Kurze Mitteilungen.

(Aus dem I-Iallerianum Bern.)

t~ber die Wirkung des Vitamin B1 auf das isolierte Froschherz. Von

P. Kaiser. Mit 3 Textabbildungen.

(Eingegangen am 19. Juli 1939.)

Einerseits weisen G. Hecht und H. Weese 1 darauf hin, dab am Froseh- herzen, welches nach Straub isoliert ist, ,,auf Zusatz yon Vitamin B1 bis zu der Konzentration yon 1:1000 keinerlei Reakt ion" entsteht. I m Gegensatz dazu zeigen R. Agid und J . Ba lkany i 2, dal~ Vitamin B 1 allein in schwachen Dosen yon 10 -7 his 10 -5 nur ungef/~hr bei der H/~lfte der Herzen einen negativ inotropen Effekt erzeugt, der mit zunehmender Konzentrat ion durchwegs deutlicher wird und bei noch hSherem Aneurin- gehalt wieder verschwinden soll. Eine Bl-Konzentration yon 10 -2 stellt den Ventrikel still. Die Autoren geben an, dab diese Effekte nicht dauer- haft und durch Atropin aufhebbar sein sollen, womit die Wirkung des Vitamins B 1 an diejenige des Acetyleholins erinnere. Ferner zeigen sie, dab Aneurin die negativ inotrope Wirkung des Acetylcholins vermindert oder aufheben kann, wobei die Amplitude nach erreichtem Minimum sieh immer vergrSSern soll. Geben sie weiterhin zu einem Herzen, das durch Aneurin in der Konzentrat ion 10-2 stillgestellt worden ist, Acetyl- eholin in einer Konzentration, welehe das Herz allein fast zum Still- Stehen bringt, so wird dutch letzteres die Herzaktion wieder in Gang gebracht und begiinstigt.

Aus meinen eigenen Versuchen geht hervor, dab Aneurin am Frosch- herzen, welches naeh Straub isoliert wurde, in der Konzentrat ion yon I 0 - z bis I0 -~ vollst/indig wirkungslos ist, wenn das Vitamin B~ in gepuf- fetter und sorgf/~ltig neutralisierter Ringer-LSsung zur Anwendung kommt.

~eutralisiert man dagegen hei h0heren Aneurinkonzentrationen deren stark saute L6sungen (z. B. ]0 -z : Pa 4,7) nicht, so kann damit eine nega- t iv inotrope Wirkung, wie sie angeblich auf Aneurin zuriiekgefiihrt wurde, erzeugt werden (Abb. 1). Nach erreichtem Minimum der Amplituden kam~ es zu deren VergrSBerung mit gleiehzeitigem Anstieg der Wasser-

1 Hecht, G. u. H. Weese: Klin. Wschr. 1987 I, 414. - - 2 Agid, R. u. J. Balkanyi: C. r. Soc. Biol. Paris 127, 680 (19.38).

0ber die Wirkung des Vitamin B 1 auf das isolierte Froschherz. 505

2Lbb. 1. a A n e u r i n 10-~; p ~ 6,84, b A n e u r i n 10-~; PH 4,55. R A u s w a s ; h u n g m i t R inger .

Abb . 2: a Acei~ylcholin 10-s; P~I 7,13. b A c e t y l c h o l i n 10 -3 + A n e n r i n 10T3; PH 7,42. R A_usspiilung m i t R inge r .

s toff ionenkonzentra t ion in der Kanfilenfli issigkeit kommen, z. B. von PH 4,58 auf 4,72 1-

z Alle pt~-Bestimmungen wurden mit der Beckmanschen Glaselektrode vor- g e I l o m M e / l .

506 P. Kaiser:

Diese negstiv inotropen Aneurineffekte, wie sie die Minzsche Schule beschreibt, sind auch durch Atropin nicht aufzuheben, weder nach ein- getretenem Herzstillstand, der durch saure AneurinlSsung erzielt wird, noch bei gleichzeitiger Anwendung des Alkaloids in saurer AneurinlSsung. Die bis jetzt unerkl/~rbaren, negativ inotropen Effekte am Froschherzen sind nicht durch eine Aneurin-, sondern wohl eher durch S~urewirkung zustande gekommen und mit der Acetylcholinwirkung in keiner Weise vergleichbar.

G~nz anders verh~lt sich d~gegen Vitamin B1, wenn es gleichzeitig mit Acetylcholin zur Anwendung kommt. Aneurin in einer Konzentration

Abb. 3. a Aneurin 10-s; PH 7,29; Einwirklmg yon 154~ bis 16~~ 164~ bis 1643 Ringer. b Acetyleholin 10-s; p~ 7,13. c Acetylcholin 10 -~ +Aneurin 10-3; PH 7,42.

R Ausspillung mi t Ringer,

von 10- ~ vermindert regelm/~Big die negativ inotrope Wirkung des Acetyl- cholins oder hebt sie ganz auf, womit wir 1 diese Ergebnisse yon Agid und Balkanyi am Froschherzen best/~tigen (Abb. 2).

L/~l]t man Aneurin 10 -8 in neutralisierter Ringer-LBsung 1 Stunde lang uuf dus Herz einwirken und w/Lscht es nachher 3 Min. lang aus, so kommt es bei Anwendung von Acetylcholin zu keiner Verminderung seiner nega- tiv inotropen Wirkung. Eine Anh/s des Aneurins im Herzen scheint also nicht einzutreten. Das Vitamin B 1 hat demn~ch nur einen Einflu• auf die Herzt~tigkeit, wenn es direkt in den Wirkungsmechanismus des Acetylcholins eingreifen kann (Abb. 3).

Das Aneurin hebt die verminderte Erschlaffung des Herzmuskels uuf, welche durch Acetylcholin mit Hebung der Fugpunkte der Kurve erzeugt wird (vgl. Abb.:2).

1 H e r r eand. reed. H. U. Gra/t h a t i n V o r v e r s u c h e n diesen Aneur ineHek t im W i n t e r aueh m i t schw/~eheren V i t a m i n Bx-Konzen t ra t ionen , b is zu 10 -~, e rzeugen kSnnen.

Uber die Wirkung des Vitamin B 1 auf das isolierte Froschherz. 507

Die negativ chronotrope Wirkung des Acetylcholins wird durch Aneurin vermindert. In einem Versuch betrug die Abnahme der Frequenz mit Acetylcholin allein 13% im Mittel, mit Acetylcholin und Aneurin nur 7 % (vgl. Abb, 2). Diese Wirkung ist allerdings gering; sie wurde oft und me ~m umgekehrten Sinn beobachtet.

Zusammenfassung. Aneurin iibt in neutraler Ringer-LSsung auch bei hoher Konzentration

keine Wirkung auf das Froschherz aus. Zusammen mit Acetylcholin vermindert es die negativ inotrope und chronotrope Wirkung, die Acetyl- cholin in gleicher Konzentration allein ausiiben wtirde. Diese Wirkung tr i t t nur bei gleichzeitiger Einwirkung beider Stoffe auf; sie kann zeitlich nicht getrennt werden.