Zusammen- h~nge werden in Kfirze durch AwrHoNY eine sehr eingehende Darstellung erfahren. Es ist zweckm~tBig, znn~chst einrnaI scharf zu trennen zwischen der Arbeits- und der Ruheinsuffizienz. Die letztere bedentet, dab die Lnngen schon in der Ruhe, d. h. bet mini- malster Beanspruchung, versagen, dab also yon den recht betr~chtlichen Leistungsreserven dieses Organs (s. u.) nichts mehr dem Organismus znr Verffigung steht. Man k6nnte auch yon einer respiratorischen Dekompensation analog etwa der Dekompensation des Kreislaufes sprechen. Diese respira- torische Rttheinsuffizienz ist bet den chronischen Lungen- erkrankungen im allgemeinen Bur in den Ends• zu beob- achten; sie wird dann alIerdings meist maBgebend f~r die Schwere des Gesamtbildes. Im Verlanfe der akuten Lungen- krankheiten ist die Ruheinsuffizienz yon geringer Bedeutung. Nut selten sieht man z, 13. eine Pneumonie dutch eine respira- torisehe Insnffizienz letM ausgehen, also gewissermagen ,,pneu- monisch", d.h. dutch pneumonische Ausffillung zu groBer Alveolarbezirke, sterben. Die meisten Todesfalle bet der Pneu- monte sind ja, wie bekannt, kreislaufm~tl3ig bedingt. Die respi- ratorische Rnheinsuffizienz ist leicht zu diagnostizieren. Das wiehtigste Symptom, die Cyanose, ist unverkennbar, und die pulmonale Genese dieser Cyanose der Ruheinsuffizienz ist zu ermitteln durch: I. die fiberrasehende therapeutische Saner- stoffwirknng. Nit Ausnahme des sog. Kurzsehtusses [tgurz- schlul3 liegt vor, wenn z. B. in pneumonischen Bezirken das Blut aus der Lungenarterie ohne arterialisiert zu werden, also ven6s in die Lungenvene gelangt. Derartige KnrzschtuB ma- ehende Infiltrate k6nnen natfirlich dnrch PerkussJon und Aus- kultation leicht erkannt werden, zeigen alle Formen der respira- torischen Insuffizienz, sofern eben tiberhaupt eine nennens- werte Cyanose vorhanden ist, eine ausgesprochene und akute Besserung durch Sauerstoff. Die unkomplizierte kardiale De- kompensation reagiert dagegen nut sehr gering auf Sanerstoff (KNIPPING und ZlMMERMANNS)]. II. Unter Umst~nden durch AusschluB der kardialen Dekompensation. III. Mit Ausnalame der anox~tmischen Hypoventilation der Kreislaufkranken wird keine Form der respiratorischen Insuffizienz hinsichtlich der Cyanose dutch Kreislaufmittel wesentlich beeiniluBt. IV. Durch

Über die Respiratorische Insuffizienz

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406 K L I N I S C H E W O C H E N S C H R I F T . 14 . J A H R G A N G . N r . 12 e3. MARZ I935

gesichts der Schwere des Zustandes, der wachsenden Not der nun schon in der 8. Woche bedrf~ngten Kranken injizierten ~,ir langsam Digipu~'a~ in die Vene. Wfihrend ich selbst auskultierte, lieB der Assistent das Digipurat einlaufen. Nach I1/~ Minuten waxen 3 ccm injiziert. Dabei ging der Pals pl6tzlich auf 72 zuriick etwa ffir die Dauer l / e_ i Xviinute, sprang dann wieder hoch. Wit gaben jetzt noch 11/~ ccm Digipurat aus der noch in der Vene belassenen Spritze, also im ganzen 41/2 ecru. Sofort Mieb die Pulszahl bet 72, je tz t fort- dauernd regehn~gig bis zum Abend. Am Abend versuchte das Herz noch einmal hochzugehen auf 24o. Nach etwa einstiindiger Dauer gaben wir noeh einmaI 2 cem Digipurat intraven6s mit dem Erfolg, dab sofort der Puls herunterging und langsam und regeI- m~tBig blieb. In den n~chsten 2 Tagen ging die Herzerweiterung zurfick, die Leber wurde normal, die Stauungen schwanden votl- kommen. Als nach etwa 8 Tagen die Kranke Bach Hause ent- lassen werden sollte und yon ihren Angeh6rigen abgeholt wurde, setzte im Angenblick der Abreise gerade, Ms die Pat. die Priv.-Abt. verlieg, erneut ein Anfall ein. Wiederum 21/~ ccm Digipurat intra- venSs gegeben beseitigte sogleich wieder den Anfall. SchlagfoIge 7 ~, rhythmisch. Das Elektrokardiogramm wurde v611ig normM. Nach Wochea zu Besuch bet Verwandten noch einmal ein 2~/etagiger Anfall. Wir wurden sofort Bach ausw~rts hinzugezogen, injizierten wieder 3 ecru. Als wir etwa nach 8--1o Minuten Bach der Injektion, die wit wegen der mangelnden Uberwachung auBerhalb der Klinik nicht gr6Ber zu gestalten wagten, das EIaus verlieBen, war der An- falI beseitigt. Die Pat. ist jetzt ein Vierteljahr v611ig anfaIlsfrei kei roller 13etf~tigung.

En t sp reehend diesem Vorgehen, lieBen sich aneh bet anderen (3) Kranken , an t die sich unsere E r i a h r n n g stfi tzt , dureh diese groBen pl6tzl ichen Digi ta l isgaben, die wi t wegen der Gefahr der aku ten Dig i ta l i sverg i f tung sonst Hie zn geben gewagt h~ttten, die Anfal le beseit igen. WiT b rauch ten bisher n ieh t fiber die Dosis als e inmalige Gabe yon 41/a ccm Dig ipn ra t in t raven6s hinanszngehen. Doeh m6ch ten wir die Meinnng ver t re ten , dab in verzweife l ten F~llen yon wochen- und mona t e l angem anfal lsweisem Herz j agen m i t d rohender De- kompensa t ion , bet denen die anderen HiKsm6gl ichkei ten er- sch6pf t sind, gegebenenfaIIs anch noch gr613ere Digi ta l i sgaben gewagt werden diirfen. GewiB l iegt Bier die unmi t t e lba re Gefahr aku te r Dig i ta l i sverg i f tnng vor. Es kann viel le ieht zur Blockbi ldung a m Herzen k o m m e m Bei einigermat3en vor- s iehf igem und pr i i fendem Wei t e r t a s t en in der Dosis noch w ~ r e n d des Einspr i tzens , wird aber eine t6dl iche Gabe zu vermeiden setH. Der z-a beff i rchtende ~31ock dfirf te vorfiber- gehend setH. Diese E inwendungen , die wi t uns mach t en nnd die f iberhaupt nur g e m a c h t werden k6nnen, sind glfieklicher- weise n u t rein theoref ischer Natur , besonders, sowei t es nnsere Er fa l l rungen betr i f f t . Wi r m6ch ten abe t doch diesen ]3etrachtungen R a u m geben, u m nnvors icht iges Drauf los- spr i tzen bet solchen, h~ufig nHr kurzdanernden und ja Bur funkt ionel len AnfAtlen yon pa roxysmale r Taehyka rd i e zu verhfi ten. Aber bet schweren Zust~nden yon anfal lsweisem Herz~agen mi t Pulszahlen fiber 2oo und woehenlanger Dauer , bin ieh der Meinung, dab m a n unserer Kranken die Digi ta l is in der genannten Znffihrungsweise n ieh t m e h r vo ren tha l t en sollte. Die Digi ta l i swirkung bet der p. T. dfirfte ganz vorzngs- weise auch in einer Vagusre izung zn suchen setH. Wi r m6eh ten glauben, dab es das sieherste Mittet zur Beseif igung dieses schwe- ren Leidenszustandes ist. Kfinft ige Dar legungen fiber die Be- hand lung pa roxysmale r Tachykard ien sollten unseres Erach tens n ieh t m e h r untertassen, gerade ant diese Anwendung groger in t raven6ser Gaben der Digi ta l is als segensreich hinznwNsen.

L i t e r a t u r : x A. HOFFMANN, Die paroxysmale Tachykardie (Anf~lle yon Herzjagen). Mfinchen : J. F. Lehmann 19oo. -- "~ G. A. GIBSON, Die nerv6sen Erkrankungen des Herzens. %~/iesbaden: J. F. Bergmann ~91o. -- ~ E. ROM~:~RG, Krankheiten des Herzens und der Blutgef~ge. 3. Anti. Stut tgar t : Ferd. Enke I921. --

NO~HNAGEL, Dtsch. Arch. klin. Med, I867; 17 (I876) -- V~ien. reed. ]31. ~887, �9 -- ~ W~NT~NI~'Z, I3erl, klin. Wschr. I883, 93 -- Die Hydrotherapie. 2. Aufl. Wien ~893. -- s PRIBRAM, Wien. reed. Presse i88e, 2L -- ~ HUCHARD, L'union med. 1879, Nr io8 -- Rev. g6n. clin. e t the r . 189o, 17 -- Gaz. d. Med. et Chir. I889, Nr I6. _ _ 8 WINTERBERG, Karlsbad, ~irztI. V0rtr. 5 (I925). -- ~ SrEPP u, SCHLIEPHAKE, Mfinch. reed, Wschr. I9e5, I997. -- xo C. GERHARDT, Volkmanns Samml. klin. Vortr. I881, Nr 2o 9. -- n TH. IKL~E u. O, GROSSMANN, Mfinch. reed. Wschr. 1925, 25L -- TM R, FRANCI% Yiode~ne Therapie. Berlin: F. C. W. Vogel 1934, -- ~a E. Sem, n~p- HAXrr Dtsch. Arch, klin. Med. 15e, II 3 (~926); ~54, 240 (1927), --

14 K:~LLY, Med. a. Surf. Rep. 75, 513 (1896). -- is HONmMANN, Dtsch. reed. Wschr. I888, 919, -- 16 VAQuEz, Maladies du c~ur, I92I. -- i7 Die Digitalis und ihre therapeutische Anwendung, Im Auftrage des niederl~dischen Reichsinstitutes flit phaimako- therapeutische Untersuchungen. Bearbei~e% won U. G. BIJLSMA, A, A. HIJMANS VAN DEN BERGII, R. MAGNUS, j s. I%'IBULENIIOFF, M. J. ROESSINGH. Berlin: Julius Springer i923.

OBER DIE RESPIRATORISCHE INSUFFIZIENZ. Von

Prof. Dr. H. W. KNIPPING, Direktor der Med. Polik~nik der Medizinischen Akademie Di~seldorf.

W e n n wir heu te den Begriff der respi ra tor ischen Insuff i - zienz klar herausstel len und nahezu f i le verschiedenen F o r m e n derselben in der kl inischen PraMs q u a n t i t a t i v erfassen k6nnen, so ve rdanken wir das e inem J a h r z e h n t mfihevol ls ter wissen- schaft t icher Arbei t . Von den vielen Forschern, die da ran Ante i l haben, nenne ich nur BANSt, BRAUER nnd Mitarbei ter , BRUNS, COBET, DAUTREBANDE, GOLLWITZER-~{EIER, HALDANE, HERBST, HILL, HOFBAUER, JAHN, Jr MEANS, INIONNEN - BRUCH, PEABODY, ROHL, SIEBECK, STRAUB, UHLENBRUCK tlnd verweise im fibrigen auf die umiassende Dars te l lung der E n t - wicklung des Gebietes du t ch BRAUER I u n d durch STAEHELIN 2. Seit der Ie tz ten Mi t te i lung fiber die Arbe i ten der Med. Kl in ik H a m b u r g - E p p e n d o r f ( B R ~ R 1. c., ANT~ONya, JANSSEN-KNIP- PING-STROMBBRaER a) haben M r unsere damals dargeste l l te Methode, die e inzelnen pu lmona len Krankhe i t sb i lde r im H i n - blick auf die Funk t ionss t6 rung zu anMi, sieren, vielf~tltig in der Prax is anwenden kSnnen. Die Prf i fung der a m b u l a n t e n und der zur Begu tach tung eingewiesenen Pa t i en ten s tand da- bet ganz im Vordergrund. An H a n d der so gewonnenen Er - fahrungen m6chte ich erneut , und zwar in erster Linie v o m S t a n d p n n k t des Prakt ikers , zu der F rage der respi ra tor ischen Insuff izienz Ste l lung nehmen. Die theore t i schen Zusammen- h~nge werden in Kfirze durch AwrHoNY eine sehr e ingehende Dars te l lung erfahren.

Es is t zweckm~tBig, znn~chst einrnaI scharf zu t rennen zwischen der Arbei ts- und der Ruheinsuff izienz. Die le tz tere bedente t , dab die Lnngen schon in der Ruhe, d. h. bet mini- mals te r Beanspruchung, versagen, dab also yon den rech t be t r~cht l ichen Leis tungsreserven dieses Organs (s. u.) n ichts m e h r dem Organismus znr Verff igung steht . Man k6nnte auch yon einer respi ra tor ischen Dekompensa t ion analog e twa der Dekompensa t ion des Kreis laufes sprechen. Diese respira- tor ische Rttheinsuffizienz ist bet den chronischen Lungen- e rk rankungen im al lgemeinen Bur in den Ends• zu beob- ach ten ; sie wird dann alIerdings meis t maBgebend f~r die Schwere des Gesamtbi ldes . I m Verlanfe der aku ten Lungen- k rankhe i t en ist die Ruheinsuff iz ienz yon geringer Bedeu tung . N u t sel ten s ieht m a n z, 13. eine Pneumonie du tch eine respira- torisehe Insnffizienz letM ausgehen, also gewissermagen , ,pneu- monisch", d . h . du tch pneumonische Ausffi l lung zu groBer Alveolarbezirke, sterben. Die meis ten Todesfal le bet der Pneu- monte sind ja, wie bekannt , kreislaufm~tl3ig bedingt . Die respi- ra tor ische Rnheinsuff iz ienz ist le icht zu diagnostizieren. Das wieht igste Symptom, die Cyanose, is t unverkennbar , und die pu lmonale Genese dieser Cyanose der Ruheinsuff iz ienz ist zu e rmi t t e ln durch : I . die f iberrasehende therapeut i sche Saner- s toffwirknng. N i t Ausnahme des sog. Kurzsehtusses [tgurz- schlul3 l iegt vor, wenn z. B. in pneumonischen Bezi rken das B l u t aus der Lungenar te r ie ohne ar ter ial is ier t zu werden, also ven6s in die Lungenvene gelangt . Derar t ige KnrzschtuB ma- ehende Inf i l t ra te k6nnen natfir l ich dnrch PerkussJon und Aus- ku l ta t ion leicht e rkann t werden, zeigen alle F o r m e n der respira- tor ischen Insuffizienz, sofern eben t iberhaupt eine nennens- werte Cyanose vo rhanden ist, eine ausgesprochene und aku t e Besserung durch Sauerstoff. Die unkompl iz ier te kardiale De- kompensa t ion reagier t dagegen nu t sehr gering auf Saners toff (KNIPPING und ZlMMERMANNS)]. I I . Un te r Ums t~nden durch AusschluB der kardia len Dekompensa t ion . I I I . Mit Ausnalame der anox~tmischen Hypoven t i l a t i on der Kre i s laufkranken wird keine F o r m der respi ra tor ischen Insuffizienz hinsicht l ich der Cyanose du tch Kre is laufmi t te l wesent l ich beeiniluBt. IV. D u r c h

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klinische Beur te i lung dcr Atmungsorgane und der Atmung . Die bedrohl ich s tarke Minderung des A temumfanges bei den Sch la fmi t t e lve rg i f tungen z. B. ist alterdings klinisch nur schwer abzusch~tzen. Hie r s tehen jedoch re la t iv einfache und exak te spirographische Methoden zur Verffigung. Man kann in weni- gen Minu ten das R u h e a t e m m i n u t e n v o l u m e n aufzeichnen und m i t den en t sprechenden Norma lwer t en vergleichen. Normale r - weise be t r~g t dieses R n h e a t e m m i n u t e n v o l u m e n 4 - - 6 1. Es kann im Verlaufe der genann ten Krankhe i t en ganz betr~tcht- l ich abs inken; der t iefste yon uns beobach te te W e f t war o,9 1; es hande l t e sich u m eine Lumina lverg i f tung , die schlieBIich durchkam. In Zweifelsf~llen muB zur Fes t l egung der respira- tor ischen Ruheinsuff iz ienz die gasanalyt ische Kont ro l le des

l ccm vol~

N

ceg

Abb. 2.

8O 8O 3000

~0 2500

50 2000

qO fSO0 3O

1000 20 ~00

fO gO0 ~00

& f Abb. 1.

407

Organs e indeut ig geminder t sind, und der Kranke bei an- s te igender Arbe i t sbe las tung eher als der Normale versag t und fiber Arbe i t sdyspnoe klagt , Hierher geh6r t die grolge Zahl der n ich t bet t l~gerigen, aber auch n ich t yoU arbei tsf~higen chronischen Lungenkranken . Un te r such t m a n den ruhenden Kranken , so l inden sich keine Insuffizienzzeichen. Das Blur ist im al lgemeinen normal mi t Sauers toff ges~t t ig t ; der A tem- umfang erscheint normal . DaB eine pulmonale Arbeits insuff i- zienz vorliegt , und in welchem Umfange die LeistungsfAhig- ke i t e ingeschr~nkt ist, kann man auf Grund des kl inischen Be- fundes, der Lungenvo lumenwer t e und der R 6 n t g e n a u f n a h m e nur ve rnmten . Sichere 13euttei lungsgrundlagen sind durch die Arbe i t sbe las tung m i t ergographischer Kontro l le und ' gleich- zeitige Spirographie (s. u.) zu gewinnen. Die Prf i fung der arter iel len S~t t igung unter der Arbe i t sbe las tung h a t sich uns

coy vd. % ~o8oo,

7~ 700 ,

~0 600

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Abb. 3.

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e d e o~ 9

Die 3 Abbildungen geh6ren zusammen und veranschaulichen die funktionetlen Beziehungeu bei den versehiedenen Formen der l:espiratorischen Ruhe- und Arbeitsinsuffizienz.

Abb. 1 zeigt Sauerstoffaufnahme, Ruhe- (= effektive) Atmung, Atemgrenzwert und Atemreserven, auBerdem Gesamtsauerstoff- defizit, arterieIIe und ven6se Blutgaswerte beim Normaten. Die ZeiehenerklArung ist auch ft~r die beiden anderen Abbildungen mal3gebend.

Abb. 2 zeigt die VerhMtnisse beim Normalen unter schwerer Arbeit (12o Watt/sec). Die Zeichenerkl~rung ist um die maximale Oe-Aufnahme erweitert, Die Zahlen sind in der ersten Arbeits- minute aufgenommen. Die Atmung ist gestiegen und hat fast ihren Grenzwert erreicht, Es besteht leiehte Dyspnoe. Aueh die Sauerstoffaufnahme ist fast auf den gr6gtm6gliehen Weft ge- klettert. Die Grenzen der Lungenleistung sind nieht ganz erreicht, dementsprechend ist das arterielle BIut (S~ule d) noch normal mit Sauerstoff ges~ttigt. Durch Sauerstoffatmung ist die Sauerstoff- aufnahme nicht zu steigern. Es ist also spirometrisch kein Sauer- stoffdefizit wahrzunehmen (SXule c).

Abb, 3 zeigt die Verh~ltnisse bei 4 verschiedenen FMten yon respiratorischer Insuffizienz. Beschriftung s. Abb. i. Fail (zentrale

Insuffizienz, narkotische Form) demonstriert die bedrohlich tiefe, welt unter der Norm liegende Ruheatmung bei der Schlafmittelver- giftung; das arterielle Blur ist nicht mehr normal arterialisiert. Es besteht (S~ule d) ein arterielles SauerstoffsXttigungsdefizit, die arte- rielle KohlensAure liegt fiber der Norm. Beim l~bergang VOlt Luft- atmung zur Sauerstoffatmung wird mehr Sauerstoff aufgenommen (spirometrisch bestimmtes Sauerstoffdefizit, S~ule c). Bei Fall 2 han- delt es sich um eine Poliomyelitis, Auch hier bestehen keine Atemre- serven mehr. DasBlut wird in derLunge unvotlst~ndig arterialisiert. Die Dyspnoe ist demgem[~B recht erheblich. Fall 3 veranschaulicht die Funktionswerte beim Asthma bronchiale. Durch die Erregung ist der Sauerstoffverbrauch gesteigert. Deshalb, und auch wegen der Minderung des Atemgrenzwertes sind die Atemreserven rim: noch sehr gering. Es besteht eine betri~chtliche respiratorische Arbeitsin- suffizienz, aber noch keine ausgesproehene Ruheinsuffizienz. Dureh Umschaltung yon Luft- auf Sauerstoffatmung ist in dieser Phase der Erkrankung die SauerstoEaufnahme noch nicht zu steigern. Dem- entsprechend zeigt S~ule c kein Defizit. Fall 4 zeigt die typischen VerhMtnisse beim KurzsehluB: Noch relativ groBe Atemreserven, und doch besteht ein arterielles Sauerstoffs~ttigungsdefizit. Beztiglich der Erkl~trung der charakteristischen Herabsetzung der arteriellen COg-VVerte mug auf die vorangehenden Arbeiten verwiesen werden.

Ar te r ienblu tes herangezogen werden. Das arteriel le Sauerstoff- s~t t igungsdefizi t ist das sicherste Kr i t e r i um f fir die respira- torische Ruheinsuff iz ienz und dami t auch Ifir die pu lmonale Genese der vor l iegenden Cyanose. I s t diese Un te r suchung n ich t durchff ihrbar , so gibt auch die vergle ichende E r m i t t l u n g der Sauerstof . faufnahme un te r Luf t - und un te r Sauerstoff- a t m u n g sichere q u a n t i t a t i v e Beur te i lungsgrundlagen (s, u.). Diese Methode h a t den Vorzug, die ar ter iel le Punk t ion zu ve rmeiden und in re la t iv kurzer Zeit durchff ihrbar zu sein. Wir haben mehrere solcher typiseher Sp i rogramme publ iz ie r t (KNIPPING und ZIMMERMANN, 1. C.),

Prak t i sch vim wieht iger und im Hinb l iek auf die Analyse schwieriger als die Ruheinsuff iz ienz ist die sog. Arbei ts insuff i - zienz. Le tz te re ]iegt vor, wenn die Leis tungsreserven des

n icht bew~hrt . Sie wfirde sich woht auch k a u m wegen der Notwendigke i t , bei j edem Kranken mehr fach arteriel l punk- t ieren zu mtissen, in der gu tach t l i chen Prax i s einbfirgern. I n diesem Zusammenhang interessieren v o r a l lem: das Emphy~ sere, die verschiedenen F o r m e n der Thoraxs ta r re , die Bronchi- ek tas ien und t )berg~nge zur cbronischen Gangran, die chro- nische Bronchit is , das A s t h m a bronchiale, die Kyphoskoliose, die a l ten fibr6sen Phthisen , bei denen gelegentl ich die respira- torische Insuffizienz bedeutungsvol le r ist als der In f ek t an sich, die P leuraschwar ten , die Cystenlunge, die in t r a tho ra - kalen Tumoren , die Silikose, der S ta tus nach Thorakop las t ik und anderen Kol lapsformen. Zahlenm~Big ist das K o n t i n g e n t der Kranken mi t respi ra tor ischer Arbei ts insuff iz ienz in der Klinik, und mehr noch in der Praxis , recht betr~chtt ich.

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408 K L I N I S C H E W O C H E N S C H

Neben der Ermit t lung des Grades der Arbeitsinsuffizienz ist im EinzelfalI die spezieIie Analyse, also die Ermitflung, welche Form der respiratorischen InsuEizienz vorlieg% im allgemeinen yon geringer praktischer Bedeutnng. Ich will darauf nu t kurz eingehen.

Die Form I (zentrale Hypoventilation, s. o.) spielt hier kaum eine Rolle. Die im Hinblick auf die Ruheinsu{fizienz so wichtigen Schlafmittelvergiftungen (Suicide), sterben entweder sehon in den ersten Krankheitswoehen oder heiten ohne irgendwelche Verande- rungen des respiratorischen Systems ganz aus. Gelegentlich sieht man leichte Grade yon respiratorischer Arbeitsinsuffizienz bet ,,geheilten" F~llen von Poliomyelitis. Auch die als Gruppe III yon der Hamburger Klinik zusammengefaBten St6rnngen der Luft- verteilung und der Durchbhtung in den versehiedenen Lungen- bezirken interessieren bier wenig. Sic sind theoretisch sehr wichtig. Im Hinblick auf die Arbeitsinsuffizienz sind sic yon geringerer Be- deutung sis die noch zu er6rternde Gruppe II. Ich erinnere lediglich an das Emphysem. In den bult6sen ~Randbezirken der Emphysem- lungen isl: die Koordination yon Ventilation und Durchblutung fas% immer gest6rt. Abet das bedeutet far die Leistung des gesamten Organes nicht viel. Wit habeu einen Patienten mit einer groBen Zahl faustgroBer Lungencysten gesehen, der in seiner Arbeits- I~higkeiic kaum eiI~geschrankt war. Ernste Arbei• findet sieh immer nur dann, wenn die maximal m6gliche Lnngenventilation um 7o% und mehr reduziert ist. Nut gelegentlich, z. B. beim tV[ediastinalflattern, oder beim Auftreten yon Pendelluf~ nach aus- gedehnten Brustwandresektionen mit geringer Schonung des Rippen- periostes, ist es praktisch wichtig und dringIich, diese komptizierteu funktionellen Zusammenh~inge der Gruppe III aufzuklaren. Abet das ist dann doch schon mehr Saehe der Spezialklinik. Auch fiber die Gruppe IV, die Pneumonose, kann ich reich hier kurz fassen. Die Grippepnenmonose heilt offenbar ohne Residuen, ist also nach Abklingen des Infektes olme Bedeutung ffir die Arbeitsfahigkeit des Organes. fiber die Sp~ttwirkungen der Kampfgaspneumonose ist nichts bekannt. Aueh bet den Einlagerungspneumonosen (Arnyloid, Lipoidspeicherungskrankheiten: Xanthomatose, Nie- mann-Picksche Krankheit u. a.) stehen wi~ erst ganz im Anfang der funktionellen Analyse.

Weitaus das meiste Interesse beansprucht in der Praxis die sog. Form II der respiratorischen Insnffizienz: die Ein- schranknng des Ventilafionsh6chstvolumens. Normalerweise k6nnen etwa ioo 1 maximal in der Minute venfiliert werden. Dieser gr6Btm6glichste Ventilationswer% wird yon gesnnden Menschen sehr oft ganz ausgenutzt, z. B. bet schwerer Arbeit, schnellem Lanf, beim Sport, Im Interesse der Einfaehheit wird er in der gutachtlichen Lungenpraxis schlechthin Ms Atemgrenzwert bezeichnet. Die Differenz zwischen dem Ruhe- a temminutenvolumen nnd jenem racist unter Arbeit ermittel- ~en Grenzwert des Ventilationsumfanges sind die Atemreserven der Lunge. Also ein Normaler z, B. atmet in der 1Ruhe etwa 6 1 pro Minute, kann abet unter Arbeit noch die Atmung nm etwa 94 1 (Atemreserven) auf too 1 (Grenzwert) steigern. Ein Emphysemka'anker mit respiratorischer Insuifizienz z. B. hatte bet ether Ruheatmung yon 5 1 nur i i 1 Atemreserven. Der Atemgrenzwert betrng also 16 1. Es ist verstandlich, dab ein solclier Kranker schon bet rechi geringer Arbeitsbelastung dyspnoisch werden muBte. Das maximale Ventilationsvolu- men (Grenzwert) kann nun eingeengt werden dm'ch: I. Ste- nosen in den Luftwegen: Carcinome, tuberku16se Driisen, Schleim und Bronchialmuskelkrampf in den kleinsten Luft- wegen beim Asthma bronchiale und bet der chronischen Bron- chitis; 2. Ausffillung der Alveolarr~inme, krankhafte Ver~nde- rung der Lnngenstruktur nnd Minderung der Elastizit~t: Pneumonie, Lungen6dem, Lungeninfarkt, exsudative und cirrhotische Prozesse bet Lungentuberkulose, Emphysem, ~A~abenlunge. Pneumokoniosen; 3. Pleuraver~nderungen: Schwarten, Ergfisse, Pleuraendotheliome, Pneumothorax, Oleothorax; 4. Znnahme des extrapnlmonalen Thoraxinhaltes: z. B. l~Iediastinaltumoren, Stauungslungen; 5. VerXnderungen des Thoraxskeletes: die verschiedenen Formen des starren Thorax, Thorakoplastik; 6. krankhafte Ver/inderungen der Atemmuskulatur und des zugeh6rigen zentralnerv6sen Appa- rates: Muskelah'ophie, spinale Prozesse, Status nach Polio- myelitis, Phrenicusexairese usw. Die Ver~inderung kann so hochgradig seth, dab die Atemreserven ganz verschwunden stud. Viele Kranke sind dabei trotzdem in Rnhelage ganz fret yon Cyanose. Ist die Behinderung der ~uBeren Atmung abel"

R I F T . ~4. J A H R G A N G . Nr. ~2 23. M~RZ ~935

derart, dab der dem jeweiligen Ruhegrundumsatz entspre- chende Ventilationsumfang nicht mehr eingehalten werden kann, so sind immer Cyanose und arterielle Sauerstoffs~%ti- gungsdeiizite nachweisbar; wir sprechen also dann yon Ruhe- insuffizienz (s. o.). Zu wenig beachtet wird im allgemeinen, dab Steigerung des Grundumsatzes (Basedow, fieberhafte Er- krankung, Erregung, motorische Unruhe des Patienten) die Atemreserven des ruhenden Patienten yon der anderen, also der Bedarfsseite her - - und oft sehr erheblich - - mindert. Ffir die Behandlung dyspnoischer Kranker mit iiuBerst redu- zierten Atelnreserven ist die Analyse dieser Zusammenhi~nge nicht nnwichtig. Hier liegt zuweilen der wirkungsvollste thera- peutische Ansatzpunkt, z. B. den Circulus vitiosus ether sich dutch motorische Unruhe immer mehr steigernden Dyspnoe zn dnrchbrechen.

Handelt es sick darmn, bet ambulanten IKranken die Lungenfnnktion zur Kontrolte auf eine respiratorische Arbeits- insuffizienz zu priifen, so hat sich nns in der Praxis der nachfolgende Untersuchungsgang bew~thrt. Es wird zunAchst in K6rperruhe am Spirographen untersucht , nnd zwar wird das Atemminutenvolumen nnd der Sauerstoffbedarf er- mittelt*. Sodann wird der zu Untersuchende am Ergographen etwa IO Minuten belastet, und zwar: a) Kranke mit der sehr leichten Arbeit yon 2o Watt/see; b) Normale mit 5 ~ Watt/see; c) trainierte Sportsleute und Leute, die auf Fliegereignung pnlmonal nntersucht werden sollen, mit 80 Watt/sec. Der zu Untersuchende bleibt w~ihrend der ergographisehen Belastung am Spirographen angeschlossen. Atmung nnd Sauerstoffver- brauch steigen unter der Arbeit schnell und erreichen in wenigen Mimlten ihre H6chstwerte. Einzelheiten dieser recht einfachen Technikfin den sich bet I<NIPPING s, HERMANNSEN und BORGARD ~ . Aus dem Spirogramm sind also der Ruhesauerstoffbedarf, das Rnheatemminutenvolumen nnd die Atemreserven direkt ab- zulesen. Von H~t~5~ANNS~N und BO~C, ARD ist eine groBe Zahi derartig aufgenommener, sehr anschaulicher Spirogramme publiziert worden. Der h6chste in unserer IZlinik yon HER- MANNSI~N nnd BORGARD ermittette Atemgrenzwert war 156 1 pro Minute. Es handelt sich um einen gut trainierten Sports- mann. Bet I4ranken finden sich Vv~erte yon ioo 1 (normal) bis herunter zum RuhesollminutenvoIumen der Atmung und darunter. \ u einmal eine grSBere Zahl yon Normalwerten vorliegt, wird es m6glich sein, ffir jede Altersstufe, jedes I(6rpergewicht und jede Gr6Be den Sollwert des normalen maximMen Atemminutenvolumens (Atemgrenzwert) anzu- geben. Im Alter n immt der Atemgrenzwert natfirlich be- tr~ichtlich ab. Es gibt aber such Ausnahmen. HER~IANNSEN und BOI~GARD haben zwischen dem 60. und 7 o. Lebensjahr noch Grenzwerte yon welt fiber 6o 1 beobachtet. Diese Unter- suehung des Atemgrenzwertes unter Arbeit schaltet T~iu- schungen durch den Pat ienten aus. Die Arbeitsleistung wird registriert; der geringe Betrag yon 2o Wat t genfigt schon ffir die Prfifung und kann selbst yon bettl~igerigen Kranken mit der Kurbel gedreht werden. Ffir die gutachfliche Beurteilung yon Lungenkranken, die fiber Herabsetzung der Arbeitsf~ihig- keit klagen, genfigt diese Priifung vollauf.

Neuerdings haben wit aul3er dem Atemgrenzwert vor allem auch die inaximale Sauerstoffanfnahme m6glichst unter ergographischer Belastullg geprfift. Dieser maximale Sauer- stoffanfnahmewert ist in erster Linie dutch die Kreislauf- Ieistung best immt (HILL, H~RBST), weiterhin durch die Btut- kapazit~t. Besteht eine respiratorische Insuffizienz, so min- der% diese ebenfalls die maximale Sauerstoffaufnahme (HER- MANNSEN und UYTVANK). Findet sick beim Kranken eine Abweichung der maximalen Sanerstoffaufnahme yon der

* B e i der vol/st~ndlgen Lungenprtifung wird hier die Feststetlung der Lungenvolumina eingeschaltet. Ich verweise dieserhslb auI vorangehe~de Arbeiten: .~NTHONY, L c G JANSEN, K N I P P I N G u. STROMBERGER, l .c . Die Kenntnis der LungenvolumeI1- werte, vor allem der VitalkapazitAt, der ResidualIuff und der Totalkapazit~it ist ffir v i d e Einzelfragen, z .B . de~ Mechanismus der Stauungslungen usw., unerl~Blich, Handelt es sick abet datum, die Lungeaventilationsleistung spezieI1 fin tiLublicik auf die Arbeitst~higkeit zu charakterisieren, so ist die Besthxlxnung tier Vitalkapazit~t z. B. (man beschr~nkt sick vielfach darauf, die Vitalkapazit~t zu messes) ~.atflrlich niehf ausreichend and oft aueh entbehrlich. So kann die Vitalkapazit~t sebr grog und dock dutch Stenoslerulxg der Luftwege, der mim~tliche Ventilationsllmfang entscheidend kerabgesetzt seim Vitalkapazitat, Resld~xalluft und Totalkapazitat sind reine Volumen- werte u~d kei~e Fuuktlonsgr6Ben.

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23. MARZ 1935 KLINISCHE WOCHENSCH

Norm, so f/ihrell wir die obige spirographische Untersuchung einmal bei Luf ta tmung und einmal bei Sauerstoffatmung aus. War die Herabsetzung kreislaufm~gig bedingt, so ergeben sich keine Differenzen. Bei der respiratorischen Insuffizienz ist die maximale Sauerstoffaufnahme unter Sanerstoff h6her als unter Luftatmung. Der maximale Sauerstoffwert unter Luft- a tmung zeigt dann die Minderung der Lungenleistung und der maximate Sauerstoffwert nnter Sauerstoffatmung die Grenze der Kreislaufleistullg direkt an. Arts dem letzteren Sauerstoffwer~ kann mall bei Kenll• der H~moglobinmenge pro Kubikmitlimeter sehr exakt einen 5findestwert f/Jr das maximale Herzminntenvolumen ill Litern errechnen. Dureh die Variation der Sauerstoffspannung ist also die einfache Ermit t lung der maximalen Sauerstoffaufnahme unter Arbeit nicht nu t Itir die kardiale Funktionsprtifung wichtig. Sie gibt neben dem Atemgrenzwert einen absoluten und ex- akten, leicht zu ermittelnden Leistungswert ftir die Lungen- funktion. Sportsleute k6nnen maximal fast 4 1 Sauerstoff pro Minute aufnehmen. Wir haben Sportsleute untersuchen k6nnen, die unter der Arbeit, wie die Spirogramme fort- laufend zeigten, raehr Ms eine S• lang ann~hernd ebenso hohe Sauerstoffmengell aufnahmen. ~reniger leistungs- f~hige Personen weisen geIegentlich anfangs zwar ~Verte yon 3- -4 1 auf, fallen dalln aber langsam ab. Andere behaupten im VerIaufe der schweren Arbeit nieht den zu Anfallg ermittelten Atemgrenzwert und mindern yon dieser Seite die maximale Sauerstoffaufnahme, welche dann atlerdings wieder durch Sauerstoffatmung zu steigern ist. Eine der- artige lSmschaltung auf Sauerstoffatmung geschieht in ein- fachster Weise, ohne den Versuch zu unterbrechen (s. H~R- ~A?qNSE~ nnd BOROARD, 1. C.). In der Ruhe ist der Sauerstoff- bedarf pro Minute h6chstens etwa 0,4 1. Wenn unter Arbeit die Sauerstoffaufnahme ant z. ]3. 4 1 pro Minute steigt, so ist damit llicht etwa der gesamte Sauerstoffbedarf unter schwer- ster Arbeit gedeckt. Aber Kreislauf nlld Atmung schaffen nicht mehr herein. Ein Teil der Arbeit wird ill Anox~mie ver- r ich ter Daher die Sauerstoffschuld naeh der Arbeit und die oft mehrminutliche Fortdauer der Arbeitsdyspnoe nach sehwerster Arbeit. Es gibt normale, z. B. sportungewohnte Studenten, deren maximale Sauerstoffaufnahme nnter Arbeit kaum I 1 iibersteigt (H~RMANNS~N ulld BORGARD). Darunter liegen null die krankhaften, durch Sauerstoffatmung ausgleichbaren Herabsetzungen der maximalen Sauerstoffaufnahmef/ihigkeit bei den verschiedenen Formen und Graden der respiratori- schen Insuffizienz. Naximale Srs nnd Atem- grenzwert k6nnen beim Normalen durch sportliches Training unter Umst~inden erheblich verbessert werden, erreicheI1 aber schSeBlich einen konstanten, konstitutiollell bedingten \Vert. VCenn einmal geniigend Einzelbeobachtungen vorliegen, wird es m6glich seill, f/ir jede Altersklasse, Gewiehtsstufe und K6rpergrSge normale Sollwerte, auch der maximMen Sauer- stoffaufnahme, anzugeben, entsprechend etwa den heute ge- br~uchlichen und viel bellutzten Sollwerten ftir den Grund- ,umsatz. Bettl~gerige Kranke werden natiirlich ohne Arbeits- belastung spirographisch geprtift. Die Ermit t lung des Atem- minutellvolumens und der Sauerstoffaufnahme in der Ruhe, und vor allem die kurze Austastung des Atemgrenzwertes durch gesteigerte Spoll tanatmung (bei Verdacht der Simula- tion nach Zumischung yon Kohlens~ure zur Einatmungsluft , I~IERz~ANNS~S) geben hinreichende Belege filr die Beurteilung der Lnngenfunktion. Ich kann auch bier auf die vorangehen- den Arbeiten der 13rauerschen Schute veI~veisen.

L i t e r a t u r : x Verh. dtsch, Ges. inn. Med. Wiesbaden 193e, 132. e ttandbuch der inneren Medizin yon MoI~R, STAEH~LIN und

v. BERaMANN 2. Berlin 193 o. -- a Dtsch. Arch. Min. lVfed. 167, I29 (19o3). -- 4 Beitr. Klin. Tbk. 80, 3o4 (1932). -- ~ Z. klin. Med. 124, 435 (1933). -- ~ Z. expel Med. 66, 517 (1929). -- v Beitr. Klin. Tbk. 184, 194 (I934). -- ~ Z. exper. Med. 90, 13o (1933).

RIFT. 14. JAHRGANG. Nr. 12 409

ENTWICKLUNGSGANGE DER TUBERKULOSE UND KOLLAPSBEHANDLUNG.

Von

Dr. H. ULRICI, Sommerfeld/Osthavel land.

Zwar hat MARTIUS und andere mit jhm scholl vor Jahr- zehnten die engell Zusammenh/inge zwischen Konst i tut ion und TuberkuIose der reinen Kontagiositatsauffassung mit groBer Lebhaftigkeit gegelltibergesteltt, aber erst seit DIZHL und v. VERSCi~IJER der Fragestellung mit Hilfe der exakten Zwillingsforschung feste Unteflagen schnfen, gilt es Ms Axiom, daB wit der Erkenntnis vom "Wesell und Vgirken der Tllberkutose nicht n~herkornmen, wenn wir im Bestreben die Infektionskrankheit zu unterdrficken nicht auch wtirdigen, dab sie wesentlich ein konstitutionelles Problem ist, und dab die Bek~mpfung zwar die unzeitige Illfektion verhiiten soil, aber der Weg zum Erfolge auch die in den Konsti tut ionen der Individuen ruhende spezifische Widerstandsf/~higkeit auszuwerten und auszunutzen suchen muB. Dabei handelt es sich weniger um die Frage einer Ausmerzung der Wider- standslosen oder ihre Ausschattung ffir die Fortpflanzung, als nm den Sehutz und die rechtzeitige Ausheilung der zeit- weise gemindert Widerstandsf~higen. \grenn es auch bei dieser Sachlage paradox erscheinen mag, dab wir uns heute bei der Lungelltuberkulose neben der sog. Allgemeinbehand- lung, die man lloch allenfalls als eine Art Konstitutionstherapie gelten lassen kann, Ms unseres wichtigsten, ja bei der offenen Lungentuberkulose schleehthin fiberlegenen Rfistzeuges eilles mechanischen Verfahrens, der Kollapstherapie, bedienen, so mag ein Wortspiel diese wunderlichell Beziehungen be- leuchten: dab es n~mlich gilt, den eingedrungenen Feind die Ausbreitungswege zu verriegeln, die Bek/impfungs- anfgabe also sehr wohl zu einem Tell mechanisch angegangen werden kann.

Anf~lligkeit ftir Tuberkulose besteht nnstreit ig ffir alle menschlichen Rassen und Lebensalter, ungeheuer verschieden ist aber der Hinf~lligkeitsgrad. Es soil hier nicht auf die Bedeu- tung der verschiedenen Durchseuch.ullg der V61ker ffir ihr Tuber- kuloseschicksal eingegangen werden, vielmehr nur der Seuchen- gang bei der hochdurehseuchten weiBen Rasse kurz beleuehtet werden, yon dem das Tuberkuloseschicksal der Individuen ulld mit ibm das der Rasse weitgehend abhangt. Wit wissen 1eider recht wenig yon den biologischen Bedingungen, nnter denen es dem Tuberkelbaeillus geIingt, das I l ldividuum in rapidem Ansturm und Ablaut oder in hartn~ckigen IKi~mpfen schlieglich mit aber Milliarden Bakterien zu iiberschwemmen, die, yon Gewebe nnd S~ften des V~Tirtes tebel~d und ihll mi t ihren Ausscheidnngsgiften iiberschwemmend, Gewebstod und Wirtstod bringen. Alls diesem grausen Spiel kennen wit nur einige Phasen: so die erh6hte Hinf~lligkeit bei dell erblich sehwer Belasteten und in gewissen Altersstufen, bei einigen Konsti tutionsanomalien (Diabetes) nnd bei der Schw/iehung des Widerstandes durch andere Infekte, durch die Schwanger- schaft und durch k6rperliche oder seelische Not. Wenig genug, aber es lohnt sehon, einen Blick aul einige dieser Zusammen- h~tnge zu werfell, zumal sie die Grenzen des therapeutischen Erfolges einerseits festlegen, andererseits verschieben k6nnen.

Die Ilinffilligkeit des ersten S~uglillgsalters, also der ersten Lebensmonate gegentiber der Infektion mit Tuberkel- bacillen, ist ganz angerordentlich hoch. Auch im weiteren S~uglings- und im KleinldndesMter, ehva bis zur Voltendullg des 3. Lebensjahres, ist die Hinf~Iligkeit noch recht groB; sie t/iBt zu, dab sich unmit te lbar aus der Infektion fort- schreitende lebenbedrohende Tuberkulosekrankheit entwickelt. Gegen/iber der eingetretenen Infektion bei S/iuglingen und Kleinkindern ist ~rztliehe Therapie machtlos. Schutz der S~uglillge ulld Kleinkinder vor der Beriihrung mit Tuberkel- bacillen, aueh vor einer Wiederholung der Infektion, die dem Fortschreiten der Tuberkulose in diesem zarten Lebensalter Vorsehub leistet, ist die sozialhygienische Aufgabe.

W~hrend im S~uglingsMter und KleillkindesaIter llur ver- h~ltnisrnABig wenige Kinder, und diese ganz iiberwiegend familiar, mit Tuberketbacitlen infiziert werden, steig% der