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Uber eine eigenartige Form yon Traum- und Wahnentwicklung. (Psychische St~rungen bei Miinnern, ausgel~st durch die Geburt eines Sohnes.) Von Dr. Franz Pollak. (Aus der deutschen psychiatrischen Universit~tsk]inik Prof. O. P6tzl, Prag.) (Eingegangen am 8..4~lgust 1924.) In einer Arbeit: ,,1Jber eine gewisse Gesetzm~l~igkeit in Tr~umen ''1) bringt Pilcz ein Beispiel fiir die Beobachtung, dal~ Paranoiker im all- gemeinen nicht yon ihren Wahnideen und Halluzinationen tr~umen. Nun l~l~t sich hierfiir das Exklusionsgesetz anwenden, dessen strenge Gtiltigkeit Pgtzls Versuche illustrieren, die in ,,Experimentell er- regte Traumbilder in ihren Beziehungen zum indirekten Sehen" beschrieben sind. Was im Wachen gestaltlieh entwiekelt worden ist, gleichgtiltig, ob es vollbewul~t oder vorbewul3t war, bleibt yon der Traumentwicklung ausgespart, mithin gerade das aktuelle Delirium des Tages, nicht aber jeder Komplex yon Wahninhalten. Die bekann- testen klinischen Erfahrungen zeigen, wie friih sich hgufig sehon bei der Magnanschen Paranoia, d. h. bei der Paraphrenie der gegenwi~rtig eingefiihrten Benennungsweise, Keime der zukfinftigen GrSftenideen nachweisen lassen; sie offenbaren sich hi~ufig in den Stimmen, nieht selten zuerst in den Trgumen. Eine ~ihnliche Beobachtung liel~ sieh in einem Falle ermitteln, der kiirzlich zu unserer Klinik eingeliefert wurde~). Der Pat. ist ein 31ji~hriger Arbeiter, der selbst angibt, ein gro~er Kinder- freund zu sein und deshalb um so unglticklicher dariiber ist, da] er mit seiner Frau keine Kinder hat. Vor ungef~hr einem Jahr nach den Ostern erzgtflte ihm die Frau, dab ihr die Menstruation ausgeblieben sei. Er meinte freudig dazu, dal] sie schwanger wiirde. Als sich aber nach einigen Tagen die Periode wieder einstellte, glaubte er, dab sie sich die Frucht habe abtreiben lassen. Er wurde sehr erregt und verlieB das Haus. 3 Monate blieb er weg, wghrend deren er in einem nahe gelegenen Doff als Kutscher bei einem .Bauern diente. Bald nach Antritt des Dienstes triturate ihm, dal3 die Frau seines Herrn in einem schwarzen Seidenkleid auf ihn zukam, sich zu ihm ins Bert legte, ihn liebkoste und schlieitlich mit ihm 1) Wien. klin. Rundschau 1898, Nr. 32. 2) Zit. nach O. PStzl, ,,Experimentell erregte Traumbilder in ihren Beziehungen zum indirekten Sehen". Zeitschr. f. d. ges. Neurol. u. Psychiatrie :~7.

Über eine eigenartige Form von Traum- und Wahnentwicklung

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Uber eine eigenartige Form yon Traum- und Wahnentwicklung. (Psychische St~rungen bei Miinnern, ausgel~st durch die Geburt

eines Sohnes.)

Von Dr. Franz Pollak.

(Aus der deutschen psychiatrischen Universit~tsk]inik Prof. O. P6tzl, Prag.)

(Eingegangen am 8..4~lgust 1924.)

In einer Arbei t : ,,1Jber eine gewisse Gesetzm~l~igkeit in Tr~umen ''1) br ingt Pilcz ein Beispiel fiir die Beobachtung, dal~ Paranoiker im all- gemeinen nicht yon ihren Wahnideen und Halluzinat ionen tr~umen. Nun l~l~t sich hierfiir das Exklusionsgesetz anwenden, dessen strenge Gtiltigkeit Pgtzls Versuche illustrieren, die in , ,Experimentell er- regte Traumbilder in ihren Beziehungen zum indirekten Sehen" beschrieben sind. Was im Wachen gestaltlieh entwiekelt worden ist, gleichgtiltig, ob es vollbewul~t oder vorbewul3t war, bleibt yon der Traumentwicklung ausgespart, mithin gerade das aktuelle Delirium des Tages, nicht aber jeder Komplex yon Wahninhal ten. Die bekann- testen klinischen Er fahrungen zeigen, wie friih sich hgufig sehon bei der Magnanschen Paranoia, d. h. bei der Paraphrenie der gegenwi~rtig eingefiihrten Benennungsweise, Keime der zukfinftigen GrSftenideen nachweisen lassen; sie offenbaren sich hi~ufig in den Stimmen, nieht selten zuerst in den Trgumen. Eine ~ihnliche Beobachtung liel~ sieh in einem Falle ermitteln, der kiirzlich zu unserer Klinik eingeliefert wurde~).

Der Pat. ist ein 31ji~hriger Arbeiter, der selbst angibt, ein gro~er Kinder- freund zu sein und deshalb um so unglticklicher dariiber ist, da] er mit seiner Frau keine Kinder hat. Vor ungef~hr einem Jahr nach den Ostern erzgtflte ihm die Frau, dab ihr die Menstruation ausgeblieben sei. Er meinte freudig dazu, dal] sie schwanger wiirde. Als sich aber nach einigen Tagen die Periode wieder einstellte, glaubte er, dab sie sich die Frucht habe abtreiben lassen. Er wurde sehr erregt und verlieB das Haus. 3 Monate blieb er weg, wghrend deren er in einem nahe gelegenen Doff als Kutscher bei einem .Bauern diente. Bald nach Antritt des Dienstes triturate ihm, dal3 die Frau seines Herrn in einem schwarzen Seidenkleid auf ihn zukam, sich zu ihm ins Bert legte, ihn liebkoste und schlieitlich mit ihm

1) Wien. klin. Rundschau 1898, Nr. 32. 2) Zit. nach O. PStzl, ,,Experimentell erregte Traumbilder in ihren Beziehungen

zum indirekten Sehen". Zeitschr. f. d. ges. Neurol. u. Psychiatrie :~7.

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verkehrte. Dieser Tramn wiederholte sich in derselben Form in kurzen Abst/tnden dreimal und in /~hnlicher Weise soll er noch 6fters getr/imnt haben. Kurze Zeit, bevor er den Dienst verlieB, meinte er, aus gewissen Gesten und :Bemerkungen der Leute lm Dorfe zu entnehmen, dab man ihn als den Vater des Kindes bezeichne, dessen Geburt die :Bauernfrau erwartete (sic war wirklich gravid). SchlieBlich glaubte er, dag die Frau sich selbst damit zu den Leuten geriihmt habe. Als das Kind geboren war, nannte er sich dessen Vater, wollte es an sich reiBen und war nur gewaltsam yon seinem Vorhaben abzubringen.

Es besteht hier also die Beziehung, dag der stereotyp auftretende Traum einen Teilinhalt der kommenden Psychose darstellt. Zur Er- kl~trung dieser Erscheinung wiire das bekannte Beispiel heranzuziehen, dag jemand yon einem Stich an einer bestimmten Stelle des Rfickens tr~umt und einige Tage nachher tritt ein Furunkel gn der n~tmlichen Ste]le auf. Wie in diesem Falle gewisse KOrpersensationen, die der entzfindlichen Infiltration vorangehen, im Schlaf bei veri~nderter Be- wugtseinst~itigkeit wahrgenommen und zu einem Traum formuliert werden, so war auch bei dem Kranken die Psychose wohl als Keimling schon l~nger vorbereitet und benutzte den Traum als Nachrichtgeber seines unbewugten Seelenlebens.

lJber einen i~hnlichen Zusammenhang zwischen Traum und Psychose berichtet mir Pdtzl 1): Ein Hystericus, der zur Wiener Klinik in einem Ausnahmezustand eingeliefert wurde, gab sich als K6nig von Griechen- land aus und gerierte sich als solcher. Bei niiherem Eingehen darauf stellte sich heraus, daft der Betreffende in der Nacht vor dem Eintrit t des Ausnahmezustandes in einem Traum den griechischen K6nig ge- spielt hatte; der Traum war aber durch einen Weckreiz unterbrochen worden, und fast an der n/~mlichen Stelle setzte nachher die Psychose ein und ffihrte ihn weiter.

Noch in einer anderen l~ichtung erscheint der Fall beachtenswert. Als der Patient den Dienst verlassen hatte, ging er nach Hause, war aber noch immer arbeitsfi~hig, wenn er auch ab und zu Stimmen hOrte, die ihm sagten, er solle sich sein Kind zurfickholen. Erst wenige Wochen vor seiner Einlieferung in die Klinik, ats er erfuhr, daft seine Frau yon ihm wirklich gravid geworden war, wurde er sehr unruhig und war so tobsiichtig, daft man ihn in die Anstalt braehte. Hier scheint offenbar ein merkwfirdiger Zusammenhang zu bestehen: ein solcher Kinderfreund wird geisteskrank, als der Arzt bei seiner Frau nach dreijiihrigem Bestande der Ehe eine Graviditi~t feststellt. Dieser Wider- spruch wird scheinbar noch gr6fter, wenn man sich der Lehre Freuds erinnert, die behauptet : Die Menschen erkranken infolge der Versagung; um so mehr muft es iiberraschend wirken, wenn man die Erfahrung macht, daft Menschen gelegentlich gerade dann erkranken, wenn ihnen ein langgehegter Wunsch in Erftillung gegangen ist. Es sieht dann so

1) Mtindliche Mitteilung einer nicht verSffentlichten Beobachtung.

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aus, als ob sie ihr Gliick n icht ver t ragen wiirden. D e n n an dem ur-

s~tehlichen Z u s a m m e n h a n g zwischen dem Erfolg u n d der E r k r a n k u n g

k a n n m a n k a u m zweifeln. Bei n~herem Eingehen auf diesen P u n k t erkl~rt der Kranke , daB

die F r a u K. zu ihm viel en tgegenkommender gewesen sei und sich besser b e n o m m e n h~t te als seine eigene F r a u , auch glaubt" er, manchma l da ran gedacht zu haben, wie sie in manehen Wesenszfigen seiner Mutter dhnlich sei. Deshalb kSnne er nu r dieses Kind , dessen reehtm~Biger Vater er sei, als seines ane rkennen u n d werde es sich un te r allen Um-

sti~nden zuriickholen. Wit haben guten Grund zur Annahme, dab die Frau K. dem

Kranken ein Mutterimago bedeutet und erinnern uns daran, wie gar nicht selten ein Angestellter, der in ein IIaus tritt, dort bewuBt oder mehr unbewuBt an einem Tagtraum spinnt, dessen Inhalt dem ()dipus- komplex entnommen ist: der I-lerr des Hauses w~re irgendwie be- seitigt under wiirde dessen Frau heimffihren. ])as SchuldbewuBtsein, das unseren Kranken seit dem eingebildeten Geschlechtsverkehr mit Frau K. belastet, und der sich daraus ergebende Konflikt erfahren eine neuerliche Aktualisierung, als die wirkliche Schw~ngerung der eigenen Frau erfolgt. Jetzt faBt er abermals den Plan, sich das erste und Lieblingskind zuriickzuholen; an dem eigenen aber, das seine Frau erwartet, kann er keine Freude mehr empfinden, so sehr er sich dieses auch gewiinscht hat.

Ein in seinem Mechanismus ~hnlicher Fall betrifft einen jetz~ 36j~hrigen Dr. juris aus adeligem Hause. Er soil schon als Kind anders als die iibrigen ge- wesen sein und stets nur Sinn fiir etwas HSheres gehabt haben; besondere Vorliebe besa{3 er fiir Musik. Auf der Hochschule zeigte er sehr wechselnde F~higkeiten: bei der einen Staatspriifung fiel er durch, die niichste darauf bestand er mit all- gemeiner Auszeichnung. Von seinem Hansarzt wird er als ein weicher, affektlabiler Mensch geschildert, der meistens mehrere Verhiiltnisse gleichzeitig hatte; ,,mit jeder einzelnen ist mir das Gemfit durchgegangen und ich versuchte stets ein kiinstlerisches Erlebnis daraus zu konstruieren", sind seine eigenen Worte dafii1: Spiiter erfaBte ihn eine grol3e, jahrelang dauernde Leidenschaft zu einer iilteren Schwester, der einzigen, die ihn verstanden bat.

Vor 4 Jahren heiratete er gegen den Wfllen seiner Eltern eine Tiinzerin, wobei er auf das Majorat verziehten muBte. Als ihm nach 2 Jahren ein Sohn geboren wurde, erlitt er einen schweren seelischen Zusammenbruch. ,,Eine Masse yon Er- eignissen stiirmten auf ihn ein, er ftihlte sich den Anforderungen nicht gewachsen und, als das Nervensystem nichts mehr leisten konnte, floh er in ein Sanatorium, um sich der Verantwortung zu entziehen und hier nach einem vorgeschriebenen Schema zu leben." Dieser Zustand klang nach einigen Wochen wieder ab under konnte geheilt entlassen werden.

Voriges Jahr erwartete seine Frau im Dezember die Geburt eines zweiten Kindes. Schon zu Weihnachten bemerkte er, dab mit ihm eine Veranderung vor- gehe, daI~ der heilige Geist ihn in gestiegen sei: er offenbare sich ihm durch dreierlei Art: durch KSrpergefiihle, clutch das GehSr und Gesicht; alles, was er rue, macht nicht er, sondern Gott, alles fiihre er in seinem Befehl aus. AIs dem Kranken am

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zweiten Weihnachtstag ein Sohn geboren wurde, bezeichnete er diesen als KSnig und sich selbst nunnte er dieses K6nigs Vater. Er wurde darauf in dasselbe Sana- torium wie friiher gebracht. Hier ginger mehrere Tage im Zimmer in Kreisen herum, die ihm Gott vorzeichnete; die Leute, die zu ihm ins Zimmer kamen, segnete er und reichte ihnen im Auftrag Gottes Brot und Wasser. Auch diese krankhafte St6rung war in 3 Wochen abgeklungen under konnte entlassen werdcn.

Der Kranke war in seinem Elternhause sehr religi6s erzogen worden und hatte bis zu seinem 20. Lebensjahr einen Priester als Erzieher. Zu Weihnachten, einer Zeit, die wohl jeden Gl~ubigen gemfitlich be- einfluBt, erkrankt der Patient, ein Kinderfreund, der an die Sehwester als Mutterimago fixiert erscheint, im AnschluB an die Geburt eines Sohnes, dessen Los er sieh in seinen Wahnideen so gl~nzend als nut denkbar ersehaut, um seine eigene Entsagung zu versehmerzen: dab er in der Psychose seinen Sohn K6nig werden l~l~t, ist durch seine Ehe bestimmt und l ~ t sieh zwanglos als Uberkompensation auf seinen Majoratsverlust erkl~ren.

Eine weitere, beiden F~llen gemeinsame, auff~llige l~bereinstim- mung besteht darin, da~ die besehriebenen psychisehen St6rungen, von den Franzosen als d61ire d'embl6e bezeiehnet, bei M~nnern gerade dutch die Geburt von S6hnen ausgel6st werden. Zur Kl~rung dieser Merkwiirdigkeit wird es gut sein, sich naeh analogen Erscheinungen im V61kerpsychologisehen umzusehen.

Schon der Mythos scheint uns auf diesem Weg ein Stfick weiter- zuffihren; und zwar ist es der erste, in der analytisehen Literatur bisher noeh wenig gewiirdigte Tell der 0dipussage. Als n~mlich dem K6nig Laios ein Kind geboren war, verkfindete ibm ein Orakelspruch, dal~ der Sohn einst m~chtiger wfirde als der Vater, und aus Fureht darfiber lieB er den Knaben in einer Bergschlucht aussetzen. Ein ~hnliches Motiv beinhaltet in zweifaeher Form die Geschichte der welterschaffen- den grieehisehen Gottheiten. Uranos, der die Titanen und Gig~nten gezeugt hatte, wendet sich, als ibm diese Unholde zu gewaltig werden, selbst gegen sie und st6Bt sie in den SehoB der Erde zurfick. Und der Repr~sentant des n~chsten G6ttergeschleehtes, Kronos, hegt gegen seine Kinder ein solehes MiBtrauen, dab er sie alle verschlingt. Derselbe Ged~nke dr~ngt sich in die W~hnideen einer Melancholikerin unserer Klinik und, um sich seiner zu erwehren, lehnt sie alle ihr dargebotenen Speisen ab, weil sie meint, gleichzeitig mit der Nahrung ihre eigenen Kinder mitzuversehlingen.

Dichter, die mit der ihrer Zeit vorauseilenden Phantasie erkannten, was die Forschung erst nachher best~tigen konnte, behandeln in mannig- faeher Weise das besprochene Vater-Sohn-Problem; yon modernen Werken sei an Hauptmanns ,,Griselda" erinnert. SehlieBlich dr~ngt sieh uns die Vermutung auf, ob nicht die allzu groBe Strenge maneher V~ter den S6hnen gegeniiber auf einem ~hnlichen Mechanismus beruht.

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Schillers ,,Don Carlos" und Hasenclevers ,,Der Sohn" waren jedenfalls Belege dafiir, wie der Vater seine aufs aul~erste gespannte Strenge als Schutzwall vor der Macht des aufstrebenden Sohnes beniitzt.

Der Kreis dieser Analogien schlieitt sich, wenn wir in biogenetischer Betrachtungsweise hinzuftigen, dal~ es eine im Tierreich keineswegs seltene Erscheinung ist, wenn mi~nnliche Tiere auf ihre Brut losgehen, manchmal sic auch vernichten. So steht der Kater in dem fiblen Rule, seine Jungen zu fressen und manche Fische, besonders die Labyrinthodonten, ver- zehren ihre Nachkommenschaft, w~hrend sie am Laich vorbeischwimmen. Wohl ist es unmSglich, bei Tieren eine psychologische Erklarung dieses Fre~triebes zu geben; doch haben wir einigen Grund, diesen fiir uns dunkel erscheinenden Trieb der Tiere beim Menschen gleichsam in diesen Bildern wiedererkennen zu wollen. Auch in der Tierdichtung klingt dies an: so in Kiplings ,,Dschungelbuch", wo der Wolf, alt ge- worden, die Macht seiner Jungen derart fiirchtet, da~ er sich in dieser Angst an seinen ~rgsten Feind, den Menschen, um Hil~e wendet. Die wahnhafte Verherrlichung des neugeborenen Sohnes in den hier be- sprochenen Fallen erscheint wie ein Bruchstiick aus dem Anfangskapitel dieses biologischen Romans von Vater und Sohn.

Diese Zusammenhange erinnern eben daran, daI~ das Verhaltnis zwischen Vater und Sohn den Menschen yon jeher 'als ein besonders heikles gegolten und bei den Primitiven AnlaB zu den verschiedensten Zeremonien gegeben hat; so scheinen die Puberti~tsriten der heute noch lebenden Wilden den Sinn zu haben, dal~ sie den eben mannbar und seiner Kraf t voll bewuitt gewordenen Sohn in seiner Entfal tung hemmen und ihn mehr der Ziigelung des Vaters unterstellen sollen. (Reik).

Zu den beschriebenen F~llen zurfickkehrend, kSnnen wir sagen: Die Geburt eines Sohnes ist in jedem Fall ein Ereignis yon besonderer Bedeutung; bei Veranlagten, vietleicht besonders bei schizophrenen Psychopathen, kann sie geradezu krankheitsauslSsend wirken, indem ihr Denken und Fiihlen pralogische Formen l )annimmt, wie wit sie in Sage, Dichtung und den Riten der primitiven VSlker verfolgen konnten. Der Tod des Vaters soll, wie Freud lehrte, das wichtigste Ereignis im Leben jedes Mannes sein -- vielleicht gibt es ein Ereignis, das dem Verlust des Vaters an Wichtigkeit nicht nachsteht : die Geburt eines Sohnes. Die alte Weissagung: ,,Ein Sohn ist Dir geboren", be- kommt so auch eine psychopathologische Bedeutung.

1) L. Levy-Bri~hl, Das Denkcn der NaturvSlker, S. 57.

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