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H. Lippmann, Akut% hiimatogene Carcinose. ~89 sehen~ war die Hypertrophie des rechten Herzventrikels durch einen ein- fachen Thrombus nicht zu erkl~tren, sondern deutete darauf hin, dass hier ein langsam sich entwickelnder Prozess stattgefunden hubert musste. Dieser wiederum stimmte in keiner Weise iiberein mit dem plStzlichen apoplekti- formen T0d% der einen plStzlichen Verschluss der Arteria pulmonatis ver- tauten liess. Das alles zusammengenommen liess die Annahme zu, dass es sich hier nicht um einen einfachen Thrombus der Arteria pulmonalis han- delte, sondern um einen komplizierte n Prozess. Die mikroskopisehe Unter- suchung zeigte dann auch sofort 7 dass es sich um ein Chorionepitheliom handelt% dessert Herkunft nach den gyniikologischen Antecedentien ein- deutig war, Trotz dieser Aufklfirung nach der einen Richtung bleiben die fibrigen Verh~lmisse noch merkwfirdig genug. Anffallig ist zunlichst das vollkommeue Fehleu irgend wetcher anderen Metastasen, dean solche wur- den trotz genauer Untersuchung in keinem Organ geftmden. Merkwfirdig ist welter die lunge Zeit der Latenz, Zwei Jahre liegen zwisehen der Ope- ration und dem Tode. In dieser Zeit muss sich also ein Geschwulstpar- tikel an irgend einer Stelle, und doch wohl unzweifelhaft in der Arteria pulmonalis aufgehalten haben. Die Geschwulst ist nicht etwa yon aussen in die Arteria pulmonalis hineingewachsen~ sondern sie ist in der Arterie selbst oder deren ersten Verzweigungen zur Entwickelung gekommen. Diese Entwickelung ist~ wie die Hypertrophie des rechten Herzventrikels zeigt~ eine ganz allm~hliche gewesen~ und muss nach und nach zu einer u gerung der Arteria pulmonalis geffihrt haben. Doch kann man annehmen~ dass in ]etzterer Zeit das Waehstmn etwas schneller vor sich gegangen ist. Der definitive Yerschluss, der vielleicht durch das schnelle frische Blut- gerinnsel~ das einen Teil der Circumferenz des Geschwulstthrombus aus- macht, 'markiert wird, ist dann schliesslich ganz plStzlich entstanden und hat den apoplektiformen Tod herbeigeftihrt. IV. Ueber einen Fall von akuter h~imatogener Carcinose. Yon H. Lippmmm. Am 29. I)ezember 1903 wurde ein 67jghriger Kellner in das Krankenhaus am Friedriohshain aufgenommm b der iiber Schmerzen in Leib und Brust kl~gte und angab, dass sich seit etwa 4--5Tagen zahlreich% nicht sohmerzende ts in der Haut entwickelt hgtten. Die klinisohe Untersuchung des im Erniihrungs-

Ueber einen Fall von akuter hämatogener Carcinose

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H. Lippmann, Akut% hiimatogene Carcinose. ~89

sehen~ war die Hypertrophie des rechten Herzventrikels durch einen ein- fachen Thrombus nicht zu erkl~tren, sondern deutete darauf hin, dass hier ein langsam sich entwickelnder Prozess stattgefunden hubert musste. Dieser wiederum stimmte in keiner Weise iiberein mit dem plStzlichen apoplekti- formen T0d% der einen plStzlichen Verschluss der Arteria pulmonatis ver- tauten liess. Das alles zusammengenommen liess die Annahme zu, dass es sich hier nicht um einen einfachen Thrombus der Arteria pulmonalis han- delte, sondern um einen komplizierte n Prozess. Die mikroskopisehe Unter- suchung zeigte dann auch sofort 7 dass es sich um ein Chorionepitheliom handelt% dessert Herkunft nach den gyniikologischen Antecedentien ein- deutig war, Trotz dieser Aufklfirung nach der einen Richtung bleiben die fibrigen Verh~lmisse noch merkwfirdig genug. Anffallig ist zunlichst das vollkommeue Fehleu irgend wetcher anderen Metastasen, dean solche wur- den trotz genauer Untersuchung in keinem Organ geftmden. Merkwfirdig ist welter die lunge Zeit der Latenz, Zwei Jahre liegen zwisehen der Ope- ration und dem Tode. In dieser Zeit muss sich also ein Geschwulstpar- tikel an irgend einer Stelle, und doch wohl unzweifelhaft in der Arteria pulmonalis aufgehalten haben. Die Geschwulst ist nicht etwa yon aussen in die Arteria pulmonalis hineingewachsen~ sondern sie ist in der Arterie selbst oder deren ersten Verzweigungen zur Entwickelung gekommen. Diese Entwickelung ist~ wie die Hypertrophie des rechten Herzventrikels zeigt~ eine ganz allm~hliche gewesen~ und muss nach und nach zu einer u gerung der Arteria pulmonalis geffihrt haben. Doch kann man annehmen~ dass in ]etzterer Zeit das Waehstmn etwas schneller vor sich gegangen ist. Der definitive Yerschluss, der vielleicht durch das schnelle frische Blut- gerinnsel~ das einen Teil der Circumferenz des Geschwulstthrombus aus- macht, 'markiert wird, ist dann schliesslich ganz plStzlich entstanden und hat den apoplektiformen Tod herbeigeftihrt.

IV.

Ueber einen Fall von akuter h~imatogener Carcinose.

Y o n

H. Lippmmm.

Am 29. I)ezember 1903 wurde ein 67jghriger Kellner in das Krankenhaus am Friedriohshain aufgenommm b der iiber Schmerzen in Leib und Brust kl~gte und angab, dass sich seit etwa 4--5Tagen zahlreich% nicht sohmerzende ts in der Haut entwickelt hgtten. Die klinisohe Untersuchung des im Erniihrungs-

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zustande stark herabgekommenen Patienten best~itigte das Vorhandensein dieser hSehstens erbsengrossen Gesehwiilste und an einigen excidierten Stiieken wurde mikroskop!seh die oarcinomatSse Natur tier Tumoren iestgestellt.

Zwei Woohen spiRer starb Patient und kam im hiesigen Institut zur Sektion. Hierbei ergab sich neben den gesiduen einer geheilten Syphilis und Alters-

vergnderungen eine Caroinomatose fast aller Organe, die siimtlioh yon kleinen Ge- sehwtilstohen durehsetzt waren, nur die Supraclavioulardriisen zeigten grbssere, wallnussgrosse Tumoren.

Der Sektionsberieht sagt hieriiber: Unter tier t t au t , besonders des Thorax, aber auch an den Obersehenkeln,

Oberarmen und am i-Ialse finden sich zahlreiehe linsen-bis hanfkorngrosse Oe- sohw~ilste. Aneh dasFe t tgewebe~ d i e F a s o i e n u n d d i e M u s k u l a t u r sind von den gleiehen, kleinen Gesehw~ilsten durchsetzt. Das gauze P e r i t o n e u m ist mit Gesehwiilsten gleioher Art und GrSsse besetzt. Das Fett des vorderen Media- s t i n u m , vom Zwerchfell his zum Hals hinauf, ist din'oh diffuse Gesehwulstinfil- tration hart und sklerotiseh geworden, ebenso der yon derThymus zflr~iekgebliebene Fettlappen.

An der OberflS~ehe des Herzens unter dem Ep ika rd sitzen zahh'eiehe miliare Gesehwiilst% dieselben ragen nirgends tiefer in die guskulatur hinein. In den Verwaehsungen der P lourab lS . t t e r finden sieh zahlreiche kleine Geschwiilste. In den L u n g e n zeigen sieh ganz wenige, kleine Ilrebsknoten. Das Mesen te r ium ist mit Knoten durchsetzt; an der LeberoberflS~ohe linden sioh zahlreiche kleine Gesehwiilstehen~ die Substanz ist aber ggnzlieh frei von solchen. Die OberflS~che der H a r n b l a s e ist ebenfalls mit Gesehwfilsten besetzt~ nnter tier Sehleimhaut liegen einige kleinere Metastasen. Im linl~en Pros ta ta lappen finder sieh eine Geschwulst yon HaselnassgrSsse. im Humerus finden sieh zahlreiche kirschkern- grosse Geschwiilste in das Knoehenmark eingesprengt.

Die S n p r a e l a v i c u l a r d r / i s e n sind in etwa wallnussgross% harte Ge- sohwfilste nmgewandelt. Der D a o t u s t h o r a c i c u s ist so sehr in harte Geschwulst- masse eingebettet, dass er in seinem abdominellen Teii nicht in die Ersehei- nung tritt.

Im Yergleich zu dieser ungeheuren Netastasierung fund sich ein reeht wenig in die Ersoheinung tretender Prim~irtumor im 5lagen~ der im Leben trotz 5lagen- saftuntersuehung keine Symptome gab, was bei seiner Kleinheit nieht auff~illig is~. Es fund sieh hier an der hinteren Magenwand nicht weir vom Pylorus ein Ge- schw/ir yon etwa 10 mm Lgngen- und 20 mm Breitendurchmesser mit prominie- renden, hart infiltrierten R~ndern~ die sich terrassenfSrmig zum Grunde des Ge- sehwars hinabsenkten. In dessert Umgebnng ist die I~Iagenwand krebsig infiltriert~ so class sieh bier eine oireuliire, alas Magenlumen verengernde VerhS~rtung findet. Dass dieses Gesehwiir tats~chlieh den Prim~irtumor und nioht ein zufgllig vor- handenes Uleus darstellt, beweist die krebsige infiltration der RSmder, der Grund- flgohe and der ngohsten Umgebung des Gesehw~rs. Als Metastase konnte dieses Geschwiir naoh der ganzen Art seiner Erseheinung nicht gedeutet werden.

Wie ist nun diese ungeheure Metastasierung zu Stande gekommen? Die starke Sehwellung der Supraelavieulardrfisen und die Infiltration

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der Magenwand sind natiirlich auf dem Lymphwege entstanden. Das be- weisen schon die carcinomat6sen Ver~nderungen des Ductus thoracicus.

Dagegen aber, dass sgmt]iehe Tumoren auf dem Lymphwege entstanden sind, - - dieser Weg gilt ja beim Carcinom als die gewShnliche Art der Verbreitung, - - sprechen versehiedene Grfinde.

Die anamnestisehe Angabe des Patienten, dass die Eruption tier Haut- tumoren gleichzeitig und plOtzlich erfo]gt se], gewinnt durch den Befund, dass die Geschwfilste im ganzen KSrper gleiche GrSsse haben, an Wahr- scheinlichkeit, und stellt die gleichzeitige Entstehung fast sicher.

Bei der Langsamkeit, mit der die aktive (Durchwachsung)~ wie passive (Verschlepptwerden) Verbreitung auf dem Lymphwege vor sieh geht~ mfissten wir die Tumoren, die in der N~he des Prim~rtumors liegen~ er- heblich grSsser finden, als die entfernteren~ da erstere ja viel ]~nger be- stehen wfirden.

Diese urplStzliche Verbreitung~ wie aueh der Umfang der Dissemination fordern geradezu die Annahme der Blutbahn als Metastasierungsweg heraus, iu die die Geschwulstzellen entweder yore krebsigen Ductus thoracieus oder durch Durehwachsung eines Gef~sses ge]angt sein kSnnen.

Ein weiterer Grund ffir die Annahme des h~matogenen Ursprungs der ~letastasen ist die Lokalisation tier KnStchcn in dec Leber. Die Oberfl~che der Leber - - vorwiegend der Verzweigungsbezirk der Arteria hepatica - - zeigt zahlreiche kleine Geschwfllste, die Lebersubstanz - - vorwiegend Ver- sorgungsbezirk des dutch das davor liegende Capillarnetz des Darmes ge- siebten Pfortaderblutes - - ist frei yon solchen. Die Entstehung dieser Tumoren auf der Oberfl~che der Leber abet als Dissemhmtion im Sinne V i r c h o w ' s - - Ausstreuung der Keime hi serOsen HShlen~ wo sie sich an zahllosen Stellen implantieren kOnnen - - zu deuten, ist mit Rficksicht auf die versteckten Metastasen~ wie z. B. die der Prostata and auf das Be- fallensein mehrerer ser5ser HOhlen unmSglich.

Sehr merkwiirdig erscheint es auf den ersten Blick~ class sich der im vorhergehenden geschilderte Meehanismus der akuten~ h~matogeuen Disse- mination verhgltnism~ssig so selten abspielt. Aber selbst bei der Tuber- kulose, dieser doch so fiberaus h~ufigen Erkrankung~ ist die Generalisie- rung ein verhgltnism~issig seltener Vorgang. ich mOchte hier ausdrficklich betonen~ dass ich die Miliartuberkulose nut als Analogon der Seltenheit~ nieht aber als Analogon des Mechanismus der Pathogenese zum Verg]eieh heranziehe.

G o l d m a n n (Bruns' BeitrSge, Bd. XVIII. S. 595) hat nachgewiesen, dass fast alle Carcinome frfihzeitig und regehnassig in die Blutbahn durch- brechen. Wir werden daher mit der Annahme rechnen mfissen: dass ~tuch frfihzeitig Careinomzellen in die Blutbahn eindringen kOnnen und doch nicht Metastasen verursachen. Man hat ja schon frfiher angenommen (so

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C z e r n y , L u b a r s e h ~ F i i t t e r e r , v. H a n s e m a n n ) , dass doeh nieht jeder im K6rper vorhandene Krebskeim zur Entwiekelung gelangen miisse. Pe - t e r s e n (Beitr~ge, Bd. 34) wies aueh" nach, dass Metastasen vollst~indig zu Grunde gehen k0nnten, und kant zum Sehlusse, dass aueh eine Disposition des ganzen Organismus ftir die Metastasenbildung erforderlich sei~ und stellt sehliesslieh auf Grund des Naehweises, dass die ersten Metastasen sehr hi~ufig - - dureh die Sehutzkr':ifte des Organismus? - - zu Grunde gehen, die Hypothese auf~ dass die toxisehen Zerfallsprodukte dieser Metastasen den Boden fiir das Fussfassen der n'~ehsten Metastasen geeignet maehen.

Diese I-Iypothes% die allerdings noeh night bewiesen ist, wiirde im vorliegenden Falle wohl in Anbetraeht des krebsigen Duetus thoraeieus die Ansiedelung und Weiterentwiekelung der angesehwemmten Keime er- kl~ren, zamal die Disposition des Organismus dureh den gusserst reduzierten Ern~thrungszustand stark erhSht wurde.

Zwei FMle habe ieh in der Literatur gefunden~ die ein Analogon des obigen bieten.

In seiner im XXI. Bd.~ Jahrgang 1861 yon Virehow's Archly er- sehienenen Arbeit ,,2 FMle yon miliarer Careinose" beriehtet J o h a n n e s E r i e h s e n yon einer 47j~ihrigen Patientin mit einem Mammaeareinom. Die Autopsie ergab~ dass alle Organe mit gleiehartigen Tumoren yon h6ehstens HaselnussgrSsse durehsetzt waren. Der andere Fall E r i e h s e n ' s behandelt, wie aus der Besehreibung deutlieh ersiehtliel b e i n e Dissemination im oben erw~hnten Sinn% geh6rt also nieht hierher. Die h6ehstens erbsengrossen Tumoren fanden sieh nur an der Oberfl~tehe der yon der Peritonealh0hle frei zug~tngliehen Bauehorgane.

7 weitere F~ille yon H e r r m a n n D e m m e (in Virehow's Arehiv, Bd. XVlII, 1858, referiert yon Beer aus der Sehweizer Monatsschrift ffir praktisehe Medizin), sowie 2 Fglle yon F e r n e t s (Vorstellung in der So- ei6t6 elinique und Note sur un second eas de eareinose miliaire sous-eou- tan~ - - La France m~dieale~ 1889~ p. 325) eitiere ieh nieh L da es sieh hier um eine gerbreitung auf dem Lymphwege gehandelt haben kann.

F e r n e t citiert jedoch einen einschl~igigen Fall, den R e g n a u l t am 18. November 1887 in der Soci4t4 anatomique vorgestellt hat. In diesem Falle hatten sieh bei einer sehr heruntergekommenen Frau zahltose, hiSch- stens haselnussgross% unter der Haut liegend% doch weder mit dieser~ noch mit dan tieferen Geweben verwachsene Knoten gebildet. Die Sektion ergab ein ausgedehntes Magencarcinom mit zahlreichen Lebermetastasen: die ,obgleich sie gr6sser sind~ im Beginn der Entwiekelung zu sein scheinen", sowie sandkorngrosse Metastasen auf den Pleuren und den Perikardial-- bl~tttern.