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VII. Aus der medizinischen Klinik zu Breslau (Geh. Medizinalra~ Prof. Dr. v. S~rtimpell). Uber die SensibilitatsstSrungen bei cerebralen ttemiplegien. Von Dr. Georg Sandberg, ehemal. Assistenzarztder Kli~ik. Sei~dem wir durehdie Un~ersuchungen yon Blix, Goldscheider, v. Frey u. a. erfahren haben, dass die einzelnen Qualit~ten der Empfindung durch besondere Endappara~e in der Haut und den tieferen Teilen vermittel~ werden, musste die weitere Frage en~stehen, au{ welchen Bahnen die verschiedenen Empfindungsquali~i~ten dem @ehirn zugelei[e~ werden. Wir wissen dutch experimentelle Untersuchungen und, was vie]leich~ noch massgebender is~, dutch das Studium yon bestimmten pathologischen Prozessen am 1%iickenmark -- hier ist in erster Reihe die Syringomyelie zu nennen--, dass die Bahnen fiir die Schmerz- und Temperaturempfindung aus den hin~eren Wurzeln in die Hin~erhSrner eintreten, w~hrend die Bahnen ftir den Drueksinn, und die Muskelempilndung, sowie wahrseheinlich auch Fasern fiir die Beriihrungsempfindung durch die weissen Hin~erstr~nge nach aut- w~r~s verlaufen. Man kann daher naeh Strfimpe]l*) bei Erkran- kungen des Zentral-Nervensystems zwei Formen der par~iellenEmpfin- dungslahmung unterscheiden: 1. den I{inters~rangtypus, 2. den Hin~erhorntypus. Diese beiden Typen ~reten natiirlieh oft nieh~ vollkommen isolier~ hervor, sondern geheu vielfach in einander iiber, wobei aber doeh das Vorherrsehen einer Form der par~iellen Em- pfindungsl~hmung zuweilen noch bemerkbar is~. Uber den wei~eren Ver]au{ der Lei~ungsbahnen fiir die einzelnen *) 8 tr/i m p e 11, Uber die Bedeutun g der Sensibilit~itspriifungenmit beson- deter Berficksichtigungdes Drucksinns. Deutsche medizinische Wochenschrift 1904. :No. 39 u. 40. Deutsche Zeitschriftf. Nervenheilkande. XXX.Bd. Ii

Über die Sensibilitätsstörungen bei cerebralen Hemiplegien

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VII.

Aus der medizinischen Klinik zu Breslau (Geh. Medizinalra~ Prof. Dr. v. S~rtimpell).

Uber die SensibilitatsstSrungen bei cerebralen ttemiplegien.

Von

Dr. Georg Sandberg, ehemal. Assistenzarzt der Kli~ik.

Sei~dem wir durehdie Un~ersuchungen yon Blix, Goldscheider , v. F r e y u. a. erfahren haben, dass die einzelnen Qualit~ten der Empfindung durch besondere Endappara~e in der Haut und den tieferen Teilen vermittel~ werden, musste die weitere Frage en~stehen, au{ welchen Bahnen die verschiedenen Empfindungsquali~i~ten dem @ehirn zugelei[e~ werden.

Wir wissen dutch exper imente l l e Untersuchungen und, was vie]leich~ noch massgebender is~, dutch das Studium yon bestimmten p a tho log i s chen Prozessen am 1%iickenmark - - hier ist in erster Reihe die Syringomyelie zu nennen-- , dass die Bahnen fiir die Schmerz- und Temperaturempfindung aus den hin~eren Wurzeln in die Hin~erhSrner eintreten, w~hrend die Bahnen ftir den Drueksinn, und die Muskelempilndung, sowie wahrseheinlich auch Fasern fiir die Beriihrungsempfindung durch die weissen Hin~ers t r~nge nach aut- w~r~s verlaufen. Man kann daher naeh Strfimpe]l*) bei Erkran- kungen des Zentral-Nervensystems zwei Formen der par~iellenEmpfin- dungslahmung unterscheiden: 1. den I{ in te r s~rang typus , 2. den Hin~erhorn typus . Diese beiden Typen ~reten natiirlieh oft nieh~ vollkommen isolier~ hervor, sondern geheu vielfach in einander iiber, wobei aber doeh das Vorherrsehen einer Form der par~iellen Em- pfindungsl~hmung zuweilen noch bemerkbar is~.

Uber den wei~eren Ver]au{ der Lei~ungsbahnen fiir die einzelnen

*) 8 tr/i m p e 11, Uber die Bedeutun g der Sensibilit~itspriifungen mit beson- deter Berficksichtigung des Drucksinns. Deutsche medizinische Wochenschrift 1904. :No. 39 u. 40.

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],50 VII. SANDBERG

Empfindungsqualitgten ist noch wenig bekann~. Nut bei bu lbg ren Herden sind dissoziierte Emiofindungsl'~hmungen schon 5fters be- obaehte~ worden, w~ihrend fiber das Vorkommen loartieller Empfindungs- stSrtmgea beiErkrankungen des Mi~tel- und Grossh i rns noch Sehr wenig bekannt ist.

Trotz der grossen Anzahl der verSffentl~ehten Einzelbeobachtungen ist in den meisten Fgllen eine a l l s e i t i g ausreichende Sensibilitgts- lortifung mit Berticksichtigung aller Qualitgten der Empfindung nicht angestellt worden. Wir ilnden daher auch in den besten neueren Handbiiehern der Neuropathologie nur gusserst diirftigeAngaben fiber das genauere Verhalten der Sensibilitgt, bei den einzelnen hiiufigeren Formen cerebra]er Erkrankungen. Eine genaue Prtifung der Sensibi- liter hat sieh zu beziehen auf folgende Qualit~ten:

I. 0 b e r f l ~ c h e n s e n s i b i l i t g t : 1. Ber f ih rungsemlof indung , 2. Sehmerz, 3. Wgrme, 4. Kglte;

lI. S e n s i b i l i t g t der t i e f e ren Teile: I. tieferer Druck, 2. Muskelsinn (Late- und Bewegungsempfindung).

tIierzukommen noeh III. als abge le i t e t e E m p f i n d u n gsur te i le : 1. die L o k a l i s a t i o n der E m p f i n d u n g e n , 2. die E r k e n n u n g der Gegens tgnde du tch Betas~en

derselben.

Nach dieser Einteilung babe ieh nun versucht, in einer grSsseren Zahl yon ee rebra len t t e m i p l e g i e n die tatsgchlieh bes~ehenden StSrungen der Sensibilitgt in ihren einzelnen EmpfindnngsquMitgten, sowie die etwa bestehende StSrung des LokalisationsvermSgens und des stereognostisehen Sinnes genau festzustellen.

Die Prfifung wurde nach den iibliehen Method en ausgeftihr~.*) Um ein mSgliehst klares Bild im einzelnen Falls zu gewinnen, wurden nur deutlieh und einigermassen kgnstant nachweisbare StSrungen der Sensibilitgt registriert und unsichere Angaben der Patienten nieht berfieksiehtig& Gerade bei der Vornahme yon Sensibilitgtspriifungen an t t e m i p l e g i k e r n , die entweder yon frfiher~ her oder infolge ihres

*) Gerade Z/it den Kliniker ist es zweckm~ssiger, bei diesen Untersuchungen die einfachea Methoden (Pinsel, Igadel, kaltes und w~rmes Reagensglus, Fingerdruck) in Anwendung zu bringen; denn bei I-Ieranziehung kompli- zierterer instrumenteller iViethoden, welche .dem Patienteu nieht gei/iufig sind~ wird dem subjektivenEmpfinden ein zu weiter Spielraum gelassen.

Uber die SensibilitiitsstSrungen bei cerebralen Hemiplegien. 151

Leidens in ihrer geistigenlntegriti~t oft geseh~digt sind, ist es ratsam, z~m~ehst einmal auf die o b j e k t i v sieher nachweisbaren Ausfall- erscheinungen einen Weft zu ]egen.

Die geringffigigen s u b j e k t i v e n StSrungen pflegen bei den Kranken nach In~ensi~g~ and Qtlalitgt meis~ derar~ig zu differieren: dass eine Verwertung tier Resultate un~unlich erseheint. Dann is~ aueh die grosse Ermfidbarkei~ gerade bei diesen Patienten in Be- traeht zu ziehen. Ieh babe die Priifungen daher wo m5glich 5f~er wiederhol~ und kontrollier~.

Ferner wird die Beurteilung tier bestehenden Sensibilit~tss~Srungen dutch ~iussere Momen~e oft nicht unwesentlieh ersehwert. Da sind es zun~ehst die Kontrakturen, die eine Priifung des ,,Muskelsinns", and sobald die Fingergelenke betroffeu sind, aueh die Priifung des Task- vermSgens nich~ ges~atten.

Gerade an den Extremit~ten, deren Gelenke Kontrak~uren auf- weisen, finden sieh h~ufig eine nich~ unerhebliehe I-Iautatrophie und Glanzhaut mit I=Iaarsehwund. Bei bes~ehender I-Iautatrophie ist eine P~'fifung des Drueksinns in sehwereren F~llen unmSglieh. Auff~llend h~uflg finde~ man gerade bei Hauta~rophie eine Hyper~sthesie ftir Nadels~iehe. Nieht selten bestehen aueh ()deme, die ihrerseits wiederum nut eine vorsich~ige Verwertung der objektiven Befunde gestat~en.

Die Untersuehungen wurden zum grSssten Tell an Kranken unserer Klinik ansgefiihrt. Meinem verehrten Chef, Herrn Geh.-Rat v. S~riimpell, bin ieh fiir die Anregung zu dieser Arbeit and seine mannigfachen wertvollen Ratschl~ge bei Abfassung derselben zu grossem Danke verpflich~et.

Femur verdanke ieh dem ]iebenswiirdigen Entgegenkommen des tterrn Geh. Rat J a c o b i und des Herrn Dr. S. Freund , sowie des tlerrn Dr. Stru b e die Uberlassung des Krankenmaterials des Claass en- sehen Siechenhauses zu Breslau und des st~idtischen Pilegehauses zu. Herrnprotseh.

Die ]gauptfragen, die ieh beantworten wollte, waren: ,,Kommen aueh bei ce reb ra l en Erkrankungen pa r t i e l l e Empfindungsl~ihmungen vor und ordnen sieh dieselben nach denselben Typen, wie wit sie bei sp ina len und bu lbgren Krankheitsherden so hi~ufig finden?" Welter wiirde sieh dann anschliessen die Frage naeh der L o k a l i s i e r u n g tier Bahnen fiir die einzelnen Empfindungsqualitiiten im Gehirn. Ieh teile nun zuni~ehst mein kasuistisehes Material mit.

Ieh babe im ganzen 31 Fglle yon gewShnliehen eerebralen lgemi- plegien un~ersueht. Mi~ Ausnahme zweier Fglle, in denen der Insult erst einige Tage zuriieklag, handelte es sieh um ~iltere Krankhei~s- prozesse, so dass der Symp~omenkomplex wohl als ein abgesehlossener

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152 VII. SA~DBERG

betraehtet werden konnte. Frische Hemiplegien sind zur F5rderung der Fragen, die hier erSrtert werden, nieht geeignet, falls es sich nicht um leiehte Insulte handelt, die yon vosnherein nut partielle Ausfalls- erscheinungen maehen. Denn eswerden in tier erstenZeitnach einem sehweren Insult durch sekund~re Prozesse in der Umgebung des tterdes (()deme, sekundi~re Stauungsblutungen) Bahnen in Mitleiden- schaft gezogen, die, naehdem der Prozess sieh auf seinen Herd loka- lisiert hat, wieder funktionsf~ihig werden.

Zun~ehst habe ich eine Gruppe yon F~llen anzufiihren (es waren dies 10 F~lle), in denen entweder SensibilitiitsstSrungen itberhaupt n ieh t vorhanden waren, oder die Sensibilit~t nur s u b j e k t i v herab- gesetz~ war. Die Patienten gaben an, die Bertihrung des Pinsels und h~iufig auch den Iqadelstieh auf der kranken Seite weniger gut zu spiiren. Doch waren ob j ek t i v sieher nachweisbare StSrungen der Beriihrungs- and Schmerzempfindung nieht vorhanden.

In allen anderen 22 F~llen waren deutliche objektiv naehweisbare Sensibilit~tsstSrungen vorhanden. Die einzelnen Qualit~ten verhielten sieh dabei folgendermassen:

Die B e r t i h r u n g s e m p f i n d u n g war in allen F~llen deutlieh ge- seh~digt, insofern eben die Pinselberiihrungen an bestimmten KSrper- teilen nicht empfunden wurden. Wie sich die Sensibiliti~tsstSrungen naeh ihrer Intensi t~i t auf die einzelnen KSrperregionen ver~eilten and in welcher Weise sie sich abgrenz ten , will ieh sparer erSrtern. WKhrend die Bertihrungsempfindung in allen F~llen in mehr oder weniger l~ohem Grade deutlieh geseh~digt war, war der Sehmerz- sinn stets auffallend gut erhalten. Die Kranken konnten sKmtlieh prompt die Spitze und Kuppe der~adel unterscheiden. Ja es bestand sogar mitunter auf der gel~hmten Seite eine ausgesprochene ttypes- ~sthesie; oder der Nadelstieh lSste einen eigenartigen Sehmerz aus, der dem Kranken unangenehmer als ein einfaeher iNadelstich war. Es war eine Art yon ,elektrisehem Gefiihl" dabei. Diese Hyper~s- thesie fund ieh, wie ich oben bereits erwiihnte, gerade an den KSrpes- teilen (es waren meist die I-I~nde), wo eine ausgesprochene ttautatrophie bes~and, and zugleieh jener eigentiimliehe Zusfand, den man als ,Glanzhaut" zu bezeichnen pflegt.

Der W~rme- und K~l~es]nn war in der iiberwiegenden Anzahl meiner F~lle gut eshalten. In 3 Fi~llen war die Reaktionszeit fiir die Empfindang yon Wal~m und Kalt an den Extremit~ten der ge- liihmten Seite l~nger als auf des gesunden Seite. I)oeh babe ieh eine hoehgradige St5rung des W~rme- und K~ltesinns, einen Ausfall tier Temperaturempfindungen nieht beobachtet, ausser in einem Falle, wo es sich mit grSss~er Wahrseheinlichkeit um einen b u lb ~ r e n

Uber die Sensibili~itsstSrnngen bei cerebra!en I-Iemiplegien. 153

Herd handelte. Die E m p f i n d u n g des t i e f e ren Drucks war in allen Fallen, in denen ich richer vorhandene SensibilitgsstSrungen nachweisen konnte, deutlich gesch~idigt. Gerade diese Empfindungs- qualitgt ist in der Norm in ausserordentlich feiner Weise ausgebildet; man ist daher berechtigt, bei der Priifung dieser Empfindungsqualitat richer naehweisbare Ausf~llserscheinungen, auch anseheinend gering- fttgiger Art, als pathologisch zu bezeichnen. Dessert muss man bei der Priifung des Drucksinns eingedenk rein, da man roast normale Verh~iltnisse vorzufindcn meint, wahrend bei genanerer Prttfung deut- liche Abweiehungen yon der Norm bes~ehen. Dasselbe gil~ yon der Priifung des Muske l s inns (der Lage- und B e w e g u n g s e m p f i n - dang). Man muss, nm rich ein riehtiges Urteil yon den bestehenden Verh~l~nissen bilden zu kSnnen, priifen, ob der Kranke fiber die klein en Exknrsionen, welche in seinen Gelenken ausgeftihrt werden, richtig orientiert ist, and wird dann oft iinden, dass der Patient bei Ausfahrang g rSbere r Exkursionen in seinen Gelenken richtige An- g~ben machO, w~hrend bei der Ausfiihrung fe ine r Exkursionen seine Angaben unrichtig oder nnsicher rind. Ferner darf man die Be- wegungen in den Gelenken nut mit einer mittleren Geschwindigkeit~ susfiihren. Eine zu grosse Langsamkeit bei der Ausfiihrung der Be- wegungen in den einzelnen Gelenken ftihr~ deshalb zu Fehlerquellen, well dadurch die Aufnshme der rich summierenden Reize erschwer~ wird. Else zu grosse Schnelligkeit bei der Ausft~hrung der Bewegungen ftihr~ deshalb zu falschen Resul~aten, well dann die Reibung der Ge- lenkfl~ehen gegeneinander zu gross ist, ebenso aueh die Inanspruch- nahme der bei der Ausftihrung der Bewegung beteiligten Weiehteile (Muskeln, Sehnen, B~inder). Anch ist einVergleieh mit tier gesunden Sei~e durehaus notwend~g. In den Fallen, wo StSrungen des Druek - s~nns best~nden, war auch die Lage- bezw. B e w e g u n g s e m p f i n - dun g niemsls intake. Leider war mir wegen bestehender Kon~rak~uren etwa nur in der ttalfte der F~ille eine Prtifung tier Lage- bezw. Be- wegungsempfindung gerade an den Gelenken mSglich, die ein besonderes Interessedarbieten; das rind die Hand- und Fingergelenke. Im ganzen konn~e ich beobaehten, dass gerade in den kleinen Gelenken die Lage- and Bewegungsempiindung besonders sehlech~ wsr. In den grossen Gelenken (in den Sehnl~ergelenken, ttt~f~- and Kniegelenken) war die StSrung der Lage- bezw. B e w e g n n g s e m p f i n d n n g meist nur ge- ringfiigig. Dss hgngt wohl in ersterLinie damit zusammen, dass such die Empfindnng far tieferen Druek gerade sn den p e r i p h e r i s c h e n Enden der Extremit~ten besonders stark gesehadig~ war. In einem Falle war allerdings trotz deutlich bestehender DrueksinnstSrung das Lsgegeftihl such in den kleinen Gelenken auffallend gut.

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Die Verteilung der Sensibilifg~.sstSrungen ~aeh 5hrer In{ensitg~ auf die einzelnen K~rperregionen and die Art ihrer A b g r e n z n n g naeh den Zonen, we die Sensibilitiit intakt war, verhielt sieh folgen- dermassen:

Am meisten waren durehweg die d is ta len gnden der Extremi- tiiten gesch~idigt, und zwar in tier Regel die der o ber en Extremitii{en mehr als die der unteren. Am R u m p f waren die Sensibilitgts- st~Srungen meist am wenigsten ausgeprggt ioh habe z. B. am Rumpf eine -eollkommene An~sthesie ftir Pinselberiihrung niemals finden kiSnnen. Es war daher eine strenge Abgrenzung naeh den Zonen normaler Sensibilit~it nioht reeht ausfiihrbar, well das snb j ek t ive Empfinden der Patienten zu sehr in Betraeht kam. Die Grenzen waren daher nieht recht konstant. Soviel konn{e ich beobachten, dass die Grenze niemals die NIittellinie bildete, sondern ein allmiihlicher Ubergang in die Zonen normaler 8ensibilit~tt s{attfand.

Der Pr~ifung der E m p f i n d u n g s q u a l i { g t e n relate die Prtifung der Empf in dungsnr te i le .

Bei der Priifung des LokalisationsvermSgens babe ieh mieh mit Vorteil einer Methode bedient, welche Eduard Miiller in seiner Mono- graphie ~iber: ,,Die multiple Sklerose des Gehirns und Rfiekenmarks" angegeben hat. Er sehildert die Te&nik folgendermassen: Man be- riihrt eine beliebige gantstelle and lgsst bei gesehlossenen Augen den Patienten den Oft der Bert~hrung mit Worten ungeNhr besehreiben. Darauf bertihrt man eine mSglichst senkreeht weiter oben bezw. weiter unten gelegene Hautstelle and l~isst oeulis elausis ~ihnlich wie bei der Bestimmung der Bewegungsempfindungen dutch ,,hSher" oder ,,tiefer" angeben, oh nun die Fingerkuppe an einem oberhalb oder nnterhalb des Ortes tier ersten Beriihrung gelegenen Punkte empfunden wird.

In den Fiillen, we die 8 e n s i b i l i t g t durehaus intakt war, war aueh das L o k a l i s a t i o n s v e r m S g e n gut. DiejenigenKranken, welche deutliehe StSrungen in ihrer Oberfl~tehen- und Tiefensensibiliti~t auf- wiesen, konnten in diesen Zonen aueh sehleeht lokalisieren. W~hrend die StSrungen zwar an den Extremit'gten am ausgepr~gtesten waren, war trotzdem das LokalisationsvermiSgen an den Extremitiiten noch besser als am l~nmpfe, we ja die Sensibilitgt in geringerem gage ge- schSdigt war. Dies ist wohl dadureh zu erkl~ren, dass sehon in physiologischen Breiten das Raumunf.erseheidungsvermSgen am l~umpfe sehleehter ist als an den E x t r e m i t g t e n and gerade an den distalen Enden des oberenExtremitgten am feinsten ausgebildet ist. Ebenfalls am besten dureh Vergleieh mit physiologisehen Verhgltnissen ist die Beobaehtung zu erMiiren, dass die Patienten oft ganz gut angaben, welches Gelenk man beriihrte, dagegen den Finger falseh bezeiehneten,

Uber die Senstbilitgtsst5rungen bd cerebralen Hemiplegien. 155

also in der L i ingendimens ion gn~ lokalisier~en, in der :Breite da- gegen schlech&

INeben der Pr~ifung derLokalisation der Empfindnng beanspruch~ noeh ein wesen{liches In{eresse die Priifnng eines wei~eren Empfin- dungsurteiles, ngmlich des Tas~sinns. Kann der Kranke die Gegen- stgnde dutch ]3etasten derselben erkennen?

W e r n i c k e hat seinerzeit darauf hingewiesen, dass bei den Tast- sinn die Haup~komponente rein psychischer 1Natur sei, ,,dass es sich dabei um eine Sf, Srung der primgren Identifikation, um den Verhs{ der Erinnerungsbilder fiir die Bewegungsvorstellungen handel,".

Auch h[onakow iiussert sich dahin, dass zwar an den stereo- gnostischen Sinn auch der Drucksinn, der Raumsinn and besonders tier Muskelsinn be{eilig~ seien, dass es sich abet bei der Tastl~thmung in erster Linie um eine StSrung in der richtigen geistigen Erfassnng der getasteten Gegenstgnde handelk

Str~impell sprieht sieh dahin aus, dass er allerdings sichere Fiille yon Tastlghmung, namentlich bei Kindern ni t cerebraler Kinderlghmung beobaehte{ habe, we die Sensibili~gt in allen Empfindungsqnalitgten dnrchaus intakt war. In diesen Fgllen fehlt die assoziative Verarbei- ~ung, die normale geistige Verwer~ung der einzelnen Empfindungs- qualitgten. Doch empfiehl~ er injedem einze]nen Falle yon Tastl'~hmnng ansdrticklich eine ausgiebige Prt~fung sgm~lieher Empfindungsqualit~tten, namentlich die Prfifung des Drucks inns and des Muske l s inns (Lage- and .Bewegungsempf indung) , da in einer Reihe von,,Tast- lghmungen" der Ausfall oder die Herabsetzung der beiden ]etztgenannten Empfindungsqualit~ten eine ausreiehende Erklgrung ffir das Fehlen des TastvermSgens gibt. Noeh neuerdings hat St r i impel l (1. c.) darauf aufmerksam gemacht, dass in den bisher verSffenflichten Fgllen yon Tas~l~hmung gerade der Prfifung der T ie fensens ib i l i t~ t nich~ der Wer~ beigemessen sei, der ihr eigenflieh zukomme.

Oppenhe im hat ebenfalls das Vorkommen yon Tastl~hmungen ohne Sch~digung der Sensibilitgt bei aus friiherKindheit and nament- lieh yon Geburt an da~ierenden Hemiplegien h~ufiger beobachtet. Er bezeichnet dieseForm derTasfl~ihmung als re ine S te reoagnos i s , w~hrend er die klinisch sich anders repr~sen~ierende Form, bei der Sensibilit~tss~Srungen bestehen, als s eknndSre Form yon Tastlghmung bezeichne&

In denjenigen meiner Fglle, in denen die Sensibilit~t intakt war, war aueh das Tas~vermSgen in Ordnung, sowei~ nicht infolge be- stehender Motil i t~i~sstSrungen die Erkennung der Gegens~gnde dnrch Betasten nnmSglieh war.

156 VII. SA~DB~RG

Von den Fiillen, in denen ausgepriigte SensibilitgtstSrungen be- standen, erwiesen sich ebenfalls diejenigen als ungeeignet znr Prfifung des TastvermSgens, bei denen grSbere m o t o r i s c h e StSrungen vorhan- den waren, sei es dass dieselben dutch noeh zuriiekgebliebene Lghmungen oder sei es dass dieselben durch Kontrakturen bedingt waren.

Da natfirlieh unter diesen Umst~tnden ein , , a k t i ~ e s " Betasten entweder ganz unmSglich oder znm mindesten stark erschwert ist, so kann man eine Art , , p a s s i v e n " Betastens dadurch herbeiftihren, dass man selbst die Gegenstgnde den Kranken in der Hand herum- ffihrt. Ich habe mieh dadurch des 5fteren fiberzeugen kSnnen, dass Patienten, deren Tiefensensibilitgt stark geschgdigt war, fiber Ober- flSche und Konsistenz der Gegenstgnde keine Auskunf~ zu geben ver- mocbten und daher natfirlich auch die Gegens{gnde.nieht identifizieren konnten. Doch tragen die Ergebnisse, welche bei der Anwendung dieser Methode gewonnen werden, wenig zur besseren Erkenntnis dieser Dingo bei.

In sechs meiner Fglle, in denen nut geringftigige motorisehe StSrnngen bestanden, insofern meist nur die grobe Kraft auf der kranken Seite sich als herabgesetz~ erwies, war auch eine einwand- freie Priifung des TastvermSgens ausfiihrbar.

]ch ft~hre im folgenden die einzelnen Fglle etwas ausfiihrlieher an.

Im e r s t e n F a l l e handelte es sich um einen 4 5 j g h r i g e n Weber . Derselbe war des 5fteren in der hiesigen medizinischen Klinik zur Be- obaehtung, zuletzt im Dezember 1903.

Aus der A n a m n e s e ist Folgendes yon Interesse: 1 Schwester des W. ist an S c h w i n d s u e h t gestorben. Pat. leidet selbst schon seit etwa 12 Jahren an H u s t e n und Aus-

wurL Im Jahre 1895 Brus t fe l l en tz~ indung . In demselben aahre bildeten sich Eiterknoten fiber dem reehten Hfiftknochen und in der Musku- latur des linken Unterschenkels. Von einer Inzision, die auf der Innen- sere des linken Untersehenkels gemacht worden ist, ist noeh eine Fistel zuraekgeblieben.

In der Nacht znm 3. iNovember 1902 erkrankte W. p lStz l ich . Er erwaehte aus dem Schlafe nnd bemerkte~ dass seine l i nke Hand ,kalt wie Eis war ~ und dass er kein Gef~ihl in derselben hatte. 2~m 28. No- vember desselben Jahres stellten sieh beiderseits beim Abendessen plStzlich Zueknngen ein, die am linken INasenflagel begannen und sieh dann auch an der linken 8esichtshglfte und am linken Arm zeigten. Das linke Bein zuekte nicht mit. Diese krampfartigen Zuckungen dauerten etwa 3 Stunden. Auch die Spraehe blieb weg~ wghrend das Bewusstsein im Anfall nicht getrf~bt war. Bis etwa 3--4 Woehen naeh diesem Anfall blieb eine geringe Beschrgnkung in der 8treckung und Beugung der Finger der linken Hand zuriick.

l~ber die SensibiliffitsstSrungen bei eerebralen FIemiplegien. 157

Als er dann die linke Hand wieder gebrauehen wollte, bemerkte er, ,,(lass er kein Gefiihl in den Fingern der linken ttand hatte". Er ver- mochte die Gegenstgmde ohne Hfilfe des Auges dureh Betasten nieht zu erkennen. Ferner hatte er aueh kein Gefiihl mehr fib" die Sehwere eines Gegenstandes. W. erzahlte z. B., er babe eines Tages ein in ein Tueh eingebundenes Packet yon etwa 18 Pfnnd in der linken Hand getragen und habe plOtzlieh gesehen, dass er das Packet uicht mehr in der Hand hatte. Er war e twa20 Sehritte gegangen, ohne zu merken, dass ibm der Oegenstand aus den Fingern geglitten war.

In den letzten Jahren ist eine Jinderung in dem Befinden des W. nicht erfolgt.

S ta tus praes.: W. ist ein mittelgrosser Mann yon grazilem Knoehen- ban und mittlerem Ernahrungszustand.

Am linken Untersehenkel, der gegeni~ber dem reehten stark elephan- tiastiseh verdiekt ist, befinden sieh 2 grOssere 0perationsnarben yon 20 em und 10 em L~nge. In der Gegend des ~usseren KnOehels befindet sich eine 10 em lange, tief eingezogene Narbe.

Zur Zeit ist die FistelOffnung yon einer Borke bedeekt. Es besteht eine I n f i l t r a t i o n tier l inken Lungensp i t ze . Die

Zirkulationsorgane zeigen normale Verhaltnisse, ebenso die 0rgane des Abdomens.

Der Urin is~ frei yon Eiweiss nnd Zueker. Auswurf ist nieht ~'orhanden.

N e r v e n s y s t e m : Das Sensorium ist frei. Die Intelligenz ist gut. Der Sch~idel ist bei Beklopfen nirgends sehmerzhaft. Der Augenbefund ist normal. Die H i r n n e r v e n zeigen niehts Besonderes. Die 3lotiliti~t ist iiberall durehaus intakt, aueh in der groben Kraft ist eine Differenz zwischen den beiden K~rperhalften nieht wahrzunehmen. Die Reflexe sind beiderseits vorhanden und beiderseits gleieh in normaler Sti~rke ans- zulOsen. Kein Babinski.

Die Prafung der Sensibilitlit ergab nun Folgendes: Am reehten Arm, am Rumpf, sowie an den unteren Extremiti~ten ist

die Sensibilitiit in allen Qualit~ten intakt. Eine ausgesproehene SensibilitiitsstSrung besteht dagegen an der

l inken Hand. 1. B e r f i h r u n g s e m p f i n d n n g : In der Vola manus sowie auf dem

Handri~eken werden feine Pinselberiihrungen oft nieht empfunden, besonders an den Fingerspitzen.

2. S e h m e r z e m p f i n d n n g : Dieselbe ist iiberall intakt. 3. W~irmesinn intakt. 4. Ki i l tes inn intakt. 5. D r u c k s i n n : Derselbe ist im Bereiehe der ganzen linken Hand

stark gestOrt. 6. Muske l s inn : W~hrend in den Fingergelenken der rech ten Hand

aneh die feinsten Exkursionen riehtig registriert werden, ist dies l i nke r - seits nieht der Fall. Grosse Exkursionen werden auch links richtig ge- deu'~et, dagegen werden besonders in den Interphalangealgelenken des

158 VII. SX~DBE~G

3., 4. und 5. Fingers feinere Exkursionen nieht empfunden oder unsieher angegeben.

L o k a l i s a t i o n : W. giebt meist riehtig an, an welchem Fingerglied man ihn berfihrt, giebt aber oft den falsehen Finger an.

T a s t v e r m S g e n : Dasselbe ist in der l i n k e n H a n d stark gest0rt. W. kann nur selten mit der linken Hand die Gegenstande dureh Betasten erkennen. Dutch folgende Beispiele wird dies am besten erlhutert.

I n d e r B a n d :

Halbkugel Messer kleiner Sehli~ssel Fiinfmarkstiiek Bleistift LOffel

A n g a b e des M a n n e s :

kantiger Gegenstand Sehliissel weiss ieh nieht ein runder Gegenstand Nesser weiss ich nieht.

In diesem Fal le konnte man auch dureh einfaehe Versuche zeigen, dass W. infolge des gestOrten Muskelsinns yon der Lage seiner Fingerglieder keinen rechten Begriff hatte.

Forderte man den 3s auf, die rechte Hand in Eidesstellung zu erheben und nunmehr bei geschlossenen Augen die linke Hand in dieselbe Stellung zu bringen, so konnte er dies nicht. Er maehte mit den Fingern allerlei Bewegungen und versuehte gewissermassen sieh mit dem Daumen und Zeigefinger, deren Lagegeft~hl noch leidlich gut war, einen Begriff yon der Steltung der anderen Finger zu verschaffen.

lJber die Art des hier vorliegenden Krankheitsprozesses im Gehirn lgsst sieh etwas Sieheres nieht sagen. Wir daehten entweder an einen embolisehen Prozess in der reehten Hirnrinde, oder wegen der ander- weitigen tuberkulOsen Prozesse an einen Tuberkel in der Hirnrinde.

Im z w e i t e n F a l l e hande l te es sich urn einen 3 7 j g h r i g e n P a ~ i e n t e n S. aus der Pr iva tprax is yon t t e r r n Geh.-l~. v. S t r t i m p e l ] .

A u s de r A n a m n e s e : Keine erbliehe Belastung. Pat. ist verheiratet, hat gesunde Kinder. Er weiss n i e h t s yon einer l u e t i s e h e n Infektion.

Am 25. XII. 1903 a p o p l e k t i s c h e r I n s u l t , begleitet yon Schwindel- gefahl und Kopfschmerzen ohne St6rung des Bewusstseins. Nach dem Insult bestand eine leiehte Parese der l i n k e n oberen und unteren Extremi- tgt. Ieh babe den Pat. etwa 14 Tage naeh dem Insult untersueht.

Die i n n e r e n Organe waren gesund. Naehweisbare Zeiehen von L u e s waren n i e h t vorhanden.

N e r v e n s y s t e m : Das Sensorium war frei. Die Spraehe intakt. Pat. ermt~dete sehr sehnell bei tier Untersuehupg. Die Hirnnerven, insbesoudere der N. faeialis sind frei.

M o t i l i t g t : Es bestand noeh eine S e h w g e h e der r e c h t e n o b e r e n Extremitgt und in geringerem Grade auch der r e c h t e n u n t e r e n Extremitgt.

Die Bewegungen im linkea Arm und Bein waren deutlich a t a k t i s c h .

Die R e f l e x e waren an der linken oberen und unteren Extremit~tt gegent~ber der reehten SeRe gesteigert. Kein B a b i n s k i .

~ber die Sensibilit/~tssti;rungen bei cerebralen giemiplegien. I59

G a n g : Pat. schleppt das linke Bein etwas naeh und ft~hlt sich naeh seiner Angabe unsieher auf demselben. Er maeht z. B. beim Treppen- steigen ohne Kontrolle der Augen mit dem linken Beine zu grosse oder zu kleine Exkursionen und stolpert dabei 6frets.

' P raNng der S e n s i b i l i t ~ t : Im Gesieht ist die Sensibilit~t intakt.

1. B e r ~ h r u n g s e m p f i n d u n g : An der linken Rumpfh~lfte ist die Bert~hrungsempfindung im u zur reehten SeRe etwas herabgesetzt.

Die Sensibilit~tsst6rung grenzt sieh naeh tier gesunden Seite nieht in der Nedianlinie ab, sondern die Grenze ist eine bogenf6rmige Linie. Aueh an den linken Extremit~ten ist die Berahrungsempfindung nieht normal, und zwar ist die St6rung besonders an den distalen Enden der Extremi- taten naehweisbar. An der Streekseite der Finger der linken IIand und an den Zehen besteht eine vollkommene An~sthesie.

2. S e h m e r z e m p f i n d n n g : Dieselbe ist ~iberall anf der kranken Seite intakt. An den distalen Enden der linken Extremit~ten ist die Sehmerz- empfindung eher gesteigert. Der Sehmerz ist dem Patienten unangenehmer als auf der gesunden Seite.

3. W ~ r m e s i n n intakt.

4. K~t l tes inn intakt.

5. D r n e k s i n n : Im Gebiete der ganzen linken KSrperh~lfte, doeh ohne die Nedianlinie des K6rpers innezuhalten, ist die Tiefensensibilitfit geseh~digt, besonders an der reehten oberen Extremit~tt. Aueh hier sind es wieder die distalen Teile, in denen die St6rung dieser Empfindungs- qualitat besonders hoehgradig ist.

An der linken Hand wird sehon ein reeht erheblieher Druek t~berllaupt nieht empfunden.

6. 3 / [uske l s inn : Im linken Sehulter-und Ellenbogengelenk sowie im linken I-Irlft- und Kniegelenk maeht Pat. bei kleinen Exkursionen oft falsehe Angaben, w~thrend er bei derselben Prafung in den betreffenden Gelenken der anderen Seite durehaus prompte Angaben maeht. Im linken IIandgelenk, sowie in den Fingergelenken und Zehengelenken ist nut Nr grobe Exkursionen noeh eine Emiofindang vorhanden.

Aueh dieser Patient konnte ohne Kontrolle der Augen (aueh dann war noeh eine gewisse Ungesehiekliehkeit vorhanden) den Fingern seiner linken IIand trotz vieler Bemt~hungen nieht dieselbe Stellung geben, in welehe seine gesunde Hand gebraeht wurde.

L o k a l i s a t i o n : Dieselbe war am Rumpf sehr sehleeht, etwas besser an den Extremit~tten, doeh aueh hier deutlieh gest6rt, am linken Arm wieder sehleehter als am linken Bein.

T a s t v e r m 6 g e n : S. konnte mit der linken I-Iand die Gegenst~tnde nieht erkennen. Er war weder tiber die Konsistenz, noeh ~iber die Form tier Gegenst~tnde orientiert. Da die Empfindung yon Warm und Kalt er- halten war, konnte der Patient abet z. B. ein Metallst~iek yon einem Stt~ek I-Iol z unterseheiden.

Bemerkenswertwar auehindiesemFalle e ine v aso m o t o r i s e h e S t6 run g. Ieh sah den Patienten oft einige Stunden, naehdem seine linke K6rperh~lfte faradisiert worden war. Die tIaut der linken Extremit~tten war dann

160 VII. SANDBE~G

ungew0hnlich stark ger0tet und fflhlte sich heiss an. Dann war aueh die I-Iyperasthesie far • besonders deutlich vorhanden.

Eine dr i~ te Beobach~ung, die im Vergleiche zu den beiden eben angeffihrten P~llen einen etwas leichteren Grad yon Tas~liihmung dar- stell~, betrifft eine 6 l j ~ h r i g e F r a u H. M., welehe sich veto 11. Feb. 1904 his 27. Februar 1904 in der hiesigen medizinisehen Klinik bef~nd.

Aus der Angmnese ist Folgendes yon Interesse: Seit ihrer Kindheit leidet Pat. an Herzklopfen. Seit Sommer 1901

schwoll der Leib allmghlich an. Der Arzt sagte damals, die Leber ware grSsser geworden. Im J a n u a r 1903 apoplektischer Insult. Pat. konnte nach vorabergehendem Sehwindelanfalle den r e e h t e n Arm nicht mehr so gut bewegen.

Es stellten sieh in dem Arm Taubheitsgefahl und Kribbeln ein und die Kraft liess naeh. Naeh etwa 3 Wochen besserte sich die Kraft wieder. Pat. klagt zur Zeit fiber starke Atembesehwerden und Ansehwellung des Leibes.

Ferner giebt sie an~ dass sie, wenn sie auch an und far sich die reehte Hand und die Finger gut bewegen kSnne, doch ungesehickt und unsicher bei Bewegungen sei. Auch fahlt sie mit der rechten Hand schleehter. Da sie sehwaeh auf den Augen sei, fahle sie 5fters mit den Fingern beim Rabensehneiden, auf weleher Seite die Sehneide des Messers sei. Sie kSnne dies mit der rechten Hand nieht unterscheiden und masse mit der linken Hand nachfahlen.

S t a tu s p r a e s e n s : Die mittelgrosse Patientin befindet sich in stark reduziertem Ern~hrungszustande. In der Gegend beider-FussknSchel leiehte 0deme.

Die hSheren S i n n e s o r g a n e sind intakt. Die H i r n n e r v e n frei. B r u s t o r g a n e : ~Tber den Lungen die physikalisehen Erseheinungen

eines Katarrhs; in tier rechten PleurahShle ein Erguss. Das Herz ist gross nach links, naeh rechts ist die Herzd~mpfung

wegen des bestehenden reehtsseitigen Pleuraergusses nieht abzugrenzen. ]~Tber dem ganzen Herzen ist eine systolisches Gerhusch zu hSren, dessen Punktum maximum an der Spitze ist. Die Herzaktion ist stark unregel- mhssig. Die peripheren Arterien sind geschlgngelt.

Aldomen: Die Leber ist gross. Freier Ascites. Im Urin ist Eiweiss. ~ikroskopiseh vereinzelte hyaline Zylinder. l '~e rvensys tem: Das Sensorium ist frei. Hgufiger Stimmungswechsel. M o t i l i t a t : Die grobe Kraft in der rechten oberen Extremitat ist

gegenaber tier linken Seite herabgesetzt. Die Reflexe zeigen keine Be-, sonderheiten.

S e n s i b i l i t g t s p r Q f u n g : 1. Berahrungsempfindung: Uberall intakt. S c h m e r z e m p f i n d u n g , W a r m e s i n n und K a l t e s i n n desgleiehen. Dagegen besteht bei der Frau eine nieht sehr erhebliche, aber sicher

nachweisbare StSrung der Tiefensens ib i l i t~ t t . An der Volarfl~che der reehten Hand und uuf tier Beugeseite der Finger fahlt die Frau leichten Fingerdruek nicht. Far stSrkeren Druek ist die Empfindung jedenfalls stark herabgesetzt. Dadureh ist wohl die Beobaehtung, die die Frau an

Uber die SensibilitgtsstSrungen bei eerebralen Hemiplegien. 161

sich selbst geraaeht hat, zu erkl~tren und zwar, dass sie rait der rechten Hand die Kante des Messers nicht yon der Sehneide zu unterseheiden verraSge.

3/iuskelsinn: Die Lage- und Bewegungserapfindung war in diesera Falle unverh~tltnismhssig raehr gest6rt, als dies die iramerhin geringfagige FnnktionsstSrung verrauten liess. In den grossen Gelenken des Arraes war dieselbe gut. Bei der Prafung in den Fingergelenken raaehte die Frau fast durchweg falsehe Angaben.

L o k a l i s a t i o n : Dieselbe war an der rechten Hand sehleeht, whhrend dieselbe am reehten Arm, der rechten unteren Extreraitht sowie am Rumple durehaus intakt war.

TastverraOgen: Patientin war leid]ich gut tiber die Konsistenz und Oberflgehe der Gegenst~tnde orientiert. Sie konnte z. B. einen Holzwarfel yon einem aus Brotteig verfertigten Warfel gut unterseheiden. Doch konnte sie sieh tiber die Forra tier Gegenst~tnde nieht aussern. Auch griff sie beim Betasten der Gegensthnde sehr zaghaft zu, und in tier Art der Be- wegungen der Finger ihrer rechten Hand lag wenig Zweekra~tssiges.

E i n e n weif~eren F a l l yon Tastlghmung beobachtete ich bei einem 7 3 j g h r i g e n p e n s i o n i e r t e n Br iefgr~iger W. S., der sich in unserer poliklinisehen Behandlung befand.

Der Mann hatte etwa 3/4 Jahr, bevor er zu uns kara, einen apoplek- tisehen Insult erlitten, der ohne besondere Schgdigung des Sensoriuras voraberging und nur eine Sehw~tehe des l inken Armes and des l i nken Beines zurtickliess. Als Pat. zu uns kara, war eine leiehte ]inksseitige Faeialisparese und eine Herabsetzung der groben Kraft ira linken Arm und im linken Bein vorhanden.

Die Reflexe an den linken Extremitaten waren gesteigert. Das Hauptinteresse beanspruehte aueh in diesera Falle der bestehende

Ausfall des Tastverra0gens. S. gab aa, dass er, obgleieh er an und far sieh die linke Hand und die Finger gut bewegen kSnne, doeh nie wisse, was er e igen t l i ch in der Hand hielt.

Die Prafung der S e n s i b i l i t a t ergab nun Folgendes: 1. Ber t~hrungserapf indung: Dieselbe ist am linken Arm und Bein

herabgesetzt, und zwar wieder besonders an den d is ta ten Enden der Extrerait~ten.

Sehraerzerapf indung: Zeigt keine Abweichung yon der Norm. Kg l t e s inn und Warraes inn waren ebenfalls intakt. D r u e k s i n n : Die Erapfindung far feineren Druek ist am ganzen linken

Arm aufgeheben. Etwa handbreit oberhalb des Handgelenks beginnt naeh abwgrts die Zone, in welcher der Drucksinn aueh sehon far z iemlieh s t a rken Druek e r losehen ist.

Muske l s inn : Im linken Ellenbogengelenk erapfindet S. feine Ex- kursiouen entweder g~r nieht oder seine Angaben sind sehr unsieher.

Ira linken Handgelenk und noeh raehr in den Fingergelenken ist das Lagegefahl sehr schlecht. S. kann nieht angeben, in weIcher Lage sich die Finger seiner linken Hand befinden und welche Bewegungen man rait ihnen ausftihrt.

I62 VII. S ~ I ~

L o k a l i s a t i o n : Am ganzen linken Arm unsiehere Angaben. T a s t v e r m 6 g e n : S. kann die Gegenstfinde, welehe man ibm in die

Hand giebt, dureh Betasten nieht erkennen. Und zwar kann er weder die Oberfl~tehe noeh die Kons i s tenz , noeh die Fo rm angeben. Aueh bei diesem Patienten konnte man die ziellosen Bewegungen der Finger bei dem Versueh, die Gegenst~mde dureh Betasten zu erkennen, beobaehten.

Besondere Besehwerden maehten ihm h~ufig auftretende ziehende Sehmerzen im linken Arm.

Im 5. F a l l e handelte es sich um einen 4 4 j ~ h r i g e n A r b e i t e r G . H . Derselbe befand sieh mi~ einer kurzen Unterbreehung in der medizinisehen Klinik vom 21. Nov. 1904 his 18. Jan. ]905.

Aus der Anamnese ist Folgendes yon Interesse: Es besteht keine erbliehe Belastung. H. war Soldat. Er ist verheiratet,

hat 5 gesunde Kinder. 4 Kinder sind kIein, alle un te r einem J a h r e alt gestorben. Infektio sexualis ist nieht bekannt.

Seit etwa 5 Jahren klagt Pat. iiber I - Ierzbesehwerden: Herzklopfen, Unruhe and Angstgef~hl in der Herzgegend, besonders naeh k0rperlieher Anstrengung. Er hat deshalb 6fters die Arbeit aussetzen mi~ssen.

Am 30. VIII. 1904 war Pat. nooh mit anderen Arbeitern beim Buhnenbau an der Oder beseh~ftigt. Er hatte noeh bei vOlligem Wohl- befinden sein Nittagsbrot verzehrt und sieh dann zum Sehlafen hingelegt. Als sieh tier Mann naeh einer halben Stunde wieder erheben wollte, be- merkte er, dass er den l inken Arm nieht ordentlieh bewegen und mit dem l inken Bein nur unsieher gehen konnte. Aueh die Spraehe konnte er nieht o rden t l i eh gebrauehen.

Er war vollkommen bei Besinnung und hatte i~ber Sehwindelgef i ih l oder Kopfsehmerzen nieht zu klagen. Im linken Bein besserte sieh der Zustand sehon innerhalb 4 Tagen so weit, das er das Bein wieder be- wegen konnte. Naeh etwa 4 Woehen konnte er das Bein so gut wie friiher gebrauehen. Dagegen klagte H. dariiber, dass , e r kein Gefiihl im l inken Arm habe". Es sei ihm so ,,als wenn ihm der l inke Arm nieht gehOre; der Arm sei wie tot". So Ousserte sieh Pat. wieder- holt. Er weiss nieht, was er mit der l inken Hand anfass t , und oft aueh nieht, ob er etwas in der Hand hat. Daher entfielen ibm h~ufig Gegenst~nde aus der linken Hand, z. B. der tIandsehuh glitt ibm ab, ohne dass er es merkte.

S ta tus p raesens : H. ist ein mittelgrosser Patient in gutem Er- n~hrungszustand. Die Lungen sind gesund. I I e rz : Grenzen normal. Die I-Ierzaktion ist sehr unregelmftssig. Die TOne sind dumpf, sehleeht aeeentuiert. Der Pals ist klein, sehr weieh und unregelm~tssig. Das Abdomen bietet keine pathologisehen Verhfdtnisse dar.

Ne rvensys t em: Die h0heren Sinnesorgane waren intakt. Die I inke Lidspalte war etwas enger als die reehte. Es bestand eine leiehte Parese im Gesiehtsteil des Faeialis linkerseits. Die l inke Zungenh~ilfte ist etwas sehmSler als die reehte ; die ganze Zunge weieht etwas naeh links ab.

N o t i l i t h t : It. kann den Arm im linken Sehultergelenk nur wenig i~ber die Itorizontale heben; sonst ist die ~{otilit~t in alien Gelenken intakt.

Uber die Sensibilit/itsstSrungen bei eerebralen Hemiplegien. 163

Die grebe Kraft war in der l inken obe ren und u n t e r e n Extremit~t deutlieh gegent~ber der anderen Seite herabgesetzt.

Die Re f l exe boten keine Abweiehung yon der Norm mit Ausnahme des K r e m a s t e r r e f l e x e s , der links deutlieh sehw~eher war als reehts.

Von besonderem Interesse war aueh in diesem Falle wieder die Prafung der Sensibilitht in ihren versehiedenen Qualit~tten.

1. Die B e r a h r u n g s e m p f i n d u n g war auf der ganzen l inken KOrper- h•lfte etwas herabgesetzt, veto linken Ellenbogengelenk naeh abwSrts voll- kommen aufgehoben, ebenso war die Empfindung frtr Pinselberahrung an den Zehen des linken Fusses vollkommen anfgehoben.

Die S e h m e r z e m p f i n d u n g war am linken Arm etwas herabgesetzt, so dass Pat. Spitz und Stumpf (Kuppe und Spitze einer Nadel) nieht immer prompt unterseheiden konnte.

Der Wf t rmes inn nnd K~tltesinn war am linken Arm ebenfalls dentlieh gest0rt. Pat. konn{e am Arm Warm und Kalt oft nieht unter- seheiden, gab ,,Heiss" als ,,Lau" und ,,Eiskalt" als ,,K~ihl" an.

D r u e k s i n n : Es bestand eine deutliehe St0rung an dem linken Arm und der linken BrusthNfte bis zum linken Rippenbogen herab. An der linken Hand wurde Bin reeht krhftiger Druek gar nieht empfunden. Am linken Bein bestanden siehere Drueksinn- stSrungen nieht.

3{uske l s inn : Die Lage- und Bewegungsempfindung war im linken Sehulter- nnd Ellenbogengelenk sehleeht, und im I-Iandgelenk und den Fingergelenken der linken Hand vollkommen aufgehoben. In den Gelenken der linken unteren Extremit~t war die Lage- und Bewegungs- empfindung gut.

L o k a l i s a t i o n : Die Angaben am linken Arm und der linken Brust- hhlfte waren sehr unsieher, besonders an der Brust meist falseh.

T a s t v e r m S g e n : H. konnte mit tier linken Hand weder t~ber die 0 b e r f l ~ e h e , noeh fiber K o n s i s t e n z , noeh aueh fiber F o r m der Gegen- stande, welehe man ibm reiehte; irgend welehe Angaben maehen, w~thrend er dutch Betasten mit der r e eh t en Hand die Gegenstande stets riehtig identifizierte. Heist wusste er t~berhaupt nieht, ob er etwas in der Hand hielt oder nieht. Well der Mann hie reeht wusste, warm er eigentlieh den Gegenstand lest in der Hand hielt, griff er sehon yon v o r n h e r e i n immer mit einer unnOt igen Kraftvergeudung zu. Seine Hand legte sieh wie eine Klammer um die Gegenst~tnde, welehe sie ergreifen sollte.

Ferner waren bei diesem Patien~en eine Reihe yon StSrungen im b e s o n d e r e m Mal~e ausgepr~/g~, die in das Gebiet der A t a x i e gehSren.

So konn~e der Patient bei geschlossenen Augen die kranke EIand nich~ l~ngere Zei~ in einer bestimmten S~e]lung halten, die man ihr gegeben bathe ( S t 5 r u n g der s t a ~ i s c h e n K o o r d i n a ~ i o n ) .

Auch konn~e der Pa~ien~ selbst mi~ t~:ontrolle der Augen einem Finger allein niemals eine beabsich~ig~eS~ellung geben, ohne dass auch andere Finger sieh mitbeweg~en.

164 VII. SA~D~RG

Wenn tt. ruhig dasass, kam es hs vor, dass die Finger seiner ~kranken Hand ganz e~gentfimliehe Stellungen annahmen. Ein Teil der Finger war gebeugt, der andere gestreekt, ohne dass der Mann dies beabsieh~igte. Es fehlte ihm die Herrschaft fiber seine Finger.

Ws seines zweimonatlichen Aufenthaltes in der Kl~nik war der Zustand stationer geblieben.

Schliesslich lasso ieh noeh einmal das Ergebnis meiner Unter- suchungen zusammen.

in 10 Fs waren obiekfiiv nachweisbare Sensibiiits nieht vorhanden. Ob dieselben frfiher bestanden haben (es handelto sich durchweg um ~ltere Fs liess sich mit~ Sicherheit nicht mehr feststellen. In 6 yon diesenFs war die Motilits moist dureh ein- getretene Kontrakturen stark gestSrt. Diese e inse i t ige Sehs der Motilit~t bei dem guten Erhaltensein der Sensibilits weist darauf bin, dass die mo to r i s chen Bahnen und die sens ib len Bahnen in tier inneren •apsel g e t r e n n t verlaufen.

In 'den Fs wo objektiv naehweisb~re Sensibilits vorhanden waren, gestaltete sich in den einzelnen Fs das Bild ziemlich gleiehms und zwar 1. was die StSrung der e inzelnen Qualit~s 2. die Art and Weise tier Loka l i sa t ion der Sensibilit~ts- stSrungen naeh ihrer I n t e n s i t ~ t auf die einzelnen KSrperregionen, 3. die Form der Abgrenzung naeh den Regionen normaler Sensibi- litat anbetraf.

Es zeigte sich in der Wahl der geseh~digten Qualit~ten ein ge- wisser Typus~ and zwar waren diejenigeu i~ervenbahnen gesch~digt, die der Leitung der B e r i i h r u n g s e m p f i n d u n g and der T ie fen- sens ib i l i t~ t (Drucksinn, and Lage-u . B e w e g u n g s e m p f i n d u n g ) dienen, w~hrend tier Schmerzs inn in allen F~llen yon Hemiplegie auffallend gut e rha l t en war, and aueh eine grSbere StSrung des W~rmo- and K~l tes inns niemals konstatiert werden konnte.

In dem 5. Falle yon Tas~l~hmung, wo s~mt l iehe Qualit~ten tier Empfindung sich als geseh~digt erwiesen, handelte es sich wohl am einen bu lb~ren Sitz des I.ierdes.

Da nun die Bahnen ffir die Berfihrungs-, Druek-und Bewegungs- empfindung die Fortsetzung tier medialen ]=[interstrangfasern bilden, hat S t r i impel l diesen Typus der Sensibilit~tss~5rung, den wir vor- wiegend bei ce rebra len StSrungen beobaehten, als I - I in te rs t rang- typus bezeichnet. Die Beobaeh~ung, dass gerade bei Affektionen tier i nne ren Kapsel in der Regel die StSrung tier einzelnen Em- pfindungsqualit~ten dem I ' i in~ers t rangtypus entsprioht, gestat~e~ die Annahme, dass die Bahnen ffir die T ie fensens ib i l i t~ t mit den

Uber die Sensibilit~tsstSrungen bei cerebralen Hemiplegien. 165

p s y c h o m o t o r i s c h e n Bahnen verlaufen, und ihre Endigungen im Gehirn haben.

Dieses Zusammengehen der p s y c h o m o t o r i s c h e n Bahnen mi~ den Bahnen ffir die T i e f e n s e n s i b i ] i ~ erweis~ sieh auch als durchaus zweckm~ssig, wenn man die Inanspruchnahme der verschie- ~enen Sinnesquali~en in ihrer s w~hrend des Lebens in Be~racht zieht.

In der ersten Lebenszei~ is~ zunachst nut die Ober f l~chen- sens ib i l i t~ t (Beri~hrung, Sehmerz, Temperatur) als R e g u l a t i o n s - und S e h u t z e i n r i e h t u n g des Organismus no~wendig. Wenn sieh dann allm~hlich die feineren und zielbewussten individuellen Bewegungen heranbilden, we]chert vornehmlich die P y r a m i d e n b a h n e n dienen, so ist es die Tiefensensibi l i~a~ in Verbindung mit derBerfihrnngs- empfindung, welehe einen wesentlichen An~eil an der Regehng der Bewegungen hat.

So ist auch die Tatsache zu erk]~iren, dass die Sensibilits am s~rks~en gesch~dig~ is~ an den d is ta len Enden, namen~lieh der oberen Ex~remit~ten, die ihrerseits wieder yon den P y r a m i d e n b a h n e n am reichlichsten versorgt werden.

Wit sahen daher in den F~llen, wo die Tiefensensibili~ geseh~dig~ war, a t a k t i s e h e Zustande, die in verschiedener Weise ihren Aus- druck fandem

Von gewissem Interesse waren sehliesslich die im einze]nen be- schriebenen Falle yon Ausfall des Tas~vermSgens. Die motorische Komponente is~ als ein nieht unwesentlieher Faktor des TastvermSgens beteilig~.

So war in den zuerst erw~hnten F~llen, in denen die Sens ib i l i - ~ t intake, zum Tell aber die M o ~ i l i t ~ hochgradig behinder~ war (sei es infolge yon sehlaffen Liihmungen, sei es infolge yon Kon- ~rak~uren) das T a s t v e r m S g e n ebenfalls stark dadurch beein~r~chtig~.

In den zule~zt beschriebenen 5 F~llen trat die m o t o r i s c h e Komponente insofern in den Hintergrund, als mit Ausnahme einer Schw~iche tier kranken S'ei~e gr515ere Motili~sstSrungen nich~ bestanden. Um so mehr Gewieht war auf die naehweisbare Sens ib i l i t~ t s s~Srung als das wesentliche n r s~ch l i che Momen~ ftir die Tas~l~hmung Ge- wieht zu legen. Und es erk]~rte aueh die herabgesetz~e, ja in einzelnen F~llen zum Tell aufgehobene Sensibilit~it der tieferenTeile ausreiehend den Ausfall des TastvermSgens. Denn der Drucks inn orien~ier~ uns fiber die Oberf l~ehe und I~ionsistenz eines Gegenstandes, die Lage-~und ]~ewegungsempf indung , der sogenannte ,,Muskelsinn", fiber seine GrSsse und Form. Auehdie Ober f l~ehensens ib i l i t~ i t und die T e m p e r a t u r s i n n e sind ffir das ErkennungsvermSgen dureh

D~ufsch~ Zei tschr . fl Nervenhei lkunde. XXX. Bd. 12

166 VII. SA.~DB~RG, Uber die Sensibilit~itsst5rungen etc.

Betasten yon wesentlicherBedeutung, insofern uns die Oberf l~chen- sens ib i l i t~ t fiber sehr feine U n t e r s c h i e d e in der 0berfl~chen- beschaffenheit Aufkl~rung verschafft, und der W~rme- und K~l~esinn in vielen F~llen die Erkennung des Mater ia l s (z. B. Holz, Metall) erleichter& Das psych i sche Moment spielt natiir]ich bei tier Er- kennung der Gegenst~inde durch Betas~n auch eine gewisse Rolld. Dies geh~ schon daraus hervor, dass ein g e w a n d t e r Mensch mit in- t~k te r Sensibilit~t einen Gegenstand dutch Betasten sehne l le r zu identiiizieren vermag, als ein wen ige r gewandter mit ebenfalls i n t a k t e r Sensibilit~. Dieses Moment kommt namentlich bei Gegem stiinden, die wir h~ufig benutzen, in Betracht. Wir identifizieren so]che Gegenst~nde schon aus pr~gnanten Eigen~iimliehkeiten derselben, ohne dass wit sie in al len ihren Teilen abzutasten brauehen.

Gerade unter pathologisehenVerh~ltnissen muss man besonders mit dem Moment rechnen, dass die Gegenst~nde schon aus gewissen ihnen eigentfimlichen Eigensehaften erraten werden, bevor sie in allan ihren Teilen vollkommen abgetustet sind.